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Full text of "Zeitschrift Für Physikalische Und Diätetische Therapie 9.1905"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

PHYSIKALISCHE u» DIÄTETISCHE 


THERAPIE 


Mitarbeiter: 

Prof. ▼. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CURSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankftart a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A KRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. PRÄNKEL (Berlin), Priv.-Doz. Dr. KRANKENHÄUSER 
' Berlini. Geh.-Rat Prof. KÜRBRINGER (Berlin), Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), 
Geh.-Rat Prof. A. HOPPMANN (Leipzig), Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), 
Prof. KITASATO (Tokio), Prof. G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Priv.-Doz. 
Dr. PAUL LAZARUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), Geh.-Rat Prof. LIEBREICH 
(Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Priv.-Doz. Dr. L. MANN (Breslau), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
MARTIUS (Rostock), Prof. v. MERENG (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), 
Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Strafiburg), Prof. v. NOORDEN (Frankfurt a. M.), Prof. PEL (Amsterdam), 
Prof. A. PREBRAM (Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENVERS (Berlin), Geh.- 
Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Prof. SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON 
London). Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof. v. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, 
M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


Herausgeber: 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 

Redaktion: 

Dr. W. ALEXANDER, Berlin NW., Flensburgerstraße 19a. 


Neunter Band. 


Mit 40 Abbildungen. 


LEIPZIG* 1006 

Verlag von GEORG T HIE ME, Rabensteinplatz 2. 


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UNIVERSETY OF MICHIGAN 





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Inhaltsverzeichnis des IX. Bandes 


I. 

Orlginalarbeiten. Heft seit« 

Symptomatologie und Therapie verschluckter Fremdkörper. Von Dr. Georg Glücks¬ 
mann in Berlin. (Mit 8 Abbildungen.). I 5 

Fortschritte in der orthopädischen Behandlung. Von Dr. Immelraann in Berlin I 17 

Nervenplastik (Greife nerveuse) nebst Bemerkungen über Übungstherapie bei 

Lähmungen. Von Th. Gluck, Berlin. (Mit 10 Abbildungen.). I 24 

Über therapeutische Erfahrungen mit einer neuen Quecksilberlampe: „Uviollampe* - 
Schott. Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Jena. Von Dr. E. 

Gottstein, Volontärassistent der Poliklinik. (Mit 1 Abbildung.). I 39 

Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen und die Entgiftung von Toxinen durch 
die Spcrmintherapie. Von Prof. Dr. Fürst J. v. Tarchanoff, Prof. Dr. A. 

v. Poehl und Dr. Alfred v. Poehl in Petersburg .. II 69 

Die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel. Von Dr. L. 

Xenadovics in Franzensbad. II 86 

Zur Behandlung der Arteriosklerose mit Moorbädern. Von Arthur Loebel in Dorna II 90 
Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. Aus dom 
Zentral-Institut für physikalische Therapie in Rom. (Direktor Prof. Dr. Karl 
Colombo.) Experimentelle Untersuchungen von Prof. Dr. Karl Colombo 

in Rom. III 125 

Über Anwendung von Hitze bei Lungenerkrankungen. Von Oberstabsarzt Dr. Heer¬ 
mann in Posen. III 137 

Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologie. Von H. Zikel 

in Berlin. III 139 

Ein neuer Heißluftapparat Beitrag zur Technik des Verfahrens. Von Dr. Carl 

Mirtl, Kuranstalt Meerscheinschloß, Graz. (Mit 4 Abbildungen.). III 152 

Zur 0-Wirkung der Seeluft. Von Dr. Ide, Nordsee-Heim, Amrum . IV 189 

Zur therapeutischen Verwendung des Stenosenatmens in der Lungentuberkulose. 

Von Dr. C. Fischer in Montana. IV 193 

Weitere Untersuchungen über die Wirkung der Sonnenbäder auf einige Funktionen 
des Organismus. Von Dr. W. D. Lenkei, Leiter der Heilanstalt in Balaton- 

Almädi . IV 194 

Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. Aus dem 
Zentral-Institut für physikalische Therapie in Rom. (Direktor Prof. Dr. Karl 
Colombo.) Experimentelle Untersuchungen von Prof. Dr. Karl Colombo 

in Rom. (Schluß.). IV 200 

Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. Von Spitalarzt 

Dr. Oscar Bernhard in Samaden. (Mit 5 Abbildungen.). V 245 

Die Verwendung der äußeren Kathodenstrahlen in der Therapie. Von Dr. Her¬ 
mann Strebei in München. V 259 

Die Verwendung des Hygiama als Diätetikum. Von Dr. Julian Marcuse, Sana¬ 
torium Ebenhausen bei München. V 266 


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IV Inhaltsverzeichnis. 


Heft Seite 

Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. Von Dr. J. Sadger in Wien- 

Gräfenberg. V 270 

Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. Von Professor Dr. Chr. 

Jürgens en in Kopenhagen.' . . VI 309 

Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. Von Dr. J. Sadger in Wien- 

Gräfenberg. (Schluß.) . VI 327 

Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusaminensetzung, Körpertemperatur, Puls- 
und Atmungsfrequenz durch Einwirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von Dr. M. van Oordt in St. Blasien .. VI 338 

Über die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 

Von Dr. F. Köhler, Chefarzt der Heilstätte Holterhausen bei Werden 

(Ruhr). VII 305 

Das Dauerbad. Von Dr. Friedrich Grosse in New York. VII 377 

Über Ägyptens Kurorte und Indikationen. Von Dr. H. Engel in Heluan (Ägy pten) VII 385 

Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusaminensetzung, Körpertemperatur, Puls- 
und Atmungsfreqenz durch Einwirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von Dr. M. van Oordt in St. Blasien (Fortsetzung). VH 391 

Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder Patent 

Stanger. Von Dr. 0. Buß in Bremen.VIII 429 

Ein Fall von Schüttellähmung durch Übungstherapie gebessert. Aus der Klinik für 
Nervenkrankheiten der St. Wladimir-Universität zu Kiew\ (Direktor: Professor 

M. N. Lapinsky.) Von Assistenzarzt Dr. W. Lasarew. VIII 445 

Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung, Körpertemperatur, Puls- 
und Atmungsfrequenz durch Einwirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von D. M. van Oordt in St. Blasien (Schluß). VIII 448 

Der sinusoidale Wechselstrom in der Gynäkologie. Aus der Anstalt für physi¬ 
kalische Heilmethoden in Karlsruhe. Von Dr. H. Pauli in Karlsruhe. (Mit 

2 Abbildungen.). VIII 459 

Der I. Kongreß für Physikotherapie in Lüttich vom 12. bis 15. August 1905. Von 

E. v. Leyden. IX 485 

Über Ischiasbohandlung mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. Aus 
der hydrotherapeutischen Anstalt der Universität Berlin. (Leiter: Geh. Med.- 
Rat Professor Dr. Brieger.) Von Dr. med. Ernst Sommer, Winterthur 

(Schweiz). IX 488 

Über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellcnbades. Kritische Bemerkungen 
zur Aufklärung. Aus der Ernst Ludwigs-Heilanstalt zu Darmstadt. Von 

Dr. M. Krahn. IX 497 

Der Massageunterricht an der Universität Berlin. Vortrag, gehalten auf dem Inter¬ 
nationalen Kongreß für Physikotherapie zu Lüttich 1905. Von Professor 
J. Zabludowski, Leiter der Universitäts-Massageanstalt in Berlin .... IX 508 
Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in der Skoliosen-Thcrapie. Vortrag 
für den Internationalen Kongreß für Physikotherapie zu Lüttich 1905. Von 

Sanitätsrat Dr. A. Schanz in Dresden. IX 512 

Zur Behandlung von Handversteifungen mit dem Bierschen Saugapparat. Aus der 
Kgl. Universitäts-Poliklinik für orthopädische Chirurgie in Berlin. (Direktor: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hoffa.) Von Dr. James Fränkel, Assistenzarzt. 

(Mit 4 Abbildungen). X 549 

Eine Schutzvorrichtung für Radiotherapeuten. Aus der Universitätsklinik des Herrn 
Professors Dr. E. Finger in Wien. Von Dr. Leop. Freund, Privatdozent 

in Wien. (Mit 1 Abbildung). X 554 

Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten in moderner Auffassung 

und unter epikritischer Beleuchtung. Von Dr. Achert in Bad Nauheim . . X 557 

Die Grenzen und Wechselbeziehungen zwischen der mechanischen Orthopädie und 
orthopädischen Chirurgie. Von Dr. Oskar v. Hovorka, Chefarzt für Ortho¬ 
pädie am Zander-Institut in Wien. X 5G7 


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Inhaltsverzeichnis. 


Y 


Heft Seite 


Mittel zur Verlängerung des Lebens. Nach der zweiten vermehrten Auflage des vor 
dem Royal College of Physicians in London am 3. Dezember 1903 gehaltenen 
Vortrags „On means for the Prolongation of life.“ Von Sir Hermann 
Weber M. D., Konsult. Arzt am Deutschen Hospital in London und an den 

Hospitälern für Schwindsucht in Ventnor und Mount Vernon. XI 613 

bie neuen Behandlungsmethoden des Lupus. Von Professor E. Lesser in Berlin XI 627 
bie Indikationen der methodischen Massage bei der Behandlung der Neuritis und 
Polyneuritis Von Dr. Kouindjy, Chef du Service de R66ducation et de 

inassage ä la Clinique Charcot (Salpätrißre). XI 631 

bie Grenzen und Wechselbeziehungen zwischen der mechanischen Orthopädie und 
orthopädischen Chirurgie. Von Dr. Oskar v. Hovorka, Chefarzt für Ortho¬ 
pädie am Zander-Institut in Wien. (Schluß). XI 634 


bie Solidarität der verschiedenen physikalischen Behandlungsmethoden bei einer 
rationellen Therapeutik. Öffentlicher Vortrag, gehalten beim I. Internationalen 
Kongreß für physikalische Therapie in Lüttich im August 1905. Von Carlo 
Colombo aus Rom. Professor an der medizinischen Fakultät, Direktor des 

Zentral-Instituts der physikalischen Therapeutik. XII 677 

Mittel zur Verlängerung des Lebens. Nach der zweiten vermehrten Auflage des 
vor dem Royal College of Physicians in London am 3. Dezember 1903 
gehaltenen Vortrags „On means for the Prolongation of life.“ Von Sir 
Hermann Weber M. D., Konsult. Arzt am Deutschen Hospital in London 
und an den Hospitälern für Schwindsucht in Ventnor und Mount Vernon. 


(Fortsetzung und Schluß). XII 691 

Neuralgie und Muskelrheumatismus als Hindernis für Künstler und Künstlerinnen 

in ihrem Beruf. Von Dr. F. Sylvan in Berlin. XII 721 


II. 

Berichte über Kongresse und Vereine. 

Bericht über die 26. öffentliche Versammlung der Balneologischen Gesellschaft in 

Berlin, 9.—13. März 1905. Von Dr. G. L. Mamlock. II 91 

Der XXII. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden vom 12.—15. April 1905. 

Berichterstatter: Dr. W. Alexander (Berlin). III 157 

ber XXII. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden vom 12.—15. April 1905. 

Berichterstatter: Dr. W. Alexander (Berlin). (Schluß). IV 214 

Deutsche Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. IV. Kongreß 1905 . IV 223 

Deutsche Gesellschaft für Volksbäder. V 287 

X. Internationaler Kongreß gegen den Alkoholismus. V 287 

VII. Internationaler Kongreß für Hydrologie, Klimatologie, Geologie und physikalische 

Therapie in Venedig vom 10.—18. Oktober 1905 . VIT 406 

Bericht über den I. Internationalen Kongreß für Physikotherapie in Lüttich am 12. 

bis 15. August 1905. Von Dr. W. Alexander. IX 517 

Bericht über den I. Internationalen Kongreß für Physikotherapie in Lüttich am 12. 

bis 15. August 1905. Von Dr. W. Alexander. (Fortsetzung). X 577 

Bericht über den I. Internationalen Kongreß für Physikotherapio in Lüttich am 12. 

bis 15. August 1905. Von Dr. W. Alexander. (Schluß). XI 641 

III. 

Therapeutische Neuheiten, 

Anospreizapparat. Modell der Königlichen Charite zu Berlin. I 64 

Liektrische Lichtbäder für Intensivbostrahlung nach Wulff. IV 240 

Bin einfacher Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. Nach Mitteilungen von 
Privatdozent Dr. H. Winternitz aus der medizinischen Universitätsklinik 

xu Halle (Direktor Prof. Dr. v. Mehring). VIII 480 

Apparat zur Infusion von Kochsalzlösung mit Sauerstoff. XI 672 


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VI 


Inhaltsverzeichnis. 


Heft S«iie 

IV. 

Referate über Bücher und Aufsätze. 


Abbe, An excessive epithelial canccr of the glans penis treated with the Röntgen rays VI 357 

Abderhalden, Der Einfluß des Höhenklimas auf die Zusammensetzung des Blutes IX 530 

Albert-Weil, Rayons X et Constipation. V 296 

Albu, Die Behandlung der Hyperazidität und der Hypersekretion des Magens . . X 588 

Alexander, Zur Behandlung des Morbus Basedowii mit Antithyreoidin Möbius. . IX 540 

Ammann, Ein neues Skoliosenkorsett. X 596 

Arienzo, La d’Arsonvalizzazione nelle malattie della pelle. III 177 

Aronstamm, Stoff wechselversuche an Neugeborenen. IV 226 

Aron, Die Aussichten der Sauerstoff-Inhalationen nach den neuesten physiologischen 

Untersuchungen. IX 529 

Aschoff, Das Vorkommen von Radium in den Kreuznaoher Solquellen. IX 536 

Aubertin et Beaujard, Action des rayons sur le sang. V 297 

Aubertin und Beaujard, Action comparö des rayons de Röntgen sur le sang 

dans le8 leucämies myälogöne et lymphatique.VIII 474 

Axmann, Über Radioaktivierung und ein neues Radiumpräparat (Radiophor). . . XI 664 

Ayer, A study of fifteen cases of erysipelas treated by injections of antistrepto- 

coccus serum. IV 237 

Ayer, Serum Therapy in Erysipelas: Results in 33 additional Cases. XI 666 

Baar, Amerikanisches Ärztewesen. V 302 

Bachmann, Die gesundheitliche Bedeutung des Luft- und Lichtbades. VI 354 

Bai sch Indikationen und Kontraindikationen der Vaporisation des Uterus. ... X 590 

Barbier, Les Sanatoriums mariiimes de la cöte Atlantique en France. XII 728 

Bardet, Traitement de Tent6ro-colite par le traitement gastrique. V 289 

Bardet, Dangers de la Suralimentation chez malades soup^onnös de tuberculose X 587 

Barlocco, Immunisierung gegen die Tuberkulose.VIII 475 

Bartel, Die Infektionswege bei der Fütterungstuberkulose.VIII 466 

Basch, Das zur Finsenbehandlung dienende Bökesche Instrument. IV 234 

Bassano, Five cases of tuberculosis treated with Dr. Marmoreks serum. XI 665 

Bassenge und Mayer, Zur Schutzimpfung gegen Typhus. VII 418 

Batty Shaw, The treatment of tuberculosis of the lungs by means of tuberculin 

and other bacterial derivatives. IV 237 

Bau mann, Über Immnnisierungsversuche gegen Tuberkulose. XI 666 

Baumgarten und Hoyler, Über Immunisierung gegen Tuberkulose. V 300 

Bäumler, Die Behandlung Herzkranker mit physikalischen Heilmethoden .... XI 670 

Bock, Über die Kombination von Exzisions- und Röntgentherapie bei Morbus 

Basedowii. V 297 

B6eiere, Note sur l’emploi thärapeuthique des sels de radium. VI 357 

Beiträge zur Schutzimpfung gegen Typhus. III 179 

Beitzke, Einiges über die Infektionswego bei der Lungentuberkulose. VI 360 

Belot, Traitement du mycosis fongolde par la radiothßrapie. XII 733 

Benson, The X-ray Treatment of Lupus. IV 235 

B 6 ran eck, Une nouvelle Tuberculine. XI 667 

BGrardetLeriche, De la conduite ä tenir dans les cas de corps ßtranger de 

Toesophago chez l’enfant. III 176 

Bergell und Braunstein, Über den Einfluß der Radiumsalze auf den fermentativen 

Eiweißabbau. VII 417 

Bering, Über Verbesserungen der Finsen-Reynlampe nebst Bemerkungen über 

Lupusbehandlung. IX 536 

Besold, Über Klima und Lungentuberkulose. III 173 

Beyer, Über die Behandlung von Deformitäten mit Hilfe elastischer Heftpflasterzug¬ 
verbände . II 113 

Beyer, Der Einfluß des Radfahrens auf das Herz. XII 731 


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Inhaltsverzeichnis. VII 


Heft Seite 

Bickel, Experimentelle Untersuchungen über den Magensaft. I 44 

Bier, Behandlung akuter Eiterungen mit Stauungshyperämie. I 51 

Bisserie, Le technique radiotherapique dans les affections cancäreuses. VII 417 

Blasi, Le fratture trattate con Telettricitä. III 177 

Bloch, Über Ernährungstherapie bei Syphilis. VI 353 

Bloch, Thigenol in der Praxis des Landarztes. VIII 479 

Blumenthal, Über Darmfäulnis bei Icterus catarrhalis. VII 409 

Bl am ent hal, Stoffwechselkrankheiten. XI 668 

Boas, Karlsbad oder Kissingen?. VIII 468 

Boeder, Zur therapeutischen Anwendung der Heißluftdusche. X 593 

Boi gey, La pratique des injections intraveineuses est-elle justifiäe?. VII 415 

Bo in et, Indication de la thoracentäse sans aspiration. XI 659 

Bordier, La Galvano-Faradiszazione e il trattamento della constipazione cronica 

e deir entcro-colite muco-mcmbranosa. VII 418 

Bordier und Bonnenfant, Die Einwirkung vielfach unterbrochener galvanischer 

Ströme auf die Entwicklung und Ernährung von Tieren. IX 536 

Bordier und de Roig, De la räsistance.älectrique des eaux thermales de Cauterets. 

Essai d'interpretation sur leur mode d’action. VII 413 

Bouloumiö, Traitement hydrominäral de l’entärocolite mucomembraneuse .... XII 728 

v. Bramann, Über Tnmorenbehandlung mit Röntgenstrahlen. X 599 

Brat, Über einen neuen Sauerstoffatmungsapparat. VIII 469 

Brauer, Die praktische Durchführung des Überdruckverfahrens. XII 731 

Brauerund Petersen, Über eine wesentliche Vereinfachung der künstlichen Atmung 

nach Sauorbruch. III 174 

Braun, Die Lokalanästhesie, ihre wissenschaftlichen Grundlagen und praktische 

Anwendung. VII 423 

Breitung, Die sozialpolitische Bedeutung der Volkshygiene. IV 238 

Bresin, Über den Einfluß hydrotherapeutischer Maßnahmen auf den Stoffwechsel I 49 

Breuillard, Etüde physiologique et mödicale sur la marche et sur un moyen de 

la faciliter. III 175 

Brieger und Laqueur, Moderne Hydrotherapie. IX 530 

Brix, Zur Behandlung eingeklemmter Brüche. X 593 

Brown, Treatment of Tuberknlosis and Tuberkulin Inoculation. VI 358 

BruandetetHumbert, De latexture des Nerfs, application äl’anastomose nerveuse VI 356 

Brüning, Vergleichende Studien über den Wert der natürlichen und künstlichen 

Säuglingsernährung bei Tieren. I 46 

Büdinger, Die Behandlung chronischer Arthritis mit Vaselininjektionen. IV 238 

Bulling, Inhalation, ein wertvolles therapeutisches Hilfsmittel. V 293 

Bum, Die Massage der Prostata. VIII 471 

Burk er, Die Wirkungen des Höhenklimas auf das Blut. in 174 

Burckhard, Beobachtungen über die Gefahren Schultzescher Schwingungen ... IV 231 

Busck, Lichtbiologie. III 177 

Casciani, Der Einfluß einiger Mineralwässer auf die Gallensekretion. XI 656 

Championniäre, Frakturen und Mobilisation. XI 658 

Cheever, Collapse during examination of a postpharyngeal abscess: reestablish- 
ment and maintenance of the circulation for four hours by means of massage 

of the heart. VII 414 

Choupin, Opothärapie ränale. IX 539 

Christiani, La guörison du myxoedäme par la greffe tbyrotdienne. ÜI 181 

Clemm, Eine neue therapeutische Verwendung der Kohlensäure. XII 728 

Cleveland, Malignant disease of the fundus Uteri, treated by X-Rays trough the 

abdominal wall: recovery. IX 537 

Cohn, Weitere Beobachtungen über Behandlung des Trachoms mit Radium . . . VII 416 

Collins, A case of Tetanus succesfully treated with antitet anic serum and Curare XI 667 

Colombo, La radioterapia nella leukemia splenomidollare. IV 233 


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VHI 


Inhaltsverzeichnis. 


Heft Seife 

Cornelius, Die Nervenmassage. V 2% 

Coromilas, Les rayons X conimc moyen thärapeutique eontre certaines affections 

des poumons et sur tout eontre la tnberculose. V 296 

Courant, Über die Vereisung spitzer Kondylome mittelst Äthylchlorid. IX 529 

Cushing and Clarke, Copious water-drinking and polyuria in typhoid fever. 

A contribution to treatment. X 589 

Cyriax, The elements of Kellgrens manual treatment. V 295 

Danlos, Quelques considerations sur le traitement des derraatoses par le radium VIII 474 

Delherm, L’61ectricit6 agent rößducateur dans l’hysterie.VIII 472 

Denis Courtade, Des pollakiuries d’origino neurasthönique et de leur traitement 

älectrique.VIII 472 

Der 1 in, Beitrag zur Behandlung akuter Eiterungen mit Bierscher Stauungshyperämie XII 730 

Dessauer, Zur Frage der therapeutischen Dosierung der Röntgenstrahlen .... VIII 473 

Dessauer, Röntgenologisches Hilfsbuch, Bd. I. XI 661 

Detormann, Das Luftbad, seine physiologische Wirkung und ärztliche Verwendung II 107 

Deutschländer, Die funktionelle Behandlung der Knochenbrüche. XI 658 

Diätvorschriften und Kochrezepte zum Gebrauch Für die Krankenkassenpraxis. . . VI 352 

Dobrzynicky, Lichttherapie in der Zahnheilkunde. V 298 

Doevenspeck, Beiträge zur intravenösen Injektionstherapie. X 597 

Dornblüth, Diätetisches Kochbuch. IV 225 

Doumer und Lemoine, Traitement des tumeurs de rcstomac par la Radiotherapie IV 233 

Dueros, Le bain prolongö. X 593 

Dürig, Ein Beitrag zur Serumbehandlung des Morb. Basedowii. VII 420 

Eber, Experimentelle Übertragung der Tuberkuloso von Menschen auf das Rind . V 301 

Ebstein, DieGicht des Chemikers Jakob Berzelius und anderer hervorragender Männer III 181 

Edel, Die Wetterverhältnisse an der Nordsee in den beiden letzten Wintern. . . VII 411 

Edlefsen, Über den Wert des Pepsins in der Behandlung der Verdauungs¬ 
störungen im Säuglingsalter. III 170 

Ehrlich, Entfernung eines Knochensplitters aus der Speiseröhre durch „untere 

Ösophagoskopie“. III 176 

Einhorn, Radiumbehälter für den Magen, Ösophagus und Rektum. II 115 

Einhorn, Über die Radiumbehandlung des Ösophaguskrebses. XI 664 

Elsaesser, Über die sogenannten Bcrginannskrankhoiten. IX 544 

Elsner, Über die Indikationen und Kontraindikationen der Anwendung von Eisen¬ 
präparaten bei Magenkrankheiten. XI 646 

Engelbrecht, Zur Heilung der Unterschenkelgeschwüre. XI 670 

Epstein, Die Rollo der Hydrotherapie in der Psychiatrie. II 109 

Escard, Le Radium et ses proprietäs. II 114 

Esmonet, L’abus des lavages d’intcstin. . .. X 595 

Eulenburg, Über Nerven- und Geisteskrankheiten nach elektrischen Unfällen . . III 183 

Eulenburg, Zur Antithyrcoidinbchatidlung der Basedowschen Krankheit .... XII 735 

Ewart, X-Ray Therapcutics. VI 356 

Fels, Die Schutzpockeniinpfung. X 602 

Fenyvessy, Der Schutz des Organismus den Giften gegenüber. XII 734 

Ficker, Über die Keimdichte der normalen Schleimhaut des Intestinaltraktus . . V 289 

Fielitz, Über die Technik der Röntgenbehandlung. X 599 

Fink, Erfolge einer einmaligen Kur in Karlsbad beim Gallcnsteinleiden. I 46 

Flachs, Verbesserte Frauentraclit. X 606 

Flatau, Über einen neuen Gymnastikapparat und seine Verwendbarkeit bei Be¬ 
handlung von Nervenleiden. VII 415 

Fodor, Über den inneren Gebrauch des Meerwassers. V 290 

Fogcs, Kolposkop. IV 233 

Forsyth, Inoculations with Ilaffkinos Plague Prophylactic. II 115 

Franze. Die Elektrotherapie der Herzkrankheiten in Verbindung mit der Nau- 

heimor Kur. XI 662 


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Inhaltsverzeichnis. 


IX 


Heft Seite 

Frenkel, Grundsätze der Übungstherapie bei Tabes.VIII 469 

Freund, Über das Styptizin in der gynäkologischen Praxis. . .. IV 239 

Freund, Über die ersten Veränderungen des in Resorption befindlichen Nahrungs¬ 
eiweißes . V 290 

Frev, Venendruckmessung bei Behandlung Herzkranker mit physikalischen Heil¬ 
mitteln . I 61 

Frey, Massage unter der Heißluftdusche. HI 175 

Frey, Meine Erfahrungen mit dem Antituberkuloseserum Marmorek. XII 733 

Fried jung und Hecht, über Katalyse und Fermentwirkungen der Milch .... X 585 

Friedjung und Hecht, Über Katalyse und Fermentwirkungen der Milch. II. Teil XI 646 

Friedländer, Über Luft- und Sonnenbäder. XI 656 

Frim, Über die Kurorte Ägyptens. X 594 

Fuld, Über die Kellingsche Serumreaktion bei Karzinomatösen. VII 419 

Fnrbringer, über Zyklotherapie der sexuellen Neurasthenie. IX 535 

Fürst, Zur Frage des Entkoimens der Kindermilch im Hause. XII 726 

Gallois, Flourens, Walter, Traitement des dyspepsies infantiles par l’eau oxyg6n6e VI 352 

Gallois et Courcoux, Action de Feau oxyg6n6e sur le chimisme gastrique. . . VII 409 

Ganghofner, Über die Behandlung des Scharlachs mit Antistreptokokken-Serum V 300 

Ganghofner, Zur Frage der Füttcrungstuberkulose. XI 670 

Gans, Die balneologisch-diätctische Behandlung der chronischen Diarrhöe .... IX 523 

Gant, Die Krankheiten des Mastdarms und des Afters. XII 735 

Garei, Troi cas interessante de corps 6trangers de Foesophage. XI 659 

Gay, Basi della terapia foto-attinica nelle malattie entanee. V 297 

Gaylord, Karvey, Clowes and Baeslack, F. W. Preliminory Report on the 
presence of an immune from Cancer (Adeno-Carcinoma, Jensen) and the Effect 
of This Immune Serum upon Growing Tumors in Mice Infeiled with the same 

Material. IX 540 

Geißler, Über die Bedeutung und den Wert der Arbeitsbehandlung Nervenkranker IX 632 

Gerson, Zur Extensionsbehandlung der oberen Extremität. X 596 

Gerson, Eine Vereinfachung des abnehmbaren elastischen Gipskorsetts. Xn 730 

Gilbert, Praktische Winke für die Diabetesküche. XI 644 

Gilbert, Lereboullet et Albert-Weil, „Los röaetions ölectriques des nerfs et 

des museles dans la cbolßmie“. I 54 

Glax, Die Säuerlinge als diätetisches Getränk für Gesunde und Kranke. IX 526 

Glücksmann, Die traumatischen Erkrankungen der oberen Speisewoge und ihre 

Behandlung. IX 534 

Göbcl, Die Basedowsche Krankheit und ihre Behandlung. XH 728 

Go bi et, Ein schwerer Fall von traumatischem Tetanus, geheilt durch Duralinfusion 

von Behringschem Tetanusserum. III 180 

Gold mann, Vorläufige Mitteilungen über die Impfung unter rotem Licht. III 178 

Goldscheider, Über die Stimmung. V 302 

Goldstein, Erhält unser Volk genug Fleisch?. XII 727 

Golubinin, Ein Fall von therapeutischer Anwendung der Röntgenstrahlen bei 

Morbus Addisonii. IX 538 

Gordon, The influence of rainy winds ou pathiris .. IV 229 

Görl, Ein neues Feld für die Radiotherapie? (Strumenbehandlung). X 599 

Gourichon, L’hygiene de Fenfant ä l’6cole. HI 182 

Grandi, II massaggio addominale come diuretico. in 175 

Grawitz, Beobachtungen über die diesjährigen Fälle von Genickstarre. IX 542 

Gray, Subdiaphragmatic Transperitoneal Massage of the heart as a means of 

resuscitation. X 595 

Grenet, Les traitements actuelles du Tetanos . ..VHI 476 

Groedel II, Die physiologische Wirkung der Solbäder.VIII 466 

v. Grolman, Ärztliches Jahrbuch 1905. II 117 

Groß und Sencert, Die Massage des Herzens im Chloroformkollaps. X 597 


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X 


Inhalts Verzeichnis. 


Heft Seite 

Grilnbaum, Die Technik der Stauungshyperämie. IV 233 

Grünberger, Ein Fall von Tetanus tranmaticus mit Ausgang in Heilung unter 

Antitoxin- und Blaulichtbehandlung. VI 358 

Grün er t, Die Bedeutung der Lumbalpunktion für die Ohrenheilkunde. IX 532 

Gutzmann, Die Übung der Sinne.:. X 605 

v Hacker, Weitere Beiträge zur Fremdkörperentfernung mittelst der Ösophagoskopie VIII 471 
Hacker, Gipsstaub (Kalziumsulfat) als Heilmittel gegen Lungentuberkulose ... X 606 

Hagen, Eumydrin als Atropinersatz. VIII 479 

Hahn, Ein Beitrag zur Röntgentherapie. XII 732 

Halberstaedter, Die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Ovarien. II 113 

Hai lauer, Über den Einfluß der Konzentration des Harns auf den Ausfall der Eiwei߬ 
reaktionen . III 171 

Hamburger, Osmotischer Druck und Ionenlehre in den medizinischen Wissenschaften IV 239 

Hammer, Über die Heilung der Astasie-Abasie.VIII 469 

Hanel, Aronsons Antistreptokokkenserum bei puerperaler Sepsis. XII 733 

Hanke, Elektrizität in der Therapie der Augenkrankheiten.VIII 472 

Hannemann und Kasack, Krankendiät. II 104 

Haret, La Radiotherapie et le cancer ulc6r6 du sein. VII 416 

Harm er, Beitrag zur Ösophagoskopie der gutartigen Ösophagusgeschwülste ... I 52 
de la Harpe, Über die Resultate der Fangobehandlung und über die kombinierte 

Sol- und Fangokur.*. XI 665 

Heermann, Über einen schmerzlosen Injektionsmodus des Alttnberkulins . . . ... III 180 

Hei mann, Gartenarbeit als Heilmittel. IX 533 

Heinrich, Zur Methodik und Kasuistik der Behandlung von Darmkrankheiten mit 

Heidelbcerdekokt. X 589 

Heitz, Des modifications des anßsthösies cutanäes du tabes sous Tinfluence des 

bains carbo-gazeux .. IV 229 

Heitz, Du retour des sensibilit^s profondes et späcialement de la sensibilite osseuse 
chez les tabßtiques par l’action des bains carbo-gazeux. Importance de cette 

notion dans le traitement do l’ataxie. IX 531 

Heller, Weitere Mitteilungen zur Therapie der Basedowschen Krankheit .... IV 230 

Herter, Über künstliche Atmung. VII 414 

Herter, Eine verbesserte Spuckflasche. XI 669 

Herz, Über die Reaktionsfähigkeit des gekühlten oder erwärmten Herzens .... XI 657 

Herz, Die physiologischen Wirkungen des künstlichen Luftstrombades. XII 729 

Hildebrandt, Die Lumbalanästhesie. XI 660 

Hirsch, Bemerkungen über künstliche Kohlensäurebäder. X 592 

Hirsch, Über Basedowsche Krankheit. X 605 

Hirschfeld, Die Röntgentherapie der Leukämie. VII 417 

Hirtz, Opotherapie häpatique. VII 409 

Hochhaus, Über die Behandlung akuter Halsaffektioncn mittelst Stauungshyperämie XI 659 

Hoffa, Einige Bemerkungen zu der Arbeit Oppenheims „über Mißbrauch der 

Sehnentransplantation“. I 50 

Hoffa, Die physikalische Behandlung spastischer Kontrakturen. XI 658 

Ho ff mann und Schulz, Zur Wirkungsweise des röntgenbestrahltcn Lecithins auf 

den tierischen Organismus. VIII 474 

Holding, A warning and a protector for X-ray workers. XII 732 

Holzknecht, System der Strahlungstherapien. XI 661 

Hönigschmied, Praktische Erfahrungen über Extractum Chinae Nanning . ... I 46 

Hör der und Scofield, A second case of pneumococcus endocarditis treated by 

antipneumococcus-serum. VI 358 

Huchard, Les Cardiopathies rhumatismales et arterielles sur le Littoral mediterran6en I 50 

Ibrahim, Die angeborene Pylorusstenose im Säuglingsalter. IX 527 

Imberti, Traitement des bourdonnements d’oreille par les courants de haute 

frequence. V 297 


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Inhaltsverzeichnis. 


XI 


Heft Seite 

Irsai, Mit Thiosinamin behandelte Fälle von ösophagusstriktur. III 182 

Juliusberg, Gefrierbehandlung bei Hautkrankheiten.VHI 468 

Jacob, The treatment of Lupus by X-Rays and the Finsen Lamp. II 114 

Jacobsohn, Über Heißluftbäder bei Nervenkrankheiten. III 173 

v. Jaksch, Ein Beitrag zur Kenntnis des pathologischen Stoffwechsels. Ver¬ 
sammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. VIII 465 

v. Jaksch, Weitere Mitteilungen über die Verteilung der stickstoffhaltigen Substanzen 

im Harne des kranken Menschen. IX 524 

Jaquet, Über Trockenmilch und ihre Verwendung als Nahrungsmittel. X 587 

Jez, Serumbehandlung des Abdominaltyphus .. X 601 

Joachim und Kurpjuweit, Über die Behandlung der Leukämie mit Röntgen- 

strahlen. VII 417 

Joklik, Bemerkungen zu dem Aufsatze des Herrn Dr. Goldstein: Erhält unser 

Volk genug Fleisch?. XII 727 

ludet, Le traitement orthopödique de la luxation congenitale de la hanche ... IV 231 

Justus, Mit Radiumbromid behandelte Fälle von Epitheliom. X 600 

Kali scher, Über die physikalischen Grundlagen der elektromagnetischen Therapie X 600 

Kal mann, Ein Beitrag zur Kenntnis der Radium Wirkung von Heilquellen .... XI 664 

Kaufmann, Organotherapie der Nephritis. IX 541 

Kionka, Über neue Mineralquellen. X 591 

Kirchner, Über die gegenwärtige Epidemie der Genickstarre und ihre Bekämpfung IX 542 

Kircz, Ein Fall von Strictura Oesophagi mit Thiosinamin gehandelt. III 182 

Kircz, Mit Thiosinamin behandelte Fälle von Strictura oesophagi. X 606 

Klapp, Mobilisierung versteifter und Streckung kontrakturierter Gelenke durch 

Saugapparate . VI 355 

Klingmüller und Halberstaedter, Über die baktericide Wirkung des Lichtes bei 

der Finsenbehandlung . XII 733 

Knopf und Laughlin, The open-air treatment at home for tuberculous patients, 

with a description of a window tent and half tent. III 174 

Kob, Beiträge zur Kilian sehen Bronchoskopie. I 53 

Kobert, Über Nährkefir. II 105 

Köhler, Röntgenröhre mit Vorrichtung zur therapeutischen Dosierung der Röntgen¬ 
strahlen . XI 660 

Koksch, Das Luftbad und seine Bedeutung für Großstädte und Industriezentren VII 412 

Kolb, Die Bekämpfung der Lungentuberkulose in den Gefängnissen. VII 422 

Kol bl, Die Gicht (Harnsäure Diathese). X 606 

Ko lisch, Beiträge zur Diabetesdiät. I. Quantitative Nahrungseinschränkung . . IX 523 

Kolisch, Die diätetische Behandlung der Albuminurie. XII 726 

König, Das Karzinom. Eine klinische Studie auf Grund eigner Erfahrung ... VI 359 

Koßak, Frau Dr. M., Wöchnerinnenkost. XII 726 

Kraft und Schönheit. IX 535 

Kraus, Immunität bei Tuberkulose. X 603 

Kretz, Über Infektionskrankheiten im schulpflichtigen Kindesaltcr. VI 359 

Krogius, Über einen mit Röntgenstrahlen erfolgreich behandelten Fall von 

Schädelsarkom. I 57 

Kromayer, Eine neue, sichere Epilationsmothode: das Stanzen ........ IV 232 

Kromayer,Die Heilung der Akne durch ein neues, narbenloses Operationsverfahren: 

das Stanzen. IX 535 

Krönig, Zur Wasserbehandlung des Typhus abdominalis. IX 532 

Kruschilin, Narkose per rectum .. VI 359 

Kuhn, Apparate zur Herstellung jeder Art von Extension. IX 533 

Kühn, Die neue, sichere Epilationsmethode Kromayers und die Elektrolyse ... XI 664 

Kumoji Sasaki, Experimentelle Untersuchungen über die Bedeutung der Extraktiv¬ 
stoffe des Fleisches für die Magenverdauung. X 587 

Kunwald, Über die Behandlung der Kehlkopftuberkulosc mit Sonnenlicht ... XI 661 


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XD Inhaltsverzeichnis. 


Heft Seite 

Kuthy, Seeklima und Tuberkulose. II 111 

Kuthy, Zur Beschäftigung der Heilstättenpfleglinge. X 606 

Lamberger, Über lokale Heißluftbehandlung. IV 229 

Lange, Die Behandlung der Skoliose durch die aktive und passive Überkorroktur IV 232 

Lange, Die Bedeutung des Röntgenbildes für die Orthopädie.VIII 472 

Laquer, Trunksucht und Temperenz in den Vereinigten Staaten. VII 421 

Laquerriöre e Luigi Dolherm, Le affezioni intestinali o Tälettricitä. I 55 

Laqueur, Über den Einfluß der Bierschcn Stauung auf die baktericide Kraft des 

Blutes. VIII 470 

Laqueur, Die therapeutische Verwendung der Licht-Wärmestrahlen . X 599 

Laqueur, Zur Verwendung von Wechselstrombädern in der Therapie der Herz¬ 
krankheiten . X 598 

Lassar, Zur Radiotherapie (Demonstrationen von Patienten und Projektionen) . . III 178 

Lassar, Neue Beiträge zur günstigen Wirkung des Radium auf Hautkrebsc ... XI 664 

Läufer, Utilisation comparöe des hydrates de carbone et des graisses chcz les 

tuberculeux. IV 226 

Läufer, Utilisation des matiäres grasses chcz les tuberculeux.VIII 463 

Laumonier, Les nouveaux traitements. II 117 

Laval, Suites de l*op6ration. Alimentation de Top6r6. XII 727 

Ledermann, Über die Verwendung der Vibrationsmassage zur Ausführung von 

Schmierkuren. II 112 

Leo, Beitrag zur Therapie der Magenkrankheiten. I 44 

Leonard, Recent advances in the technique of Roentgen-ray therapie. IX 538 

Leopold, Heilung der Ozaena mit kaltem (Finsen-)Licht. V 296 

Lesser, Zur Finsenbehandlung dos Lupus. VII 416 

v. Leube, Zur Frage der physiologischen Albuminurie. XI 644 

Lewin, Über die Wirkung des Bleis auf die Gebärmutter. V 304 

Lew in, Marmoreksches Antituberkuloseserum. VII 421 

Lewin, Le s6rum antituberculeux de Marmorek. IX 539 

v. Leyden, Einiges über die drohende Epidemie der Genickstarre. V 301 

v. Leyden, Einiges über die drohende Epidemie der Genickstarre. XI 669 

Libbertz und Ruppel, Über Immunisierung von Rindern gegen Tuberkulose 

(Perlsucht) und über Tuberkulose-Serumversuche. IV 236 

Lindenstein, Über die Serumbchandiung der fibrinösen Pneumonie. XI 668 

v. Lindheim, Saluti aegrorura. II 117 

Lindsay, Eine akute Erkrankung infolge Einspritzung mit Antityphus-Vaccine . XI 666 

Linossier, Action de l’acide chlorhydrique m6dicamenteux sur la s6cr6tion chlor- 

hydrique de Testomac. XII 727 

Li ns er, Beitrag zur Histologie der Röntgenwirkung auf die normale menschliche 

Haut. XII 732 

Lipetz, Wirkung der v. Noordenschen Haferkur beim Diabetes mellitus. V 288 

Loebel, Baineotechnische Neuerungen. V 294 

Loening, Das Verhalten der Kohlensäure im Magen. V 288 

Lomer, Antithyreoidin-Moebius bei Basedowscher Krankheit mit Psychose .... VII 420 

Loomis, The limitations of the value of nitroglycerin as a therapeutic agent . . V 304 

Lorand, Die Entstehung der Zuckerkrankheit und ihre Beziehungen zu den Ver¬ 
änderungen der BlutgefUßdriisen. III 168 

Lorentzen, Om smertende Infiltrater i Hud og Muskler. VI 355 

Lossen, Biersche Stauungshyperämie bei Sehnenscbeidenphlegmone. XII 730 

Lublinski, Akzidentelle Vakzination der Nasenschleimhaut. IV 237 

Lublinski, Bemerkungen zu Vollands Aufsatz: „Die Behandlung der trockenen 

und verstopften Nase“. VI 360 

v. Luzenberger, Eigene Erfahrungen über die Nägolisehen Handgriffo .... II 112 

Maas, Die Entwicklung der Sprache des Kindes und ihre Störungen. IX 542 

Mac Lcod, J. M. H., Über die pathologische Wirkung der Röntgonstrahlcn ... II 113 


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Inhaltsverzeichnis. XIII 


Heft 8eite 

Mal herbe, Note sur un essai de särothärapie dans la Syphilis . . IV 237 

Maragliano, Über die spezifische Behandlung der Tuberkulose und eine Schutz¬ 
impfung gegen dieselbe. VII 419 

Marburg, Die physikalischen Heilmethoden in Einzeldarstellungen für praktische 

Ärzte und Studierende. XI 668 

Marcinowski, Im Kampf um gesunde Nerven. IX 544 

Marcinow ski, Nervosität und Weltanschauung. IX 544 

Marcuse, Der Nutzen des Fleischsaftes. VII 410 

Marie. L‘eau de mer dans lo traitement des maladies mentales et nerveuses . . IX 531 

Marx, Erfahrungen mit „Bioson“, einem Eiweiß-Eisen-Lezithin-Nährpräparat ... III 170 

Matth es, Über den heutigen Stand der Lehre von der Reaktion im hydriatischen 

Sinne.*. 1. 47 

Mathieu, La colite muco-membrancuse et son traitement. IX 526 

Mathieu et Roux, LTnanition chez les Dyspeptiques et les nerveux Sömöiologie 

et Traitement.VIII 462 

Maynard und Bushnell, General Staphylococcic Infection, treatment by Antistap- 

byloeoccic Serum and Hetol. Death. IX 539 

Mendelsohn, Erfahrungen über die Behandlung des Scharlachs mit Antistrepto- 

kokken-Serum. III 180 

Menetrier, Aubertin et Bloch, Anämie pernicieuse et opotbörapie mödullairc . IV 237 

Miller, Some observations on over 6000 Inoculations against Plague. II 115 

Mitteilungen aus Finsens Medizinischem Lichtinstitut. I 55 

Mitteilungen aus Finsens Medicinske Lysinstitut.VIII 474 

Mohr, Zur Behandlung des Diabetes mellitus. II 106 

Möller, Mitteilungen aus der Abteilung für Lichtbehandlung im Krankenhausc 

St. Göran, Stockholm. I 57 

M um bürg, Über Stauungshyperämie bei der Behandlung der Fußgeschwulst ... III 175 

Mongour und Carles, Sur la valeur des injoctions d’air dans le traitement des 

nevralgies. XII 730 

Monod et Borchet, Sur un cas d’äpithälioma cutanä de la rägion tcmporofrontale 

gueri par l’application des rayons X. V 296 

Konti, Die Ernährung der Säuglinge mit Frauenmilch. II 104 

Montier, Die Behandlung der Arteriosklerose mittelst Arsonvalisation. XI 662 

Morton, Radiotherapy and Surgery. with a plea for preoperative Radiations. . . XII 732 

Mosso, Laboratoire scicntifique international du Monte Rosa. I 58 

Müller, Einige Beobachtungen über die radioaktive Substanz in Fango. II 107 

Müller, Über den Einfluß künstlicher Stoffwechselalterationen auf die Produktion 

der Antikörper. V 298 

Müller, Die physikalische Therapie im Lichte der Naturwissenschaft.VIII 477 

Müller, Der Autogymnast im Dienste der Krankenpflege.VIII 470 

Müller, Ein neuer Detorsionstich zur Behandlung der Skoliose. IX 535 

Müller, Zur Behandlung von Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlon. X 600 

Nash, Memorandum on the red light treatment of small-pox. II 114 

Neißer. Weitere Erfahrungen über Tuberkulinanwendung in Heilstätten. V 300 

Net er. Die hämorrhagischen Erkrankungen im Kindesalter. VII 423 

Net er, Die chronische Stuhlverstopfung im Kindcsalter und ihre Behandlung. . . VIII 461 

Neuburger, Die Vorgeschichte der antitoxischen Therapie der akuten Infektions¬ 
krankheiten. II 116 

Neugebauer, Ein Beitrag zur Behandlung des Wundstarrkrampfes mit Duralinfusion VII 420 

von Noorden, Die Behandlung der Fettleibigkeit. XI 645 

Northrop, Cold fresh air treatment of pneumonia in infants and children .... XII 729 

Nothnagel, Zur Pathogenese der Kolik. XI 646 

Oberndörffer, Die Wirkung der Chinasäure auf den Kalkstoffwechsel des Menschen VII 410 

Oefele, Grundlagen aus der modernen Verdauungslelire zur praktischen Verwertung 

der Koprologie. XI 648 


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XIV 


Inhaltsverzeichnis. 


Heft Seite 

Oe feie, Würfelzucker als Nahrungsmittel bei Diabetes. XII 727 

Oppenheim, Über Mißbrauch der Sehnentransplantation. I 50 

Paderi, Über die Wirkung einiger oxydierenden Stoffe auf das Tetanusgift . . . VIII 476 
Parhon et Goldstein, Sur l’existence d’un antagonisme entre les fonctions de 

l’ovaire et celles du corps tbyreoüdo. II 116 

Pariset, Un cas d’hypotension d’origine cardiaque am61ior6 par Thydrotherapie . II 110 

Pasini, Primi resultati ottenuti con la fototerapia mediante Tarco in ferro in alcuni 

casi di lupus. III 177 

P au tri er, Que peut-on attendre, ä l’heure actuelle, de la radiothörapie dans le 

traitement du cancer?. XI 663 

Peabody, the treatment of epidemic cerebrospinalmeningitis with injections (chiefly 

intraspinous) of diphtheria antitoxin. V 299 

Pögurier, De Taction dite congestionnante du climat möditerranöen frangais. I. Son 

Influence sur les tuberculeux. X 593 

Pelizaeus, Zur Technik der Jodipininjektionen. VI 356 

Pelon, Les indications des eaux sulfurees des Pyr6n6es. VII 412 

Petruschky, Beobachtungen über Ehen und Nachkommenschaft Tuberkulöser, die 

mit Tuberkulin behandelt wurden. IV 236 

Pfaffenholz, Beitrag zur Kenntnis der Nahrungsmengen natürlich ernährter 

Säuglinge. I 45 

Philipp, Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes. XII 732 

Piccinino, Nuove ricerche intomo alla influenza della elettricita sulla vita e sui 

prodotti del filugello. I 55 

Piccinino, L’alta frequenza nella cura delle formazioni verrucose. III 177 

Pick, Über den Einfluß verschiedener Stoffe auf die Pepsinverdauung. IV 225 

Pick, Kurzgefaßte praktische Hydrotherapie. X 59L 

Piorkowski, Weitere Mitteilung über Syphilisirapfung am Pferde.VIII 475 

Pipping, Om kärnmjölk vid digestionsrubbningar hos späda barn. X 585 

v. Poe hl und v. Tarchanoff, Die Kombination der Radiotherapie mit der Organo¬ 
therapie . IX 538 

Pollard, Treatment of phthisical cavities without Operation. I 52 

Pollatschek,'. Die therapeutischen Leistungen des Jahres 1904. Ein Handbuch 

für praktische Ärzte.VIII 478 

Postoem, Über den Alkoholismus. Beitrag zur Frage des Einflusses der akuten 

und chronischen Äthylalkoholvergiftung auf den tierischen Organismus ... IV 238 

Pouchet, Action physiologique de l’eau de mer envisagöe comme eau minerale et 

comme milieu organique. V 293 

Preindlsberger, Weitere Mitteilungen über Rückenmarksanästhesie. XII 730 

Preleitner, Über Spinalanalgesie im Kindesalter. XII 735 

Räcz, Über Anstaltspflege der Säuglinge. X 607 

Ranke, Über die Abhängigkeit der Ernährung vom Wärmehaushalt, nach Versuchen 

in den Tropen, im gemäßigten Klima und im Hochgebirge. VI 352 

Ranschburg, Die Ernährung der Neurastheniker. III 169 

Itegnier, Importanza dell 7 elettricita medica e della radiografia nella terapia e nella 

’Medizina legale degli infortuni 7 . XI 662 

Reich, Abortivbehandlung der Furunkulose mit überhitzter Luft. IV 230 

de Renzi, Die moderne Behandlung der Herzleiden.Vni 470 

Reunert, Über die durch Tuberkulose bedingten pseudoleukämischen Erkrankungen 

und ihre Behandlung mit Neutuberkulin.VIII 475 

Rickets and Byles, Further note on the red light treatment of small-pox ... II 114 

Ricketts and Byles, The Red Light Treatment of Small-pox. III 178 

Riesenfeld, Vom Radiumgehalt der Heilquellen und Moorerden. IX 538 

Rimbach, Ein Beitrag zur Herzmassage . I 52 

Riviöre, Behandlung der Fibrome und Verhütung der Neoplasmen durch Physiko- 

therapie. III 183 


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Inhaltsverzeichnis. 


XV 


Heft Seite 

Rivirre, Physicothörapic de la Neurasthenie. X 605 

Rochard, De PanestSsic generale par la scopolamine. III 183 

Rochard, Über die Behandlung des Erysipels mit Hilfe von Rekonvaleszentensenun IX 539 

Rochard, Du Massage du Coeur dans les Syncopes chloroformiqnes. X 595 

Rochard, Apropos du rapport de la Commission de la Sociöte de Chirurgie sur le 

traitement du cancer par le s6rum de M. Doyen. X 602 

Rogers, On the physiologicalaction and antidotes of snako venoms with apractical 

method of treatment of snake bites .. III 180 

Rohde, Ett fall af leukämie med framgfing behandladt med Röntgensträlar ... IX 537 

Roloff, Physikalisch-chemische Grundlagen für die therapeutische Beurteilung der 

Mineralwässer. X 590 

Roloff, Physikalisch-chemische Grundlagen über die therapeutische Beurteilung 

der Mineralwässer. X 592 

Romberg, Die Behandlung der Arteriosklerose. IX 529 

Rose, Wirkung des trockenen Kohlensäuregasbades auf die Zirkulation .... III 173 

Rosenberg, My Experience with Ligth Therapy. VI 356 

Rosenheim, Zur diätetischen Behandlung chronischer diffuser Darmkatarrhe . . III 168 

Rosenthal, Über die Erzeugung intensiver Röntgenstrahlen für therapeutische Zwecke XI 661 

Rozschansky, Terapie der Cholera asiatica mittelst russischer Dampfbäder . . VI 354 

Ruhino, La terapia delle radiozioni nel 1904 . V 297 

Kuhemann, Beziehungen des Sonnenscheins zu der Saisonepidemie des Winters 

1904/05 VIII 467 

Rutherford, Radio-Activity. II 114 

Rüssel, The treatment of strychnine poisoning and of tetanus by spinal anaesthesia XI 665 

Sadger, Die Wasserbehandlung der Gonorrhöe und des ulcus molle. V 292 

Salge, Immunisierung durch Milch. IV 235 

Salge, Therapeutisches Taschenbuch für die Kinderpraxis. V 303 

Salge, Einiges über die Klinik der Säuglingsdarmkrankheiten. VII 409 

■Salom, Über Heißluftbehandlung einiger Krankheiten der Genitalorgane .... I 47 

Salomon, Ober Durstkuren besonders bei Fettleibigkeit. X 588 

Sandow, Kraft und wie man sie erlangt. VII 422 

Santoro, SulF importanza della radiografia nella diagnosi delle fratture. — A pro- 

positio di una frattura della testa di un mctacarpco. V 297 

Sarason, Über moussierende Sanerstoffbäder. V 291 

Sarason, Über moussierende Sauerstoffbäder. X 591 

Sauerbruch, La prophylaxie du pneumothorax par la chambre pneumatique . . VII 413 

Schalenkamp, Die Inhalationen gasförmiger Luftgemische aus der Gruppe der 

schwefeligsauren Verbindungen bei Erkrankungen der Luftwege . XII 729 

Schein, Die Behandlung des Condyloma acuminatum mittelst Erfrierung ... VI 355' 

Schiele, Die subkutane Verwendung von alkoholischer Kochsalzlösung. IX 544 

Schierbeck, Die chemische Zusammensetzung des Kotes bei verschiedener Nahrung I 43 

Schiffssanatorien, Deutsche.VIH 468 

Schilling, Die Erkrankungen des Wurmfortsatzes. VIH 477 

Sehläpfcr, Über den Einfluß der Vibration auf das Faradisationsgefühl .... X 596 

Schleip und Hildebrand, Beitrag zur Behandlung der myeloiden Leukämie mit 

Röntgenstrahlen .. VIII 473 

Schliep, Unsere elektrischen Bäder . XI 665 

Schlippe, Physikalische Untersuchungen bei der Anwendung des Magenschlauches V 289 

Schmidt, Über den Einfluß der Witterung auf die Häufigkeit der Apoplexien . . II 111 

Schmidt, Die Behandlung der habituellen Obstipation..' Vin 464 

Schulder, Der Arthromotor. XI 658 

Scholtz, über die Bedeutung der W r ärmestrahlen bei der Behandlung mit kon¬ 
zentriertem Licht nach Finsen . I 55 

Scholtz, Über die Bedeutung der Wärmestrahlen bei der Behandlung mit kon¬ 
zentriertem Licht nach Finsen . II 663 


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Inhaltsverzeichnis. 


XYI 

Heft Seite 

von Schroen, Der neue Mikrobe der Lungenphthise und der Unterschied zwischen • 

Tuberkulose und Schwindsucht. XII 736 

Schücking, Die Kombination von Solbade- und Stahlkuren bei anämischen skrofu¬ 
lösen Kindern. VIII 467 

Schultze, Die angeblichen Gefahren und die sicheren Vorteile der künstlichen 

Atmung durch Schwingen des tief-scheintoten Kindes. IV 231 

Söbileau, Corps etranger des bronches, extraction sous bronchoscopie. IX 533 

Seldin, Über die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen auf innere Organe 

und den Gesamtorganismus der Tiere. III 178 

Selig, Röntgenbehandlung einer Leucämia myelo-lienalis. VII 417 

Selter, Ein Beitrag zum Kapitel: Nahrungsmittel und Stoffwechsel des normalen 

Brustkindes. I 45 

Sembritzki, Zur unblutigen Behandlung der Furunkel . XI 670 

Senator und Kaminer, Krankheiten und Ehe. Darstellung der Beziehungen 

zwischen Gesundheitsstörungen und Ehegemeinschaft . II 119 

Siegel, Traitement du mal sous-occipital. VII 414 

Sjögren, Om Röntgenbehandling af sarkom . VII 418 

Sobotta, Tuberkulose und Säuglingsernährung. I 46 

Sobotta, Tuberkulose und Säuglingsernährung. VI 353 

Soll mann and Hof mann, Chloride and water-exeretion in typhoid fever, with 

copious diuresis. IX 528 

Sommer, Über den Einfluß verschieden temperierter Bäder und der Abreibung auf 

die Atemkurve . VII 414 

Sommerfeld, Über Ausnutzung von Roborat (vegetabilischem Eiweiß) bei 

Kindern .. IV 226 

Sondermann, Ein neues Verfahren zur Behandlung akuter und chronischer Ge¬ 
lenkerkrankungen . II 111 

Sondermann, Vorschlag zur Modifikation der Quinkeschen Lumbalpunktion bei 

akuter Cerebrospinalmeningitis. VII 415 

Sorgo, Über Tuberkelbazillenzüchtung aus Sputum und aus Exsudat bei Pleuritis 

und Seropneumathorax. V 303 

Specht, Über das Verhalten der Temperatur und des Pulses vor und nach Körper¬ 
bewegung bei Gesunden und Kranken. V 294 

Spengler, Ein neues immunisierendes Heilverfahren der Lungenschwindsucht mit 

Perlsuchttuberkulin. X 603 

Stehr, Über die Indikationsstellung bei Wechselstrombädern. II 110 

Steiner, Erfahrungen bei Behandlung mit elektrischem Licht unter besonderer 

Berücksichtigung einer neuen Lichtsalbenbehandlung bei Hautkrankheiten . IX 536 

Stenbeck, Über den Einfluß der Teslaströme auf Lungentuberkulose. I 56 

Stephanie, Contribution au traitement de la tubcrculose pulmonaire par le serum 

antituberculeux de Marmorek. XI 666 

Stoeltzner, Zur Behandlung der Nephritis. X 590 

Storrs, A case of acute tetanus treated w r ith intracerebral injections of antitoxin X 602 

Stransky, Über Malzpräparate als Nähr- und Heilmittelvehikel.VIII 465 

Strasburger, Über Blutdruck, Gefäßtonus und Herzarbeit bei Wasserbädern ver¬ 
schiedener Temperatur und bei kohlensäurehaltigcn Solbädern. VII 410 

Straßer, Die hydriatische Behandlung der Herzkrankheiten. I 48 

Strasser, Albuminurie und physikalische Therapie. ni 172 

Strasser, Albuminurie und physikalische Therapie. XII 726 

Strauß, Weitere Beiträge zur Frage der Kochsalzentziehung bei Nephritikcrn . . n 105 

Strauß, Beiträge zur Frage der gastrointestinalen Autointoxikationen. IX 525 

St re bei, Eine neue Behandlungsweise für Lupus und bösartige Neubildungen 
mittelst molekulärer Zertrümmerung durch kontinuierliche, hochgespannte, 

hochfrequente Funkenströme. I 56 

Strebei, Lichttherapie in der Augenheilkunde. I 56 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





































Inhaltsverzeichnis. 


xvn 


Heft Seite 

Swidersky, Über die Behandlung der habituellen Obstipation mit Strömen hohen 

Drucks und häufigen Wechsels.VIII 471 

Szana, Über die Ursachen der Überernährung und Unterernährung der Kinder über 

zwei Jahren. IX 528 

Szilägyi, Eine neue Methode des Prießnitz-Umschlages.VIII 466 

Terrien, Le r£gime alimentaire dans les gastro-entßrites ehroniques du nourrisson VIII 465 

Terrien, Traitement des Dyspepsies du premier äge. IX 524 

Thom, Betrachtungen und Beiträge zur Frage der Tuberkuloseansteckung unter 

Eheleuten. VII 422 

Thompson, Problems in dietetics. VII 407 

Thompson, Problems in dietetics. XI 649 

Tillmanns, über Behandlung durch venöse Stauung. IV 231 

Tilmann, Lumbalanästhesie mit Stovain. X 595 

Tobler, Die therapeutische Bedeutung der Lumbalpunktion im Kindesalter ... III 175 

Tonsev, The Treatment of Tuberculosis of the Larynx and of the Prostate Gland 

by the X-ray, High-frequency Currents, and the Cooper-Höwitt Light ... IV 235 

Tonsey, Chronic rheumatism, gout and other uric-acid diatheses treated by the 

X-ray, high frequency currents, and vibratory massage. XII 732 

Tuberkulosis. VI 356 

Tniber, Die Magensaftsekretion des (gastrostomierten) Menschen bei „Sehein¬ 
fütterung“ und Rektalernährung. IV 224 

Unna, Die chronische Röntgcndermatitis der Radiologen. XI 661 

Yeraguth, Kultur und Nervensystem. IV 237 

Veraguth, Über Arbeitstherapie. X 594 

Verdatle, Action de l’arsenic des eaux chlorures sodiques arsenicales sur le diabete VIII 467 

Verdiani, La cura delT allopecia areata con le correnti ad alta frequenza. ... V 297 

«L* Vries Reilingh, Die Wirkung des hydroelektrischen Bades auf den Blutdruck V 291 

Vnlpius, Die Behandlung der spinalen Kinderlähmung. XI 659 

Wagen er. über die Häufigkeit der primären Darmtuberkulose in Berlin.VIII 479 

Wallace, Sea air treatment of surgical tuberculosis, with report of cases .... X 592 

Walther, Leitfaden zur Pflege der Wöchnerinnen und Neugeborenen. IV 239 

Weber, Gegenwärtiger Stand der Forschung über die Beziehungen zwischen 

menschlicher und Tiertuberkulose. VIII 478 

Wegele, Die diätetische Küche für Magen- und Darmkranke. XI 644 

Weichardt, Über das Ermtidungstoxin und -Antitoxin. X 601 

Weint rau d, Zur Kasuistik der Hirnpunktion. X 594 

Weise her, Zur Tuberkulinbehandlung . . ;. X 602 

Weisz, Bewegung und Heilgymnastik in der Gelenkthcrapie. V 294 

Weiß, Der Wert der Bäder bei Gicht. XI 656 

Wen drin er, Über Unfälle durch elektrischen Starkstrom.. . X 600 

Werner, Zur Kenntnis und Verwertung der Rolle des Lezithins bei der biologischen 

Wirkung der Radium- und Röntgenstrahlen. VII 417 

West, The treatment of pleuritic effusion by paraccntosis and incision in serous 

effusion, empyema and pyopneumothorax. V 295 

Westenhocffer, Pathologische Anatomie und Infektionsweg bei der Genickstarre IX 542 

Wich mann, Die Neurasthenie und ihre Behandlung. III 181 

Williams, The therapeutic value of relaxing climates .. VI 354 

Wilms, Scrumbehandlung des Milzbrandes ..VIII 476 

Winckelmann, Behandlung der Leukämie und Pseudolenkämie mit Röntgenstrahlen XI 665 

Winkler, über die Einwirkung thermischer Hautreize auf die Herzarbeit und «auf 

die Atmung. IV 230 

Winternitz, Die Altersgrenzen der Kaltwasserkuren. XI 657 

Witte, Zur faradischcn Behandlung der Fibromyome des Uterus. XI 663 

Witt ha u er. Gegen Schlaflosigkeit. XI 670 


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Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






































xvm 


Inhaltsverzeichnis. 


Heft Seite 

Wolff, Über das Heufieber (Bostockscher oder Sommerkatarrh) in klinischer, 

ätiologischer und therapeutischer Beziehung. VI 357 

Woodruff, Alkohol in the tropics. IX 543 

Woskresenki, Über lokale Stovainanästhesie. XII 735 

Wriglit, On the raethods of application of High frequency curents. I 55 

Wybaur, Du mäcanisme de l’action des bains carbo-gazeux ferrugineux (bains de 

Spa) chez les malades atteints de troubles cardio-vasculaires. VIII 467 

Wybauw, Le bain carbo-gazeux consid6r6 comme un proc6d^ hydrothärapique. . I 49 

Wybauw, Le bain carbo-gazeux considßrß comme un proeßdö hydrothärapique. . IX 531 

Young, Diabetic coma treated by transfusion. III 171 

Zangger, Beitrag zur Therapie der infantilen Bronchopneumonie. I 49 

Zanietowski, Über die Verwendbarkeit von Kondensatorenentladungen zur 

klinischen Myographie. V 298 

Zanuso, Una aggiunta a due noti aparecchi di Meccanoterapia. I 52 

Zappert und Jolles, Über Untersuchungen der Milch beider Brüste. IV 228 

Zickel, Osmologische Diagnostik und Therapie. V 303 

Ziegler, Säuglingsfürsorge. VI 360 

Zimmermann, Über hydroelektrische Behandlung der Horzfunktionsstörungen . . IV 228 

Zuntz, Über die Wirkungen des Sauerstoffmangels im Hochgebirge. V 293 

Zuntz, Loewy, Müller und Caspari, Höhenklima und Bergwanderungen in ihrer 

Wirkung auf den Menschen. XI 650 


Tagesgeschichtliche Notizen. I 62 

Tagesgeschichtliche Notizen. III 184 

Tagesgechichtliche Notiz. VII 424 

Tagesgeschichtliche Notizen. X 608 

Tagesgeschichtliche Notiz. XI 671 

Tagesgeschichtliche Notizen. XII 736 

Eingegangene Schriften. I 63 

Eingegangene Schriften. III 184 

Eingegangene Schriften. X 608 

Personalnotizen. I 62 

Berichtigung. VII 424 


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Original fro-rn 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





























Namenregister der Mitarbeiter (Autoren und Referenten). 




(Die Seitenzahlen der Originalarbeiten 

sind fett gedruckt.) 




Achert 557. 




Freyban 46. 46. 

117. 

237. 

Lesser 627. 




Alexander 52. 52. 

53. 

106. 

239. 288. 288. 

360. 

479. 

Leyden 485. 




111. 157. 

176. 

214. 

233. 

479. 533. 596. 

605. 

606. 

Lippert 48. 




303. 303. 

353. 

356. 

415. 

644. 644. 669. 

728. 


Loeb 44. 49. 

113. 

170. 

182. 

415. 423. 

469. 

471. 

517. 

Friedländer 183. 

409. 


224. 287. 

289. 

289. 

290. 

532. 577. 

590. 

600. 

641. 

Gluck 24. 



294. 359. 

410. 

523. 

523. 

667. 730. 




Glücksmann 5. 735. 


534. 587. 

597. 

646. 

646. 

Amheim 666. 



Goldscheider 650. 



664. 669. 

726. 

726. 

735. 

Bassenge 179. 



Gottstein 89. 



Loebel 90. 




Bernhard 245. 



Grosse 877. 



Lots 587. 594. 



Bloch 115. 

115. 

174. 

180. 

Gutzmann 542. 



Mamlock 91. 

104. 

116. 

171. 

295. 299. 

304. 

357. 

358. 

Heermann 187. 



181. 181. 

229. 

237. 

297. 

407. 414. 

528. 

541. 

589. 

Hirschei 45. 46. 

104. 

117. 

302. 421. 

468. 

470. 

472. 

592. 595. 

602. 

659. 

660. 

170. 175. 180. 

182. 

226. 

524. 532. 

539. 

542. 

594. 

665. 665. 

727. 



226. 231. 235. 

300. 

352. 

600. 659. 

662. 

666. 

668. 

Bötteher 57. 

177. 

355. 

418. 

359. 360. 423. 

464. 

465. 

Marcuse (Breslau) 

289. 

304. 

467. 535. 

537. 

538. 

540. 

467. 527. 544. 

585. 

646. j 

410. 529. 

539. 

590. 

591. 

585. 594. 

598. 

602. 

602. 

670. 726. 



591. 601. 

659. 

659. 

662. 

649 733. 




Hönig 109. 169. 

234. 

466. 

670. 731. 




Braunstein 

232. 

297. 

354. 

528. 600. 606. 

607. 

734. 

i Marcuse (Ebenhauson) 47. 47. 

357. 359. 

416. 

416. 

416. 

v. Hovorka 667. 

684. 


56. 56. 61. 112. 

113. 

173. 

417. 417. 

474. 

536. 

540. 

Ide 189. 



174. 178. 

180. 

183. 

230. 

663. 664. 

664. 

664. 

664. 

Immelmann 17. 



230. 231. 

233. 

236. 

238. 

733. 733. 




Jürgensen 809. 



238. 238. 

266. 

291. 

292. 

Buß 429. 




Kobert 117. 



298. 352. 

413. 

414. 

422. 

Caspari 107. 



Köhler 865. 



463. 464. 

470. 

471. 

472. 

Colombo 125. 200. 677. 

Kouindji 681. 



477. 477. 

530. 

530. 

535. 

Determann 

107. 

291. 

354. 

Erahn 497. 



543. 588. 

589. 

592. 

593. 

412. 412. 

469. 

469. 

588. 

Lämmerhirt 46. 



600. 605. 

644. 

645. 

657. 

656. 728. 

731. 



Laqueur 49. 110. 

110. 

112. 

658. 658. 

663. 

670. 

670. 

Engel 385. 




173. 175. 228. 

229. 

233. 

670. 728. 




Fischer 193. 




294. 413. 526. 

536. 

536. 

Mirtl 152« 




Forchheimer 

57. 

113. 

171. ; 

591. 657. 



Naumann 49 

. 56. 

111. 

226. 

228. 293. 

410. 

415. 

418. ! 

Lasar 55. 55. 177. 

177. 

177. 

300. 360. 

466. 

531. 

592. 

419. 466. 

467. 

524. 

531. j 

237. 237. 237. 

237. 

297. 

727. 727. 

727. 

730. 

733. 

Fränkel 549 

• 



| 297. 297. 297. 

420. 

466. 

Nenadovics 

86. 



Krankenhäuser 293. 298. 

409. 

, 467. 470. 472. 

531. 

606. 

Oberndörffer 

52. 

175. 

418. 

471. 593. 

593. 

593. 

656. 

606. 662. 668. 

729. 

732. 

475. 476. 

536. 

544. 

544. 

656. 665. 

728. 



| Lasarew 445« 



j 605. 656. 




Freund 564. 




Lenkei 194. 



! Obersteiner 

302. 




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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XX 


Inhaltsverzeichnis. 


Oordt 50. 54. 

172. 

181. 

290. 

Ruhemann 

111. 

173. 

180. 

| Schmidt 599. 

599. 

599. 599. 

298. 888. 

891. 

448. 

462. 

230. 236. 

300. 

301. 

303. 

| 660. 661. 

661. 

661. 661. 

476. 525. 

648. 

729. 


352. 353. 

354. 

411. 

419. 

| 661.732.732.732.732. 732. 

Pauli 459. 




422. 422. 

468. 

475. 

475. 

Sommer 488 

• 


Perl 51. 175. 

183. 

224. 

233. 

478. 602. 

603. 

603. 

606. 

Strauß 168. 



294. 355. 

472. 

596. 

596. 

667. 729. 




Strebei 259. 



658. 658. 

730. 

730. 


Sadger 270. 

827 

• 


Sylvan 721. 



Plaut 43. 44. 

105. 

105. 

168. 

Schani 512. 




Tarchanoff 69. 


176. 225. 

358. 

465. 

529. 

! Schilling 293. 526. 


Yulpius 50. 

50. 

175. 232. 

532. 544. 

587. 

601. 

727. 

Schieming 539. 

597. 


295. 356. 

414. 


Poehl 89. 




Schlesinger 

52. 229. 667. | 

Weber 618. 

691. 


Eaebiger 296. 

358. 

476. 

478. 

Schmidt 55. 

55. 

55. 

114. 

Zabludowski 

508. 


533. 533. 

595. 

665. 

668. 

114. 114. 

115. 

177. 

178. 

Zickel 189. 



Richter 239. 




178. 178. 

235. 

235. 

296. 

Zinn 225. 736. 


Rosenfeld 119. 297. 

301. 357. , 

296. 296. 

296. 

355. 

356. 

Zuntz 58. 

116. 

174. 231. 

409. 409. 

421. 

479. 


356. 356. 

417. 

417. 

417. 

239. 414. 

420. 

468. 535. 

Rozenraad 114. ! 

529. 

539. 

417. 473. 

473. 

474. 

474. 

537. 590. 

662. 

726. 730. 

595. 595. 

666. 



474. 535. 

538. 

538. 

538. 

735. 735. 




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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 

von 

Pr*»f. v. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CURSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
Berlin), Prof. J. GAD (Prag). Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
(Leipzig). Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JURGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
G. KLEMPERER (Berlin). Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
Geh.-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
MARTIUS (Rostock), Prof. v. MERING (HaUe), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
.Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straßburg), Prof. v. NOORDEN 
'Frankfurt a. M.), Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
.Prag), Geh.-Rat. Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENVERS (Berlin), Prof. ROSENSTEIN 
Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt SCHAPER (Berlin), Prof, 
SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof. 
▼. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien). 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Erstes Heft. 


1. APRIL 1905. 


LEIPZIG 

. VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Original from 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



Preis des Jahrganges M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



INHALT. 


I. Original-Arbeiten. Seite 

I. Symptomatologie und Therapie verschluckter Fremdkörper. Von Dr. Georg Glücks¬ 

in an n in Berlin. (Mit 8 Abbildungen.). 5 

II. Fortschritte in der orthopädischen Behandlung. Von Dr. Iinmelmann in Berlin . 17 

ID. Nervenplastik (Greffe nerveuse) nebst Bemerkungen über Übungstherapie bei Lähmungen. 

Von Th. Gluck, Berlin. (Mit 10 Abbildungen.).24 

IV. Über therapeutische Erfahrungen mit einer neuen Quecksilberlampe: „Uviollampe“- 
Schott. Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Jena. Von Dr. E. Gott¬ 
stein, Volontärassistent der Poliklinik. (Mit 1 Abbildung.). 39 

IL Referate über Bücher und Aufsätze. 

A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Schierbeck, Die chemische Zusammensetzung des Kotes bei verschiedener Nahrung . 43 

Leo, Beitrag zur Therapie der Magenkrankheiten.44 

Bickel, Experimentelle Untersuchungen über den Magensaft.44 

Selter, Ein Beitrag zum Kapitel: Nahrungsmittel und Stoffwechsel des normalen Brust¬ 
kindes .45 

Pfaffenholz, Beitrag zur Kenntnis der Nahrungsmengen natürlich ernährter Säuglinge . 45 

Sobotta, Tuberkulose und Sänglingsernährung.46 

Brüning, Vergleichende Studien über den Wert der natürlichen und künstlichen Säuglings¬ 
ernährung bei Tieren.46 

Honigschmied, Praktische Erfahrungen über Extractum Chinae Nanning.46 

B. Hydro-, B&lneo- und KHmatotherapie. 

Fink, Erfolge einer einmaligen Kur in Karlsbad beim Gallensteinleiden.46 

Salom, Über Heißluftbehandlung einiger Krankheiten der Genitalorgane.47 

Matth es. Über den heutigen Stand der Lehre von der Reaktion im hydriatischen Sinne 47 

Straßer, Die hydriatische Behandlung der Herzkrankheiten.48 

Zangger, Beitrag zur Therapie der infantilen Bronchopneumonie.49 

Bresin, Über den Einfluß hydrotherapeutischer Maßnahmen auf den Stoffwechsel ... 49 

Wybauw, Le bain carbo-gazeux considörö comme un procäde hydrothörapique . ... 49 

Huchard, Les Cardiopathies rhumatismales et arterielles sur le Littoral mediterranen 50 

€. Gymnastik, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

Oppenheim, Über Mißbrauch der Sehnentransplantation.50 

Hoffa, Einige Bemerkungen zu der Arbeit Oppenheims „über Mißbrauch der Sehnen¬ 
transplantation“ . 50 

1 * 

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4 


Inhalt. 


Seite 


Bier, Behandlung akuter Eiterungen mit Stauungshyperämie.51 

Pollard, Treatment of phthisical cavities without Operation.52 

Zanuso, Una aggiunta a due noti aparecchi di Meccanoterapia.52 

Rimbach, Ein Beitrag zur Herzmassage.52 

Harmer, Beitrag zur Ösophagoskopie der gutartigen Ösophagusgeschwülste.52 

Kob, Beiträge zur Eil Manschen Bronchoskopie.53 


D. Elektro-, Licht- and Röntgentherapie. 

Gilbert, Lereboullet et Albert-Weil, „Les rGactions ßlectriques des nerfs et des 


muscles dans la cholömie“.54 

Pi c ein in o, Nuove ricerche intorno alla influenza della elettricita sulla vita e sui prodotti 

del filugello.55 

Laquerriöre e Luigi Delherm, Le affezioni intestinali e l’elettricitä.55 

Scholtz, Über die Bedeutung der Wärmestrahlen bei der Behandlung mit konzentriertem 

Licht nach Finsen.55 

Wright, On the methods of application of High frequency eurents.55 

Mitteilungen aus Finsens Medizinischem Lichtinstitut.55 

Strebel, Eine neue Behandlungsweise für Lupus und bösartige Neubildungen mittelst 
molekulärer Zertrümmerung durch kontinuierliche, hochgespannte, hochfrequente 

Funkenströme.56 

Strebei, Lichtthorapie in der Augenheilkunde.56 

Stenbeck, Über den Einfluß der Teslaströmo auf Lungentuberkulose.56 

Möller, Mitteilungen aus der Abteilung für Lichtbehandlung im Krankenhause St. Göran, 

Stockholm.57 

Krogius, Über einen mit Röntgenstrahlen erfolgreich behandelten Fall von Schädelsarkom 57 


E. Verschiedenes. 

Mosso, Laboraloire scientiflque international du Monte Rosa.58 

Frey, Venendruckmessung bei Behandlung Herzkranker mit physikalischen Heilmitteln . 61 

Personalnotizen.62 

Tagesgeschichtliche Notizen.62 

Eingegangene Schriften.63 

UL Therapeutische Neuheiten. 

Armspreizapparat. Modell der Königlichen Charite zu Berlin.64 


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Original - Arbeiten 


i. 

Symptomatologie und Therapie verschluckter Fremdkörper. 

Von 

Dr. Georg Glücksmann 

in Berlin. 


Die Aufgabe, Kranken, welche Fremdkörper verschluckt haben, Rat und 
Hilfe zu spenden, tritt an jeden von uns gelegentlich heran. Sie verschont weder 
den Ophthalmologen, noch den pathologischen Anatomen, noch den Rentier, der 
einmal in seinen jungen Tagen höchst leichtfertig die ärztliche Approbation er¬ 
warb, wenn er „zufällig im Hause wohnt“. Denn fast immer bildet das Ver¬ 
schlucken eines Fremdkörpers seitens eines „teuren Hauptes“ ein alarmierendes 
Ereignis für die ganze Familie, welches die eingeschworensten Anhänger der 
Naturheilkunde reuig zur Schulmedizin zurückkehren läßt, welches dem säumigsten 
Zahler ärztlicher Liquidationen sein längstgeschwundenes Selbstbewußtsein gegen¬ 
über dem Arzte, dessen „Pflicht es ist, in bedrohlichen Fällen unter allen Um¬ 
ständen sofort zu kommen“, auf der Stelle wiedergibt. Und tatsächlich gibt es 
wohl kaum eine andere therapeutische Aufgabe, die in gleichem Maße ein um¬ 
sichtiges, zielbewußtes und dabei rasches Denken und Handeln des Arztes erfordert. 
Dabei braucht aber eine gewisse leicht humoristische Unterströmung, welche 
wohl jeder charaktervolle Arzt, der sein Handwerk liebt, sich allmählich aneignet, 
nicht zu kurz zu kommen. Es sei dem Praktiker, der in einem Dezennium allgemein 
ärztlicher Arbeit eine nicht unbeträchtliche Anzahl einschlägiger Fälle behandelt 
hat, und dem andrerseits eine spezielle wissenschaftliche und praktische Vorliebe 
für dieses Gebiet reichlich Gelegenheit brachte, besonders schwierige Fälle der 
Art als rettender Engel, sprich: Consiliarius, zu sehen, erlaubt, seine Erfahrungen 
auf diesem diffizilen Gebiete etwas geordneter vorzutragen, ohne bei dem bitteren 
Ernst der Sache die gar nicht so seltene Komik der Situation ganz zu ver¬ 
gessen. 

Bietet in manchen hierher gehörigen Fällen dem denkenden Arzte schon die 
Tonfarbe und Schallintensität der Hausglocke Gelegenheit zu einer äußerst feinen 
diagnostischen Betätigung, so erheischt doch ganz besonders der psychische Zustand 
des herbeigeeilten, herbeigeschleppten oder in seiner Wohnung sehnsüchtig 
harrenden Patienten eingehendste Würdigung. Zuerst wird die gesamte mit 
dem gleichen psychischen Trauma behaftete Umgebung des Patienten unter den 


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6 


Georg GlUcksmann 


nichtigsten Vorwänden (Herbeiholen von Handtüchern, Wärmen von Wasser, 
Besorgung von pulvis aerophorus anglicus aus der Apotheke) aus dem Zimmer 
geschafft, mit Ausnahme des Ruhigsten, der als Kronzeuge und eventueller 
Assistent zurtickbleibt. Als Leitmotiv für die Beurteilung möchte ich den Satz 
aufstellen: Die Sache ist niemals so schlimm, wie der Patient glaubt. Interessant 
ist die Erklärung, welche die meisten Kranken nachher für ihr sonderbares, ver¬ 
ängstigtes Benehmen geben, und welche aus der bei den meisten, selbst hoch¬ 
gebildeten Laien vorhandenen konfusen Vorstellung über Luft- und Speiseröhre 
hervorgeht: Die Furcht vor Erstickung. Es ergibt sich aus dem Gesagten, 
daß eine mit Ruhe und Festigkeit abgegebene Erklärung des Arztes, augenblick¬ 
liche Gefahr liege nicht vor, oft schon halbe Heilung ist. In manchen Fällen 
besonders hartnäckiger und schwerer psychischer Alteration markieren die sehr 
neurasthenischen oder hysterischen Patienten einen Stillstand der Respiration in 
tiefer Exspirationsstellung, und erklären, während sie dabei halb unbewußt, halb 
heimlich ununterbrochen flach respirieren, laut jammernd, „das Atmen sei ihnen 
total unmöglich“. In derartigen Fällen bewährte sich uns das folgende Verhalten 
auf das glänzendste. Die Eiranken werden mitten in ihren Klagen über die Un¬ 
möglichkeit des Atmens freundlich, aber sehr bestimmt, aufgefordert, mehrmals 
hintereinander tief ein- und auszuatmen. Diese Aufforderung kann in sehr wirk¬ 
samer Weise zur Ablenkung der allzu konzentrierten Aufmerksamkeit des Kranken 
dadurch unterstützt werden, daß der Arzt, an die rechte Seite des Patienten tretend, 
mit der linken Hand dessen Hinterhaupt unterstützt, während er mit der rechten einen 
sanften Druck auf die beiden Seiten der Cartilago thyreoidea Laryngis ausübt. Der 
Kranke folgt der Aufforderung, sieht sich ad absurdum geführt und unterläßt sein 
törichtes Klagen. Ebenso wirkt oft ein Glas kalten Wassers, das man den Patienten 
trinken läßt. Eine andere Kategorie von Kranken, deren — berechtigtere — 
Klagen sich auf den durch den Fremdkörper gesetzten Schmerz beziehen, be¬ 
ruhigt sich leicht durch den Hinweis auf die in Aussicht stehende sofortige 
Heilung. 

Nachdem so durch wenige Minuten psychischer Beeinflussung die für jedes 
ärztliche Handeln so überaus notwendige Ruhe des Patienten eingetreten ist, 
empfiehlt sich unter allen Umständen vor jedem Eingreifen die Aufnahme 
einiger anamnestischer Daten. Dabei kann allerdings von der Aufnahme einer 
eingehenden Familienanamnese, wie wir eine solche in einschlägigen Fällen 
gelegentlich seitens jüngerer geschätzter Mitarbeiter gewissenhaft aufnehmen 
hörten, füglich ebenso Abstand genommen werden, wie von ausgedehnten 
Recherchen über Infektionskrankheiten, Plattfuß etc. Indessen erhellen doch 
manchmal einige zielbewußt gestellte Fragen in überraschender Weise die 
Situation. 

_Unsere Fragen erstrecken sich auf die Art des angeblich geschluckten Fremd¬ 
körpers, auf seinen mutmaßlichen Sitz und auf die Zeit und Gelegenheit des 
Verschluckens. 

Der wachende, erwachsene und geistig gesunde Mensch, welcher sich zur¬ 
zeit weder in ärztlicher noch in zahnärztlicher Behandlung befindet, hat den 
Fremdkörper gewöhnlich mit der Nahrung aufgenommen. Die genaue Ermittelung 
der Art des verschluckten pathologischen Nahrungsbestandteiles kann für unser 


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roptoraatologie und Therapie versebkwfctar PrcrtMlkOrper. 


Handeln von der größten Bedeutung sein. Denn, 'eine harte, scharfraudige Brotrinde, 
-ine (»t*v,üjT7jieike. oder ein Zimnitsterigel kdmun bei in Verscblnr-ken zwar mäßig 
tiefe Belmtndefi und Risse im Gebiet der Piiarynzkenisifiktoren und der Speisw- 
rühre setzen, und bei ängstlichen Naturen oder ühereri , egbargn Mäuschen dfe.bben 
«pieijtang^iwdfta geschilderten Beängstiguugsattstckeu heiTorroften- Sie werden 
liwr den über der Sitn&tiivn Stehenden Arzt, niemals m einem, wenn auch 
weh so primitiven inatruntejitelleii Vorgehen vöraniassest. Er würde damit 
nur eine selbst bei der äUerjeie'bteste» SrhleiniliHtitvfvletZttiig niemals, un- 
»üglitiie. unseres. Etwehteas hilf dein .sogenannte n Kätlieteriieber -völlig: ana- 
• febrile Komplikation, ja eine gelegentliche Sepsfe befoilwitligst auf das 
Konto seines therapeutischen Eingreifens übernehmen, Auf dieses sogenannte 
Jkmgierangstiober de.r Speiseröhre 1 soll Weitev unten noch besonders ein- 
Vgatunn werden. 

Ernster zu beurteilen ist das Verschlacken von Knochen 'oder. Knoehenteilcn, 
riif. der besonderen Abart der Fischgräten. Die Ermittlungen Werden sieh 
IlfjetoJers anf die ^ualjfcüT der genossenen Fleisch- bzw. Fisclm&limng, auf das 
krtrvffcude Stück, nnf das Vorhandensein- von nur ganze« oder zerhackten Knochen, 
•‘•ul ein oveutneil vorangegangenes Zerbeißen derselben erstrecke».. Ganze Knochen, 
welche dann naturgemäß meist vm ’ kleinerem Geflügel stammen, werden ihrer 
gfUBeii Jv'>nfignrätit!g gemäß gewöhnlich weniger '«Schaden •anricbteit, als die durch. 

Beil des Schlächters entstandenen scharfen and spitzen Knochensplitter, 
diesen möchten wir besonders die ans Haiin»cjkat.e.le.ttcs stammenden, 
tfröiözieren, welche, in dein an sich starren Gewebe, da« beim Braten Amd 
,<fcr danach erfolgenden Gerinnung' des schwer schnielzharen Jfiimmeltettes 
Düeh fester wird-, verborgen liegen, und so he^ondorä- häufig der Prophylaxe «<>$ 
ksaendeu Gebisses, eutgehen. Im Gegeitsafzie dazu worden in Woichgehochtem 
Rindfleisch: «ad größerem Geflügel dig ffnoirimuspiitter- fast immer beim Kauen 
wahrgenoaicoen. 

Gebisse werden in wachem Zustande wohl nur dann geschluckt, wenn sie 
entweder schlecht sitzen oder, üfsch augefertigt; den}. Träger noch sehr ungewohnt- 
säst und denselben zu unssweßfc- 
ffiä.ftigen Sehlingbewegungä« \yw-, 
iaias-sen;, sonst nur bei anßer- 
pwöhnlk'h hastigem Srit.lingttu,/#ie 
in dgiü von uns s. %, flierilner 
kM$£he W*»che«sehr. Ißö4. Nr. 23) 
antgrteilten Falle eines junget? 
lGwflawer KäntwanneSi der seine 
vaare große Dt>erldeter|»latte auf 
siftBu»! und, unzcrbisseri Mounter- 
*rid»efcte, (Fig, 1 und 2.) Es 
hier nebenbei ein kurzer Hin- 
ww darauf gestattet, daß djfe. älj- 
gmein beliebten nnd erpftibteh 
diätetischen Grundregeln, die 
PleWlmahrang möglidtsf tndrbb 


Ff£r. I 'Seitieminfeiohti 


S (Vx>rdtjvarisidil 


Verschluckte V«är»cWtu‘kiij. t 

in nat* Größe. in aat, ty 








' 

w&%» : - m -I* - im£$ 


Georg GbU'ketuann 


Udmr durch «fie ?eiwwh<?, welche zu ihrer 
ßxteikfto&, «nttrüOöij'asa werden, als durch -ihre 
eigene ^abgerundete Gegerrtvait, di* sie den 
Weg per viap naturales in den. aiedsfe-B Fällen 
Sicher finden läßt. Ein seltsamer Ifoßfcn^rt^ 

aus Gummi. demi Pltöiiaiion dureli eine kleine, mit zadGgem Ramie versehene 
Bleehpfeife vwiuitwß wirrt. ivaeli der Auffassung Jnng^tbitsehiaBds bilden diese 
g.'üiii'hu-T! ßleehptV'ifeii, ikien Auslosung aus dein umgebende.;). Gutmni selbst ein 
•/aliHb.ser, kleiner Mund "'äußerst rasch und sicher vollzieht,. einen der rarstea 
Esekei-bi^fen. liss selbst sind ■zwei derartige Falk? bekannt, witlirend die bo- 
sr hiitiigtHn Praktik w volkreicher Berliner BiadtteUe, wie W'ir das eines" RiUndliclien 
Jlitieiluug des Hemt Anliegen Stulz entnehme«, regelmäßig derartige Fülle zu 
Gesiebt bekomme». Tsrutzdelu uns schwerere Koitiplikaticmep derartiger .Fälle nicht 
zht : Kbhntais'^^}#r(^Liis|Bd. nsöehtgij wir diese SorWfcf^oR-^ T%utdköirpe j-ti ißt* viel 
weniger\haii»lbk-^bh|^A^i» Miinxeii. und hier jedeufftilFPro¬ 
phylaxe empfehlen. 

()t‘U Ktndeiii ähneln die Geisteskratiker« tu ihrer Kritiklosigkeit gegenüber 
den .hinge«,, die sie in den Musul führen. In der Heidelberger chinirgisehen 


Yier#c,b‘luckfe ScJiraiiVie ita Dtfxrr/. 

nacli Dr Krone ckov 





> •..«j.t-vrojugie und Therapie ^erseblitcktfr l-CffiuikOrpoi. 


9 , 


1 riivpmt&tsfclMik Wtir in Mr ferne» Hälfle derhßrr .fahre vhu* allbekätiflte 
Erscheinung jeher harmfefce fco wibderipdfeu Mähen mit 

Huer Kollektion vejsebliickter Messet mir Uusfroturtik e'tntmf, Ms er, SßWeit uns 
erinnerlich, seinem originelle« yammjefdaseur durch e»te'H Sprßög von der alten 
Jiefkarl'rQoke ein vorzeitiges'Ende beffeiiete. 

Eine traurige Kategorie bilden die yerecüimkteu Ia*trom«ita.. diägüostico- 
tbtrapeBticft, als deren riauptreprftäentantvn wir sä anderer Sammlung den 37 cm 
Sußgen. unteren Teil einer yveiehe»'- Magettsoude, sowie eine jß eine karainöniatöse 
Striktur von berufenster lland eingelegte Reuvwrsscho Danerkaofile (Fig. 4), 
dfi-f-h Seiden laden der Patient durch bissen. und 
geschluckt hatte , ~ beide von «ns extrahiert 
— aufhew'abi^*«. Itiö sieb ejrgebeptei proplo- 
laJitisdien Gesiebt sprmkte oiböteien wir den 
fh-mm Kollegen ebenso dringend ans Hm 
legen. wie wir sie unk selber ad öbtatii ge- 
fermste« balien. 

Tou der größten Bedeutung für das Vor- 
fefeeu des Arztes sind 'veitereti die. Aft- 
gabet» des Kranken über dtai, fßöttoäöÄgließ 
Sitz des verschluckten Freiudkörirers. Äller- 
tliirg* sind diese „subjektrveu Ö^td^raptutue’ 4 
rar mit großer Vorsicht m verwerten uwl 
hcdürfen zur Objektivierung ihrer Dignität ver- 
echiedfner Korrekturen. . Denn . einmal sind 
■he Angaben fies Kranken quoad Lokalisation 
<>ü sehr ungenau; der Ausdruck „hinten ißt 
Hilse * wird ebenso gern für die Tonsillar- 
gegeiil, wie für die Partie hinter der IttciHini 
„ttsnlaris sterai angewandt. Eine genauere j 
Orientierung wird häufig dadurch erzielt, daß 
Sri Patient veranlaßt, wird, den Ort. seiner . 

JStatifindtinwn genau mit einem Finger zu be- JM'«Ve r*.sd>e. Kanäle, m »dugw Stellung 
hs ergibt sich daher dje Erfahrung. • üt . Gr6fie<) ' 

day* der Patient mit dem. Finger in den. . i’öWbi-. . 
iland fährt. wenn die sc hmerzende istelle oberhalb; des Introitus Laryngis liegt, daß 
»t bei tieferer Lokalisation die Stelle außen am "Halse sucht, : 

Andrerseits-entsprechen sehr häutig die subjektiven Hcrdsymptonie nicht, der 
■•K'-ktiren Lokalisation {»cs verschluckten Fremdkörpers. Das gilt ganz besonders 
jgg -äi; im Gebiete der Iltäryuxkönstriktoren lolatisierte» Sensationen. Wir haben 
«• eim-r großen Anzahl einschlägiger Fälle die entschiedene Erfahrung- gemacht, 
im: tetNChlackfe Fremdkörper niemals öder doch. Äußerst, selten im Gebiete der 
f‘baryinck<;n?.triktoreTi haften bleiben. Vielmehr werden sie aus diesem an sensiblen 
vri<;»*niHgnngen so überaus reichen Gebiete in proinptesfcer Weise durch 
«dfcktorische Bewegungen vom Typus der Schluckbewegungen nach nuten, vom 
Typ«* der Wörgebewegimgen nach oben befördert. .Dagegen ist eben dieses 
der Pharynxkonstriktoren gemäß seiner Eigenschaft nicht 'nur als ana- 



löl 


8 le 




10 Georg Glücksmann 

tomischer, sondern infolge seiner starken Ringmuskulatur vor allem auch als 
funktioneller Engpaß der Lieblingssitz traumatischer Fissuren und Rhagaden, 
welche durch ihre große Schmerzhaftigkeit nicht nur dem Patienten ein sicheres 
Fremdkörpergefühl Vortäuschen, sondern infolge starker Reflexspasmen auch den 
ärztlichen Beobachter irreführen können. Eine kurze Krankengeschichte möge 
dies illustrieren: 

Am zweiten Weihnachtsfeiertage 1904, abends 11 Uhr erschien, angemeldet und 
gütigst überwiesen durch Herrn Dr. Hirsekorn, Halensee, eine junge Dame, welche in 
diesem romantischen Villenvorort mit dem Manne ihrer Neigung zusammen bei Hasenbraten 
den Feiertag geheiligt hatte. Beide beteiligten Persönlichkeiten befanden sich im Zu¬ 
stande hochgradigster Aufregung mit allen oben geschilderten Symptomen, und versicherten 
wiederholt in den bewegtesten Worten, daß das Automobil sie für ihre Angst viel zu 
langsam gefahren hätte. Der Schmerz wurde mit Bestimmtheit hinter den Schildknorpel 
verlegt. Nachdem die Besichtigung mittelst Zungenspatel, Kehlkopfspiegel und Postrhinoskop, 
sowie die Digitalexploration das Fehlen jedes Fremdkörpers in den untersuchten Partien 
ergeben hatte, während bei der letzteren ausgesprochener Berührungsschmerz im mittleren 
Konstriktorengebiet, also an der von außen bezeichneten Stelle, bestand, nachdem ferner 
ein starkes Hartgummibougie glatt in den Magen passiert war, konnte die Diagnose auf 
Fissura pharyngis regionis constrictoricae mit hinreichender Sicherheit gestellt werden, 
während der Knochensplitter ebenso sicher bereits in den Magen gelangt war. Trotzdem 
wurde die Ösophagoskopie, teils auf intensivstes Drängen des ebenso besorgten wie neu¬ 
gierigen Bräutigams, teils aus therapeutischen Gründen unmittelbar angeschlossen. Die 
Diagnose bestätigte sich vollkommen. Nach Anästhesierung der fast 3 cm langen, längs 
verlaufenden Fissur der rechten Seitenwand mit 10% Eucain. lactic. wurde dieselbe im 
Ösophagoskop mit einer an einen Sondenknopf angeschmolzenen Argentumperle geätzt. 
Die Beschwerden sistierten fast momentan. Die Heilung trat glatt ein. 

Es sei hier ein kleiner Exkurs auf die Reflexspasmen der Pharynxkon¬ 
striktoren bei anderen, nicht traumatischen, Speiseröhrenerkrankungen gestattet. Bei 
karzinomatösen Strikturen z. B. sowohl in der Höhe der Bifurkation als auch an 
der Cardia, sahen wir dieselben in solcher Intensität, daß ein hydrophobieartiger 
Zustand eingetreten war, daß es zunächst unmöglich war, die Sonde hindurchzu¬ 
führen, und daß vor allem der Patient selbst seine Beschwerden, die von ganz 
andern Körperregionen herstammten, mit vollster Sicherheit in dieses Gebiet hin¬ 
verlegte. Ähnliches beobachteten wir in einem Falle von tiefsitzender Varicosis 
Oesophagi, der allerdings durch Fissuren, aber nur der unteren Speiseröhrenteile 
kompliziert war, sowie in einem Falle von Herpes Oesophagi Regionis Cardiae, 
in dem wohl die durch Nahrungsbrocken in offene kleinste Ulzerationen ver¬ 
wandelten eintrocknenden Herpes-Bläschen den Reflex auslösten. In allen diesen 
Fällen führten mehr minder große Morphindosen zur glatten Überwindung des 
Sphinkterkrampfes. 

Im Gegensätze zu der vorerwähnten Ungenauigkeit der subjektiven Herd¬ 
symptome steht eine andere Gruppe von Fällen, in denen bei sehr kleinen oder 
sonst schlecht erkennbaren Fremdkörpern einzig und allein die äußerst präzisen 
Angaben des Patienten den^jWeg weisen. 

An einem Sonntag Mittag des Jahres 1898 konsultierte mich Frau D., welche 
angeblich beim Fischessen eine Gräte verschluckt hatte. Auf die Frage nach dem 
Orte der Schmerzen wurde mit der größten Präzision mit Hülfe einer Sonde und 
eines Spiegels die rechte Tonsille gezeigt. Die mehrfach wiederholte genaueste 
Spiegeluntersuchung verlief zunächst resultatlos. Erst als die sehr resolute und 


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Symptomatologie und Therapie verschluckter Fremdkörper. 


11 


nichts weniger als hysterische Dame an der Objektivität ihrer Selbstbeobachtung 
festhielt, gelang es uns, auf der Höhe der rechten Tonsille das weniger als l mm 
vorstehende Ende einer feinen Gräte zu erblicken, welche sich mit ihrer ganzen 
übrigen Länge in das lymphatische Gewebe der Tonsille eingebohrt hatte. Die 
Eitraktion gelang leicht mit einer langen Zilienpinzette. 

Die dritte Frage des Arztes, welche allerdings nach dem Vorhergehenden 
meist schon beantwortet worden ist, bevor sie überhaupt gestellt wurde, jedoch 
andrerseits niemals unterlassen werden darf, bezieht sich auf Zeit und Gelegenheit 
des erlittenen Unfalles. Wir haben nicht wenige Fälle eigener Erfahrung zu 
verzeichnen, in denen der oder meist die Kranke unter den Zeichen höchster 
Erregung ein sofortiges Eingreifen verlangte, in denen die dramatische Schilderung 
des Unfalles denselben als vor wenigen Minuten geschehen erscheinen ließ, und 
in denen die präzise Frage nach der Zeit Klarheit darüber verschaffte, daß das 
fragliche Ereignis am vorhergegangenen Tage, vor 1—2 Wochen, stattgefunden 
hatte, ja daß genaue Angaben darüber überhaupt nicht gemacht werden konnten, 
daß der Kranke vielmehr nur aus der Art seiner Symptome ein angeblich vor¬ 
ausgegangenes Trauma postulierte. 

Wie weit dabei die Selbsttäuschung gehen kann, möge folgender Fall 
illustrieren: 

Frau J. hatte anno 1903 Herrn Sanitätsrat Dr. Holz konsultiert, mit der 
lestimmtesten Angabe, einen Knochen verschluckt zu haben. Da Herr Kollege 
Holz Mund, Nase und die gesamten oberen Luftwege frei fand, überwies er uns 
freundlichst die Patientin zur Untersuchung der Speisewege. Die genaue Unter¬ 
suchung ergab wohl eine ausgesprochene Pharyngitis granularis, aber das sichere 
Fehlen jedes Fremdkörpers. Dennoch hielt die Kranke mit der dem poli¬ 
klinischen Publikum eigenen Zähigkeit nicht nur an ihrer Behauptung, den Fremd¬ 
körper „noch im Halse zu haben“, sondern auch an ihrem Wunsche, von demselben 
befreit zu werden, über ein Jahr lang fest und bildete während der Zeit ein 
stets bereites Objekt für die laryngoskopischen, postrhinoskopischen, ösophago- 
skopischen und bronchoskopischen Exerzitien unserer Schüler, wofür sie hiermit 
hmlichst bedankt sei. Patientin erfreute sich ununterbrochen des besten Wohl¬ 
befindens, hält aber heute noch an der Existenz des Fremdkörpers fest. 

Eine Erklärung für diesen und eine ganze Anzahl ähnlicher Fälle möchte 
ich in der ansgesprochenen Pharyngitis granularis ßegionis Constrictoricae suchen, 
zu der das Fremdkörpergefühl im Verhältnis einer Reflexneurose steht. Auch bei 
zahlreichen Fällen von Globus hystericus haben wir diesen ausgesprochenen 
Grannlarkatarrh nicht vermißt. Ja, es gelang in einer nicht unerheblichen 
Anzahl dieser Fälle, durch eine Lokalbehandlung desselben, über welche an 
andrer Stelle berichtet werden soll, das Globus-Gefühl auf längere Zeit hinaus, 
ja selbst für die Dauer zum Verschwinden zu bringen. Wir möchten daher den 
'»lobus hystericus in derselben Weise aufgefaßt wissen: Als übertrieben starke 
Bellexreaktion eines pathologisch erregbaren Organismus auf einen Flächenkatarrh 
des untersten, sphinkterartig fungierenden Pharynxabschnittes, also auf ein 
wirklich vorhandenes, wenn auch an sich nicht schweres, so doch unter Um¬ 
ständen ungemein lästiges organisches Übel. Es ist uns eine besondere Genug¬ 
tuung, damit den sogenannten „funktionellen Neurosen“ ein Kapitel zugunsten 


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der organischen Krankheiten entzogen und einer rationellen Therapie zugeführt 
zu haben. 

Nachdem die drei Fragen nach der Art des verschluckten Fremdkörpers, nach 
seinem mutmaßlichen Sitz und nach der Zeit des Unfalles zur Zufriedenheit 
beantwortet sind, ist die Anamnese zwar keineswegs erschöpft; vielmehr werden 
vor Einleitung einer Sondenuntersuchung, einer Ösophagoskopie oder gar einer 
Narkose im Zusammenhänge mit der Allgemeinuntersuchung des Körpers die 
üblichen Daten zu erheben sein, welche auf das Vorhandensein eines Ulcus ventri- 
culi, einer ulzerösen Phthise des Larynx oder der Lungen, eines Emphysema pulmonum, 
eines Aneurysma Aortae, wie überhaupt cardialer und arteriosklerotischer Kompli¬ 
kationen führen können. Denn alle diese diagnostischen und therapeutischen 
Eingriffe können, sonst total ungefährlich, bei komplizierendem Vorhandensein 
der erwähnten Krankheiten absolut kontraindiziert sein. 

Im allgemeinen aber dürfte es sich empfehlen, in frischen Fällen den er¬ 
schreckten Kranken nun nicht länger mit Worten aufzuhalten und sogleich zur 
Lokaluntersuchung zu schreiten, welche in vielen Fällen unlösbar mit dem 
therapeutischen Eingriff verbunden ist. Ein einziger kritischer Blick muß uns 
allerdings vorher davon überzeugt haben, daß eine augenblickliche Komplikation 
von vitaler Bedeutung, ein apoplektischer Insult, etc., nicht besteht. 

Objekt der zunächst erforderlichen Lokalinspektion sind in allen Fällen die 
Mundhöhle, der gesamte Pharynx inklusive Nasenrachenraum und der Kehlkopf, 
das erforderliche Armentarium Zungenspatel, Reflektor und Kehlkopfspiegel ver¬ 
schiedener Größe. Dabei brauchen die vorderen Teile der Mundhöhle weniger 
berücksichtigt zu werden, weil einerseits auf sie bezügliche Angaben meist sehr 
exakt auf den Herd des Trauma hinweisen, weil andererseits diese Körperregion 
meist das Objekt der selbsttätigen diagnostischen und therapeutischen Bestrebungen 
des Patienten gebildet hat. 

Dagegen tut man gut, um nichts zu übersehen, bei der Inspektion ein für 
allemal eine bestimmte Reihenfolge inne zu halten. Für unseren Privatbedarf 
haben wir diese entsprechend der Lokalanästhesie vor Ösophagoskopien etwa in 
folgender Weise festgesetzt. Wir beginnen mit Hilfe eines festen, mit breiter 
Platte und winklig abgebogenem Handgriff versehenen Zungenspatels am weichen 
Gaumen. Nachdem dieser einschließlich des Zäpfchens besichtigt ist, folgt die 
rechte Tonsille mit den beiden sie umgebenden Gaumenbögen, wobei zweckmäßig 
bei heruntergedrückter Zunge nach Art der Rhinoscopia posterior ein kleiner 
Kehlkopfspiegel zu Hilfe genommen wird. Die linke Tonsille wird natürlich 
ebenso besichtigt, dann wieder bloß mit dem Zungenspatel die hintere Rachen wand. 
Bei herausgestreckter und festgehaltener Zunge besichtigen wir sodann mit dem 
Kehlkopfspiegel erst besonders sorgfältig die Zungenwurzel von der Gegend der 
Papillae circumvallatae an rückwärts, darauf die Vorderseite der Epiglottis, 
deren Rückwand, den Larynx inklusive beider Sinus pyriformes, besonders sorg¬ 
fältig auch die Umschlagsfalte der Ligg. ary-epiglottica und des Lig. interarytae- 
noideum nach dem Ösophagus bezw. untersten Pharynxabschnitt hinüber, nicht 
zu vergessen die ganze hierbei sichtbare hintere Pharynxwand. Den Beschluß 
macht die Rhinoscopia posterior, die Besichtigung des Daches und der Hinterwand 
des Nasenrachenraumes. Das Hauptaugenmerk ist bei dieser ganzen Besichtigung 


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Symptomatologie und Therapie verschluckter Fremdkörper. 13 

nicht nur auf Fremdkörper, sondern ebenso auf Fissuren und Rhagaden als Folge- 
rrscheinungen derselben, sowie auf die Zeichen der produktiven und atrophischen 
Katarrhe, auf Follikelbildung, Narben, Schleimhautatrophie mit oder ohne Gefäß- 
cntwickelung zu richten. Findet sich bei Abwesenheit eines Fremdkörpers, besonders 
in den anamnestisch unklaren Fällen, eine ulzerierte oder katarrhalisch affizierte 
Stelle als mutmaßliche Ursache der Beschwerden des Patienten, so führt mitunter 
ein Berühren der kranken Stelle mit der Knopfsonde zu einer schnelleren 
Verständigung zwischen Arzt und Kranken. 

Was die Therapie anbelangt, so ergibt sich bei Vorhandensein eines Fremd¬ 
körpers an einer der besichtigten Stellen der Maßstab für den vorznnehmenden 
Eingriff so klar, daß darüber kein Wort zu verlieren ist. Bei Fissuren und 
l'lzerationen hat Argentumätzung mit oder ohne voraufgegangene 
Lokalanästhesie die schönsten Erfolge. Katarrhe werden nach 
den allgemein gültigen Grundsätzen behandelt. Zur Bekämpfung 
ihrer nervösen Begleitsymptome können wir kleinste Dosen von 
Narcoticis, z. B. Morphin, muriatic. 0,0025 p. dos., dreimal täglich, 
nicht angelegentlich genug empfehlen. 

Auf die Inspektion folgt die Digitalexploration des Kon¬ 
striktorengebietes, welche wir, trotzdem es eine Arbeit im dunkeln 
ist. unter keinen Umständen missen möchten. Denn einerseits 
palpiert unser Zeigefinger doch unter allen Umständen feiner als 
die beste Sonde, er vermag uns nicht nur in den seltenen Fällen 
eines tatsächlich im Konstriktorengebiete haften gebliebenen Fremd¬ 
körpers die Auffindung und direkte manuelle Extraktion desselben 
zu ermöglichen, sondern er orientiert uns auch in Verbindung mit 
den Schmerzensäußerungen oder sonstigen Angaben des Patienten 
aber die genauere Lokalisation etwaiger Fissuren dieser Gegend, 
er verschafft uns schließlich auch ein Urteil über den normalen 
oder verstärkten Tonus des unseren Finger umgebenden Schlie߬ 
muskels. Andrerseits erlebten wir es selbst mehrere Male, daß 
die bei der Digitalexploration auftretenden Würgereflexe den 
gesuchten Fremdkörper prompt zu Tage förderten. Ein Hinweis 
auf die schädlichen Nebenwirkungen der so beliebten krallen¬ 
artig zugeschnittenen Fingernägel dürfte vielleicht nicht ganz überflüssig sein. 

Haben die bisher vorgenommenen Untersuchungen die Situation noch nicht 
genügend geklärt, bzw. die Extraktion des Fremdkörpers noch nicht ermöglicht, 
>o tritt der Punkt ein, in dem unser ärztliches Handeln verschieden wird, je nach¬ 
dem wir uns dem Falle unter primitiven Verhältnissen in der Privatwohnung des 
Kranken, mit mehr [oder minder dürftigem Instrumentarium, gegenüber befinden, 
•der in einer mit allem für unsere Zwecke ersonnenen Spezialapparat komfortabel 
ausgestatteten Umgebung. 

Das Instrumentarium des ärztlichen Praktikers enthält für unsere Zwecke 
meist eine Anzahl Schlundsonden bzw. Bougies verschiedener Stärke und Härte, 
sowie eine Anzahl Spezialinstrumente alten Stiles: den Langenbeckschen Schlund- 
stöbtrr. den sogenannten Münzenfänger und den Fergussonschen Grätenfänger. 
(Fig. 5.) Unter diesen Instrumenten möchten wir die weichen Schlundrohre als 



Fig. 5. 

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14 


Georg {»1 Rekifma.il M 



Zwecke werden wir am besten mit Gittern Jijstirniilenl^ eigMohgm das, geschmeidig 
iß seinen seitlichen Exkursionen,’* doch- «ine 'genügende Härte in seiner Limgsaxe 
besjtgt, düs ferner ejit^eühr in seiner ganze» Länge einen starken, Dkfcenänrcli- - 
messer besitzt. oder, im ganzen grazil gebaut, doch au seinem Einführungsende 
einen dicken Knopf fragt. In praxi entsprechen diesen AiUhrdmiage». am..besten 
die '■ stärksten Kümmern der englische» und französischen Schlund rohre, die von 
Kuhn zuerst in die .Tlierapie/'e'tpge^brf^iii iae.taHt$ehen Spiralsoadeii. jöhd die 
TrousseausehM mit EUMbeihnb'veB vM#biMeÄhh Öffiße armierte« FiselMeiustäbe. 

MKfes CbUinsbhc Instrument (Fig. G),. welches in der 
KoiBhioÄtloji: der Trousetmuschen Oliven solide Mit einem 
metallischen ßetiönati»l«)ileu besteht, erkichierf zwar 
durch die •iai-gehotene wertvolle -akustische. Hilfe das 
AuiÄmMönanjeutlieh metallischer FreMdkoriMr. wird 
’äliei' sMhßs .hdiiun Preises halb# kani« in der: itehrzahl 


Ä 




in ddn Handel gebrachte Instniräent, welches die 
l'rouHseftüschen Eliftiibeinoliveu mit der Kuhnsdieu 
SpimMpude kombiniert, für recht zweckmäßig. Was die 
;.{k#efWähht«n älteren Spezialiustrmiieüte aubefrifft, so 
ist der v. Langchbocksohe Sühluttiistoßer im Prinzip 
uiebts andrem als eine Kuopfsfiiide; der Münzenfänger 
ela böchsf unnützes VfMk^eug, das kaum je seinen 
Zweck .erfüllen wird, dagegen sicherlich Mehr Schaden 
iUinchten kann. Als etwaige vefsMilackte Afftnzen. Den 
I''ergttS'pinsc‘heJO trrütentapgor möchten wir dagegen trotz 
seines ältiiutdificheTi, durchaus tmchirurgischen Exterieurs 
nicht. missen. Es irdtuig tms mit demselben in der 
Mjtf.agstunilg’ des .GL'Mk.tober lb4L tieu H f /i em : feMgea, an einer Kante iß seiner 
ganzen Aasdeiihüng. scharfen m><i nadelspitzen Splitter. eines Hühfterknoehens 

plstriktoÄn zu entfernen, 
die 'Schleimhaut ein- 

gespielifc hatte und so jeglicher sbüdhupftlpMiim rOTgaugen war. 

Den erwÄhideft Instrumenten gliedern sieb dne itvibe von Schlundzangen 
der.verschiedensten Autoren an. unter denen wir mit der von Mon y angegebenen 
biegi?äihe.ii viel gearbeitet haben, Ohne einer von ihueiv PDVäs Besoiidems nach- 
rühmeri zu können, denn alle diese Zangen setzen unter' Umständen Schleimhaut- 
Verletzungen, welche in ihren Konsequenzen schlimmer sein können als das 
mspriiögUehe Leiden. 

.Charakterisiert sich so dos ärztliche Eingreifen bei FremdkSrperu des 
Speiserohres in .Notfiilleu ■ bei allem Zielbewußtsein als ein Arbeiten im .dunkeln,, 
so hat. aüdrersmts. MM neuer«» Forschung eine Keilm rnti Hilfsmitteln für die 



gle 


MW 




Symptomatologie und Therapie verschluckter Fremdkörper. 15 

Erkennung, Ortsermittlnng und Entfernung verschluckter Fremdkörper geschaffen, 
sämtlich ausgezeichnet dadurch, daß sie unser wichtigstes und exaktestes Sinnes¬ 
organ, das Auge, in Aktion treten lassen. Seit der Erfindung Röntgens können 
wir uns bei abgerundeten metallischen Fremdkörpern ruhig auf ein Abwarten 
der natürlichen Evakuation einlassen, wenn wir den Descensus corporis alieni 
radiographisch kontrollieren. Treten irgendwelche gastrischen oder intestinalen 
Erscheinungen ein, so belehrt uns dasselbe Verfahren in exaktester Weise über 
einen vorhandenen oder fehlenden Zusammenhang der Symptome mit dem Fremd¬ 
körper. Herr Kollege Kronecker hatte die große Freundlichkeit, uns in einer 
ganzen Anzahl einschlägiger Fälle mit seiner reichen radiologischen Erfahrung 
zur Seite zu stehen. Knochenstücke können unter 
günstigen Verhältnissen ebenfalls radiographisch 
lokalisiert werden. Eine souveräne Rolle aber 
möchten wir der Radiodiagnostik bei einer Kategorie 
von Fremdkörpern beimessen, welche vorher nicht 
erwähnt worden ist, weil sie glücklicherweise immer . 
seltener wird. Es sind dies eiserne Nägel und 
Nadeln und Stecknadeln, welche in früheren Zeiten 
besonders gern von Tapezierern, Schneiderinnen 
und Dienstmädchen w’ährend ihrer einschlägigen 
Arbeiten zwischen den Lippen gehalten wurden. 

Bei diesen Fremdkörpern möchten wir, seitdem es 
eine Radiodiagnostik gibt, jedes manuelle und 
instrumenteile Eingreifen wegen der damit ver¬ 
bundenen Gefahr für strengstens kontraindiziert ! 
halten, bevor der genaue Sitz radiologisch ermittelt * 
ist. Ist derselbe subphrenisch, so halten wir nach 
Stationierung des Patienten in eine chirurgische 
Klinik, wo jeden Augenblick eingegriffen werden 
kann, ein gewisses Zuwarten unter kontrollierender 
Anwendung der Durchleuchtung immerhin für er¬ 
laubt. Für supraphrenisch lokalisierte Fremdkörper Vergrößerungs-Ösophagoskop nach 
Art haben wir uns eine elektromagnetische G “ 

Sonde konstruieren lassen, deren Pol ebenfalls 

unter Kontrolle hinter dem Barium-Platin-Cyanurschirm an den verschluckten 
metallischen Fremdkörper herangebracht wird. Leider oder glücklicherweise 
waren wir noch nicht in der Lage, diesen Apparat in corpore vivo anzuwenden. 

Die Prognose dieser Art von Fremdkörpern ist die ausgesprochen schlechteste; 
erfreulicherweise scheint die wachsende Bildung und Intelligenz der arbeitenden 
Klasse hier prophylaktisch zu wirken. 

Ein direktes Sehen des Fremdkörpers in der Speiseröhre und ein Erfassen 
desselben unter Leitung des Auges mit eigens dazu konstruierten, besonders 
grazilen Zangen zu Extraktionszwecken ermöglicht die Ösophagoskopie. Nachdem 
wir diese Untersuchungsmethode durch Einführung eines neuen, nach dem Typus 
der Knopfsonde gebauten Instrumentes (Fig. 7) nicht nur wesentlich verfeinert, 
sondern auch für den Patienten erheblich schonender gemacht haben, benutzen wir zur 


Fig. 7. 



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16 IJeun; »ililykäuiiuin, Snniifcmatniugie und Therapie verschluckter l i't nnii.urfivr. 

palpiereudöb EraitfiTfing veu Fremdfeyrp^i'n . d$r &!pi$£PrdUre «iiese« 



uttd der, .ersterb aManu unter Kettung des .Auges ..^«.chen--. 'Kt#. 

Instrumentes eingesteih.. welche letztere lim bgiiö Suiiüetkn de« Instrumentes 
z&ngeBäftig erfasg&üi 

Eine besondere $rhwierigktelfc liegt «och bei der Extraktion .großer oder 
sebarlkaEtige.f Fremdkörper ift ihrer■ Passage durch das Konstriklorengebiet. Die 
Furcht, hier große Verletzungen zu machen, veranlaßte z. ß. in dem von ons schon 
frühfcr beschriebenen Falle eines jungen Kaufmannes,. der «tue groß*.» GebtÖplatt.« 

(Pig. .I n 2) verschluckt hatte, die Yqttmha« 
ff|| *• der Ösophagotomie, nachdem die Platte zuerst 

.•-:•■•■. von itirodi uvspi-iitigUcheti Sitze direkt oberhalb des 

;•., .JJwerctifeilles. afsr .«öbeift*rjct .- Von Sünden and 

; 'RdatgÄdUfhl^«||Ä0F , :^gelagert, hatte, 
>; uuihelos bis hart unter die Konstriktoren empor- 
gezogen worden war. 

Diese Schwierigkeit bewog BUS ?M Aus¬ 
bildung einer besonderen ExtraktiunsiaeMiode. 
Es wird «fimjteh, nachdent der Fremdkörper in 
•’••“ oben gescldbb'rten Weise . gefaßt ist, ev 

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unter Einleitung iüttnr leichten UhlorofoiTtinarkose, 
das Instrument nicht wie sonst nach sorgfältiger 
Entleerung, sondern bet voller Füllung des Wasser. 
Kissens (Big- S) samt dem daranbünge.nden-Fremd¬ 
körper extrahierte Da sieh das Wasserkissen bis 
zu einer Kapazität , vn« 100 — 150 ccm anfblasen 
hißt, so bringen wir mf diese Weise selbst den 
voluminösesten Fremdkörper durch die Kon¬ 
striktoren, ntiiie daß er dieselbe« berührt:. 

Es erübrigt.. mit einigen Worte» auf die 
Prognose und den weitere« Kraiskheitsverlauf 
einztigehen. Es ist ein eigen tnoilieher 'psycho¬ 
logischer Fug, dali der Kranke, nachdem FrWetrg!GekIteb extrahierten Fremdkörper 
gesehea bst, ssch selbst ihr gerettet, die Angelegenheit für erledigt. MU<; Fad leider 

lg« 



Kojifteil von Fig. 7 . 



Fremdkörper itn Moment des Vovsciihtcktwcrdctis größere oder kleinere, -ftechore «,dc 
tiefere VeflPtxnöffen setzt., und die.« in einet- (tegctifl. die ihrer tanzen Funfctio 


oder 

•fp&fcce iV ejdeizimgen setzt, und die« in einer 'öego«d„ die ihrer ganzep Funktion 
nach in «ipern.ausgesprochene» Gegensatz zur Asepsis sieht. Die Folge ist. die 

a • .. ... y.A ..zi. ^ \-... • ■» .. .. a*. ... :... .1 .■„ „ •. 



das Tcaiinwt momentan obsphdt, während das ärztliche EinÄretibh-•-ofti'FbötF: 
ganze Seihe aulierg^vöhnlicher und unangcnehiin-rEmzelakte thrden Patieni en iimfaßt. 
Es liegt in dev menschlichen Xatuic daß N'achkranklieiten unter diesen tausländen nie- 
male auf dejr eflitttenon üniaii iiezogeu 'verden, sondern immer nrtr> 1 if'.% , ':ä , retiii(:jhen. 





17 


Immelmann, Fortschritte in der orthopädischen Behandlung. 

Manipulationen. Dem gegenüber haben wir eine ganze Reihe von Fällen beob¬ 
achtet, in denen das mutmaßliche Verschlucken eines Fremdkörpers unmittelbar 
mit einem Symptomenkomplex beantwortet wurde, dessen Hauptcharakteristika ein 
heftiger Schmerz im unteren Teile der Speiseröhre und hohe, remittierende Fieber¬ 
bewegungen waren, ohne daß in der ganzen mehrtägigen Dauer der Erkrankung 
ein Instrument in die Speiseröhre eingeführt worden war. In vielen dieser Fälle 
wirkte schließlich die Sondierung geradezu kurativ. In derselben Weise möchten 
wir einen großen Teil der im Anfang der Arbeit erwähnten Fälle von „Bougierungs¬ 
fieber der Speiseröhre“ erklären, wenn auch für andere Fälle der umgekehrte 
Kausalnexus, nämlich die Infektion kleinster, durch die Sonde gesetzter Verletzungen, 
gelten mag. 

Es empfiehlt sich also, in jedem Falle wenigstens die Umgebung des Kranken 
vor jedem instrumentellen Eingriff über die stets zweifelhafte Prognose und die 
möglichen Komplikationen aufzuklären. Da aber trotz alledem die Logik des großen 
Publikums, auch des ärztlichen, in solchen Fällen gern ihre eignen Pfade 
wandelt, so schaffe sich, wer die Extraktion von Fremdkörpern der Speiseröhre 
spezial ist isch betreibt, auf alle Fälle als Unterstützungsmittel seines guten Gewissens 
einen recht breiten Rücken an! 


II. 


Fortschritte in der orthopädischen Behandlung. 

Von 


Dr. Immelmann 

in Berlin. 

Die folgenden Zeilen sollen dem praktischen Arzte zeigen, welchen Auf¬ 
schwung die orthopädische Behandlung in den letzten Jahren genommen hat. 
Männern wie: Lorenz, Hoffa, Joachimsthal, Julius Wolff, Nebel, Krucken- 
berg, Kümmell, Lange, Vulpius, Schede u. a. gebührt das Verdienst, die 
Orthopädie, die bekanntlich bei uns im Gegensatz zu anderen Ländern, sehr im 
Argen lag, zum Leben erweckt zu haben. Hand in Hand mit der Vervollkommnung 
der orthopädischen Chirurgie ging die Verbesserung der orthopädischen Technik; 
besonders die letztere machte sich los von der handwerksmäßigen Handhabung 
und begann eigene Wege zu wandeln. Dankbar wollen wir hier des leider so früh 
verstorbenen Beely gedenken, der als einer der ersten in der orthopädischen 
Technik hervorragendes leistete. Außer den oben Genannten widmeten sich: 
Heusner, Gocht, Ferdinand Schultze, Wullstein, Schanz, Riedinger. 
neben einer Reihe von Technikern (Hessing, Eschbaum), diesem Zweige der 
Orthopädie. Die Literatur wuchs mehr und mehr und brachte ausführliche Arbeiten. 
Bevor ich mich den einzelnen Erkrankungen, die der orthopädischen Behandlung 
zugängig sind, zuwende, will ich noch kurz des großen Einflusses gedenken, 
welchen die Entdeckung der Röntgenstrahlen für die Orthopädie gezeitigt hat. 

UlKhr. f. dllt o. phjalk. Tb.rapE« Bd. IX. Heft I. 2 


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18 Innnclmann 


Die angeborene Hüftgelenksluxation. 

Von den zahlreich aufgestellten Theorien über ihre Entstehung gilt die von 
v. Amnion vertretene jetzt für die wahrscheinlichste, zumal sie durch das Röntgen¬ 
bild gestützt wird. Dieses zeigt uns, daß sich die Pfanne nicht zu einer Grube 
vertieft hat, sondern tellerartig geblieben ist, während der Schenkelkopf fast die 
dem Alter des Kindes entsprechende Größe erkennen läßt. Weiter spricht für 
Ammons Annahme die häufige Erblichkeit der angeborenen Hüftverrenkung 
und die von Hoffa gefundene Tatsache, daß in einer großen Anzahl von ein¬ 
seitigen Luxationen auch Veränderungen im Hüftgelenk der gesunden Seite 
auf dem Röntgogramm sichtbar sind. Was nun die Diagnose der vorliegenden 
Erkrankung betrifft, so haben wir auch hierin seit Röntgen ganz bedeutende 
Fortschritte gemacht. Abgesehen davon, daß ein Übersehen jetzt vollständig 
ausgeschlossen ist, werden Verwechslungen mit Coxa vara und mit den Folgen 
einer früheren tuberkulösen Coxitis sicher vermieden. Ganz besonders ist das 
stereoskopische Röntgenbild imstande uns Aufschluß sowohl über die allgemeinen 
Tiefenverhältnisse, wie über die Stellung des Kopfes zur Pfanne und dem Hüft¬ 
bein zu geben. Man sieht auf ihm genau, ob der Schenkelkopf direkt nach oben 
luxiert, ob er bereits nach oben und aussen von der Pfanne getreten ist, ob er 
gar noch weiter hinaufgerückt und nach aussen von der Spina ilei ant. sup. steht. 
Auch eine vierte Stellung, nämlich die des Kopfes auf dem Darmbein (die Luxatio 
iliaca) entgeht unseren Blicken nicht. Dem therapeutischen Handeln sind jetzt 
bestimmte Wege vorgezeichnet. Finden wir auf dem Röntgenbilde, daß jede An¬ 
deutung von Pfannenbildung fehlt, so werden wir von vornherein von einer un¬ 
blutigen Operation absehen. Wir schreiten vielmehr in diesem Falle zu der Hoffa- 
sclien blutigen Reposition des Schenkelkopfes in eine künstlich genügend vertiefte 
Pfanne. Was die Prognose dieser Operation betrifft, so hängt sie von der Bildung 
des oberen Femurendes ab. Wenn auch eine Herstellung absolut normaler Ver¬ 
hältnisse niemals zu erwarten ist, so wollen wir eine geringe Verkürzung des 
Beines und Beschränkung in der Beweglichkeit des neu gebildeten Gelenkes mit 
in den Kauf nehmen gegenüber den Vorteilen für den Patienten. Häufig sind die 
funktionellen Endresultate bei einseitiger Luxation derartig, daß wir die gesunde 
Seite nicht von der kranken unterscheiden können. Bei doppelseitiger Luxation 
werden die besonders in die Augen fallenden Schönheitsfehler (die Lordose und 
der watschelnde Gang) fast ganz beseitigt. Bei Kindern über zehn Jahre rät 
Hoffa nicht mehr zur blutigen, sondern bei einseitiger Luxation zur schiefen 
subtrochanteren Osteotomie, bei doppelseitiger zur Pseudartrosenoperation, die darin 
besteht, daß der Schenkelkopf dicht an der Linea intertrochanterica abgetragen 
und die Sägefläche des Femur gegen eine auf dem Darmbein geschaffene freie 
Periostfläche gestellt wird, wodurch eine bindegewebige Verwachsung dieser Stelle 
herbeigeführt wird. Finden wir dagegen die Pfanne angedeutet, so werden wir 
die unblutige Reposition versuchen, eine Operation, die wir Lorenz verdanken. 
Der Raum gestattet es mir nicht näher auf ihre Technik einzugehen, ich will nur 
kurz erwähnen, daß bei doppelseitiger Luxation Lorenz das zweite Bein erst 
dann reponiert, wenn die eine Seite geheilt ist, während Hoffa beide Seiten 
gleichzeitig in Angriff nimmt. Die Altersgrenze ist auch bei der unblutigen 
Operation das zehnte Lebensjahr. Überschreitet man diese Grenze oder forciert 


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19 


Fortschritt« in der orthopädischen Behandlung. 

die Reposition zu sehr, so muß man auf Nachteile gefaßt sein, wie Quetschung 
der Weichteile, Vereiterung der Blutextravasate, Frakturen des Oberschenkels etc. 
Haben wir uns nun zu einer blutigen oder unblutigen Operation entschlossen, so 
können wir durch das Röntgenbild die therapeutischen Maßnahmen kontrollieren 
und uns leicht davon überzeugen, ob die Einrenkung gelungen oder ob wir uns 
mit einer bloßen Reposition oder Transposition begnügen müssen. — Hinsichtlich 
der Erfolge der Lorenz sehen Methode spielt die Nachbehandlung eine große 
Rolle. Während die meisten Autoren eine möglichst lange Immobilisation (sechs 
bis neun Monate) des operierten Gelenkes empfehlen, hat uns Joachimsthal 
gezeigt, daß es gelingt mit einer Zeit von ca. drei Monaten zum selben Resultat 
zu kommen. Wenn auch der letztgenannte Autor eine Reluxation nicht sehr 
fürchtet — hat er uns doch bewiesen, daß bei einer solchen die erneute Reposition 
mit der von ihm geübten Nachbehandlung ein in jeder Beziehung tadelloses 
Resultat herbeigeführt hat — so dürfte es sich doch empfehlen, gegebenenfalls nach 
der Vorschrift Schedes noch längere Zeit einen Pelottenverband tragen zu lassen. 
Was die tatsächlichen Erfolge der Lorenzschen Operation betrifft, so gehen die 
Ansichten darüber, ob die dauernde Retention des Kopfes in die Pfanne zu er¬ 
zielen ist, auseinander. Ich selbst habe in meiner Röntgenpraxis sehr oft Gelegen- 
beit bei von den verschiedensten Operateuren ausgeführten Operationen tadellose 
Resultate zu sehen. Bei ganz jungen Kindern dürfte der Mikuliczsche Lagerungs¬ 
apparat zu empfehlen sein, der den Zweck hat, die Kinder mit extendierten, ab- 
duzierten und nach außen rotierten Beinen täglich einige Stunden liegen zu lassen, 
während sie die übrige Zeit des Tages frei herumlaufen dürfen. 

Die Coxa vara. 

Der Erste, der dieselbe und zwar als einheitliche Krankheit beschrieben, 
war Ernst Müller-Stuttgart. Später haben Hofmeister, Manz, Kocher, 
Hoffa, Alsberg, Joachimsthal und Schanz diese Krankheit eingehend studiert. 
Auch hier hat das Röntgenverfahren ungemein viel zur Klärung beigetragen. 
Unter Coxa vara verstehen wir — ich bediene mich dabei der Worte Schanzs — 
eine pathologische Formveränderung des oberen Femurendes, weche dadurch 
charakterisiert ist, daß der Schenkelhalswinkel eine Verkleinerung erfährt. 
Diese Veränderung kann angeboren sein. Joachimsthal hat berichtet, 
daß. ähnlich wie bei der Hüftverrenkung die Erscheinungen der Coxa vara bei 
d«n ersten Gehversuchen bemerkt werden. Weiter spricht für den kongenitalen 
Charakter des Leidens seine Beobachtung, daß von zwei Geschwistern das eine 
eine doppelseitige Schenkelhalsverbiegung, das andere eine doppelseitige Hüft¬ 
verrenkung zeigte. Ähnliche Beobachtungen hat Helbing gemacht. Die größte 
Wahrscheinlichkeit hat die Ansicht, daß es sich bei der angeborenen Coxa vara, 
wie Joachimsthal meint, nur um eine Störung in der Ossifikation des oberen 
Femureudes handelt. Als Ursache für die extrauterin entstehende Form der 
Schenkelhalsverbiegung haben wir zunächst die Rachitis und die Osteomalazie zu 
nennen. Wenn wir ferner von den durch Frakturen und Entzündungsprozessen 
des Schenkelhalses — sei es, daß bei einer Epiphysenlösung oder einem Schenkel¬ 
halsbruch, sei es, daß dadurch, daß während der Heilung einer Fraktur durch zu 
frühzeitige Belastung des noch weichen Kallus nachträglich eine Deformation im 

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20 Immelmann 


Sinne der Varusstellung (Sudeck) zustande kommt — und von der beim malum 
senile coxae entstehenden Coxa vara absehen, so bleibt als typische Krankheitsform 
die Coxa vara adulescentium, als deren ätiologisches Moment berufliche Über¬ 
anstrengung anzusehen ist, wie z. B. bei Bäckern, Schlossern, Landwirten, 
welche eine andauernde Stelluug mit gespreizten und stark nach auswärts rotierten 
Beinen einnehmen müssen. Kocher nennt die Coxa vara adulescentium direkt 
eine Berufskrankheit des Wachstumsalters, entstanden also unter Einwirkung¬ 
statischer Überlastung. Schanz hat auf dem zweiten Orthopädenkongreö die 
Coxa vara als statische Belastungsdeformität eingehend geschildert. Die Diagnose 
stützt sich einmal auf die typischen Klagen der Patienten (Schmerzen im Hüft¬ 
gelenk, Hinken und bei doppelseitiger Erkrankung der watschelnde Gang), sowie 
auf objektiven Befund: Atrophie der Muskulatur der Gesäßgegend und des Ober¬ 
schenkels, Beeinträchtigung der Abduktionsfahigkeit des Beines. Hoffa hat 
noch darauf aufmerksam gemacht, daß der Unterschenkel der kranken Seite das 
gesunde Bein kreuzt, wenn man in Rückenlage des Patienten das kranke Bein 
im Hüft- und Kniegelenk beugt. Durch das Röntgenbild werden wir vor Ver¬ 
wechslung mit Coxitis im Anfangsstadium und angeborener Hüftgelenksverrenkung 
bewahrt. Was die Therapie betrifft, so kommt man in leichteren Fällen mit 
Bettruhe in Verbindung mit Extension, Massage und gymnastischer Behandlung 
(Kräftigung der Abduktionsmuskulatur durch aktive und passive Bewegungen) 
meistens zum Ziel, in schweren Fällen müssen wir zur Operation schreiten, die 
nach Hoffas Vorschlag am besten die schiefe, subtrochantere Osteotomie ist. 
Bei vollständiger Deformierung des Schenkelkopfes dürfte die Resektion des 
Hüftgelenkes in Frage kommen. Die Nachbehandlung besteht in einer systematisch 
durchgeführten Gymnastik und Massage. Bei der rachitischen Form der Coxa 
vara tritt bisweilen Spontanheilung ein eventl. unterstützt durch Darreichung 
von Phosphor. 

Die juvenile Osteoartritis deformans des Hüftgelenks ist fast nur durch die 
Röntgenstrahlen zu diagnostizieren, da ihre Symptome, je nach der Gestaltung der 
Gelenkflächen, sehr wechselnde sein können. Der deformierende Prozeß beschränkt 
sich lediglich auf die Schenkelköpfe, wodurch die Stellungsanomalien von denen die 
konstanteste die Außenrotation ist, bedingt sind. Es steht zu erwarten, daß, nachdem 
von Brunn diese Erkrankung näher beschrieben hat, dieselbe jetzt öfter diagnostiziert 
werden wird. Außer diesem genannten Autor haben nur Zesas und Maydl je 
2 Fälle veröffentlicht. Während die beiden letztgenannten die Resektion aus¬ 
geführt haben, rät von Brunn zunächst exspektativ zu verfahren; Ruhiglagerung 
in möglichst korrigierter Stellung, später Bewegnngsübungen die der fehlerhaften 
Stellung entgegenwirken. 


Coxitis tuberculosa. 

Haben wir die Diagnose aus den klinischen Symptomen, unterstützt durch 
eine Röntgenaufnahme, gestellt, so gilt es das Gelenk ruhig zu stellen, es zu 
extendieren und zu entlasten. Gerade in der Erfüllung dieser Forderungen hat 
die Orthopädie ganz bedeutende Fortschritte gemacht. Es ist ihr gelungen, Mittel 
und Wege an die Hand zu geben, die Behandlung der Coxitis bei freier Bewegung 
des Patienten dnrehz'uführen. Die vollkommensten portativen Apparate, die uns 


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Fortschritte in (1er orthopädischen Behandlung. 21 

dies gestatten, sind die sogenanten Hessingschen Schienenhülsenapparate, die nur 
den einen Fehler haben, daß sie sehr teuer sind. Doch haben uns Hoffa, Lo renz, 
Dollinger u. a. gezeigt, daß man auch mit einfachen Mitteln zum Ziele kommen 
kann. Ist bereits Kontraktur eingetreten, so ist die beste Methode dieselbe zu 
beseitigen die von Dollinger empfohlene. Die Technik derselben ist in 
Dollingers Arbeit — Zeitschrift für orthopädische Chirurgie — genau beschrieben. 
Bei eingetretener Ankylose wird am besten, nach dem Vorschläge Hoffas, die 
Osteotomia subtrochanterica obliqua vorgenommen, um sowohl die Deformität zu 
korrigieren, als eine Verlängerung zu erzielen. Uber die chirurgische Behandlung 
der bei Coxitis auftretenden Abszesse ist Neues nicht zu berichten. Es ist ratsam, 
die Angehörigen auf die lange Dauer der Behandlung der tuberkulösen Hüftgelenks¬ 
entzündung aufmerksam zu machen, dieselbe beträgt durchschnittlich 2—3 Jahre. 

Spondylitis tuberculosa. 

Besser als früher gelingt es uns jetzt, die beiden Aufgaben der Behandlung 
dieser Krankheit zu erfüllen: einmal die Schmerzen zu lindern, zweitens die 
Gibbusbildung soviel als möglich zu verhindern. Beides erreichen wir, indem wir 
die erkrankten Wirbelkörper von der Last des oberhalb gelegenen Rumpfes be¬ 
freien und die ganze Wirbelsäule fixieren. Handelt es sich um eine Erkrankung der 
oberen Partien der Wirbelsäule, so genügt Rückenlage mit Extension. Für die 
mittlere und untere Partie der Wirbelsäule muß mit der Rückenlage die Reklinations¬ 
lage des Rumpfes verbunden werden. Dabei ist der größte Wert darauf zu legen, 
daß der Patient in absoluter Fixation leicht transportiert werden kann, um des 
Genusses frischer Luft teilhaftig werden zu können. Zu diesem Zwecke verwenden 
wir gern das Phelpsche Stehbett für die Spondylitis der oberen Hals- und Brust¬ 
wirbel: das Lorenzsche Reklinationsgipsbett dagegen für die Spondylitis der 
übrigen Teile der Wirbelsäule; den Karewskischen Gipsanzug schließlich, wenn 
es sich darum handelt bei Ergriffensein der unteren Wirbel die Beine mit zu 
immobilisieren. Der letztere Verband hat noch den Vorteil, daß der Patient sich 
darin fortbewegen kann. Da sich auch bei striktester Befolgung dieser Vor¬ 
schriften Buckelbildung nicht vermeiden läßt, empfiehlt Calot ein gewaltsames 
Eindrücken desselben. Wenngleich diese Methode jetzt völlig wieder aufgegeben 
ist — sind doch durch dieselbe tuberkulöse Meningitis, Paraplegien, Abszesse und 
Rezidive der alten Spondylitis beobachtet, haben doch Autoren wie Drehmann, 
König und Menard nachgewiesen, daß durch das Calotsche Verfahren eine große 
Knochenlücke entsteht, welche bei der schwachen Regenerationsfähigkeit bei 
Spondylitis tuberculosa niemals ausgefüllt werden kann, wodurch eine genügende 
Tragfähigkeit der Wirbelsäule ausgeschlossen ist — so hat sie doch den Anstoß 
dazu gegeben, der Buckelbildung energisch entgegenzutreten. Julius Wolff wendete 
seinen Etappenverband auch bei dieser Erkrankung an; Wullstein, Nebel und 
Schede konstruierten Apparate, die alle den Zweck hatten, eine gute Lordosierung 
des Körpers zu erreichen. Wirkliche Erfolge erzielen wir aber nur dann, wenn 
wir den Patienten bis zur beginnenden Konsolidierung ruhige Bettlage einhalten 
lassen, später wird die Behandlung mit portativen Apparaten fortgesetzt. 
Solche sind das Sayresche abnehmbare Gipskorsett und besonders das Hessingsche 
Stoflkorsett. Bei Ergriffensein der oberen Brust- und Halswirbel muß mit dem 


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Immelmann 


Korsett eine Stützvorrichtung für den Kopf verbunden werden (Jurymast oder 
Hoffasehe Kopfstützvorrichtung). Gegen die spondylitischen Lähmungen wird mit 
Vorteil ein stützendes Korsett oder jahrelange permanente Extension angewandt. 
Bleiben trotz Ausheilung des spondylitischen Herdes die Lähmungserscheinungen 
zurück, so bleibt als Ultimum refugium, falls der Sitz der Erkrankung der Wirbelbogen 
selbst ist, die Resektion desselben. — Die unter den Namen Mal vertrebal sousoccipital 
bekannte, an den Gelenken der beiden ersten Halswirbel lokalisierte Spondylitis 
erheischt die gleiche Behandlung. Als Stützapparat kommt hier hauptsächlich die 
Lorenzsche Halskrawatte in Frage. — Auch bei die sogenannten traumatischen 
Spondylitis, welche bisweilen durch ein mehr oder weniger heftiges, die Wirbel¬ 
säule direkt oder indirekt treffendes Trauma hervorgerufen wird, ist die Behandlung 
durch tranportable Stützapparate indiziert. Im Anschluss hieran will ich noch 
die chronische Steifigkeit der Wirbelsäule erwähnen, die zuerst von Strümpell 
beschrieben wurde und die darin besteht, daß die Zwischenwirbelgelenke und die 
Hüftgelenke ganz allmählich vollständig versteifen; alle übrigen Gelenke bleiben 
normal beweglich. Therapeutisch ist Massage und Gymnastik bisweilen mit Erfolg 
zu verwenden, doch wird in der Mehrzahl der Fälle die Ancylose nicht aufzu¬ 
halten sein. 

Gelenkkontrakturen. 

Die Behandlung der Stellungs- und Bew r eglichkeitsanomahen, welche durch 
Gelenkentzündung hervorgerufen werden oder nach derselben Zurückbleiben, bilden 
häufig ein dankbares Feld für die orthopädische Tätigkeit. Die Grundprinzipien der¬ 
selben sind folgende: Bei durch infektiöse, besonders tuberkulöse Gelenkerkrankungen 
hervorgerufene Kontrakturen ist jede gewaltsame Redressierung zu vermeiden. 
Wenn irgend möglich, ist das erkrankte Gelenk durch einen Gipsverband oder 
Schienenhülsenapparat schon vor dem Eintreten der Kontraktur in derjenigen 
Stellung zu fixieren, die dem Patienten später die wenigste Unbequemlichkeit 
bereitet. Bei der Behandlung anderer Gelenkerkrankungen, bei den verschiedenen 
rheumatischen Artritiden werden sowohl zur Beseitigung der fehlerhaften Stellung 
wie zur Herstellung der Bewegungsfähigkeit die bekannten orthopädischen Ma߬ 
nahmen (Massage, Gymnastik in Verbindung mit Wärmeapplikation) angewendet r 
unterstützt durch einen im Gelenk beweglichen Schienenhülsenapparat. Dieser 
gestattet die Anwendung federnder Schlägerklingen oder elastischer Züge zur 
Streckung resp. zur Beugung des kontrakten Gelenkes. Stellt sich heraus, daß 
die Schrumpfung der Muskeln eine zu hochgradige ist, so müssen dieselben vor¬ 
her durchschnitten werden. 

Scoliosis. 

Neben den bekannten orthopädischen Maßnahmen zur Behandlung der Skoliose 
suchen wir eine Umkrümmung dieser Wirbelsäulenverbiegung jetzt energischer zu 
erreichen. Wullstein hat einen Extensionsrahmen konstruiert, welcher uns 
gestattet, durch Extension und Detorsion in der Brust- und auch in der Lenden¬ 
wirbelsäule die skoliotische Wirbelsäule aufzudrehen. Haben sich die Patienten 
durch wiederholte Sitzungen so an das Redressement gewöhnt, daß sie ohne 
Beschwerden etwa eine halbe Stunde im Apparat aushalten können, so wird nun 
ein exakt anliegender Gipsverband angelegt, der bei hochsitzenden Skoliosen auch 


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Fortschritte in der orthopädischen Behandlung. 23 

den Kopf mitfaßt. Der Verband wird nach 3—4 Wochen abgenommen, um in 
erneuter Extension wieder angelegt zu werden. Wenn auch bei endgültiger 
Abnahme des Gipskorsetts ein Teil der durch die Streckung erreichten Verlängerung 
wieder verloren geht, so kann durch Massage und Gymnastik eine solche Stärkung 
der Rückenmuskeln erreicht werden, daß eine gewisse Verlängerung des Rumpfes 
bestehen bleibt. Am besten empfiehlt sich diese Behandlung bei rachitischen 
Skoliosen jüngerer Kinder. Eine besondere Form der Skoliose will ich hier noch 
erwähnen: die neuromuskuläre Skoliose, die sogenannte Scoliosis ischiatica, welche 
dadurch ausgezeichnet ist, daß sich im Anschluß an eine Ischias eine Schiefstellung 
des Stammes mit skoliotischer Verbiegung der Wirbelsäule einstellt. Wer 
Gelegenheit gehabt hat, diese immerhin nicht allzu häufige Erkrankung mehrmals 
gesehen zu haben, wird an der pathognomischen Haltung solcher Patienten 
gegebenen Falles die Diagnose leicht stellen können. Meistens Ist der Stamm 
auf die nicht von der Ischias ergriffene Seite geneigt. Neben der Skoliose wird 
häufig eine Neigung des Stammes im Becken nach vorn und eine geringe Kyphose 
in der Lendenwirbelsäule beobachtet. Fast immer fühlt man auf der kranken 
Seite die Processi transversi unter der Muskulatur durch; den Nicoladonischen 
Prnckschmerzpunkt zwischen dem letzten Lendenwirbel und der Spina post. sup. 
ossis ilei habe ich bei allen meinen Fällen beobachten können. Charakteristisch 
ist die Tatsache, daß die skoliotische Krümmung bei der Suspension des Körpers 
ausgleicht; auch ich möchte die Erkrankung für eine Reflexkontraktur halten. 
Die Prognose ist günstig, allerdings gehören 1—2 Jahre durchschnittlich zur 
Wiederherstellung. Die Behandlung hat in Massage, Gymnastik, prolongierten 
Bildern zu bestehen. In einigen Fällen habe ich von einem Hessingkorsett 
Nutzen gesehen. Kocher empfiehlt in hartnäckigen Fällen die blutige Dehnung 
des Ischiaticus. 

Zum Schluß will ich die Methode der Sehnenüberpflanzung erwähnen, die 
zuerst von Nicoladoni empfohlen, von Drobnitz und Vulpins vervollkommnet 
wurde. Das Prinzip derselben ist bekanntlich, die Sehnen gesunder Muskeln mit 
denen gelähmter zu vernähen. Oppenheim rät, dieses Verfahren nur auf die 
aus einem abgelaufenen Leiden resultierenden Lähmungszustände zu beschränken, 
dagegen in denjenigen Fällen, bei denen eine fortschreitende Erkrankung vorliegt, 
von dieser Operation abzustehen. In jüngster Zeit hat man auch begonnen, die 
Xervenplastik der Orthopädie dienstbar zu machen. Auf das Nähere hier ein¬ 
zugehen, würde zu weit führen. 


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Th. Gluck 


III. 

Nervenplastik (Greffe nerveuse) 
nebst Bemerkungen Aber Übungstherapie bei Lähmungen. 

Von 

Th. Gluck, Berlin. 1 ) 

Als ein Beitrag zur Erziehung des Menschengeschlechtes wird die Biographie 
der blinden und taubstummen Helen Keller bezeichnet. Die literarischen 
Leistungen dieser merkwürdigsten Schriftstellerin der Neuzeit sind ein beredtes 
Zeugnis für die humanen Bestrebungen unserer Zeit. Hier berühren sich die Ziele 
der Medizin mit psychologischen und sozialen Problemen auf das Innigste. Ist 
es doch eine längst bekannte Tatsache, daß bei den Sinnesorganen die Anpassung 
an pathologische Veränderungen und Defekte in Aktion tritt. 

Sonst gesunde erblindete Individuen hören und fühlen außerordentlich fein, 
jemand der taub und blind ist, kann durch Ausbildung anderer Sinne, z. B. 
Geruch- und Tastsinn bis zu einer gewissen Grenze den Verlust der Funktion 
zweier Sinnesorgane decken und in diesem Ersätze und einem vertieften Seelen¬ 
leben eine vikariierende Funktion für das verloren Gegangene finden. 

Die Lehrerin, welche einer dreier Sinne beraubten Schülerin die Handschrift¬ 
sprache und abstrakte Begriffe auf so ingeniöse und ausdauernde Weise beibrachte, 
verdient ungeteilte Anerkennung von seiten jedes Menschenfreundes und neidlose 
Bewunderung von seiten des ärztlichen Standes. Ist doch damit aufs neue be¬ 
wiesen, wie man schlummernde Fähigkeiten erwecken, üben und bahnen kann bis 
zu erstaunlichen Leistungen. 

Dr. Vincenz Heller schreibt folgendes darüber: Schon beim Erlernen des 
aufrechten Ganges tastet gleichsam die Assoziation bis sie diejenigen Innervations¬ 
empfindungen gefunden (koordiniert) hat, welche mit bestimmten gleichzeitig er¬ 
lebten Gleichgewichts und Muskelempfindungen verbunden sind. Diese bleiben 
teils als passive, teils als aktive Erfahrungen erhalten. Eine glänzende Ver¬ 
wertung jener Innervationsempfindungen allein zeigt (nach Meynert) die deutsche 
Methode, Taubstumme sprechen zu lehren. Da sie nicht hören, können sie nur 
die Bewegungen der Sprachorgane als Lehrmaterial wahrnehmen und lernen die 
eigenen Innervationsempfindungen der Mundbewegungen so gruppieren, daß sie die 
ungehörte Lautsprache wiedergeben, indem sie ihr Vorbild nachalimen (den 


') Nach einer Demonstration auf der Naturforscher-Versammlung zu Breslau (am 21. Scp- 
tember 1904). 


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Nervenplastik (Greffo nervouse). 25 

sprechenden Lehrer). Eine gewiß noch höhere Leistung ist die erwähnte Hand¬ 
schriftsprache, welche erblindete Taubstumme sich anzueignen vermögen. 

ln zwei Vorträgen, in der anthropologischen und medizinischen Gesellschaft 
..Über Anpassung beim Menschen und die Bedeutung der funktionellen Anpassung 
ihr die Orthopädie“ habe ich im Jahre 1893 dieses Thema ausführlicher behandelt. 
Hofrat Nothnagel hat aus seinen Ausführungen gefolgert, daß die Entwicklung 
der Anpassungen bei pathologischen Verhältnissen keinerlei Zweckmäßigkeits- 
rtcksicht eine Rolle spielt. Daß sie de facto so oft für den Organismus von Vor¬ 
teil sind, ist das notwendige Ergebnis der Art ihrer Entstehung. Eine diesen 
Gedankengang stützende Illustration gibt z. B., wie ich 1894 in einer Arbeit: 
..Über Thymus persistens bei Struma hyperplastica“ t hervorgehoben habe die 
Steigerung dyspnoischer Zustände bei Struma durch reflektorische Inanspruch¬ 
nahme der akzessorischen Respirationsmuskeln. Die Hauptsache bleibt aber, daß 
die Anpassung so oft von Vorteil für den Organismus ist. Es ist eine ernstester 
ärztlicher Überlegung werte Aufgabe für jeden Einzelfall neben der sonstigen 
Behandlung mit dem gewöhnlichen Heilapparate die möglichen Kombinationen 
und Bedingungen für eine funktionelle Anpassung wissenschaftlich zu konstruieren, 
um solche unglücklichen Geschöpfe selbständiger, unabhängiger und dem Kampfe 
um das Dasein gegenüber gewappneter herzustellen, ihrem Leben Wert und Inhalt 
zu erwerben. Die Beispiele von funktioneller Anpassung bei kongenitalem Mangel 
oder erworbenen Defekten von Sinnesorganen oder Gliedmaßen dürfen keine 
medizinischen Kuriosa bleiben. Wir haben vielmehr die Pflicht, durch Erziehung 
und Übung vikariierender Funktionen durch orthopädische Inanspruchnahme, 
ebenso wie durch operative Maßnahmen von Fall zu Fall je nach Lage desselben 
ein möglichst vollkommenes Resultat zu erzwingen. 

Vertretung, Anpassung, vikariierende Funktion'und Inanspruchnahme, Hyper¬ 
plasie, Rekreation und Regeneration, das sind die natürlichen Schutzwaffen des 
Organismus, um die Ausfallserscheinungen nach eintretenden Organ- oder Gewebs¬ 
defekten auszugleichen und zu kompensieren. Die genaue Erforschung und das 
Studium der hierbei sich abspielenden anatomischen und physiologischen Prozesse 
hat schon zum Teil dazu geführt, in der Beobachtung der natürlichen Vorgänge 
den allgemeinen Lehrplan zu finden für unser Handeln und Heilen; und der bis¬ 
herigen Insuffizienz gegenüber bedeuten unsere Methoden in der Tat einen elementaren 
Fortschritt. 

Ich hatte damals, 1893, Fälle von Amputationen und Exartikulationen sowie 
Kinderlähmungen vorgestellt, bei denen durch Übungstherapie die Anpassung ganz 
besonders vorteilhaft sich entwickelt hatte. 

Es handelte sich in meinen Fällen unter anderem um vikariierende Funktion 
bei paarigen Gliedmaßen nach Verlust des einen in einer Vollkommenheit, welche 
unser Interesse erwecken müßte; ähnlich wie bei dem armlos geborenen Künstler 
l'nthan eine derartige Geschicklichkeit sich entwickelte, daß dessen Füße fast 
eine Ähnlichkeit in der Aktion annahmen mit den Extremitäten, deren Rechte sie 
sich angemaßt hatten, so daß der Beobachter sie für wirkliche Hände nimmt, falls 
die Illusion nach einiger Zeit eine vollkommene wird. Ob Raffael auch armlos 
ein großer Maler geworden wäre, ist nicht zu entscheiden, daß wir aber armlos 
geborenen Individuen den Gebrauch ihrer Beine außer zum Gehen auch zum 


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Th. (iluck 


Greifen, Halten und den sonst Händen obliegenden Fertigkeiten umgestalten und 
anpassen müssen, ist zweifellos. 

Wieviel man überhaupt von der Vertretung selbst bei Hirnzentren hält, 
beweist unter anderem auch das Paradoxon, daß, wenn es gelänge, im Tier¬ 
experiment die durchtrennten Stümpfe der Nervi optici und acustici übers Kreuz 
zu vereinigen und zu nervöser Verschmelzung zu bringen, das Tier mit der Hör¬ 
sphäre sehen und mit der Sehsphäre hören würde. Dieses Paradoxon führt mich 
auf dasjenige Gebiet funktioneller Anpassung, welches Nicoladoni und ich und 
andere nach uns der modernen Orthopädie in den letzten Jahrzehnten durch 
operative Maßnahmen erschlossen haben, die Muskel-, Sehnen- und Nervenplastik. 
Unter den Begriff der Sehnen- und Muskeltransplantation fallen alle diejenigen 
Eingriffe, welche bezwecken, einem Gelenke normale Stellung und Beweglichkeit 
wieder zu verschaffen und Störungen des Gleichgewichtes auszugleichen, indem 
man einen gelähmten, funktionsuntüchtigen oder defekten Muskel durch einen 
normalen oder wenigstens funktionsfähigen ersetzt, id est die Funktion des einen 
defekten, auf den anderen intakten überträgt. 

Da auch hierbei die Innervation neue Bahnen einschlagen muß, so müssen 
sich Nervenzentra des Rückenmarks nach gelungener Muskel- und Sehnenplastik 
den veränderten neuen Reizen anpassen; so können nach gelungener Plastik 
Beugemuskeln strecken, ein Abduktor kann adduzieren usw. und durch Variation 
der gestellten Aufgaben können stets neue funktionelle Endeffekte erzielt 
werden. 

Bilden wir durch operative Spaltung aus einem Muskelindividuum zwei neue, 
zwingen wir durch Transplantation einen Muskel zu einer seiner bisherigen Tätigkeit 
antagonistischen Funktion, oder teilen wir seine Funktion, dann müssen Nerven- 
zellgruppen, welche normalerweise zusammen funktionieren, umlernen und getrennt 
funktionieren. Vielleicht gewinnt auch das Zentrum durch neue veränderte und 
erhöhte Inanspruchnahme nicht nur funktionell an Willensenergie, sondern auch 
anatomisch an Volumen und numerisch an Zahl seiner Rindenzellen. 

Bei Innervationsüberschuß vermag durch Sehnentransplantation ein günstiger 
Einfluß ebenfalls erzielt zu werden; wie dies von Eulenburg durch die erzielten 
Erfolge bei spastischen Lähmungen und Kontrakturen beschrieben worden ist. 

Wenn sich nun auch Muskeln an neue Anforderungen anzupassen imstande 
sind, so ist diese Anpassungsfähigkeit doch keine unbegrenzte, und es ist daher 
um so erfreulicher, daß neben der Sehnentransplantation in der Nervenplastik 
eine neue Operation erwachsen ist, welche vom Zentrum her Wiederbelebung 
geschädigter Teile in vollkommenster Weise zu erzielen befähigt erscheint. 

Diese Operation besteht darin, daß man einen gelähmten Nerven auf das 
zentrale Ende eines benachbarten pfropft und an dasselbe mit Suturen fixiert. 

Liegt in der Nachbarschaft des neu zu bahnenden gelähmten Nerven ein 
weniger wichtiger motorischer Nerv, auf dessen Innervationsbezirk man zur Not 
verzichten könnte, so ist ein zentraler, möglichst großer Lappen von diesem oder 
der Stamm selbst direkt oder indirekt (d. h. mit Hülfe von Catgutseidenbündeln 
oder dekalzinierten Knochenröhren oder einem lebendigen Arterienrohr) zur 
Implantation in den gelähmten zu verwenden (zentrale Implantation). Sind jedoch 
nur gleich wichtige Nervenstämme in erreichbarer Nähe, so ist die Einpfropfung 


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Nervenplastik (Greffe nervcuse). 27 

ii*-s peripheren Stückes des gelähmten Nerven in eine Längswunde des intakten, 
innervatiousspendenden Nerven direkt oder indirekt einzunähen (periphere Im¬ 
plantation). Nach diesem Grundprinzip ist auch beim Nervus facialis zu verfahren 
und dementsprechend können z. B. der Nervus accessorius-hypoglossus und glosso- 
phanngeus als Kraftspender Verwertung finden. 

Es können also die Nervenimplantationen zentral oder peripher zur Aus- 
tülirung gelangen d. h. wir können zum Exempel den peripheren Stumpf des 
gelähmten medianus oder ulnaris oder facialis implantieren in den zeitlich an¬ 
gefrischten. intakten Nervus ulnaris oder medianus, accessorius resp. hypoglossus. 
Zweitens aber können wir zentrale Implantationen ausführen, indem wir das quer 
abgetrennte zentrale Ende, oder einen Nervenlappen des intakten Nerven auf¬ 
pfropfen auf den peripheren Stumpf der gelähmten Nervenstümpfe. 

Sik und Sänger haben 1893 in einem Falle von traumatischer Radialislähmung 
das periphere Ende des Nervus radialis mittels einer Nervenbrücke auf den 
NVrvus medianus mit dessen zentralem Ende in Verbindung gebracht und vernäht; 
der funktionelle Erfolg war ein glänzender. Andere Autoren haben ähnliche 
Operationen mit Erfolg ausgeführt. Die chirurgische Behandlung der Fazialis- 
paralyse durch greffe nerveuse bei diesem Gehirnnerven ist eine neue Domäne 
der Neurochirurgie. Die Durchschneidung oder Verletzung des Nervus facialis 
im Canalis fallopiae oder an seinem Austritte am Foramen stylomastoideum ver¬ 
anlaß eine Lähmung der entsprechenden Gesichtshälfte, welche von den bekannten, 
höchst lästigen, funktionellen und kosmetischen Störungen gefolgt ist. Diese 
Lähmung durch Nervenplastik zu beseitigen ist eine skeptisch aufgenommene 
Aufgabe, welche jedoch vollkommen als gelöst zu betrachten ist. 

Im Tierexperiment ist bei der greffe nerveuse folgendes verlangt worden: 
Klinische Wiederherstellung der Funktionen im Gebiete des gelähmten Nerven; 
Wiederkehr der elektrischen Erregbarkeit der gelähmten Muskeln und Nerven; 
anatomische Verbindung der miteinander vernähten Nerven an der Stelle der 
Nervenplastik. 

Den histologischen Beweis dafür, daß im Bereiche der Neuroplastik Nerven¬ 
fasern aus dem Stamme des intakten Nerven in das periphere Ende des verletzten 
Nerven kontinuierlich übergehen, haben viele Versuche ergeben.. 

Supplierung von Bewegungen durch Anpassung erhaltener Muskeln können 
bei der Beurteilung des Resultates an den Extremitäten Irrtümer veranlassen. 
Ineselben Forderungen natürlich mit Ausnahme des histologischen Befundes ver¬ 
langen wir von einem klinischen Falle von Nervenplastik, falls wir ihn als 
gelungen ansehen sollen. 

Für die Greffe am Nervus facialis sind besonders der Nervus accessorius 
nnd Hypoglossus von den Autoren gewählt worden. 

Kann man den Kraft- oder vielmehr Funktionspendenden Nervenstamm quer 
Durchschneiden, dann sind Mitbew r egungen nach der Heilung wohl eher auszu- 
v'hließen. Auch anderen Autoren erschienen die Mitbewegungen störend, wählt 
man den Hypoglossus, so gibt es andere Mitbewegungen von seiten der Zunge 
nnd Hemiatrophia lingualis. Die Neurologen waren bei den ersten Vorstellungen 
"Parierter Fälle der Ansicht, daß der kosmetische Zweck in keiner Weise erreicht, 
nnd die Patienten durch den Eingriff eher geschädigt als gebessert w'aren. 


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Th. Gluck 


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Von Belang sei bei Wahl des Hypoglossus als Kraftspender vielleicht auch, 
daß sowohl die Zentren als auch die Kerne von Facialis und Hypoglossus ein¬ 
ander näher liegen, als Facialis und Accessorius, vielleicht auch, daß einzelne 
Fasern des Facialis (orbicularis oris) vom Hypoglossus stammen. 

Ferner wurde erörtert, daß der springende Punkt für die Entscheidung 
über die Zweckmäßigkeit solcher Operationen darin zu finden sei, ob ein Hirn¬ 
nervenzentrum die Funktionen eines anderen übernehmen, ob es sozusagen 
umlernen könne. Die niederen Rückenmarksnerven sind dazu imstande, wie die 
Operationen bei Kinderlähmungen etc. zeigen, die höheren sollten dazu außer 
Stande sein. 

Körte, der an Leichenversuchen sich überzeugte, daß die Zugänglichkeit 
des Nervus hypoglossus und des Accessorius die gleiche ist, hält dennoch den 
Accessorius für den zur Greife geeigneteren und zwar wegen der Ausfalls¬ 
erscheinungen, die bei der Anastomose kaum zu venneiden sind. 

Die nach der Vereinigung des Nervus facialis mit dem Accessorius auftretenden 
Mitbewegungen können, wie bereits erwähnt., durch zentrale Implantation vielleicht 
vermieden werden. Das Rindenzentrum für die Zungenbewegungen liegt nun in 
der Tat dem kortikalen Fazialiszentrum näher, als dasjenige des Accessorius, 
darum sollen die zum Fazialiszentrum gelangenden Impulse leichter auf das 
Hypoglossuszentrum übertragen werden. 

Diesen Umstand halte ich für irrelevant. Ich glaube nicht, daß Verbindungen 
zwischen den beiden verschiedenen Gangliengebieten die Fazialisfunktion ermög¬ 
lichen, sondern die Rindenstelle, welche bisher das Accessoriusgebiet oder das 
Hypoglossusgebiet innervierte, muß jetzt durch Anpassung und Gewöhnung um¬ 
lernen und den regenerierten Innervationsbezirk des gelähmten Facialis mit¬ 
versorgen; das lehrt unter anderem auch die genaue Beobachtung des klinischen 
Verlaufes heilender Fälle. 

Der physiologische und histologische Vorgang bei Wiederherstellung der 
greife nerveuse ist durchaus analog demjenigen bei direkter und indirekter Naht 
der Stümpfe eines durchtrennten Nervenstammes. Sollte es dabei auch keine prima 
intentio nervorum geben, so ermöglicht die Nervennaht allein die Rückkehr der 
Funktion, indem sie einen rascheren Ablauf der einzelnen Phasen des Regenerations¬ 
prozesses gestattet. Verbindet man den zentralen Vagusstamm mit dem peripheren 
Sympaticus. dann erhält man in gelungenen Fällen durch Reizung des Vagus — 
Sympaticuswirkung. 

Hat man im Experiment durch Nervennaht den Sympaticusstamm mit dem Nervus 
laryngeus inferior vereinigt, so veranlaßt Sympaticusreizung oberhalb der Narbe 
Stimmbandbewegungen. Schon vor 25 Jahren in meinem Vortrage „Über Neuro- 
plastik auf dem Wege der Transplantation“ habe ich Letiävants greife nerveuse 
zu den legitimen Operationen am Nervensystem gerechnet, ebenso die Hypothese 
gestützt, daß z. B. das periphere Ende des durchschnittenen Nervus lingualis 
einer spontanen Regeneration fähig sei, da das periphere Ende eines durch¬ 
schnittenen Nerven durch Anastomosen unterhalb der Resektionsstelle mit dem 
Zentrum in Verbindung stehen könne und somit regenerationsfähig sein könne. 

Tritt nun zufällig auf der Höhe dieses spontanen Regenerationsprozesses 
eine spontane oder operative Vereinigung der 'getrennten Nervenstiimpfe ein, dann 


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Nervenplastik (Greife nerveuse). 


29 


sehen wir das anscheinend paradoxe Phänomen einer rasch verlaufenden Funktions- 
retablierang der gelähmten Teile nach sekundärer Nervennaht eintreten. 

Nur so sind die einwandfreien Fälle klinischer Beobachtung von Langen- 
beek-Nicaise und meine eigenen zu erklären; wo noch 3—5 Monate bis 1 Jahr 
nach der Verletzung z. B. am Nervus radialis am Oberarm die sekundäre Nerven¬ 
naht angelegt wurde und nach 10 Tagen, in anderen Fällen anfangs der dritten 
oder vierten Woche nach der Operation schon zweifellose Funktionen im gelähmten 
Innenationsbezirk eingetreten waren. 

Auch in Bardenheuers erstem Falle von Nervenpfropfung am Facialis 
stellte sich schon 5 Tage nach der Anastomose die Funktion wieder her (Fall 
von grefTe nerveuse hypoglosso-facialis). Eine ähnlich schnelle Wiederkehr der 
lange Zeit unterbrochenen Nervenleitung durch die Angliederung des neuen 
Stromgebietes hat Weyr beobachtet. Bardenheuer berichtet noch über drei 
Fälle von Ulnarisdurchschneidung, wo die Funktion nach Nervennaht einmal nach 
« Tagen und zweimal nach 4 Wochen wieder eintrat. Wächst jedoch bei völlig 
degeneriertem, peripherem Ende in den zahlreichen Fällen, wo die totale Degene¬ 
ration der peripheren, vom Zentrum ausgeschalteten Nervenbahn bis zum Zeitpunkte 
der Operation persistiert, also in einer großen Zahl der beobachteten Fälle der 
neue Nerv bei Nervennaht und Plastik oder bei greffe nerveuse von dem intakten, 
zentralen, zur Naht oder Pfropfung benutzten Nervenende aus durch Sprossung 
(par drageonnement central), dann dauert diese Bildung eines neuen Nerven in 
der Bahn des gelähmten je nach der Höhe der anatomischen Läsion 3 bis 6 bis 
12 Monate und darüber. 

Der gelähmte Nerv bleibt aber noch nach vielen Jahren, in meinem Falle 
n Jahre lang regenerationsfähig und zentralen Impulsen zugänglich. In einem 
Falle von Hakenbruch ist noch 8 Jahre nach bestehender Lähmung eine Wieder¬ 
belebung der Muskulatur durch Einpfropfung funktionsfähiger Nervensubstanz 
gelnngen; eine so große Regenerationskraft wohnt den Muskeln inne. 

Als Lötievant im Jahre 1873 sein „Traite des sections nerveuses“ schrieb, 
war gerade ein Jahrhundert verflossen, seit Fontana seine Arbeit über Regene¬ 
ration der Nerven veröffentlicht hatte. Auch als der Tetanus als Infektionskrank¬ 
heit bakterieller Natur erkannt war und kein Mensch mehr daran dachte, daß 
eine Nervennaht Tetanus traumaticus veranlassen könne, standen die Neurologen 
skeptisch der Operation gegenüber. Langenbeck und Baudens, Nelaton und 
Laugier haben schon 1836, 1854, 1864 und 1866 je eine Nervennaht am Menschen 
ausgeführt; auch habe ich in Langenbecks Auftrag meine Preisarbeit „Experi¬ 
mentelles zur Frage der Nervennaht und Nervenregeneration“ bereits im Jahre 
1*76 verfaßt, um klinisch zweifelhafte Fragen zu klären. 

Von da ab habe ich durch eigene Methoden die Nervennaht und die von 
mir ersonnene Nervenplastik mit Transplantation und Fremdkörperimplantation in 
die chirurgische Praxis einzubürgem mich bestrebt. 

Noch im Jahre 1882 sprach sich Herr Geheimrat Westphal mir gegenüber 
höchst skeptisch über das funktionelle Resultat der Nervennaht aus. 

Spontane Nervenregenerationen, welche durch Verschmelzung der durcli- 
trennten Stümpfe eine Retablierung besonders motorischer Verluste zuwege bringen, 
kommen wohl vor, gehören aber zu großen Seltenheiten und zufälligen Ereignissen; 


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30 Th. (iluck 


es entstehen dann meist nur, wie z. B. bei den Amputationsneuromen, Stumpf¬ 
neuralgien oder Retablierung verloren gegangener Sensibilität in bestimmten Be¬ 
zirken, welche auch eine andere Erklärung zulassen. Durchtrennte Nervenenden 
stehen sich im allgemeinen ziemlich reizlos gegenüber. Die Naht und Plastik 
geben einen formativen Regenerationsreiz ab, wie wir auch in der Lage sind, durch 
Armieren des zentralen Nervenstumpfes und Festnähen desselben in ein dekalzi- 
niertes Knochenrohr oder Arterienrohr — (meine Fremdkörpertherapie am peri¬ 
pheren Nervensystem) — den Nervenstamm beliebig abzuzweigen von seiner physio¬ 
logischen Bahn und ihn sogar in rückläufigem Sinne auswachsen zu lassen bis zu 
einer Länge von 12 cm und darüber, wie Vanlair bewiesen hat. Wir züchten 
eben, um mich eines recht modernen medizinischen* Ausdruckes zu bedienen. 
Nervengewebe in einer von uns gewünschten Richtung und vorgeschriebenen 
Bahn künstlich. 

Die Nervennaht, meine Methode der Suture des nerfs ä distance, der Tubulärnaht 
und Nervenplastik, die greife nerveuse und die autoplastie nerveuse ä lambeaux 
geben nun einmal auf mechanische Weise einen formativen Reiz ab, zweitens aber 
zwingen sie die jungen, sich vielleicht auch spontan unvollkommen regenerieren¬ 
den Fasern, sich in einer bestimmten und für die spätere Funktion zweckmäßigen 
Weise zu entwickeln; sie geben eine Führungslinie, einen Konduktor ab, welcher 
eine Züchtung spezifischen Nervengewebes in der physiologischen Bahn des durch 
ein Trauma gelähmten Nervenbezirkes ermöglicht. Dabei kann diese Züchtung 
von Nervengewebe nicht nur vom zentralen Stumpfe, sondern auch von der peri¬ 
pheren Bahn, wenn auch vielleicht von letzterer in geringerer Intensität, bis zur 
nervösen Verschmelzung der durchtrennten Stümpfe ausgehen, womit dann die 
Retablierung der Funktion angebahnt ist. Wer hätte wohl jemals konstatiert, daß 
nach einer queren Durchschneidung und Defektbildung im Verlaufe, z. B. des 
Nervus radialis, durch spontane Regeneration, die Funktion sich wieder retabliert 
hätte? Dagegen habe ich schon im Jahre 1888 mit Professor Martin Bernhardt 
Fälle, in denen ich die Nervenplastik am Nervus radialis nach meiner Methode aus¬ 
geführt hatte, tadellos mit völliger Retablierung der Funktionen geheilt, demon¬ 
striert und veröffentlicht. Jeder periphere Nervenbezirk, dessen Nervenstamm 
durch ein Trauma gelähmt ist, vermag der zentralen Innervation wieder zugänglich 
gemacht zu werden auf operativem Wege, wenn die nervöse Verschmelzung des 
peripheren Endes gelingt, nicht nur mit seinem zugehörigen zentralen Nerven¬ 
stumpf und somit seinem zugehörigen Zentrum, sondern auch wenn er nervös 
verschmilzt mit einem erreichbaren Nervenstamm, der von irgend einem anderen 
Rinden- oder Rückenmarksgebiete abhängt, und mit demselben in leitende Ver¬ 
bindung gebracht wird. Das ist eine These, die wir heutzutage formulieren 
können und auf welche die Neurochirurgie stolz sein kann. 

Th. Kölliker hat in der deutschen Chirurgie die Chirurgie des peripheren 
Nervensystems historisch und kritisch in eingehendster Weise bearbeitet, und 
Albrecht Bethe hat in seiner Allgemeinen Anatomie und Physiologie des Nerven¬ 
systems (1903) ein Werk von grundlegendster Bedeutung geschaffen. 

Uns interessiert hier unter anderem eine experimentell begründete These, 
daß bei jungen Tieren ein peripherer, vom Zentrum dauernd abgetrennter Nerv 
sich aus sich selber heraus, also autogen regenerieren kann. Der Nerv besitzt 


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Xcrvenplastik (Greffo nerveusc). 31 

in sich die Fähigkeit, sich nach stattgehabter Degeneration vollständig und bis 
zur Leitungsiahigkeit zu regenerieren. Das ist eine Bestätigung der alten Lehre 
vi»n Philippeaux und Vulpian. Bei alten Tieren tritt diese Regeneration eben¬ 
falls ein, aber dieselbe bleibt auf halbem Wege stehen. Es fehlt dem Nerv die 
Kraft, aus sich selbst heraus die Regeneration zu vollenden. 

Tritt aber, das möchte ich hinzufügen, in diesem Stadium der Regeneration 
eine Xervennaht in Aktion, dann würde diese sekundäre Vereinigung mit dem 
Zentrum die Wiederherstellung der Leitung und Funktion in kurzer Zeit zuwege 
bringen. 

Wo es sich um funktionstüchtige Verbindung eines zentralen und eines längeren, 
}>eripheren Stumpfes handelt, da sind nicht die zentralen Fasern in die peripheren 
hineingewachsen, sondern sie haben sich mit ihnen verbunden und sie zur Voll¬ 
endung der bereits angefangenen Regeneration angeregt. 

Es entsprechen diese jetzt als Tatsachen anzusehenden Versuchsergebnisse 
den unter anderen auch von mir auf Grund experimenteller und klinischer Beobach¬ 
tungen geschilderten Vorgängen von rascher Retablierung der Funktion nach 
seknndärer Nervennaht. 

Was den Remak-Ranvierschen Nervenregenerationstypus durch Auswachsen 
des zentralen Nervenstumpfes anbelangt, so glaube ich nicht, daß, wie Betlie 
will, die Nevrotisation im Vanlairschen Sinne anfechtbar oder gar unhaltbar 
ist. Ich bin derjenige gewesen, der seinerzeit die Überzeugung hatte, daß ein 
großer Xervendefekt nur überbrückt werden könne durch echte Transplantation 
lebenden Nervengewebes derselben Tiergattung, eine Vorstellung, welche Betlie 
heute vertritt. 

Meine Versuche mit Einschaltung von Fremdkörpern zwischen Nervendefekte 
habe ich dementsprechend zunächst angestellt in der Idee, daß sich auf diese 
Weise niemals ein Nerv in toto regenerieren könne. 

Die Versuchsergebnisse haben aber gerade das Gegenteil erwiesen, nämlich 
daß sich auch in der Bahn der Fremdkörper neue Nerven entwickeln können 
unter gleichzeitiger Regeneration des ganzen peripheren Nervenabschnittes und 
Wiedereintritt der Leitung und Funktion. Die Vanlairsche Nevrotisation halte 
ich fiir einen der möglichen Regenerationstypen und obendrein für denjenigen, 
welcher der embryonalen Entwicklung am nächsten kommt. 

Ob man der zentralen Theorie der Nervenregeneration durch Auswachsen 
eines Nerven vom zentralen Stumpfe, Sprossung bis zur äußersten Peripherie des 
Innervationsbezirkes huldigt oder der peripheren Theorie, nach der auch das 
periphere Ende spontan sich regeneriert, um dann nervös mit den jungen Fasern 
des zentralen Stumpfes zu verschmelzen, ist ebenso wichtig als die Vorstellungen 
über die einzelnen Phasen des De- und Regenerationsprozesses peripherer Nerven. 
Während aber der Kampf der Histologen und Physiologen um diese Theorien hin 
und her wogte, haben die Praktiker die Neurochirurgie geschaffen. 

Hans Spitzy schreibt in seiner interessanten Arbeit „Die Bedeutung der 
Xcrvenplastik für die Orthopädie“: Theoretisch wird nichts Neues begehrt, aber 
es war insbesondere eine in dem letzten Jahrzehnt bestehende Lehre, welche in 
ihrer ursprünglich stark dogmatischen Fassung, besonders im anatomisch-physio- 
h-rischen Hinblick, den neurochirurgischen Fortschritt gehemmt hat: ich meine 


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32 Th. Gluck 


die Lehre von den Neuronen. Diese Lehre, welche der Neuropathologie so viel 
Aufklärung brachte, hat den chirurgischen Fortschritt aufgehalten. 

Jedes Neuron stellte eine anatomische, trophische wie funktionelle Einheit 
vor, von der Ganglienzelle im Vorderhirn, der aus ihr entspringenden Nerven¬ 
faser, die einzellig fortzieht durch die ganze Bahn des peripheren, motorischen 
Nerven, bis zu ihrem Endapparat in der Muskelfibrille. Bei Durchtrennung einer 
solchen Bahn muß das große Nerv-Muskelgebiet unweigerlich degenerieren. 

Bald ging man von der extremen Auffassung der Neuronenlehre ab, gab 
Verzweigungen und Spaltungen der Nervenfasern zu, räumte auch auf Grundlage 
einwandfreier Versuche ein, daß den Nerven die Fähigkeit zur Bildung von Kolla- 
teralen, von Anastomosenbildung und Sprossung innewohnt, wodurch eine spontane 
greffe nerveuse nach Durchtrennungen zustande kommen kann. Diese Auffassung 
entspricht meinen vor vielen Jahren schon mitgeteilten Beobachtungen und per¬ 
sönlichen Vorstellungen. Wie ich vorhin oben auseinandergesetzt, vermögen wir 
im Experiment einen zentralen Nervenstumpf zu zwingen, sogar im rückläufigen 
Sinne bis zu einer Länge von 12 cm und darüber in einer mit dem Nerven 
vernähten dekalzinierten Knochenröhre oder in sonst einem der von mir zu diesem 
Zwecke angegebenen Fremdkörper. 

Die Regenerationsfähigkeit des peripheren Nervensystems ist überhaupt eine 
ungemein große; ein Nervenstamm, der durchschnitten und bei dem durch 
Naht oder Plastik die Kontinuität wiederhergestellt ist, kann sich vollkommen ad 
integrum restituieren; wiederholt man dieselbe Operation, d. h. Resektion und 
Plastik, so kann eine erneute Regeneration des Nerven in tadelloser Weise er¬ 
folgen. Für Wiederbelebung eines degenerierten, peripheren, von seinem Zentrum 
abgetrennten Nervenstammes genügt die zentrale Implantation eines auch kleinen, 
zentralen Nervenstämmchens (wie Vanlair gezeigt hat); es ist daher möglich, im 
Experiment z. B. die abgetrennten, peripheren Stumpfe des Plexus brachialis etwa 
zu vernähen mit dem Nervus accessorius derselben Seite. Es ist theoretisch durch¬ 
aus zuzugeben, daß auf diese Weise nach Regeneration der einzelnen Nervenäste 
neue Willensimpulse die Funktion im Plexus brachialis der betroffenen Seite reta- 
blieren. Wir ersehen daraus, ein wie weites Gebiet experimentellen Strebens und 
in welcher Variation sich bei den Fragen der Nervenplastik noch uns erschließt. 

Wie der Wein am Spalier, so rankt sich der neugebildete Nerv an dem 
Fremdkörper empor, eventuell unter Substitution seines Gewebes. Spalten wir 
nun dieses zentrale Ende eines durchschnittenen Nervenstammes, dann können 
wir jeden einzelnen lambeau nerveux für plastische Zwecke in verschiedener 
Richtung benutzen. Es kann mithin jeder zentrale Nervenstumpf direkt oder indirekt, 
mittelbar oder unmittelbar mit einem beliebigen peripheren Nervengebiet in Zu¬ 
sammenhang gebracht werden und nach Bildung neuen Nervengewebes auf dieser 
Strecke und nervöser Verschmelzung mit dem angeschlossenen Nerven irgend¬ 
welche funktionellen Effekte erzielen. Diese Versuche habe ich vielfach variiert 
und so unter anderem im Tierexperiment versucht, die peripheren Stümpfe des 
Plexus brachialis der einen Seite nach seiner Durchtrennung mit dem intakten 
Plexus brachialis der anderen Seite in nervöse und leitende Verbindung zu 
bringen. Es würde damit den motorischen Armzentren der einen Seite die Auf¬ 
gabe zufallen, beide bilateral symmetrischen Nervengebiete zu innervieren. 


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Nervenplastik (Greffe nerveuse). 


33 


Auf dem Chirurgen-Kongreß des Jahres 1880 führte ich aus, das geheimnis¬ 
volle Telegraphennetz der Seele, unser Nervensystem, könne nach krankhafter 
Ausschaltung eines Gebietes direkt oder indirekt wieder angeschlossen werden; 
der Anschluß könne von einer Zentrale auf die andere durch Naht, Greife oder 
Plastik übertragen werden. Es würde zu weit führen, wenn man darauf hin- 
weisen wollte, daß z. B. bei den Folgezuständen traumatischer Kückenmarks¬ 
affektionen oder Tuberkulose neben der Laminustonie unter Umständen die 
Operation der Nervenanastomose bestehende Lähmungen auszugleichen oder zu 
bessern vermöchte dadurch, daß der intakte, oberhalb der Affektion liegende 
Mednllarabschnitt mit den peripheren Nervenästen, welche von der affizierten 
Region bisher abhingen, in organische, später leitende Verbindung gesetzt würde. 
Das mögen neuchirurgische Utopien sein, von denen vielleicht nicht viel realisiert 
werden kann, jedenfalls aber mehr, als man sich bisher hätte träumen lassen; 
natürlich sind auch hier Grenzen gesetzt, welche der Technik und Regenerations¬ 
fähigkeit ein klinisches Ziel setzen werden. Vor drei Monaten habe ich bei einer 
Kinderlähmung den Nervus ischiadicus am Foramen ischiadicum aufgesucht und 
denselben mit dem Nervus ileoinguinalis und zwölften Interkostalnerven durch 
greife nerveuse verbunden; das Resultat ist abzuwarten. 

Was den von mir operierten Fall selbst anbelangt, so handelt es sich um 
einen 12 jährigen Knaben, bei dem nach einer ausgedehnten Resektion der Felsen- 
beinpyramide eine totale Fazialisparalyse fünf Jahre lang in vollster Schwere 
persistierte. 

Im Mai 1901 führte ich die greffe nerveuse zwischen zentralem Stumpfe des 
dnrchschnittenen Kopfnickerastes des Nervus accessorius und peripherem Stumpfe 
des gelähmten Nervus facialis ans, um letzteren zentralen Impulsen wieder zugänglich 
in machen. Der Erfolg beweist, daß vom Accessorius ein neuer Nerv im ganzen 
Fazialisgebiet ausgewachsen ist. Elektrisch reagiert der Nervus facialis von der 
Gegend des oberen Halsdreiecks, dort, wo die Nervenplastik stattgefunden hatte. 
Patient ist in der Lage, wenn er die Schulter und den Arm erhebt, mit der 
Accessoriusfunktion gleichzeitig eine maximale Fazialisfunktion zu leisten. 

In der sich anschließenden Diskussion wurde zugegeben, daß die elektrische 
Erregbarkeit für beide Stromesarten auch von der Schnittstelle aus quantitativ 
herabgesetzt, aber vorhanden sei. 

Komme ich noch einmal auf die Technik der greffe nerveuse accessorio 
facialis zurück, so ist der Verlauf der Operation derartig, daß man zunächst den 
Nervus facialis am Foramen stylomostoideum oder in der Gegend der Glandula 
parotis aufsucht. Um den Accessorius zu finden, wird dicht hinter dem Ansätze 
des Ohrläppchens ein Schnitt am vorderen Rande des Kopfhickers herabgeführt, die 
Vena jugularis externa unterbunden und der Nervus accessorius dort, wo er in den 
Mnskelbauch eintritt, freigelegt. Auf die Variationen in der Art und Weise, wie 
die beiden Nerven miteinander verbunden werden, einzugehen, brauchen wir nicht 
noch einmal. 

Tritt die Heilung der Wunde prima intentione ein, so kann die elektrische 
and Übungs- sowie Mechanotherapie sehr bald einsetzen. Ist der Facialis total 
degeneriert, und entwickelt sich bei alten Lähmungen, wie wahrscheinlich in meinem 
Falle, ein neuer Nerv vom zentralen Accessoriusende im ganzen Innervationsgebiet 

Zettathr. fc dUL. n. phyelk. Therapie Bd. IX- Haft 1. 3 


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34 


Th. Gluck 


. des Nervus facialis nach dem Rauvier-Vanlairschen Typus, dann dauert ent¬ 
sprechend den chronometrischen Messungen in Tierversuchen die Regeneration 
etwa ein Jahr bis zum Eintritt elektrischer Reaktionen. Etwa gleichzeitig, 
manchmal schon vorher werden Willensimpulse geleitet. Da aber der Accessorius 
zunächst seine Willensimpulse nicht getrennt in zwei Innervationsbezirke zu senden 
vermag, so ist es richtig, den Patienten aufzufordern, den Arm zu erheben und 
gleichzeitig zu versuchen, den Facialis in Tätigkeit zu setzen. Gelingt das all¬ 
mählich immer besser bis zu völliger maximaler, aktiver Leistung im Fazialisgebiet 
unter gleichzeitiger elektrischer Nachbehandlung, dann haben wir die zweite 
Behandlungsetappe eintreten zu lassen. 

Der Patient erhielt ein Gewicht in die Hand, die Schulter wurde belastet, 
und nun wurde systematisch geübt, die Willensimpulse zu trennen, der Accessorius 
sollte umlernen und den Facialis isoliert innervieren bis zu maximalen Kon¬ 
traktionen. Erst als das gelungen war, trat die dritte Phase der Behandlung 
• ein: die Übung der koordinierten Mimik beider Gesichtshälften, deren intakte 
vom Fazialiszentrum, deren operierte vom Accessoriuszentrum nunmehr abhing. 
Die Mimik der kranken Gesichtshälfte konnte immer noch nicht leicht und 
spielend, sondern nur durch energische, krampfhafte Willensimpulse geleistet 
werden. 

Um diese Funktion zu regulieren, mußte Patient vor dem Spiegel üben 
mit der Aufforderung, bei dem Versuch 'einer koordinierten mimischen Bewegung 
zunächst, während die intakte Seite leicht in Tätigkeit gesetzt wurde, die kranke 
kräftig zu kontrahieren, weil sonst immer noch ein Überwiegen der gesunden 
Seite und der intakten Muskeln eine Entstellung bedingte. Die Übungen, die Kraft 
abzuwägen, mit der er die beiden Gesichtshälften in Tätigkeit setzen mußte, um 
eine koordinierte und zugleich ästhetische Wirkung zu erzielen, sind dem Patienten 
am schwersten geworden. In dieser exakten Funktion liegt aber erst das kos¬ 
metische Endresultat der Operation. 

Als ich am 11. Mai 1903, zwei Jahre nach der Nervenplastik und sieben Jahre 
nach der Erkrankung, in der Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten zu 
Berlin den Patienten demonstrierte, da lautete das neurologische Urteil (M. Bern¬ 
hardt, Remak, Rothmann): „Das erzielte Resultat ist, vom physiopathologischen 
Standpunkte aus betrachtet, sehr interessant, ob von praktischem Nutzen, ist eine 
andere Frage, um so mehr, als der Kopfnicker und die akromiale Cucullaris- 
partion gelähmt sind (partielle Accessorius-Lähmung).“ Die von Brasch geäußerte 
Hoffnung, daß durch Übung noch etwas zu erreichen sei, hat sich glänzend bestätigt, 
denn ich konnte V/ 4 Jahre • später, im September 1904, auf der Naturforscher- 
Versammlung zu Breslau den Knaben vorstellen, nach dem oben skizzierten Nach¬ 
behandlungsschema nicht nur klinisch, sondern auch ästhetisch und kosmetisch 
geheilt. 

Was Dr. H. V. von Heller in seinen Grundformen der Mimik des Antlitzes 
gesagt hat (1902), das gilt auch für unsere Fälle von Nervenplastik. Jeder 
Muskel erstarkt durch Übung, gewinnt an Querschnitt, wird also unter Umständen 
plastischer; ferner jede Nervenerregung, die einmal in einer bestimmten Richtung 
verlaufen ist, wirkt (wie Exner sagt) bahnend auf alle gleichartig folgenden; 
drittens die Gesichtshaut wie die übrige Leibeshaut falten sich dauernd mit der 


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Norvenplastik (Greffe nerveuse). 


35 


abnehmenden Elastizität dort, wo sie oft gefaltet werden. So ergibt sich eine 
Fixierung der Mimik, und diese schreibt ihre Geschichte des Temperamentes, des 
Lebens mehr oder weniger deutlich in das Antlitz. 

Auf der Bahnung, der Herabsetzung der Widerstände beruht das Prinzip 
der oiganischen Gewöhnung (Macht der Gewohnheit); daraus ergibt sich durch 
Summierung die Übung. Treten zur Übung die Ergebnisse der Assoziation, die 
Apperzeption, das Vorbild hinzu, so ergeben sich die Schulung und Vollkommenheit 
auch im Wiedererlangen verloren gegangener Funktionen auf neuen Innervations¬ 
bahnen. 

Vor allem mußte aber dem Patienten das koordinierte Zusammenwirken des 
akzessorischen Accessoriuszentrums der operierten und des kongenitalen Fazialis- 
zentrums der intakten Seite durch Schulung so beigebracht werden, daß es wieder 
beim Lachen und den soustigen assoziierten mimischen Bewegungen automatisch 
vor sich gehen konnte. Jede einmal in einer bestimmten Richtung abgelaufene 
Nervenerregung macht eben die Bahn für die folgenden, gleichgerichteten Nerven¬ 
erregungen frei. 

Einschleilung neuer Bahnen im Sinne von Goldscheider, Übertragung der 
Funktion von degenerierten Zentren auf intakte, Bahnung und Übung neuer 
Willensimpulse auf Umwegen zu durch Muskel- und Sehnenplastik neu hinzu¬ 
gekommenen Muskelbezirken, Umlernen eines Zentrums und Trennung der Willens- 
impulse oft sogar im antagonistischen Sinne, getrennte Arbeit von Muskelgruppen 
oder 3Iuskelteilen, welche sonst gemeinsam zu wirken bestimmt waren, systematische 
Übung neuer Bewegungsvorstellungen des betreffenden Individuums durch Ubungs- 
therapie und Elektrizität, das sind die theoretischen Vorstellungen,' welche die 
Grundlagen der nach gelungener Operation einzuschlagenden Methoden bilden, um 
gute funktionelle Endeffekte zu erzielen. 

In der Arbeit von Bailance und Stewart: „On the operative treatment of 
chronic facial palsy of peripheral origin“ (1903), ferner bei Gratien Breavoine: 
„Traitement chirurgical de la paralysie faciale“ (1901), in der Arbeit von Spitzy: 
„Die Bedeutung der Nervenplastik für die Orthopädie“ (April 1904), endlich 
in Martin Bernhardts „Erkrankungen der peripheren Nerven“ (1903), in 
Bardenheuers „Festschrift zur Eröffnung der Kölner Akademie“ (Oktober 1904), 
ebenso in einer experimentellen Arbeit von Manasse (v. Langenbecks Archiv 
1903), in einer Arbeit von Barrazo Tiarella, ferner in einer Publikation von 
Faure und Furet aus depi Jahre 1898 und von Geheimrat Körte aus dem 
Jahre 1903 ist so ziemlich das theoretische, experimentelle und klinische Material 
bis auf den heutigen Tag zusammengestellt seit Letievants „Traite des sections 
nerveuses“ aus dem Jahre 1873. Der Vorschlag der Nervenpfropfung bei Fazialis¬ 
lähmungen wurde in einzelnen Arbeiten Faure und Furet resp. Kennedy zu¬ 
geschrieben, welche die ersten Fälle operiert haben. Die erste Publikation erschien 
von Faure und Furet im Juni 1898; der Vorschlag soll im März von Furet 
seinem Kollegen Faure gemacht worden sein. 

Ich darf jedoch die Priorität der Idee: bei Lähmungen von Hirnnerven die 
Greffe nerveuse in Vorschlag gebracht zu haben, für mich beanspruchen. 

In einem am 9. Januar 1896 in der Hufeland sehen Gesellschaft gehaltenen 
und in der „Berliner Klinischen Wochenschrift“ publizierten Vortrage über: 

3 * 


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„ScMdeltrepanaiion and Otoc.hirargu;“ sage ich auf Seite 21* hei Oelegejiheit 
(3er Erörterung ausgedehnter Resektipnett der FedsenbejiipyranJitie jo|g*jid*?.: 

„Die hi gewissen Fällen üm:ortn<ddikhe Lähimmg des Nerv«« fumh> erscheint 




zunächst irreparabel; > Mau könnte jedoch das periphere Fazialisende, am Forame» 
styhuuastiiidehiH • aufsjesucht,. direkt «der • indirekt ;ün einen intakten .Nerveustaimn 
■eümäJjea und somii. den Facialis öäeh Regfn^ännn der Nm-entaseni zentralen 
jhufriilseii thifSiijen, F;.« würde dies te geiimgeuen Veisrnt»!» • Yd» Ynjpiati und 











Kervferiptaatik (Greife ••i^r.veuso), 


■:\ ( ' v /•ürigipalfrom 

.UtoEKSlTY OF MICHfGAN 


gjäpzed b; 














38 


Th. Gluck, Nervenplastik (Greife nervcuso). 

Philippeaux, die Hypoglossus und Lingualisstümpfe übers Kreuz zu vernähen, auf 
die Praxis übertragen oder eine Greife nerveuse im Sinne Leti6vants bedeuten. 
Ein solcher natürlicher Heilerfolg ist von Oskar Israel an einem Präparat von 
alter Schußverletzung der Achselhöhle demonstriert worden, wo die zerschossenen 
Nervenstümpfe übers Kreuz untereinander verwachsen waren und durch diesen 
Heilungsvorgang eine genügende Retablierung der Funktionen des Armes zustande 
kam. Auch von Langenbeck und Hüter haben einen analogen Fall beobachtet.“ 

In einer Arbeit: „Über Probleme und Ziele der plastischen Chirurgie“ (April 
1898) komme ich auf meinen Vorschlag wiederum zurück. 

Gewiß haben weder Kennedy noch Faure und Furet von meinem Vor¬ 
schläge Kenntnis gehabt, so daß sie wohl, unabhängig von mir, auf denselben Ge¬ 
danken gekommen sind und denselben auch gleich praktisch ausgeführt haben, 
wie auch Manasse die Frage durch einwandfreie Experimente ihrer Lösung zu¬ 
geführt hat. 

Im Mai 1901 habe ich übrigens auch als erster in Deutschland eine Greife 
nerveuse accessorio facialis mit vollem Erfolge ausgeführt, so daß mein Fall nicht 
als der 16. Fall in der Reihe der 25 überhaupt bisher operierten Fälle bezeichnet 
werden darf, wie dies in der Arbeit von Bardenheuer geschehen ist, da er de 
facto der dritte ist. 

Bei Berichten über die in erster Linie von Nicol ad oni und mir inaugurierte, 
später von vielen anderen verbreitete Verwendung der Sehnen-, Muskel- und Nerven¬ 
plastik wurde von verschiedenen Autoren geäußert, es sei erstaunlich, daß so nahe¬ 
liegende Gedanken nicht schon früher aufgenommen und ausgebaut wurden. Die 
Wissenschaft geht eben oft an dem Naheliegenden achtlos vorüber, und doch sind 
die scheinbar einfachsten Gedanken oft genug die fruchtbringendsten. 

Es erscheint durchaus begreiflich, daß, wie auf anderen wissenschaftlichen 
Gebieten der Techniker, in unserer Spezialwissenschaft der Kliniker aus theoretischen 
Vorstellungen allgemeinere Konsequenzen zieht, weil er eben, mitten im Leben 
sich bewegend, stets von dem Wunsche beseelt ist, Leiden zu lindern und Gefahren 
abzuwenden gelegentlich durch neue Interpretation an sich bekannter wissen¬ 
schaftlicher Fakta, welche sonst noch vielleicht lange Zeit unerörtert und jeden¬ 
falls unverwertet geblieben wären, Tatsachen von nicht zu unterschätzender prak¬ 
tischer Bedeutung .fördert. 


Figurenerklärung. 

Die Figuren 9—14 illustrieren die Fortschritte, welche der Patient, bei dem fünf Jahre 
nach persistierender totaler Fazialislähmung die Greife accessorio facialis ausgeführt ist, nach 
Bildung des neuen Nerven im ganzen Fazialisgebiet in der Bahnung desselben gemacht hat. 

Nachdem etwa ein Jahr nach der Operation die elektrische Erregbarkeit von der Stelle 
der Nervenpfropfung am Halse für beide Stromesarten konstatiert war, wurde die aktive 
Kontraktionsfähigkeit geprüft. Energische Willensimpulse hatten nur dann Erfolg, wenn Acces- 
»orius- und Fazialisgebiet bis zu maximaler Leistung gemeinsam in Aktion gesetzt wurden. Erst 
allmählich gelang es, durch Belastung der Schulter und ein Gewicht in der Hand der operierten 
Seite die störenden Mitbewegungen nach und nach völlig auszuschalten. Jetzt kann Patient 
das Fazialisgebiet vom Accessorius aus isoliert innervieren und in Tätigkeit setzen. 

Das Krankhafte und Gewaltsame der Willensimpulse ist ihm durch Schulung abgewöhnt, 
ebenso wie ihm dio Koordination der mimischen Gesichtsbewegungen durch Übungen vor dem 
Spiegel einexerziert worden ist. Der Accessorius hat also umgelcrnt Er vermag jetzt sein 


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E. Gottstein, Erfahrungen mit einer neuen Quecksilberlampe: „Uviollampe“-Schott. 39 


kongenitales Accessorinsgebiet und sein accessorisches Fazialisgebiet getrennt zu innervieren* 
Er \ermag außerdem mit dem Fazialiskem der gesunden Seite koordinierte mimische Gesichts* 
bewegungen auszulösen. Diese assoziierte Mimik zu hoher Vollkommenheit auszubilden, ist 
die letzte Aufgabe der Nervenpfropfung am Nervus facialis, und damit ist erst das Resultat 
ein wirklich einwandfreies. 

Die Figuren 15—17 illustrieren die Technik der Nervenpfropfung bei Greife nerveuse 
acceeeorio faciale. 

Figur 18: Schema einer zentralen Implantation bei Nervenplastik. 


IV. 

Ober therapeutische Erfahrungen 
mit einer neuen Quecksilberlampe: „Uviollampe“- Schott. 

Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Jena. 

Von 

Dr. E. Gottstein, 

VolontärasBistent der Poliklinik. 

In dem schon seit längerer Zeit bekannten Quecksilberlicht besitzen wir eine 
Lichtquelle, die außerordentlich reich an ultravioletten Strahlen ist. Dieses Queck¬ 
silberlicht wird bekanntlich dadurch erzeugt, daß Quecksilberdämpfe im Vakuum 
durch den elektrischen Strom zum Glühen gebracht werden. Eine Ausnützung 
dieses ultravioletten Lichtes zu therapeutischen Zwecken war bisher nicht mög¬ 
lich. da die zur Zeit bekannten Glassorten diese Strahlen fast völlig absorbieren. 
Die von Heräus jüngst konstruierte Quarzglaslampe läßt zwar diese Strahlen 
durch, hat aber mit den Finsenschen Apparaten den Nachteil eines sehr hohen 
Preises gemein und kann außerdem kaum in großen Formen konstruiert werden. 
Es ist nunmehr im Jenenser Glaswerk Schott und Genossen ') gelungen, eine 
Glasart herzustellen, welche ultraviolettes Licht in recht weitem Umfange: bis zu 
einer Wellenlänge von 257 pn durchläßt, 2 ) und aus diesem Glase eine Quecksilber- 
lampe zu konstruieren, die wegen ihres niedrigen Preises und ihrer einfachen Hand¬ 
habung zur Anwendung für therapeutische Zwecke in weiterem Umfange geeignet 
ist Eine solche Lampe ist vor drei Monaten der medizinischen Poliklinik zu 
therapeutischen Versuchen überwiesen und während dieser Zeit zur Behandlung 
geeignet erscheinender Fälle von Hautaffektionen angewandt worden. Es sind 
natürlich bei der Kürze der Zeit nur wenige abgeschlossene Beobachtungen, über 
die ich verfüge, immerhin scheinen sie mir einer vorläufigen Mitteilung wert zu 
fein, da sie zu weitergehenden Versuchen auffordern und Veranlassung geben 

•) Vgl. „Über eine neue Ultraviolettqnecksilberlampe „Uviollampe von Dr. Schott“. Mit¬ 
teilungen aus dem Glaswerk Schott und Genossen. Jena. 

*) Die von Heräus hergestellte Quarzglaslampe sendet Strahlen bis zur Wellenlänge 230 ftp 
us. hat also ein etwas größeres Spektrum. 


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E. Goftatein 


sollen, daß auch roff andekm •,-.Seiten di©'. Lampe za therape«tischeu Zwecken an¬ 
gewendet wird. 

Was zunächst die Lampfr selbst anlangt, so besteht dieselbe aus einem <55 cru 
langen Glasrohr von 21—22 mm Durchmesser,. das au beiden Enden, au welchen 

sich 'die Pole befinden, etwas 
p- becherförmig aufgeblasen ist. 

• JJIe laifiipe ist. laitleer und 

emhllt eine bestimmteMenge 
etwa iWl g Quecksilböf, Sie ist 
km/ an eine® «m xeiueu Mittelpunkt 

Balken unfgehängt. 


drehbaren 

dev au einem einfachen Holz- 
gestell verstellbar befestigt ist 
Bio nebenstehende, Figur gibt 
eia deuüichesötlcl davon. PUrch 
Heben find Senken des einen 
Endes fließt mm das Queck¬ 
silber ton einem Pol zum 
anderen und bildet so einen 
verhlnderiden Faden, bei dessen 
Treisnung danfi das Lieht auf- 
leuchteWg; Babei macht steh 
dluili . Özongerncb bemerk- 
.fawv Es ist. nur zu beachten, 
daß der negativ« Pol nach er¬ 
folgter Zündung sofort vou 
Quecksilber bedeckt wird find 
bleibt, da hier dte stärkste 
Wlrmeentwhiklaog stttthndet 
und der Pol absehmekeb Würde, 
während so eiue gewisse Ab- 
kühlüug durch AhMtdng der 
Wärme nach £«ße» sf&ttündet 
In dem Gestell ist oberhalb 
des beweglichen Armes des¬ 
wegen eine sehr zweckmäßige 
^«^^ttd-.jgiiischaJtevorricirtui^. 
augehtachil die sowieso ein zu 
stackes Heben des negativen. 
Polendes und damit ein Ab-- 
ströiiiei) des Quecksilbers ver 
bindert. Der positiv«' Pol bedarf. :.feiw-? fepklieii ePhutzes nicht. Es muß daher 
stets 'der negafive Po! etwas fiofvr Riehen. Empfehlenswert ist auch die Benutzung 
eines unverwechselbaren Btd«^lö5nt.aktd<», «iß de« uegaHVerr Pol an der Lampe 
dauernd an dmshlben Ende .zu haben. l)ie • tidn BerechtmugeD 

von Schott sehr 'ökonomisch.*:' 






Erfahrungen mit einer neuen Quecksilberlampe: „UviolIampe“-Schott. 


41 


Das äußerst intensive Licht ist fast frei von roten Strahlen, sein Spektrum 
beginnt erst bei gelb und reicht weit ins Ultraviolett. Es ist fernerhin ein sehr 
kaltes Licht, so daß man die ungeschützte Haut bis auf 1 cm und noch näher 
heranbringen kann, ohne selbst nach längerer Zeit eine Verbrennung befürchten 
za müssen, weswegen auch alle komplizierten Kühlvorrichtungen bei der Lampe 
fortfallen. 

Zu Beleuchtungszwecken ist das Licht nicht geeignet, da es Menschen ein geradezu 
leiehenhaftes Aussehen verleiht, indem die geröteten Hautstellen und die Lippen dunkel¬ 
blau. ähnlich wie Totenflecken aussehen. Dagegen ist das Licht für photographische 
Zwecke: zum Photographieren und Plattenkopieren sehr brauchbar. Eine wesentliche Ab¬ 
nahme der Lichtwirkung tritt auch nach sehr langer Brenndauer — 1000—1500 Stunden 
— nicht ein- 

Die beträchtliche Länge der Lampe ermöglicht eine Bestrahlung ausgedehn¬ 
terer Hautflächen, z. B. eines Hautstreifens längs eines ganzen Unterarmes, und 
das belichtete Feld kann noch durch Nebeneinanderschalten zweier Lampen ver¬ 
breitert werden. Zu schützen sind bei Anwendung der Lampe lediglich die 
Angen, am besten durch einfache, blaue Schutzbrillen, da das Licht sonst eine 
zwar heftige, aber völlig harmlose Konjunktivitis von einigen Tagen Dauer her- 
vorrult. Die normale Haut reagiert auf die Bestrahlung je nach der Länge der 
Einwirkung mit Rötung und Schwellung, die nach einigen Tagen wieder zurück¬ 
gehen. Es bleibt nur eine leichte Pigmentierung der belichteten Stelle zurück. 
Gesell würsbildung, Nekrosen oder sonstige schädliche Folgen wurden auch nach 
längerer Zeit niemals beobachtet. 

Der Grad der Reaktion ist individuell verschieden. Manche Personen 
reagierten mit lebhafteren Entzündungserscheinungen der belichteten Hautstellen; 
zngleich genügten hier die wenigen seitlich die Augen treffenden Strahlen an 
solchen Stellen, an denen die Brille schlecht saß, die erwähnte Entzündung der 
Konjunktiva hervorzurufen. Aber auch bei diesen Persouen gingen die Er¬ 
scheinungen bald zurück. 

Was nun die therapeutische Verwendung der Lampe anlangt, so konnten zu¬ 
nächst gute Erfolge bei chronischen, rezidivierenden, trockenen Ekzemen wahr¬ 
genommen werden. Wir haben hier in Jena ziemlich viel Gelegenheit, Gewerbe¬ 
ekzeme zu sehen, besonders bei den Arbeitern der Zeißschen Werkstätten und des 
Glaswerkes. Zwei der hier zu besprechenden Fälle gehören in diese Kategorie. 
Im ersten handelt es sich um einen Schlosser, der seit etwa zwei Jahren chronisch 
ekzematöse Veränderungen an der Haut des Handrückens beider Hände aufweist. 
Die Haut war leicht gerötet, etwas verdickt und mit kleinen, trockenen Schüppchen 
and Verhornungen bedeckt. Trotz langdauernder Salbenbehandlung persistierten 
diese Stellen oder rezidivierten nach ihrer Abheilung sehr bald wieder. Es wurde 
nun hier die Lichtbehandlung eingeleitet und die erkrankten Partien fünfmal die 
Woche in einer Entfernung von 2 cm 30 Minuten lang bestrahlt. Eine typische 
Lichtreaktion war in diesem Falle nicht wahrzunehmen, da ja sowieso bedeutende 
Hyperämie bestand. Nach etwa 40 Sitzungen ließ sich eine deutliche Besserung 
wahrnehmen. Die am meisten bestrahlten Stellen waren kaum noch verdickt und 
nicht mehr hyperämisch. Jetzt, nach zwei Monate dauernder Behandlung, ist 
die Aflektion an beiden Händen bis auf geringe Reste geheilt, namentlich ist 
kein Rezidiv wieder eingetreten. 


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42 


E. Gottstein 


Ebenso günstig, nur bedeutend rascher verlief ein zweiter Fall, in dem es 
sich gleichfalls um ein chronisches Ekzem bei einem Tischler der Zeißschen Werk¬ 
stätten handelte. Der Patient hatte ein Jahr vorher schon einmal ein Ekzem auf 
dem einen Handrücken gehabt. Diesmal trat die Affektion an symmetrischen Stellen 
des Rückens beider Hände in Form eines etwa talergroßen, mit kleinen, trockenen 
Schüppchen bedeckten Herdes auf, der sich etwas derber anfühlte, als die um¬ 
gebende gesunde Haut. Hier trat bereits nach zwanzigmaliger Bestrahlung von 
je 20 Minuten Dauer — Entfernung der Lampe von der Hand etwa 2 cm — 
Heilung ein. Ein Rezidiv ist bis jetzt, nach fünf Wochen, nicht eingetreten. 
Dagegen ist an dem Mittelfinger der einen Hand ein etwa markstückgroßer Be¬ 
zirk seit kurzem ekzematös erkrankt, nachdem Patient, wie er angibt, viel mit 
Benzin hantiert hat. Die vorher mit Licht behandelten Stellen sind dagegen ge¬ 
sund geblieben. 

Der dritte Fall war ebenfalls ein schon lange bestehendes, chronisches, trockenes 
Ekzem an verschiedenen Stellen des Rückens beider Hände und der Finger bei 
einem Kaufmannslehrling. Hier wurden einige Stellen der Behandlung mit Licht 
unterworfen, andere unbehandelt gelassen. Nach zwanzigmaliger Bestrahlung 
konnte man deutlich sehen, daß sich die so behandelten Stellen gebessert hatten, 
während die anderen in dem alten Zustand sich befanden. Es ist im Verlauf der 
weiteren Behandlung an einigen Stellen völlige Heilung, an den erst später in Be¬ 
handlung genommenen deutliche Besserung eingetreten. 

Eine Anwendung der Lampe bei akuten Ekzemen dürfte dagegen wohl zu 
einer Erhöhung des Reizzustandes führen. Ich habe wenigstens einige Male selbst 
bei vorsichtigsten Versuchen deutliche Verschlimmerungen gesehen. Es ist zn 
raten, auch in den chronischen Fällen die ersten Sitzungen nur kurz andauern zu 
lassen und sich in jedem Fall von der individuell verschiedenen Reizbarkeit zn 
überzeugen. 

Wie man sich die heilende Wirkung des Lichtes bei den hier angeführten 
Fällen vorzustellen hat, ist natürlich kaum zu sagen. Es bleibt zweifelhaft, ob 
nur die eintretende arterielle Hyperämie in Betracht kommt, oder ob nicht das 
Licht direkt auf die Zelltätigkeit wirkt. 

Schott berichtet, daß kleine Insekten: Fliegen, Schmetterlinge etc. nach 
ganz kurzer Zeit, etwa einer Minute, absterben, wenn man sie nahe an die Lampe 
heranbringt. Also scheint doch, als ob ein direkter Einfluß auf die Zellen aus¬ 
geübt würde. 

Es war natürlich auch sehr wichtig, zu erproben, wie das Licht bei 
parasitären Hautkrankheiten wirkt. Ich verfüge hier zunächst nur über eine ab¬ 
geschlossene Beobachtung: einen Fall von Herpes tonsurans. Der betreffende 
Patient kam mit einem etwa zweimarkstückgroßen roten Herd am Hals in die 
Poliklinik. Die erkrankte Stelle wurde an zwei aufeinanderfolgenden Tagen je 
30 Minuten lang belichtet. Es trat dann starke Reaktion ein, nach deren Ab¬ 
klingen sich feststellen ließ, daß kein weiteres Fortschreiten des Prozesses mehr 
stattfand. Es haben sich jetzt, nach vier Wochen, keinerlei neue Effloreszenzen 
an der vorher erkrankten Partie oder in deren Umgebung gezeigt; die Haut sieht, 
abgesehen von der noch bestehenden Rötung, normal aus, so daß also die Affektion 
als geheilt zu betrachten ist. 


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Referate aber Bacher und Aufsätze. 


43 


Weitere Fälle, die fiir eine Lichtbehandlung geeignet scheinen, in erster 
Linie Lupus, dann auch, nach Kromayers Vorschlag, Alopecia areata stehen zur 
Zeit in Behandlung der medizinischen Klinik wie der Poliklinik. 

Es läßt sich nach den bisherigen Erfahrungen aber soviel sagen, daß die 
neue Uviollampe bei hartnäckigen, chronischen, trockenen Ekzemen, wie bei 
parasitären Affektionen entschieden in weiterem Umfange zu erproben ist. 

Hervorheben möchte ich, daß die Behandlung außerordentlich einfach ist. 
Es bedarf der Patient während der Dauer der Bestrahlung kaum einer Be¬ 
aufsichtigung. Es können auch mehrere Patienten gleichzeitig bestrahlt werden. 
Diese Vorzüge lassen die für manche Krankheiten große Zahl der Sitzungen weit 
eher durchführbar und bequemer erscheinen, als es bisher mit Finsenapparaten 
und dem Eisenlicht möglich war. 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

P. N. Schierbeck, Die chemische Zu- 
Muemsetzang des Kotes bei verschie¬ 
dener Nahrung. Archiv für Hygiene. Bd. 51. 
Heft 1. 

Pransnitz hat seinerzeit festgestellt, daß 
das Stickstoffprozent der Trockensubstanz des 
Kotes beim Genuß einer gewöhnlichen, ge¬ 
mischten Kost sowohl, als auch bei einer ein¬ 
seitigen, jedoch einigermaßen gut verdaulichen 
Nahrung bei demselben Individuum eine ziem¬ 
lich konstante Größe ist und auch bei ver¬ 
schiedenen Individuen nur geringe Schwan¬ 
kungen (um 6 °/ u ) aufweist. Ferner konnte er 
dämm, daß bei Verabreichung einer besonders 
lek-ht verdaulichen Kost das Stickstoffprozent 
hi* zu ca. 8 ü / 0 steigt, während es andererseits 
bei einer größere Kotbildung verursachenden 
Nahrung (Vegetabilien, grobes Roggenbrot) bis 
auf 5 oder 4 °/ 0 sinkt. Ähnlich verhielten sich 
Asche und Ätherextrakt des Kotes. Zur Er¬ 
klärung dieser merkwürdigen Erscheinungen 
nahm Prausnitz an, daß die Hauptmasse des 
Kotes von den Darmsekreten abstammt, die 
issermaßen einen „Normalkot“ von kon- 
Kantem Stickstoffgehalt liefern. Ab- und Zu¬ 
nahme des von der Nahrung stammenden Kot- 
teiks müssen dann natürlich ein Steigen resp. 
Sinken des Kotstickstoffgehaltes herbeifuhren. 

Zur weiteren Aufhellung dieser inter¬ 
essanten Verhältnisse hat Schierbeck eine 
jinie Reihe von Ausnutzungsvcrsuehen an¬ 


gestellt, wobei er außer Stickstoff, Asche und 
Ätherextrakt noch Alhuminstickstoff, Zellulose 
und Pentosane bestimmte. Dabei ergab sich 
zunächst eine Bestätigung der Prausnitzschen 
Angabe, wonach Total Stickstoff, Ätherextrakt 
und Asche bei gewöhnlicher gemischter Nahrung 
jedes für sich und bei demselben Individuum 
einen ziemlich konstanten Bruchteil des Trocken¬ 
kotes bilden, unabhängig von den Mengen dieser 
Stoffe in der Kost Was aber den Vergleich 
dieser Verhältnisse bei verschiedenen Individuen 
betrifft, so kommt Schierbeck im Gegensatz 
zu Prausnitz zu der Anschauung, daß es hier 
drei verschiedene Typen von Individuen gibt. 
Der eine Typus hat bei jeglicher Kostform ein 
sehr niedriges Stickstoflfyrozent des Kotes, etwa 
4°/ n , der zweite hat in demselben Falle ein 
verhältnismäßig hohes Stickstoffprozent, etwa 
6 bis 7%, und der dritte endlich bat bei der 
groben, stark kotbildenden Kost das niedrige 
Stickstoffprozent von ca. 4, bei gewöhnlichen 
Kostverhältnissen ca. 6 und unter besonderen 
Kostverhältnissen mit sehr geringer Kotbildung 
ca. 7 bis 8%. Es gibt also Individuen, bei 
denen sich, von der genossenen Kost ganz un¬ 
abhängig, stets ein Kot von durchweg sozusagen 
gleicher Zusammensetzung bildet. Dabei kann 
die Kotmenge je nach der Kost größer .oder 
geringer sein, woraus sich eine durchaus ver¬ 
schiedene Ausnutzung ergibt. Und in be¬ 
sonderen Versuchen konnte Schierbeck fest¬ 
stellen, daß nicht etwa eine Kompensation in 
der Art stattfindet, daß die Individuen mit 


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44 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


hohem Stickstoffgehalt des Kotes weniger Kot 
bilden, als die mit geringem Stickstoffgehalt. 
Vielmehr zeigten die beiden zum Vergleich 
untersuchten gesunden Personen, die je einen 
der beiden ersten Typen darstellten, gerade 
das entgegengesetzte Verhalten, so daß Schier¬ 
beck zu dem Schluß kommt, daß es sehr 
große individuelle Verschiedenheiten hinsicht¬ 
lich der Ausnutzung der Albuminstoffe im Darm 
geben kann. 

Wenn solche Verschiedenheiten bisher un¬ 
beachtet geblieben sind, so muß das nach der 
Meinung des Verfassers seinen Grund wohl 
darin haben, daß die wenigen vergleichenden 
Untersuchungen dieser Art, die in der Literatur 
vorliegen, zufälligerweise an Individuen an¬ 
gestellt wurden, die sich bezüglich des Stick- 
stoffprozentgehaltes des Kotes gleich verhielten. 
Der Prausnitzsche Gedanke, daß die gleich¬ 
mäßige Zusammensetzung des KoteB nur so zu 
erklären ist, daß der Kot unter gewöhnlichen 
Verhältnissen ausschließlich oder wesentlich aus 
Darmsekreten und nur in besonderen Fällen zu¬ 
gleich aus Nahrungsresten besteht, bedarf daher 
nach Schierbecks Ansicht einer gewissen 
Modifikation. Er vermutet vielmehr, ob man 
nicht dem Darm bezüglich aller oder einiger 
Nahrungsstoffe ein gewisses Regulationsver¬ 
mögen zuschreiben müßte, indem der Orga¬ 
nismus sich gewissermaßen bestrebte, „eine 
ganz gleichmäßig zusammengesetzte Kotmasse 
zu bilden, die von den einzelnen Stoffen um¬ 
faßte, was sowohl aus Darmsekreten als auch I 
aus Nahrungsresten bestünde“. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


H« Leo, Beitrag zur Therapie der Magen¬ 
krankheiten« Die Therapie der Gegen¬ 
wart 1904. Heft 12. 

Leo berichtet über zwei Fälle, die in 
therapeutischer Beziehung von Interesse sind. 
Bei dem ersten Patienten handelte es sich um 
periodischen Magensaftfiuß mit Hyperazidität. 
Die in Erbrechen und Magenschmerzen be¬ 
stehenden Anfälle kamen alle drei Wochen und 
dauerten 8—10 Tage. In den Zwischenzeiten 
bot der Patient, speziell auch in bezug auf die 
Magenfunktionen, keinerlei Abnormität dar. 

Nachdem die mannigfachsten Maßnahmen 
ohne Erfolg geblieben waren, erwies sich die 
Anwendung der kalten Dusche als sympto¬ 
matisch wirksam. Schmerzen und Erbrechen 
wurden für die Dauer von zwei Stunden kupiert. 
Zur Erklärung verweist Leo auf die Beobach¬ 


tung Penzoldts, wonach ein kaltes Bad eine 
Verzögerung des Auftretens der freien Salz¬ 
säure bewirkt. Bei dem zweiten Patienten 
handelte es sich um eine jedenfalls durch 
chronische Gastritis bedingte Achylie, die in 
Analogie mit den früher von Einhorn mit¬ 
geteilten Fällen unter dem Bilde der Hyper¬ 
azidität verlief (Schmerzanfälle */,—1 Stunde 
nach der Nahrungsaufnahme, durch Milch ge¬ 
lindert). Nachdem auch hier mancherlei, dar¬ 
unter auch HCl, vergeblich versucht worden 
war, zeigte sich, daß die Schmerzen schon 
Vi Stunde nach Verabreichung einer Pepsin- 
Salzsäuremixtur (zuletzt Acid. mur. Pepsin 
sicc. aa 10,0 Aq. dest. ad. 50,0) abnahmen, um 
nach einerStundevölligzu verschwinden, während 
sie sonst stets mindestens drei Stunden dauerten. 
Da auch das Probefrübstück unter Einwirkung 
der geschilderten Medikation sich besser ver¬ 
arbeitet erwies, so nimmt Leo zur Erklärung 
an, daß die Pepsinsalzsäuremischung eine Ver¬ 
kleinerung der Speisebrocken und damit eine 
geringere Reizung des Magens zur Folge hatte. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


A. Bickel, Experimentelle Untersuchungen 
über den Magensaft« Aus der experimentell 
biologischen Abteilung des kgl. pathologischen 
Instituts der Universität Berlin. Vortrag ge¬ 
halten in der Gesellschaft der Charitö -Ärzte 
am 8. Dezember 1904. Berliner klinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 3. 

Aus den Versuchen über die molekulare 
Konzentration des Magensaftes bei Milch- und 
Fleischnahrung ergibt sich, daß der bei der 
gleichen Ernährung abgesonderte Saft bei ein- 
und demselben Tier, wie auch bei verschiedenen 
Tieren an verschiedenen Tagen eine wechselnde 
Konzentration an gelösten Molekülen überhaupt, 
und besonders auch an Elektrolyten haben kann, 
und daß der bei der Milchfütterung zur Ab¬ 
scheidung kommende Saft hinsichtlich seiner 
Konzentrationsverhältnisse nicht wesentlich von 
demjenigen differiert, der bei der Fleischfütterung 
sezerniert wird. Nur ist der bei Fleischnahrung 
sezernierte Saft im allgemeinen reicher an 
Elektrolyten und zeigt überhaupt die Tendenz 
zu höheren Konzentrationsgraden, als sie dem 
bei Milchnahrung abgesonderten Saft eigen ist. — 
Die Untersuchungen über die molekulare 
Konzentration des M. S. bei der Pilokarpin¬ 
vergiftung ergaben, daß das P. in spezifischer 
Weise die sekretorische Tätigkeit erhöht. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


45 


Ans den Versuchen über die Konzentrations- 
Veränderungen, die in den kleinen Magen ein- 
geführte Mineralwässer erleiden, ergibt sich, daß 
das Wiesbadener Kochbrunnenwasser, in jedem 
Fall eine Erhöhung seiner molekularen Kon- 
Filtration beim Verweilen im kleinen Magen 
des Hundes erfährt, daß diese bei gleicher Ver- 
Sachsanordnung verschiedene Grade erreichen 
kann, daß dabei aus der bluthypotonischen 
Lösung eine bluthypertonische werden kann, 
und daß die Konzentiationserhöhung sich bald 
vornehmlich durch eine Zunahme der Elektro¬ 
lyten, bald durch eine vorwiegende Vermehrung 
der Nichtelektrolyten, bald durch eine mehr 
oder weniger gleichmäßige Zusammen Wirkung 
dieser beiden Faktoren vollzieht. Aus den 
Erfahrungen des Verfassers muß der Schluß 
gezogen werden, daß das Kochbrunnenwasser 
geeignet ist, durch seine direkte Wirkung auf 
die Schleimhaut des nüchternen Magens, ohne 
Beihilfe andere Momente die Absonderung des 
spezifischen Sekretes der Magenschleimhaut 
anxuregen. 

ln seinen weiteren Ausführungen weist 
Verfasser auf die wichtigsten Literaturangaben 
hin, die zu seinen Untersuchungen in Beziehung 
•tehen. Fritz Loeb (München). 


Selter, Ein Beitrag nun Kapitel: Nahrungs¬ 
mengen nnd Stoffwechsel des normalen 
Brmstkimdes. Archiv für Kinderheilkunde 
Bd. 37. Heft 1 und 2. 

Pfaffenhelz, Beitrag znr Kenntnis der 
Kahrnngsmengen natürlich ernährter Sftug- 
Hnge. Ibidem. 

Selter hat bei seinen beiden, von der 
Mutter selbst gestillten Kindern für die 1.—10. 
and mehrere der späteren Lebenswochen die 
pro Einzelmahlzeit getrunkenen Milchquanten 
and die täglichen Gewichtszunahmen, teilweise 
zach die Harn- und Kotentleerungen und die 
ah Wasserabgabe durch die Haut erfolgten 
Aasscheidungen mittelst fortlaufender, genauer 
Wägungen bestimmt, die auf respiratorischem 
Wege abgegebenen Mengen durch Berechnungen 
ermittelt. Es bandelt sich um zwei Säuglinge 
mit Geburtsgewichten von 3250 resp. 2870 g, 
welche bei anfangs 7, später 5—6 täglichen 
Brnstmahlzeiten recht gute Gewichtssteige¬ 
ningen erkennen lassen (bezüglich der für die 
beiden Kinder angegebenen Geburtsdaten — 
19. Juli 1899 und 1. Januar 1900 — liegt wohl 
eia Druckfehler vor). Referent muß es sich 


versagen, auf das vom Verfasser in umfang¬ 
reichen Tabellen niedergelegte, reichhaltige 
Zahlenmaterial genauer einzugehen und möchte 
nur erwähnen, daß z. B. von einem der Kinder 
am 47.-56. Lebenstage durchschnittlich 766,5 g 
Nahrung pro Tag aufgenommen und dabei 39,5 g 
täglich an Körpergewicht an gesetzt, 466 g durch 
Stuhl und Harn entleert, 281 g anderweitig 
ausgeschieden wurden, daß ferner die am 5. Tage 
post partum leicht entzündete Brust lange Zeit 
spärlicher Milch lieferte als die kleinere, gesund 
gebliebene der anderen Seite, und daß eine Ver¬ 
mehrung der Milchsekretion bei der Mutter 
regelmäßig durch reichlichen Genuß von 
Schweizerkäse statt der gleichen Menge Fleisch 
erzielt werden konnte. 

Auch der Publikation von Pfaffenholz 
liegen Beobachtungen an des Verfassers eigenen 
vier Kindern zugrunde, einem Mädchen und 
einem Knaben, welche während der ersten drei¬ 
zehn Lebenswochen ausschließlich Muttermilch 
in meist sechs Tagesmahlzeiten, von da bis zur 
20. Woche neben der Brust auch die Flasche 
erhielten, und einem Zwillingspaar, das bis zur 
sechsten Woche von der Mutter gestillt, dann 
ebenfalls mittelst Allaitement mixte aufgezogen 
wurde. Bei den beiden älteren Kindern hat 
Pfaffenholz für die gesamten zwanzig ersten 
Lehenswochen die täglichen Gewichtszunahmen 
und die einzelnen Nahrungsmengen durch regel¬ 
mäßige Wägungen ermittelt, hei den Zwillingen 
nur an einem Tage der 2., 3., 6., 12. und 16. 
Lebenswoche je eine Bestimmung des Tages¬ 
quantums vorgenommen. Eine Tabelle enthält 
auch die pro Tag und pro kg Körpergewicht 
berechneten, durchschnittlichen Nahrungs¬ 
mengen und Kalorienwerte. Beachtenswert ist, 
daß Mastitis, die zu wiederholten Malen auftrat, 
keine Indikation zum Absetzen von der er¬ 
krankten Brust hot, da die Mutter nach Über¬ 
winden der ersten sehr schmerzhaften Züge 
das Trinken als Erleichterung empfand und 
das Fehlen von Leukozyten in der Milch eine 
Schädigung der Kinder nicht befürchten ließ. 
Ferner konnte Verfasser den auch von Schloß- 
manu erhobenen Befund bestätigen, daß die 
Quanten der von derselben Mutter gelieferten 
Milch je nach den von den Kindern gestellten 
Ansprüchen wechseln; es tranken am 10.Lebens¬ 
tage das Mädchen 415 g, der Knabe 620 g, das 
Zwillingspaar 720 g an der Brust, am 20. Tage 
waren die entsprechenden Zahlen 450,730,860 g, 
am 36. Tage 650, 800, 1350 g, an dem bereits 
in die Entwöhnungszeit fallenden 105. Tage 
760, 820, 1305 g. 


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46 Referate über Bücher und Aufsätze. 


Beide Arbeiten stellen schätzenswerte Bei¬ 
träge zur Ernährungsphysiologie des Brust¬ 
kindes dar. Hirschei (Berlin). 

Sobotta, Tuberkulose und Säuglingsernäh- 
rung. Zeitschrift für Tuberkulose und Heil¬ 
stättenwesen Bd. 6. Heft 4. 

Verfasser hat bei einer Anzahl von Familien 
bezüglich der Ernährung der Kinder im ersten 
Lebenshalbjahre Ermittlungen angestellt, dabei 
aber, um ein zu Vergleichen geeignetes Zahlen¬ 
material zu gewinnen, nur solche Familien 
berücksichtigt, in denen innerhalb derselben 
Generation Gesunde und Tuberkulöse sich 
fanden und bei denen die Kinder im Säuglings¬ 
alter verschiedene Nahrung bekommen hatten. 
Das auf diese Weise zusammen gebrachte sta¬ 
tistische Material umfaßt 176 Fälle. Es zeigte 
sich, daß von 76 Brustkindern 14—18,4 % später 
tuberkulös geworden waren, von 57 Säuglingen, 
welche neben der Brust auch Kuhmilch erhalten 
hatten, 2CU 35,1 %, von 39 mit abgekochter 
Kuhmilch ernährten 16=41 %, von 4 mit Milch¬ 
surrogaten (Nestlämehl, vegetabile Milch etc.) auf¬ 
gezogenen keiner; eine Zusammenstellung der 
ersten und letzten Gruppe einerseits, der zweiten 
und dritten andrerseits ergibt 80 im ersten Le¬ 
benshalbjahre mit kuhmilchfreier Nahrung aufge¬ 
zogene Kinder mit 14—17,5% tuberkulös Ge¬ 
wordenen und 96 ganz oder teilweise mit 
Kuhmilch ernährte Säuglinge mit 36—37,5% 
später Tuberkulösen, so daß, wie Verfasser 
glaubt, die Ergebnisse seiner kleinen Statistik 
für die Behringsche Theorie von der Schwind- 
suchtsontstehung sprechen würden. 

Hirschei (Berlin). 

Brüning, Vergleichende Studien über den 
Wert der natürlichen und künstlichen 
Säuglingsernährung bei Tieren« Wiener 
klinische Rundschau 1904. Nr. 27—81. 

Verfasser stellte seine Untersuchungen an 
•drei jungen Ziegen an, deren Muttertiere am 
Kinderkrankenhaus zu Leipzig zu Ernährungs¬ 
versuchen kranker Kinder mit Ziegenmilch ge¬ 
halten wurden. Das erste Tier wurde am 
Euter gelassen, das zweite mit sterilisierter 
Ziegenmilch, das dritte mit sterilisierter Kuh¬ 
milch ernährt. Die interessanten Versuche, 
deren einzelne Resultate an zahlreichen Tabellen 
dargelegt werden und im Original nachzulesen 
sind, ergaben auch bei den Tieren die Über¬ 


legenheit der arteigenen nativen Milch. Diese 
äußerte sich an der Gewichtszunahme — das 
Eutertier verdoppelte am frühesten sein Anfangs¬ 
gewicht und hatte im Gegensatz zu den anderen 
Tieren am Tag nach der Geburt bereits eine 
Gewichtszunahme, trotzdem seine Tagesmilch¬ 
menge geringer war, als die der anderen — 
an dem Zuwachsquotient nach Feer (d. h. die 
in einer Woche pro kg Körpergewicht und 
kg Milchzufuhr erzielte Gewichtszunahme), der 
bei dom Eutertier trotz geringerer Kalorien- 
Zufuhr am größten war, und neben anderen 
Einzelheiten schließlich noch an dem äußern 
Status der Tiere, der bei dom Eutertier er¬ 
heblich kräftiger war — wie auch von einem 
tierärztlichen Sachverständigen begutachtet 
wurde — obgleich die Kontrolliere stets 
gesund gewesen waren und stets normalen 
Kot gehabt hatten. Auch nach der Entwöhnung 
vom Euter und gleichmäßiger Ernährung aller 
drei Tiere behielt das Eutertier seinen Vor¬ 
sprung bei. 

Lämmerhirt (Ober-Schöneweidc). 

Honigschmied, Praktische Erfahrungen 
über Extractum Chlnae Nanning. Die Heil¬ 
kunde 1904. November. 

Das Extractum Chinae Nanning wird stets 
nur aus guter roter Chinarinde bereitet, besitzt 
eine stets gleichmäßige Zusammensetzung und 
einen fast konstanten Alkaloidgehalt von 5%. 
Es befinden sich alle wirksamen Bestandteile 
der Chinarinde und speziell der Chinagerbsäure 
in ihm gelöst, während alle nicht wirksamen, 
den Magen unnütz beschwerenden Substanzen 
ausgeschieden sind. Weitere Vorzüge sind 
die flüssige Form, welche eine sehr genaue 
Dosierung zuläßt und die Unverderblichkeit 
des Präparates auch bei langer Aufbewahrung. 
Es ist überall da indiziert, wo Chinapräparate 
in Anwendung gezogen werden; es wird ent¬ 
weder für sich allein oder in Verbindung mit 
Pepsin oder mit Extractum Strychni gegeben. 

Freyhan (Berlin). 

B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

Fink, Erfolge einer einmaligen Kur in Karls¬ 
bad beim Gallensteinleiden. Leipzig 1904 
F. C. W. Vogel. 

Der durch seine früheren Arbeiten über 
die Cholelithiasis wohlbekannte Autor untcr- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


47 


sucht in dem vorliegenden Werkchen die Frage, 
weiches die Erfolge einer einmaligen Kur in 
Karlsbad sind. Seine Untersuchungen, die sich 
auf ein Material von 263 Fällen erstrecken, 
beweisen, daß der Erfolg einer einmaligen Kur 
tu Karlsbad ein außerordentlich günstiger ist. 
Von den am Schluß der Kur für diese Beur¬ 
teilung in Betracht kommenden 221 Kranken 
hatten V« eine normale Blase, 7 / 9 einen für die 
objektive Untersuchung normalen Leberbefund. 
In den Testierenden % war eine günstige Be¬ 
einflussung im Sinne der Herabsetzung der 
Yolumszunahme und Empfindlichkeit zu ver¬ 
zeichnen. So günstig einerseits die durch die 
Karlsbader Kur erzielten Erfolge sind, so sind 
ihr doch andererseits auch Grenzen gesteckt 
Diese Grenzen sind gegeben durch die Fort- 
daner der Beschwerden, durch das Hinzutreten 
einer Infektion und durch den chronischen 
Choledochusverschluß. Bei der Fortdauer der 
Kolikanfällc soll man die Entscheidung für die 
Operation mehr den Patienten anheimstellen; 
bei Vholedochiisverscbluß hingegen muß der 
Arzt darauf bedacht sein, daß der günstige 
Moment für die Operation nicht verloren gehe. 

Freyhan (Berlin). 


J. Salem, Uber Heißluftbeliandlung einiger 
Krankheiten der Genitalorgane. Wiener 
klinische Wochenschrift 1904. Nr. 23. 

Eine große Reihe von weiblichen Genital¬ 
erkran knngen wurden mit Heißluft (System 
Beitler) behandelt, so in umfassendstem Maße 
Parametritiden, weiterhin Adnextumoren, Ent¬ 
zündungen der Tuben und des Ovariums, 
schließlich die entzündlichen Prozesse des Pe¬ 
ritoneums der Genitalorgane. Die Zeitdauer 
der Applikation betrug durchschnittlich eine 
halbe bis eine Stunde, die Nachbehandlung be¬ 
stand in trockener Abreibung nnd Bettruhe. 
Die Erfolge waren außerordentlich günstige 
sowohl nach der Seite der Schmerzstillung wie 
der Resorption hin, so daß Autor die Heißluft¬ 
behandlung allen anderen konservativ - thera¬ 
peutischen Methoden voranstellt. 

J. Marcuse (Mannheim). 

1. Mattkes, Über den heutigen Stand der 
Lekre von der Reaktion im hydriatischen 

Sinne. Zentralblatt für physikalische Therapie 
nnd Unfallheilkunde 1904. Heft 3. 

Die Winternitzsche Anschauung der Ver¬ 
schiedenartigkeit der einzelnen Hauthyperämien, 


der Hyperämie bei dauernder Kältewirkung, der 
reaktiven Hyperämie und der Hyperämie nach 
Wärme ist nach Matthes nicht mehr aufrecht 
zu erhalten. Nach ihm wirkt Kälte und Wärme 
nicht gleichsinnig auf die Pulsfrequenz, Kälte 
verlangsamt sie, Wärme erhöht sie. Sie wirken 
auch nicht gleichmäßig auf den arteriellen Blut¬ 
druck, vielmehr dauert nach den einwandfreien 
Untersuchungen von 0. Müller die Steigerung 
des Druckes nach Kälteapplikationen länger an 
als die wenigstens bei gesunden Herzen gleich¬ 
falls zu beobachtende Erhöhung nach Wärme¬ 
prozeduren. Die letztere ist auch von einem 
deutlichen Sinken des Druckes unter die Norm 
gefolgt, das den ersteren nicht zukommt. Diese 
klinische Verschiedenheit der Wirkung physio¬ 
logisch zu erklären haben eine Reihe neuester 
Arbeiten unternommen, in erster Reihe die von 
Lommel und Martin. Sie kommen zu dem 
Resultat, daß, solange die Gefäße in der Tiefe 
weit sind, genügend arterielles Blut in die er¬ 
weiterten Hautkapillaren einströmt und eine 
hellrote Färbung der Haut, die typische Reaktion, 
die Folge ist. Dies würde hei der reaktiven 
Hyperämie der Fall sein, ebenso bei der an¬ 
fänglich hellroten Färbung bei dauernder Kälte¬ 
wirkung und ebenso wahrscheinlich bei der 
durch Wärme bedingten Hyperämie. Bei allen 
drei Arten würde eine stärkere Durchblutung 
die Folge sein. Bei der blauroten Verfärbung 
dagegen würde das Gefäß in der Tiefe ver¬ 
engt sein und das von ihm versorgte Kapillar¬ 
gebiet erweitert, ein Verhältnis, das zu Strom¬ 
verlangsamung und stärkerer Reduktion des 
Oxyhämoglobins führen müßte. Auch Pick 
schließt sich auf Grund seiner Versuche der 
Ansicht an, daß die Gefäßerweiterung durch 
Wärme sowohl wie die reaktive Hyperämie 
mit einer Zirkulationsbeschleunigung einher¬ 
geht, also aktive durch Erweiterung der 
arteriellen Gefäße bedingte seien. Die Lommel 
nnd Heßschen Arbeiten haben weiterhin auch 
einen Einfluß der ViskositätsVeränderungen auf 
die Strömung in den Kapillaren festgestellt, es 
ist ihnen jedoch bisher nicht gelungen, den 
Grad der Strombeschleunigung bei den ver¬ 
schiedenen Hyperämien exakt quantitativ zu 
eruieren. Dagegen sind für die Frage von 
entscheidendem Werte die Arbeiten von Bier 
und Ritter, die nachwiesen, daß die Hyper¬ 
ämien bei Erfrierung nicht auf einer einfachen 
Erweiterung der Gefäße und namentlich nicht 
auf einer Lähmung derselben beruhen, sondern 
daß sie sich ebenso verhielten wie die arterielle 
Hyperämie nach Blutleere, bedingt durch die 


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48 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


eigene Zelltätigkeit der Kapillaren. Auf Grund 
aller dieser Untersuchungen kommt Matth es 
zu folgenden Schlüssen: 1. Die frühere Win ter- 
nitzsche Auffassung der Reaktion und ihres 
Unterschiedes von anderen Hyperämien der 
Haut ist nicht mehr aufrecht zu halten. 2. Wir 
wissen sicher, daß die hellroten Verfärbungen 
der Haut, sowohl die reaktive wie die Rötung 
bei noch nicht länger dauernder Kältewirkung 
als auch die Wärmehyperämie mit einem Weiter- | 
werden der tiefen Gefäße verbunden ist, daß 
dagegen die blaurote Verfärbung bei kurz¬ 
dauernder Kältewirkung mit Verengerung der 
tiefen Gefäße einhergeht. 3. Die Viskositäts¬ 
veränderungen sind wahrscheinlich von Einfluß 
auf die Strömung in den Kapillaren, bisher ist 
dieser Einfluß aber noch nicht genügend er¬ 
forscht. 4. Es muß nach den Untersuchungen 
der Bi ersehen Schule eine gewisse Selbständig¬ 
keit der Zirkulation in der Peripherie an¬ 
genommen werden. 

J. Marcuse (Mannheim). 


A. Straßer, Die hydrlatische Behandlung 
der Herzkrankheiten. Blätter für klinische 
Hydrotherapie 1903. Heft 7. 

In präziser, knapper und übersichtlicher 
Form enthält Verfassers, dem Braun sehen 
Handbuch der Therapie der Herzkrankheiten 
entnommene Abhandlung alles für den Prak¬ 
tiker Wissenswerte aus dem Gebiete der Hydro¬ 
therapie der Herzkrankheiten. Gerade bei 
diesen zögerte man eine lange Zeit, hydriatische 
Faktoren in Anwendung zu ziehen, sei es in¬ 
folge übler Erfahrungen in der ersten Zeit 
ihrer Anwendung, sei es deshalb, weil man 
weder Art und Form der Dosierung, noch die 
physiologische Begründung dieser Art von 
Hydrotherapie kannte. Beides ist im Laufe der 
letzten Zeit, zunächst von Winternitz und 
seiner Schule, auf sichere klinische Grundlagen 
gestellt worden, und es ist das dankenswerte 
Ziel der Arbeit des Verfassers, die Ergebnisse 
der klinischen Beobachtung und exakter 
Forschung in zusammenfassender Weise dar¬ 
zustellen. 

Verfasser zeigt, daß lokale Prozeduren 
auf die Änderung des Herzvolums, auf die 
Pulsfrequenz, auf den Rhythmus der Herzaktion, 
auf Schmerzempfindungen in der Herzgegend 
einen deutlichen Einfluß ausüben, wie man in 
der wechselnden Temperatur der Applikationen 
das Mittel in der Hand hat, die Dosierung 


und den jeweilig beabsichtigten Effekt des an¬ 
gewendeten Reizes zu beherrschen. 

Was die Änderungen des Herzvolum» 
durch hydriatische Prozeduren lokaler Art an¬ 
langt, so ist eine solche und zwar im Sinne 
der Verkleinerung sowohl nach Kältewirkung* 
als auch unter dem Einflüsse höherer Wärme¬ 
grade beobachtet worden. Diese Verkleinerung 
bedingt eine Vermehrung des Muskeltonus, 
und dieser vermehrte Tonus bewirkt wieder 
eine in den einzelnen Kontraktionen vermehrte 
Arbeitsleistung, welche sich namentlich durch 
eine gründlichere Entleerung des Herzens zu 
erkennen gibt. 

Die Pulsfrequenz, sowie die Herzarhythmie 
sind durch lokale Kälteanwendung vermindert, 
durch höhere Wärmegrade gesteigert; man 
kann sich diese Wirkungen entweder durch 
direkte Beeinflussung des Herzmuskels, durch 
Kälte, beziehungsweise Wärmewirkung auf den 
ganglio-muskulären Apparat des Herzens oder 
durch Reflexvorgänge oder durch eine Kombi¬ 
nation aller dieser Momente erklären. 

Aber nicht nur therapeutische, sondern 
auch differential-diagnostische Bedeutung haben 
verschiedene dieser lokalen Prozeduren. Wird 
nämlich bei Kältewirkung auf das Herz die 
Pulsfrequenz nicht vermindert, sondern be¬ 
schleunigt, verkleinert sich die Herzdämpfung 
nicht, sondern wird sie verbreitert (sehr 
seltener Befund!), wird eine bestehende 
Arhythmie nicht gebessert, sondern gesteigert, 
tritt also, knrz gesagt, eine Steigerung der 
Erscheinungen der Herzinsuffizienz auf, anstatt 
einer Verminderung derselben, so soll dies den 
Schluß auf eine hochgradig fortgeschrittene 
Degeneration der Herzmuskulatur gestatten. 

Man verwendet entweder oft gewechselte, 
entsprechend temperierte Umschläge oder 
Zirkulierapparate; bei letzteren legt man 
zwischen Apparat und Haut einen dünnen 
feuchten Umschlag und schleicht bei Kälte¬ 
applikation mit der Temperatur ein, während 
man bei Wärmeapplikationen sofort die ge¬ 
wünschte Temperatur verwenden kann. Mittelst 
anderer Prozeduren, der allgemeinen, sucht 
man von anderen Stellen des Körpers aus auf 
das Herz zu wirken. Jede Prozedur, welche 
größere Gefäßgebiete zur Kontraktion bringt, 
erhöht den Blutdruck, während alle größere 
Gefäßgebiete zur Dilatation bringenden Proze¬ 
duren denselben erniedrigen. 

Unstatthaft sind die eine brüske Zirku¬ 
lationsänderung in größerem Maßstabe ver¬ 
ursachenden allgemeinen Prozeduren bei 


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49 


Vorhandensein von Herzinsuffizienz; dieselben 
sind also nicht nur übend, sondern auch 
schonend therapeutisch zu verwenden. 

Allgemeine Kälteeinwirkungen bewirken 
vorübergehende Beschleunigung mit nach¬ 
folgender Verlangsamung, allgemeine Hitze¬ 
einwirkungen eine bedeutende Verlang¬ 
samung der Herzaktion. Die letzteren nehmen 
die Herzkraft am meisten in Anspruch, haben 
daher ziemlich eingeschränkte Indikations- 
pTellung. Verfasser wendet dieselben des¬ 
halb lieber „mit Vorbauung“, d. h. mit dem 
Winternitzschen Herzkühlapparat, an, aber 
im allgemeinen doch sehr selten; er rät an 
ihrer Stelle zur Anwendung der Teilanwendung 
. mit Vorbauung“. 

Im zweiten speziellen Teil bespricht Ver¬ 
fasser die Hydrotherapie bei akut entzünd¬ 
lichen Krankheiten (akute Endo- und Peri¬ 
karditis), der Herzschwäche bei Infektions¬ 
krankheiten, der Cbergangsstadien der sub- 
aknten in eine chronische Endokarditis, 
der Erkrankungen des Myokards, der 
arterioßklerotischen Veränderungen des 
Herzens, der Herzneurosen und der paroxys- 
rcalcn Tachykardie, der Bradykardie 
aad fügt eine Anordnung hydrotherapeu¬ 
tischer Entfettungskuren hinzu. 

Es ist mir im Rahmen dieses Referates 
ücht möglich, mehr als eine in kurzen Um¬ 
rissen gehaltene Übersicht über den Inhalt 
der sehr lesenswerten Abhandlung zu geben; 
sie bildet jedenfalls einen sehr wertvollen Teil 
des Braun scheu Handbuches. 

Viktor Lippert (Halle). 


Tk Zangger, Beitrag zur Therapie der 
intaatOen Bronchopneumonie. Korrespon- 
denzblatt f. Schweizer Arzte 1905. Nr. 1. 

Zangger sah unter Anwendung lediglich 
li.vdriatischer Prozeduren bei infantiler Broncho¬ 
pneumonie sehr gute Erfolge. Die von ihm 
empfohlene Wasseranwendung ist das Halbbad 
in der Dauer von 4—7 Minuten bei einer Tem¬ 
peratur von 30—28° C, die langsam auf 26 — 
24 C erniedrigt wurde; während des Halbbades 
Frottieren des Körpers. Heroische Tempera¬ 
turen von 26—8° C) dürften nur ausnahmsweise 
rötig werden. Badetemperatur, Baddauer, Grad 
des mechanischen Reizes sollen dem Einzelfalle 
mgepa&t werden, weshalb wenigstens die ersten 
Bäder in Gegenwart des Arztes gegeben werden 
1‘dlten. Bel dieser Therapie sah Zangger 

Zeteefer. L ditC u. pbjsik. Therapie Bd. IX- Heft 1. 


schnelle Entfieberungen; die Erfolge erschienen 
ihm besser, als bei einer Behandlung mit zwei- 
stündlichen Einpackungen und warmen Bädern. 
Die Behandlung mit Halbbädern hält Verfasser 
auch prophylaktisch für wertvoll. 

Naumann (Meran-Reinerz). 


G. Bresin, Über den Einfluß hydrotherapeu¬ 
tischer Maßnahmen auf den Stoffwechsel. 

Inaugural-Dissertation 1904. Gießen. 

Die Untersuchungen des Verfassers führten 
zu folgenden Schlußsätzen: 1. Die kalten Proze¬ 
duren, die hydrotherapeutisch in Betracht 
kommen, die also nicht exzessiv sind, weder in 
bezug auf die angewandte Temperatur noch 
bezüglich der Dauer ihrer Anwendung, beein¬ 
flussen die Körpertemperatur nur wenig. Um 
letztere zu erhalten, genügt der physikalische 
Regulationsmechanismus des Körpers. Erst 
wenn die physikalische Regulation versagt — 
namentlich bei schwachen und jugendlichen 
Individuen — tritt eine chemische Regulation 
| ein, die sich vorwiegend durch Zerfall stick¬ 
stoffreier Substanz äußert. 2. Bei warmen 
Prozeduren ist nur physikalische, nicht chemische 
Regulation möglich. Sobald die ersterc er¬ 
schöpft ist, erfolgt Steigerung der Körper¬ 
temperatur. Letzteres veranlaßt neben einem 
erheblichen Zerfall von stickstoffreien Sub¬ 
stanzen, deren Umsatz bei warmen Prozeduren 
an und für sich erhöht ist, eine gesteigerte Zer¬ 
setzung von Eiweiß. 3. Hydrotherapeutische 
Maßnahmen, die bezüglich ihrer Temperatur als 
indifferent zu bezeichnen sind, haben weder auf 
die Körpertemperatur, noch auf den Stoffwechsel 
einen nennenswerten Einfluß. 

Fritz Loeb (München). 

Wybauw, Le bain carbo-gazeux considere 
comme un proeöde hydrotherapique. Ar- 

chives gönörales de Mädecine 1904. Nr. 24. 

Die Kohlensäurebäder haben ganz ähnliche 
Wirkung wie eine kühle hydrotherapeutische 
Prozedur (Halbbad), verbunden mit mecha¬ 
nischem Reiz (Frottieren) der Haut; beide 
rufen eine starke Dilatation der Hautgefäße 
und dadurch bedingt einen erheblichen Wärmo* 
verlust des Körpers hervor. Dieser letztere 
Umstand ist besonders bei der Behandlung der 
Chlorose mit C0 a - Bädern zu beachten, ohne 
jedoch eine direkte Kontraindikation bei dieser 
Krankboit zu bilden. Im übrigen sind die 

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Referate über Bücher und Aufsätze. 


Kohlensäurebäder, insbesondere bei leichteren 
Erkrankungen des Myocards, bei funktionellen 
Herzneurosen und auch bei Klappenfehlern zu 
empfehlen, wenn sie hier auch nicht die 
Digitalis zu ersetzen vermögen; bei schwererer 
Arteriosklerose sind sie kontraindiziert. Ferner 
leisten sic sehr gute Dienste bei Erkrankungen 
des Zentralnervensystems und — trotz ihrer 
blutdruckerhöhenden Wirkung — bei neuras- 
thenischen Zuständen, auch bei solchen, die an 
sich mit einem erhöhten Blutdrucke einher¬ 
gehen. 

Verfasser, der seine Versuche an den 
eisenhaltigen Kohlensäurewässern von Spa 
anstellte, gibt zu, daß der Eisengehalt für die 
Wirkung des Kohlensäurebades ohne Bedeutung 
sei. A. Laqueur (Berlin). 

Henri Huchard, Les Cardiop&thies rhuma 
tismales et arterielles sur le Littoral medi- 
terranden. Journ. de Physiotheraphie Bd. II. 
Nr. 17. 

Huchard hält das mittelländische Seeklima, 
die Alpen und die Pyrenäen für das einzig 
wahre Klima für wirkliche Luft- und Sonnen¬ 
bäder unter der Bedingung, daß mit dem Klima 
großstädtischer Komfort, staubfreie Straßen, 
gutes Trinkwasser und gegebenen Falles, aus¬ 
reichende Heizung verbunden ist. Unter dieser 
Voraussetzung ist er auch ein Anhänger der 
„freien Kur“ der Lungenkranken und bezeichnet 
in dieser Hinsicht den Sanatorienbetrieb als 
eine Irrung der Klimatotherapio eine „Eclipsc 
de raison“. Bei der klimatischen Behandlung 
der Herzkrankheiten muß man die rheumatischen 
Herzfehler von den arterioskleorotischen Herz¬ 
veränderungen unterscheiden, denn das Riviera¬ 
klima ist nicht nur ein marines Klima, sondern 
eine Mischung von See- und Kontinentalklima. 
In der Nähe der Küste bis zu einer Entfernung 
von 3—500 m vom Ufer wirkt es tonisierend; 
an den Hügelabhängen in einer Entfernung von 
500—700 und mehreren tausend Metern vom Ufer, 
wirkt es sedativ; dabei meint er, daß weniger 
die Temperatur als die Lichtstrahlen auf das 
„periphere Herz“, d. h. das ganze Hautgefä߬ 
systemeinwirken und stellt zwei Fragen: 1.Dürfen 
Herzkranke zugelassen werden? 2. Welche sind 
die Kontraindikationen? 

Bei Beantwortung der ersten Frage scheidet 
er zuerst die osystolische Kompensationsstörung 
vollständig aus, dann aber ist das Klima durchweg 
geeignet für Herzkranke jeder Art auch für 
Tuberkulöse, für Asthmatiker, Nephritiker, 


Bronchitiker und zwar weil die D^rchschnitts- 
temperatur nicht unter 10° C sinkt und auch 
der Feuchtigkeitsgrad immer höher bleibt 
— wenigstens in den Monaten November bis 
Mai — als es durchschnittlich in den mittel¬ 
europäischen Großstädten der Fall ist. Wichtig 
ist, daß die Kranken die Kur auf längere Zeit 
berechnen, zunächst eine längere Ruhezeit sich 
gönnen, eine sonnige Lage aufsuchen und den 
Wind meiden, um peripheren Gefäßüber¬ 
spannungen vorzubeugen. 

Bei Beantwortung der zweiten Frage will 
er Koronarsklerosen mit Angina pectoris nur 
in einer gewissen Entfernung von der Küste 
ansiedeln, ebenso Patienten mit Perikarditis und 
nervösen Herzbeschwerden. 

Schwere Fälle von Herzfehlern mit Neigung 
zu Infarkten, infolge von Basedowscher 
Krankheit etc. möchte er überhaupt ausschließen. 
Im allgemeinen vertragen Patienten mit Mitral¬ 
fehlern das Klima besser als solche mit Aorten¬ 
fehlern, doch ist dies individuell verschieden. 

van Oordt (St. Blasien). 

C. Gymnastik, Orthopädie und 
Apparatbehandlung. 

Oppenheim, Über Mißbrauch der Sehnen¬ 
transplantation. Berliner klinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 7. 

Oppenheim berichtet über drei Fälle, in 
denen bei progressiver Muskelatrophie, bei 
Poliomyelitis anterior chronica und bei Lähmung 
infolge eines nicht diagnostizierten Wirbel¬ 
tumors die Sehnentransplantation zu Unrecht 
ausgeführt worden war. Oppenheim betont 
deshalb eindringlich, daß der Operateur vor der 
Vornahme der Transplantation die Gewißheit 
haben muß, daß es sich um ein abgelaufenes, 
nicht fortschreitendes Leiden handelt. 

Vulpius (Heidelberg). 


Hoffa, Einige Bemerkungen zu der Arbeit 
Oppenheims „über Mißbrauch der Seh¬ 
nentransplantation“. Berl. klinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 8. 

Hoffa verteidigt seine Indikationsstellung 
für die Sehnentiberpflanzung gegen Angriffe 
Oppenheims in Nr. 7 der Wochenschrift. 
Daß in dem betreffenden Einzelfall die Früh¬ 
diagnose eines Wirbeltumors verfehlt worden 
war, gibt Hoffa zu. Dagegen erklärt er die 
Sehnenoperationen auch bei progredienten Läh- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 51 


mutigen unter Umständen für berechtigt und 
erfolgreich, wenn nämlich der Krankheitsprozeß 
but langsam fortschreitet und wenn durch eine 
solche Operation wenigstens für einige Zeit 
die Gehfähigkeit wiederhergestellt werden kann. 

Vulpius (Heidelberg). 


4« Bier, Behandlung akuter Eiterungen mit 
Stauungshjrperamie. Münchener medizin. 
Wochenschrift 1905. Nr. 5. 6 und 7. 

Schon in den letzten Jahren hat Bier den 
Kreis der Indikationen zur Anwendung der 
äta«mngshvperäinie langsam immer mehr er¬ 
weitert. Im großen und ganzen blieb er jedoch 
bei den nicht eitrigen Entzündungen stehen. 
Jetzt hat er einen weiteren Schritt vorwärts 
getan und hat alle ihm in der letzten Zeit vor¬ 
gekommenen Eiterungen, die der Stauung zu¬ 
gänglich waren, mit diesem Mittel behandelt, 
nnd zwar mit sehr gutem Erfolge. 

TH« in seiner neuesten Arbeit veröffent¬ 
lichten Resultate bedeuten einen Bruch mit 
den bisher in der Chirurgie üblichen Methoden, 
seine theoretischen Auseinandersetzungen stehen 
in schroffem Gegensätze zu vielen bislang in 
der allgemeinen Pathologie gültigen Anschau¬ 
ungen. Diese beiden Momente heben die 
Mitteilungen Biers weit über das Niveau 
der Durchschnittspublikationen hinaus und 
weUen jeden denkenden Arzt auf das direkte 
Studium hin. 

Aus der Fülle des beigebrachten Materials 
ist hervorzuheben, daß er fünf Fälle von Ver¬ 
eiterungen großer Gelenke mit voller Funktion 
ziiein durch Stauungshyperämie ohne jedes 
andere Mittel ausgcheilt hat Von neun Fällen 
akuter Osteomyelitis mit sicher nachgewiesener 
erheblicher Eiterung heilten vier ohne jede 
Xrkrose, zwei mit ganz geringer Nekrose, zwei 
Falle führten zu erheblicher Nekrose, einer 
mm Tode. Auch hier war der Einfluß der 
Stanungshyperämie sehr augenfällig. 

Von 13 Fällen eitriger Sehnenscheiden¬ 
entzündung heilten acht ohne Nekrose aus, fünf 
führten zur Nekrose. Bier sagt selbst: „Die 
Erfolge der Stauungshyperämie bei akuten 
eitrigen Osteomyelitiden und Sehncnscheiden- 
phlegmonen waren nicht gerade glänzend und 
kielten mit denen, die das Mittel bei beginnenden 
and subakuten entzündlichen Krankheiten und 
bei vereiterten Gelenken erzielte, keinen Ver¬ 
gleich aus. Immerhin aber glaube ich, daß 
die Resultate, welche ich besonders bei Sehnen¬ 


scheidenphlegmonen erzielte, bisher unerreicht 
dastehen.“ 

Wenn man bedenkt, daß bisher der Chirurg 
sehr zufrieden war, wenn er auch unter ver¬ 
stümmelnder Operation bei diesem Leiden der 
Eiterung Herr wurde, wird man ihm beipflichten 
müssen. 

Erhebliche Schädigungen durch Anlegen 
der Binde hat Bier nicht beobachtet, trotzdem 
die Stauung bis zu 22 Stunden am Tage an¬ 
gewendet wurde; nur in einem Falle wurde 
sie nicht vertragen. 

Bier weist ferner daraufhin, daß die durch 
Anlegen einer Binde um den Hals erzeugte 
Kopfstauung in der Ohren- und Augenheilkunde 
sich ihm schon als Heilfaktor bewährt hat. 
Er fordert die Kollegen, die über ein Kranken¬ 
haus verfügen, zur Nachprüfung seiner Methode 
auf, nachdem sie an leichteren Fällen die 
Technik genau kennen gelernt hätten. Er 
betont, daß die Stauung stark sein muß, 
ohne den Kranken zu belästigen. 

Die Wirkung der Stauungshyperämie er¬ 
blickt Bier in einer ganz enormen Steigerung 
der Entzündung, die er als Abwehrmittel gegen 
Infektionen auffaßt. Er wendet sich energisch 
gegen die Lehre von der Antiphlogose. 

Die Blutstauung macht nicht Schmerzen, 
sondern lindert und beseitigt sie. 

Die richtig ausgeführte Stauungshyperämie 
ist keine Verschlechteruug, sondern eine Ver¬ 
besserung der Ernährung. Nicht die entzünd¬ 
liche Stauung macht die Nekrosen, sondern 
| die primäre Schädlichkeit, im wesentlichen 
I Bakteriengifte, genau so, wie sie die Schmerzen 
verursacht. Die Stromverlangsamung bei der 
Entzündung hat im Gegenteil den Zweck, 
durch UDBchädlichmachen der Bakterien und 
ihrer Gifte und durch eine reichliche Ernährung 
die Nekrose zu verhüten (Bier). Durch einen 
Sektion sbefund nebst mikroskopischer Unter¬ 
suchung glaubt Bier, diese seine Ansicht be¬ 
stätigt gefunden zu haben. 

Zum Schluß vergleicht Bier die Wirkung 
der verschiedenen Formen von Hyperämie und 
drückt die Hoffnung aus, die Stauungshyperämie 
in Zukunft auch bei anderen entzündlichen 
Krankheiten in Anwendung bringen zu können, 
da sie zurzeit das weitaus beste Mittel sei, 
um die akuto Entzündung zu verstärken. 

Er hält es aber für möglich, daß man 
denselben Zweck auch noch auf anderen Wegen 
erreichen kann. Perl (Berlin). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


S. G. Pollard, Treatment of phthisical 
cavities nithont Operation« Brithish medical 
Journal 2297. 

Zur nicht operativen Drainage phthisischer 
Kavernen mit septisch gewordenem Inhalt glaubt 
Verfasser in der extremen Tieflagerung des 
Oberkörpers durch Erhöhung des vorderen Bett¬ 
endes eine neue Methode gefunden zu haben, 
die in Deutschland freilich schon längst z. B. 
zur Entleerung durchgebrochener Empyeme mit 
dem besten Erfolge angewendet worden ist. 
Er berichtet von einem Phthisiker mit deutlichen 
physikalischen Kavernensymptomen, der nach 
einer 4 stundenlangen Tieflagerung des Kopfes 
nach vorangegangenem starken Husten plötzlich 
eine Menge fötiden Sputums entleerte. Der 
Auswurf war bisher nicht übelriechend gewesen. 
Darauf trat eine erhebliche bleibende Besserung 
des Allgemeinbefindens und Fieberabfall ein. 
Nach meinen Erfahrungen ist die Tieflagerung 
höchst anstrengend und kann von schwachen 
und besonders dyspnoischen Patienten höchstens 
zwei bis drei Stunden ausgehalten werden. 

Schlesinger (Berlin). 


F.Zanuso, Una aggiuntaa due notiaparecchi 
di Meccanoterapia« Rivista internazionale 
di Terapia fisica 1905. Nr. 1. 

Den Krukenberg sehen Pendelapparat 
macht Verfasser auch für den Daumen benutzbar, 
indem er auf der Platte des Apparates einen Ring 
als Griff für den Daumen anbringt. Dieser Ring 
steht in fester Verbindung mit einem an der 
Unterfläche des Tisches angebrachten, in der 
Vertikalebcne rotierenden Zylinder, auf den 
die Bewegungen des Pendels mit Hilfe eines 
Winkelhebels übertragen werden. Die Adduktion 
des Daumens nimmt das Pendel mit nach oben, 
die Rückkehr des Pendels in seine Lage bewirkt 
eine passive Abduktion. — Die zweite Modi¬ 
fikation ist an dem Apparat E 2 von Zander 
angebracht, eine mit zweckmäßigen Scharnieren 
versehene Hülse, wodurch der Apparat auch 
zur Ausführung passiver Bewegungen in den 
Metakarpo-Phalangealgelenkenverwendbarwird. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


Rimbach, Ein Beitrag zur Herzmassage« 
Medizin. Klinik 1905. Nr. 10. 

Aus der Beobachtung, daß bei der Perkussion 
dilatierter Herzen zur Größenbestimmung die 
Grenzen, je länger die Untersuchung dauerte, 


desto enger wurden, hatte Heitler den Schluß 
gezogen, daß durch den mechanischen Reiz 
der Perkussion das dilatierte Herz zur stärkeren 
Kontraktion angeregt würde und daß sich 
vielleicht eine systematische Massage des 
Herzens bei der Behandlung von Dilatationen 
als nützlich erweisen dürfte. Verfasser hat nun 
eine Anzahl von Fällen von Insuffizienz des Herz¬ 
muskels mit vergrößerter absoluter Dämpfung 
und Leberhochstand mit Herzmassage behandelt, 
die in Reibungen, Hackungen, Knetungen und 
Pressungen des Thorax bestanden und 1—5 Mi¬ 
nuten pro Sitzung dauerten. Die Dosierung 
des Eingriffes müsse individualisierend geband- 
habt werden und erfordere eine gewisse 
klinische Erfahrung. Rimbach bringt eine 
Anzahl von Zeichnungen (Pausen), aus denen 
hervorgeht, daß er allein durch die Herz¬ 
massage in vielen Fällen eine deutliche Ver¬ 
kleinerung der Herzdämpfung, ein Herabtreten 
der Leber und des Zwerchfelles erzielte. 
Gewöhnlich kehrten die Dämpfungen nach der 
ersten Massage wieder in ihre alten Grenzen 
zurück. Erst nach mehreren Sitzungen blieben 
die Dämpfungen dauernd kleiner. Der sub¬ 
jektive Zustand ging diesen Veränderungen 
meist parallel. Bei Aorteninsuffizienz und bei 
Fällen mit starrem Thorax erwies sich die 
Massage meist als wirkungslos. Verfasser hat 
aus seinen Untersuchungen die Überzeugung 
gewonnen, daß durch geeignete Massage ge¬ 
wisse Kreislaufstörungen für längere Zeit zu 
beseitigen sind, daß die Digitalisdarreichung 
durch diese Therapie um lange Zeit hinaus¬ 
geschoben werden oder bei frühzeitiger An¬ 
wendung von Digitalis deren Wirkung wesent¬ 
lich verstärkt werden kann. 

W. Alexander (Berlin). 


Harm er, Beitrag zur Ösophagoskopie der 
gutartigen Ösophagusgeschwülste« Wiener 
klin. Rundschau 1905. Nr. 4. 

Harmer beobachtete an der Chiarischen 
Klinik einen Fall, der von neuem den Wert 
der Ösophagoskopie als diagnostische und thera¬ 
peutische Methode zeigt. Einer 53jährigen Frau 
waren im Verlauf der letzten fünf Jahre mehr¬ 
fach festere Bissen in der Speiseröhre stecken 
geblieben, die sie dann meistens durch Er¬ 
brechen entleert hatte. Sie genoß seitdem fast 
nur Flüssiges und trank viel Öl. Häufiges 
Aufstoßen, Frostgefühl, das Gefühl des Zu- 
sammongeschnürtscins in der Kehle und all¬ 
gemeine Schwäche waren ihre einzigen Krank- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


53 


beitserscheinungen. Sie suchte die Klinik auf, 
weil ihr wieder ein Stück Fleisch stecken 
geblieben war. Die Schlundsonde stieß dicht 
unter dem Ringknorpel auf ein weiches Hinder¬ 
nis. nach dessen müheloser Überwindung sie 
leicht bis zur Kardia vordrang. Etwas Blut 
in der Sonde und im Speichel. Ösophago¬ 
skopie ohne Kokain leicht Nach vorsichtigem 
Abtapfen sieht man an der linken ösophagus¬ 
wand einen kirschgroßen runden Tumor mit 
datter. spiegelnder Oberfläche. Das Rohr läßt 
sich noch 3 cm weiterschieben, ohne daß der 
Tumor dabei seine Stellung zum Lumen ver¬ 
sierte. dann aber nicht weiter. Die Schleim¬ 
bant in der Umgebung war normal, ein Stiel 
nicht sichtbar. Wegen Blutung und Schmerzen 
Lnuenrang des Rohres. Nach zwei Tagen bei 
abermaliger Ösophagoskopie derselbe Befund. 
Verordnung: Kalte flüssige Diät. Nach Auf- 
hören der Schmerzen und Blutung Entfernung 
des Tumors mit der Schlinge in Aussicht ge¬ 
nommen. Nach 16 Tagen ist Patientin be¬ 
schwerdefrei und es wird ein dickes Rohr ein- 
gefhhrt um die Entfernung des Tumors vor- 
iunchmeE. Man sieht überall gesunde Schleim¬ 
haut. vom Tumor keine Spur; ein größeres 
Stück Semmel wird anstandslos verschluckt. 
Nachuntersuchung nach 2 1 /, Monaten: ösophago- 
»kopisch normal: Patientin kann gut schlucken 
und hat zugenommen. Die Geschwulst ist offen¬ 
bar nach spontaner oder durch die Ösophago¬ 
skopie begünstigter Nekrotisierung des Stieles 
abgegangen. Wahrscheinlichkelts-Diagnose: 
Fibrom. Denn: 1. sicher gutartig wegen der 
laugen Dauer, 2. sind Fibrome von allen gut¬ 
artigen Tumoren des Ösophagus die häufigsten, 
3. traten sie am häufigsten als echte Polypen 
auf. 4. sind sie gewöhnlich sehr gefäßreich. 

leuchtet ein, daß die Diagnose eines solchen 
Falles ohne Ösophagoskop nicht zu stellen ist. 
>iüd diese Tumoren klein, so machen sie keino 
Lrscheinungen. Sind sie größer, so machen 
sie wenig ausgesprochene und vieldeutige Be¬ 
schwerden. Sind sie ganz groß, so machen 
de Blutungen und Stenosenerscheinungen, 
>ymptome, die sich nicht vom Karzinom oder 
d**m Divertikel unterscheiden lassen. Die 
'•v-pbagoskopie ermöglicht außer der Diagnose 
tr-eh die genaue Feststellung des Sitzes, der 
«»rGße und der Form der Geschwulst. Ver¬ 
mutlich hätte dieser Fall ebenso wie andere 
gWirbliegende, bei denen die richtige Diagnose 
stellt wird, auf ösophagoskopischem Wege 
mit Leichtigkeit und Sicherheit geheilt werden 
köDiien: die Abtragung des Polypen unter 


Adrenalin-Kokain mit der kalten oder, bei 
Furcht vor Blutung, mit der heißen Schlinge 
wäre sicher leicht gelungen. 

W. Alexander (Berlin). 


Kob, Beiträge zur Killianschen Broncho¬ 
skopie« Medizin. Klinik 1905. Nr. 8. 

Verfaser berichtet über zwei Fälle aus der 
Heuhnersehen Klinik, bei denen er mittelst 
der oberen Bronchoskopie Fremdkörper aus 
dem Bronchus entfernte. In dem ersten bereits 
in der Medizinischen Gesellschaft vorgestellten 
Fall handelte es sich um einen dreijährigen 
Knaben, der beim Spielen die Federposo einer 
Zigarrenspitze aspiriert hatte. Es war ein 
heftiger Hustenanfall mit starkem Brechreiz 
erfolgt, jetzt bestanden leichte Einziehungen 
und deutlicher Kroupton beim Husten. Spezia- 
listische Untersuchung des Kehlkopfes und der 
Luftröhre konnte Diphtherie ausschließen, ein 
Fremdkörper wurde auch durch Röntgenunter¬ 
suchung nicht nachgewiesen. Nach vier Tagen 
bei einer Untersuchung Erstickungsanfall, 
Tracheotomie. Von der Wunde aus wurde mit 
Instrumenten blind Trachea und Bronchus unter¬ 
sucht, ohne Resultat. Nach weiteren fünf Tagen 
Entfernung der Kanüle, Husten besteht weiter, 
leichte Dämpfung r. h. u., daselbst Atemgeräusch 
abgeschwächt mit einigen Rasselgeräuschen, 
putrider Auswurf. Nach über drei Monaten 
wurde das Kind dem Verfasser wieder zu¬ 
geführt. Die Bronchoskopie stellt sofort im 
Bronchus des rechten Unterlappens die An¬ 
wesenheit der Federpose fest. Trotz tiefer 
Narkose und Kokainisierung traten heftige 
Hustenanfälle auf, dem Untersucher flog eine 
Menge stinkenden Eiters in die Augen, so daß 
die Sitzung abgebrochen werden mußte. Bei 
einem zweiten Versuch nach einigen Tagen 
i gelang die Extraktion mit der Killianschen 
Zange nach geringen Schwierigkeiten. Nach 
drei Wochen war der Lungenbefund voll¬ 
kommen normal. 

Im zweiten Fall handelte es sich um ein 
fünfjähriges Mädchen, das beim Essen einer 
Suppe einen kleinen Knochen „verschluckt“ 
hatte. Es bekam sofort einen heftigen Husten¬ 
anfall, aß aber weiter. In den nächsten Tagen 
viel Husten und röchelndes Atmen. Bei der 
Aufnahme in die Klinik am fünften Tage war 
die Atmung ruhig. Atemgeräusch r. h. u. al>- 
geschwächt, beim Exspirium einzelne grobe 
Rasselgeräusche. Röntgenaufnahme negativ. 
Abends gefahrdrohende Atemnot. B r o n e h o - 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


skopie: Stimmbänder in krampfhafter 

Adduktionsstellung, Kehlkopf gerötet und 
geschwollen. Einführung eines 7 mm dicken, 
25 cm langen Rohres. Sofortige Erkennung 
und Extraktion eines Knochenstückes von 
1,2 cm Länge, 0,8 cm Breite, 0,3 cm Dicke. Kind 
am dritten Tage gesund entlassen. 

Endlich wird als dritter Fall noch ein junger 
Mann erwähnt, den Verfasser aus diagnostischen 
Gründen ohne wesentliche Beschwerden allein 
unter Kokainanästhesie zweimal broncho- 
skopiert hat. 

Die beschriebenen Fälle veranschaulichen 
wieder in drastischer Weise, eine wie segens¬ 
reiche und schöne Untersuchungs- undOperation s- 
methode die „obere“ Bronchoskopie ist und 
welch’ einen großen Fortschritt sie bedeutet 
gegenüber der „unteren“ Bronchoskopie (mit 
Tracheotomie). Mag sie auch schwerer zu er¬ 
lernen und technisch schwerer ausführbar sein 
als letztere: sie leistet dasselbe in der Hand 
des geübten Untersuchers und erspart dem 
Patienten die Tracheotomie mit ihren Folgen, 
W. Alexander (Berlin). 


D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

A. Gilbert, P. Lereboullet et E. Albert- 
Weil, „Les reactions älectriques des nerfs 
et des muscles d&ns la Cholämie.“ Journal de 
Physiotherapie, 2. Jahrgang. Nr. 22. 

Die Verfasser machen es sich zur Aufgabe, 
den Einfluß der im Blut der Cholämischen 
kreisenden Gallensubstanzon (des Bilirubins und 
der Gallensäuren) auf elektrische Reizverände¬ 
rungen am Nervenmuskelsystem zu untersuchen. 

Sie fanden unter Zugrundelegung der 
Stintzingschen Schwellenwerte eine ver- 
schiedengradige elektrische Übererregbarkeit 
der Nerven und der Muskeln, gemessen amBiceps, 
Medianus und Nervus facialis. Einigermaßen 
stand die Übererregbarkeit in direkter Beziehung 
zum Bilirubingehalt des Blutes, jedoch nicht 
ganz zum Grade des Krankheitsbildes der 
Cholämie. Die Unterschiede mögen nach ihrer 
Ansicht durch individuelle und neuropathische 
Prädisposition, Anämie und dergleichen hervor¬ 
gerufen sein. Die Versuche sind nicht zahlreich. 

Wertvoller sind die Experimente an Frosch- 
gastroknemius nach Injektion von Biliburin- und 
Cholatlösungen, von cholämischem Serum und 
verdünnter Blasen- und Fistelgalle. Injektionen 
von schwachen Biliburinlösungen bis zu einer 
gewissen Konzentration haben eine Steigerung 


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der Muskelerregbarkeit zur Folge, die sich in 
Kürze, Höhe, Schnelligkeit und Bikuspidität der 
Zuckungskurve kundgibt. Bei stärkeren z. B. 
l%Lösungen ist die Überregbarkeit von kürzerer 
Dauer. 

Ähnliche Resultate bringt die Injektion von 
Cholaten in schwacher Lösung, wobei sich die 
Glycocholsäure von geringerer Wirkung zeigt 
als die Taurocholatlösung. Die charakteristische 
Zuckungskurve tritt aber hier später auf und 
verschwindet rascher. Bei Injektion von kon¬ 
zentrierter 1% Cholatlösung kommt es rasch 
zur Erschöpfung des Muskels oder überhaupt 
nicht mehr zur Ausbildung der charakteristischen 
Zuckungskurve. 

Analog sind die Versuchserfolge mit Fistel¬ 
galle von Menschen, wobei als schwache Lösung 
eine Verdünnung angesehen wird, welche einer 
Biliburinlösung von V900—Viaoo entspricht, die 
starke Lösung einer Biliburinlösung von Vseo 
gleichkommt. Bei Injektion von Blasengallen¬ 
lösung von Mensch, Schwein und Hund (Biliburin 
Vsooo — V 8000 endigt die rasch vorübergehende 
Übererregbarkeit in völliger Erschöpfung des 
Muskels. Der Unterschied liegt in dem be¬ 
deutend höheren Gehalt der Blasengalle an 
Cholaten. Ebenso fielen die Versuche mit 
cholämischem Menschenserum aus. 

Die Verfasser folgern aus der Gesamtheit 
der Versuchsergebnisse, daß das Biliburin 
besonders in schwacher Konzentration ein 
Muskelerreger ist und daß die gallensauren 
Salze in sehr verdünnter Lösung einen ähnlichen 
aber schwächeren Effekt haben, in starker 
Lösung eine lähmende, also direkt entgegen¬ 
gesetzte Wirkung ausübte. 

Die Applikation von Biliburin auf das 
Muskelpräparat selbst bringt wohl eine höhere 
Amplitude der Zuckungen zustande, jedoch ohne 
Bikuspidität und ohne Verkürzung der Dauer 
der Zuckungen. Wenn die Verfasser durch 
theoretische Erwägungen auch andere Nerven- 
symptome bei der Cholämie wie z. B. die 
Bradykardie mit einer grösseren Energie der 
Kontraktion bei Verlangsamung der Schlagfolge 
erklären wollen, so kann man dem entgegen¬ 
halten, daß schon die Einwirkung der gallen¬ 
sauren Natriumsalze auf den zentralen Vagus¬ 
stumpf eine deutliche Bradykardie bedingt, 
daß diese demnach ebenso wie zahlreiche andere 
Erscheinungen von seiten des Nervensystems 
und der Psyche zentralen Ursprungs sein dürften, 
wobei natürlich noch die Frage ungelöst bleibt, 
ob nicht im wesentlichen andere Stoffwechsel¬ 
produkte dabei in Betracht kommen (cfr. akute 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


gelbe Leberatrophie, Versuch mit den entleberten 
Gänsen Minkowskis u. a. Beispiele). 

van Oordt (St Blasien). 


Pieeiaino, Nitove ricerche intorno alla 
iaflaeaxa della elettricltä sulla vita e sui 
predotti delfllugello. Annali di elettricitäetc. 
1904. Nr. 8. 

Versuche an Seidenraupen, die dem Einfluß 
von Elektrizität, sowie von einfarbigem Licht 
»osgesetxt waren, ergaben, daß die Züchtung 
innerhalb eines Solenoids bei hochfrequentem 
Strom, sowie bei violettem Licht die Entwick¬ 
lung der Tiere, die Produktion guter Seide 
wie kräftiger Eier sehr vorteilhaft beeinflußt, 
während galvanischer Strom und blaues Licht 
nachteilig wirken. Laser (Wiesbaden). 


Ltqierrl&re e Lnigi Delherm, Le affe- 
fitil intestinal! e l’eiettricitä. Annali di 
riettricitä 1904. Nr. 9. 

Obstipationen and Diarrhöen verschiedener 
Herkunft, wie auch die Colitis muco - membra- 
n3cea wurden durch Anwendung der Galvano- 
faradisation günstig beeinflußt, wenn die Stärke 
des galvanischen Stromes 50—160 M. A. betrug, 
während der faradischc Strom nur schwach ein¬ 
gestellt war. Die Verfasser legten große Platten¬ 
elektroden auf den Leib und die Lenden und 
elektrisierten mehrmals wöchentlich 10 Minuten 
lang: sie führen ihre Erfolge auf Einwirkung 
auf den Plexus solaris zurück. 

Laser (Wiesbaden). 

Seholtz, Über die Bedeutung der Wärme- 
itraklen bei der Behandlung mit konzen¬ 
triertem Licht nach Fingen. Berliner klin. 
Wochenschrift 1904. Nr. 18. 

Verfasser teilt eine Reihe von Versuchen 
ait aus denen er den Schluß ziehen zu können 
glaubt, daß bei der Behandlung des Lupus 
Tulgaris mit chemischen Lichtstrahlen auch die 
Winnestrahlen eine bedeutende Rolle spielen. 
Legt man z. B. auf eine Agarschicht einen 
Firnen sehen Kühlapparat und belichtet durch 
diesen mit konzentriertem elektrischen Bogen¬ 
licht (Tripletlampe), so schmilzt die Agarschicht 
an der Rückseite, nicht aber an der der Licht¬ 
quelle zugekehrten Seite, wo der Kühlapparat 
der Agarschicht aufliegt. Aus diesem und 
einigen anderen Versuchen, auf welche hier 


nicht näher eingegangen werden kann, folgert 
der Verfasser, daß die Abkühlung der Haut 
nur eine oberflächliche ist und daß in den 
tieferen Schichten die Wärme Wirkung zur Geltung 
kommt. Erstens läßt sich aber auf die schmieg¬ 
same lebende Haut ein ganz anderer Druck 
mit dem Kühlapparat ausüben als auf eine Agar- 
scbicht, so daß also auch die Kühlwirkuug 
beträchtlich weiter in die Tiefe sich erstreckt, 
und zweitens müßte man dann doch z. B. bei 
Belichtung der Wange an der Innenfläche, also 
auf der Schleimhaut eine Wärmewirkung erhalten, 
wenn wirklich die Kühlung nur eine ober¬ 
flächliche wäre; das ist aber selbst bei zwei¬ 
stündiger Belichtung niemals der Fall. Drittens 
spricht auch $e klinische Erfahrung gegen die 
Richtigkeit der Scholtzsehen Theorie, da 
gerade die tief gelegenen Lupusknötchen be¬ 
sonders resistent gegen die Lichtbehandlung 
sind, und die Heilung stets von der Oberfläche 
nach der Tiefe zu erfolgt. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Wright, On the methods of applicatlon of 
High frequency curents. Medical Electrology 
on d’Radiology 1904. November. 

Der Verfasser gibt zum größten Teil rein 
technische Mitteilungen über die Behandlung 
mit Hochfrequenzströmen, die kein allgemeines 
Interesse haben. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Mitteilungen aus Fi ns eng Medizinischem 

Lichtinstitut. Deutsche Ausgabe. Heft 7. 

Jena 1904. Gustav Fischer. 

Das 7. Heft der Mitteilungen aus dem 
Kopenhagener Lichtinstitut enthält eine Reihe 
von Arbeiten, welche sich auf die Einwirkung 
des Lichtes auf Bakterien und Infusorien und 
auf die Messung dieser bakteriziden Wirkung 
beziehen (Bang, Bie), ferner eine Arbeit über 
die histologischen Untersuchungen belichteter 
lupöser Haut, die E. Wan scher angestellt hat, 
und welche die gleichen Befunde ergeben, wie 
sie auch andere Autoren (Möller, Pilnoff, 
Glebowski, Leredde, Mac. Leod, Schmidt 
und Marcnse) erhoben haben: Degenerative 
Veränderungen an den Zellen der Epidermis 
und der Lupusknötchen, Dilatation der Gefäße 
und Auswanderung von Leukozyten, Neubildung 
von Bindegewebe. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


Das größte Interesse beanspruchen die 
beiden letzten Arbeiten des Heftes, welche sich 
mit der Sensibilisierung von Mikroorganismen 
und tierischem Gewebe für die gelben und 
gelbgrünen Strahlen des Spektrums (Dreyer) 
und mit der Einwirkung intensiven Lichtes auf 
Geschwulstzellen (Jensen und Jansen) be¬ 
schäftigen. Dreyer glaubt durch Injektion 
von 1 % Eosinlösung die menschliche Haut für 
die stark penetrierenden Strahlen ebenso 
empfindlich machen zu können, wie sie es 
normalerweise für die leider nur ziemlich 
oberflächlich wirkenden blauvioletten und 
ultravioletten Strahlen ist. (Leider hat sich 
die Methode praktisch-therapeutisch beim Lupus 
vulgaris nicht bewährt. Anm. i. Ref.) 

Jensen und Jansen haben exzidierte Teile 
einer leicht überimpfbaren Geschwulst von 
karzinomatösem Bau, welche bei weißen Mäusen 
vorkommt, der Einwirkung starken konzen¬ 
trierten Lichtes — unter Ausschluß der Wärme¬ 
strahlen — ausgesetzt und eine direkte Ab¬ 
tötung der Zellen — allerdings nur in sehr 
dünner Schicht — erzielt, so daß diese Zellen 
auf andere Mäuse tiberimpft nicht zur 
Geschwulstbildung führten, wie das die un¬ 
belichteten Zellen tun. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


II. Strebei, Eine neue Behandlungsweise für 
Lupus und bösartige Neubildungen mittelst 
molekulärer Zertrümmerung durch konti¬ 
nuierliche, hochgespannte, hochfrequente 
Funkenströme. Deutsche medizinische 
Wochenschrift 1904. Nr. 2. 

Autor hat die von französischer Seite 
inaugurierten, aber als erfolglos erwiesenen 
Versuche der Lupusbehandlung mit Hoch¬ 
frequenzströmen wieder aufgenommen unter 
Modifikation des Verfahrens: Er benutzt als 
Stromquelle einen großen Induktor, dessen 
Sekundärströrao zum Primärsolenoid und von 
dort zu einem richtig abgestimmten Resonator 
geleitet werden. Von dessen Schlußklemmen 
entnimmt er den Hochfrequenzstrom mittelst 
Leitungsschnur und einer von ihm für diesen 
Zweck konstruierten Elektrode. Diese wird i 
der Haut bis auf 1—2 mm genähert und nun 
gehen die Funken in kontinuierlichem Strom 
auf die Haut über und zerstieben dort nach 
allen Richtungen in kleine millimcterlange 
Abzweigungen. Nach ca. 5 Sekunden entsteht I 
auf der Haut ein weißer Fleck, die Oberhaut j 


wölbt sich vor, manchmal zerplatzt sie auch, 
etwa vorhandene Blutgefäßektasien verschwin¬ 
den sofort. Bei der Lupusbehandlung mit 
dieser „elektrischen Zertrümmerung“, wie 
Strebei sein Verfahren benennt, wird künst¬ 
lich ein Geschwür gebildet, das sich allmählich 
in eine bindegewebige Narbe umwandelt. Außer 
bei Lupus vulgaris hat er das Verfahren auch 
bei Lupus erythematodes, bei naevus planus, 
rosacea etc. mit Erfolg angewandt. 

J. Marcusc (Mannheim). 

H. Strebel, Lichttherapie in der Augenheil¬ 
kunde. Klinisch-therapeutische Wochenschrift 
1903. Nr. 45. 

Es handelt sich um allein den Namen 
Lichttherapie verdienende photochemothera¬ 
peutische Versuche mit blauen, violetten und 
ultravioletten kalten Strahlen, mit denen Tier- 

j ' 

versuche angestellt und folgende Resultate er¬ 
zielt wurden: 2 bis 3 Minuten lange Bestrahlung 
der Hornhaut ergab keine bleibende Beschädi¬ 
gung der Kornea, auch Netzhaut und Aderhaut 
wurden nicht nachweisbar geschädigt; die iris 
reagierte mit Hyperämie, mäßiger Entzündung 
und rasch vorübergehender Pigmentierung. Es 
erscheinen mithin cornea und conjunctiva der 
Lichtbehandlung zugänglich und analog ähn¬ 
lichen Prozessen auf der äußeren Haut kämen 
für eine solche die Konjunktivitis und Keratitis 
ekzematosa, Blepharitis squamosa, ulcerosa, 
Hordeolum, Chalazion eventuell in Betracht. 
Die hier gegebenen Deduktionen basieren 
freilich nur auf dem Tierversuche und cs muH 
erst weiteren eingehenden Versuchen überlassen 
bleiben, wie die Gewebe des Menschen sich 
dem gegenüber verhalten. 

J. Marcuse (Mannheim). 


Thor Stenbeck, Über den Einfluß der 
Teslaströme auf Lungentuberkulose. Fort¬ 
schritte der Medizin 1904. Nr. 33. 

Gegenüber den ersten Berichten über den 
günstigen Einfluß der Teslaströme bei Lungen¬ 
tuberkulose verhielt sich Stenbeck skeptisch. 
Als dann aber die Zahl der Beobachter, die 
gute Resultate hatten, sich mehrte, gab der 
Autor seinen ablehnenden Standpunkt auf und 
stellte an 22 Fällen mit chronischem Verlauf 
ihrer Krankheit Versuche an; diese fielen er¬ 
mutigend aus: ohne gleichzeitige Änderung der 
Lebensweise konstatierte er erhebliche Ge wichts- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Zunahmen, Nachlaß des Hustens, Verschwinden 
der Rasselgeräusche und Rhonchi. Ohne en¬ 
thusiastisch zu sein, hält er es für wahrschein¬ 
lich. daß die Teslaströme ein Hilfsmittel im 
Knüpfe gegen die Tuberkulose sind. 

Naumann (Meran-Reinerz). 


Xagnns Möller, Mitteilungen ans der Ab¬ 
teilung für Lichtbehandlung im Kranken¬ 
hause St. Qöran, Stockholm. Mit 7 Tafeln. 
Nordiskt wedicinskt Arkiv (in deutscher 
Sprache) 1904. Abt. II. Heft 3. Nr. 10. 

Die im Titel näher bezeichnete Abteilung 
für Lichtbehandlung besteht seit Oktober 1902 
and ist im wesentlichen nach dem Muster des 
Kopenhagen er Finaen - Institutes eingerichtet. 
Bis zum April 1904 wurden 113 Fälle behandelt 
und zwar: Lupus vulgaris 79, Lupus erythema¬ 
todes 17, Carcinoma cutis 12, Alopecia areata 3, 
Naevus vasculosus 1, Acne rosacea 1. Bei 
Lupus vulgaris wurde die Lichtbehandlung, die 
sich den sonst geübten Methoden durchweg 
überlegen zeigte, den besonderen Verhältnissen 
angepaßt, je nachdem es sich um primären oder 
fortgeieiteten oder mit anderen tuberkulösen 
Affektionen koordinierten Lupus handelte. 
Anderweitige tuberkulöse Herde fanden sich 
in 46 Fällen. Von den 32 entlassenen Lupus¬ 
patienten waren 17 geheilt, 10 nahezu geheilt, 
4 bedeutend gebessert, einer kaum beeinflußt. 
Die Lichtbehandlung hatte bald allein genügt, 
bald waren zur Unterstützung Salbenbehandlung 
oder Eingriffe wie galvanokaustische Punktur, 
Entfernung tuberkulöser Drüsen und dergleichen 
btransezogen worden. In Übereinstimmung 
mix der Breslauer Schule hält der Verfasser 
das Alt-Tuberkulin für ein vortreffliches Mittel 
rar Beurteilung des Heilungsresultates. Was 
<kn Lupus erythematodes anbelangt, so 
war die infiltrierte Form ein sehr gutes Objekt 
für die Lichtbehandlung, während bei der ober¬ 
flächlichen wenig zu erreichen war. Von 
12 Fällen von Hautkarzinom wurden 7 ge¬ 
heilt. Bei Alopecia areata war in 2 Fällen 
die Wirkung gut, in einem versagte die Licht¬ 
therapie. Ein Fall von Acne rosacea wurde 
befriedigend gebessert, weniger war bei einem 
Falle von Naevus vasculosus flamraeus 
faeiei zu erzielen. Der Arbeit ist eine 
tabellarische Übersicht über die behandelten 
Lupusfalle angehängt. 

Böttcher (Wiesbaden). 


Ali Krogins, über einen mit Röntgen- 
Strahlen erfolgreich behandelten Fall von 
Schädelsarkom. Langenbecks Archiv. Band 71. 
Heft 1 und Zentralblatt für die gesamte 
Therapie 1903. Heft 12. 

Während in der letzten Zeit einige Fälle 
von Heilung von Karzinomen mittelst Röntgen- 
Strahlen mitgeteilt wurden, berichtet der Ver¬ 
fasser über ein Schädelsarkom, das trotz einer 
eingreifenden Operation rezidivirte und endlich 
nach einer intensiven Röntgenbehandlung zur 
Heilung gebracht wurde. 

Es handelte sich um einen 40jährigen 
Schiffer, der keine Lues durchgemacht hat und 
der am Scheitel eine 5X6 cm große, am Knochen 
festsitzende Geschwulst aufwies. Wegen der 
diffusen Ausbreitung des Tumors konnte bei 
der Operation nicht radikal vorgegangen werden 
und es mußten mit dem Periost zusammen¬ 
hängende Teile der Geschwulst zurückgelassen 
werden. Desgleichen blieben auch Reste der 
Geschwulst am Knochen zurück, obwohl die 
oberste Schichte mit dem Meißel abgetragen 
wurde. Die mikroskopische Untersuchung er¬ 
gab ein Rundzellen-Sarkom. Nach neun Monaten 
stollte sich der Patient mit drei größeren 
Rezidiv-Knoten und mit mehreren kleinen 
Knoten in der Umgebung der Narbe vor. Bei 
dem Versuche, die Tumoren diesmal weit blo߬ 
zulegen und radikal zu entfernen, erwies sich 
dies als unmöglich und der Patient wurde nach 
Exstirpation eines Tumors entlassen. Nach 
einem Jahre stellte sich der Patient zum dritten 
Male vor und hatte dieses Mal mehrere große 
Geschwülste am Schädel, von denen die am 
Hinterhaupt sitzende 14X8 cm maß, und sich 
6 cm weit über das Niveau der Schädel-Decke 
erhob. Die ganze Kopf-Schwarte war von 
vielen kleiuen Geschwülsten übersät. 

Da unter diesen schwierigen Verhältnissen 
von einer Operation keine Rede sein konnte, 
so entschloß sich der Verfasser zur Röntgen- 
Behandlung. Die Behandlung war sehr intensiv; 
der Patient wurde jeden Tag bestrahlt. Die 
kleinen Tumoren verschwanden nach zirka 
14 Tagen, der große Tumor am Hinterhaupt 
nach sechs Wochen, ohne daß der Patient 
irgendwelche Nachteile von der Behandlung 
verspürt hätte. Etwa vier Monate nach Schluß 
der Behandlung konnte der Verfasser den 
Patienten untersuchen und konstatieren, daß 
kein Rezidiv vorhanden war. 

Der Verfasser ist leider nicht in der Lage, 
Aufschluß über die Vorgänge und Änderung 


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Referate über Bücher und Aufsätze 


in der Struktur des Tumors während der Heilung 
zu geben, da er keine Exzision aus dem Tumor 
während der Behandlung vorgenommen hat. 
Makroskopisch konnte man gar keine entzünd¬ 
liche Reaktion in der Umgebung des Tumors 
bemerken. 

Da es also offenbar maligne Geschwülste 
gibt, die durch Röntgen-Strahlen beeinflußt 
werden, so sollten nach Ansicht des Verfassers 
methodische Untersuchungeu darüber vorge¬ 
nommen werden, um auf diese Weise die 
Brauchbarkeit der Röntgen-Bestrahlung, even¬ 
tuell in Kombination mit operativen Eingriffen, 
genau festzustellen. 

Forchheimer (Würzburg). 

E. Verschiedenes. 

A. Mo8so, Laboratoire scientiflque inter¬ 
national du Monte Rosa. Travaux de Fan¬ 
nie 1903. Turin 1904. Hermann Loescher. 
295 S. gr. 8° mit zahlreichen Figuren und 
Kurven im Text. 

Der Ernest Solvay, dem belgischen 
Mäcen naturwissenschaftlicher Forschung, ge¬ 
widmete Band enthält 21 Abhandlungen ver¬ 
schiedener Autoren, welche dadurch mitein¬ 
ander verknüpft sind, daß sie sich alle mit 
der physiologischen Wirkung des Hochgebirges 
oder doch der verdünnten Luft auf Menschen 
und Tiere beschäftigen. Außerdem sind die 
Ergebnisse durch gemeinsame Arbeit der Autoren 
während des Sommers 1903 in der für wissen¬ 
schaftliche Zwecke wesentlich erweiterten und 
ausgebauten Regina-Margheritahütte des Monte 
Rosa entstanden, oder knüpfen doch unmittelbar 
an die dort gemachten Beobachtungen an. — 
So ist das Buch zugleich ein Dokument für die 
Bedeutung des von Mosso mit so vielen Mühen 
durchgesetzten Hochgebirgslaboratoriums und 
die vornehmste und zugleich eindrucksvollste 
Propaganda für die von ihm in Angriff ge¬ 
nommene Ausgestaltung dieses Laboratoriums 
durch Errichtung eines zweiten, mit Wohn- und 
Arbeitsräumen ausgestatteten Instituts in der 
wirtlicheren Höhe des Col d’Olen (2900 m). 
Mit dem Bau dieses als internationales gedachten 
und auch von der deutschen Reichsregierung 
unterstützten Instituts wird in diesem Sommer 
begonnen werden. 

Da die Arbeiten alle in das spezielle In¬ 
teressengebiet dieser Zeitschrift fallen, sollen 
sie, nach Materien geordnet, besprochen werden. 

Zwei Abhandlungen von Foä beschäftigen 
sich mit dem Einfluß des Hochgebirges auf 


die Zahl der roten Blutkörperchen. In Über¬ 
einstimmung mit dem Referenten schiebt Ver¬ 
fasser die im Hochgebirge gefundene Ver¬ 
mehrung der roten Blutkörperchen zum Teil 
auf eine andere Verteilung derselben. Er findet 
auf dem Monte Rosagipfel im Ohrvenenblut 
durchgängig eine bis drei Millionen rote Blut¬ 
körperchen mehr als im Blute der Carotis. 
Nach längerem Aufenthalt aber kommt es 
auch zu einer reellen Vermehrung, und ihr ent¬ 
spricht der histologische Befund des Knochen¬ 
marks. Dasselbe wurde nach ein- bis sechs¬ 
tägigem Verweilen der Tiere auf der Monte Rosa¬ 
spitze noch normal gefunden; nach längerem 
Aufenthalt war es bei Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen röter als normal und zeigte auch 
histologisch eine Zunahme der Blutneubildung. 

Dieser Befund harmoniert mit dem, welchen 
Loewy und Müller im Jahre 1901 bei Hunden 
nach längerem Aufenthalt auf dem Brienzer 
Rothorn (2200 m) erhoben haben. 

Die erwähnte Hyperglobulie in den Haut¬ 
gefäßen möchte Foä mechanisch aus der Er¬ 
niedrigung des Blutdrucks erklären. Als 
Anhaltspunkte dafür, daß eine solche im 
Hochgebirge bestehe, führt er die von ihm 
beobachtete geringe Energie des Spritzens 
angeschnittener Arterien an, ferner die sich in 
starker Cyanose äußernde Zirkulationsver¬ 
langsamung im Kamm der Hähne, der nur 
dann vorübergehend die normale rote Farbe 
annahm, wenn die Tiere erregt waren. (Hier 
dürfte auch geringere Arterialisation des Blutes 
infolge der Luftverdünnung beteiligt sein.) 

Einen frappanten Beweis, daß beim längeren 
Aufenthalt in 4600 m Höhe der Sauerstoff¬ 
mangel Störungen des Stoffwechsels 
bedingt, hat Galeotti durch Messung der 
Alkaleszenz des Blutes nach der von Loewy 
modifizierten Methode des Referenten geliefert. 
Bei Kaninchen, Hunden, Affen und an seinem 
eigenen Blute hat Galeotti gefunden, daß 
die Alkaleszenz oben um 36—48 °/ 0 ver¬ 
mindert ist. Geringere Verminderungen er¬ 
zielte er bei Tieren im Flachlande durch 
Atmung sauerstoffarmer Luft. Die Erscheinung 
ist analog dem Befunde von Milchsäure und 
flüchtigen Fettsäuren im Blute von Tieren, 
welche durch Kohlenoxydatmung oder auf 
andere Weise längere Zeit Sauerstoffmangel 
gelitten haben. 

Die Abnahme der Alkaleszenz müßte bei 
gleichbleibender Atemmechanik zu einer Ab¬ 
nahme der Kohlensäure im Blute führen. Eine 
Anzahl von Mosso und Marro ausgeführter 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


59 


Blat^iaanalysen nach der Methode von Hai¬ 
da ne und Barcroft ergeben aber nur sehr 
reringe, ins Bereich der gewöhnlichen Schwan¬ 
kungen fallende Minderungen der Blutkohlen- 
sinre. In bezug auf den Sauerstoffgehalt des 
Blut« ergeben die bisherigen Versuche, daß 
er meist in Monte Rosa-Höhe vermindert ist, 
aber doch in viel geringerem Grade, als bei 
der Herabsetzung der Sauerstoffspannung zu 
erwarten war. Die Vermehrung der Ery¬ 
throzyten hat die Wirkung der ge¬ 
ringeren Dichte nahezu kompensiert. Im 
Jahre vorher von den Autoren an Kaninchen 
ansgefnhrte Blutgasanalysen hatten übrigens 
viel erheblichere Abnahmen, sowohl des Sauer¬ 
stoffes als auch der Kohlensäure, auf dem Monte 
Rosa ergeben. Die Geringfügigkeit der Änderung 
d?r Blntkoh len säure hängt vielleicht mit der bei 
einigen der Tiere von Mos so beobachteten 
flacheren Atmung zusammen. Hier sind weitere 
Untersuchungen an einer größeren Zahl von 
Tieren nötig, bei welchen möglichst gleich¬ 
zeitig die Atemmechanik, der respiratorische 
Umsatz, die Blntkörperchenzahl und die Blut- 
giae untersucht werden. 

Kas die Atemmechanik angeht, so gibt 
Moggo mit Marro eine Anzahl Kurven von 
Hunden mit dem überraschenden Ergebnis, daß 
die Atemtiefe bei annähernd gleicher Frequenz 
auf dem Monte Rosa-Gipfel bedeutend geringer 
ist als in der Ebene. In gleichem Sinne 1 
sprechen die Kurven, welche Mosso von zwei 
Affen aufgenommen hat (p. 157) und diejenigen 
am Menschen (p. 187 Fig. 3 verglichen mit 
p- 195 Fig. 12, ebenso Fig. 6, 7, 9 gegen 10 
öüd 11). In den früheren, mit Hilfe der Gasuhr 
acgestellten Versuchen von Mosso ist von 
einer solchen Abnahme der Atemtiefe nichts zu 
bemerken. Meist ist im Gegenteil die Atmung in 
der Höhe merklich verstärkt und vertieft, so spe- 
aiell in allen vom Ref. mit Durig auf dem Monte 
Rosa-Gipfel ansgeführten Messungen. (S. 80—89 
dieses Werkes.) Ref. möchte daher glauben, daß 
die graphischen Versuche Mossos einen Fehler 
rinschließen, der dadurch bedingt ist, daß die 
mit Lufttransport arbeitenden Schreibapparate 
Bewegungen gleicher Größe um so kleiner 
registrieren, je niedriger der Luftdruck ist. 
Während die Spannung der Membran und die 
Kaße des Schreibhcbels dieselben bleiben, nimmt 
die Masse der sie verschiebenden Luft, also auch 
deren lebendige Kraft bei gleicher Exkursion der 
Aofhahmekapsel, mit sinkendem Druck ab. 

Wegen dieser Unsicherheit der Kurven sind 
Mch diejenigen Versuche nicht voll beweis¬ 


kräftig, durch welche Mosso (S. 184—203) 
darzutun sucht, daß dieselbe Menge CO a bei 
niedrigem Luftdruck das Atemzentrum weniger 
stark reize als bei normalem, daß also die 
Erregbarkeit des Atemzentrums in verdünnter 
Luft herabgesetzt sei. Man kann den vor¬ 
liegenden Versuchen auch deshalb volle Beweis¬ 
kraft nicht zubilligen, weil in der verdünnten 
Luft derselbe Prozentgehalt an Kohlensäure 
nicht den gleichen Partiardruck, also auch nicht 
denselben Prozentgehalt an CO s im Blute 
bedeutet 

ln einer späteren Abhandlung (Acad. di 
Torino 1905) ist bei Versuchen in verdünnter 
Luft im pneumatischen Kabinett diesem Um¬ 
stande Rechnung getragen; es bleiben aber 
noch die Bedenken gegen die Vergleichbarkeit 
der Kurven, so daß die Herabsetzung der 
Erregbarkeit noch nicht mit absoluter Sicherheit 
bewiesen ist. 

Dieses Problem wird auch durch eine Reihe 
von Versuchen berührt, in welchen unten und 
auf dem Berggipfel bestimmt wurde, wie lange 
ein Mensch den Atem anhalten kann, und wie 
sich nach einer solchen, so lange wie möglich 
durchgeführten Hemmung die nächsten Atem¬ 
züge und Pulse gestalten. Bei den drei jüngeren 
Versuchspersonen, welche zugleich diejenigen 
waren, die am längsten in der Ebene den Atem 
anhalten konnten, war diese Zeit auf «dem 
I Monte Rosa-Gipfel auf die Hälfte etwa verkürzt, 
entsprechend dem geringeren Sauerstoffvorrat 
in den Lungen; bei zwei älteren (Mosso und 
Galeotti) war die Atemsuspension erheblich 
kürzer; sie nahm aber auf dem Monte Rosa 
nicht weiter ab, konnte im Gegenteil in manchen 
Versuchen länger fortgesetzt werden als in der 
Ebene, was für eine Herabsetzung der Erreg¬ 
barkeit des Atemzentrums unter der dauernden 
Einwirkung der verdünnten Luft des Hoch¬ 
gebirges spricht 

In anderer Weise studierte Galeotti den 
Einfluß des Hochgebirges auf die nervösen 
Zentren, indem er die Zahl der Schluckakte 
maß, welche zwischen zwei tiefen Inspirationen 
ausgeführt werden können. Er fand diese Zahl 
im Hochgebirge erheblich geringer, im Ver¬ 
hältnis 15:9 und bei einer anderen Person 
17:9, dagegen war die Zeit zwischen Kontrak¬ 
tion des Pharynx und Auftreten des Schluck¬ 
geräusches an der Kardia im Hochgebirge ver¬ 
kürzt, im Mittel aller Versuche von 5,07 auf 
3,49 Sekunden. 

Die schon aus früheren Arbeiten bekannte 
Periodizität der Atmung im Hochgebirge hat 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


Mosso nochmals an einer größeren Anzahl 
von Personen studiert und dabei auch sehr 
interessante Mitbewegungen beobachtet. 

Bei einem älteren Manne, wo die periodische 
Atmung schon in 3600 m Höhe im Schlafe auf¬ 
trat, betrug die Pause zwischen je vier bis 
sechs Atemzügen 10—16 Sekunden, und der 
erste Atemzug jeder Periode wurde von einer 
Beugung des linken Beines begleitet. Auf der 
Margaritahtitte (4600 m) wurden ähnliche Er¬ 
scheinungen auch bei ans Hochgebirge ge¬ 
wöhnten Trägern beobachtet. Hier waren es 
bald Bewegungen des Beines, bald auch solche 
des Armes und sogar Erhebungen des Rumpfes, 
welche mit dem Anfang einer Atemperiode 
zusammenfielen. Meist waren die Perioden 
nicht durch eine absolute Ruhepause getrennt, 
sondern die Atmung verflachte sich mehr und 
mehr, bis dann mit einem viel tieferen, hör¬ 
baren Atemzuge eine neue Periode anwach¬ 
sender und dann wieder langsam abflachender 
Atemzüge begann. 

Zur Erklärung der komplizierten Erschei¬ 
nungen bringt Mosso ein reiches Kurven¬ 
material, welches zeigt, daß bei narkotisierten 
Tieren eine gewisse Unabhängigkeit der 
Reaktion der Zentren der einzelnen Atem¬ 
muskelgruppen besteht, daß dieselben nicht 
so straff dem einheitlichen Zentrum in der 
Med, oblongata uutergeordnet sind, wie man ge¬ 
wöhnlich annimmt, vielmehr auch einzeln durch 
das asphyktische Blut erregt werden können. 

Die in neuerer Zeit wohl allgemein an¬ 
erkannte Tatsache, daß geringe Schwankungen 
im Kohlensäuregehalt der Luft bzw. des Blutes 
einen viel größeren Einfluß auf dio Atmung 
haben, als selbst erhebliche Änderungen des 
Sauerstoffgehaltes, wird auch durch das Studium 
der thermischen Polypnoe von Hunden be¬ 
stätigt. Dieselbe wird bekanntlich nach 
Eichet durch Asphyxie aufgehoben. Mosso 
zeigt hier, daß sie auf der Höhe des Monte Rosa 
und in Luftverdünnungen bis weit unter eine 
halbe Atmosphäre, wie auch bei Verminderung 
des Sauerstoffgehalts der Luft bis auf 10 % 
unverändert fortbesteht, daß sie aber aufge¬ 
hoben wird, wenn der Atemluft 7a bis 1 % 
CO a beigefügt ist 

Auf ganz anderem Wege noch zeigt Mosso 
die Bedeutung des CO, oder richtiger eines 
gewissen Säuregehalts des Blutes für die Er¬ 
regung des Atemzentrums. Bei narkotisierten 
Tieren gelingt es, durch intravenöse Injektion 
einer passend verdünnten Natronlauge die 
Atmung herabzusetzen, ja sogar eine bis zwei 


Minuten und länger andauernde absolute Apnoe 
zu erzeugen. 1 ) Nach Beendigung des durch 
Säuremangel „Akapnie“ herbeigeführten Atem¬ 
stillstandes und häufig schon während der Injek¬ 
tion nimmt die Atmung einen ausgesprochen 
periodischen Charakter an, genau wie im Hoch¬ 
gebirge. 

Zur Beurteilung der Einwirkung der Luft¬ 
verdünnung auf die Blutgase muß man die 
Zusammensetzung der mit dem Blute in direkte 
Berührung tretenden Luft in den Lungenalveolen 
kennen. Während Loewy und Referent vor¬ 
ziehen, diese Zusammensetzung aus der Analyse 
der Exspirationsluft unter Berücksichtigung 
der in jeder Ausatmung enthaltenen Menge 
unveränderter Luft, dem etwa 140 ccm fassenden 
Weg von der Nase bis zu den Alveolen ent¬ 
stammend, zu berechnen, bestimmt Aggazzotti 
sie direkt, indem er die letzten 250 ccm einer 
tiefen Exspiration auffängt und analysiert. Es 
ist hier nicht der Ort, die Vor- und Nachteile 
beider Methoden abzuwägen. — Aggazzotti 
kommt durch Versuche im pneumatischen 
Kabinett zu der Anschauung, daß in verdünnter 
Luft die CO,-Ausscheidung gesteigert ist, und 
daß infolgedessen nach Rückkehr zu normalem 
Druck die CO 2 -Spannung in den Alveolen 
erniedrigt und entsprechend dem geringer ge¬ 
wordenen Reiz die Lungenventilation herab¬ 
gesetzt ist. Man wird aber hierbei an eine 
mechanische „Auspumpung“ der CO 2 aus dem 
Blute nicht denken dürfen, vielmehr geht 
aus Aggazzottis Analysen der Alveolarluft 
hervor, daß deren CO 2 - Gehalt bei Luftver¬ 
dünnung infolge der gleichzeitig verstärkten 
Ventilation viel weniger steigt als der Druck 
sinkt, daß also der den C02-Cehalt des Blutes 
regelnde Partiardruck in den Alveolen (infolge 
der nachgewiesenen Zunahme dos Atemvolumen) 
stark herabgesetzt ist. 

Eine interessante Hochgebirgswirkung zeigt 
sich in Versuchen von Galeotti nach Alkohol¬ 
genuß. Während der gewöhnlich abstinent 
lebende Experimentator in Turin nach 40 ccm 
absoluten Alkohols eine erhebliche Zunahme 
des Atemvolums, eine Verstärkung der systo¬ 
lischen Erhebung und deutlicheDicrotie aufwies, 
blieben alle diese Folgen auf dem Monte 
Rosa-Gipfel aus, ebenso wie die in Turin 
deutlich verspürten Erscheinungen eines leichten 

J ) Es sei hier daran erinnert, daß 
C. Lehmann im Laboratorium des Referenten 
bereits im Jahre 1883 analoge Versuche aus¬ 
geführt und gezeigt hat, daß die Ateragröße 
durch Säuren erhöht, durch Laugen herab¬ 
gesetzt wird (Pflügers Archiv 42, S. 284). 


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61 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Rausches. Da die in den Lungen abdampfende 
Alkoholmenge zu gering ist, als daß ihre Ver¬ 
mehrung durch die Luftverdünnung merklich 
it Betracht käme, spricht auch diese Erfahrung 
im Sinne einer im Hochgebirge veränderten 
Erregbarkeit des Zentralnervensystems. 

Direkte Vergleichungen des 0-Verbrauchs 
und der C0 3 -Ausscheidung im Tal und auf der 
Hohe führte Aggazzotti an Meerschweinchen 
iqs. Die Versuche ergaben keinen nennens¬ 
werten Unterschied; oben war die C0 2 -Aus¬ 
scheidung ein wenig erhöht, die Sauerstoffauf- 
cahme ganz unverändert. Dies Resultat stimmt 
mit einigen der älteren Versuche am Menschen 
obcTein, während eine größere Anzahl derselben 
Steigerung des Stoffwechsels im Hochgebirge, 
namentlich während der ersten Tage des Auf¬ 
enthalts ergeben hatten. 

Diese Frage wurde eingehender bearbeitet 
von Durig nnd dem Referenten, welche, von 
Mosso und seinen Genossen aufs liebens¬ 
würdigste aufgenommen und unterstützt, einige 
Tag* mit ihnen zusammen und dann noch 
längere Zeit allein in der Margheritahütte 
arbeiteten. (S. 65—114 des Buches.) 

W ir fanden den Ruhegaswechsel in 2900 m 
Höhe Doch kaum merklich beeinflußt, in 4560 m 
HObo dagegen andauernd um etwa 15°/ 0 gegen 
die Norm in der Ebene gesteigert Unter den 80 
Raheversuchen im Liegen, welche wir im Laufe 
unseres 17 tägigen Aufenthalts ausgefuhrt haben, 
ist keiner, in welchem der Sauerstoffverbrauch 
nicht wenigstens um 10 ccm höher ist, als im 
Durchschnitt der Versuch im Flachlande. Die 
einzelnen, unter gleichen Bedingungen aus- 
g» führten Versuche stimmen auch untereinander 
sehr gut überein. Das meist schöne Wetter 
während des Aufenthalts machte es möglich, 
auch zahlreiche Ruhcversuche im Freien aus- 
idukren, welche ergaben, daß die intensive 
Besonnung und der Wind eine weitere 
Steigerung des Gaswechsels bewirkten. Der 
gleiche Effekt wurde einige Stunden nach 
größeren Mnskelanstrengungen beobachtet 
Diese hatten schon in 2900 m Höhe eine 
Steigerung des Ruheumsatzes zur Folge. 

Id stärkerem Verhältnis noch als die 
*>v\dation8proze8se, war die Lungenventilation 
iu der Höhe gesteigert, und sie wurde auch in 
erheblicherem Maße durch Sonne und Wind 
beeinflußt. 

Es wurde ferner der Stoffverbrauch bei 
Marschleistungen bestimmt nnd festgestellt, 
«laß der horizontale Marsch auf gutem Wege 
iim Zimmer; oben mit erheblich größerem 


Verbrauch an Sauerstoff und chemischer 
Energie verbunden ist als im Flaohlande. 

Auch bei den Märschen auf dem großen 
Gletscherfelde, das zwischen den einzelnen 
Gipfeln des Monte Rosa Massifs sich aus¬ 
breitet wurde ein sehr viel höherer Verbrauch 
gefunden, als bei analogen Schneemärschen in 
der Umgebung von Wien und Berlin. Es 
dürfte also jetzt eine genügend gesicherte 
Tatsache sein, daß im Hochgebirge, wahr¬ 
scheinlich als eine direkte Folge der Ver¬ 
änderungen, welche die andauernde mäßige 
Sauerstoffarmut hervorbringt, alle Leistungen 
des Körpers einen höheron Sauerstoffverbrauch 
und entsprechend verstärkte Kohlensäure - 
Produktion bedingen. Daher ist denn auch 
die Leistungsfähigkeit des Menschen unter 
solchen Bedingungen wesentlich herabgesetzt. 

N. Zuntz (Berlin). 

Frey, Venendruckmessung bei Behandlung 
Herzkranker mit physikalischen Heil¬ 
mitteln. Medizinische Woche 1904. Nr. 46. 

Aus therapeutischen Gründen sind die 
Kreislaufstörungen in zwei große Gruppen ein- 
zuteilon, einmal in Fälle, bei denen im Vorder¬ 
gründe der Erscheinungen Symptome stehen, 
die auf eine mangelnde Propulsivkraft des 
Herzens zurückzuführen sind, und zweitens in 
solche, in denen Störungserscheinungen auf der 
Venenseite für mangelnde Aspirationskraft des 
Herzens sprechen, jo nachdem im gegebenen 
Falle, einerlei ob es sich' um Klappenaffektion, 
um Muskelinsuffizienz oder um beides gleich¬ 
zeitig handelt, die einen oder die anderen Er¬ 
scheinungen mehr hervortreten, werden die ent¬ 
sprechenden Kurmittel anzuwendön sein. Wo 
die Propulsivkraft gelitten, werden Erschütte¬ 
rung über der Herzgegend und zwischen den 
Schulterblättern, die die Herzaktion verlang¬ 
samen, sowie kohlensaure Bäder, die durch 
Erweiterung des Hautkapillarnetzes die peri¬ 
pheren Widerstände und damit die Anforde¬ 
rungen an den Herzmuskeln vermindorn, an¬ 
gezeigt sein. Wo die Aspirationskraft gelitten, 
werden Prozeduren in Anwendung zu ziehen 
sein, die den Rückfluß des Venenblutcs be¬ 
günstigen, wie Respirationsgymnastik, allge¬ 
meine Gymnastik, Massage und Terrainkur. 
Außer den verschiedenen klinischen Unter- 
suebungsmetboden sind die Druckverhältnisse 
am Gefäßsystem selbst ein sicheres Indizium 
zur Entscheidung dieser Frage. Die Energie, 
mit der sich der Kreislauf vollzieht, hängt ab 


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Personalnotizen. — Tagesgeschichtliche Notizen. 


62 


von der Differenz zwischen Arterien- und Venen¬ 
druck. Bei jeder Kreislaufstörung ist diese 
Differenz vermindert, der Arteriendruck ist 
kleiner, der Venendruck größer. Die Venen¬ 
druckmessungen nun beruhen auf dem physio¬ 
logischen Postulat, daß in Hautvenen und tiefer¬ 
liegenden Venen, die gleich weit vom Vorhof 
entfernt sind, der gleiche Druck herrscht, wie 
das ja bei den zahlreichen Anamostosen, die 
beide verbinden, nicht anders denkbar ist Für 
diese Zwecke hat bekanntlich Frey einen 
Venendruckmesser konstruiert, der gewöhnlich 
an den Hautvenen des Handrückens adaptiert 
wird, und der an seiner Skala in dem kleinsten 
ablesbaren Druck der Pelotte, der eben noch 


ausreicht, die Vene zu verschließen, das Blut 
nach den Anastomosen abzulenken, das Maß 
für den bestehenden Venendruck gibt. Bei 
normalem Kreislauf, die Hand in der Höhe des 
Herzens gelagert, schwankt der Druck an den 
Handrückenvenen zwischen 8—12 g. Höhere 
Druckwerte, falls sie nicht durch die Einwirkung 
der Schwerkraft oder durch physiologische 
Steigerung der Zirkulationsvorgänge bedingt 
sind, sprechen für eine Kreislaufstörung. Zu¬ 
meist ist diese veranlaßt durch eine Erkrankung 
des Herzens; doch werden auch bei gewissen 
Veränderungen in den Lungen, der Leber, den 
Nieren Venendrucksteigerungen beobachtet. 

J. Marcuse (Mannheim). 


Personalnotizen. 


Herrn Geheimrat Prof. Dr. v. Leyden wurde von der Kaiserl. Leop.-Carol. Akademie 
der Naturforscher in Halle a. S. wegen seiner hervorragenden Verdienste um die wissen¬ 
schaftliche Vertiefung der Ernährungstherapie und Diätetik die goldene Cothcnius-Denk- 
münze verliehen. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Herr Dr. Walter Cohn teilt uns mit, daß er nach Ausscheiden der bisherigen Besitzerin 
die Leitung des Sanatoriums „Karlsbad“, Berlin W., Potsdamerstraße 27 b übernommen hat. Es 
werden daselbst alle Methoden der physikalisch-diätetischen Therapie zur Anwendung gebracht. 
Die Anstalt steht den Ärzten zur Behandlung ihrer Patienten jederzeit zur Verfügung. 


Die allgemeine physikalische Kuranstalt und Fango-Kuranstalt in Berlin W., Krausen- 
straße 1, die von den Herren DDr. G. Bein, E. Cohn, H. Davidsohn und M. Scheffler 
geleitet wird, hat im Februar ein Inhalatorium, System Dr. Bulling, eröffnet. Die Kur¬ 
mittel der Anstalt umfassen nunmehr alle Anlagen und Apparate für die Hydro-, Mechano- und 
Thermotherapie, Massage, Fangokuren, Lichtbehandlung, elektrische Behandlung, Röntgen¬ 
therapie und Diagnostik. Die Anstalt ist mit einem Pensionat zur Aufnahme und Verpflegung 
von Patienten verbunden (5—15 M. pro die). Ärzten wird auf Wunsch gestattet, ihre Patienten 
selbst zu behandeln. 


Ein Inhalatorium System Dr. Heryng ist in Berlin W., Potsdamerstraße 10/11 eröffnet 
worden. Dasselbe steht unter ärztlicher Leitung und verfügt über folgende Einrichtungen: 

Saal I für spezielle gasförmige Inhalation; 

,, II für Mineralwasserzerstäubung, Soole: Wiesbaden, Kreuznach; Alkal. Wasser: 

Soden, Ems, Vichy etc.; Eisenwässer: Pyrmont, Spaa etc.; 

„ IU Inhalationen an Apparaten für kalten, lauwarmen und heißen Spray; 

„ IV Inhalationen mit Sauerstoff und ozonisierter Luft; 


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Eingegangene Schriften. 


63 


Saal V Inhalationsraum für spezielle Erkrankungen der Respirationsorgane (Tuber¬ 
kulose etc. besonderer Eingang); 

„ VI Dauerinhalation für obige Zwecke. 

Die zu den Apparaten geleitete Preßluft passiert zwei Systeme von Filtern und eine 
Vorrichtung zum Vorwärmen. Der Ventilationsfrage ist in ausgiebiger Weise Rechnung getragen. 
Es liegt in den Intentionen der Anstalt, nur von den Herren Ärzten überwiesene Patienten in 
Behandlung zu nehmen. Der leitende Arzt des Inhalatoriums ist verpflichtet, auf jede Privat¬ 
praxis zu verzichten. 

Die Anstalt besitzt ein vollständig eingerichtetes Laboratorium für alle wissenschaftlichen, 
die Entwicklung der Inhalationstherapie fördernden Zwecke. Den Herren Ärzten, welche in 
dieser Richtung Untersuchungen anstellen wollen, steht das Laboratorium zur freien Verfügung. 


Zum 22. Kongreß für innere Medizin (12.—15. April 1905 zu Wiesbaden) sind außer den 
bereits im Februarheft dieser Zeitschrift angezeigten Vorträgen noch folgende angemeldet worden: 
Herr Siegfried Kaminer und Herr Ernst Meyer (Berlin): Experimentelle Untersuchungen 
aber die Bedeutung des Applikationsortes für die Reaktionshöhe bei diagnostischen Tuberkulin- 
mjektionen; Herr A. Bickel (Berlin): Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß von 
Kochsalzthermen auf die Magensaftsekretion; Herr August Laqueur (Berlin): Mitteilungen zur 
Behandlung von Herzkrankheiten mit Wechselstrombädern; Herr Aufrecht (Magdeburg): Erfolg¬ 
reiche Anwendung des Tuberkulin bei sonst fast aussichtslos kranken fiebernden Phthisikern; 
Herr Hornberger (Frankfurt a. M.): Die Mechanik des Kreislaufes; Herr Rumpf (Bonn): Über 
chemische Befunde im Blute und in den Organen bei Nephritis; Herr L. Gürisch (Parchwitz): 
Die tonsillare Radikaltherapie des Gelenkrheumatismus (mit Demonstrationen); Herr Rothschild 
Soden a.T.); Der angeborene Thorax paralyticus; Herr 0. Hezel (Wiesbaden): 1. Beitrag zu 
des Frühsymptomen der Tabes dorsalis; 2. Über eine gelungene Nervcnpfropfung, ausgeführt 
zur Heilung einer alten stationär gebliebenen Lähmung einiger Muskeln aus dem Gebiete des 
X.peroneus: Herr Bernh. Fischer (Bonn): Über Arterienerkrankungen nach Adrenalininjektionen; 
Herr Gerhardt (Erlangen): Beitrag zur Lehre von der Mechanik der Klappenfehler; Herr 
Lüthje (Tübingen): Beitrag zum experimentellen Diabetes; Herr Kohnstamm (Königstein i. T.): 
Die zentrifugale Strömung im sensiblen Nerven; Herr Goldmann (Brennburg-Sopron): Neuere 
Beitrage zur Eisentherapie bei Chlorose und Anämie; Herr Friedei Pick (Prag): Über Influenza: 
Herr Turban (Davos): Demonstration und Erläuterung mikroskopischer Präparate: 1. Tuberkel¬ 
bazillen: Kern- und Membranbildung; 2. Elastische Fasern: Fettorganisation und DoppelfÜrbung; 
3. Geheilt« Caveme; 4. Tuberkulose und Karzinom. 

Mit dem Kongresse ist die übliche Ausstellung von Instrumenten, Apparaten 
und Präparaten, soweit sie für die innere Medizin von Interesse sind, verbunden. 

Anmeldungen von Vorträgen und für die Ausstellung sind zu richten an Geheim rat 
Dt. Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Parkstrasse 13. 


Eingegangene Schriften. 


A. Sperling. Gesundheit und Lebensglück. Ärztlicher Ratgeber für Gesunde und 
Kranke. (Berlin 1904. Ullstein & Co.) — Göteborgs Kungl. Ventenscaps och Vitterhets 
Samhälles Handlinger. (Göteborg. Wottergres & Kerber.) — Annales mßdicales et bulletin 
de statistique de l’hopital d’enfants hamidiä publiä le jour anniversaire de l’avenement au tröne 
de S. M. L le Sultan. (Constantinople, Imprimerie 0sman6 1904.) — First report of the Wellcome 
research laboratories at the Gordon Memorial College Khartonm. By the director Andrew 
Balfour. (Departement of education, Sudan Government, Khartoum 1904.) — Th. Heryng. 
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Kehlkopfkrankheiten. (Julius 
Springer. Berlin 1905.) — First annual report of the Henry Phipps Institute for the study, 
treatement and prevention of tuberculosis. (Philadelphia 1905.) 


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Thcrapeut>bc fteubdUm. 

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Therapeutische Neuheiten 


A rin sprelzapparat. 

Modell der Rduiglhdmn Olm rite x\\ Berlin, 

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Situ: nM Armhnliije .lassen -sieh ttdiebi^- : :.V(M k stdU»ö *tud st» den veraemedüüöt^n Kdrper- 
dimensionen unpassen. Durch Vemitk-VfeB der Gewichte läßt sieh der Widerstand dosieren. 
Befinden sieh die Gewichte auf d^p äußeren Hebelarmen, «4% bedingen sie ein aktives Sju-eizen 


nach außen und passives Anziehen der Anne muh inmm; Befinden sie *iefi auf den inneren 
HehelarDien. ft«.» bedingen die Gewichte ein pnseiWis Spreizen nach aMlhm und aktivem Aotielici» 
der Arme nach innen. Zu di* sem Zweck werden YJiV Arme geltet nnd ist dann die Atisganj<s- 
«tcIUVofe ghath d<:r pwiktierterv auf der AMdhta#. Komplett auf fdmdcUui bctogtW K/diüpj 

Preis Mk, m> 

Liv/^&uU 'K}V. 


UrUüX v f <)/i -W< ri<tv.«u;ueic» k 


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’U. ;^v v- ■'vöri g-i rialfrorp . • 

. •ÜNiyERSTTY 1 ’ QF>MfCWi6AN 






ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 

von 

Prof. t. BAßES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CURSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), ^Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prot Jl FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
iBerlin). Prof. J. GAD (Prag). Geh.-Rat Prof. UEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
'Leipzigl Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
G. KUEMPERER (Berlin). Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
Geh-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINE8CU (Bukarest), Prof. 
HABITUS (Rostock), Prof. v. MERING (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
Greifswald). Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straßburg), Prof. v. NOORDEN 
Frankfurt a. M.). Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
•Prag), Geh.-Rat. Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENYERS (Berlin), Prof. ROSENSTEEN 
Leiden*. Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt SCHAPER (Berlin), Prof, 
SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof. 
t. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien). 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Zweites Heft. 


1. MAI 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Original fro-m 

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Preis des Jahrganges M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensbnrgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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Original fro-m 

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INHALT. 


I. Original-Arbeiten. Seite 

L Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen und die Entgiftung von Toxinen durch 
die Spermintherapie. Von Prof. Dr. Fürst J. v. Tarchanoff, Prof. Dr. 

A. v. Poehl und Dr. Alfred v. Poehl in Petersburg.69 

II. The Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel. Von Dr.L.Nenadovics 

in Franzensbad.86 

m. Zur Behandlung der Arteriosklerose mit Moorbädern. Von Arthur Loebel in Dorna 90 


II. Berichte über Kongresse und Vereine. 

Bericht über die 26. öffentliche Versammlung der Baineologischen Gesellschaft in Berlin, 


9.—13. März 1905. Von Dr. G. L. Mamlock.91 

III. Referate über Bücher und Auflsfttze. 

A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Monti, Die Ernährung der Säuglinge mit Frauenmilch.104 

Hsnoemannn und Kasack, Krankendiät.104 

Kobert. Über Xährkefir. 105 

Mraufl. Weitere Beiträge zur Frage der Kochsalzentziehung bei Nephritikern .... 105 
Mohr. Zur Behandlung des Diabetes mellitus.106 

B. Hydro-, Balneo- und Kümatotherapie. 

Miller, Einige Beobachtungen über die radioaktive Substanz im Fango.107 

hetermann, Da« Luftbad, seine physiologische Wirkung und ärztliche Verwendung . . 107 

Epitein, Die Rolle der Hydrotherapie in der Psychiatrie.. 109 

lariiet, ün cas d’bypotension d’origine cardiaque am61ior6 par Thydrotherapie . . . 110 

Mehr, Cber die Indikationsstellung bei Wechsclstrombädem.110 

Katby. Seeklima und Tuberkulose.111 

Schmidt, Über den Einfluß der Witterung auf die Häufigkeit der Apoplexien .... 111 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie nnd Apparatbehandlung. 

Andermann, Ein neues Verfahren znr Behandlung akuter und chronischer Gelenk- 


erkrankungen.111 

v Lnzenberger, Eigene Erfahrungen über die Nägelischen Handgriffe.112 

Jedermann, Über die Verwendung der Vibrationsmassage zur Ausführung von Schniier- 

kuren.112 

Beyfr, Über die Behandlung von Deformitäten mit. Hilfe elastischer Ileftpflasterzug- 

verbände.113 

5* 



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68 


Inhalt. 


Seite 

D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie. 

Mac Lcod, J. M. H., Über die pathologische Wirkung der Röntgenstrahlen.113 

Halberstacdter, Die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Ovarien.113 

Rutherford, Radio-Activity.114 

Escard, Le Radium et ses propri6t6s.114 

Jacob, The treatment of Lupus by X-Rays and the Finsen Lamp.114 

Nash, Memorandum on the red light treatment of small-pox.114 

Rickets and Byles, Further note on the red light treatment of small-pox.114 

Einhorn, Radiumbehälter für den Magen, Ösophagus und Rektum.115 

E. Serum- und Organotherapie. 

Forsyth, Inoculations with Haffkines Plague Prophylactic.115 

Miller, Some observations on over 6000 Inoculations against Plague.115 

Neuburger, Die Vorgeschichte der antitoxischen Therapie der akuten Infektions¬ 
krankheiten .116 

Parhon et Goldstein, Sur Texistence d’un antagonisme entre les fonctions de l’ovaire 

et celles du corps thyreolde.116 

Laumonier, Les nouveaux traitements.117 

F. Verschiedenes. 

v. Grolman, Ärztliches Jahrbuch 1905 . 117 

v. Lind heim, Saluti aegrorum.117 

Senator und Kaminer, Krankheiten und Ehe. Darstellung der Beziehungen zwischen 

Gesundheitsstörungen und Ehegemeinschaft.119 


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Original-Arbeiten, 


i. 

Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen und 
die Entgiftung von Toxinen durch die Spermintherapie. 

Von 

Prof. Dr. Forst J. v. Tarchanoff, 

Prof. Dr. A. y. Poehl und Dr. Alfred y. Poehl 

in Petersburg. 

l)\e früher verbreiteten Ansichten, daß die meisten Autointoxikationen vom 
barm aus herrühren und stets durch Anwesenheit von Toxinen bedingt seien, hat 
man jetzt mit Recht fallen lassen. Zweifelsohne ist der Darmtraktus eine wesent¬ 
liche Quelle der Autointoxikationen, denn es können sich in demselben toxische 
Produkte bilden; die neueren Forschungen auf dem Gebiete der physiologischen 
Chemie 1 ) erweisen jedoch, daß viel häufiger Autointoxikationen Vorkommen, bei 
denen herabgesetzte Gewebsatmung infolge von Übermüdung und Überreizung ver¬ 
schiedener Gewebe und Organe mit gleichzeitiger Herabsetzung der Blutalkaleszenz 
die Ursache bilden. 

Wir wollen hier kurz das Wesentlichste über diese Autointoxikationen dem 
Leser anführen. 

Die Lebenstätigkeit jeder Zelle und jedes Gewebes bedingt die regressive 
Metamorphose der gewebebildenden Materie. Ein Leben ohne Bildung von Stoff¬ 
wechselprodukten ist nicht denkbar. Eine der wesentlichsten Lebensaufgaben der 
Gewebe besteht in der Fortschaffung der Stoffwechselprodukte, da die Gewebe nur 
in dem Falle normal funktionieren können, wenn sie von ihren Stoffwechsel¬ 
produkten befreit werden. Viele der Stoffwechselprodukte, wie Xanthin, Kreatin, 
Xeurin, Cholin etc., sind direkt toxisch und rufen je nach der Qualität und Quan¬ 
tität die mannigfaltigsten Vergiftungserscheinungen hervor. Außerdem verursachen 
auch die sogenannten indifferenten Stoffwechselprodukte als Fremdkörper bei An¬ 
häufung in einem Gewebe Störungen der Funktion und es werden somit je nach 
dem Ort, resp. der Natur des Gewebes (Muskel-,Nervengewebe, Gefäßwandungen etc.), 
in dem die Anhäufung resp. erschwerte Fortschaffung stattfindet, die Krankheits¬ 
erscheinungen sehr mannigfaltig sein. 

Die Fortschaffung der Stoffwechselprodukte aus den Geweben fällt zum großen 
Teil der Gewebsatmung zu, die somit den Selbstschutz des Organismus vor der 
Selbstvergiftung desselben besorgt. 


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70 


Füret J. v. Tarchanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 


Die Arbeiten von Bouchard 2 ), Arm. Gautier 3 ) etc. haben nachgewiesen, 
daß die toxischen Stoffwechselprodukte durch Oxydation und Hydratation entweder 
ganz entgiftet werden, oder aber daß die Toxizität derselben wesentlich verringert 
wird. Als Beispiel möge die Verwandlung des Neurins durch Oxydation in das Cholin 
dienen. Nach Gantier entspricht 0,005 Neurin in Hinsicht der toxischen Wirkung 
0,1 Cholin beim Kaninchen, doch ist dabei der qualitative Charakter dieses sehr 
starken Herzgiftes wenig verändert. Das in seiner toxischen Wirkung durch Konvul¬ 
sionen sich charakterisierende Kreatin, wie auch Kreatinin, werden im Organismus 
durch Oxydation und Hydratation in den indifferenten Harnstoff verwandelt. 

Das sehr toxische Hypoxanthin (es ruft nach Gautier 4 ) Muskelkrampf und 
Paralyse des Rückenmarks hervor) wird durch Oxydation in das weniger toxische 
Xantin verwandelt und geht schließlich in die vollkommen indifferenten Körper, 
Alloxan und Harnstoff, über. 

Kreatin- und Xanthinverbindungen sowie ähnliche toxische Substanzen werden 
mit dem Harn ausgeschieden. Sie treten in größerer Menge im Harn, besonders 
bei Krankheiten auf, welche mit herabgesetzten Oxydationsprozessen einhergehen. 

Bouchard 6 ) war der erste, der den Nachweis führte, daß bei Erhöhung 
der Oxydationsprozesse die Toxizität des Harnes sich wesentlich verringert. 

Die Oxydation hat nicht nur die Aufgabe, die toxischen Stoffwechselprodukte 
zu entgiften, sondern auch die unlöslichen Produkte der regressiven Metamorphose 
in lösliche Verbindungen zu verwandeln 6 ). Dank diesem Umstande wird überhaupt 
die Möglichkeit geboten, daß die Stoffwechselprodukte aus den Geweben fort¬ 
geschafft werden können und in [den allgemeinen Säftekreislauf gelangen, um 
schließlich durch die Nieren, Haut etc. den Organismus zu verlassen. 

Unter gewöhnlichen Bedingungen führen die Gewebe in unserem Organismus, 
wie Gautier es bewiesen, ein unbedingt aörobes Leben und sind von sauerstoff¬ 
führenden und die Oxydation begünstigenden Organsäften umspült. Wenn aber 
im Organismus Momente eintreten, welche die Oxydation herabsetzen, dann fuhren 
die Gewebe, wie Gautier es nachgewiesen, ein (fakultativ) anaerobes Leben. 
Diese Momente geben sodann Veranlassung zu einer Art von Autointoxikation, 
welche Prof. Poehl 7 ) als „Autointoxikation infolge herabgesetzter Gewebsatmung“ 
bezeichnet hat. Auf experimentellem Wege hat Gautier 8 ) in Gemeinschaft mit 
Lando-Landi 8 ) nachgewiesen, daß beim anaeroben Leben der Gewebe die Bildung 
der toxischen und schwer löslichen intermediären N-Verbindungen steigt, viel 
Milchsäure produziert wird und die höheren Oxydationsstufen der Stoffwechsel¬ 
produkte in äußerst geringer Menge gebildet werden. 

Die Oxydationsprozesse, welche, wie wir sehen, im Organismus den Selbst¬ 
schutz gegen die Autointoxikationen besorgen, werden durch katalytische Vor¬ 
gänge beeinflußt. Ostwald 9 ) behauptet in bezug auf die Oxydationsvorgänge 
im Organismus, daß 

die Beschaffung der erforderlichen chemischen Energie durch Verbrennung 
auf Kosten des Luftsauerstoffes nur unter entschiedener Mitwirkung von 
Katalysatoren (Enzymen) vor sich geht und ohne diese unmöglich ist. 
Denn der freie Sauerstoff ist, wie bekannt, ein träger Stoff bei den 
Temperaturen der Organismen und ohne Beschleunigung seiner Reaktions¬ 
geschwindigkeit wäre die Erhaltung des Lebens unmöglich. 


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Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen. 


71 


Nach Ostwald beschleunigen positive Katalysatoren bestimmte Reaktionen, 
negative Katalysatoren rufen eine Verlangsamung derselben hervor. 

Ein positiver Katalysator der Oxydationsprozesse im tierischen Organismus ist, 
wie es Prof. Poehl nachgewiesen hat, das Spermin (C 5 H U N 2 ), ein sich unter 
gewis sen Bedingungen bei dem Zerfall der Leukozyten bildendes Produkt, welches 
nach Ansicht von Prof. Poehl 10 ), Prof. Fürst Tarchanoff 11 ), Prof. Loewy 12 ), 
Richter 13 ), Gautier 14 ) etc. bei der Leukozytose eine wichtige Rolle spielt. 

Das Spermin aus den Testikeln von Prof. Poehl gewonnen, ist als Arznei¬ 
mittel unter Bezeichnung von Sperminum-Poehl in die medizinische Praxis 
eingeführt bei den mannigfaltigsten Erkrankungen, bei denen die Gewebsatmung 
herabgesetzt ist (Anämie, Tuberkulose, verschiedene Hautkrankheiten, Typhus, 
harnsaure Diathese, Diabetes, Erkrankungen des Nervensystems etc.) mit aus¬ 
gesprochenem therapeutischen Erfolg angewandt 15 ). 

Die klinischen Beobachtungen, von denen sehr viele mit eingehenden Harn¬ 
analysen ausgeführt sind, beweisen, daß die Oxydationsenergie im Organismus 
nach Anwendung von Sperminum-Poehl per os, subkutan oder per clysma 
erhöht wird. Hierfür sprechen auch die von Prof. A. Loewy und P. F. Richter 
ansgeführten, direkten und höchst interessanten gasanalytischen Beobachtungen, 
daß in Fällen, wo der Sauerstoffverbrauch gesunken ist, derselbe nach Einführung 
von Sperminum-Poehl wieder in die Höhe getrieben und die herabgesetzte 
Blntalkaleszenz zur Norm gebracht wird. 

Die Herabsetzung der Blutalkaleszenz wird meist durch Anhäufung von 
Milchsäure in den Geweben bedingt. Die Milchsäure bildet sich bei Reizung von 
Muskel- und Nervengewebe und wird, wie es Arm. Gautier 10 ) bewiesen, besonders 
bei Herabsetzung der Oxydationsvorgänge in größerer Menge in den Geweben 
gebildet. Bei Übermüdung oder andauernder Reizung der Gewebe kann die 
Ansammlung der Milchsäure zu einer Herabsetzung der Gewebssaftalkaleszenz 
Veranlassung geben. 

Unter normalen Bedingungen wird die hierbei auftretende Säuerung des 
Oewebes durch das alkalisch reagierende und Spermin führende Blut aufgehoben; 
doch bei andauernder oder sehr intensiver Reizung wird nicht nur das Gewebe 
saner, sondern es kann der Fall eintreten, daß auch die Alkaleszenz des Gesamt¬ 
blutes durch die Säuerung des Gewebes sukzessiv herabgesetzt wird. Solche 
Momente geben die Veranlassung zu einer großen Reihe von Autointoxikationen. 
Das Blnt hebt die Säuerung der Gewebe nicht nur durch seine Alkaleszenz auf, 
H>ndern es findet offenbar auch eine Oxydation, Zerstörung der in den Geweben 
sich bildenden Milchsäuren statt. Solchen Schluß kann man aus den höchst 
exakten Tierversuchen von Prof. Loewy und Richter 17 ) und den Beobachtungen 
am Krankenbette in der Klinik von Prof. Senator ziehen. 


Beobachtungen von Prof. Loewy und Richter 


' ' 


Blutalkaleszenz 


Kaninchen 

100 ccm 



Blut mgr NaOH. 

Injektion von Sperminum-Poehl 

Vor der Injektion ........ 

Injektion von 2 ccm Sperminum-Poehl 

488 


(0,04 gr Spermin). 

Nach 10 Minuten. 

571 


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Fürst J. v. Tarchanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 



Kaninchen 

Blutalkaleszenz 
100 ccm 

Blut mgr Na OH 

Injektion von Sperminum-Poehl 

Vor der Injektion. 

Injektion von 1,5 ccm Sperminum-Poehl 
(0,03 Spermin). 

437 


Nach 2 Stunden. 

806 


Nach 24 Stunden. 

456 

Eingeführte Alkalimenge 

Vor der Injektion. 

380 

= ca. cO% des gesamten Blatalkali. 

Injektion von 0,2 Natr. carb. in 8 Wasser. 


Nach 10 Minuten. 

429 


Nach 35 Minuten. 

• 370 


Nach 24 Stunden. 

352 

Eingerührte Alkalimenge 

Vor der Injektion. 

377 

== ca. 80°/ 0 des gesamten Blutalkali. 

Nach der Injektion von 0,5 Natr. carb. 
in 12 Wasser. 

1 


Nach 5 Minuten. 

1 409 


Nach 45 Minuten. 

361 


Wir sehen, daß die Neutralisation einen kurz andauernden Effekt hervorruft, 
während die Spermininjektion, also die Einführung des Katalysators der Oxy¬ 
dationsprozesse die Blutalkaleszenz nicht nur in kurzer Zeit erhöht, sondern auch 
für längere Zeit über dem Niveau des Normalen hält; dieser Effekt ist nur durch 
Zerstörung resp. Oxydation der Milchsäure zu erklären. 

Diese bereits 1895 von Loewy und Richter ausgeführten Beobachtungen 
sind nachträglich mehrfach bestätigt. Nach Hoppe-Seyler 18 ) wird durch Sauer¬ 
stoffwirkung die Bildung der Michsäure und des Mononatriumphosphates im Or¬ 
ganismus herabgesetzt, welche beide Momente die Säuerung der Gewebe bedingen. 

Prof. Poehl hat schon vor langer Zeit die Belege dafür gebracht, daß das 
Spermin, welches sich beim Zerfall des Nucleines (vorwiegend der Leukozyten) 
in unserm Organismus bildet, nur in alkalischem Medium aktiv bleibt, in saurem 
Medium bildet es in Verbindung mit Phosphorsäure das amorphe oder kristallinische 
Monosperminphosphat. Diese kristallinische inaktive Form des Spermins ist bereits 
längst bekannt: es sind dies die sogenannten Charcot-Leyden sehen Kristalle. 
Diese Kristalle sind auch stets bei solchen pathologischen Zuständen gefunden 
worden, die mit herabgesetzten Oxydationsprozessen einhergehen und mithin 
Autointoxikationen aufweisen. Die Charcot-Leyden sehen Kristalle*) sind gefunden 
worden bei Asthma bronchiale (v. Leyden, Lazarus), Bronchitis (Förster, 
Harting), Leukämie (Charcot, Robin, Vulpian, Neumann, White, Zenker, 
Wagner, Huppert, Lauenstein), Emphysen (Charcot), Bronchitis crouposa 
(Friedrich), Anämie (Wagner), Typhus, Pneumonie, Phthisis (Nothnagel, 
Leichtenstern) etc. 

Die Blutalkaleszenz erweist sich nach Professor F. Kraus herabgesetzt bei 
Typhus, Tuberkulose, Erysipel, Skarlatina, Pneumonie; nach Prof. v. Jak sch bei 

*) In der Literatur gibt os Angaben, daß diese Kristalle nicht Sperminphosphat sind, 
sondern, wie es auch noch 1902 Prof. Gumprecht behauptet hat, Eiwcißkristalle seien. Um 
zu zeigen, wie wenig solche Behauptung wissenschaftlich begründet ist, mag die wörtliche 
Zitiening eines Argumentes von Prof. Gumprecht dienen: „Die Doppelbrechung der mit 
Sublimat behandelten koagulierten Kristalle ist fast vollständig geschwunden.“ „Koagulierte 
Kristalle“ ist gut! 


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73 


Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen. 

Fieber. Erkrankungen der Leber, Leukämie, Diabetes mellitus, Nephritis mit 
Urämie. Karzinom und hochgradigen Kachexien. Mithin sind alle diese Krankheiten 
mit Zurückhaltung von Stoffwechselprodukten verbunden, also als Autointoxikationen 
in weiterem Sinne zu bezeichnen. 

Natürlich ist das Finden von Sperminphosphatkristallen mehr oder weniger 
dem Zufall zuzusprechen, denn nur unter gewissen Bedingungen, wie es Poehl 
sehr eingehend geprüft hat, findet die Bildung solcher Kristalle, die allgemein 
als i'harcot-Leydensche Kristalle bekannt sind, statt. Viel häufiger bildet sich 
das amorphe Sperminphosphat. 

Wir führen dieses Moment des Auffindens der Charcot- Leydenschen 
Kristalle nur deswegen an, weil dieser Umstand den Beweis liefert, daß zu Leb¬ 
zeiten, wie nach dem Tode bei Säuerung der Gewebe das inaktive Sperminphosphat 
als solches nachweisbar ist. 

Für die herabgesetzte Gewebsatmung bietet uns die Urosemiotik viel sicherere 
Belege und das zwar noch zu Lebzeiten des Patienten. Diese Belege sind: 
1. der herabgesetzte R obin- Po eh Ische Oxydationskoeffizient des Harnes, das 
Verhältnis des Harnstoffstickstoffs zur Gesamtmenge des Harnstickstoffes. Es 
liegt ja klar auf der Hand, daß dieser Koeffizient die relative Menge der inter¬ 
mediären Stoffwechselprodukte aufweist, folglich wird in allen Fällen, in denen 
dieser Koeffizient herabgesetzt ist, die Harnstoftbildung resp. Intraorganoxydation 
herabgesetzt sein. 2. Ein anderer wichtiger Harnkoeffizient ist das Verhältnis 
drr Gesamtmenge der Phosphorsäure zur Quantität der Phosphorsäure als Dinatrium- 
phosphat. Werte, welche unter 40 sind, weisen nach v. Leyden und Poehl auf 
eine Herabsetzung der Gewebssaftalkaleszenz. Bouchard ersieht mit Recht in 
diesem Koeffizienten einen Ausdruck für die Oxydation resp. Verbrennung der 
organischen Säuren in den Gewebssäften. Es ist ja klar, daß je mehr Milchsäure 
in den Gewebssäften enthalten ist, um so mehr Mononatrium- und um so weniger 
Dmatriumphosphat im Ham zu finden sein muß. 

Der Znelzersche und Zernersche Koeffizient, wie auch der von Senator 
and der osmotische Harnkoeffizient von Poehl können znr Beurteilung von Auto¬ 
intoxikationen hinzugezogen werden. Die beiden erstgenannten Koeffizienten geben 
uns direkt einen Ausdruck für die Oxydationsvorgänge im Organismus und können 
somit als Maßstab für die herabgesetzte Gewebsatmung gelten. 

Prof. Poehl hat in seinem Buche: „Die physiologisch-chemischen Grand¬ 
lagen der Spermintheorie nebst klinischem Material zur Anwendung des Sperminum- 
Poehl" die in der Literatur vorhandenen Krankengeschichten mit eingehenden 
Harnanatysen gesammelt. Wir müssen den Leser auf das Original verweisen und 
beschränken uns hier nur anzuführen, bei welchen Krankheiten und von welchen 
Antoren die Beobachtungen gemacht worden sind. 

I. Inanitionszuständc.J 

1 . Anämie (Leibmedikus S. M. G. v. Hirsch' 9 ), Finkeistein 90 ), Ursinyi 71 ), Podko- 
l*ajeff ,i }, Pantsehenko 93 ), Wiehert 94 ) etc.). 

2 . Tuberkulose (Bnkojemsky 95 ), Prof. Stange 96 ), Ostroumoff 97 ), Podkopajeff"), 
Klimontowitsch"), Moritz 90 ), v. Rossi 31 ) etc.). 

3. Typhus (Hiltebrandt 39 ), Roschtschinin 33 ), Klimontowitsch 34 ) etc.). 

4. Altersschwäche (Marasmus senilis) (Shichareff 35 ), Bukoj emsky 3l! ), Maximowitsch 37 ), 
Bognsehewsky 38 ), v. Hirsch 39 ; etc.). 


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74 Fürst J. v. Tarchanoff, A. v. Poelil und Alfred v. Poehl 


5. Frühgeburten (Koroleff 40 ), Malinowsky 41 ) etc.). 

6 . Hautkrankheiten (Ostroumoff 42 ), Prochoreff 43 ), Shichareff 44 ;, Shichareff und 
Ilübbenet 45 ), de Buck et de Moor 46 ), Symons-Eccles 47 ), Bosse 48 ) etc.). 

II. Stoffwechselanomalien. 

1 . Harnsaure Diathese (Frötin 49 ), Goldberg 50 ), Pantschenko 51 ), v. Hirsch 52 ) etc.). 

2. Skorbut (Shichareff 53 ), v. Rossi 54 ), Gretschaninoff 55 ), Fleroff 56 ) etc.). 

3. Diabetes mellitus (Roschtschinin 57 ), Prof. Stange 58 ), Wiehert 59 ) etc.). 

4. Rhachitis (Malinowsky 60 ), Koroleff 61 ) etc.). 

III. Erkrankungen des Nervensystems. 

1 . Funktionelle Nervenerkrankungen (Neurasthenie, Hysterie, Epilepsie, Chorea etc. > 
(Roschtschinin 62 ), Shichareff 63 ), Bukojemski 64 ), Frätin 65 ), Ostroumoff 66 ), Sokoloff 67 ). 
Podkopajeff 68 ), Krieger 69 ), Goldberg 70 ), Postojcff 71 ), deBuck et de Moor 72 ), Sawitsch 73 ), 
Tuluscheff 74 ), Mratschkowsky 75 ), Maslennikoff 76 ), Schafranoff 77 ), Bothlingk 78 ), 
Moritz 79 ), Snakomzeff 80 ), Mertwago 81 ), Wiktoroff 82 ), Spiegel 63 ), Pantschenko 84 ', 
Kondratjeff 85 ), Fink eiste in 86 ) Nagubn off 87 ), Afromo witsch 88 ), Maximowitsch 89 ), 
Tjascheloff 90 ), Kostjurin 91 ), v. Hirsch 92 ), Prof. Benedikt 93 ), Prof. Eulenburg 94 ), Prof. 
Ewald 95 ), Prof. Fürbringer 96 ), Prof. Mendel 97 ), Prof. Krafft-Ebing 98 ), Salomon") etc.). 

Organische Läsionen des zentralen und peripheren Nervensystems (Tabes dorsalis, Para¬ 
lysen, Neuritis u. a.) (Maximowitsch lü0 ), Werbitzky 101 ), v. Hirsch 102 ), Eulenburg 103 ), 
Thelberg 104 ), Jakoby 105 ), Roschtschinin 106 ), Shichareff 107 ), Krieger 108 ), Goldberg 109 ), 
Sokoloff 110 ), de Buck et de Moor 111 ), Nagubnoff 112 ), Wiehert 113 ), Mratschkowsky 114 -, 
Viktoroff 115 ), Frätin 116 ), Ulrich 117 ), Katzauroff 118 ) etc.). 

IV. Augenkrankheiten. 

Atrophia nerv, optic. Asthenopia, Nustagmus etc. (Bclilowsky 119 ), Be rj arm in off 12u ), 
Jakowleff 121 ), Snicgireff 122 ), Lomakin 123 ), Schulin 124 ), Bosse 125 ) etc.). 

V. Erkrankungen des Herzens, der Lunge und der Nieren. 

(Zakrjewsky 12G ), Klimontowitsch 127 ), Nagubnoff 128 ), v. Hirsch 129 ), Pant¬ 
schenko 130 ), Kostjurin 131 ), Filipps 132 ), Maximowitsch 133 ), Roschtschinin 134 ), Podko- 
pajoff 135 ), Sokoloff 136 ), Goldberg 137 ) etc.). 

VI. Intoxikationen. 

1 . Anorganische Gifte (Chloroform, Kohlenoxyd, Alkohol) (Prof. W e 1 j a m i n o ff 138 ), Krieger 139 ), 
Podkopajeff 140 ), Prof. Stange 141 ), Sokoloff 142 ), Goldberg 143 ), Shichareff 144 ), Pant¬ 
schenko 145 ) etc.). 

2. Toxine (SyphiliSj Erysipel, Chloroform) (Shichareff 146 ), Hübbenet 147 ), Injasews- 
ky 148 ), P^of. Schwimmer 149 ), Wiehert 150 ), Nikolsky ,5I \ v. Rossi 152 ), Minajewsky 153 \ 
Besser 151 ) etc.). 

Wir sehen aus oben angeführtem Verzeichnis, daß mannigfaltige Krankheiten 
von Autointoxikationen infolge herabgesetzter Gewebsatmung begleitet sind und 
eine in der Pathologie sehr gewöhnliche Erscheinung darstellen, wie wir schon 
anfängs bemerkt haben. 

In unserer vorliegenden Abhandlung möchten wir hauptsächlich aui solche 
Tatsachen hinweisen, welche direkt als Belege dienen können, daß das Sperminum- 
Poelil bei Einführung in den Organismus vorhandene Toxine entgiftet. 

Es hat schon Bouchard die direkten Belege erbracht, daß bei Erhöhung 
der Oxydationsprozesse die Toxizität des Harns sich wesentlich verringert. 

Die günstige Einwirkung des Sperminum-Poehl bei Intoxikationen hat 
einer von uns, Prof. Fürst Tarchanoff 155 ) durch eine Reihe von Tierversuchen 
bereits 1891 nachgewiesen. Es betraf dies Versuche mit Chloroform und Kohlen- 


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Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen. 75 

oxyd, also Giften, welche die Gewebsatmung herabsetzen. Wir wollen hier gleich 
betonen, daß die meisten Gifte, welche die Gewebsatmung herabsetzen, die Rolle 
von negativen Katalysatoren spielen. 

Später hat Prof. Fürst Tarchanoff 166 ) (1895) an den Leuchtbakterien des 
Meeres nachgewiesen, daß das Leuchten derselben bei Zusatz von Blausäurelösung 
aufgehoben wird und nach Zusatz von Sperminum-Poehl in geringen Mengen 
wieder auftritt. 

Die Chloroformversuche von Prof. Fürst Tarchanoff sind später durch die 
Beobachtungen am Krankenbette erhärtet worden. Prof. Weljaminoff 167 ) und 
Chorwath 168 ) u. a. haben über die Anwendung des Sperminum-Poehl bei 
Chloroformnarkose bei schweren Operationen berichtet. Es ergibt sich, daß die 
Chloroformnarkose nach vorhergehender Einführung von Sperminum-Poehl besser 
verläuft. Desgleichen führen Prof. Weljaminoff und Chorwath an, daß kachek- 
tische nnd marantische Personen trotz schwerer operativer Eingriffe bei Anwendung 
von Sperminum-Poehl die Operation leichter ertragen und der befürchtete Shock 
niemals eintrat. Auch die Versuche mit Kohlenoxyd haben Podkopajeff Ver¬ 
anlassung gegeben, das Sperminum-Poehl in Fällen von Kohlenoxydvergiftungen 
anzuwenden, wobei günstige Resultate erzielt worden sind. 

In dem russisch-japanischen Kriege wenden die Japaner vielfach Melinit und 
Ledit als Sprengstoff an. Personen, welche die bei der Melinitexplosion, sich ent¬ 
wickelnden Dämpfe einatmen, erkranken häufig sehr schwer. Dabei wurde be¬ 
obachtet, daß die Erkrankungssymptome gewöhnlich nicht unmittelbar, sondern 
erst nach Verlauf von mehreren Stunden sich einstellen und zwar in sehr mannig¬ 
faltiger Weise. Dieser Umstand gab Prof. Fürst Tarchanoff Veranlassung, 
eine Reihe von Tierversuchen zu machen. Die bei Explosionen von Melinit und 
Ledit sich bildenden Gase bestehen vorwiegend aus Metan, Kohlenoxyd, Kohlen¬ 
säure und Spuren von Cyan. Alle diese .Gase stellen Plasmagifte dar, sind also 
negative Katalysatoren der Gewebsatmung. 

Die Tiere (Kaninchen und Frösche) wurden der Einwirkung von Gasen, 
welche sich beim Explodieren von Melinit (wesentlich pikrinsaures Ammon) bilden, 
ausgesetzt. In Fällen, wo schwere Vergiftungssymptome auftraten, wie schwere 
Asphyxie, Cyanose (bei Kaninchen), paralytische Erscheinungen und klonische 
Krämpfe, schlugen alle Belebungsversuche fehl: weder künstliche Atmung, noch 
Sauerstoffbehandlung, noch Sperminisierung. In Fällen dagegen, in welchen die 
Tiere ans dem Rezipienten vor dem Auftreten dieser schweren Vergiftungs¬ 
erscheinungen genommen wurden, ergaben energische Injektionen von Sperminum- 
Poehl einen wohltätigen Einfluß in dem Sinne, daß die Tiere im Vergleich zu 
den Kon trolltieren größere Beweglichkeit aufwiesen, geringere Störung der 
Atmungsfunktion und bessere Herzfunktion. Nichtsdestoweniger gingen von den 
Tieren, welche sich scheinbar besser fühlten und welche man außer Gefahr halten 
mußte, doch manche nach einigen Stunden zugrunde. Bei den Fröschen, welche 
der Vergiftung erlegen waren, konnte man sofort nach dem Tode den Verlust der 
Erregbarkeit und Kontraktilität auf äußere elektrische Reize konstatieren und 
nnr der Herzmuskel machte davon eine Ausnahme. Es trat sehr schnell die 
Todesstarre der Skelettmuskel ein. Hierbei wurde beobachtet, daß bei den Tieren, 
welche mit Sperminum-Poehl behandelt worden waren, die Herzfunktion längere 


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76 


Fürst J. v. Tarchanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 


Zeit normal blieb, als bei den Kontrollieren. Diese Versuche von Prof. Fürst 
Tarchanoff zeigen, daß selbst bei solchen schweren Vergiftungen ein gewisser 
wohltätiger Einfluß vom Sperminum-Poehl zu erkennen ist. 

Die Einwirkung des Sperminum-Poehl auf bakterielle Toxine ist auf Ver¬ 
anlassung von Prof. Senator 159 ) von Prof. Loewy und Richter 160 ) beobachtet 
worden gelegentlich von Versuchen über die Beeinflussung der Leukozytose und 
der Blutalkaleszenz. Bei den Versuchen mit Hühnercholera gelang es, die Tiere 
am Leben zu erhalten, d. h. in den Fällen, in denen die einfache tödliche Dosis 
der betreffenden Kultur getroffen war. Gleiche Resultate erzielten Prof. Loewy 
und Richter 160 ) bei Versuchen mit Diphtheriegift (Aronsohn). Während das 
Kontrolltier von 0,05 Diphtheriegift, intravenös eingeführt, am zweiten Tage bereits 
tot war, wurden die Versuchstiere, welchen erst 0,04 Sperminum-Poehl intra¬ 
venös und 5 Minuten darauf 0,05 Diphtheriegift auch intravenös eingeführt war, 
am Leben erhalten. 

Weitere Versuche machten genannte Forscher mit Pneumokokkeninfektionen. 
Wir führen hier die Worte Prof. Loewys an: „Der therapeutische Effekt war bei 
der Pneumokokkeninfektion ein eklatanter. Wurden die Pneumokokken injiziert, 
nachdem bereits durch das Sperminum-Poehl Leukozytose herbeigeführt und 
durch wiederholte Injektionen erhalten worden war, so gelang es stets Tiere, die 
das Dreifache der tödlichen Dosis erhalten hatten, zu heilen. 

Prof. Loewy und Richter bemerken ganz recht, daß es sich hier nicht 
um einen Impfschutz, sondern um eine Paralysierung des Giftes handelt. Offenbar 
ist diese Paralysierung des Giftes die Folge der erhöhten Oxydationsvorgänge. 

Diese Tierversuche, die nebenbei gesagt, auch am Krankenbette ihre Bestätigung 
finden, lehren uns, daß das Sperminum-Poehl die oben erwähnten Toxine 
zerstört. 

Prof. Poehl 161 ) hat Versuche über die Einwirkung des Sperminum-Poehl 
auf die Cholerakulturen angestellt und gefunden, daß die von ihm entdeckte 
Cholerarotreaktion (Indolreaktion) bei Einwirkung von Sperminum-Poehl nicht 
auftritt und daß die Kulturen von Cholera asiatica ihren Habitus unter Einwirkung 
von Sperminum-Poehl verändern und den Charakter von Cholera nostras an¬ 
nehmen. 

Die klinischen Beobachtungen im Alexander-Semenoffschen Gardehospital 
zu St. Petersburg von v. Rossi 162 ), Besser 163 ), Milajewsky 161 ) u. a. ausgeführt, 
haben nachgewiesen, daß selbst bei schweren Cholerafällen Injektionen von 
Sperminum-Poehl ausgezeichnet günstige Resultate gegeben haben. Gleich¬ 
zeitig ausgeführte Harnanalysen bei diesen Kranken haben mit Evidenz nach¬ 
gewiesen, daß die bei den Cholerakranken so eminent herabgesetzte Gewebs¬ 
atmung nach Einwirkung von Sperminum-Poehl-Injektionen schnell erhöht wird. 
Offenbar haben wir es hier mit einer Zerstörung von Toxinen bei Einwirkung von 
Sperminum-Poehl zu tun. 

Neuerdings hat Prof. Fürst Tarchanoff in Gemeinschaft mit Dr. Alf. 
v. Poehl seine Beobachtungen über die Einwirkung des Sperminum-Poehl auf 
die Oxydationsprozesse im Organismus durch eine Reihe von Tierversuchen fort¬ 
gesetzt. Es fehlten nämlich bis jetzt direkte Versuche für den Nachweis, daß ein 
toxisch wirkendes intermediäres Stoffwechselprodukt (welches eine Rolle bei Auto- 


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Die Bekämpfung einiger Antointoxikationen. 


77 


Intoxikationen spielen kann) im Organismus durch Einwirkung von Sperminum- 
Poehl entgiftet werden kann. 

Das Neurin ist ein solches höchst toxisches Stoffwechselprodukt, welches, 
wie die neueren Untersuchungen ergeben, sowohl unter normalem als auch patho¬ 
logischem Zustande intra vitam im Organismus sich bildet. 

Als besonders geeignet für diese Versuchszwecke mit Neurin und Cholin 
erwiesen sich Frösche (rana temporaria). Diese Versuche sind so prägnant, daß 
sie in nachstehender Weise ausgefiihrt, zu Vorlesungsdemonstrationen dienen können. 
Zu diesem Versuchszwecke wurde eine sehr verdünnte Neurinlösung genommen: 
C'O Tropfen einer 25proz. Neurinlösung auf 50 g einer physiologischen Koch¬ 
salzlösung). 

Von dieser verdünnten Lösung wird 0,3 oder 0,4 ccm dem Frosche in den 
Oberschenkel eingespritzt. Auf diese Weise erhält das Versuchstier auf einmal 
0.0015 bis 0,002 Neurin eingeführt. Es treten nach 15 bis 20 Minuten sehr 
ansgesprochene Vergiftungserscheinungen auf: anfangs Parese, dann Paralyse 
der hinteren Extremitäten mit gleichzeitiger Kontraktur der Vorderfüße und 
Analgesie der ganzen Hautoberfläche, schließlich Verlangsamung und Stillstand 
des Herzens. 

Die Paralyse der hinteren Extremitäten wird bei der Neurin- wie Curare- 
vergiftung durch die paralysierende Wirkung dieser Gifte auf die motorischen 
Nervenenden in den Muskeln bedingt, wobei weder der N. ischiadicus noch die 
J/nskeln ihre Reizbarkeit, resp. Kontraktilität verlieren. Bei unmittelbarer 
Reizung durch den elektrischen Induktionsstrom auf die Muskeln der hinteren 
Extremitäten wird Kontraktion hervorgerufen, doch macht sich dieselbe auf den 
X. ischiadicus nicht bemerkbar. Daß der Nervenstamm selbst durch das Neurin 
nicht paralysiert wird, ist durch den bekannten Versuchsmodus, welcher bei den 
i nrarevergiftungen angewandt wird, bewiesen. Legt man nämlich, um zum 
Schenkel die Zufuhr des durch Neurin vergifteten Blutes zu verhindern, eine 
Ligatunnasse um den oberen Teil des Schenkels mit Ausschluß des N. ischiadicus, 
so wird bei der Neurin- wie auch bei der Curarevergiftung, diese Extremität ihre 
Reizbarkeit und Motilität beibehalten und auf jede Reizung der sensiblen Haut¬ 
oberfläche durch Bewegung reagieren, während alle übrigen Glieder des Körpers 
?anz unbeweglich bleiben. Offenbar werden weder die Nervenstämme, noch die 
Muskeln, sondern die motorischen Nervenenden in den Muskeln durch das Neurin 
paralysiert. Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen der Neurin- und Curare¬ 
vergiftung bildet, was das Nervenmuskelsystem anbetrifft, das bis jetzt unerklärliche 
Faktum, daß die vorderen Extremitäten der durch Neurin vergifteten Tiere in 
einem Kontraktionszustand verbleiben. Bei den männlichen Fröschen kommt 
diese Kontraktion in Form von Umfassung zum Ausdruck, bei den weiblichen 
dagegen charakterisiert sich dieselbe durch eine an den Körper gedrückte Lage 
der oberen Extremitäten. Diese letzterwähnten Kennzeichen werden bei der 
Curarevergiftung, wo alle Gliedmaßen in einem erschlafften, paralytischen Zustande 
sich befinden, nicht beboachtet. 

Nachdem wir das Bild der Neurinvergiftung bei den Fröschen beschrieben 
haben, gehen wir jetzt zu den Versuchen über die Einwirkung des Sperminum- 
Poehl auf die durch Neurin vergifteten Tiere über. 


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Fünt J. v. Tarchanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 


Zu diesen Versuchen müssen immer ein Paar Frösche gleichen Geschlechts 
und Gewichts und von annähernd gleicher Lebhaftigkeit gewählt werden. 

Der Versuchsfrosch bekommt 2 ccm Sperminum-Poehl*), der andere (das 
Kontrollier) dagegen 2 ccm einer physiologischen Kochsalzlösung. Fünf Minuten 
nachher wird in den Lymphsack des Oberschenkels beider Tiere die obenerwähnte 
toxische Dose von Neurin injiziert. 

Bei allen Versuchen dieser Art, wenn sie nur exakt ausgeführt, d. h. wenn 
die Injektionen nur in den Lymphsack, nicht aber in die Blutbahn, noch in das 
Muskelgewebe gemacht werden, wird stets dasselbe Resultat erzielt. 

Bei den sperminisierten Tieren treten die Neurinvergiftungssymptome gar 
nicht oder in einigen Fällen in äußerst schwacher Form und zudem später als 
bei den Kontrolltieren auf. 

Dieses wichtige, von Prof. Fürst Tarchanoff mit Dr. Alfred v. Poehl 
festgestellte Faktum wird nun dadurch erklärt, daß das Sperminum-Poehl als 
positiver Katalysator die Oxydationsprozesse im Organismus erhöht und das Neurin 
im gegebenen Falle durch Oxydation in eine unschädliche Verbindung (Oxyneurin?) 
verwandelt. 

Wie bekannt, wurde das Atropin als das einzige Antidot bei Neurinvergiftung 
betrachtet, weil es die Verlangsamung und den Stillstand des Herzens beseitigt, 
also nur auf die Symptome der Neurinvergiftung einwirkt, wobei aber das Neurin 
unverändert bleibt, und noch ein neues Gift hinzukommt; das Spermin dagegen 
schützt den Körper gegen die Neurinvergiftung, indem es das Gift selbst durch 
gesteigerte Verbrennung zerstört. 

Es erschien nun nach allem Erwähnten interessant, die Einwirkung des 
Sperminum-Poehl auf die Curarevergiftung zu studieren. 

Alle experimentellen Versuche von Prof. Fürst Tarchanoff in dieser 
Hinsicht gaben bisher negative Resultate. Das Spermin rief bei der Curare¬ 
vergiftung weder eine Verlangsamung noch eine Abschwächung der Intoxikations¬ 
erscheinung hervor. 

Dieser Umstand erklärt sich wahrscheinlich dadurch, daß das Curare ein in 
chemischer Hinsicht sehr stabiles Gift darstellt, welches im Organismus der Oxy¬ 
dation schwer zugänglich ist und wie bekannt, durch den Harn unzersetzt aus¬ 
geschieden wird. Es ist somit ganz erklärlich, daß die Erhöhung der Oxydations¬ 
vorgänge durch Spermin auf die Curarevergiftung keine Einwirkung ausüben kann. 

Auch bei der Cholinvergiftung erweist sich das Sperminum-Poehl als 
entgiftend, wie dieses nachfolgende Versuche von Prof. Fürst Tarchanoff ergeben. 

Es wurden Fröschen 0,5 ccm einer 10 % Cholinlösung in denRückenlymphsack 
injiziert. Diejenigen Frösche, denen zuvor 2 bis 4 ccm einer 2 °/ 0 Sperminlösung 
injiziert war, erholten sich von der Vergiftung, während diejenigen, welche statt 
Spermin eine gleiche Quantität einer physiologischen Kochsalzlösung erhielten, 
alle Symptome einer Cholinvergiftung aufwiesen. Der paralytische Zustand des 
Muskelgewebes mit gleichzeitiger Analgesie, Erscheinungen, welche hauptsächlich 
durch den Einfluß des Cholins auf das Zentralnervensystem bedingt werden, 
schwanden bei den sperminisierten Fröschen rascher, als bei den Kontrolltieren. 


*) d. h. der Inhalt einer Ampulle von Sperminum Poehl pro injectione subcutaneo. 


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Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen. 79 

Augenscheinlich haben wir es hier auch, wie bei dem Neurin, mit einer Zerstörung 
des Giftes zu tun. 

Was die toxische Wirkung des Cholins und Neurins anbetrifft, so unter¬ 
scheiden sie sich von einander nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. 
Es wird angenommen, daß das Neurin und Cholin in ein und derselben Art wirke, 
mit dem Unterschiede jedoch, daß das Neurin 20mal, oder noch mehr, stärker 
wirke als das Cholin. In der Tat kann dieses kaum der Fall sein, da das Bild 
einer Cholinvergiftung wesentlich auf eine Schädigung des Zentralnervensystems 
deutet während die Neurinvergiftung sich mehr der Curareintoxikation, bei 
welcher die motorischen Nervenenden in den Muskeln affiziert werden, nähert. 

Übrigens hat der oben angeführte Unterschied in der Wirkung des Neurins 
und Cholins für die uns interessierende Frage keine Bedeutung, weil die ent¬ 
giftende Wirkung des Sperminum-Poehl nicht auf Beseitigung der Vergiftungs- 
symptome, sondern auf der Zerstörung des betreffenden Giftes durch Oxydation 
beruht. 

Oben erwähnte typische Entgiftungswirkung des Sperminum-Poehl wird 
(wie wir ans nachstehendem ersehen) auch am Krankenbette beobachtet. Wir 
möchten hier nur auf einen Fall verweisen, bei welchem das Krankenbild eine 
*"holm- oder Neurinvergiftung darstellte. 

ln das Hospital der Palaisverwaltung von Tzarskoje Sselo (bei St. Petersburg) 
wurde am 24. Juli 1901 die Bäuerin M. P. gebracht, welche sich bereits vom 21. Juli 
an in einem kataleptischen Schlafzustande, der bis zum 12. August, also 22 Tage lang 
andanerte. befand. Diese Patientin, welche im Verlauf von 13 Tagen vergeblich mit 
Stmhnin- und Kampferinjektionen behandelt worden war, erhielt auf Verordnung des 
Oberarztes des Hospitals, Hofmedikus Dr. Dantschitsch und des Ordinars Dr. W. Jaro- 
.«chewsky vom 3. August ab täglich 4 Injektionen von Sperminum-Poehl. Gleich¬ 
zeitig wurden von Prof. Poe hl eingehende Harnanalysen ausgeführt. Nachdem die 
N±&fende 25 Injektionen von Sperminum-Poehl erhalten hatte, begann sie am 10. August 
Bewegungen auszuführen, und erwachte vollkommen am 12. August. Es ergab sich, daß 
kr Patientin alles, was in den 22 Tagen um sie vorgefallen war, vollständig zum 
Bewußtsein gekommen war, sie konnte sogar die kleinsten Details der in ihrer Nähe 
^führten Unterhaltungen wiedergeben.* 

Die Harnanalyse zeigte in diesem Falle eine wesentliche Abweichung von dem 
£^w..hnlichen Typus der Sperminwirkung auf den Harn. Der Oxydationskoeffizient war 
anfangs um ein sehr geringes gestiegen, wie aus nachfolgenden Angaben zu ersehen ist: 

August = 87,35, 4. August = 87,37, 7. August = 89,81, 9. August = 87,74, 
U». August = 87,37. Wesentlich erwies sich jedoch in diesem Falle die Einwirkung des 
Sperminum-Poehl auf den Zuelzerschen Koeffizienten, der vom 3. bis zum 10. August 
v»n 15,0 stetig bis auf 19,5 stieg. Am 2. August vor der Spermininjektion war er 15,0, 
am 4. August nach derselben 15,5, am 7. August = 20,5, am 9. August = 20,7, am 
K>. August = 19,5. Der Harnstoffchloiuatrium-Koeffizient (Eichwrald-Bouveret), der 
allgemein niedrig war, fing unter der Einwirkung des Sperminum-Poehl schnell zu 
Zeigen an. Am 2. August war er 8,93, am 4. August 13,8, am 7. August 27,1, am 
August 26,8 und am 10. August 25,1. 

Im gegebenen Falle haben wir es offenbar vorwiegend mit einer Entgiftung des 
Organismus und relativ weniger mit der Fortschaffung der Stoffwechselprodukte zu tun. 

Daß die Oxydationsvorgänge im Organismus gleichzeitig erhöht werden, 
geht aus dem Eichwald-Bouveretschen Koeffizienten hervor. Wir fahren oben- 
stehende Daten an, um zu zeigen, daß nicht immer der therapeutische Effekt des 
Sperminum-Poehl nur in der Erhöhung des Oxydationskoeffizienten zu ersehen 


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Fürst J. v. Tarcbanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 


ist, sondern daß man stets alle Faktoren oder Harnkoeffizienten gleichzeitig zu 
berücksichtigen hat, um einen Schluß ziehen zu können. 

Der hier angeführte Fall von Katatonie ist höchst belehrend, weil er offenbar 
durch eine Autointoxikation des Organismus durch ein Gift, welches seiner Wirkung 
nach dem Neurin ähnlich ist, erklärt werden kann. Sowohl hier wie dort war 
das wesentlichste Symptom allgemeine Muskelschwäche, welche den Charakter 
einer vollen Paralyse bei völligem Bewußtsein und Bewahrung aller geistigen 
Funktionen erreichte; in beiden Fällen erwies das Sperminum-Poehl seine 
therapeutische Wirkung. 

Daher läßt sich die Annahme machen, daß die Krankheitssymptome, welche 
einer Curarevergiftung ähnlich sind, nicht unbedingt durch einen dem Curare 
ähnlichen Körper bedingt werden. 

Als Beleg für oben angeführtes dient eine Krankheit, welche auf der Insel 
Ceylon, an den Küsten von Malabar und in Indien unter dem Namen Beriberi, 
d. h. große Schwäche bekannt ist. Zu den Symptomen dieser Krankheit gehören 
Taubheit der Gliedmaßen und großer Kräfteverlust. 

Bei diesen Anfällen, welche an eine Neurinvergiftung erinnern, haben Mott 
und Halliburton im Blute eines Beriberikranken Neurin in solchen Mengen 
gefunden, daß sie die Identifizierung und genaue Bestimmung dieses Körpers 
ausführen konnten. 

Wir wissen, daß bei der Lebenstätigkeit einiger Mikroorganismen aus dem 
Lecithin das Neurin gebildet wird. Lacerda fand bei Schweinen, w'elche an 
einer den Beriberisymptomen ähnlichen Krankheit litten, ein der Neurinvergiftung 
ähnliches Krankheitsbild, nämlich: großen Kräfteverlust, Taubheit der Gliedmaßen. 
Paralyse der hinteren Extremitäten (ohne Paralyse der vorderen) etc. Ein 
Mikroorganismus aus der Gruppe der Askomyzeten, welcher von ihm als Krankheits¬ 
ursache erkannt wurde, ruft bei Impfung eine dem Neurin ähnliche Vergiftung 
bei Tieren hervor. 

Auf Grund der oben erwähnten Beobachtungen von G ule witsch, Gautier, 
Mott, Halliburton halten wir es für recht, anzunehmen. daß die Ansammlung 
des sich im Körper bildenden Neurins und Cholins (welche unter anderem bei der 
allgemeinen Paralyse und Gehirnatrophie in dem Zentralsystem gefunden wurde) 
eine wichtige Rolle in der Ätiologie verschiedener Nervenstörungen spielen muß. 

Die Neurinautointoxikationen finden nicht nur in Fällen von Katatonie statt, 
sondern kommen auch offenbar bei verschiedenen Nervenleiden recht häufig vor. 

Marino-Zuco und Dutto lß5 ) betrachteten bereits die Addisonsche Krankheit 
als eine Neurinautointoxikation auf Grund des Neurinbefundes im Harn solcher 
Patienten. 

Auch Ed. Boinet 1GC ) und 0. Polimanti 1,i7 ) sprechen sich in diesem Sinne aus. 

Mott und Halliburton 16s ) kommen zur Überzeugung, daß der geschwächte 
Blutkreislauf mit schweren Ohnmachtsanfällen und fettiger Degeneration des Herzens, 
die so oft in Fällen von allgemeiner Paralyse beobachtet werden, ihre Erklärung 
in Neurin und Cholinautointoxikationen finden. 

Nach den Beobachtungen von Beattie Nesbitt 109 ) sind Neurinautointoxi¬ 
kationen auch vom Darm aus denkbar, was der Verfasser durch direkte Tier¬ 
versuche bestätigen konnte. 


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Die Bekämpfung einiger Auto Intoxikation eil. 


Schließlich möchten wir auch noch auf die Beobachtungen von dellaTorre 170 ) 
verweisen, der den Einfluß der künstlichen Neurinintoxikation auf den Stoffwechsel 
bei Herbivoren beobachtet und dabei dasselbe gefunden hat, wie Prof. Poehl bei 
der k&taleptischen Patientin. 

Vor allem weist della Torre darauf hin, daß die Verminderung der Chloride 
während der Vergiftungsperiode sehr stark ist. 

Wenn wir alle oben erwähnten Fakta und klinischen Beobachtungen zu- 
sammenfassen, so ist es ganz erklärlich, daß die Anwendung des Sperminum- 
Poehl, als Katalysator der Oxydation, in einer ganzen Reihe von verschiedenen 
Nervenerkrankungen, die durch Autointoxikation infolge von Ansammlung von 
Nenrin, Cholin etc. bedingt sind, mehrfach günstige Resultate gegeben hat. 

Wir haben es hier mit einer wirklich rationellen Behandlung einer Ver¬ 
giftung zu tun, nicht aber mit der alten Methode der Gegengifte, welche nur die 
Symptome durch Einwirkung eines anderen Giftes behandelt, ohne dasselbe zu 
zerstören. 

Die Lehre der Gegengifte, welche noch jetzt von solchen hervorragenden 
Pharmakologen wie Prof. Robert 171 ) verteidigt wird, ist heutzutage als thera- 
leutische Methode nicht mehr haltbar für alle Fälle, wie es Prof. Alb. Robin und 
Bardet 17 *) und Prof. Kionka 173 ) präzise hervorheben. Prof. Alb. Robin spricht 
sich über die Lehre der Gegengifte folgendermaßen aus: „le temps est passö des 
cimtrepoisons et des antidotes dont l’action merveilleuse tenait plus du roman que 
dr ia realite; la doctrine des antagonistes doit etre comme surannee, et le medecin 
'ini vent rendre de röels Services 4 son malades en cas d’empoisonnement doit voir 
les rhoses d*une facon beaucoup plus rationelle et plus eleves qu’autrefois.“ 

Die Organotherapie hat zum Teil die Aufgabe, die früheren Gegengifte durch 
unschädliche organotherapeutische Entgiftungsmittel zu ersetzen, d. h. die Gifte 
entweder zu eliminieren, oder aber, wie im gegebenen Falle, einen giftigen Körper 
wie Neurin durch Oxydation in das absolut unschädliche Oxyneurin zu verwandeln. 
I*ie Nachahmung eines Versuches, den bereits Liebreich in vitro ausgeführt hat. 

Wenn wir die Laboratoriumsversuche, die Tierversuche und die klinischen 
Beobachtungen mit Sperminum-Poehl vergleichend betrachten, so kommen 
wir unbedingt zu dem Schlüsse, daß das Sperminum-Poehl die Oxydations¬ 
vorgänge im Organismus günstig beeinflußt. Wir ahmen hierbei diejenigen Vor¬ 
gänge nach, die der Organismus zum Selbstschutz in Anwendung bringt. Die 
"pennintherapie kann auch durch andere Faktoren, welche die Oxydationsvorgänge 
im Organismus fordern, ersetzt werden, wie durch die Sauerstofftherapie, Aufent¬ 
halt in guter Luft, rationelle Hydrotherapie, Massage, Sport etc. 

Natürlich ist bei der Spermintherapie ein schablonenhaftes Vorgehen uicht 
angebracht, sondern es müssen alle Momente berücksichtigt werden, um die Störung 
■ler Sperm in Wirkung zu vermeiden (wie z. B. übermäßiger Alkoholgenuß, Über¬ 
müdungen etc.). Desgleichen muß man sich Rechenschaft ablegen, in welcher 
Welse die zu behandelnde Antointoxikation entstanden ist und in wieweit sie von 
der angewandten Therapie beeinflußt wird. Dazu gibt die moderne Uroseiniologie 
mit den Hamkoefifizienten das Mittel in die Hand. Die rationelle Harnanalyse gibt 
nicht nur Aufschluß darüber, ob die eingeschlagene Therapie überhaupt die richtige 
ist. sondern sie gibt uns auch Rechenschaft darüber und zwar in Zahlenwerten 

Z»Utrhr. f. rillt n. phy.lk Theripl« Rd. IX. lieft 2. 6 


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Fürst J. v. Tarchanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 


ausgedrückt, wieweit die Autointoxikation beeinflußt ist (cf. Poehl). Wir befolgen 
bei der Spermintherapie ein Prinzip, welches bereits Hippokrates aufgestellt hat: 

„Wenn eine Krankheit von selbst, ohne äußere Einwirkung heilt, so 
muß man beobachten, auf welchem Wege diese Heilung stattfindet; und 
es ist die Aufgabe des Arztes, wenn möglich, den Prozeß, den die Natur 
benutzt, nachzuahmen, um die Heilung zu veranlassen“. 

Literatur. 

l) Prof. Dr. A. v. Poehl, Eine chemische Erklärung zur physiologischen Wirkung des 
Sperminus. Mßlanges physiques et chimiques tirßs du bulletin de TAcad^mie Imperiale dos 
Sciences de St. Pßtersb. T. 13. 1892. 22. Apr. Derselbe, Du röle de la Spennine dans les 
oxydations intra-organiques. Compt. rend. des säances de l’Acadömie des Sciences de Paris 
1892. 10. Okt. Derselbe, Über die Bedingungen der Sperm in Wirkung auf die Oxydationsvorgänge 
im Organismus. Journ. f. mcd. Chem. u. Pharm. 1893. Nr. 2. Derselbe, Zur Erklärung der Wirkung 
des Sperrains als physiologisches Tonikum auf die Autointoxikationen. Berl. klin. Wochenschr. 
189J. Nr. 36. Derselbe, Einwirkung des Spermins auf den Stoffumsatz bei Autointoxikationen im 
allgemeinen und bei harnsaurer Diathese im speziellen. Zeitschr. f. klin. Medizin Bd. 26. Heft 1 u. 2. 
Derselbe, Weitere Mitteilungen über die Frage der Autointoxikationen. Verhandlung des Kon¬ 
gresses f. innere Medizin. Wiesbaden 1896. S. 118—207. Derselbe, Die physiologisch-chemischen 
Grundlagen der Spermintheorie nebst klinischem Material zur therapeutischen Verwendung des 
Sperminum-Poehl. St. Petersburg 1898. Derselbe, Die organotherapeutischen Mittel bei Auto¬ 
intoxikationen. Verhandlung des Kongresses f. innere Medizin. Wiesbaden 1900. Derselbe, Die 
Nervenüberreizung als Ursache von Autointoxikationen. Deutsche medizinische Wochenschrift 
1901. Nr. 46. — *) Bouchard, Hecherches experimentales sur la toxicite des urines nor¬ 
males. Societe de Biologie 1884. Le^ons sur les Autointoxications dans les maladies. Paris 
1887. — 8 ) Gautier, Toxines, microbienncs et animales. Paris 1897. — 4) Gautier, Cours de 
chimie biologique. S. 207. — ß) Bouchard, Recherches experimentales sur la toxicite des urines 
normales. Societe de Biologie. Paris 1884. Le$ons sur les autointoxications dans les maladies. 
Paris 1887. — •) Gautier, Les toxines microbienncs et animales Paris 1896. S. 382—386; 
358—361; 475—477. Prof. A. v. Poehl, Die physiologisch-chemischen Grundlagen der Spennin- 
therapie nebst klinischem Material zur therapeutischen Verwendung des Sperminum-Poehl. 
St. Petersburg 1898. S. 28-84. — *) Poehl, Zur Erklärung des Spermins als physiologisches 
Tonikum auf die Autointoxikationen. Berl. klin. Wochenschr. 1893. Nr. 36. — 8 ) Gautier, 
Archiv de physiologique de Brown-Sequard 1893. Jan. und Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 
1892. Nr. 1 und 1893. Nr. 2 u 3. — ®) Ostwald, Über Katalyse. Vortrag auf der 73. Natur¬ 
forscherversammlung in Hamburg 1901. — 10 ) Poehl, Der Nachweis des Spermins in ver¬ 
schiedenen Drüsen des tierischen Organismus und die chemische Zusammensetzung des Brown- 
Sequardschen Heilmittels. Deutsche medizinische Wochenschrift 1892. Nr. 49. — ll ) Tarcha¬ 
noff, Über die Wirkung des Spermins auf den tierischen Organismus. Berl. klin. Wochenschr. 
1891. Nr. 39—41. — **) w ) Loewy und Richter, Deutsche medizinische Wochenschrift 1895. 
Nr. 15. — Gautier, Les toxines microbienncs et animales. — *ß) Poehl, Die physiologisch¬ 
chemischen Grundlagen der Spermintheorie nebst klinischem Material zur therapeutischen An¬ 
wendung des Sperminum-Poehl. St. Petersburg 1898. — w ) Gautier, Archiv de physiologie de 
Brown-S6quard 1893. Jan. — *7) Loewy und Richter, Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1895. Nr. 33. — 18) Hoppe-Seyler, Beiträge zur Kenntnis des Stoffwechsels bei Sauer¬ 
stoffwirkung. Festschrift. Rud. Virchow gewidmet. — 4®) Hirsch, Beitrag zur Organo¬ 
therapie. Sperminum-Poehl. St. Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 7. Contribution ä Torgano- 
thGrapeutique et ä l’ßtude de la spermine-Poehl. La Tribüne m^dicale 1897. — *®) Finkeistein, 
Journ. f. med. Chem. u. Pharm, (russ.) 1892. Dez. S. 56—63. — 21 ) Ursinyi, O roosi Hetilap 
1898. S. 542, 556, 557, 585. — **) Podkopajeff, Journ. f. med. Chem u. Pharm 1894. Sept. 
S. 197—208 und Dez. S. 421—434. — ®) Pantschenko, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. 
Dez. S. 488—492 und 1894. Dez. S. 434—444. — *4) Wiehert, cf. Poehl, Spermintheorie. 
S. 164. — Bukojemsky, Journ. f. med. Chem. u Pharm. 1892. Dez. S. 63—72. — *•) Stange, 


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Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen. 


ef. Pochl, Spermintheorie. S. 182—183. — *?) Ostroumoff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 
1894. März. S. 15—29. — ®) Po dk opajeff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. 
S. 197—208 und Dez. S. 421—434. — *•) Klimontowitsch, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 

Juli. S. 343 und 1894. Sept. S. 153. — *°) Moritz, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. 
8ept- S. 153. — »») v. Rossi, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 153. — **) Hilte- 
brandt, Ein Fall von Anwendung des Sperminum-Poehl im St. Petersb. Marinehospital. (Mit- 
prteilt in d. Ges. d. Marineärzte. St. Petersburg 1897. 25. Nov. [russ.]). — **) Roschtschinin, 
Süningsprotokoll d. St. Petersb. med. Ges. 1891. 26.Febr. — **) Klimontowitsch, Joum. f. 
uied. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 343 und 1894. Sept. S. 153. — *&) Shichareff, Protokolle 
<1 St. Petersb. med. Ges. 1891. 26. Febr. Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 307 
bis 320 und März. S. 151—157. — **) Bukojemsky, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1892. Dez. 
S. 63—72 und 1893. Juli. S. 348 und 1894. Sept S. 160. — *7) Maximowitsch, Journ. f. med. 
t hem. u. Pharm. 1893. Dez. S. 483—488 und 1893. Juli. S. 158 und 1894. Sept. S. 160. — 

* Boguschewsky, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Dez. S. 492—494. — *•) v. Hirsch, 
Beitrag zur Organotherapie. Sperminum-Poehl. St Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 17. 
< V.ntribution ä Forganothärapeutique et & F6tude de la Spermine-Poehl. La Tribüne m6dic. 1897. 

Koroleff, Ref. aus d. Wratsch (rass.) 1897. Nr. 20. — 41 ) Malinowski, Joum. f. med. 
(hem. u. Pharm. 1898. Febr. S. 213—215. — 42 ) Ostroumoff, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 
1£4. März S. 15—29. — **) Prochoroff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 343. 

— u. Shichareff u. Hilbbenet, cf. Poehl, Ein neues Stimulans. St. Petersb. med. 

Wochenschr. 1890. Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. März. S. 151—157 und Juli. S. 307 
bis 330. — **) de Buck et de Moor, Therapeut. Wochenschr. 1897. Nr. 25. — *7) Symons- 
Eeclea. The Britsh med. Joum. 1897. 26. Aug. — 48 ) Bosse, Joum. f. med. Chem. u. Organo¬ 
therapie 1904. Jan. S. 143—146. — *•) Fr6tin, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Dez. 
S 465—468. — *•) Goldberg, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1895. Sept. S. 297—308 und 

Febr. S. 210—215. — M ) Pantschenko, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Dez. 
•\4$b—492 und 1894. Dez. S. 434-444. — 6*) y. Hirsch, Beitrag zur Organotherapie. Sper- 
iniBiuD-PoehL St Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 17. Contribution k Forganothörapie et 
a letnde de la Spermine-Poehl. La tribune m6d. 1897. — M ) Shichareff, Joum. f. med. Chem. 
o. Pharm. 1893. März. S. 151—157 und Juli. S.307—320. — v. Rossi, Joum. f. med. Chem. 
iL Pharm. 1893. Juli. S. 347 und 1894. Sept. S. 154. — ») Gretschaninoff, cf. Poehl, 
>l*nnintheorie 1898. S. 205—207, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 155-156. — 
a Fleroff, cf. Poehl, Spermintheorie 1898. S. 205. Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. 
Sept. >. 155. — M ) Roschtschinin, Sitzungsprotokoll d. St Petersb. med. Ges. (rass.) 1891. 
26. Febr. — Stange, cf. Poehl, Spermintheorie. St Petersb. 1898. S. 208—209. — 

* Wiehert, cf. Poehl, Spermintheorie. S. 210. — ®°) Malinowsky, Journ. f. med. Chem. u. 
Phann. 1893. Febr. S. 213—215. — 61 ) Koroleff, Ref. aus d. Wratsch (russ.) 1897. Nr. 20. — 

* Roschtschinin, Sitzungsprotokoll d. St.Petersb.med. Ges. 1891. 26.Febr. — «#) Shichareff, 
sitzungsprotokoll d. St Petersb. med. Ges. 1891. 26. Febr. Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. 
März. S. 151—157 und Juli. S. 307—320. — **) Bukojemsky, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 
>93. Dez. S. 63—72. — «&) Frötin, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Dez. S. 465—468i 

— * ostroumoff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. März. S. 15—29. — 6«) Podkopajeff, 

J-mra. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept S. 197—208 und Dez. S. 421—434. — ®®) Sokoloff, 

J>iira- f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 208—214. — «®) Krieger, Joum. f. med. Chem. 

a Pharm. 1895. März. S. 76—91. — 70) Goldberg, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1895. 
>ept. S. 297—308 und 1898. Febr. S. 210—215. — 71) Postojeff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 

Jan. S. 380—397. — 32 ) de Buck et de Moor, Das Spermin als Neurotonikum. Thera¬ 
peutische Wochenschr. Wien 1897. Nr. 25. — 73) Sawitsch, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 
1«>. Juli. S. 334. — W) Tuluscheff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 334. — 
~ Mratschkowsky, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 334. — 76) Maslennikoff, 
loara. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 334. — 77) Schafranoff, Joum. f. med. Chem. 
a. F'harm. 1893. Juli. S. 334. — 78) Böthlingk, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. 
>.334. — •*;, Moritz, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 334. — *>) Snakomzeff, 
J<ura. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 335. — 81 ) Mertwago, Joum. f. med. Chem. u. 

Pharm. 1893. Juli. S. 336. —&*) Wiktoroff, Joum. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S. 337.— 

6* 


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84 Fürst J. v. Tarchanoff, A. v. Poehl und Alfred v. Poehl 


«8) Spiegel, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. S.338. — w ) Pantschenko, Jonrn. 
f. med. Chem. u. Pharm. 1893. Juli. 8.338. — Ä ) Kondratjeff, cf. Poehl, Sperminthcoric. 
St. Petersb. 1898. S. 225. Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 148. — &•) Finkd- 
stein, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1892. Dez. S. 56 — 63 und 1894. Sept S. 148. — 
8*) Nagubnoff, cf. Poehl, Spermintheorie. S. 226. Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept 
S. 149. — 8®) Afromowitsch, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept S. 149. — 8®)Maxi- 
mowitsch, Journ. f. med. Chem. u. Phann. 1894. Sept S. 149, 150. — *>) Tjaschcloff, 
Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 151. — •*) Kostjurin, Journ. f. med. Chem. u. 
Pharm. 1894. Sept. S. 151. — •*) v. Hirsch, Beitrag zur Organotherapie. Spenninum-Poclil. 
St. Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 7. — *•) Benedikt, cf. v. Hirsch, Beitrüge zur 
Organotherapie. Sperminum-Poehl. St Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 7. — w ) Eulen* 
bürg, cf. v. Hirsch, Beiträge zur Organotherapie. Sperminum-Poehl. St Petersburg, med. 
Wochenschr. 1897. Nr. 7. — W>) Ewald, cf. v. Hirsch, Beiträge zur Organotherapie. Sperminum- 
Poehl. St. Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 7. — **) Fürbringer, cf. v. Hirsch, Beiträge 
zur Organotherapie. Sperminum-Poehl. St. Petersb. med. Wochenschr. 1897. Nr. 7. — ••) Mendel, 
cf. v. Hirsch, 1. c. — 88) Krafft-Ebing, Nervosität und nourasthenische Zustände. Wien 1895. — 
8»)Salomon, Über die Behandlung schwerer Neurasthenien mit Sperminum-Poehl. Berl.klin. Wochen¬ 
schrift 1899. — iw) Maximowitsch, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept S.150. — toi) Wer- 
bitzky, Buss. Medizin 1894. Nr. 29 u. EP. Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Dez. S. 404—412. 
— i°2) v. Hirsch, Beiträge zur Organotherapie. Sperminum-Poehl. St Petersb. med. Wochenschr. 
1897. Nr. 7. Contribution ä l’organothärapie et ä F6tude de la Spermine-Poehl. La Tribüne 
ra6d. 1897. — lw ) Eulenburg, Encyklop. Jahresbticher d. Gesamtheilkunde 1894. S. 650. — 
104) Thelberg, Medical News 1900. 26. Mai. Wratsch 1900. Nr. 31. S. 943. — 105) Jakoby, 
Journ. f. med. Chem. u. Organotherapie 1904. Jan. S. 99—104. — io«) Boschtschinin, St. Petersb. 
med. Wochenschr. 1890. Sitzungsprotokoll d. St. Petersb. med. Ges. 1891. 26. Febr. — 
io<) Shicliareff, Sitzungsprotokoll d. St. Petersb. med. Ges. 1891. 26. Febr. — io®) Krieger, 
Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1895. März. S. 76—91. (Bef. aus d. med. Ges. in Chicago. — 
109) Goldborg, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1895. Sept. S. 297—308. — ,l0 ) Sokoloff, 
Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept S. 208—214 und 1897. Juni. S. 60-61. — m ) de 
Buck et de Moor, Therapeut. Wochenschr. 1897. Nr. 25. — n*) Nagubnoff, cf. Poehl, 
Spermintheorie, S. 253. — n*) Wiehert, cf. Poehl, Spermintheorie. S. 253. — m ) Mratsch- 
kowsky, Journ. f. med. Chem. u Pharm. 1894. Sept. S. 150. — HO) Viktoroff, Journ. f. med. 
Chem. u. Pharm. 1894. Sept S. 150. — HO) Frdtin, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1893. 
Dez. S. 465—468. — H*) Ulrich, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 151. — 
H8) Katzauroff, Briefliche Mitteilungen, cf. Jakowleff, Journ. f. med. Chem. u. Organotherapie 
1900. Nr. 22. S. 39—103. — !*•) Belilowsky, Berichte über Augenerkrankungen bei den 
Kisenbahnangestcllten. Zcitschr. f. Ophtalmologie 1898. März und April. — 180) Bcljarminoff, 
cf. Jakowleff, Journ. f. med. Chem. u. Organotherapie 1900. Nr. 22. S. 39—103. — 
Hi) Jakowleff, Zur Frage der therapeutischen Bedeutung des Sperminum-Poehl in der Augen¬ 
heilkunde. Journ. f. med. Chem. u. Organotherapie 1900. Nr. 22. S. 39—44. 122 ) Sniegireff, 
Journ. f. med. Chem. u. Organotherapie 1902. März. S. 117—122. — ia *) Lomakin, Journ. f. 
med. Chem. u. Organotherapie 1904. Jan. S. 91—100. — **4) Schulin, Journ. f. med. Chem u. 
Organotherapie 1904. März. S. 89 —94. — 186 ) Bosse, Journ. f. med. Chem. u. Organotherapie 
1904. Jan. S. 143—146. — 12 ®) Zakrjewsky, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1898. Febr. 
(Bef. aus d. journ. de Mddicine de Paris 1897. Nr. 8). — 18?) Klimontowitsch, cf. Poehl, 
Spermintheorie 1898. St Petersb. S. 262. — hs) Nagubnoff, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 
1894. Sept. S. 149. — *8») v . Hirsch, Beitrüge zur Organotherapie. Sperminum-Poehl. St Petersb. 
med. Wochenschr. 1897. Nr. 7. — 1<0 ) Pantschenko, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. 
Dez. S. 434—444. — **i) Kostjurin, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 154. — 
1*8) Filipps, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 153. — i**) Maximowitsch, Journ. 
f. med. Chem. u. Organotherapie 1904. Jan. S. 89—92. — ***) Boschtschinin, cf. Poehl, 

Spermin, ein neues Stimulans. St. Petersb. med. Wochenschr. 1890. — i*&) Podkopajeff, Journ. 
f. med. Chem. u. Pharm. 1895. Mürz. S. 85—113. — ia ®) Sokoloff, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 
1897. Juni. S. 60—66. — ! *7) Goldberg, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1895. Sept. 8. 297—308. 
uw) Weljaminoff, Sitzungsprotokoll der St. Petersb. med. Ges. 26. Febr. 1891. — H8) Krieger, 


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Die Bekämpfung einiger Autointoxikationen. 


85 


Joorn. f. med. Chem. u. Pharm. 1895. März. S. 76—91. — 14 ®) Podkopajeff, Journ. f. med. 
Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 197—208 und Dez. S 421—434. — 141 ) Stange, cf. Poehl, 
Spermintheorie. S. 277 und St Petersb. med. Wochenschr. 1890. — Sokoloff, Journ. f. 
aed. Chem. u. Pharm. Sept. 1894. S. 208—214. — Gold her g, Journ. f. Chem. u. Pharm. 
1*6. Sept S. 297-308 und 1898. Febr. S. 210—215. - ***) Shichareff, Journ. f. med. 
(hem. u. Pharm. 1893. März. S. 151—157 und Juli. S. 307—320. — 14ß ) Pantschenko, Journ. 
f. med. Chem. u. Organotherapie. Jan. 1904. S. 103—104. — i*®) Shichareff, cf. Poehl, 
Spermintheorie. S. 279—280. — 14 <) Höbbenet, cf. Poehl, Spermintheoric. S. 279—280. — 
** Injasewsky, Journ. f. med. Chem. u. Pharm. 1894. Sept. S. 152. — * 4 ®) Schwimmer, 
Journ £ med. Chem. u. Pharm 1898. Febr. S. 293. lief, in d. Ges. d. Hospitalärzte in Budapest. 

— W'i Wiehert, cf. Poehl, Spennintheorie. S. 281—282. — ***) Nikolsky, Russkala Medi¬ 
zin» 1894. Nr. 30. Journ. f. med. Chem. u Pharm. 1894. — 15Ä ) v. ltossi, cf. Poehl, Spermin¬ 
theorie. S. 284—302. — ***) Minajewsky, cf. Poehl, Spermintheoric. S. 284—303. — 
154 Besser, ef. Poehl, Spermintheorie. S. 284 —302.— 156 ) Tarchanoff, Ber. d. Vereins russ. 
Ärzte in St Petersburg. 57. Jahrg. 1891. Nr. 4. S. 23. Berl. klin. Wochenschr. 1891. Nr. 40. 

— **•) Derselbe, Biologisch-chemische Untersuchungen der Leuchtbakterien. Journ. f, med. 
Chem. u. Organther. 1902. März. S. 55—73. — 157 ) Wcljaminoff, Sitzungsprotokoll d. St Petersb. 
med. Ges. 1891. 26. Febr. — 1*8) Chorwath, Mitteilung an die Pariser Akademie der Medizin. 

— IS *; Senator, Deutsch, med. Wochenschr. 1895. Nr. 31. — *5®) Loewy und Richter, 
Deutsch, med. Wochenschr. 1895. Nr. 15 und Virchows Arch. 1898. Bd. 151. — 161 ) Poehl, Die 
physiologisch-chemischen Grundlagen der Spermintheoric nebst klinischem Material zur thera¬ 
peutischen Verwendung des Sperminum-Pochl. St. Petersburg 1898. — H») v# Rossi, cf. Poehl, 
Spennintheorie. S. 284—302. — l®*) Besser, cf. Poehl, Spermintheorie. S. 284 —302. — 
hi Minajewsky, cf. Poehl, Spermintheorie. S. 284—302. — *•*) Marino-Zuco u. Dutto, 
Jahresb. d. Tierchem. 1892. Bd. 22. S. 548. — l ®®) Ed. Boi net, Jahresb. d. Tierchem. 1896. 
EJ26 l S. 525. — !•*) Polimanti, Jabresb. d. Tierchem. 1896. Bd. 26. S. 559. — *®8) Mott und 
Halliburton, Jahresb. d. Tierchem. 1897. Bd. 27. S. 102. — 1 «®) Beattie Nesbitt, Jahresb. 
d. Tierchem 1899. Bd. 29. S. 386. — M®) Deila Torre, Jahresb. d. Tierchem. 1900. Bd. 30. 
S.&52. — Kobert u. Dr. Gramer, Über den Entgiftungskasten. Zeitschr. f. Krankenpflege 
l&ö. Nr. 6. — 17t ) Robin u. Bardet, Traiteincnt des empoisonnomeuts divers. Paris 1895. — 
13 Kionka, Allgemeine Therapie der Intoxikationen und Autointoxikationen. Lehrbuch der 
allgemeinen Therapie und der therapeutischen Methodik 1899. 


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86 


L Nenadovics 


II. 

Die Wirkung 

der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel. 1 ) 

Von 

Dr. L. Neuadovics 

in Franzensbad. 

Die Untersuchungen, über welche ich im folgenden berichten will, beziehen 
sich auf 17 Moorbäder; die Beobachtungszeit umfaßte 35 Tage. Die Reihenfolge 
und die Art der Bäder waren folgende: nach sechs Beobachtungstagen ohne Bäder 
wurde fünf Tage nacheinander je ein Moorbad, mitteldick 27° R, 15 Minuten, reines 
Bad 27° R, fünf Minuten genommen; vier Tage Pause, dann wieder drei Moor¬ 
bäder, mitteldick 27° R, 30 Minuten, reines Bad wie zuvor; nach der zweiten drei¬ 
tägigen Pause folgten vier Moorbäder, mitteldick 31° R, 15 Minuten, reines Bad 29°R, 
fünf Minuten; diesen reiht sich eine viertägige Pause an, nach welcher die letzten 
fünf Moorbäder, mitteldick, 27° R, 15 Minuten, reines Bad 27° R, fünf Minuten 
genommen wurden; die Beobachtung wurde mit einem Tage ohne Bad abgeschlossen. 

Der Stoffwechsel wurde nicht auf das Stickstoffgleichgewicht eingestellt, da 
ich über denselben nicht nach absoluten Werten der Harnbestandteile, sondern 
nach gewissen Harnkoeffizienten urteile. Während der ganzen Zeit nahm ich an 
Qualität und Quantität fast dieselbe Kost (Nahrung und Getränke). Der Ham 
wurde 24 Stunden gesammelt. Über die Technik der Bestimmungen sei folgendes 
hervorgehoben: der gesamte Stickstoff wurde gasometrisch bestimmt, indem der Ham 
nach Kjeldal verbrannt, und das gewonnene Ammoniumsulfat im Borodinschen 
Apparate durch die Bromlauge zersetzt wurde. Der Harnstoff wurde mit Hülfe 
gewisser Tabellen berechnet, nachdem der in demselben gebundene Stickstoff eben¬ 
falls im Borodinschen Apparate durch die Bromlauge gasometrisch bestimmt wurde. 
Der Gefrierpunkt wurde im Beckmann sehen Apparate mit Beckmannschem 
Thermometer bestimmt; für den Gefrierpunkt wurde jener Grad angenommen, welcher 
sich bei der viermaligen Bestimmung wenigstens zweimal wiederholte. 2 ) Die übrigen 
Bestandteile des Harnes wurden in der üblichen Art und Weise bestimmt. 

Aus der in dieser Weise gewonnenen Tabelle ist folgendes zu entnehmen: 

1. Das Körpergewicht weist so unregelmäßige und unbedeutende Schwan¬ 
kungen auf, daß man wohl behaupten kann, daß es fast unverändert bleibt. 

') Vorgetragen am IV. wissenschaftlichen Kongreß des Zcntralvcrbandes der Balneologen 
Österreichs in Abbazia im Oktober 1904. 

*) Ich will es nicht unerwähnt lassen, daß es nicht nur von den gelösten und dissoziierten 
Stoffen, sondern auch von der Manipulation des Untersuchenden abhängt, ob die Flüssigkeit 
im Apparate bei einem höheren oder niedrigeren Grade oinfrioren wird. Deswegen halte ich 
es für besser, als den Gefrierpunkt, nicht die letzten Ziffern bei mehrmaliger Bestimmung, sondern 
die wenigstens sich zweimal wiederholende Ziffer festzuhalten. 


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Die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel. 87 

2. Die Harnmenge, am. Anfänge 1716 0 cm 1 ), zu Ende 1235 ccm, weist ein 
Minimum von 1026 ccm, während der Pause nach den Moorbädern von 31° R 
15', und eine diesem zunächstliegende Ziffer von 1143 ccm, während der 
Pause nach den Moorbädern von’27°R 30' auf. Die Harnmenge wird 
somit kleiner, trotzdem sich eine Neigung zur Obstipation ein¬ 
stellt. Einen Einfluß auf die Harnmenge scheint sowohl die 
Badetemperatur als auch die Badedauer auszuüben. 

3. Das spezifische Gewicht und der Gefrierpunkt verhalten sich der 
Harnmenge stets umgekehrt proportioniert. 

4. Der gesamte Stickstoff, am Anfänge 19 • 12 g, zu Ende 17 • 69 g, 
wird sofort mit den ersten Moorbädern von 27° R 15' in bedeutend 
größerer Menge ausgeschieden (30 -71 g), weist bei den nächsten Moor¬ 
bädern von 27° R 30' ein Maximum von 38-72 g auf, und bleibt auch 
während der darauffolgenden Pause noch recht hoch (31 • 78 g). Dagegen 
wurde sofort bei den darauffolgenden Moorbädern von 31° R 15' ein 
Minimum von nur 15 • 73 g beobachtet. Nach dieser bedeutenden Depression 
waren die letzten kühlen Moorbäder nicht mehr imstande, die aus¬ 
geschiedene Menge wie am Anfänge wieder zu steigern (18 • 08 g). In 
der Wirkung der kühleren und der heißeren Moorbäder scheint ein 
wesentlicher Gegensatz zn bestehen: die kühleren Moorbäder greifen 
die Muskelsubstanz an, die heißeren dagegen schonen dieselbe. 

5. Die Menge des Harnstoffes weist von 27-51 g als Anfangsziffer bis 
zu 12 • 24 g als Endziffer beinahe eine stetig fortschreitende Abnahme 
auf. Ein Minimum von 10-43 g wurde während der Pause nach den 
Moorbädern von 31 0 R 15' beobachtet. 

6. Der gesamte Phosphor, am Anfänge 2 • 86 g, weist während der ersten 
fünf Moorbäder von 27 0 R 15' und der darauffolgenden Pause eine 
Abnahme auf, um nachher mit gewissen Schwankungen bis zu der Endziffer 
von 3 • 18 g aufzusteigen. Es scheint, daß die Moorbäder die 
Nervensubstanz in Anspruch nehmen. 

7. Die Azidität des Harnes verhält sich analog wie der gesamte Phosphor; 
ein Maximum wird während der Pause nach den Moorbädern von 31 0 R 
15' beobachtet. 

8. Die Menge des Chlornatriums, am Anfänge 22-07 g, zu Ende 24-91 g, 
weist während der Moorbäder von 27 0 R 30' ein Maximum von 26 • 67 g, 
und eine diesem zunächst liegende Ziffer von 25 • 27 g während der Pause 
nach den Moorbädern von 31 0 R 15' auf. 

Aus diesen absoluten Werten läßt sich eine Andeutung darauf herauslesen, 
dal- die Moorbäder von 30 Min. Badedauer eingreifender wirken als die 
von 15 Min., und die von 31 0 R eingreifender wirken als die von 27 °R; 
es scheint weiter, daß die längere Badedauer und die höhere Temperatur 
auf die Harumenge und auf das ausgeschiedene Chlornatrium eine ana- 
!" 2 e Wirkung ausüben; schließlich stellt es sich heraus, daß die kühleren 

*) Alle Zahlen stellen die für je einen Badezyklus und fiir jo eine Pause berechnete 
DnrehschnitUziffer dar. Dies ermöglicht eine leichtere Übersicht. 


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L. Nenadovics 


Moorbäder den Stickstoffumsatz steigern, dagegen die heißeren Moor¬ 
bäder denselben herabsetzen, und daß die Moorkur die Nervensubstanz 
in Anspruch nimmt. Manche dieser Beobachtungen deckt sich mit der empirischen 
Anschauung über die Wirkung der Moorbäder. 

Die Harnkoeffizienten, nach welchen ich über den Stoffwechsel urteile, ver¬ 
hielten sich bei meinen Untersuchungen folgendermaßen: 

1. Das Verhältnis des gesamten Phosphors zu dem gesamten Stickstoff, ein 
Koeffizient, welcher nach Prof. Pöhl den Verbrauch der Nervensubstanz 
angibt, war am Anfänge der Beobachtung 100 :15 • 02, am Ende 100 : 17-9. 
Während der Periode der kühleren Moorbäder (27 0 R 15' und 30') sank 
der Divisor P. so bedeutend, daß nach den Moorbädern von 27 0 R 30' 
das Verhältnis 100: 6 • 1 beobachtet wurde; dagegen stieg der Divisor bei 
den darauffolgenden Moorbädern von 31 °R 15' sofort auf 18 -8 auf und 
diese Steigerung erstreckte sich sogar auch auf die letzten kühleren 
(27 0 R 15') Moorbäder (100 : 22 • 8), welche somit nicht mehr imstande 
waren, eine Abnahme wie am Anfänge der Beobachtung hervorzurufen. — 
Es sei auch hier auf den Gegensatz in der Wirkung der kühleren und der 
heißeren Moorbäder nachdrücklichst hingewiesen: die kühleren Moor¬ 
bäder schonen, die heißeren greifen die Nervensubstanz an. Die 
Wirkung der heißeren Moorbäder scheint intensiver und anhaltender zu 
sein, als die der kühleren. 

2. Der Koeffizient v. Koränyis (J : CINa °/ 0 ) war am Anfänge 1 • 07, zu Ende 
0-98; zwischen diesen Zahlen wurden unbedeutende Schwankungen — 
maximum 1 • 1, minimum 0-92 — beobachtet. Es ist daraus zu ent¬ 
nehmen, daß die Tätigkeit der Nieren beinahe unverändert blieb und 
stets eine gute war. 

3. Die Zahl der Grammoleküle des Harnstoffes 

am Anfänge 0 • 50, wird allmählich kleiner, zu Ende blos 0 • 18. 

4. Die Zahl der Grammoleküle der Achloride ohne des Harnstoffes 
(— Zahl der Grammoleküle der Achloride') minus Zahl der Grammoleküle 
des Harnstoffes) stieg von 0 • 03 als Aufangsziffer bis zu 0 • 32 resp. 
0 • 26 als Endziffer auf. 

Ein solches Verhältnis der Grammoleküle des Harnstoffes zu den Gram¬ 
molekülen der übrigen Achloride bedeutet nach Usoff, 2 ) daß die Oxydations¬ 
prozesse im Körper herabgesetzt sind. 

Die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel erlaube 
ich mir auf Grund der angeführten Daten in folgendem zusammenzufassen: Die 
Harnmenge wird kleiner., trotzdem die Nieren gut arbeiten und trotzdem 
sich eine Neigung zur Obstipation einstellt. Die Oxydationsprozesse 
werden herabgesetzt. Die kühleren Moorbäder schonen die Nerven¬ 
substanz und greifen hauptsächlich die Muskelsubstanz (N) an, die 


•) Zahl der Gramme lokale der Achloride Zahl der gesamten Grammolokülo 


minus Zahl der Grammolckiile der Chloride 


V ■ CINa % 


1 » <> • 110 


s ) P. Usoff: Krioskopie des Harnes. VIII. Pyrogoffscher Kongreß. Lief. 6, rus siseh. 


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Die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel. 


89 


heißen Moorbäder schonen dagegen die Muskelsubstanz und greifen 
die Xervensubstanz an. 

Überraschend an diesen Beobachtungen ist nur die Tatsache, daß die 
Fr&nzensbader Moorbäder die Oxydationsprozesse im Körper herabsetzen. So 
viele Ärzte über Moorbäder, und zwar nicht nur über Franzensbader, sondern 
aneh über solche anderen Ursprungs geschrieben haben, so viele wiederholten die 
Behauptung, daß die Moorbäder den Stoffwechsel steigern. Gegen diese Be¬ 
hauptung habe ich nur eines einzuwenden, nämlich, daß noch niemand- von ihnen 
Untersuchungen angestellt hatte, um dieselbe experimentell zu ergründen. Als 
kh in einem meiner früheren Vorträge 1 ) als erster die Behauptung aufstellte, daß 
der Blutdruck im Franzensbader Moorbade sinkt, wurde ich angefochten, und doch 
wurde später diese Tatsache auch für andere Moorbäder durch Dr. Löbel, 2 ) 
Stifler und Foß erwiesen. Ich bin überzeugt, daß es mir mit der Behauptung 
aber den Stoffwechsel ebenso ergehen wird. Um jedem Mißverständnisse vorzu¬ 
beugen, will ich erwähnen, daß mit den Moorbädern und Schlammbädern von 
hoher Temperatur (über 38° C) von russischen Ärzten wohl Untersuchungen an¬ 
gestellt worden sind, welche eine Steigerung des Stoffwechsels ergeben haben. 
Ich sprach jedoch nur von den Moorbädern, welche zufolge ihrer Temperatur zu 
der Methode ohne Schwitzen gehören. Die von mir eingeführte Einteilung der 
Mootkuren in 1. die Methode ohne Schwitzen und 2. die Schwitzmethode, 
erscheint auch dadurch begründet, daß zwischen diesen zwei Methoden nicht nur 
ein quantitativer, sondern, wie meine Untersuchungen es beweisen, in bezug auf 
ihre Wirkungen auch ein qualitativer Unterschied besteht. Indem ich als Grenze 
zwischen den genannten zwei Methoden einen gewissen Temperaturgrad annehme, 
könnte es den Anschein erwecken, als schriebe ich die Wirkung bei den beiden 
Methoden hauptsächlich der Temperatur zu. 

Um diesen Anschein zu vermeiden, muß ich folgendes bemerken: Es ist 
leicht, bei der Schwitzmethode alle beobachteten Erscheinungen, so die Puls- 
lieschleunigung, die Beschleunigung der Atemfrequenz, die Steigerung des Blut¬ 
druckes und des Stoffwechsels aus der Wirkung der hohen Temperatur der Bäder 
herzuleiten; ebenso lassen sich auch bei der Methode ohne Schwitzen manche 
Erscheinungen durch die Wirkung der Temperatur erklären. Ich bin jedoch nicht 
imstande, auch die Herabsetzung der Oxydationsprozesse durch die Temperatur¬ 
wirkung der Bäder zu erklären. Ich betone noch, daß die Herabsetzung der 
«ixvdationsprozesse im Körper nur für die Franzensbader Moorbäder bis 38° 0 
bewiesen worden ist, dagegen eine Steigerung der Funktionen des Organismus bei 
Temperaturgraden über 38° C für alle Moorarten gilt. Über die praktisch-thera¬ 
peutischen Schlüsse, welche man aus dem Ergebnis meiner Untersuchungen über 
die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den Stoffwechsel herleiten kann, 
habe ich bereits in der gynäkologischen Sektion der Breslauer Naturforscher- 
Versammlung berichtet. 3 ) 

') Dr. L. Nenadovics: Über die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf die phvsiol. 
Vorgänge. Allg. W. m. Z. 1902. Broschtlre unter demselben Titel. Budapest 1903. 

*) Dr. A. Löbel: Die blutdruckreduzierondcn Werte der Moorbäder. D. m. Z. 1903. 

Ti Dr. L. Nenadovics: Zur Balneotherapie der Frauenkrankheiten. Wien, med. Presse 
19M4. Nr. 40. 


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Arthur Loebel, Zur Behandlung der Arteriosklerose mit Moorbädern. 


III. 

Zur Behandlung der Arteriosklerose mit Moorbädern. 

Im Märzhefte der „Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie“ 
berührt Dr. Axel Winckler im Artikel „Praktische Erfahrungen mit Schlamm¬ 
bädern“ die Kontraindikationen der Schlammbadekuren und nennt unter anderen 
als solche: hochgradige Arteriosklerose. Hierbei fand er sich veranlaßt, in 
einer Randnote zu schreiben: „Mit Verwunderung vernehme ich, daß Dr. Loebel 
in Dorna eine Behandlung der Arteriosklerose mit Moorbädern lehrte (Balneologen- 
Kongreß 1900). Die dortigen Moorbäder sind vielleicht recht dünn. Schlamm¬ 
bäder bekommen solchen Patienten schlecht!“ 

Vor allem identifiziert Dr. Winckler die Heilwirkungen der Schlammbäder 
ohne weiteres mit denjenigen der Moorbäder trotz der widersprechenden Aus¬ 
führungen im eigenen Aufsatze auf S. 656 Moorbrei ist aber vermöge seines 

Gehaltes an vegetabilischen Bestandteilen (Holzfasern, überhaupt Pflanzenfasern) 
ziemlich leicht .... so berechnet sich die Mehrbelastung im Moorbade gegenüber 
einem Wasserbade auf 112 Kilo. Ein solcher Druck ist ja nicht gering, aber doch 
um 208 Kilo geringer als der im Schlammbade .... In dieser Schwere liegt 
ein wesentlicher Vorzug(?!) der Schlammbäder vor den Moorbädern.“ 

Ferner dünkt mir, daß gerade für den Baineotherapeuten die Behandlungs¬ 
methode den am wenigsten zu übersehenden Faktor bildet. Nun betone ich in 
dem von Dr. Winckler angezogenen Vortrage ausdrücklich, daß mir bei Arterio¬ 
sklerose die 35° C Moorbäder günstige Erfolge bringen, wenn ich sie anfänglich 
jeden zweiten Tag verordne, die Patienten vor psychischen und somatischen Auf¬ 
regungen warne und die Blutdruckverhältnisse wiederholt vor und nach den Bädern 
kontrolliere. Die Reinigungsbäder sind in Dorna gewöhnliche Wasserbäder von 
der Schlußtemperatur des Moorbades und dauern nur die kurze Zeit bis zur Ab¬ 
schwemmung des Moorbreies vom Körper. In Nenndorf gibt Dr. Winckler an 
auf S. 659, daß der Badewärter dem Badegaste den von der Stirne rinnenden 
Schweiß fleißig abtrockne, daß auf jedes Schlammbad das höchstens drei Minuten 
dauernde Reinigungsbad, ein warmes Wasserbad von 36° C, folge, hierauf eine 
halbstündige schweißtreibende Packung in Leinen- und Wolldecken und sodann 
eine einstündige Bettruhe. 

Am unverständlichsten ist mir aber Wincklers Verwunderung, „daß ich die 
Behandlung der Arteriosklerose mit Moorbädern lehre“. Auch Winckler schließt 
ja den Gebrauch seiner Schlammbäder erst bei hochgradiger Arteriosklerose 
aus. Ich vermochte jedoch in Berücksichtigung dieser diagnostischen Schwierig¬ 
keit, die gerade dem Badearzte besondere Verantwortlichkeiten zuschiebt, der vagen 
Differenzierung zwischen hochgradiger und nichthochgradiger Arteriosklerose keinen 
Raum zu geben und habe in meinem Vortrage die Anwendung der Moorbäder 
nur bei bestehendem hohen Blutdrucke für angezeigt erachtet, aber beim Eintritte 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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v<«n Kompensatioüsstörungen, oder im Falle von diagnostizierbaren Erkrankungen 
der Koronararterien bzw. bei Anfallen von Asthma cardiale den Gebrauch derselben 
ausgeschlossen. 

Bei der Wichtigkeit dieser Frage kann ich wohl auch noch ein Interesse 
für die Tatsache voraussetzen, daß sowohl in der am deutschen, wie in der ein 
Jahr zuvor am österreichischen Balneologen-Kongresse abgeführten Diskussion nur 
zustimmende Äußerungen bezüglich des Moorbädergebrauches bei Arteriosklerose 
fielen: und da es nicht angeht, hier die einschlägige Literatur aufzurollen, ein 
weiteres Interesse nur noch für die Erklärungen des Prof. v. Basch aus dem 
Buche über Arteriosklerose bei Herzkrankheiten in Anspruch nehmen. „Demnach 
ist die Dorner Behandlungsmethode mit Moorbädern in den Fällen von hoher 
Blutspannnng indiziert. Trotzdem sie derzeit im Rufe aufregender Bäder stehen, 
werden die Moorbäder ihren Ruf ändern, um als ein Spezifikum gegen Gefä߬ 
verkalkungen gepriesen und angewendet zu werden.“ 

Arthur Loebel (Dorna). 


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Bericht Ober die 26. öffentliche Versammlung der Balneologischen' 
Gesellschaft in Berlin, 9.—13. März 1905. 

Von Dr. G. L. Mamlock. 

Herr Heubner (Berlin): Badekuren im Kindesalter. Da die Badekuren in der 
Pädiatrie in weit geringerem Umfang angewandt werden, als in der übrigen Therapie und dem¬ 
gemäß Erfahrungen darüber nicht zahlreich sind, so sind eingehendere Studien über ihre Wirkung 
’i&d Indikation gerechtfertigt. In der Kinderklinik der Charite wurden Versuche angestellt, 
hauptsächlich um den Einfluß von Solbädern zu studieren. Es handelt sich im wesentlichen 
edd Stoffwechseluntersuchungen zunächst an einem normal ernährten Kind, das dann mit Sol¬ 
bädern behandelt wurde. Das wichtigste Ergebnis war die vermehrte N-Ausscheidung im Ver¬ 
lauf der Bäderbehandlung; ein beachtenswerter Befund deshalb, weil das gesunde, wachsende 
Kind überhaupt seinen N sehr fest hält. Neben gesteigertem Eiweißzerfall wurde Stillstand 
»ies Kr»rpergewichts beobachtet. In zweiter Reihe wurde der Zirkulationsapparat während und 
nach dem Bade untersucht. Bereits nach 15 Minuten tritt Bleichung und Schrumpfung der 
Haut der Extremitäten, sowie Steigen des Blutdrucks ein. Durch die Veränderung der Blut- 
verteiluug wird ein mächtiger Reiz auf den kindlichen Organismus ausgetibt, so daß solche Bäder 
im allgemeinen alß anstrengend anzusehen sind. Damit ist die Indikationsstellung gegeben. Es 
dürfen nicht schlechtweg elende, schwächliche Kinder, um skrofulöse, tuberkulöse, anämische 
und andere krankhafte Zustände zu beseitigen, mit Bädern behandelt werden, sondern es ist 
>or-rfaltig vor solcher Kur festzustellen, ob das betreffende Kind überhaupt imstande ist,'einen 
eichen Reiz, wie es das Bad darstellt, zu vertragen. Nur wenn objektiv und subjektiv gutes 
Befinden danach vorhanden ist, ist eine weitere Badekur indiziert. Jedenfalls hat dem Bade 
riae Zeit von Ruhe und Schonung zu folgen, ohne die gute Resultate nicht zu erwarten sind. 
In noch höherem Maße gilt das von Seebädern; bei diesen wirken noch eine Reihe anderer 
Faktoren, wie Luft, Bewegung etc. mit. Die anderen Bäder sind im allgemeinen überall da 
indiziert, wo man ßie auch bei Erwachsenen gibt. Bei Lähmungen und den im Kindesalter 
flicht häufigen Polyarthritiden sind Moor- und Schlammbäder angezeigt; bei angeborenen oder 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


erworbenen Spiasmen Teplitz, Gastein etc. Besondere Vorsicht ist nötig bei der Verabreichung 
kohlensaurer Solbäder, sowie überhaupt niedrig temperierter Bäder. 

Herr Krause (Berlin): Beziehungen der Balneologie zur Chirurgie. Auf Grund 
eines sehr großen Materials, daß in den Berichten der Medizinalabteilung des preußischen Kriegs- 
ministeriums vorliegt, hat Vortragender bestimmte Gesichtspunkte für balneologische Behandlung 
bzw. Nachbehandlung bei chirurgischen Leiden festgelegt. Die Beobachtungen entstammen den 
Militärheilstätten (besonders Wilhelm-Heilanstalt, Wiesbaden) und sind, da sie sich naturgemäß 
nur auf eine bestimmte Berufs- und Altersklasse erstrecken, von Vortragendem aus seinen 
eigenen Erfahrungen ergänzt. Speziell in Wiesbaden gelang cs, an den in der Anstalt 
behandelten Patienten 34,12%, an denen außerhalb 62% dienstfähig zu machen. Dabei sei 
bemerkt, daß cs sich um chirurgische bzw. operierte Fälle handelt; ferner sind die in der 
Anstalt selbst behandelten natürlich die schwersten. Schließlich beziehen sich die Angaben 
auf die wieder erlangte Dienstfähigkeit, d. h. nicht etwa auf eine Heilung im klinischen Sinne, 
der noch ein Stadium der Rekonvaleszenz folgt, sondern die betreffenden Patienten sind soweit 
hergestellt entlassen, daß sic ihren vollen Dienst tun konnten. Die Dauer der Behandlung 
betrug vier bis fünf Wochen. Aus der großen Anzahl der verschiedenen Erkrankungen seien 
als besonders wichtig hervorgehoben einige Nervenerkrankungen, soweit sie chirurgische 
Hilfe erfordern: ehe solche eintritt, soll man hydriatische bzw. klimatische Kuren versuchen, 
womit man gerade bei Neuralgien ausgezeichnete Resultate erzielen kann. Es gelingt bei einer 
ganzen Reihe von Trigcminusneuralgien, die jeder medikamentösen Therapie Widerstand leisten, 
entweder durch Warmwasscrbehandlung oder noch besser Aufenthalt in trockenem, heißem 
Klima Heilung zu bringen. Die früher üblichen Abführkuren hält Vortragender nicht für 
geeignet. Ein andres großes Gebiet für die Bäderbehandlung gaben die verschiedenen Wunden 
(Panaritien, Phlegmonen, Varizen, Fisteln, Decubitus etc.) : hier leisten permanente w'arme Bäder 
bzw. lokale Wasserapplikation meistenteils ausgezeichnete Dienste. Die Wundflächen werden 
gereinigt, die Granulationsbildung wird angeregt und so werden für jede erforderliche Therapie 
(Transplantation etc.) die günstigsten Bedingungen geschaffen. Nicht zu unterschätzen ist bei 
all solchen Fällen die schmerzstillende Wirkung mäßig temperierter Bäder. Sehr geeignet für 
balneologische Therapie sind die tuberkulösen Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Es 
kommt hier allerdings in erster Linie die Behandlung der Tuberkulose im allgemeinen in Frage: 
Seeklima, Höhenkurorte usw. Weiter sind lokale Schwefel- oder Schlammbäder angezeigt. Bei 
akuter primärer Osteomyelitis sieht man gute Erfolge nach wannen Bädern (Wiesbaden etc.); sie 
erleichtern die Sequesterabstoßung bedeutend, und man ist so in der Lage, in verhältnismäßig 
kurzer Zeit zum Ziel zu kommen. Bei gonorrhoischen Erkrankungen kann man, wenn das akut 
entzündliche Stadium vorbei ist, durch Thermalbäder die Residuen beseitigen und völlige 
Gebrauchsfähigkeit der Gelenke erzielen. Schließlich wendet man zweckmäßig nach Bauch¬ 
operationen, wenn Schmerzen infolge Narbenbildung oder Verwachsungen auftreten, warme 
Bäder mit gleichzeitiger Massage an. 

Eine Gruppe von Vorträgen beschäftigte sich mit Fragen der Hygiene, des Rettungs¬ 
wesens, sowie sanitären Maßnahmen: 

Herr Kisch (Marienbad): Über Aufgaben und Ziele der b alneologischen Labo¬ 
ratorien in den Kurorten. 

Herr Margulies (Kolberg): Ertrinkungsgefahr und Rettungswesen an der See. 

Herr Röchling (Misdroy): Aufgaben und Tätigkeit des ständigen Ausschusses 
für die gesundheitlichen Einrichtungen in den deutschen Kur- und Badeorten. 

Herr Rüge (Cudoma): Hygienische Mindestforderungen an Kurorte. 

Es ist eine nicht unberechtigte Forderung, wenn Bade- oder Kurort nur solche Orte 
genannt werden dürfen, die ein bestimmtes Maß sanitärer Vorkehrungen treffen; nicht nur um 
den Kurgebrauch im engem Sinne zu ermöglichen und rationell zu gestalten, sondern auch um 
den vorhandenen und mit der Zeit zunehmenden Ansprüchen an Komfort stets genügen zu 
können. Dahin gehört u. a. Sorge für gutes Wasser, Kanalisation, gründliche Abfuhrbeseitigung, 
hygienische Wohnungen; ferner Vorkehrungen um bei eintretenden Erkrankungen Isolierung zu 
ermöglichen. Es muß Gelegenheit zur Desinfektion, erster ärztlicher Hilfe etc. vorhanden sein. 
Nach dieser Richtung hin verdient besonders die Tätigkeit des ständigen Ausschusses für die 
gesundheitlichen Einrichtungen in den deutschen Kur- und Badeorten Erwähnung, wodurch eine 


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Zentralinstanz geschaffen ist, die in der Lage ist, nicht nur die sanitären Einrichtungen zu 
überwachen, sondern auch mit den steigenden Anforderungen weiter auszubauen. Zu Seebädern 
gehört u. a. auch, daß ein geordnetes Rettnngswesen eingerichtet ist, das sowohl vorbeugend 
als auch namentlich kurativ wirken soll. Instruktionen über Ertrinkungsgefahr und Ausbildung 
in den zur Rettung erforderlichen Maßnahmen sind in geeigneter Weise zu veranlassen. Neben 
«1er vorwiegend praktischen Bedeutung sind auch von wissenschaftlichem Werte die Einrichtung 
baJneologischcr Laboratorien, die im Zusammenhang mit den akademischen Forschungsstättcn 
•teilend, Aufklärung über die Heilquellen zu geben berufen sind. Alle Fragen der Geologie, 
Physik, Chemie, Meteorologie, Klimatologie, soweit sic von Einfluß und Bedeutung für die 
Zusammensetzung und Wirksamkeit der Wässer sind, sollen daselbst studiert und praktisch 
afitzliar gemacht werden. 

Herr Burwinkel (Nauheim): Ätiologie und allgemeine Therapie der Arterio¬ 
sklerose. Redner verwirft die von Romberg auf dem vorjährigen Kongreß für innere 
Medizin vertretene Funktionstheorie (.,Abnutzungskrankheit“). Eine normal ernährte Gefäßwand 
»rträgt ohne Nachteil die Schwankungen, wie sie durch das Zusammentreffen von körperlichen 
Anstrengungen und nervöser Aufregung im Gefäßtonus hervorgorufen werden. Regressive, 
sklerotische Prozesse können aber entstehen, wenn das durchfließende Blut nach Menge und 
Beschaffen heit nicht ausreicht, um den Gefäßen das zum Aufbau und Wiederersatz erforderliche 
Material zn liefern und um alternde und überflüssige Strukturteile fortzuschaffen. Stromverlang- 
•aanng und Blutvcrschlechtcrung führen zur Ernährungsstörung in den Gefäßen und legon den 
Grand zur Arteriosklerose. 

Die Arteriosklerose kann eine rein lokale Erkrankung sein, für gewöhnlich ist sie aber 
der Ausdruck einer Stoffwechselkrankheit Das Übergewicht des Prozesses in dem einen oder 
in dem anderen Gebiet findet seine Erklärung in einer besonderen Prädisposition der Gefäße 
♦der in einer mehr direkten Wirkung. 

Für die Pathogenese kommen außer dem Einfluß des Alters und der erblichen Anlage 
3lle solche Momente in Betracht, welche die Strömungsgeschwindigkeit im gesamten Gcfäß- 
fvuern oder in einem Abschnitt desselben dauernd und erheblich herabsetzen, also: 

1. eine Überdchnung der Gefäße bei allgemeiner uni speziell bei Unterleibsplethora; 

2. abnorme Widerstände in der Gefäßbahn bei anhaltendem Spasmus der Gefäße, Kom¬ 
pression derselben durch Fettumlagcrung und übertriebene Muskelkontraktionen; 

X Verzögerung des venösen Abflusses zum nerzen bei ungenügender Muskel- und Atmungs- 
tätigkeit; 

4. Erhöhung der inneren Reibungswiderständc in dor Strombahn bei großer Zähflüssigkeit 
(„Viskosität“) des Blutes; 

5. Klappenfehler und zwar vorzugsweise Aorteninsuffizienz. 

Für die Blutverschlechterung sind als Ursachen zu nennen: a) rezidivierende Blutverluste 
Ule. ventriculi); b) Verarmung des Blutes an Sauerstoff und Überladung mit C0 a (Emphysem, 
Asthma. Kyphoskoliose); c) Einwirkung von Autotoxinen (Verdauungsstörungen, Organcrkran- 
k»rngen : d > Einwirkung von Giften und Toxinen (Blei, Hg, Lues, Malaria). Gewöhnlich wird 
die Krankheit durch die Vereinigung mehrerer Schädlichkeiten, insbesondere Intoxikation und 
mechanische Momente ausgelöst. 

Die Prophylaxe deckt sich mit den Regeln der Eubiotik. 

In der Therapie spielen die physikalisch-diätetischen Heilmittel die Hauptrolle. Eine 
konsequent und richtig durchgeführto Reduktion der flüssigen und festen Speisen wirkt der 
Plethora und dem überholten Blutdruck entgegen. Eine mehr lakto-vegetabile Kost ver¬ 
mindert die Blutviskosität und Gefäßspanming. Zweckmäßige und ausreichende Körperbewegung 
sorgt für richtige Blutströmung, gehörige Atmung in frischer Luft, für ordentliche Arterialisation 
dt* Blutes. Durch Anwendung hydriatischer und balncologisclicr Prozeduren setzt man die 
peripheren Widerstände herab, tonisiert das Gefäßsystem und verbessert die Blutqualität. Durch 
Anregung der Nieren-, Darm- und Hauttätigkoit werden die Stoffwechsclschlacken und toxischen 
Substanzen schneller eliminiert. 

Von größtem Nutzen erweist sich der periodisch wiederholte Aderlaß. Es gibt kein 
einfacheres und zuverlässigeres Mittel zur Beseitigung abnormer Kreislaufwiderstände, zur 
Entfernung toxischer Produkte, namentlich auch der Cö a aus dem Blut, als die Vcnacscctio, 


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94 Berichte über Kongresse und Vereine. 


die zudem die Blutneubildung kräftig anregt. Burwinkel appelliert an die klinischen Lehrer, 
die Studierenden zum Venäsezieren anzuhalten und so an der Reaktivierung dieses vorzüglichen 
Heilmittels mitzuwirken. 

Jod, welches das Blut weniger viskös und damit leichtflüssig macht, und die Digitalis 
sind unersetzliche Medikamente. Nitroglyzerin empfiehlt sich in der dreisteren Dosierung 
von Noordens Antiskierosin und Truneceks Serum sind des Versuches Wert. Eine wichtige 
Aufgabe kommt auch der psychischen Behandlung zu. 

Herr Steinsberg (Franzensbad): Zur Behandlung der Arteriosklerose. Nach 
einer ausführlichen Einleitung über das Wesen und die Entstehung dieser Erkrankung, wobei 
er der histomechanischen Theorie von Thoma den Vorzug vor jener von Huchard 
gibt, skizziert der Vortragende in Kürze die Anatomie, Ätiologie und Symptomatologie der 
Arteriosklerose. Sie ist eine Abnutzungskrankheit, die nicht so sehr durch ein Moment als 
vielmehr durch den ganzen Komplex der direkten und indirekten Schädlichkeiten unsrer 
hastenden Zeit und des grellen Lebens bedingt wird und nur allzuleicht Angriffsobjekte am 
ererbt debilen Gefäßapparat findet. Unter den ursächlichen Momenten spielen übermäßige 
physische Arbeit wie das Gegenteil davon sitzende Lebensweise, zu reichliche Nahrung, die 
sich in Extremen zwischen Fleisch und vegetarischer Kost bewegt, vor allem jedoch gesteigerte 
Fltissigkeitszufuhr und die nicht ausrottbaren Genußmittel, besonders der Alkohol und Tabak 
wie nicht zu allerletzt die mannigfachsten psychischen Alterationen, Infektionskrankheiten und 
toxischen Einwirkungen die Hauptrolle. Vortragender unterscheidet eine latente und manifeste 
Arteriosklerose. Die verdickten, verlängerten und geschlängelten Temporalarterien jugendlicher 
Personen, das allzuofte Initialsymptom des sich ausbildenden Gefäßseniums, sollen trotz noch 
bestehender Symptomlosigkeit seitens der inneren Organe nicht leichthin übergangen wxrden. 
Die allgemeine Prognose dieses weitverbreiteten Krankheitsprozesses würde sich erheblich bessern, 
wenn schon in diesem Stadium die Prophylaxis in individuell angepaßten hygienischen 
Maßnahmen und therapeutischen Eingriffen ihren Ausdruck fände. Genau abgewogene Lebens¬ 
und Ernährungsweise, cblorarme Nahrung, Alkohol- und Tabakabstinenz, wo notwendig auch 
medikamentöse Beeinflussung durch Ergotin, kleine Joddosen als Jodnatrium oder Jodrubidium 
und vor allem die physikalische Therapie sind schon in diesem Zeitabschnitte als Präventiv 
maßregeln heranzuziehen. Mäßige systematische Heil- und Widerstandsgymnastik, nicht forcierte 
Terrainkuren, leichte hydropathische Prozeduren und ganz besonders streng dosierte Kohlen¬ 
säurebäder bilden den therapeutischen Rtistapparat; diese letzteren als Regulatoren der Herz¬ 
arbeit und des Gefäßsystems und durch ihr auf die Hebung der Gesamtfunktionen gerichtete 
Wirkungsweise. Auch bei der manifesten Arteriosklerose dem atheromatösen Prozeß mit seinem 
je nach der Lokalisierung verschiedenartigen Symptomenkomplex leistet nebst der Regelung 
der Nahrung, zeitweiligen Milchkuren, Verabreichung von Salinis etc. die kombinierte Jod-Bäder¬ 
therapie das Ersprießlichste. Allenfalls sieht man vom Jod im Gegensätze zu seiner aus¬ 
gezeichneten Wirkung bei der initialen Arteriosklerose bei vorgeschrittenen dystrophischen 
Zuständen und anatomischen Läsionen arteriosklerotischen Ursprungs kaum eine positive Beein¬ 
flussung. Zeitweilig sind Cardiaca am Platze, doch soll mit Digitalis, was auch v. Jaksch 
betont, erst bei eingetretener Inkompensation begonnen werden. Dagegen sind die balneären und 
physikalischen Maßnahmen in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Von großem Nutzen sind 
kalte Abreibungen, schwache Kohlensäurebäder, ev. auch indifferente dosierte 
Moorbäder, daneben vorsichtige Terrainübungen und etwas passive und aktive Gymnastik, 
wobei Vortragender die idealen Bedingungen Franzensbads für diesen Behandlungsplan betont 
Die C0 2 bäder müssen mit Vorsicht gebraucht, der C0 3 gehalt genau abgestuft, die Temperatur 
jeweilig ermittelt w r erden; oft werden kühlere Bäder bis 20° R besser vertragen als solche von 
indifferenten Temperaturen. Der Vortragende verweist zuletzt auf die beruhigende und blutdruck- 
erniedrigende Beeinflussung der Franzensbader Moorbäder. Er erprobte nach dieser Richtung 
die schwach konsistenten sog. Moornormalbäder und kombinierte schwache Kohlensäure¬ 
moorbäder und fand, daß sie von den Kranken oft besser vertragen werden als reine, allen¬ 
falls C0 3 reichere Bädertypen. Sie ersetzen auch im Einleitungsverfahren der C0 3 - 
behandlung in hohem Maße die üblichen Soolbäder. Zum Schluß des Vortrags wird noch¬ 
mals auf die Prophylaxis und die hervorragende Bedeutung der Balneotherapie in der 
Behandlung der Arteriosklerose hingewiesen. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


Herr Fisch (Franzensbad): Balneotherapie bei komplizierten Herzaffektionen 
und Kompensationsstörungen. Vortragender konstatiert, daß die weitaus größte Zahl 
der nach den entsprechenden Kurorten dirigierten Herzpatienten mit komplizierten Herzaffektionen 
tad Kompcnsationsstörungen behaftet sind, und ist daher bestrebt, die Aufmerksamkeit der Arzte 
h ausgiebigerem Maße auf die baineotherapeutische Behandlung dieser Leiden zu lenken, und 
nasentlich das Interesse derjenigen Ärzte dafür zu erwecken, die als Skeptiker oder von erg- 
l*grenzter eigener Erfahrung und Subjektivität beherrscht, sich dazu ablehnend verhalten, statt 
sieh zu exakter Nachprüfung unter zumindest ähnlich zu gestaltenden Bedingungen zu ent¬ 
schließen. 

Vortragender betont, daß den baineotherapeutischen Maßnahmen bei diesen Leiden nicht 
l»k*Ö eine suggestive Wirkung, sondern im Gegenteil sogar eine direkt objektive Heilwirkung 
xnerkannt werden müßte. Diese komplizierten Herzaffektionen rekrutieren sich zumeist aus 
Herzfehlern, teils angeborene, teils erworbene, kombiniert mit Gefäßverkalkung, Herzmuskel- 
iQtxfmdnng. Degeneration des Herzmuskels, Fettherz etc., im Stadium der Inkompensation. 

Fisch behandelt diese Fälle nach der schon vor Jahren von ihm angegebenen Methode, 
der sog. ..Kombinierten Herztherapie“, deren Aufgabe er bei diesen Leiden als eine doppelte 
aaffaßt: 1. Wenn der Patient zur Zeit der Behandlung beschwerdenfrei ist, muß durch die 
l«alneotherapeutischen Maßnahmen dahin gewirkt werderi, daß dieser Zustand, das sog. Stadium 
der Kompensation auch für die Dauer erhalten bleibe. 2. Wenn hingegen der Patient von an¬ 
dauernden Beschwerden gequält wird, d. h. sich im Stadium der Inkompensation befindet, so 
muß dieses Stadium wieder in dasjenige der Kompensation (beschwerdenfreier Zustand) zurück- 
getuhrt werden. 

Von den hierbei in Anwendung kommenden baineotherapeutischen Maßnahmen will Vor¬ 
tragender die bereits allenthalben und allgemein anerkannten Mineralwasserbäder, mit der ge- 
gelnneD Möglichkeit einer aszendierenden Abstufung ihrer wirksamen Bestandteile (Kohlensäure 
un<J rhloride), in erster Reihe genannt wissen. Fisch legt spezielles Gewicht auf das Inne- 
kaiten dieser rationell-systematischen Abstufung der wirksamen Bestandteile im Bade; da 
erfahrungsgemäß der allmähliche Übergang von den schwächer differierten Bädern zu den 
stärkeren schon für sich selbst im Sinne des „Herzschonungs“- und „Herzübung8“-Prinzips den 
Erfolg verbürgt, worin ja auch das Wesen und die Bedeutung der Kohlensäurebäderbehandlung 
gegvi*en ist. 

Hauptsächlich zur Unterstützung eines günstigen Erfolges dienen noch die manuelle 
Hen^ymnastik und die Herzmassage; ferner die individuell zu regulierende Diät, die Rücksicht¬ 
nahme auf die dem Zustande entsprechende Kleidung und auf geeignete klimatische Verhältnisse, 
sowie andere ähnliche Faktoren allgemeinen Charakters; des weiteren muß aber gegebenen¬ 
falls auch den übrigen Hilfsmitteln der Herztherapie, wie Bettruhe, Herzmedikamente, Eis- 
b^atel, Eröffnung etwaiger Flüssigkeitsansammlung in den Körperhöhlen ihre Bedeutung 
erhalten bleiben. 

Nach den Ausführungen des Vortragenden sind somit diejenigen mit komplizierten Herz- 
affrktionen und Kompensationsstörungen behafteten Patienten einer baineotherapeutischen Be¬ 
handlung zugänglich, bei denen die Fnnktionstüchtigkeit des Herzens wenigstens noch so weit 
erhallen ist. daß das Herz eine derartig außerwesentliche Arbeit, die die Anwendung balneo- 
therapeutischer Faktoren erheischt, zu leisten imstande ist und bei denen die etwa aufgetretenen 
Komplikationen im Krankheitskomplexe noch nicht die Oberhand gewonnen haben, und wo 
Bettruhe oder herzstärkende Medikamente einzig und allein noch zulässig sein dürften. 

Znm Schlüsse führt Vortragender nach Klarstellung seines Standpunktes in der Frage 
uWr die Balneotherapie bei fraglichen Leiden zur Illustration einige von ihm in Franzensbad 
^handelte Fälle an. 

Heir Munter (Berlin): Die Verwertung der Hydrotherapie in der Behandlung 
•ter Herzkrankheiten. Soli die Hydrotherapie als integrierender Teil der Gesamttherapie 
anerkannt werden, so muß sie im speziellen das leisten, was wir von der Therapie im allgemeinen 
verlangen: hei der Hydrotherapie, daß sie auf Basis der physiologisch erforschten Daten der 
Wärmezufuhr und der Wärmeentziehung, auf Basis der Wirkung der thermischen Reizung, 
g^näß des pathologisch-anatomischen Zustandes, unter Berücksichtigung der pathologiseh- 
pbv siologischen Vorgänge letztere individualiter zu beeinflussen suchen. 


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96 Berichte über Kongresse und Vereine. 


Als physiologische Tatsache kann gelten: 

1. Kältereize sowie Wärmeentziehung in physiologischer Breite lokal, reflektorisch oder 
allgemein bewirken eine Herabsetzung der Herzfrequenz und meist eine Erhöhung des 
Blutdrucks. 

2. Maßnahmen indifferenter Temperatur bewirken durch Reizabhaltung eine Minderung 
der Erregung. 

3. Wärmezufuhr bis zur Erhöhung der Eigenwärme bedingen eine Vermehrung der Puls¬ 
frequenz, ein Sinken des Blutdrucks, Erweiterung der Gefäße. 

Wärmereize als Nervenreiz bedingen eine Vermehrung der Herzfrequenz, bald Sinken, 
bald Steigen des Blutdruckes. Diesen phys. Tatsachen entsprechen die empirisch-klinische Er¬ 
fahrung, durch welche wir wissen, daß Kälte Herz und Gefäße tonisiert, Wärme dieselben erschlafft. 

Welches sind die Aufgaben der Therapie bei einer Erkrankung des Herzens und welche 
Aufgaben kann die Hydrotherapie im Speziellen erfüllen? 

Das Hauptmittel in der Therapie der Herzkrankheiten, die Digitalis, erzeugt eine Ver¬ 
ringerung der Herzfrequenz, eine Erhöhung des Blutdrucks, also unter geringerer 
Arbeit vergrößerte Leistung, bewirkt durch die infolge der Vergrößerung der Erholungspause 
erzielte Kraftanbildung am Herzen. 

Ähnlich wirkt die Kälte auf das Herz; sic setzt dio Herzfrequenz herab, erhöht meist 
den Blutdruck und tonisiert dio Gefäße; also ebenso große Kraftleistung unter geringerer Arbeit, 
und dieses kann nur ein kräftigeres Herz tun, also tonisiert auch der Kältereiz das Herz. Auch 
die neueren Untersuchungen von Brandenburg, der nachgewiesen hat, daß die Digitalis die 
Anspruchfähigkeit des Herzens hcrabsetzt und die Kontraktionsfähigkeit wachsen läßt, haben 
dasselbe bestätigt. Auch die Kälte setzt die Anspruchsfähigkeit des Muskels herab, verlängert 
das Latenzstadium und vergrößert die Kontraktionsfähigkeit. 

Immer mehr zeigt sich das Bedürfnis neben der auf Basis pathologisch-anatomischen 
Zustandes aufgebauten Diagnose, nach einem Erkennen nach der Leistungsfähigkeit des 
erkrankten Organes resp. Organismus. Auch bei den Herzkrankheiten findet dieses seinen 
Ausdruck in der Bezeichnung der Suffizicnz und Insuffizienz. Bei der Anwendung des physi¬ 
kalischen und besonders des thermischen Reizes in der Therapie der Herzkrankheiten genügt 
aber eine soweit gehende Diagnose der Funktion nicht, weil der Reiz sehr fein abgestuft, 
methodisch geändert und individualisiert werden kann. Deshalb müssen Zeichen für die ver¬ 
schiedenen Perioden der Leistungsfähigkeit im Verlauf einer Herzkrankheit gesucht werden, um 
gemäß dieser Leistungsfähigkeit in jeder Periode individualiter die Größe des thermischen 
Reizes, dio Art seiner Anwendung und die Dauer der Applikation genau dem kranken Herzen 
anzupassen. 

Schon dio Insuffizienz muß in eine relative und absolute geteilt werden, bei der absoluten 
ist ein irreparabler Ausfall der Funktion infolge Degeneration der Substanz, bei der relativen 
ist nur eine vorübergehende Störung, erstere ist nicht zu beeinflussen, letztere indiziert außer 
der absolutesten Schonung die Analeptica und die lokale Kälte, zwei bis dreimal täglich zwei¬ 
stündlich, intensivere Wasserprozeduren sind kontraindiziert. Doch goht die Insuffizienz nicht 
gleich zur vollen Suffizienz über. Hier sind zwei Hauptstadien 1) das der Akkommodation und 
2) das der Kompensation. In der Akkommodation sucht das Herz durch Besserung seiner Er¬ 
nährung auch eine Besserung der Funktion zu erreichen, um die nötige Menge potentielle 
Energie in die kinetische überzuführen, dio das Herz für die alltäglichen vegetativen Funktionen 
braucht. Hierbei sind die Perioden des sich akkommodierenden Herzens und dio Periode des 
akkommodierten Herzens zu unterscheiden. Erstere ist das Stadium der absolutesten Schonung; 
also Ruhe oder Massenbewegung als auch der assimilatorischen. Hier ist zuvörderst angezeigt 
dio Digitalis, die lokale Kältcanwcndung, kontraindiziert jede intensivo Wasserprozedur. Hier¬ 
durch wird erreicht die Periode der Akkommodation, d. i. das Stadium der übenden Schouung, 
wodurch das Herz wieder die Fähigkeit erlangt, so viel Spannkraft zu bilden, um leichtere 
Aufgaben des alltäglichen Lebens zu erfüllen; unter übender Schonung, unter Berücksichtigung 
der Leistungsfähigkeit wird eine Kraftanbildung am Herzen erstrebt. Schwierig ist die funktio¬ 
nelle Diagnostik in diesem Stadium. Die Methoden von Kraus, Graupner und Mendelsohn- 
Fisch sind hierfür heranzuziehen, ferner die Berücksichtigung des Pulses zwischen Ruhe und 
Bewegung, die Beachtung der Stärke des Pulses zur Stärke des Holzstoßes; ferner die Digi 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 97 

talis und Kaltewirkung, ob sie die Herzfrequenz herabsetzt und Blutdruck und Urinmenge 
«ttqrert. Da die Schonung unter Übung angezeigt ist, so wird der therapeutische Reiz an 
Intensität, Extensität und Dauer beschränkt sein. Also Teilwaschungen von 30—20° C unter 
terecksichtigung einer schnellen Reaktion. Ferner zwei- bis dreimal täglich die lokale Kälte. 
Fenit-r wird der thermische, statt mit dem mechanischen, mit dem chemischen als schonenderen 
Kti* verbunden werden in Form CO a N CI-Bäder von 34—30° C, von 10—20 Minuten Dauer 
äs« nachfolgender Ruhe. Ist die Akkomodation erreicht, so ist die Aufgabe für das Herz 
Iteervekraft zu bilden, d. h. potentielle Energie als Vorrat aufzuspeichern, um sie bei größerer 
unerwarteter Inanspruchnahme in Bewegungsenergie überzuführen. Dieses ist die Periode des 
*n‘h kompensierenden Herzens, wobei ein Übergang stattfindet, von übender Schonung zur 
^honenden Übung. Das Stadium ist am geeignetsten für die Hydrotherapie. Unterstützt wird 
•iie Herztätigkeit durch die Tätigkeit der Gefäße; diese können wir neben dem Herzen am 
misten beeinflussen. Das Herz soll unter Schonung geübt werden. Die Kälte als Tonikum 
ü*t «las Herz, sie wirkt auf Gefäße und Herz tonisierend, belastet jedoch durch die primäre 
Kontraktion der Gefäße, die Technik muß dieser Vorbeugen und eine vollständige und leichte 
Reaktion erzielen lassen, damit wird das Herz geschont. Angezcigt sind Teilwaschungen, 
1 X Cl-Bäder, am meisten entspricht der schonenden Übung das allmählig abgekühlte Halbbad 
V"L 33—25° C auf 24—16°, allmählig abgekühlt, mit geringerer oder größerer Reibung durch 
das Einschleichen des Reizes wird der Effekt verlängert. Je nach Übung oder Schonung sind 
dk* Nachprozeduren, bei Übung mit Brause, Abreibung Begießung von 24 bis 15° C mit nach- 
•olzcmler Bewegung, bei größerer Schonung nachfolgende Ruhe. Es gibt in der Hydrotherapie 
keine Rezepte, der Reiz muß individuell nach Intensität, Extensität, Dauer, Kontrastwirkung, 
Rtizempünglichkeit bald übend, bald schonend angewendet werden. So erreicht man das 
Stadium der Kompensation, das durch reine Übung erhalten und gefördert wird. Neben der 
fimktiöDeJIen Diagnostik ist aber die patholog. anatom. nötig, um die Methodik danach zu 
ricbien: 1*4 der Mitralinsuffizienz z. B. muß die Rückstauung nach dem kleinen Kreislauf, der ver¬ 
mix Jerte Druck in den Arterien gehoben werden, die vermehrte Spannung in den Venen und 
die dadurch bedingte Verlangsamung der Zirkulation beseitigt werden. Ist Schonung, so Digi- 
rali* ist mehr Übung, so werden die obigen Indikationen erfüllt außer durch halblaue C0 2 N Öl¬ 
bäder. Teilwaschungen, Abreibungen, Brausen. Begießungen, in gewissen Stadien der Übung 
Hirch die Halbpackung, mit Berücksichtigung und Vorsicht der primären Kontraktion durch die 
K-Üte. auch kombiniert mit lokaler Kälte aufs Herz. Die sekundäre Erwärmung nach der kalten 
fackang zeigt den Unterschied zwischen dieser und dem warmen Bade, hier Gefäßerweiterung, 
H^rzbeschleunigung und Sinken des Blutdrucks, dort bei der Packung Gefäßcrweitcrung, 
licrzverlangsamung nnd Erhöhung des Blutdrucks. Die Packung darf nicht bis zur Wärmc- 
>unnng liegen, diese zeigt sich an durch Pulsbeschleunigung. Ein nachfolgendes Halbbad, 
jiknählieh abgekühlt von 32° auf 24° C verstärkt die tonisierendo Wirkung und macht diese 
irr Digitalis Wirkung noch ähnlicher. Nach denselben Grundprinzipien der Leistungsfähigkeit 
werden die Herzmuskclerkrankungen unter Berücksichtigung der Ätiologie behandelt; bei vor¬ 
geschrittener Degeneration ist die Hydrotherapie kontraindiziert, da ein degenerierter Muskel 
sieh nicht tonisieren läßt Bei den Neurosen des Herzens ist die Differenzialdiagnose am schwierig- 
«en, da die Erscheinungen der Neurose oft ähnlich denen der organischen Veränderungen sind. 
Die Hydrotherapie hilft hier auch diagnostisch. Folgt auf Kältewirkung eine Abnahme der Herz¬ 
frequenz, eine Steigerung des Blutdrucks, eine Akzentuierung des II. Aortentones, eine Ver¬ 
stärkung des Spitzenstoßes, ein Schwinden der Arythmie und eine Zunahme dos Urins, so zeigt 
diese fnnktionelle Leistung an, daß der Reflexapparat des Herzens, Muskel und Nerv noch intakt ist. 
Für die Praxis wichtig ist die Angabe Rosenbachs: bei Neurosen ist Urindrang, urina spastica, 
ils Folge stärkerer nerzleistung, bei organischen Veränderungen Defäkationsdrang und auf- 
^rtriebener Leib als Folge von Stauung im Unterleib. Die Behandlung ist nach dem Prinzip 
4er N ♦ urosen im allgemeinen: bei torpiden Fällen erregende Prozeduren, bei erotischen, auf- 
ftregten reizabhaltende Maßnahmen; letztere sind dem Überreiz vorzuziehen, weil sie die 
Funktion stärken und dauernden Erfolg bringen. Es kann also die Hydrotherapie die allgemein 
verlangte ideale Forderung der Therapie speziell erfüllen, d. h. man kann mit ihrer Hilfe die 
natürliche Heilkraft, die vis medicatrix naturae wissenschaftlich, d h. bewußt und wissentlich 
Yiten und lenken. 

Zeis* :hr f. diät, a phyailc. Therapie Bd. IX. lieft 2. 7 


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98 Berichte über Kongresse und Vereine. 


In einer Reihe von Vorträgen von Passon, Ewald, Grawitz, Posner und Koblank 
wurden die Beziehungen zwischen Hydrotherapie und den Spezialdisziplinen der Ohren-, 
Magen-, Blut-, Harn- und Frauenkrankheiten besprochen. Soweit nicht die in den 
andern Vorträgen zum Ausdruck gebrachten Gesichtspunkte ebenfalls maßgebend sind, sei im 
einzelnen bemerkt: Boi Erkrankungen des Ohres eignen sich im allgemeinen die Ostseebäder 
besser als die der Nordsee; meist wird es sich jedoch mehr um klimatische Einwirkung handeln, 
da z. B. bei rezidivierender Otitis media Bäder selbst nicht angezeigt sein dürften. Letztere 
kommen nur in Betracht, um etwaige Grandleidcn der Ohrerkrankungen zu beeinflussen. 

Indikation und Wirkung der alkalisch-muriatischen, sowie alkalisch-salinischen Quellen 
auf die Verdauungsorgane und die dabei zu beobachtende Diät wurden besprochen; desgleichen die 
Bedeutung der verschiedenen eisen- und arsenhaltigen Wässer bei Bluterkrankungen. Bei 
letzteren ist Höhenklima ein wesentlicher Heilfaktor, namentlich wirkt mittlere Höhe günstig 
auf die Blutregeneration. Bei den Urogenitalerkrankungen ist, je nachdem Niere bzw. Blase, 
funktionsfähig oder nicht, die Behandlung zu bestimmen. Noch ist zu berücksichtigen, ob 
etwaige Retention sich auf Salze, Wasser oder Stickstoff erstreckt. Schwitzkuren, Diät, Mineral¬ 
wässer, namentlich kohlensaure, kommen hauptsächlich in Betracht. Alkalische Wässer wirken 
bei chronischen Reizzuständen sehr gut. Lokale Prozesse sind bekanntlich der Behandlung 
mit warmen Sitzbädern gut zugänglich. Bei gynäkologischen Affektionen kommen verschiedene 
hydriatische Prozeduren besonders in Betracht: Bei Myomen erwiesen sich oft kalte Seebäder 
günstig; Stahl- oder laue Halbbäder bei Amennorrhoe. Douchcn und Sitzbäder bei chronischen 
Adnexerkrankungen. Vermeiden soll man Massage bei Badekuren. 

Herr Bassenge (Berlin): Dr. Paskal Josef v. Ferro, ein Hydrotherapeut des 
18. Jahrhunderts. Der Vortrag schildert den Lebenslauf, Bildungsgang, die ärztliche und 
literarische Tätigkeit des I)r. Paskal Josef v. Ferro, welcher von 1775—1809 in Wien wirkte. 
Als Hydrotherapeut war er zunächst wissenschaftlich tätig durch Herausgabe seines Buches: 
„Vom Gebrauche der kalten Bäder“, welches 1780 verfaßt wurde, 1781 erschien und 1790 eine 
zweite Auflage erlebte. In diesem Buche trat er mit geschichtlichen und wissenschaftlichen 
Argumenten für die Einführung von Kaltbadeanstalten ein und es gelang ihm, ein Privileg für 
Errichtung solcher Anstalten in allen österreichischen Erbländern durch die Kaiserin Maria 
Theresia zu erhalten. Auf sein Betreiben wurde in Wien im Jahre 1781 die erste Kaltbade¬ 
anstalt in der Donau nach seinen speziellen Angaben und Plänen errichtet. 

v. Ferro ist als der erste Hydrotherapeut Wiens und als Vorläufer von Winternitz 
anzusehen. Der Vortrag gibt interessante Aufschlüsse über den Bildungsgang der Mediziner 
und die sozialen Verhältnisse der damaligen Ärzte in Wien. 

Herr Eulenburg (Berlin): Die Balneotherapie in der Nervenheilkunde. Aut 
keinem andern Gebiete wie dem der Nervenkrankheiten kommt für eine erfolgreiche Bade¬ 
oder Brunnenkur so viel auf die Geschicklichkeit und das psychologische Können des Arztes 
an, so daß eigentlich der Patient dahin gehen soll, wo diesen Anforderungen genügt wird. 
Denn die Grenzen für die Wahl des Kurortes selbst sind so weite, daß man wesentliche 
Schwierigkeiten, das richtige zu treffen, nicht haben dürfte. Zu beachten ist hauptsächlich das 
folgende. Schwere organische Nervenleiden kommen kaum in Betracht, so weit nicht etwa die 
zeitigen Symptome einer Besserung zugängig sind. Meist handelt es sich um funktionelle 
Störungen, die verschiedenen Formen der Psychoneurosen, Hysterie, Hypochondrie etc. Bei 
allen diesen Formen hat neben der klimatischen bzw. baineotherapeutischen auch eine Milieu- 
behahdlung Platz zu greifen. Gewöhnlich ist ja die Veränderung an und für sich schon aus¬ 
reichend, doch ist man oft genötigt, genauere Vorschriften darüber zu machen. Mäßiges 
Höhenklima pflegt bei funktionellen Neurosen gewöhnlich günstig zu sein, vorausgesetzt, daß 
nicht Störungen kardio-vaskulärer Natur dabei bestehen. Ebenso sind Winterkuren im Hoch¬ 
gebirge sehr zu empfehlen, wegen der angenehmen Tagestemperatur. Dazu kommt als nicht 
zu unterschätzender Ileilfaktor der Wintersport in seinen verschiedenen Formen. In Fällen, 
wo man stimulierend und exzitierend auf den Organismus wirken will, bei Neurasthenie, nervöser 
Konstitutionsschwächo etc. kommt Aufenthalt an der See in Botracht. 

Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Nordsee ziemlich stark anregend wirkt und man 
Patienten mit Ischias, Reizzuständen etc. nicht dahin schicken soll. Oft empfiehlt sich der 
Aufenthalt im Sanatorium, wo allmählich und planmäßig eine Akkomodation zu ermöglichen ist. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


Herr Bruhns (Berlin) bespricht die Hydrotherapie bei Hautkrankheiten und 
Syphilis. Das Wasser ist heute ein wichtiger Faktor in der Behandlung der Hautkrankheiten ge¬ 
worden. Besonders ist auch das ganz heisse Wasser oft von großem Nutzen. Es wirkt hauptsächlich 
t^miiidungs widrig, zirkulationsfördernd und jucklindernd, und wird bei chronischen Ekzemen, 
Acne rosacea, Pruritus und andern Erkrankungen mit großem Vorteil verwendet. Neben dem 
(brauch andrer Badeprozeduren (Schwitzbäder, Teerbäder etc.) erwähnt Bruhns die Dampf- 
Mandlung, mit der er bei Acne vulgaris und rosacea ausgezeichnete Erfolge gesehen hat. Bei 
Besiedlung der Urticaria ist man mit den Bädern in jedem einzelnen Falle auf das Probieren 
ixrewiesen. Für die Behandlung der Syphilis empfiehlt Bruhns die Bädertherapie als robo- 
rierendes Mittel. Sie gestatte aber nicht, wie von manchen Seiten angegeben wird, die Annahme, 
<M man durch sie mit geringeren Dosen Hg auskäme. Die gleichzeitige Anwendung von 
bankt ionskur und Schwefelbädern widerrät Bruhns nach Neissers Vorgang, ebenso wegen 
•ier Wichtigkeit der Hg-Inbalation, die häufig verordneten täglichen Bäder vor der Einreibung. 
Die Schwitzbäder während der Kur haben leicht eine zu schnelle Ausscheidung des Hg (durch 
den Schweiß) zur Folge. Bei Besprechung der Indikationen, die den Arzt veranlassen, den 
Kranken in einen Kurort zu schicken, weist Bruhns u. a. auf die guten Erfolge hin, die schon 
der nervenberuhigende Aufenthalt in einem Badeort, procul negotiis, bei den Patienten mit stark 
juckenden Hautkrankheiten, Neurodermitis chronica, Pruritus etc., welche das Nervensystem sehr 
erheblich in Mitleidenschaft ziehen, habe. 

Herr Hornberger (Frankfurt a. M.): Über die Wirkung der kohlensauren Bäder. 
Ihr Wirkung der kohlensauren Bäder ist physikalisch zu erklären. Bei der Entwicklung von 
Kohlensäure, sowohl bei den künstlichen als bei den natürlichen Bädern, wird Wärme frei. Diese 
bildet einen gleichmäßig, sich stetig wiederholenden Reiz auf den sich ruhig verhaltenden Körper. 
Letitercr antwortet wie jedem anhaltenden Reiz durch Hyperämie. Die Wirkung ist vergleich¬ 
bar «kr Massage. 

Diese Hyperämie setzt sich in die Tiefe fort und leitet nicht, wie man seither angenommen, 
du Eint von den visceralen Gefäßen ab. Wir gewinnen durch diese Anschauung eine einheit¬ 
liche Erklärung in Übereinstimmung mit der Natyir, daß die verschiedensten Krankheiten durch 
einen gesteigerten Blutzufluß, durch eine bessere Ernährung geheilt werden. Dieser Erklärung 
steht scheinbar die Tatsache entgegen, daß unter den angegebenen Umständen das Herz stärker 
‘‘«lastet und dadurch geschädigt würde. Diese Annahme wird aber durch die Naturbeobachtung, 
■ii? Experiment und die klinische Erfahrung widerlegt. Die Lehre vom Kreislauf ist nur bedingt 
richtig. Die Annahme, daß bei Erweiterung der Gefäße das Blut langsamer fließt, ist durchaus 
falsch, die Beobachtung lehrt gerade das Gegenteil. Das kann nur möglich sein, wenn außer 
cer Druckwirkung des Herzens noch eine andre Kraft das Blut in Bewegung setzt. Diese 
Kraft ist eine physikalisch nachweisbare, eine Saugkraft. Das Herz ist nicht nur Druckpumpe, 
»ieHarvcy gelehrt und wie man seit drei Jahrhunderten angenommen hat, sondern in gleicher 
Weise Säugpumpe; und diese Saugkraft kann an jeder Stelle des Körpers in Tätigkeit treten. 
Es bildet sich bei Erweiterung der Gefäße ein luftleerer Raum. Diese Lehre ist von praktischer 
Wichtigkeit. Zwei Beispiele werden dafür angeführt. 1. Es gibt zwei verschiedene Arten von 
Blutdmekerhöhung, eine physiologische und eine pathologische. Die erstere beruht auf Ver¬ 
sehrter Blutstromgeschwindigkeit, dio zweite auf erhöhten Widerstand im Gefäßsystem; die 
erstere entlastet, die zweite belastet das Herz. Die Heilwirkung der kohlensauren Bäder beruht 
auf ersterer. 2. Die Entziehung von Flüssigkeit beim durstenden Herzkranken bedeutet eine 
^hädignng des Kranken; eine maßvolle Zufuhr von Flüssigkeit erleichtert die Herzarbeit. 

Diese Darstellung bedeutet einen völligen Bruch' mit den seitherigen Anschauungen. 
Letztere sind auf falschen physiologischen Voraussetzungen aufgebaut, welche schuld daran sind, 
cati die Wirkung der Bäder bis heute noch eine völlig unaufgeklärte ist. 

Herr Fellner (Franzensbad) gab eingehendere Beobachtungen über die physiologische 
Wirkung der kohlensauren Bäder. 

Herr Liermbergcr (Levico): Beitrag zur Behandlung der Ankylostomiasis- 
anämie und der Tropenanämien. Vortragender berichtet über sechs Fälle von schweren 
rropenanämien bei einer Bauernfamilio, die nach fünfjähriger Arbeit in Kaffeeplantagen 
Lnuiliens im Jahre 1901 in ihre Heimat, Marter bei Levico, zurückgckchrt war. Mai 1903 wies 
l*r. Weiß, Bezirksarzt in Borgo, Ankylostoma hominis als Ursache der Anämie nach.'Eine 

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100 Berichte über Kongresse «und Vereine. 

hierauf an den drei Söhnen lege artis vorgenommene Abtreibungskur mit Filix mas hatte als 
Effekt: Exitus letalis bei dem 772 jährigen Knaben, Amaurose bei dem 12jährigen Knaben, der 
dritte Patient (23 Jahre) kam ohne Schaden davon, war aber von seinem Leiden nicht befreit 

Juli 1903 übernahm Vortragender die noch übrigen fünf Patienten und es gelang ihm 
durch eine 37a Monate fortgesetzte systematische Verabreichung von Levicowasser die Anämie 
zur Heilung zu bringen, und zwar trotz Fortbestehens der intensiven Infektion und trotz 
höchst ungünstiger Lebensverhältnisse der Patienten. Erst nach Heilung der Anämie wurde 
die radikale Abtreibung der Würmer vorgenommen und zwar mit einem neuen Anthelmintikum, dem 
Täniol Goldman. Das Mittel wurde leicht genommen, verursachte keinerlei unangenehme 
Komplikationen und war in seiner Wirkung ungemein prompt. Es scheint demnach die bisher 
üblichen Mittel (Filix mas und Thymol) an Präzision der Wirkung und Ungcfähriichkeit zu 
übertreffen. — Als merkwürdigen Nebenbefund konstatierte Vortragender in seinen Fällen 
Fehlen von Eosinophilie vor der Anämiekur und starkes Hervortreten derselben bei 
Besserung des Blutbefundes und Allgemcinzustandes. Vortragender sieht die Eosinophilie als 
Folge einer direkten Knochenmarksreizung durch Ankylostomatoxine an und erklärt die von ihm 
beobachtete Erscheinung durch Annahme des Fehlens der Reaktionsfähigkeit bei hochgradigen 
Erschöpfungszuständen und ihres Wiedereintretens bei allgemeiner Besserung. Er schließt sieh 
der Meinung jener Autoren an, die in der Eosinophilie der Ankylostomiasis ein hämatologischcs 
Zeichen für das Vorhandensein eines toxischen Momentes unter den Entstehungsursachen der 
Anämie erblicken. 

Aus seinen Behandlungserfolgen vor einer Radikalkur und aus den Erfolgen Goldmans 
nach der Abtreibung (D. Ärzte-Ztg. 1903) leitet Vortragender die Berechtigung ab, daß Heran¬ 
ziehen der Levicowässer als Hilfsmittel bei der Ankylostomiasisbekämpfung zu 
empfehlen, und erblickt in dem Verlauf seiner Fälle (Anämieheilung ohne Behebung der 
Krankheitsursache) sowie in den günstigen Erfahrungen mit Levicobchandlung bei Malaria¬ 
kachexie und Malariaanämie eine Rechtfertigung für die konstatiert zunehmende Verwendung der 
Levicowässer zur Verhinderung und Heilung sogenannter tropischer Anämien im 
allgemeinen. 

Herr Frankenhäuscr (Berlin) sprach Über Ziele und Grenzen der Balneotherapie 
in den Wohnorten der Patienten. Er wies darauf hin, daß gerade in denjenigen Kreisen, 
welche in der Regel nicht imstande seien, Badeorte aufzusuchen, also in den wenig begüterten 
und schwer arbeitenden Kreisen der Bevölkerung solche Krankheiten außerordentlich häufig 
seien, welche mit besonders gutem Erfolge in den Badeorten behandelt würden. So bilden 
z. B. die Ernährungsstörungen, die Blutarmut, Skrophulose und englische Krankheit der Kinder, 
die Bleichsucht der Frauen, die Arbeitsunfähigkeit der Männer infolge von Verletzungen und 
Rheumatismus Erkrankungsgebiete, deren große Verbreitung den betreffenden Bevölkerungs¬ 
schichten außerordentlich verhängnisvoll und der Ausbreitung der Tuberkulose günstig sei, und 
deren Behandlung mit Mineralwässern erfahrungsgemäß sehr günstige Ergebnisse liefere. 

Da keine Aussicht sei, diesen Patienten in ausreichender Weise die Kurorte zugänglich 
zu machen, sei es eine Aufgabe nicht nur von großer hygienischer und therapeutischer, 
sondern auch von großer sozialer Bedeutung, wenigstens so weit als möglich einzelne Heil¬ 
faktoren der Badekuren diesen Patienten mehr als bisher zugänglich zu machen. Dieso Aufgabe 
habe sich die hydrotherapeutische Anstalt der Universität unter der Leitung Briegers gestellt. 
In seinen weiteren Ausführungen erörterte der Vortragende die Möglichkeiten und die Schwierig¬ 
keiten, welche die Bearbeitung einer baineotherapeutischen Methodik im Wohnorte der Patienten 
biete. Schließlich rief er dio Mitarbeit der Badeärzte bei diesem gemeinnützigen Werke an. 

Herr Laqueur (Berlin): Zur physikalischen Behandlung der gonorrhoischen 
Gelenkerkrankungen. Die Prognose des gonorrhoischen Gelenkrheumatismus hat sich 
erheblich gebessert, seitdem man von der Behandlung mit Iramobilisation durch Gipsverbändc 
resp. langdauerndo Streckverbände abgekommen ist, und statt dessen die Faktoren der physi¬ 
kalischen Therapie von Anfang an energisch anwendet. Dieselben bestehen im akuten Stadium 
vorwiegend in DiehUschen Heißwatte-Umschlägen, Bier’scher Stauung und lokalen Heißluft¬ 
bädern. Diese Maßnahmen, namentlich die Bier’sche Stauung, ermöglichen es vermittels ihrer 
schmerzstillenden Wirkung, frühzeitig am kranken Gelenke aktive und passive Bewegungen 
vorzunohmen und so Ankylosen zu verhindern; die antibakteriellc Wirkung der Bi ersehen 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


Stauung, die Verfasser auch durch Versuche an Menschen nachweisen konnte, spielt ebenfalls 
vice wichtige Rolle in ihrer Heilwirkung. Im subchronischen Stadium werden außer den 
renannten Prozeduren noch Vollbäder von 38—40° C Temperatur anzuwenden sein. Die 
Massage ist im akuten Stadium am besten ganz zu unterlassen, im chronischen nur mit 
Vorsicht zu applizieren, um so wichtiger ist aber hier eine vorsichtige, aktive und passive 
Gymnastik. Im chronischen Stadium sind neben der mediko-mechanischen Behandlung vor 
allen Dingen, und zwar in möglichst enger Verbindung damit, heiße Dampfdouchen und warme 
Vollbäder, in denen passive Bewegungen der Gelenke vorgenommen werden, indiziert, auch die 
Bier sehe Stauung ist hier oft noch von großem Nutzen. Ferner spielen hier balneo- 
therapeutische Kuren (Moor-, Schlamm-, Fangobäder, indifferente Thermen, Schwefelthermen etc.) 
eine wichtige Rolle. — 

Bei Befolgung dieser Therapie hat Vortragender im hydrotherapeutischen Umvcrsitiits- 
Institute zu Berlin auch bei schweren Formen des Leidens noch sehr befriedigende Resultate 
erzielen können. 

Herr Winternitz: Mißgriffe bei Wasserkuren. 

Herr Brieger: Aus dem Gebiete der Hydrotherapie. 

Die Vortragenden geben aas ihrer reichen Erfahrung einige wichtige Gesichtspunkte, von 
denen hier besonders folgendes bemerkt sei: Die hydriatische Fiebcrbehandlung müßte mehr 
als bisher länger dauernde, mäßig hoch temperierte Bäder anwenden, da nur solche wirklich 
tcmpcratnrherabsetzend wirken. Kurz dauernde kalte Bäder sind nur in Fällen indiziert, 
wo peripherische Gefäßlähmung besteht. Weiter korrigierte der Redner irrige Vorstellungen 
über Gefahren bei Anwendung von Kopfduschen. Solche können in den jetzt üblichen Dosen 
nicht schaden und es bedarf Mäßigkeit und Kritik bei der Anwendung; dann bilden sio jedoch 
ein wichtiges therapeutisches Hilfsmittel. 

Über die Einrichtung und Frequenz der hydrotherapeutischen Universitätsanstalt werden 
renanere Angaben gemacht. Wasser kann allgemein nicht in so hohen Temperaturen angewandt 
werden wie Mineralschlamm. Sand und andere Medien, so daß sorgfältig auszuwählen ist. Schwitz- 
prozednren in W T asser bewirken ganz bedeutende Oxydationssteigerung; ferner bilden sie ein 
nichtiges Mittel, die Empfindlichkeit des Körpers herabzusetzen, und empfehlen sich daher 
überall da, wo man Akratothermen anzuwenden pflegt (Neuralgien, Arthritiden etc.). Weiter 
lefprieht Redner die Kuren mit destilliertem Wasser bei Gicht; ferner Packungen in feucht- 
wanne Watte beim aknten Gichtanfall. 

Herr Hahn (Bad Nauheim): Beziehungen der Hämolyse zur Praxis. In einer Reihe 
T .'»ü Versuchen, die er in dem Köppeschen Laboratorium zu Gießen ausführte, hat Hahn die 
Einwirkung des Alkohols auf die roten Blutkörperchen studiert. Um jede andre Schädlichkeit 
anszuschalten, wurden die Blutscheiben vorher in isotonen Lösungen suspendiert und dann erst 
die verschiedenen Konzentrationsgrade des Äthylalkohols zugesetzt. Es ergaben sich folgende 
Resultate : 

Der Alkohol ist ein ausgesprochenes Blutkörperchengift. Er bowirkt unter bestimmten 
Voraussetzungen Auflösung der roten Blutscheiben: Hämolyse. Diese Hämolyse ist abhängig 
vr.Q der Konzentration, die einwirkt, von der Temperatur, bei der die Einwirkung stattfindet 
and von der Däner der Einwirkung. Es ergab sich zwischen diesen Faktoren ein interessantes 
gesetzmäßiges Verhalten insofern, als bei gleicher Temperatur der Eintritt der Reaktion ab¬ 
hängig ist von der Konzentration und andrerseits bei gleicher Konzentration von der Tem- 
y^ratur. Die Reaktionsgeschwindigkeit wächst proportional der Erhöhung der Konzentration, 
resp. der Steigerung der Temperatur. Es ließen sich für die einzelnen Temperaturen und Kon- 
i^Etrationsgrade Grenzwerte bestimmen. Unterhalb dieser Grenzwerte konnte keine Reaktion 
mtfcr ausgelöst werden auch bei noch so langer Dauer der Einwirkung; ein Überschreiten der 
Grettzseb welle löste dagegen in einer bestimmten Zeit eine Reaktion aus. Aber auch wenn keine 
Hämolyse eintrat, konnte nachgewiesen werden, daß die roten Blutkörperchen geschädigt werden, 
indem ihre Resistenz herabgesetzt, mithin ihre Widerstandsfähigkeit gegen sonstige schädigende 
Einflüsse beeinträchtigt wurde. Dr. Hahn nimmt an, daß das schädigende Moment .des Alkohols 
za suchen ist in Veränderungen der äußeren Schicht der Blutkörperchen, und daß hierbei die 
fettlösende Eigenschaft desAlkohols eine Rolle spielt. 


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102 Berichte über Kongresse und Vereine. 


Überträgt man die gefundenen Beziehungen des Alkohols zu den roten Blutkörperchen 
analog auf andre zcllige Elemente des Organismus, und bedenkt man, daß diese jenes Verhalten 
in noch empfindlicherer Weise zeigen können, so ergibt sich hieraus die Bedeutung der Versuche 
fiir die Praxis von selbst. 

Herr Nenadowics (Franzensbad): Über den Wirkungskreis der Balneotherapie 
in der Gynäkologie. Der Vortrag stellt das Resultat eines literarischen Studiums dar, welches 
der Vortragende in der Absicht gemacht hatte, um den Entwicklungsgang der gynäkologischen 
Balneotherapie kennen zu lernen. Die ersten Indikationen Für die Trink- und Badekuren waren 
die Menstruationsstörungen, die Sterilität, die Schlaffheit und die Fühllosigkeit, später wurde in 
den Kreis dieser Therapie die chronische Gebärmutterentzündung, noch später die entzündlichen 
Erkrankungen der Eileiter, der Eierstöcke, des Beckenbindegewebs und Bauchfells (Exsudate) 
und zuletzt das Fibromyom (1881) hereingezogen. In Trink- und Badekuren wurden zu allererst 
die Eisen- und Schwefelquellen, später die Soolbäder, und zuletzt die Moorbäder (Kiwisch 1854), 
weiche heute die dominierende Stellung einnehmen, gebraucht. Die Balneotherapie hat in die 
moderne Gynäkologie bei den Deutschen Scanzoni (1859) und bei den Franzosen Roubaud 
(1870) eingeführt. Hervorragenden Anteil an der weiteren Entwicklung der gynäkologischen 
Balneotherapie hat Schröder genommen. Wir sehen dann, daß diese Therapie als wissenschaft¬ 
liche Disziplin kaum etwas über 30 Jahre hinter sich hat. Es ist bemerkenswert, daß sich diese 
Therapie zu derselben Zeit entwickelt und behauptet hat, welcher auch die operative Gynä¬ 
kologie ihre Entstehung und die enorme Entwicklung zu verdanken hat. Wohl haben die 
Fachgynäkologen zu der Entwicklung der gynäkologischen Balneotherapie beigetragen, aber 
diese Arbeit ist verschwindend klein zu jener, welche die Gynäkologen Für die Entwicklung 
der operativen Therapie geleistet haben. Es ließe sich über die baineotherapeutischen Ansichten 
der Gynäkologen eine Kritik ausüben, welche für die Balneotherapie einen weiteren Wirkungs¬ 
kreis eröffnen würde; diese Aufgabe hält sich der Vortragende Für eine andere Gelegenheit vor. 

Herr Ebst ein (Langen Schwalbach): Das moderne Bäderwesen und seine Reform. 
Die Bäder werden heutzutage von Menschen aufgesucht, bei denen ein spezielles Leiden noch 
nicht das gesundheitliche Bild beherrscht, die vielmehr in ihrer Konstitution, in ihrer Gesamt 
leistungsfähigkeit gehoben werden müssen. Dies kann nicht genügend dadurch geschehen, daß 
man auch sie nur auf Maßnahmen beschränkt, dieein speziel les Leiden bekämpfen und bei sehr 
geschwächten Patienten wohl ausreichend zu vorzüglichem Erfolge sind, sondern dadurch, daß 
man ihren ganzen Organismus in eine energischere Schulung nimmt. Dies geschieht dadurch, 
daß die Patienten während der Kurzeit zu Leistungen und Übungen veranlaßt werden, die die 
körperliche Spannkraft heben, die aber im Alltagsleben teils aus Mangel an Zeit und Lust, 
teils aber auch aus Mangel an günstiger Gelegenheit und Anleitung unterbleiben, d. s. hydro¬ 
therapeutische Prozeduren in Verbindung mit Gymnastik. Hierzu findet sich zwar in vielen Bade¬ 
orten und Sanatorien schon jetzt Gelegenheit, aber doch nur unter sehr erschwerenden Bedingungen, 
deren wesentlichste die hohen besonderen Opfer sind, die durch die Pflege der Hydrotherapie 
und Gymnastik in den modernen Bädern entstehen. Diese besonderen Kosten müssen beseitigt 
und durch einen Pauschalzuschlag ersetzt werden, der auf jede einzelne Kurtaxe erhoben wird 
und deshalb minimal bemessen werden kann; außerdem wird dadurch erreicht, daß auch ein 
uneinsichtiger Patient nicht mehr durch Unterlassung therapeutischer Maßnahmen falsch an¬ 
gebrachte Ersparnisse machen kann. Um eine ausgiebigere Anwendung der Hydrotherapie zu 
ermöglichen, müssen die Badeverwaltuügen Duschepavillons errichten, da ja mit der Dusche 
sich alle hydrotherapeutische Effekte erzielen lassen; die Duschepavillons sind zweckmäßig 
mit freien Plätzen zu umgeben, auf denen Luft- und Sonnenbäder genommen werden können. 
Die Gymnastik soll dadurch allen, auch den weniger bemittelten Schichten zugänglich gemacht 
werden, daß öffentlicher Unterricht darin erteilt wird, der den ganzen Tag währt. Die Turnenden 
sind je nach der Schwierigkeit und dem Wirkungsbereiche der Übungen in Riegen zu sondern, 
die gleichzeitig üben. Der einzelne Patient hat dann nur nötig, mag er kommen, so oft und 
wann er will, sich der Gruppe anzuschließen, die Fiir ihn nach der Anordnung des Arztes paßt. 
Auch die Dusche soll nur nach ärztlicher Vorschrift genommen werden. — Was die Diät an¬ 
langt, so werden auch hierin, wie in vielen anderen Beziehungen die verkehrten Gewohnheiten 
des gewöhnlichen Lebens in den Bädern fortgesetzt, in dem auch in der Kurzeit die l ber- 
fiitterung mit vorwiegend animalischer Nahrung gepflegt wird, deren Schädlichkeit doch in 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


103 


unsren Tagen die Ärzte ganz besonders betonen. Als Normaldiät während der Kurzcit hätte 
der vorübergehende Vegetarismus zu gelten, der für die erdrückende Mehrzahl der Kurgäste 
die zweckmäßigste Ernährungsweise bilden wiirdo, und der bei den verschiedensten Krankheiten 
von den verschiedensten Autoritäten als wichtiger therapeutischer Faktor mit bestem Erfolge 
»gewendet und empfohlen wird; in besonderen Fällen hätte der Badearzt Fleisch- 
zolasrcn anzuordnen. 

Durch diese sozialen Reformen könnte das moderne Bäderwesen zu einem Kulturfaktor 
vr.n allergrößter Bedeutung werden. 

Herr Krefft (Berlin): Heilwirkung des magnetischen Wechselfeldes. Die elektro¬ 
magnetische Therapie gehört der radiotherapeutischen Gruppe der physikalischen Medizin an, 
insofern dabei Strahlen — die magnetischen Kraftlinien — auf den zu behandelnden Körperteil 
des Patienten eine Fernwirkung ausüben. Die Entdeckung der physiologischen Wirksamkeit 
dieser Kraftlinien, die in ihrer Gesamtheit das magnetische Kraftfeld bilden, ist dem Zufalle zu 
verdanken. Nur das Wechsel-Magnetfeld, in dem die magnetischen Impulse bei Strömungen in 
ihrer Richtung mit beträchtlicher Geschwindigkeit alternieren, zeigt sich physiologisch wirksam, 
nicht dagegen das konstante Magnetfeld, dessen physiologische Indifferenz L. Hermann in der 
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erschöpfend dargetan hat. Das Originalverfahren des 
Begründers der elektromagnetischen Therapie, des Schweizer Ingeniers Eugen Konrad 
Müller, besteht in der Anwendung eines durch Wechselstrom erregten ruhenden, stabförmigen 
Magneten. Dagegen verwendet das neuere elektromagnetische System Trüb, das in mehrfacher 
Hinsicht eine Vervollkommnung des Originalsystems darstellt, zur Erzeugung eines wechselnden 
Kraftfeldes einen, mit elektrischem Gleichstrom gespeisten Hufeisenmagneten, der vermittelst 
eines Elektromotors um seine Symmetrieachse gedreht wird. 

Bas Indikationsgebiet der elektromagnetischen Therapie umfaßt vor allem die verschieden¬ 
artigsten neuralgischen und rheumatischen Zustände, sowie funktionelle nervöse Reizerscheinungen 
ncarasthenischer etc. Art. Eklatant ist oft der Erfolg bei Schlaflosigkeit, nervösem Kopf¬ 
schmerz etc. Vorbedingung des Erfolges ist die Beobachtung gewisser Behandlungsregeln, 
aber die Autoreferent andernorts berichtet hat (Berl. klin.-ther. Wochenschr. 1904. Nr. 22). 

Die Erfolge der elektromagnetischen Therapie auf das Konto der Suggestion zu setzen, 
ist am so weniger angängig, da die Anbahnung von Suggestiverfolgen durch irgendwelche 
Smnesweise, wie sie bei anderen physikalischen (z. B. hydrotherapeutischen, elektrischen etc.) 
Heilmethoden mehr oder minder stattfindet, hier völlig unterbleibt. Die einzige schwache, 
allerdings um so interessantere Empfindung, die das magnetische Wechsolfeld im menschlichen 
Körper aaszulösen vermag, ist eine eigentümliche Flimmorerscheinung, die jedesmal beim 
Eintritt der Augengegend in den Kraftfeldbereich oder auch bei Augenbewegungen innerhalb 
desselben momentan wahrgenommen wird. Gleichzeitig kann dieses durch kein andres physi¬ 
kalisches Agens erzengbare Phänomen als ein Beweis für die unmittelbare, spezifische Ein¬ 
wirkung der magnetischen Energie angesehen werden — sofern dieselbe einem Wechselkraft¬ 
felde entstammt —, denn das physiologisch inaktive, konstante Feld löst auch diese Flimmer¬ 
erscheinung nicht aus. 

Was dem Magnetfelde einen Vorzug vor fast allen anderen physikalischen Heilfaktoren 
verleiht das ist die Abwesenheit aller unerwünschten Nebenwirkungen. 


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Referate Uber Bücher und Aufsätze, 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Monti, Die Ernährung der Säuglinge mit 
Frauenmilch« Archiv für Kinderheilkunde 
Bd. 37. Heft 1/2. 

Verfasser weist auf die zahlreichen, auch 
durch die modernen Milchverbesserungsmethoden 
nicht beseitigten Gefahren und Nachteile der 
künstlichen Ernährung hin und tritt mit Nach¬ 
druck für die Ernährung an der Brust ein, die, 
richtig durchgcfiihrt, allein eine normale Ent¬ 
wicklung des Säuglings garantiere und deshalb 
möglichst zum Gemeingut der Kinder des ge¬ 
samten Volkes werden sollte. Etwaige bei 
der Ernährung mit Mutter- rcsp. Ammonmilch 
beobachtete Fehlschläge führt er darauf zurück, 
daß gewöhnlich nur auf die Quantität der Milch 
geachtet, dagegen ihre Qualität und die während 
der Laktation vor sich gehenden Veränderungen 
in der chemischen Zusammensetzung vernach¬ 
lässigt werden. Bezüglich des Fettgehalts der 
Frauenmilch sind 2 1 /*—3% als Norm anzusehen; 
der Eiweißgehalt beträgt in den beiden ersten 
Laktationsmonaten 2—2 4 / a °/ 0 und verringert 
sich allmählich auf 1 — 179 % achten bis 

zehnten Monat, der zwischen 2-3% schwankende 
Zuckergehalt erhöht sich vom zweiten bis Fünften 
Monat auf 4—5 % und kann nach dem elften 
Monat bis 11 % ansteigen. Allzu großer Fett¬ 
reichtum und ein hoher Zuckergehalt von 6—7% 
während der ersten Laktationsmonate gibt leicht 
Anlaß zu bisweilen andauernden, dyspeptischen 
Störungen und beeinträchtigt das Gedeihen des 
Kindes in gleicher Weise wie Abnahme der 
Eiweißstoffe und eine trotz normalen Eiwei߬ 
gehaltes vorhandene Fettarmut. Im allgemeinen 
ist für ein neugeborenes Kind eine Amme mit 
einer Laktationsdauer von sechs bis acht 
Wochen, für ein zwei- bis viermonatliches eine 
solche von drei bis vier Monaten zu wählen. 

Die Hauptpunkte seiner Darlegungen faßt 
Monti in folgenden Schlußsätzen zusammen: 

1. Die einzige Nahrung, welche dio Sicher¬ 
heit der physiologischen Entwicklung des 
Säuglings gewährt, ist die Frauenmilch. 


2. Im Interesse ungestörter Entwicklung dos 
Kindes ist das Selbststillen der eignen Mutter 
angezeigt. 

3. Wo dies nicht möglich ist, soll im Inter¬ 
esse der Heranziehung eines gesunden und 
kräftigen Nachwuchses die Ernährung des 
Säuglings durch eine Amme besorgt werden. 

4. Die künstliche Ernährung ist nur auf 
einzelne Notfälle zu beschränken, weil dieselbe 
durch Zurückbleiben der Körperentwicklung des 
Säuglings die Quelle einer größeren Mortalität 
und vieler dyskrasischen Leiden ist, die das 
Heranwachsen eines starken Nachwuchses ver¬ 
hindern. 

5. Die Ernährung des Säuglings durch die 
Mutter oder eine Amme ist nur erfolgreich, 
wenn man auf die Menge und Qualität der 
Milch und auf die Veränderungen der Frauen¬ 
milch, dio während der Laktationsperiode vor 
sich gehen, Rücksicht nimmt. 

6. In Anbetracht, daß die Ernährung mit 
Frauenmilch die einzige sichere Methode ist, 
einen gesunden Nachwuchs heranzuziehen, ist 
es notwendig, diese Ernährung allen Volks¬ 
klassen zugänglich und möglich zu machen, 
und die Ärzte müssen bei den betreffenden 
Behörden dahin wirken, daß Anstalten gegründet 
werden, in welchen die Kinder des Volkes mit 
Ammenmilch genährt werden, oder durch 
Gründung von Prämien und Verleihung von 
Stipendien an stillende Frauen die Stillung 
eines fremden Kindes ermöglicht werde. 

7. Das Ammenwesen muß gesetzlich über¬ 
wacht und geregelt werden. 

Hirschei (Berlin). 

Elise Hannemann und Dr« E. Kasack, 
Krankendiät. Leitfaden für die Kranken¬ 
ernährung im Hause und zu Lchrzwecken. 
Berlin-Leipzig 1904. 

Die kleine, der Kaiserin gewidmete Schrift 
ist entstanden aus praktischen Kursen über Er¬ 
nährung Kranker, die die Verfasser seit 1896 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


105 


im Lette-Verein für Arzte und Schwestern leiten. 

sind hier die modernsten Ergebnisse der 
Nihrungsbereitung für Kranke in praktisch er¬ 
probter und vielfach bewährter Form zusammen- 
jrestellt und so für Arzt wie Hausfrau ein gleich 
hranehhares Nachschlagebuch geschaffen. Auf 
Seiten sind in klarer, übersichtlicher Weise 
allgemeine Krankenkostrezepte gegeben; dann 
bestimmte Diätformen (dannschonende, darm- 
asregende, blutbildende Kost); Diätvorschriften 
for Herz-, Leber-, Nieren- und Zuckerkranke, 
«obei besonders auf Abwechslung Rücksicht 
genommen ist: etwas mehr Berücksichtigung 
verdiente jedoch für letztere die Gemüsekost. 
NrhlieÖlich sind eine Reihe von Rezepten für 
Nährklistiere angegeben. 

Mamlock (Berlin). 


K. lob er t, Iber Nährkefir. Zeitschrift für 
Krankenpflege 1904. Oktober. 

Um die Zusammensetzung des Kefirs für 
solvh* Patienten, welche hauptsächlich auf 
dieses Getränk angewiesen sind, noch günstiger 
za gestalten, setzt Robert vor der Vergärung 
«wisse Nähr- oder Arzneistoffe zu. So erfolgt 
i*i Neigung zu Obstipation ein Somatosezusatz 
t'-ü 10—20 g pro Liter, bei Neigung zu Durch¬ 
fall « in solcher von staubfein pulverisiertem 
PLisnion in der Menge von 20 g pro Liter« 
i>er Kefir ist im ersten Fall am zweiten, im 
letzteren am dritten Tage zu trinken. Bei 
geringem Milehzuckergehalt setzt man 10 g 
dieses Stoffes pro Liter zu. Bei Zusatz von 
Milchzucker zu Normalmilch muß der Kefir 
relativ zeitig getrunken werden, da er sonst 
ca leicht sauer wird. Sind die Patienten sehr 
Anämisch, so empfiehlt sich ein Zusatz von 
10—20 g von pulverformigem Hämogallol. Im 
letzteren Falle wird die Farbe des Kefirs ein 
weeig verändert, der Geschmack erleidet jedoch 
Ufer ebensowenig wie bei den anderen Zusätzen 
rioe Beeinträchtigung. Für die Herstellung des 
Kefirs gibt Robert eine etwas komplizierte 
Methode an, wobei er augenscheinlich die Be¬ 
übung im großen im Auge hat, wie sie seitens 
besonderer Anstalten oder auch der Apotheken 
wird. Für die Bereitung im Hause ge¬ 
ragt nach des Referenten Erfahrung eine er¬ 
heblich einfachere Methode, wie sie in der auch 
Verfasser zitierten Arbeit von Hecker 
Tberap. Monatshefte Dezbr. 03) beschrieben 
ht. Den Ausgangspunkt bilden bei beiden 
Methoden die in jeder Apotheke käuflichen 


Kefirkörner, die vor den neuerdings vielfach 
angepriesenen Kefirpastillen vor allem den 
Vorzug der Billigkeit haben, indem man nach 
einmaliger Anschaffung des Ferments durch 
Fortimpfung von Flasche zu Flasche beliebige 
Mengen des Getränkes herstellen kann. Die 
Wirkung der Kefirkörner soll nach neueren 
Forschungen durch 4 Mikrobenarten bedingt 
sein. Dabei wird ein Teil des Milchzuckers 
zu Milchsäure gespalten, die ihrerseits eine 
feinflockige Gerinnung des Kaseins bewirkt, 
ein anderer Teil desselben zerfällt in seine 
Komponenten, Galaktose und Dextrose, die 
dann weiter zu Kohlensäure und Alkohol ver¬ 
goren werden. Ein Teil der Eiweißstoffe der 
Milch w ird ferner in Acidalbumin, Hemialbumose 
und Propepton tibergeftihrt. Von besonderer 
Wichtigkeit ist schließlich, daß nach Förster 
durch das Zusammenwirken der verschiedenen 
Kefirmikroben andere Lebewesen und speziell 
auch Tuberkelbazillen in ihrer Lebensfähigkeit 
abgeschw'ächt, ja abgetötet werden. Das den 
Geschmack des Kefirs beeinträchtigende Ab¬ 
kochen der Milch ist daher überflüssig. 

Plaut (Frankfurt a. Main). 


H. Strauß, Weitere Beiträge zur Frage der 
Kochsalzentziehung bei Nephritikern. Die 
Therapie der Gegenwart 1904. Heft 12. 

Von der durch mannigfache Beobachtungen 
gestützten Tatsache ausgehend, daß bei renalen 
Kompensationsstörungen die Ausfuhr von Koch¬ 
salz meist früher und intensiver geschädigt zu 
sein pflegt als diejenige des Wassers und der 
chlorfreien Stoffwcchselschlacken, hat Strauß 
schon früher mehrfach die Forderung auf¬ 
gestellt, bei vorhandenem oder drohendem 
renalem Hydrops die Kochsalzzufuhr einzu¬ 
schränken und die Kochsalzausfuhr anzuregen. 
Weitere zur Begründung dieses therapeutischen 
Postulates angestellte Untersuchungen ergaben 
zunächst eine Bestätigung der Anschauung, daß 
den Salzen und speziell dem Kochsalz eine 
größere Bedeutung für die Wasserretontion bei¬ 
zumessen ist als den übrigen zurttckgchaltenen, 
speziell den dem Stoffwechsel entstammenden 
Molekülen. Den Ort dieser Salz- und Wasser¬ 
retention stellen im wesentlichen die Körper¬ 
säfte (Seroretention) dar, während die Gewebe 
höchstens im Anfang des Retentionsprozesses 
eine größere Rolle spielen (Historetcntion). 
Als kochsalzarme Nahrungsmittel kommen vor 
allem Eier, Fleisch, ungesalzene Butter, Milch, 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Kartoffeln und Reis in Betracht. Zur Anregung 
der Kochsalzausscheidung können die Koffein¬ 
verbindungen ebenso wie die Digitalis mit Vor¬ 
teil Verwendung finden. Charakterisiert sind 
die renalen Kompensationsstörungen durch Ab¬ 
scheidung eines spärlichen,* trüben, farbstoff- 
armen, an Forraelcmenten und Eiweiß reichen 
Urins sowie ferner, wenn auch nicht in allen 
Fällen, durch Hydropsien, die in bezug auf 
ihren Sitz mehr von der Schlaffheit der Gewebe 
als den Gesetzen der Schwerkraft abhängig 
sind. Wo es noch nicht zu Verminderung 
der Harnabscheidung gekommen ist, müssen 
besondere, allerdings nur in der Klinik durch¬ 
führbare Untersuchungsmethoden Platz greifen, 
unter denen die Prüfung auf alimentäre Chlorurio 
mittelst einer besonderen Probediät an erster 
Stelle steht. Für dio Praxis empfiehlt Strauß, 
bei allen Nephritiden, und zwar besonders bei 
den parenchymatösen, den Kochsalzgenuß ent¬ 
weder dauernd in mäßigem Grade oder zeit¬ 
weilig in stärkerem Grade zu vermindern, weiter¬ 
gehende Einschränkungen aber erst bei 
drohender Kompensationsstörung vorzunehmen. 
Verminderung der Flüssigkeitszufuhr will 
Strauß nicht prinzipiell bei jedem Fall von 
renaler Oligurie für geboten erachten, von dem 
Gedanken ausgehend, daß Hydropsien nicht so 
schädlich sind und auch leichter zu bekämpfen 
sind als urämische Zustände. Dagegen mag 
man durch Flüssigkeitsbeschränkung eine zuvor 
vermehrte Urinmenge auf etwa 1 V s 1 reduzieren, 
wenn die Vermehrung des Nachturins gegen¬ 
über dem Tagurin („Nykturie“) eine drohende 
Herzmuskelinsuffizienz anzeigt. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


Mohr, Zur Behandlung des Diabetes mellitus. 

Medizinische Klinik 1905. Nr. 16. 

Es ist eine allbekannte Tatsache, daß es 
Diabetesfälle gibt, bei denen die Glykosurie 
bei Kohlehydratbeschränkung steigt und bei 
Zufuhr derselben sinkt. Jüngeren Datums und 
weniger verbreitet ist die Erkenntnis, daß 
manche Diabetiker eine geradezu elektive 
Toleranz für ein ganz bestimmtes Kohlehydrat 
zeigen. Darauf beruht auch die Erscheinung, 
daß die von v. Noorden warm empfohlene 
Haferkur in gewissen Fällen imstande ist, eine 
starke Azidose zu beseitigen, und in anderen 
Fällen vollkommen versagt. Im allgemeinen 
werden die guten Erfolge der Haferkur von 
fast allen Autoren (Siegel, Langstein, 


Hirschfeld) bestätigt, nur Lipetz meldet 
Mißerfolge und führt die Erfolge andrer auf 
eine Täuschung zurück, dadurch hervorgerufen, 
daß infolge Vergärung der Kohlehydrate des 
Hafers im Darm ihre Resorption gehindert und 
damit die Glykosurie vermindert würde. Ver¬ 
fasser bekämpft diese Lipetzsche Anschauung 
denn bei der Haferkur sinke nicht nur die 
Glykosurie, sondern vor allen Dingen ver¬ 
schwinde die Azidose und das Körpergewicht 
nehme zu. Die Indikation für die Hafer 
kur ist nicht leicht zu stellen. Die Empirie 
lehrt, daß sie bei leichten und mittelschweren 
Fällen nicht nötig ist und sogar schädlich 
wirken kann. Sie ist indiziert bei den 
schwersten Fällen, bei denen trotz Kohlehydrat¬ 
entziehung die Glykosurie bestehen bleibt und 
bedenkliche Azidose auftritt. Wesentlich ist 
daß sich in der Kost außer dem Hafer keine 
anderen Kohlehydrate befinden, da es sich 
gezeigt hat, daß bei Beigabe eines anderen 
Amylums die Zuckerausscheidung größer ist 
als bei der gleichen Menge Hafermehles allein. 
In diesem Punkt verhalten sich die Kohle¬ 
hydrate ähnlich wie die Eiweißkörper, von 
denen auch nur stets eine Art zu geben ist 
(Eieralbumin oder Pflanzeneiw r eiß). Verfasser 
ist der Ansicht, daß es bezüglich der Quantität 
nicht nötig ist, sich streng an die v. Noorden- 
schen Zahlen zu halten, sondern daß man sich 
am besten für jeden Fall das Nabrungsbedürfnis 
nach Kalorien berechnet. Z. B. müßte man 
einem 60 kg schweren Diabetiker, der leicht 
arbeitet und 60 g Zucker pro die verliert, etwa 
2600 Kalorien bewilligen, die ihm in Gestalt 
von 100 g Roborat (340 Kal.), 200 g Butter 
(1628 Kal.) und 250 g Hafermehl (670 Kal.) 
zuzuführen seien. Die Dauer einer derartigen 
Kur hängt außer von der Geduld des Patienten 
im wesentlichen von dem Erfolg ab, den man 
schon in den ersten Tagen annähernd beurteilen 
kann. In günstigen Fällen soll die Kur zwei 
bis drei Wochen innegehalten werden. Beim 
allmählichen Übergang zur neuen Kostform 
empfiehlt es sich, dio wegfallenden Kohlehydrate 
des Hafers nicht durch die gleiche, sondern 
durch eino geringere Menge anderer Kohle¬ 
hydrate zu ersetzen, eine wohlbercchtigte 
Vorsichtsmaßregel, die auch schon v. Noordcn 
für angezeigt hält. 

W. Alexander (Berlin’. 


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107 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

Franz Müller, Einige Beobachtungen über 
die radioaktiTe Substanz im Fango. Physi¬ 
kalische Zeitschrift 5. Jahrgang. Nr. 13. 

F. M ii Iler hat anknüpfend an den von den 
Herren Elster und Geitel gelieferten Nach¬ 
weis der Radioaktivität des Fango eingehende 
Messungen derselben im Lageraum der Fango- 
desellsehaft angestellt. Der Fango lagerte in 
Kellerräumen; Kellerräume zeigen erfahrungs- 
eine hohe Jonisation der Luft. Die 
Leitfähigkeit der Luft war jedoch im Fango¬ 
keller über das Maß der zu erwartenden Joni- 
satiuR erhöht. Noch stärker war die Leitfähig¬ 
keit der Luft, welche direkt aus dem Fango 
ingesangt wurde. Es konnte schließlich die 
<krch Emanation aus dem Fango erzeugte in- 
•laziene Aktivität auf einen negativ elektrischen 
Altraiiniumdraht aufgefangen werden. Die Ab- 
klingoDgsknrve ähnelte der des Radium. 

Es scheint demnach die Radioaktivität des 
Ficgo aof einem Radiumgchalt dieser Boden¬ 
art zn beruhen. 

Wie weit dieser Radiumgehalt des Fango 
:Ur die medizinische Wirksamkeit in Betracht 
kommt darüber kann man bisher nur Ver- 
Dütncgen äußern. W. Caspari (Berlin). 


Detemaaii, Das Luftbad, seine physio¬ 
logische Wirkung und ärztliche Ver¬ 
wendung. Vortrag, gehalten in der natur- 
forsch. Gesellschaft zu Freiburg i. Br. am 
H Dezember 1904. 

Mit Bedauern betont Vortragender zunächst, 
•laß trotz der in letzter Zeit so sehr fort¬ 
geschrittenen physiologischen Begründung der 
physikalischen Heilmittel dieselben viel zu 
wenig Anerkennung in ärztlichen Kreisen finden, 
nnd daß ihnen immer noch, trotzdem es 
gärzlich unbegründet ist, ein gewisses Odium 
kr Unwissenschaftliehkeit anhaftet. Besonders 
regeiiät>er den Kurpfuschern ist cs notwendig, 
laßer mit Gesetzesmaßregeln, dadurch vor- 
ro^chen. daß man ihnen das so wertvolle 
ßöstzeug ihrer Behandlung aus den Händen 
nimmt. Es ist zu begrüßen, daß eine Uni¬ 
versität nach der andern den Studierenden 
<>» legenheit gibt, sich mit den physikalischen 
Heilmitteln bekannt zu machen. Über das 
Lnftbad, das jüngste Kind der physikalischen 
Therapie, berichtet Verfasser an der Hand seiner 


mehrjährigen Erfahrungen, sowie einiger physio¬ 
logischer Experimente. 

Mit Hilfe unserer Kleidung und des dadurch 
geschaffenen warmen, trockenen Privatklima 
sind wir imstande, in kühlen Klimaten zu 
leben. Die ästhetische und kosmetische Be¬ 
deutung der Kleidung ist erst später binzu- 
gekommen. Aber wenn die Kleider auch not¬ 
wendig sind, so sind durch sie doch manche 
Schädlichkeiten bedingt. Die Funktion 
der Haut wird nicht genügend geübt; wir 
müssen fortwährend ein großes Gewicht mit 
uns tragen, das nicht organisch zu uns gehört. 
Durch zu dicke und falsch sitzende Kleidung 
schaffen wir uns sehr oft die Möglichkeit des 
Entstehens ernster Krankheiten. Die Aus¬ 
dünstung gewisser, im Schwoiß befindlicher 
giftiger Stoffe ist vermindert. Wenn wir auch 
nicht, wie die Indianer und Feuerländer, welch 
letztere an der Südspitze von Südamerika in 
einem zwar kühlen und feuchten, aber sehr 
gleichmäßigen Klima aus besonderen Gründen 
gänzlich ohne Kleider leben, die Kleidung 
bei unserem Leben und unseren Kulturbedin¬ 
gungen entbehren können, so ist doch ein zeit¬ 
weiliges Ablegen, zumal für die unter schlechten 
hygienischen Bedingungen lobenden Zimmer¬ 
arbeiter, zu gewissen Jahreszeiten dringend zu 
empfehlen. Daß diese Maßnahme von größter 
Wichtigkeit und von hervorragendem Nutzen 
für die Gesundheit ist, wird durch die folgen¬ 
den physiologischen Bemerkungen begreiflich 
gemacht. 

Licht und Luft sind Lebensreize, 
welche auf den Körper als Objekt physikalisch, 
und auf ihn als Organismus physiologisch ein¬ 
wirken. Von der ständigen Anwesenheit solcher 
Lebensreize, von denen noch viele andere zu 
nennen wären, sind wir in unserer ganzen 
Existenz abhängig. 

Die Luft wirkt durch ihre Temperatur, in 
Verbindung mit der Feuchtigkeit und der Luft¬ 
bewegung, als Kältereiz. Durch den um das 
dreifache vermehrten Wärraeverlust wird ferner 
unsere Wärmebilanz verändert. Da der Körper 
mit einer großen Zähigkeit seine Temperatur 
festhält, macht sich eine Wehrbestrebung 
gegen den Wärmeverlust durch gewisse Ver¬ 
änderungen in der Haut (Zusammonziehung, 
Blutentleerung der Gefäße) geltend (physi¬ 
kalische Regulation). Ferner tritt zum 
weiteren Ausgleich eine Vermehrung der 
Wärmeproduktion, besonders in den Muskeln 
auf, oft unter Frost und Zittern (chemische 
Regulation. Damit die letztere cinsetzen kann, 


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108 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


wird den Muskeln (besonders durch die Haut) 
viel Blut zugeführt. Zugleich entfernt dieser 
Blutstrom in den Muskeln die angesammelten 
giftigen Ermüdungsprodukte der Ermüdungs¬ 
stoffe. Daher das bei Kältereizen auffallende 
Fri8chegeftihl und die Neigung zur Muskel¬ 
tätigkeit. Zugleich mit der Veränderung der 
Wärmebilanz wird der Stoffwechsel langsam 
und nachhaltig vermehrt; gleichzeitig machen 
sich vielfache Änderungen der Herztätigkeit, 
des Blutdrucks, der Atmung, der Blutbeschaffen¬ 
heit und der Sekretionen geltend, alle zum 
Ausgleich der verursachten Störung der Wärmc- 
bildung und des Stoffwechsels. Von Wichtig¬ 
keit ist, daß bei dem Kältereiz die Haut gut 
reagiert, d. h. daß sie sich nach kurzer Zeit 
wieder mit Blut füllt. Wenn die Haut blaß 
bleibt, infolge zu starken Kältereizes, oder zu 
schwacher Konstitution, so können ernste 
Störungen des Allgemeinbefindens eintreten. 

Das Licht enthält Wärme-, Licht- und 
chemische Strahlen. Letztere sind auf unsere 
gesamten Funktionen am wirksamsten. Während 
bei niederen Tieren die Haut als lichtempfind¬ 
liches Organ von großer Wichtigkeit ist, spielen 
bei höheren Tieren die Augen — ursprünglich 
auch ein Hautgebilde — eine in aufsteigender 
Linie der Tierreihe immer größere Rolle. Bei 
Tieren bewirkt das Licht eine Erhöhung 
des Stoffwechsels und damit eine An¬ 
regung der gesamten Funktionen des Körpers. 
Beim Menschen liegen einwandsfreie Versuche 
nicht vor, jedoch sprechen die Erfahrungen, daß 
bei Dunkelheit, besonders in der arktischen 
Nacht, Störungen der Gesundheit eintreten, 
daß das Wachstum und dio Gesundheit des 
an dunkeln Orten lebenden Menschen geschädigt 
werden, für die Wichtigkeit des Lichtes, in bezug 
auf das ganze Spiel der Funktionen. Besonders 
die Haut, Haare, Nägel werden von dem Lichte 
günstig beeinflußt. Die chemischen Strahlen 
des Lichtes werden von dem Blutfarbstoff, 
der mit dem Chlorophyll der Pflanzen zu ver¬ 
gleichen ist, in eine andere Kraftform um¬ 
gesetzt. Als Schutz gegen die zu intensive 
Wirkung der chemischen Lichtstrahlen entsteht 
das Pigment, das fast allen Tieren ebenfalls 
eigen ist, und von einigen als dauernder Schutz 
und Anpassungsvorrichtung verschiedener Be¬ 
leuchtung benutzt wird (Chamäleon). Die 
Schädigungen der Haut durch Lichtwirkung, 
wie sie auftreten können, sind lediglich auf 
ungenügenden Pigmentschutz gegen chemische 
Lichtstrahlen zurückzuführen. Die so mächtige 
Wirkung des Lichts wird durch dunkle Kleider 


fast vollständig am Zutritt auf die Haut ver¬ 
hindert, und selbst wenn die Rolle der Augen 
eine sehr wichtige ist, so ist sicher der Weg¬ 
fall der Wirkungen des Lichtes auf den größten 
Teil der Körperoberfläche nicht gleichgültig 
für die Gesundheit. 

van Oordt in St. Blasien hat nun eine 
Reihe von Untersuchungen vorgenommen, 
in denen beim Ruheluftbad ein Teil der 
eben genannten physiologischen Wirkungen 
bestätigt wurde. Die Versuche bezogen sich 
auf Körpertemperatur, auf Puls, auf Atmung, 
auf Blutdruck und Blutbeschaffenheit. Die 
Achselhöhlentemperatur wurde, als Zeichen 
der erhöhten Wärmeproduktion, erhöht ge¬ 
funden, Puls und Atmung an Zahl herabgesetzt, 
der Blutdruck erheblich gesteigert. Die Unter¬ 
suchung des Blutes ergab eine mäßige Ver¬ 
änderung der Zahl der roten Blutkörperchen, 
dagegen eine sehr erhebliche Vermehrung der 
weißen Blutkörperchen (um 27 Proz.). Wenn 
auch noch sehr viel weiter zu prüfen ist, so 
ist hiermit schon ein guter Anfang gemacht. 
Über diese Untersuchungen wird an andrer 
Stelle genauer berichtet werden. 

Die Technik und Ausführung des Luft¬ 
bades stoßen deshalb auf gewisse Schwierig¬ 
keiten, weil nicht jedes Klima, Wetter und 
Jahreszeit sich eignen, und weil das Luftbad 
wegen der Veränderlichkeit des Wetters sehr 
oft nicht zu dosieren und abzustufen ist. Um so 
mehr sollte das Luftbad bei Kranken nur ärzt¬ 
lich verordnet werden. Die Wahl des Platzes, 
des Bodens, der Besonnung, der Landschaft, des 
Klima erfordert große Sorgfalt. Die innorn Ein¬ 
richtungen des Luftbades müssen zu anregendem 
Spiel, zu Körperbewegung, zu Schutz vor 
Witterung, zu mancherlei Unterhaltung genügend 
Möglichkeit geben. Die Art des Luftbade- 
kostüms, die Dauer, die Tages- und Jahreszeit 
des Luftbades werden genau besprochen. In 
geeignetem Klima sind auch im Winter Luft¬ 
bäder recht gut möglich; in Städten muß man 
sich im Winter mit dem Zimmerluftbad be¬ 
gnügen. Bei Kranken muß man mancherlei 
Modifikationen in bezug auf die Dosierung, 
Bekleidung etc. vornehmen. 

Bei Gesunden, besonders bei Leuten, die 
sich viel im Zimmer aufhalten, ist das Luftbad 
ein vorzügliches Mittel, um den Stoffwechsel 
anzuregen, die Ausdünstung zu erleichtern, und 
um durch den Kältereiz dio Hautmuskeln zu 
üben und damit einen wirksamen Schutz 
gegen Erkältungen, besonders bei Kindern 
zu erzielen. Durch die Anregung zur Körper- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


109 


rjtigkeit, durch das entstehende Kraft- und 
Frischere fühl werden weitere günstige Folgen 
vermittelt. 

Unter den Kranken, bei deren Auswahl 
f ar das Luftbad übrigens der Zustand der 
Funktionen und des Körpers mehr entscheidet 
ii? der Name der Krankheit, sind es besonders 
die funktionellen Nervenkranken, deren 
Verlangen nach Luft und Licht man näch¬ 
sten soll. Vielfache lästige Allgemcinempfin- 
cnD£en t Kopfschmerzen, nervöse Magenstörung, 
schlechter Schlaf, Erregungszustände etc. werden 
mit großem Erfolge durch das Luftbad be¬ 
handelt. Auch mag bei diesen Kranken die 
psychische Wirkung eine große Rolle spielen; 
i**denfalls sind sie fast sämtlich begeisterte 
Anhänger desselben. Auch einige orga¬ 
nische Nervenkranke kann man unter Über¬ 
wachung luftbaden lassen, ebenso noch kräftige 
Zackerkranke, Gichtiker, Blutarme, 
Bieicbsüchtige. Besonders gute Erfolge 
erfahren Fettleibige, die man bis zu vielen 
Munden täglich im Luftbad lassen kann; auch 
Kranke mit Mo rb. Basedow linden nicht selten 
ein* wesentliche Besserung. Bei Herzkranken 
darf rcan die Luftbäder nicht zu kalt wählen, 
eteesü nicht bei Arteriosklerose. Andrer¬ 
seits ist bei diesen Kranken der günstigo Ein- 
dnß aaf Blutverteilung besonders auf die 
dtr Haut gef äße bemerkbar. Endlich kommen 
1 ichtere Erkrankungen innerer Organe, alte 
iFste von Rippenfellentzündungen sowie von 
L itgccverdichtungcn und auf Blutüberfüllung 
t-ruhende Leber-, Milz- und Darmerkrankungen 
; r ein schonendes Luftbad in Betracht. 

Zn verw erfen oder mit äußerster Vorsicht 
n verordnen ist das Luftbad bei Nieren- und 
schweren II erzkranken, bei Rheuma¬ 
tismus. bei schweren Nervenkranken» 
•ci hochgradigen Errogungszuständen, 
♦‘i sehr schlechtem Schlaf; auch entzünd¬ 
liche und katarrhalische Erkrankungen, bc- 
**n*iers l>ei Neigung zu Blutungen, sind davon 
:*Tuxubaltcn. Einige unerwünschte Neben¬ 
wirkungen, besonders Entzündungen und 
Keizznstände der Haut, Kopfschmerz, Blasen¬ 
reizungen. sind zu erwähnen. 

Wenn also die experimentellen Beweise 
:ar die Wirksamkeit des Luftbades noch lange 
tirht alle beigebracht sind, so geben doch 
praktische Erfahrungen und physiologische 
Überlegungen uns den Beweis, daß durch Luft¬ 
iger eine langsam einsetzende, aber nach¬ 
haltige und oft mächtig wirkende Anregung 
dtä ganzen Spiels der Funktionen dos 


Organismus und damit eine Förderung des 
Gesundheitszustandes bei Gesunden und 
Kranken erzielt wird. Diese Bestrebungen 
setzen an der Haut ein, die nicht bloß Fell, 
sondern ein lebenswichtiges Organ der Em¬ 
pfindung, der Ausscheidung der Blutvertoilung 
etc. ist. Durch Übung und Stärkung der Haut 
wirkt auch das Luftbad als Schönheitsmittel. 
Immer mehr kommt man zu der Erkenntnis, daß 
Anregung und Übung der Funktionen 
oft wichtiger als Schonung sind, nicht bloß zur 
Verhütung, sondern auch zur Heilung von 
Krankheiten. Deshalb sollte das Prinzip der 
Übung immer mehr auch bei Kranken hervor¬ 
gehoben werden, und mehr der Zustand der 
Funktionen und Organe als der Name der 
Krankheit dabei berücksichtigt werden. Denn 
wir wollen eine Gesundheit erzielen, die nicht 
nur bei Fernhaltung von allen Schädlichkeiten 
hält, sondern die einigermaßen auch den Stürmen 
und Schädigungen des Lebens gewachsen ist. 
Redner schließt mit dem Aussprüche der Hoff¬ 
nung, das Odium der Unwissenschaftlichkeit, 
welches an der Luftbadbehandlung noch immer 
anhaftet, durch diese physiologische Begründung 
und durch die Mitteilung seiner Erfahrungen 
'weggenommen und damit zur Verbreitung des 
Luftbades beigetragen zu haben. 

Autoreferat. 

Ladislaus Epstein, Die RoUe der Hydro¬ 
therapie in der Psychiatrie. Fürdö 6s 
vizgyögyäszat Nr. 1, Beilage zu Budapcsti 
Orvosi Ujsag 1904. Nr. 7. 

Die Hydrotherapie wurde erst in letzterer 
Zeit ein unentbehrlicher Faktor der psychia¬ 
trischen Behandlung, obzwar schon im Altertum 
manche Geisteskranken mit kalten Abgießungen 
behandelt wurden, aber im Mittelalter ließ die 
abergläubische Auffassung der Geisteskrank¬ 
heiten keine Behandlung derselben zu. Die 
systematische Hydrotherapie griff erst in den 
90 er Jahren durch, aber bezüglich der Tem¬ 
peratur und Dauer der Bäder, ferner bezüglich 
der Indikation der Bäder und Einpackungen 
bestehen noch heute Meinungsdifferenzen 1 ). 

*) Verfasser übt seit 7 Jahren systematisch 
das bydriatische Verfahren an der Loopoldfelder 
Irrenanstalt zu Budapest und zwar in Form 
von prolongierten Bädern sowohl wie von Ein¬ 
packungen. Die Temperatur der Bäder beträgt 
30—34° C, bei Schwächlicheren 35—36° C, die 
Dauer ununterbrochen 1—4 Stunden, wenn 
nötig auch zweimal täglich Tage und Wochen 
lang appliziert. 


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110 Referate über Bücher und Aufsätze. 


Die beruhigende Wirkung der Bäder konnte 
Verfasser besonders bei den Exzitationszuständen 
der Manie und Paralyse konstatieren; der 
Kranke beruhigt sich alsbald und sitzt ruhig 
in der Wanne. Dieser ruhige Zustand dauert 
auch nach dem Bade oft stundenlang und über¬ 
geht manchmal auch in Schlaf. Gute Wirkung 
ist auch bei epileptischen Delirien und aus¬ 
nahmsweise auch bei hysterischer Erregung zu 
beobachten, jedoch bei Melancholie ist die 
Wirkung ungünstig. Bei großer motorischer 
Unruhe muß selten ! / a —1 mg Hyoscininjektion 
die ersten Bäder ermöglichen. Eine ständige 
Kontrolle während des Bades ist streng er¬ 
forderlich. Furunkulose oder Hautkrankheiten 
wurden keine beobachtet und ist Verfasser ge¬ 
neigt, dieselben dem unreinen Badewasser zuzu¬ 
schreiben, dort, wo einige Psychiater dieselben 
zu beobachten Gelegenheit hatten. Einen Ersatz 
der Bäder bieten die feuchten Einpackungen, 
die oft mit den Bädern kombiniert Anwendung 
fanden. Eine spezielle Indikation der Ein¬ 
packungen bieten die geringeren Exzitations¬ 
zustände, dann die durch Angstgefühle ver¬ 
ursachte Anxietät, ferner die hysterische Unruhe. 
Die Temperatur des zu den Einpackungen ver¬ 
wendeten Wassers ist 20—22° C, bei schwächeren 
Individuen sowie während der Menstruation 
30—35° C. Die Technik derselben unterscheidet 
sich keineswegs von den in der Hydrotherapie 
sonst gebräuchlichen Einpackungen, sie darf 
keineswegs nicht zu fest sein, damit sie nicht 
als Ersatz der Zwangsjacke gelte. Sonstige 
hydriatische Verfahren wurden an der Irren¬ 
abteilung nicht appliziert, einigemal wurden 
zwar Halbbäder mit Abgießungen und Ab¬ 
reibungen bei stuporosen Kranken versucht, 
doch ohne auffallenden Erfolg, deshalb wurde 
damit weiter nicht experimentiert. 

J. Hönig (Budapest). 

Pariset, Un cas d’hypotensiou d’origine 

cardiaqne ameliore par Phydrotherapie. 

Journal de Physiothörapic Nr. 19. 2. Jahrgang. 

In einem Falle von Herzdilatation mit 
perikarditischen Verwachsungen, bei dem es 
zu dyspnoüschen Beschwerden und Zirkulations- , 
Störungen im kleinen Kreisläufe gekommen 
war, und wo der Blutdruck sich deutlich 
erniedrigt fand, gelang cs dem Verfasser, 
durch Dusche-Behandlung deutliche Blutdruck¬ 
erhöhung, Verlangsamung der Pulszahl und 
völlige Beseitigung der Beschwerden zu er¬ 
zielen. Auffällig ist, daß hier nicht nur die 


später verwandten kalten Duschen, sondern 
auch die in der ersten Zeit der Behandlung 
applizierten temperierten Duschen (33°) eine 
Blutdruckerhöhung bewirkten. Verfasser gibt 
dafür eine etwas gewundene Erklärung, in der 
er von der besonderen Erregbarkeit der Vaso¬ 
motoren bei derartigen Kranken spricht; uns 
scheint es näherliegend, jene Erscheinung auf 
den mechanischen Reiz der Dusche zurück¬ 
zuführen. A. Laqueur (Berlin). 

Stehr, Über die Indikationsstellung bei 
Wechselstrombädern. Balncologische Zen 
tralzeitung 1904. Nr. 42/43. 

Verfasser hält die Wechselstrombäder über¬ 
all da für indiziert, wo auch sonst eine 
mechano-therapeutischo Behandlung von Herz¬ 
krankheiten angebracht ist. Denn nach seiner 
Ansicht wirken die Wechselstrombäder ähnlich 
wie die Herzgymnastik, indem sie neben Blut¬ 
drucksteigerung und Verstärkung der Herz¬ 
arbeit zugleich eine Entspannung im großen 
Kreisläufe bewirken. 

Die besten Erfolge hat St ehr bei idio¬ 
pathischer Herzhypertrophie verbunden 
mit Debilitas cordis sowie bei nicht allzu vor¬ 
geschrittener Myocarditis zu verzeichnen: 
außer subjektiver Besserung ließ sich auch 
objektiv in diesen Fällen ein Rückgang der 
Symptome — vor allem auch Verkleinerung 
der Herzdämpfung — vielfach konstatieren. 
Bei Neurasthenie erzielte Verfasser hauptsäch¬ 
lich bei psychogenen und hypochondrischen 
Herzbeschwerden günstige Erfolge; dagegen 
rät er zur Vorsicht mit der Anwendung von 
Wechsolstrombädorn bei allgemeiner Neur¬ 
asthenie, da diese Bäder bei stärker ncu- 
rasthenischon Patienten oft von erheblichen 
nervösen Erregungen gefolgt sind, was Referent 
aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Auch 
bei Fettherz, Klappenfehlern und arterio¬ 
sklerotischen Herzbeschwerden hat Stebr mit 
Wechselstrombädern günstige Einwirkung er¬ 
zielt. Als Kontraindikationen gibt er hohes 
Alter (wegen der Gefahr der Blutdruck- 
Steigerung) Mitralstenose und vorgeschrittene 
Strukturerkrankungen des Herzens an. 

Bezüglich der Technik gibt St ehr den 
dreiphasigen Wechselstrom-Vollbädern vor 
den Vier- resp. Dreizellenbädern den Vorzug 
wegen der gleichmäßigeren Beeinflussung der 
gesamten Körperoberfläche. 

A. Laqueur (Berlin). 


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Referate über Bücher und Aufsätze 



D« Kn t h j 9 Seeklima und Tuberkulose. Wiener 
medizin. Presse 1904. Nr. 47. 

Kuthy mißt dem klimatischen Faktor bei 
kr Behandlung der Lungentuberkulose ent¬ 
schiedene Bedeutung bei. Der Standpunkt 
desjenigen, die den Wert des klimatischen 
Heilfaktore als unwesentlich ansehen, verdanke 
seine Verbreitung nicht einem absoluten Nihi¬ 
lismus gegenüber den günstigen klimatischen 
Effekten, sondern dem sozialen Zwange, die 
Tausende mittelloser Phthisiker ebenfalls durch 
Luftkur zur Besserung bringen zu müssen. — 
Das Seeklima, speziell das des Mittelmeeres, 
hält Kutby indiziert für „Fälle mit aktiver 
Longenphthise mit beginnender Debilität des 
Organismus^ sowie für Fälle mit mehr oder 
weniger ausgebreiteten Infiltrationen, die schon 
längere Zeit fiebern, endlich auch bei Larynx- 
taberkulose (Infiltraten und Ulzerationen). Als 
Idealbehandlung schwebt dem Autor eine gleich¬ 
zeitige Sanatoriumsbehandlung vor. 

Die Erfahrungen des Referenten decken 
sich mit denen des Verfassers in mancher 
Hinsicht nicht: in mehrjähriger Praxis an der 
Riviera di Ponente hat Referent bei fiebernden 
Faßen mit ausgebreiteten Infiltrationen trotz 
aosgedehnter Liegekur einen erheblichen Klima- 
cindaß nicht feststellen können. 

Naumann (Meran-Reinerz). 

Haas Schmidt, Über den Einfluß der Witte¬ 
rung auf die Häufigkeit von Apoplexien« 

Wiener klinisch-therapeutische Wochenschrift 
1904. Nr. 50. 

Verfasser verglich ein großes Material von 
Apoplexie -Todesfällen der Jahre 1899—1903 
aus der Statistik der Stadt Berlin und dem 
Krankenbestand der I. mediz. Klinik der Königl. 
Charite; mit den Ergebnissen der Luftdruck¬ 
verhaltnisse und kam hierbei zu folgenden 
Resultaten. Der Prozentsatz der Tage, an 
denen trotz Barometerschwankungen keine 
Todesfälle an Apoplexie beobachtet werden, ist 
nicht wesentlich geringer als der Prozentsatz 
des Mittels der Tage, an welchen eine solche 
Sterblichkeit durch stärkere Schwankungen 
des Barometers hervorgerufen sein könnte. 
Auffällige Abhängigkeit der Apoplexien vom 
Barometerstände ist durch die Untersuchungen 
des Verfassers nicht bewiesen aber auch nicht 
ganz von der Hand zu weisen. Übrigens kann man 
•len Einwand machen, daß ein Beweis für die 
Annahme seitens des Verfassers nicht über 
allen Zweifel erhaben ist, nach der sowohl 


abnormes Steigen als auch übermäßiges Sinken 
des Luftdruckes eine gleiche Wirkung auf 
die Entstehung von Apoplexien habe. 

Dagegen läßt sich ein Einfluß der Witte¬ 
rung und zwar der schlechten, nicht in Abrede 
stellen. Unter den Monaten, die eine größere 
als durchschnittliche Sterblichkeit von Apo¬ 
plexie zeigten, standen in den fünf Jahren 
Januar, Februar, Mai und Dezember mit je 
80% aller dieser Monate bei weitem obenan, 
ihnen schlossen sich der März, April, August 
und November an. Unter den Tagen mit der 
größten Mortalität gingen wieder der Januar 
und Februar voran, ihnen folgten November, 
März, Mai und Dezember. Umgekehrt waren 
unter den Monaten ohne Apoplexiesterblichkeit 
der Januar und Februar mit je 1,7% am 
wenigsten vertreten, daran schlossen sich 
Dezember und September an. Da nun in den 
Monaten mit der größten Apoplexiesterblicbkeit 
auch die größten barometrischen Schwankungen 
beobachtet wurden und zwar in der Reihen¬ 
folge, Januar, Februar, November, März und 
Dezember, so schließt der Verfasser daraus, 
daß der Witterungs-, namentlich der Barometer¬ 
einfluß für die Häufung der Apoplexie¬ 
sterblichkeit in den Monaten Januar, Februar 
und Dezember verantwortlich zu machen sei. 

Wenn letztere Tatsache auch nicht be¬ 
streitbar ist, so glaube ich, daß bei einer großen 
Zahl der Apoplexien nicht nur die physikalisch¬ 
mechanische Ätiologie, sondern auch oft eine 
bakterielle Komponente mit in Rücksicht ge¬ 
zogen werden muß, deren präparatorischer 
Einfluß auf die Gefäßdegeneration hier eine 
bisher noch nicht gewürdigte Rolle spielt. 
Sonst ist es nicht zu verstehen, warum in dem 
Sommer, wo sehr intensive, akute Barometer¬ 
schwankungen, z. B. bei Gewittern, Vorkommen, 
relativ so wenig Apoplexien im Anschluß daran 
beobachtet werden; aber hier ist die in 
Frage kommende bakterielle Disposition am 
mäßigsten vorhanden, während die physika¬ 
lischen Bedingungen ebenso wie in Winter¬ 
monaten gegeben sein können. 

J. Ruhemann (Berlin). 

C. Gymnastik, Orthopädie und 
Apparatbehandlung. 
Sondermann, Ein neues Verfahren zur 
Behandlung aknter und chronischer Gelenk¬ 
erkrankungen. Medizin. Klinik 1905. Nr. 16. 

In Anbetracht der oft wenig befriedigenden 
Resultate bei der Behandlung akuter und 



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112 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


chronischer Gelenkerkrankungen hält Verfasser 
eine von ihm erfundene Methode flir einen 
Fortschritt, die darin besteht, daß durch eine 
einfache Vorrichtung eine intensive Reinigung 
und gleichzeitig eine annähernd dosierbare 
Hyperämie des Gelenkes bewirkt wird. Eine 
vielfach durchbohrte Kanüle wird auf einem 
Troikart in das Gelenk eingestoßen, nach Ent¬ 
fernung des letzteren wird ein zweiarmiges 
Ansatzstück auf die Kanüle aufgeschraubt, 
dessen einer Arm mit einem die Spülflüssigkeit 
enthaltenden Irrigator verbunden ist, während 
der andre Arm zu einer Flasche führt, in der 
mittelst eines Gummigcbläses die Luft ver¬ 
dünnt werden kann. Durch Ansaugung mit 
dem Gebläse wird eine reichliche Durchspülung 
mit folgender Hyperämisierung des Gelenks 
bewirkt, die sich besonders bei akuten eitrigen 
Entzündungen empfiehlt. Wird der Zufluß aus 
dem Irrigator abgesperrt, so bewirkt die 
alleinige Ansaugung eine Hyperämie im Gelenke, 
die Verfasser im Sinne Biers bei chronischen, 
besonders tuberkulösen Gelenkerkrankungen 
angewandt wissen will. Die Durchspülung 
wurde mehrmals täglich mit je 1 Liter Wasser 
oder Borlösung ausgeführt, die Ansaugung 
stündlich 5 Minuten lang angewandt. Daß die 
Durchspülung schon an sich eine Hyperämie 
im Gelenk hervorruft, kann Verfasser zwar 
nicht direkt beweisen, schließt es aber per 
analogiam aus der in jüngster Zeit vielfach 
studierten Einwirkung von Flüssigkeiten auf 
seröse Höhlen. Auch bei Erkrankungen der 
letzteren lasse sich das Verfahren mit Vorteil 
anwenden. Verfasser teilt zwei Fälle mit, in 
denen er einmal bei einem Fungus, das andre 
Mal bei einer osteomyelitischen Kniegelenks¬ 
vereiterung Resultate erzielte, die man mit 
den üblichen Methoden nicht zu sehen gewöhnt 
ist. Das Verfahren sei einfach und leicht aus¬ 
führbar und ohne wesentliche Unbequem¬ 
lichkeiten für den Kranken in jedem geeigneten 
Fall anwendbar. Die Ansaugung kann vom 
Patienten selbst besorgt werden, so daß der 
das Knie bedeckende Prießnitz-Verband ruhig 
3—4 Tage (bei täglicher Anfeuchtung) liegen 
bleiben kann. W. Alexander (Berlin). 

A. y. Luzenberger, Eigene Erfahrungen 
über die Nägeli sehen Handgriffe. Zentral¬ 
blatt für physikalische Therapie und Unfall¬ 
heilkunde Bd. 1. Heft 6. 

Nägeli hat eine Reihe von Handgriffen 
angegeben, welche bezwecken, durch manuellen 


Druck, Zug oder dergleichen an einer bestimmten 
Körperstelle momentan gewisse Schmerzen oder 
Beschwerden zu lindern resp. zu beseitigen; 
unter diesen in weiteren Kreisen noch wenig 
gebräuchlichen Handgriffen haben sich dem 
Verfasser besonders zwei bewährt, der „Kopf¬ 
stützgriff' und der „Druck auf die 
Schläfen". Der Kopfstützgriff wird in der 
Weise ausgeführt, daß der Arzt von hinten 
her den Kopf des auf dem Stuhle vor ihm 
sitzenden Patienten mit beiden Händen so um¬ 
faßt, daß die Daumcnballen den Kieferwinkeln 
anliegen, der Daumen selbst hinter der Ohr¬ 
muschel ruht und die übrigen Finger Wangen 
und Schläfen anliegen; es wird nun mit den 
Daumenballen ein energischer Zug nach oben 
und hinten ausgeübt und der Kopf in solcher 
Lage bis zu 30 Sekunden lang gehalten. Aut 
diese Weise werden für den venösen Abfluß 
des Blutes vom Kopfe her möglichst günstige 
Bedingungen geschaffen, und dementsprechend 
führt der Handgriff bei Kopfschmerzen, die aut* 
Hyperämie der Hirnhäute, Kongestionen u. dgl. 
beruhen, momentane Erleichterung herbei. Der 
andere genannte Griff hat den Zweck, bei 
Hysterischen, die über Druckgefühl im Kopfe 
und besonders in der Stirngegend klagen, 
durch Druck und leichten Zug, den beide 
Handflächen auf die Stirn ausüben, diese 
Beschwerden zu beseitigen. 

Man muß dem Verfasser in der hohen 
Wertschätzung und Empfehlung namentlich des 
Kopfstützgriffs beipflichten; denn wir haben 
gerade in der physikalischen Therapie kaum 
ein anderes Mittel in der Hand, da« es uns 
wie der Kopfstützgriff ermöglicht, in der 
Sprechstunde dem Patienten sofort Linderung 
oder völlige Beseitigung seiner Beschwerden zu 
verschaffen. Und dazu kommt, daß einerseits 
das Mittel so einfach wie nur möglich und 
andrerseits das dadurch zu bekämpfende Leiden 
ein ungemein häufiges ist. 

A. Laqueur (Berlin). 


Ledermann, Über die Verwendung der 
Vibrationsmassage zur Ausführung von 
Schmierkuren, Deutsche modizin. Wochen¬ 
schrift 1904. Nr. 42. 

In neuerer Zeit ist die Inunktionsmethodc 
der Syphilisbehandlung durch die sogenannte 
Einklatschungsmethode behufs stärkerer Imbi¬ 
bition der Hauptpartien mit Quecksilber zu ver¬ 
drängen gesucht worden, und eine Reihe von 
Syphilidologen geben der letzteren den Vorzug. 


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Heferate über Bücher und Aufsätze. 


113 


Dies hat den Verfasser auf den jedenfalls eigen* 
artigen Gedanken geführt, die eingeriebene Salbe 
durch Anwendung der Vibrationsmassage stärker 
verteilen und von der Haut aufnehmen zu lassen. 
In dieser Kombination erblickt er eine rationelle 
Art beide Methoden, die der Einreibung wie der 
Einklatschung, mit einander zu verbinden. 

J. Marcuse (Mannheim). 


J. L. Beyer, Uber die Behandlung von 
Deformitäten mit Hilfe elastischer Heft- 
pflastenngverb&nde. Therapeutische Monats¬ 
hefte 1901. Heft 10. 

Heftpflasterzugverbände — eine Kombi¬ 
nation von Hcftpflasterstreifen mit Gummibändern 
behufs Entfaltung eines elastischen Zuges — 
hat Verfasser bei einer Reihe orthopädischer 
Kranker angewandt und bezeichnet als Vorzüge 
derselben die einfache Handhabung, die gute 
Wirkung sowie die große Billigkeit gegenüber 
orthopädischen Apparaten. Besonders nutz¬ 
bringend haben sich dieselben vor allen bewährt 
bei den Anfangsstadien des Genu valgum und 
Genu varnm, sowie beim Klumpfuß, wo sie schon 
knrz nach der Geburt angelegt werden können, 
ohne das Gesamtbefinden des Kindes irgendwie 
in beeinflussen. Sinngemäße Anwendung ver¬ 
mag diese Art des Verbandes noch zu finden 
bei Hallux valgus, bei angeborenen Kontrakturen 
and namentlich bei Lähmungen. 

J. Marcuse (Mannheim). 


D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

Mac Leod, J. M. H., Über die pathologische 
Wirkung der Büntgenstrahlen. The British 
Journal ofDennatology 1903. Bd. 15. September 
und Monatshefte für praktische Dermatologie 
Bd. 37. Nr. 10. 

Der Verfasser resümiert den gegenwärtigen 
Stand unserer Kenntnisse über die pathologische 
Wirkung der Röntgenstrahlen in den folgenden 
Schlußsätzen: 

Die X-Strahlen haben in kleinen Dosen 
eine stimulierende Wirkung auf die Elemente 
der gesunden Haut In großen Dosen, durch 
lange Expositionen, starke Nähe der Röhre an 
der Haut usw. sind die Strahlen imstande, die 
Gewebselemente zu vernichten oder ihre De¬ 
generation zu bewirken. Diese Fähigkeit ist 
das Resultat einer direkten Wirkung der 
X-Strahlen. Die höher differenzierten Gewebs- 
strokturen, wie die Haarfollikel, die Drüsen, 

fifcr. L düt o. pbyaik. Therapie Bd. IX. Heft 2. 


Nägel und Blutgefäße werden leichter und 
intensiver von Strahlen getroffen als die niedriger 
differenzierten Epidermiszellen oder das Binde- 
gewebsstroma des Coriums. Die pathologisch 
veränderten Zellen, seien sie epiblastischen oder 
mesoblastischen Ursprungs, sind gegenüber den 
X-Strahlen weniger widerstandsfähig als die 
gesunden Zellen und werden mit kleinen Dosen 
der Strahlen getötet; diese destruktive Wirkung 
auf die erkrankten Elemente kann Platz greifen, 
während die gesunden Elemente in der Nach¬ 
barschaft, anstatt ihre Vitalität einzubüßen, zu 
einem Regenerationsprozeß die Anregung geben. 
Die Wirkung der X-Strahlen ist eine kumulative, 
und wenn die Gewebsdegeneration einen ge¬ 
wissen Grad erreicht hat, dann werden die 
toxischen Produkte der zerfallenden Zellen 
fähig, eine entzündliche Reaktion, die eine 
sekundäre Erscheinung ist, hervorzurufen. Diese 
entzündliche Reaktion tritt in einem Gewebe 
auf, dessen Vitalität bereits durch die Wirkung 
der Strahlen vermindert worden ist, geht mit 
tieferen, destruktiven Veränderungen einher 
als die durch die aktiven Strahlen gesetzten 
sind und neigt zur Ulzeration, Nekrose und 
zu einem unvollständigen Regenerationsprozeß. 

Forchheimer (Würzburg). 

L. Halberstaedter, Die Einwirkung der 
Röntgenstrahlen auf Ovarien. Aus der der¬ 
matologischen Universitätsklinik zu Breslau. 
Berliner klinische Wochenschrift 1905. Nr. 3. 

Die erste Versuchsreihe wurde in der Weise 
ausgeführt, daß bei den auf dem Rücken liegend 
aufgespannten Kaninchen die Abdominalseite 
bis zur Medianlinie mit Bleiplatten abgedeckt 
und die andere Seite bestrahlt wurde. Verwandt 
wurde eine mittelweiche Ktihlröhre, die so auf¬ 
gestellt war, daß sich der Focus über dem 
unteren Drittel der Lendenwirbelsäule und 
gerade über der Medianlinie befand, so daß die 
Strahlen nur die unabgedeckte Seite des Ab¬ 
domens treffen konnten. In dieser Weise wurden 
5 Tiere behandelt, bei denen deutliche mikros¬ 
kopische und makroskopische Veränderungen 
sich konstatieren ließen. Eine zweite Serie 
von Tieren wurde öfter bestrahlt In beiden 
Versuchsreihen zeigte sich ganz konstant der 
schon makroskopisch wahrnehmbare Einfluß 
der Röntgenstrahlen auf die Ovarien im Gegen¬ 
satz zu den unbestrahlt gebliebenen Ovarien 
derselben Tiere. Eine dritte Versuchsreihe 
wurde in der Weise angeordnet, daß sich Ver¬ 
fasser vor und unmittelbar nach der Bestrahlung 

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Referate über Bücher und Aufsätze. 


durch eine Autopsie in vivo vom Zustand beider 
Ovarien überzeugte. Durch diese Versuchs¬ 
anordnung wurde bewiesen, daß die großen 
Unterschiede zwischen den beiden Ovarien nach 
Röntgenbestrahlung des einen nur auf diese 
zurückzuführen sind und nicht auf zufällig vor¬ 
handenen Differenzen zwischen beiden Ovarien 
beruhen. Die histologische Untersuchung be¬ 
stätigte den schon makroskopisch wahrnehm¬ 
baren Schwund der Follikel. Das praktisch 
bemerkenswerteste Resultat der interessanten 
Untersuchungen ist die Konstatieruug der Tat¬ 
sache, daß die Ovarien eine bedeutend größere 
Empfindlichkeit für Röntgenstrahlen besitzen, 
als die Haut. Eine praktische Konsequenz muß 
in Bezug auf die Prophylaxe der Röntgenschä¬ 
digungen gezogen werden. Es müssen sich die 
in Röntgenlaboratorien beschäftigten Wärte¬ 
rinnen in entsprechender Weise schützen und 
ferner muß bei therapeutischen Bestrahlungen 
der Abdominalgegend der Frauen daran gedacht 
werden, daß ev. eine Schädigung der Ovarien 
ointreten kann. Fritz Loeb (München). 


E. Rutherford, Radio-Actifity. Pliysical 
Series 1904. 

Jean Escard, Le Radium et ses proprietes. 
Paris, Librairie Tiguol. 

Die Entdeckung des Radiums und der 
radioaktiven Substanzen hat eine Reihe von 
einzelnen Publikationen gefördert, ohne daß in 
zusammenhängenderweiso der Stoff behandelt 
worden wäre. Das englische Buch von dem 
auf dem Gebiete der Radiumforschung wohl 
bekannten Verfasser ist mehr vom physi¬ 
kalischen Standpunkt von Wert. Eingehende 
Kapitel sind den physikalischen Eigenschaften 
der Radiumstrahlen gewidmet. Die Brechungs¬ 
gesetze etc. sind vom mathematischen Stand¬ 
punkte erörtert. Besondere Aufmerksamkeit 
ist der Radioaktivität des Thorium gewidmet. 
Letzteres haben infolge seines billigeren Preises, 
da es bekanntlich im Gasglühlicht zu 98% 
enthalten ist, Rutherford und Soddy in 
London, in die Therapie einzuführen versucht. 

Das französische Werk gibt in gedrängterer 
Form die Errungenschaften der Radiumwissen¬ 
schaft wieder. Nicht für einen größeren Leser¬ 
kreis berechnet, vermißt man in der eleganten 
Form die alle Details berücksichtigende Schreib¬ 
weise des kanadischen Forschers. 

Rozenraad (Berlin). 


Jacob, The treatment of Lupus bjr X-Rays 
and the Einsen Lamp« Medical Electrology 
and Radiology 1904. November. 

Der Verfasser ist der ja heute wohl all¬ 
gemein vertretenen Ansicht, daß man in der 
Lupusbehandlung alle uns zu Gebote stehenden 
Methoden anwenden solle, um möglichst schnell 
zum Ziele zu kommen. Sehr ausgedehnte, 
besonders auch hypertrophische und ulzerierte 
Fälle behandelt er mit Röntgenstrahlen; er 
gibt schwache Dosen; die Behandlung dauert 
Monate und Jahre lang, je nach der Ausdehnung 
der Fälle. Isolierte Knötchen werden durch 
reine Karbolsäure zerstört. Zunächst wird ein 
Tropfen auf die Haut gebracht, um Anästhesie 
zu erzeugen, dann ein zugespitztes Hölzchen 
in den Knoten eingebohrt, um ein Eindringen 
der Karbolsäure in die Tiefe zu erzielen, analog 
der von Unna angegebenen „Spickmethode“. 
Bei größeren Plaques wird die Pyrogallussäure 
in Pflaster- oder Salbenform angewandt. Das 
kosmetisch schönste Resultat gibt die Finsen¬ 
behandlung; doch dauert sie allein sehr 
lange und muß je nach den Umständen mit der 
Röntgenbestrahlung oder mit den genannten 
chemischen Ätzmethoden kombiniert werden, 
wenn man schneller zum Ziele kommen will. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Nash, Memorandum on the red light treat¬ 
ment of small-pox. The Lancet 1904. 26. No¬ 
vember. 

Der Verfasser berichtet über drei mit rotem 
Licht behandelte, günstig verlaufene Pocken- 
fälle. H. E. Schmidt (Berlin). 

Rickets and Bytes, Further note on the 
red light treatment of small-pox. The 

Lancet 1904. 26. November. 

Die Verfasser hatten in einer früheren Arbeit 
über ungünstige Resultate bei der Rot-Licht- 
Behandlung der Pocken berichtet. Darauf hatte 
Finsen (The Lancet 1904. 5. November) die 
Mißerfolge auf die Schwere der Fälle und auf 
den zu späten Beginn der Behandlung bezogen. 
Die Verfasser verwahren sich dagegen, daß sie 
die Behandlung nicht zeitig genug begonnen 
hätten und halten an ihrer Ansicht fest, daß 
Finsen sich in der Bedeutung des roten 
Lichtes für die Pockenbehandlung getäuscht 
habe. Merkwürdig und entschieden gegen die 
Theorie Finsens sprechend ist der Umstand, 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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daß in acht Fällen, die erst relativ wenige 
Varioia-Effloreszenzen zeigten, weitere Eruptio¬ 
nen unter der Rot-Licht-Behandlung — also 
trotz Eliminierung der angeblich schädlich 
wirkenden „chemischen“ Strahlen — auftraten, 
abgesehen davon, daß auch die Suppuration 
und das Suppurationsfieber und infolgedessen 
die Narbenbildung nicht verhindert wurde. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Einhorn, Radiumbehälter für den Magen, 
Ösophagus und Rektum« Berliner klinische 
Wochenschrift 1904. Nr. 18. 

Verfasser hat Kapseln aus Glas, Aluminium 
oder Hartgummi konstruiert, die zur Aufnahme 
von Radium dienen und bei Applikation im 
Magen an Seidenfäden befestigt und vom 
Patienten verschluckt, bei Applikation im 
Ösophagus und Rektum auf Bougies auf¬ 
geschraubt und entsprechend weit eingeführt 
werden können. Sichere therapeutische Er¬ 
fahrungen liegen bisher nicht vor. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


E. Serum- und Organotherapie. 

Charles Forsyth, Inocnlations with 

Haffkiites Plague Prophylactic. The Lancet 

1904. 12. Februar. 

Forsyth hat den Hauptteil der Pestimpfungen 
im indischen Punjab Regierungsdistrikt des 
Jahres 1902/03 ausgefiihrt und gibt über seine 
90609 Inokulationen statistische Mitteilungen. 
Zur genaueren Kontrolle wurde zunächst die 
Einrichtung getroffen, daß in jedem Dorfe 
ein „Registrar“ („Patwari“) angestellt und für 
die Feststellung der Personalien etc. der zu 
Impfenden, Geimpften und Erkrankten ver¬ 
antwortlich gemacht wurde; Duplikate dieser 
Eingeborenenlisten waren aufbewahrt und 
mußten jeweils bei Impfung, Erkrankung, 
Todesfall etc. revidiert und ergänzt werden. 
So ist ersichtlich geworden, daß von 30 6Ö9 
Geimpften (prophylactisch) 329 von der Pest 
befallen wurden mit 50 Todesfällen (15,i%). 
Beachtenswert ist die niedrige Mortalitätsziffer, 
welche ohne Schutzimpfung bei Durchscbnitts- 
epidemien 50 (bis 70 und selbst 90)% beträgt. 
Weiterist wichtigdasErgebnis —widersprechend 
den Ansichten der Kommission von 1898-1900 —, 
daß die Impfung auch wirksam ist, wenn 
sie zu einerZeit geschieht, da die Pest¬ 


infektion schon erfolgt ist; Verfasser be¬ 
rechnet für diese Fälle 21% Mortalität. Im all¬ 
gemeinen sichert die wirksame Impfung eine 
Immunität für etwa drei Monate. 

Zum Vergleiche der Einwirkung der Epi¬ 
demie auf Geimpfte und Ungeimpfte wurden 
in einem verseuchten Distrikte die unter völlig 
äqualen Bedingungen nebeneinander lebenden 
Einwohner von 50 Dörfern teilweise „inokuliert“ 
(12 886), teilweise nicht inokuliert (31 874), mit 
dem Ergebnis, daß von der ersten Gruppe 1,3% 
pestkrank wurden und 16,a% starben, während 
von der zweiten Gruppe 4,5% pestkrank wurden 
und 45,2% starben. Forsyth empfiehlt da¬ 
her für pestverdächtige bzw. verseuchte 
Distrikte die streng durchgeführte 
Haffkinische Pestimpfung als bestes 
und radikales Mittel zur Beseitigung 
der mörderischen Krankheit. 

R. Bloch (Koblenz). 


J. W« Miller, Some observations on over 
6000 Inocnlations againstPlague. The Lancet 
1904. 12. Februar. 

Verfasser beschreibt die bei der Pest¬ 
epidemie im Punjab 1902/03 gebrauchte Technik 
der Impfung mit dem Haffkinischen Serum: 
Injektion von 5 bis 7,5 ccm Serum mit sterili¬ 
sierter 20 ccm Spritze in den wohldesinfizierten 
linken Arm, oder, um etwa vorhandene rheu¬ 
matische Schmerzen wirkungsvoll zu beein¬ 
flussen, die Knie-, Hüft- oder Schultergegend. 
Als Toxinsymptome wurden meist beobachtet: 
Schmerzen und Hitzegefühl einige Stunden 
nach der Einspritzung im entsprechenden Gliede 
oder Körperteile, leichte Temperatursteigerung, 
nach 10 Stunden Stirnschmerz, Übelkeit und 
Frost, Anschwellungen, Schmerz hei Be¬ 
wegungen, sodann am zweiten Tage etwas 
Ödem, Schwellung der benachbarten Lymph- 
drüsen, leichtes Erythem an der Impfstelle; 
nach weiteren drei bis fünf Tagen völlige 
restitutio ad integrum. Üble Erfolge wurden 
nie beobachtet; Kinder, Greise und Gravidae 
erhielten kleinere Dosen, nur in einem Falle 
von 6000 trat ein Abszeß an der Injektions¬ 
stelle ein. 

In beiden Mitteilungen scheint etwas 
| Optimismus zu liegen, denn trotz der guten 
| Statistiken und Massenimpfungen ist zurzeit 
' die Pest in Indien nicht nur nicht ausgerottet, 
sondern war zu keiner Zeit so heftig wie gegen- 
! wärt-ig, wo allwöchentlich über 40000 Personen 

8 * 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


daran sterben (!); daß die Impfungen nicht 
immer so harmlos sind, wie oben geschildert, 
wird Referent in Bälde an neueren Erfahrungen 
dartun. R. Bloch (Koblenz). 


Neuburger, Die Torgeschichte der anti¬ 
toxischen Therapie der akuten Infektions¬ 
krankheiten. Stuttgart 1901. 

Entstanden aus einem Vortrag auf der 
Naturforscherversammlung zu Hamburg, gibt 
diese erweiterte und mit genauen literarischen 
Nachweisen versehene Arbeit in großen Zügen 
die Entwicklung der therapeutischen Anschau¬ 
ungen über Infektionen seit den ältesten Zeiten. 
Neuburger resümiert, daß die moderne anti¬ 
toxische Heilmethode, als höchste Form im 
Lauf einer langen Entwicklungskette, den Kreis 
der Ideen schließt, welche vom Immunitäts¬ 
prinzip ausgehend, mitten durch mystischen 
Sympathieglauben, rohen Chemismus und anti¬ 
parasitäre Therapie hindurch wieder zum 
Immunitätsprinzip hinstrebten. 

Auf rationellem Wege eine direkte ätiolo¬ 
gische, spezifische Therapie der akuten In¬ 
fektionskrankheiten zu begründen, ist bis zu 
einem gewissen Grade der Serumforschung 
gelungen. Die bezüglichen Bestrebungen reichen 
bereits soweit zurück, daß die historische 
Gerechtigkeit erfordert, hierbei der alten For¬ 
schung zu gedenken, um so mehr, als sie auch 
für unser modernes Erkennen Wichtiges und 
Bleibendes geleistet hat. Die in ältesten Zeiten 
geübte Inokulation der Blattern, Entgiftungs¬ 
versuche durch Blut bzw. Organbestandteile 
sogenannter giftfester Tiere sind ja in letzter 
Linie nichts anderes als Formen aktiver und 
passiver Immunisierung. 

Neben der hippokratischen Therapie, die 
ihre Hauptaufgabe in Beseitigung der materia 
peccans durch Aderlaß, Sekretion und Ex¬ 
kretion sah, tritt schon in uralten Zeiten das 
antitoxische Heilprinzip auf, charakterisiert durch 
das Bestreben, die Krankheitsursachen direkt 
anzugreifen. Epidemische Krankheiten stellte 
die alte Medizin den Vergiftungen gleich; Apolls 
giftige Pfeile hatten die achäische Pest im 
Gefolge, und so ist als primitivste Form anti¬ 
toxischer Therapie die Dämonenbeschwörung 
anzusehen. Loslösung ärztlicher, von mytho- 
logisch-religiösen Vorstellungen führten dann 
zu den verschiedenen Methoden rationellerer 
Therapie wie Waschungen, Salbungen, Räuche¬ 
rungen etc. Man ging zu Universalantidoten 
wie Theriak, Mithridat u. a. über, meinend, ihre 


entgiftende Wirkung zeige sich auch bei In¬ 
fektionen. 

Das Mittelalter, das dann in chemischen 
Stoffen und andrerseits kleinsten Organismen 
die Ursachen der Infektionskrankheiten sicher 
gefunden zu haben meinte, wandte sich der 
chemisch-antiseptischen bzw. antiparasitären 
Behandlung zu. Fast alle neu entdeckten 
Chemikalien, Anthelmintika u. v. a. wurden 
durchprobiert, und der Höhepunkt wurde erreicht 
in der Anwendung der Chinarinde, in der man 
ein spezifisches Mittel gegen das Fieber fand. 
Auf der so betretenen Bahn fortschreitend, 
konnte man ernstlich an eine ähnlich kausale 
Behandlung andrer Krankheiten gehen und 
durch das Gelingen der Blatternimpfung u. a. 
therapeutischer Versuche wurde schließlich 
noch unbewußt der Grundstein zur modernen 
Serumthorapie gelegt. Grade durch den Zu¬ 
sammenhang mit mehr als zweitausendjähriger 
Vergangenheit verliert diese modernste aller 
Heilmethoden durchaus nichts vom Ruhme der 
Originalität. M a m 1 o c k (Berlin). 


Parhon et Goldstein, Sur l’exlstence d’nn 
antagonisme entre les fonctlons de Poialre 
et cell es du corps thyreo ide. Archives g6n6- 
rales de m^decine 1905. 17. Januar. 

Die beiden Drüsen mit innerer Sekretion 
üben einmal einen Einfluß aufeinander aus; 
dafür spricht die Hypertrophie der Thyreoidea 
im Klimakterium und der Gravidität, also bei 
daniedorliegender Ovarialtätigkeit, umgekehrt 
die von Hofmeister experimentell festgestellte 
Tatsache des vorzeitigen Reifens des Follikel 
nach Thyreoidectomie. Die Thyreoidea be¬ 
günstigt das Knochenwachstum (Wachstum 
unter Thyreoidbehandlung bei Myxödem), das 
Ovarium schädigt es (Heilung der Osteomalacie 
durch Kastration). Ähnliche Gegensätze zeigen 
sich im Einfluß auf das Gefäßsystem, speziell 
die Vasomotoren. Die Milchsekretion wird 
durch Thyreoidea gesteigert, durch das Ovarium 
beschränkt. In bezug auf den Stoffwechsel ist 
feststehend eine Vermehrung der Oxydationen 
unter dem Einfluß der Thyreoidea; unter dem 
des Ovarium nehmen sie eine Verminderung 
derselben an. (Nach den Untersuchungen von 
Loewy und Richter besteht im Gegenteil 
eine Steigerung, während Lüthje und der 
Referent eine solche nicht konstatieren konnten. 
Für die Annahme einer Herabsetzung des Stoff¬ 
wechsels liegen aber keine Anhaltspunkte vor. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Der Referent ) Bei der Harnstoffausscheidung 
läßt sich kein Antagonismus feststellen; im 
Gegenteil wirken beide steigernd. In bezug 
auf die Ausscheidung der anorganischen 
Körperbestandteile liegen noch nicht genügend 
einwandfreie Bestimmungen vor; doch scheint 
»ieh in bezug auf die Kalziumausscheidung der 
Antagonismus zu betätigen. Endlich sprechen 
für die Annahme die günstige Beeinflussung 
des Morbus Basedowi durch Darreichung von 
Ovarialsubstanz. Leo Zuntz (Berlin). 


LsvmoBier, Les nouveau* tr&itementg. 

Kapitel „Opotherapie“. Alcan. Paris 1904. 

Nach einem kurzen geschichtlichen Rück¬ 
blick entwickelt der Verfasser in kurzen, präg¬ 
nanten Zügen das Wesen der Organotherapie 
und setzt die Theorien auseinander, auf denen 
diese Behandlungsmethode aufgebaut ist. So 
jung die Methode auch ist, so hat sie doch 
nichtsdestoweniger eine große Ausdehnung 
gewonnen; es sind jetzt schon 16 Organe, die 
therapeutisch benutzt werden, und die mehr 
oder minder große Heileffekte aufweisen. An 
der Spitze stehen die Schilddrüsen- und Neben¬ 
nierenpräparate, deren Heilwirkungen und 
Anwendungsgebiet vom Verfasser anschaulich 
geschildert werden. Auch alle andern Organ¬ 
extrakte finden eine eingehende Berücksichti¬ 
gung, der neben großer Klarheit nüchterne 
Objektivität nachzurühmen ist 

Wenig bekannt dürfte deutschen Lesern die I 
von Rieh et und He ri court inaugurierte | 
-Thermotherapie“ sein, welche auf der An- j 
wendung von Muskelextrakten basiert. Die 
Thermotherapie soll bei der Tuberkulose un¬ 
geahnte Erfolge gezeitigt haben; besonders 
zeigte sie sich bei dem ersten Stadium der 
Phthise, wo sie fast ausnahmslos eine rapide 
und andauernde Besserung, ja Heilung zuwege 
brachte. Freyhan (Berlin). 


F. Verschiedenes. 

t«b Grolman, Ärztliches Jahrbuch 1905. 

Frankfurt a. M. Johannes Alt 

Das Büchlein bringt neben dem Kalendarium 
und Notizen über Bereitung medizinischer Bäder, 
Hiximaldosen etc. eine kurze Anleitung zur 
Behandlung akuter Vergiftungen, eine sorgsam 
he arbeitete Übersicht der wichtigsten Bade- 
tmd Kurorte, Heil- und Pflegeanstalten und ein 
mit besonderer Berücksichtigung der neueren 


und neuesten Medikamente zusammengestelltes 
Arzneimittelverzeichnis, in welchem auch den 
bekanntesten organotherapeutischen und diäte¬ 
tischen Präparaten ein gebührender Raum 
gewidmet ist. Kurze Mitteilungen aus der 
Literatur der beiden letzten Jahre, darunter 
Sammelreferate über das Fick er sehe Typhus- 
diagnostikum und die Gruber-Widal sehe 
Reaktion und über die Serumtherapie der 
Streptokokkeninfektionen, sowie einige lesens¬ 
werte Originalarbeiten aus der Feder von 
Gräupner-Nauheim: Die Funktionsprtifung 
des Herzmuskels vermittelst meßbarer Arbeit 
und deren Bedeutung für die klinische Be¬ 
urteilung der Herzkrankheiten, Lübbert- 
Hamburg: Die Behandlung des Heufiebers mit 
Dunbars Pollantin, Honigmann-Breslau: 
Die Bedeutung der Nebennierenpräparate für 
die Lokal- und Rückenmarksanästhesie er¬ 
gänzen den reichen Inhalt des handlichen 
und wohlfeilen (Preis 2 Mark) Taschenkalenders, 
welcher seiner Aufgabe, dem Praktiker die 
genauere Bekanntschaft mit den wesentlichsten 
modernen, diagnostischen und therapeutischen 
Errungenschaften zu vermitteln, in geschickter 
Weise gerecht wird. 

Hirschei (Berlin). 


Alfred v. Lindheim, Salut! aegrorum. 

Aufgabe und Bedeutung der Krankenpflege 
im modernen Staate. Eine sozialstatistische 
Untersuchung. Herrn Geheimrat v. Leyden 
gewidmet. Leipzig und Wien 1905. Franz 
Deuticke. 

Da dieses Buch nicht von einem Arzte 
und nicht fUr Ärzte geschrieben ist, dürfen 
wir es nicht nach dem Maßstabe, den wir 
sonst in fachwissenschaftlichen Schriften an¬ 
zulegen pflegen, messen. Den objektiven 
Inhalt faßt der Verfasser selbst in die nach¬ 
stehenden Thesen zusammen, die es sich 
empfiehlt wörtlich anzuführen, um sodann 
einige Bemerkungen dazu folgen zu lassen. 
Die Thesen lauten: 

I. Dem Staate liegt die Verpflichtung ob, 
im Vereine mit den beteiligten Faktoren Ein¬ 
richtungen für eine allgemeine Kranken-, 
Unfall- und Invaliditätsversicherung jener 
Staatsangehörigen zu schaffen, welche nicht 
imstande sind, hierfür aus eigenen Kräften zu 
sorgen. 

II. Im engsten Zusammenhang damit liegt 
den Kulturstaaten die weitere Verpflichtung ob, 

! Vorsorge dafür zu treffen, daß 


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118 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


1. soviel öffentliche Heilanstalten im Be¬ 
reiche des Staates geschaffen werden, daß für 
Orte mit einer geschlossenen Wohnbevölkerung 
von mindestens 10 000 Einwohnern je ein 
Krankenbett auf 200 Einwohner, und für das 
flache Land je ein Krankenbett für 400 Ein¬ 
wohner zur Verfügung stehe; 

2. für ländliche Distrikte, welche bezüg¬ 
lich der Benutzung einer öffentlichen Heil¬ 
anstalt geographisch besonders ungünstig 
liegen, mit Hilfe der beteiligten Gemeinden 
eine geeignete Distrikts- und Gemeindeprivat¬ 
pflege organisiert werde; 

3. daß dort, wo die Krankenfürsorge 
nicht durch die Hilfe der Gemeinde, des 
Landes, der bestehenden Stiftungen und der 
Privatwohltätigkeit herbeigeführt werden kann, 
der Staat mit seinen Mitteln helfend 
und ergänzend einzutreten habe. 

III. Die oberste Aufsicht über die 
Gesundheitsverhältnisse liegt der Verwaltung 
des Staates ob. Diese Aufsicht ist tunlichst zu 
konzentrieren und die Verwaltung der ge¬ 
samten Sanitätsverhältnisse in einem eigenen 
Ministerium oder mindestens in einer mit 
möglichster Selbständigkeit ausgestatteten 
Medizinalabteilung eines Ministeriums auszu¬ 
üben. Gleichzeitig mit einer besseren Aus¬ 
gestaltung der ärztlichen Vertrotungskörper 
(Ärztekammer) soll einerseits für die unbedingt 
notwendige Hebung der sozialen Stellung und 
der materiellen Lage der Ärzte gesorgt werden, 
andererseits aber sollen auch die ärztlichen 
Berufspersonen zu gewissenhaftester, in 
humanem Geiste zu leistender Pflichterfüllung 
durch die nötigen Vorkehrungen und Ma߬ 
nahmen angehalten werden. 

IV. In bezug auf die eigentlichen Kranken¬ 
pflegepersonen empfehlen sich die folgenden 
Grundsätze: 

1. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, 
daß genügend Pflegekräfte in erster Linie 
für die öffentlichen Heilanstalten, in zweiter 
Linie ftir die Distrikts- und Privatpflege vor¬ 
handen seien. Um dem jetzt bestehenden 
Mangel abzuhelfen, sind mit den bestehenden, 
bereits seit längerer Zeit segensreich wirkenden 
konfessionellen Genossenschaften, sowie mit 
den bestehenden interkonfessionellen Pflege¬ 
gesellschaften (Rotes Kreuz usw.) Verein¬ 
barungen zu treffen, welche den Mangel an 
Pflegepersonal beheben. Die gesamten bisher 
nicht organisierten weltlichen Krankenpflege¬ 
personen männlichen und weiblichen Geschlechts 


sind zu Verbänden zu vereinigen, welche 
vom Staate in Evidenz gehalten werden. 

2. Alle Krankenpflegepersonen haben sich 
einer gründlichen praktischen und theoretischen 
Ausbildung zu unterziehen, für die ein be¬ 
sonderes Reglement zu erlassen ist, und hier¬ 
auf eine staatliche Abschlußprüfung zn 
absolvieren, welche sich sowohl auf die all¬ 
gemeine Ausbildung als aut die Spezialpflege 
bestimmter Krankheiten zn erstrecken hat, und 
deren Endergebnis dem Prüfungskandidaten 
größere oder geringere Befugnisse ein¬ 
räumt. 

3. Der Staat wird nach Tunlichkeit bemüht 
sein, Einrichtungen zu treffen, welche den 
Krankenpflegepersonen im Falle eintretender 
Krankheit oder Invalidität Hilfe und Ver¬ 
sorgung zuteil werden lassen. 

V. In bezug auf die hier in Frage kommenden 
Mortalitäts- und Morbiditätsverhältnisse hat die 
eingehende Untersuchung dieser Arbeit folgende 
Resultate ftir die mit Krankenpflege beschäf¬ 
tigten Personen ergeben: 

1. Der ärztliche Beruf ist, dank der 
bestehenden Fortschritte der Wissen¬ 
schaften und der Prophylaxe, in bezug 
auf Infektion (namentlich in bezug auf 
die geftirchtetste und verbreitetste 
Krankheit, die Tuberkulose) günstiger 
gestellt als fast alle übrigen Lebens¬ 
berufe. Doch wird der Ärztestand infolge 
der mit ihm verbundenen Aufregungen und auch 
durch die teilweise mißlichen materiellen Ver¬ 
hältnisse in erster Linie von den Erkrankungen 
des Herzens und der Nerven betroffen. 

2. Die eigentlichen Krankenpflegepersoneu 
männlichen und weiblichen Geschlechts sind in 
Morbidität und Mortalität zwar weniger günstig 
als die Arzte gestellt, doch sind sie in bezug 
auf die Infektion und namentlich der 
Tuberkulose nicht größerer Gefahr 
ausgesetzt als die gesamte Bevölkerung 
in der gleichen Altersepoche. Die ungünstigen 
Ausnahmen, welche bei den konfessionellen 
Genossenschaften, namentlich bei den barm¬ 
herzigen Schwestern römisch-katholischen Be¬ 
kenntnisses stattfinden, sind auf Gründe zurück¬ 
zuführen, die nicht in der Ansteckung am 
Krankenbette beruhen. 

VI. Die Errichtung von Spezial¬ 
krankenhäusern und Heilstätten,nament¬ 
lich soweit sie der Bekämpfung der 
Tuberkulose gewidmet sind, ist nach 
aller Tunlichkeit zu fördern, und die 
betreffenden daran beteiligten Gemeinden sind 


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119 


aber die folgenden, durch die hier vorge- 
Bommenen statistischen Untersuchungen zutage 
getretenen Ergebnisse amtlich zu belehren. 

1. Eine Ansteckung der Pflegepersonen in 
Lungenheilstätten war in allen beobachteten 
Fällen ausgeschlossen. 

2. Die umfassende Untersuchung über den 
Eiafluß Lungenkranker, welche in offenen Kur¬ 
orten östereichs, Deutschlands, der Schweiz 
■nd der Riviera alljährlich behandelt werden, 
and zwar sow ohl auf die Krankenpflegepersonen 
zls auf die einheimische Bevölkerung, ergab, 
daß dieser Einfluß nicht nur kein ungünstiger 
wir. sondern daß infolge der verschärften 
Prophylaxe und besseren sanitären Ein¬ 
richtungen die einheimische Bevölkerung 
weniger an der Tuberkuloso zu leiden hatte 
als vor der Gründung der betreffenden Kurorte 
and Sanatorien in den betreffenden Orten. 

VII. Die Kulturstaaten sollen zusammen- 
treten, um einheitliche Vereinbarungen für eine 
vollkommenere und sicherere Mortalitäts- und 
Morbiditätsstatistik zu treffen, welche geeignet 
ist. über den Zusammenhang der Erkrankung 
und des Todes mit dem Berufe Aufklärung zu 
febec, den Vergleich der Ergebnisse innerhalb 
der verschiedenen Staaten zu erleichtern und 
der Medizin sowie der Sozialwissenschaft 
wichtige und neue Behelfe zu liefern. Soweit 
die Thesen unseres Autors. 

Den meisten derselben können wir rück¬ 
haltlos beistimmen; ja, wir möchten, daß sie 
— z. B. in Mecklenburg, wo soeben die Stände 
die Errichtung einer Lungenbeilanstalt ab- 
srtlehnt haben — höher gehängt werden. Nicht 
völlig vermag der Unterzeichnete dagegen dem 
Satze beizustimmen, daß in offenen Kurorten 
der Zuzug der Lungenkranken keinen Schaden 
für die Eingeborenen bringe. Bis jetzt ist die 
von unserem Autor angeführte, verschärfte Pro¬ 
phylaxe und der Zuschnitt aller sanitären 
Verhältnisse auf Lungenkranke nur in 
des geschlossenen Lungenheilanstalten 
darebgeführt, in den offenen aber 
leider noch lange, lange nicht. Hier 
bleibt vielmehr noch ein weites Feld der 
Tätigkeit für den Staat und für uns Ärzte 
übrig. Am meisten Schwierigkeiten machen 
dabei die verkappten Lungenkranken d. h. I 
wiche, die in Orte gehen, wo man keine Lungen¬ 
kranken haben will nnd die doch Iud genkrank 
find und es nur verleugnen. In solchen Orten 
fehlen naturgemäß alle Maßnahmen, welche für 
Lungenkranke von der Hygiene gefordert werden 
and darum schädigt der Besuch solcher Orte 


j durch Lungenkranke die Ortsangehörigen und 
die übrigen Kurgäste ganz besonders. 

Wenn Lindheim S. 14 sagt, daß „es er¬ 
wiesen werden können muß, daß bei den 
nötigen Vorsichtsmaßregeln der Krankenpflege¬ 
beruf nicht gefährlicher ist als jeder andere“ 
und wenn er auch den ärztlichen Beruf nament¬ 
lich der Tuberkulose gegenüber als günstiger 
als fast alle übrigen Lebensberufe hinstellt, so 
muß dagegen eingewandt werden, daß gewissen¬ 
hafte, für das Wohl ihrer Kranken voll und 
ganz eintretende Ärzte und Pflegerinnen eben 
sehr oft im Interesse ihrer Patienten nicht alle 
die Pflichten erfüllen können, welche die Hygiene 
ihnen zum Schutze ihrer eigenen Gesundheit 
eigentlich auferlegt. Wir schlagen unser 
Leben freudig in die Schanze, wenn 
es das Wohl des Nächsten gilt; Sache 
des Staates muß es sein, Ärzten und 
Krankenpflegern beiderlei Geschlechts 
unabhängig von der Konfession bei im 
Dienste erworbenen Krankheiten und 
namentlich bei Lungenkrankheiten 
hülfreiche Hand zu reichen. 

Möge das vorliegende Buch mit dazu bei¬ 
tragen, auch nach dieser Richtung hin, noch 
vieles, vieles zu verbessern. 

Robert (Rostock). 


H. Senator und S.Kaminer, Krankheiten 
nnd Ehe. Darstellung der Beziehungen 
zwischen Gesundheitsstörungen nnd Ehe¬ 
gemeinschaft. III. Abteilung. München 1904. 
J. F. Lehmanns Verlag. 

Es liegt nun die III. Abteilung des groß an¬ 
gelegten Werkes über Krankheiten und Ehe 
vor. Diese Abteilung ist wohl die bedeutendste 
des Werkes. Es werden in ihr Fragen auf¬ 
gerollt und von den berufensten Gelehrten be¬ 
antwortet, welche für das praktische Leben 
eines Volkes von der größten Wichtigkeit 
sind. Eine kurze Übersicht des Inhaltes und 
der einzelnen Autoren läßt dies bereits er¬ 
kennen. 

Ledermann: Hautkrankheiten und Ehe; 
Syphilis und Ehe; Ne iss er (Breslau): Tripper¬ 
erkrankungen und Ehe; L. P o s n e r: Erkrankung 
der tieferen Harnwege, physische Impotenz und 
Ehe; Blumenreich: Frauenkrankheiten, 
Empfängnisunfäbigkeit und Ehe; Eulenburg: 
Nervenkrankheiten und Ehe; Mendel: Geistes¬ 
krankheiten und Ehe; Moll: Perverse Sexual- 


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120 


Referat© über Bücher und Aufsätze. 


empfindung, psychische Impotenz und Ehe; 
A. Leppmann und F. Leppmann: Alkoholis¬ 
mus, Morphinismus und Ehe; Gewerbliche 
Schädlichkeiten und Ehe; Placzek, Ärztliches 
Berufsgeheimnis und Ehe; Eberstadt: Sozial¬ 
politische Bedeutung der sanitären Verhältnisse 
in der Ehe. 

Man erkennt schon aus dieser kurzen Titel¬ 
angabe, ein wie umfassendes Material in dem 
Buche verarbeitet worden ist. Es kann an 
dieser Stelle nicht alles so ausführlich, als es 
dem Referenten lieb wäre, besprochen werden, 
und es kann deshalb nicht eindringlich genug 
auf ein genaues Studium dieses Bandes sowie 
des gesamten Werkes hingewiesen werden. 

Mit gewohnter Gründlichkeit bespricht 
Ledermann das Kapitel Syphilis und Ehe. 
Man wird die Ehe gestatten dürfen, wenn 
mindestens fünf Jahre seit der Infektion ver¬ 
gangen, in den letzten zwei Jahren keine Er¬ 
scheinungen mehr aufgetreten sind und die 
Kranken energische und gründliche Hg-Kuren 
durchgemacht haben. Dem Eheschließungs- 
termin soll noch eine letzte Hg-Kur, „die so¬ 
genannte Sicherheitskur* 1 , unmittelbar vorher¬ 
gehen. 

An der Hand der größten Erfahrung hat 
Neisser das folgende Kapitel behandelt. „Es 
gibt unter den als chronisch bezeichneten 
Tripperfällen sowohl infektiöse als nicht infek¬ 
tiöse. Entscheidend ist die mit aller Routine 
ausgeführte Untersuchung auf Gonokokken.“ 
Neisser spricht der mikroskopischen Methode 
gegenüber dem Kulturverfahren die größere 
Bedeutung zu. Jedenfalls aber geht aus seinen 
Ausführungen hervor, — und man muß dies 
mit besonderem Nachdruck hervorheben — daß 
es Fälle gibt, welche hinsichtlich der Infek¬ 
tiosität „nur ganz besonders spezialistisch ge¬ 
übte Ärzte** zu beurteilen und zu entscheiden 
vermögen. Besonders interessant ist das Kapitel 
Prophylaxe. Neisser hält es für den „idealen 
Zustand“, daß ganz regelmäßig vor der Ver¬ 
heiratung nicht bloß die sozialen und öko¬ 
nomischen Verhältnisse zwischen den beiden 
Parteien verhandelt würden, sondern auch die 
gesundheitlichen. 

A. Eulen bürg hat das Kapitel Nerven¬ 
krankheiten und Ehe übernommen. Die glän¬ 
zende Diktion, verbunden mit einer völligen 
Beherrschung der Weltliteratur, machen diesen 
Abschnitt vielleicht zu dem geistvollsten, der 
seit langer Zeit über dies Thema geschrieben 
worden ist. Nach einer allgemeinen Übersicht, 


in der auch die moderne Literatur vom Stand¬ 
punkte des Nervenarztes betrachtet wird, be¬ 
spricht Eulenburg die Wirkungen von Hysterie, 
Neurasthenie, Epilepsie, Tabes auf die Ehe. 

Diesem Kapitel reiht sich in würdiger Weise 
an: Geisteskrankheiten und Ehe von Mendel. 
Mit besonderer Liebe diskutiert der Verfasser 
Fragen, die den praktischen Arzt besonders 
fesseln müssen, die Frage der Vererbung von 
Geisteskrankheiten sowie Fragen juristisch- 
medizinischer Natur, die sich hier in einem so 
kurzen Referat nicht wiedergeben lassen. 

In einer sehr interessanten und wichtigen 
Studie haben dann A. und F. Leppmann 
die Beziehungen zwischen Alkoholismus, Mor¬ 
phinismus und Ehe geschildert Die Be¬ 
einflussung des Ehelebens durch den Alkoholis¬ 
mus kann von vier Gesichtspunkten aus be¬ 
trachtet werden: 1. Der körperlichen und 2. 
der geistigen Gemeinschaft; 3. der gegen¬ 
seitigen materiellen Fürsorge; 4. der Er¬ 
zeugung und Erziehung einer tüchtigen 
Nachkommenschaft. Für den Staat ist dieser 
Punkt der wichtigste. Es läßt sich nun durch 
Tierexperimente, sowie durch die Statistik 
nachweisen, daß ein äußerst hoher Prozent¬ 
satz der Nachkommenschaft von Trinkern 
körperlich und geistig sich als minderwertig 
erweist. Deswegen hat der Arzt die Aufgabe, 
die der Verfasser als obersten Grundsatz 
formuliert, ,Jede Ehe mit einem Alkoholisten 
oder Alkoholistin zu verhindern zu suchen.** 

Ausführlich besprechen dann dieselben Ver¬ 
fasser das Kapitel, Gewerbliche Schädlichkeiten 
und Ehe, ein Kapitel, dem in letzter Zeit auch 
von anderer Seite — wir nennen nur L. Lewin 
— besondere Beachtung geschenkt wird. 

Im letzten Kapitel bespricht Eberstadt 
das „Postulat der Ehe**. Darin redet er der 
Einführung des Ehegesundheitsscheines das 
Wort, der von weittragender Bedeutung werden 
würde, besonders für die Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten. 

Nur in ganz kurzen und allgemein ge¬ 
haltenen Zügen konnte dieses Werk hier 
besprochen werden. Gleich wichtig für den 
Arzt wie für den Juristen und Sozialpolitiker, 
kann es nicht warm genug empfohlen werden. 
Sein überaus reicher Inhalt, der die wichtigsten 
Fragen der Eheschließung in der verschieden¬ 
artigsten Beleuchtung zeigt, wird dem Buche 
überall bewundernde Freunde erwerben. Möge 
sein Inhalt reiche Früchte tragen! 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


Berlin, Druck von W. BOxenstein. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 


von 

Pr-’f. t. BAUES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CURSCHMANX (Leipzig), Geb.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EIMIORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRÄNKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
'Berfau Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
(Leipzig Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
0. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
G*-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
HARTIUS Rostock), Prof. v. MERENG (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
Greifswald». Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straßburg), Prof. v. NOORDEN 
Frankfurt a. M.), Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
Prag). Geh.-Rat. Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENYERS (Berlin), Prof. ROSENSTEIN 
Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt SCHAPER (Berlin), Prof, 
SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof, 
r STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien). 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 


von 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Drittes Heft. 


1. JUNI 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Preis des Jahrganges M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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QriginaJJrom 

UNIVERS1TY OF MICHIGAN 



INHALT 


I. Original-Arbeiten. Seite 

I. Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. Aus dem Zentral¬ 
institut für physikalische Therapie in Rom. (Direktor Prof. Dr. Karl Colombo.) 
Experimentelle Untersuchungen von Prof. Dr. Karl Colombo in Rom .... 125 
n. Über Anwendung von Hitze bei Lungenerkrankungen. Von Oberstabsarzt Dr. Heer¬ 
mann in Posen.137 

III. Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologie. Von H. Zikel 

in Berlin. 139 

IV Ein neuer Heidluftapparat. Beitrag zur Technik des Verfahrens. Von Dr. Carl Mirtl, 

Kuranstalt Meerscheinschloß, Graz. (Mit 4 Abbildungen.).152 

II. Berichte über Kongresse und Vereine. 

her XXII. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden vom 12.—15. April 1905. Bericht¬ 
erstatter: Dr. W. Alexander (Berlin).157 

III. Referate über Bücher und Aufsatze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Urand, Die Entstehung der Zuckerkrankheit und ihre Beziehungen zu den Veränderungen 

der Blutgefäßdrtisen.168 

E uenheim, Zur diätetischen Behandlung chronischer diffuser Darmkatarrhe.168 

Rangchburg, Die Ernährung der Neurastheniker.169 

Marx. Erfahrungen mit „Bioson“, einem Eiweiß-Eisen-Lezithin-Nährpräparat.170 

Edlefsen, über den Wert des Pepsins in der Behandlung der Verdauungsstörungen im 

Säuglingsalter.170 

Yonng, Diabetic coma treated by transfusion.171 

Hallarier, Über den Einfluß der Konzentration des Harns auf den Ausfall der Eiwei߬ 
reaktionen .171 

B. Hydro-, Balneo- und Klimatotherapie. 

>trasser, Albuminurie und physikalische Therapie.172 

Roge. Wirkung des trockenen Kohlen9äuregasbades auf die Zirkulation.173 

•Jacobsohn, Über Heißluftbäder bei Nervenkrankheiten.173 

Besold, Über Klima und Lungentuberkulose.173 

Burker, Die Wirkungen des Höhenklimas auf das Blut.174 

Knopf und Laughlin, The open-air treatment at home for tuberculous patients, with a 

description of a window tent and half tent .174 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehaudlung. 

Brauer und Petersen, Über eine wesentliche Vereinfachung der künstlichen Atmung 

nach Sauerbruch.174 

ßreuillard. Etüde physiologique et mädicale sur la marche et sur un moyen de la faciliter 175 

9 * 


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Original from 

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124 Inhalt. 

Seite 


Grandi, II massaggio addominale come diuretico .17;> 

Frey, Massage unter der Heißluftdusche.175 

Momburg, Über Stauungshyperämie bei der Behandlung der Fußgeschwulst.175 

To bl er, Die therapeutische Bedeutung der Lumbalpunktion im Kindesalter.175 

B6rard et Leriche, De la conduite 4 tenir dans les cas de corps ätranger de l’oesophage 

chez Tenfant. 170 

Ehrlich, Entfernung eines Knochensplitters aus der Speiseröhre durch „untere Ösophago¬ 
skopie“ .110 


D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie. 

Piccinino, L’alta frequenza nella cura dclle formazioni verrucose.177 

Arienzo, La d’Arsonvalizzazione nelle malattie della pelle.177 

Blasi, Le fratture trattate con l’elettricitä.177 

Pasini, Primi resultati ottenuti con la fototcrapia mediante l’arco in ferro in alcuni casi 

di lupus.177 

Busck, Lichtbiologie.177 

Goldmann, Vorläufige Mitteilungen über die Impfung unter rotem Licht.178 

Ricketts und Byles, The Red Light Treatment of Small-pox.178 

Seldin, Über die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen auf innere Organe und den 

Gesamtorganismus der Tiere.178 

Lassar, Zur Radiotherapie (Demonstrationen von Patienten und Projektionen) .... 178 

E. Serum- nnd Organotherapie- 

Beiträge zur Schutzimpfung gegen Typhus.179 

Go bi et, Ein schwerer Fall von traumatischem Tetanus, geheilt durch Duralinfusion von 

Behringschem Tetanusserum.180 

Mendelsohn, Erfahrungen über die Behandlung des Scharlachs mit Antistreptokokken- 

Serum.180 

Heermann, Über einen schmerzlosen Injektionsmodus des Alttuberkulins.180 

Rogers, On the physiological action and antidotes of snake venoms with a praetieal 

method of treatment of snake bites.180 

Christians, La gu6rison du myxoed£me par la greffe thyroidiennc.181 


F. Verschiedenes. 

Ebstein, Die Gicht des Chemikers Jakob Berzelius und andrer hervorragender Männer 18t 


Wichmann, Die Neurasthenie und ihre Behandlung.181 

Irsai, Mit Thiosinamin behandelte Fälle von Ösophagusstriktur ..182 

Kircz, Ein Fall von Strictura Ösophagi mit Thiosinamin behandelt.182 

Gourichon, L’hygiene de Tenfant 4 T6cole.182 

Rochard, De Tanestßsie generale par la Bcopolamine.183 

Rivi&re, Behandlung der Fibrome und Verhütung der Neoplasmen durch Physikotherapie 183 
Eulenburg, Über Nerven- und Geisteskrankheiten nach elektrischen Unfällen .... 183 

TagesgeBchichtliche Notizen.184 

Eingegangene Schriften.184 


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Original - Arbeiten, 


i. 

Ober die biologische Wirkung der wechselnden 
magnetischen Felder. 

Aus dem Zentral-Institut für physikalische Therapie in Rom. 

(Direktor Prof. Dr. Karl Colombo.) 

Experimentelle Untersuchungen 1 ) 
von 

Prof. Dr. Karl Colombo 

in Rom. 

Das Studium über die magnetische Wirkung ist nicht nur in letzter Zeit 
gediehen, sondern Naturforscher, Physiologen und Ärzte haben zu allen Zeiten, 
angezogen von dem so sehr interessanten Argument, Beobachtungen und Nach¬ 
forschungen angestellt. 

Alte Forscher, wie Theodor Priscianus (4. Jahrhundert) benutzten den 
Magnet gegen Kopfschmerz; Marullus, ein Empiriker, folgte diesem Beispiel. 
Im 7. Jahrhundert wurde der Magnet als Heilmittel angewandt, wie Egineta 
bezeugt. Im Jahr 1200 vergaß Albertus Magnus, sehr eingenommen von den 
Eiperimenten, ;nicht den Magnet in verschiedenen seiner Werke als ein Mittel 
anzuführen, welches sowohl den kranken, als auch den gesunden Organismus 
modifiziert. 

Aber der eifrigste Verbreiter des magnetischen Stromes war Paracelsus 
11493—1541). Der Magnet zählt zu jenen therapeutischen Hilfsmitteln, an die 
er mehr Glauben hatte und die er nicht nur sehr oft anwandte, sondern auch in 
den Vordergrund zu stellen trachtete. Er benutzte ihn nicht auf empirische Art, 
sondern mit gewissen wissenschaftlichen Gesetzen, und zwar nur gegen bestimmte 
Krankheiten, welche fast dieselben sind, bei denen man auch heute zu diesem 
therapeutischen Mittel greift, und zwar: Hysterie (das er Mutterweh nennt), 
Epilepsie, krankhafte Zustände und Blutfluß. 

Für den wirklichen Gründer der magnetischen Wissenschaft wird mit Recht 
Gilbert (1600) gehalten. In einem seiner Bücher „De Magnete“ weiht der 

*; In diesen Untersuchungen sind wir kräftig unterstützt worden von Herrn Dr. 0. Guzzoni 
degli Ancarani, unserm ehern. Assistenten. Er hat uns beigestanden beim Durchlesen eines Teiles 
der Literatur, beim Züchten der Seidenwürmer und der andern Untersuchungstiere; er hat sich 
damit beschäftigt, die Untersuchungstiere der Wirkung des Radiators zu unterstellen, und die 
Resultate zu notieren, indem er unsern Anweisungen sehr gewissenhaft nachkam. Wir sind 
ihm mithin unsern Dank schuldig für seinen wertvollen Beistand. 


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126 


Karl Colombo 


berühmte englische Physiologe ein Kapitel seinem therapeutischen Wert und 
beweist darin den Einfluß des Magneten auf den menschlichen Körper. 

Das Werk von Kircher über den Magnetismus, das in mehreren Auflagen 
erschienen ist (1660—1680), beweist, in welchen Ehren dieses Studium zu jener Zeit 
gestanden hat. Erst im Jahre 1750, nachdem man entdeckt hatte, daß man die 
magnetische Kraft leicht dem Eisen und dem Stahl mitteilen kann, und so deren 
Anwendung viel allgemeiner und leichter ist, verbreitete sich vielmehr der Gebrauch 
des Magneten in der Therapie. 

Rohn, welcher in jener Zeit lebte, erinnert in einem seiner Bücher über 
den Magneten, daß Kliniker und Physiker von bekannter Geschicklichkeit und 
Redlichkeit für die magnetische Therapie eintraten. 

Meßmer (1780) brachte ihrem steten Wachstum vielleicht einigen Schaden, 
als er sich als Urheber eines neuen Systems erklärte und im tierischen Körper 
eine verborgene Kraftquelle hervorzurufen suchte. 

Die denkwürdigste Zeit der Geschichte des medizinischen Magnetismus gehört 
dem Ende des 18. "Jahrhunderts an. Die Wirkung desselben wurde ernstlich 
studiert von Andry und Thouret auf Anlaß der medizinischen Akademie von Paris. 
Die beiden kamen zu dem Schluß, daß eine wirkliche Beeinflussung des Nerven¬ 
systems durch den Magneten bestehe. Sie unterschieden die Fälle, in welchen 
der Magnet eine wohltuende Wirkung hatte von denen, in welchen er aufregte; 
sie notierten auch die Symptome, welche unter seinem Einfluß an Intensität 
Zunahmen, wie: Fieber, Migräne, Ohnmächten, Schwindel, Blutandrang, Kribbeln, 
Stechen usw. 

In Italien geschah indessen sehr wenig. Nur auf die Beobachtung von 
Morgagni muß hingewiesen werden, welcher sich des Magneten bediente, um 
einen Eisensplitter aus dem Auge zu ziehen. Der Patient hatte das Gefühl, als 
ob der Augapfel vom Magnet angezogen wurde. 

Die Experimente und Studien über den Magnetismus hörten dann in Frankreich 
und Italien auf; nur in Neapel wurde von einem gewissen Poli (1815) ein Buch 
herausgegeben, in welchem er einige geheilte Fälle zur Öffentlichkeit brachte. 
Hauptsächlich handelte es sich um Neuralgien und Rheumatismus. Da er aber 
Physiker war, konnte er nicht mit viel Befugnis und Kredit über etwas urteilen, 
das den Ärzten zugehörte. 

Reil von Göttingen (1825) studierte und praktizierte eifrig die magnetische 
Medizin, während Becker in das physiologische Gebiet eintrat und anfing, die 
Funktionsstörungen zu studieren, welche durch diese neue Kraft hervorgerufen 
wurden, und so den Weg bahnte, dessen Mechanismus zu untersuchen. 

Auch Bur dach, obwohl er seine Ungewißheit bekennt, gab zu, daß der 
Magnet einen gewissen Einfluß auf den menschlichen Körper ausübe. 

Reichenbach machte im Jahre 1845 zahlreiche Untersuchungen an Personen 
beiderlei Geschlechts verschiedenen Alters, von verschiedenen Temperamenten und 
Lebensweisen, an Gesunden und Kranken. Er fand, daß unter 20 Personen immer 
wenigstens drei oder vier sind, die die Wirkung des Magneten stark empfinden. 

Der hohe und forschende Geist von Charcot konnte den Einfluß des 
Magneten auf den menschlichen Körper nicht unbeobachtet Vorbeigehen lassen. 
Unzählig waren die Beobachtungen, die Untersuchungen und die Studien, die der 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


127 


berühmte französische Gelehrte über dieses Argument angestellt hat. Im Jahre 
1878 konnte er mit Regnard mit seinem prachtvollen Experiment die Wirkung 
des Magneten auf hysterische Personen beweisen. 

Den Experimenten der Salpetriöre folgten die der psychiatrischen Klinik von 
Reggio Emilia, wo Seppilli and Maragliano die Resultate von Charcot, 
Regnard und Vigouroux bezeugten. Schiff und Benedikt beglaubigten dann 
die glücklichen Resultate der beiden Beobachter. Benedikt brachte die Beob¬ 
achtungen von Charcot in Wien zur Kenntnis. 

Carlo Maggiorani war in Italien der überzeugteste und eifrigste Anhänger 
des therapeutischen Wertes des Magnetismus. Im Jahre 1869 gab er ein Buch 
heraus über die Wirkung bei Nervösen, und im Jahre 1878 publizierte er eine 
kurze Schrift, man könnte sagen als Vorwort über das Argument, welches über 
den Einfluß des Magnetismus auf die Embryogenesis handelte. Er legte die Re¬ 
sultate dar, welche er mit Hühnereiern erhalten hatte, die während der Brutzeit 
befruchtet wurden. Er wollte in dieser seiner gelehrten Abhandlung beweisen, 
daß der organische Prozeß in den Eiern, welche von dem Magnetismus beeinflußt 
waren, langsamer vor sich ging als in jenen, welche frei von jedem Einfluß waren. 
Später erklärte er* (1882) in der Akademie der Lincei, daß die Hühner, welche 
von Eiern stammen, die unter magnetischem Einfluß gestanden haben, atrophische 
Eierstöcke hätten und unfruchtbar wären. Die Hähne hingegen hatten die 
Charaktere ihres Geschlechts sehr stark entwickelt, ebenso die Fähigkeit zu be¬ 
fruchten. Antonio Maggiorani setzte die Studien fort und kam zu dem Schluß, 
'laß der Magnet Einfluß auf die schon reife Frucht habe, und man das Geschlecht 
modifizieren könne, vorausgesetzt, daß selbiges nicht schon im Ei bestimmt sei. 

Carlo Maggiorani stellte auch Beobachtungen über den Einfluß des 
Magneten auf das kleine Gehirn an, indem er die Wirkung des Magneten auf 
die nervösen Mittelpunkte hervorhob. 

Er unterschied eine schwindlige Form, welche sich durch Taumel, Ver¬ 
minderung der Sehkraft und manchmal durch Unwohlsein und Erbrechen kenn¬ 
zeichnete ; ferner eine erschlaffende Form, in welcher aller Schwindel fehlte und die 
ganze Person derart schlaff war, daß sie für einige Augenblicke keine Bewegung 
machen konnte. Maggiorani, auf welchen die große Ähnlichkeit mit den Symp¬ 
tomen der Gehirn-Verletzungen großen Eindruck gemacht hatte, nahm an, daß 
die magnetischen Linien sich nach einem speziellen Mittelpunkt des kleinen 
Gehirns richteten. 

Positivere Resultate erhielten Magini und Antonie Maggiorani (1886), 
indem sie Experimente über den Magnetismus des Blutes machten, welche je nach 
den paramagnetischen oder diamagnetischen Substanzen, welche hineingemischt 
wurden, wechselten. Auch Cesare Lombroso machte Studien über die Wirkung 
des Magneten, zuerst allein, dann unter Mitwirkung von Ottolenghi; seine 
Experimente wurden aber an Individuen gemacht, welche sehr leicht hypnotisierbar 
waren, sowohl während des hypnotischen Schlafes, als auch im wachen Zustande. 

Bianchi stellte ebenfalls den Einfluß fest, den der Magnet auf leicht, 
empfängliche Personen ausübte, was von Lombroso „psychische Polarisation“ 
genannt wurde; er bemerkt aber, daß dieser Einfluß nicht nur vom Magnet her- 
rnhre, sondern auch von andern Körpern, die Gefühlsempfindungen hervorrufen. 


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128 Karl Colombo 


Die Studien, die Fer6 machte, könnten einen positiveren Wert haben, wenn 
sie nicht an hysterischen Individuen gemacht worden wären. 

Einige hatten schon konstatiert, daß der Magnet nicht nur auf die Sensi¬ 
bilität, sondern auch auf die Bewegungsfähigkeit und auf die Muskelkraft Wirkung 
hat. Die Experimente von Fere wurden teilweise an müden, teilweise an aus¬ 
geruhten Personen gemacht. Er bediente sich hierbei des Ergograph von Mosso. 
Sein Schluß war folgender: Wenn der Magnet bei ausgeruhten Personen angewandt 
wurde, und zwar auf den arbeitenden Arm, so hat man eine Verminderung der 
Arbeit selbst im Vergleich mit den Ergogrammen, welche man von der gleichen 
Person, aber ohne Anwendung des Magnets erhalten hat. Wird aber der Magnet 
am entgegengesetzten Arm angewandt, d. h. an dem nicht arbeitenden, so vermehrt 
sich sofort die Arbeit im Gegensatz zu den Ergogrammen, die man im normalen 
Zustand erhalten hat. Diese Wirkung erklärt der Autor mit dem Transfert, da 
die Arbeitsleistung von einer Seite auf die andre übergeht. 

Lord Lindsay und C. Warley ließen einen sehr starken elektrischen 
Magnet bauen, so groß, um den Kopf zwischen den zwei Armen halten zu können. 
Bei diesen Experimenten konnten sie keine Wirkung beobachten. 

Trotzdem ist Lord Kelvin, welcher die Beobachtung wiedergibt, überzeugt, 
daß ein lebender Körper, welcher zwischen einem magnetischen Feld steht, eine 
fühlbare Wirkung haben müsse. 

H. du Bois, welcher Experimente an verschiedenen Protozoen anstellte, 
konnte keine wesentliche Wirkung auf die Bewegungen derselben wahrnehmen. 

Vervoorn hat das gleiche konstatiert und ist zur Gewißheit gelangt, 
daß der Magnetismus eine Form von Energie ist, die keine Wirkung 
auf die lebendige Materie hinterläßt. 

Das Subjekt ist gewiß sehr interessant, denn auch Cheneveau und Bolin 
haben kürzlich die Wirkung des magnetischen Feldes auf Infusorien studiert, und 
zwar mit einem stationären und ununterbrochenen Feld. Diese Beobachter haben 
jedoch wichtige Veränderungen in dem Lebenszustand dieser Tiere erhalten, indem 
sie ein sehr starkes Feld für lange Zeit anwandten. 

Braham und Graf suchten mit dem magnetischen Feld auf photographische 
Platten zu wirken, aber die Resultate waren sehr widersprechend. 

Gutton, Assistent von Blondlot, studierte die Wirkung eines magnetisch n 
Feldes auf fluoreszierende Substanzen und fand, daß sich die magnetischen Wellen 
gegen diese Substanzen so verhalten wie die |N-Strahlen, d. h. daß sie deren 
Helle vermehren. 

Die ältesten der oben angeführten Beobachtungen und Untersuchungen beziehen 
sich auf die Wirkung des natürlichen Magnets oder des klassischen Kalamiten, 
wie ein Hufeisen gebogen, von verschiedenen Größen und daher von verschiedener 
Stärke. Die neueren Beobachter bedienten sich nach der Erfindung von Volta des 
großen Solenoids, indem sie elektrische Kalamiten von oft sehr beschränkter Inten¬ 
sität durch andre von sehr großer ersetzten, aber von immer gleicher Polarität. 

Größer wurde das Interesse der Arzte für die magnetischen Phänomen, als 
Konrad Müller seine Studien über die starken elektrischen Magneten mit ver¬ 
änderlichem Feld veröffentlichte, die, von ihm erdacht, fähig sind, sehr starke 
Ausströmungs-Linien mittels starker Wechselströme hervorzubringen. 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 129 

Die Therapie bemächtigte sich ihrer sofort, und die wunderbaren Resultate 
wurden überall verbreitet. Aber der erste Enthusiasmus von Müller und seinen 
Nachfolgern ließ bald nach, da einige Zweifler die widersprechenden Erfahrungen 
von alten und neuen Physiologen anriefen, und Herrmann sehr strenge Be¬ 
obachtungen anstellte. Dieser zog den Schluß, daß die magnetischen Felder 
keinerlei Wirkung auf den lebenden Organismus hätten, sei er von einem Tier 
oder einem Menschen. 

Um die zweifelhaften oder verneinenden Resultate zu erklären, wendeten 
Möller und seine Nachfolger ein, daß die empirischen Experimente und Be¬ 
obachtungen, die über dieses Argument gemacht wurden, auf der Wirkung des 
konstanten, magnetischen Feldes beruhen und wesentlich verschieden seien von 
den mit dem Apparat von Müller, den wir später beschreiben werden, hervor¬ 
gebrachten Experimenten. 

Das wichtigste Phänomen, auf das Müller basiert, um glauben zu können, 
daü ein magnetisches Feld eine tiefe Wirkung auf den lebenden Organismus habe, 
Ist ein optisches Phänomen, das in einem Aufleuchten im sichtbaren Felde besteht. 
Dieses Aufleuchten sieht man um so deutlicher, je mehr der Ort, in dem das 
Experiment stattfindet, beleuchtet ist. In der Finsternis oder bei geschlossenen 
Augen nimmt man es nicht wahr. Wenn die Person, die experimentiert, einen 
farbigen Gegenstand fixiert, rot, gelb oder blau, verliert die Erscheinung an 
Intensität 

Einige werden einwenden, daß dieses Phänomen von elektrischen, auf die 
Maske ln und Nerven des Auges geleiteten Strömen herrührt. Müller antwortet 
darauf mit einer Reihe von Experimenten, und man muß anerkennen, daß diese 
vollauf die These beweisen, daß das Phänomen nur vom magnetischen Felde 
htrrühre. 

Verschieden sind die Annahmen, die Müller als Erklärung anführt. Er 
glaubt, daß das Aufleuchten, eine Veränderung der chemischen Beschaffenheit des 
Blutes in den bestrahlten Teilen zum Grunde hat, oder daß dieser in der Wirkung 
bestehe, die das magnetische Feld auf chemische Phänomene, welche immer im 
Äuge stattfinden, ausübt. Um diesen Annahmen Wert zu verleihen, wurden ver¬ 
standene Experimente gemacht, von denen folgendes von Bedeutung ist: Man 
unterstellte mit Blut gefüllte Gläschen dem magnetischen Feld und fand in diesen 
fine größere Schicht von Serum als in jenen, welche nicht beeinflußt worden sind. 

Auch Kunitzky stellte Versuche über die Wirkung des magnetischen 
Feldes an und machte seine Mitteilungen hierüber auf dem letzten Internationalen 
Kongreß in Bern. Aus diesen geht hervor, daß das Oxyhämoglobin, das im 
lebenden Körper enthalten ist, nach einer Bestrahlung von nur 20 Minuten stark 
vermehrt wird. 

Beer erklärt das Phänomen des Aufleuchtens in folgender Weise: Er nimmt 
an. daß die Wellen des magnetischen Feldes auf andre magnetische Körper stoßen, 
die im Ausruhen begriffen sind; die ersten setzen durch Vibration die dia- 
magnetischen oder paramagnetischen Körper in Bewegung und daher auch die 
einzelnen Teile des Auges und des Blutgehaltes. 

Frankenhäuser gibt diesen Phänomenen große Bedeutung und fuhrt als Grund, 
der ohne Zweifel magnetisch ist, den fortwährenden Wechsel der Polarität an. 


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130 K«orl Colombo 

Rodari hingegen denkt folgendermaßen: Die Eigenschaften der bipolaren 
magnetischen Felder lassen mit großer Wahrscheinlichkeit den Schluß ziehen, daß 
die Modalität und die Art des therapeutischen Wertes in der diamagnetischen 
Reaktion der kleinsten Teile des Organismus, wie der Nervenzellen, im Gegensatz 
zu den genannten Kräften in folgendem bestehen: Das magnetische, bipolare, 
wellenförmige Feld überträgt auf die kleinsten Teile der Nervenzellen 
und der andern Gewebe, die diamagnetische Reaktion haben, eine sehr 
leichte Bewegung und übt so eine Art Massage aus, nicht auf die 
magnetisch-chemischen Folgen achtend. 

Bis hierher haben wir nur objektive Phänomen, die einer wissenschaftlichen 
Kontrolle unterworfen sind. In der Therapie sind die Beobachtungen viel zahl¬ 
reicher und nicht kontrollierbar. 

Der elektro-magnetische Apparat von Müller, wie schon oben gesagt, hat 
vom Jahre 1900 an schon vielen Instituten den Ursprung gegeben, in denen er 
appliziert wird für vielerlei Krankheiten in Deutschland, in Österreich, in der 
Schweiz. 

Frankenhäuser, Eulenburg, Kreft, Lindemann, Lilienfeld von 
Berlin, Beer von Wien, Rodari von Zürich und Andere publizierten ver¬ 
schiedene Statistiken über Heilungen. 

Alle diese Autoren bestehen auf dem beruhigenden Effekt des elektro-magne- 
tischen Feldes. Schmerzen jeder Natur, akute und chronische, Neuralgien, Rheuma¬ 
tismus ließen nach kurzer Kur nach, nicht ausgeschlossen die stechenden 
Schmerzen der Tabes dorsalis, was beweist, daß es sich nicht um Suggestion 
handelt. Mit großem Erfolg wurden behandelt: viele Nervenkrankheiten, 
Neurasthenie, Hysterie, Melancholie, Aufregung, Schlaflosigkeit. Alle diese 
Krankheiten finden im magnetischen Strom das richtige Mittel, die Anregung oder 
die Beruhigung (Lindemann). Obwohl einige dieser Autoren wirklich die Resultate 
von methodischen Beobachtungen veröffentlicht haben, kann man trotzdem noch 
im Zweifel sein wegen der vielen Widersprüche. 

Die große Anzahl von empirischen Beobachtungen, die mit seltener Über¬ 
einstimmung die wunderbare Wirkung der neuen elektro-magnetischen Therapie 
darstellen, lassen denken, daß diejenigen Beobachter, die verneinende Resultate 
über die biologische Wirkung des Magneten erzielt haben, über kein magnetisches 
Feld von so großer Kraft, wie das von Müller erdachte, verfügen konnten. 

Man kann mit Recht behaupten, daß, obwohl es unbestreitbar ist, daß man 
keine Wirkung auf den lebenden Organismus mit den bis jetzt angewandten 
magnetischen Feldern beobachten konnte, man nicht ausschließen darf, daß man 
mit dem Instrument von Müller, das in Kraft den andern weit über ist und fast 
eine andre Kraft ausmacht, einige Wirkung haben kann. 

Mit dieser Überzeugung haben wir unsre Beobachtungen angestellt. Der 
Apparat, welcher zur Erzeugung des wellenförmigen magnetischen Feldes dient 
und von dem wir sprechen, wurde von der Firma Hirschmann in Berlin, unter der 
Leitung von H. Konrad Müller verfertigt. 

Er besteht in einer Schalttafel, welche den Rheostat, den Ampöremeter 
und die Hähne trägt, welche zur Regulierung des Wassers dienen, das bestimmt 
ist, den Magnet kühlzuhalten. Dieser befindet sich in einer trommelförmigen 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 131 

Schachtel, welche an beiden Seiten durch Marmortafeln geschlossen ist; eine runde 
Cfifnung, bedeckt von einer Metallplatte, läßt ein Ende des weichen Eisens, das 
als Pol funktioniert, frei. 

Der Elektromagnet besteht in einer Spule mit ungefähr 200 Umwindungen 
Draht; in diesem Solenoid, und zwar auf seiner Achse befindet sich ein para¬ 
magnetischer Kern aus weichem Eisen. Im Innern dieser Trommel befindet sich 
ein Kühlrohr, durch das dauernd kaltes Wasser fließt, um den Apparat stetig zu 
kühlen, denn bei Anwendung von unterbrochenem Strom von großer Intensität 
würde sich der Apparat zu sehr erhitzen. Durch den Solenoid geht ein Strom 
von 35—40 Ampere und entwickelt einen unterbrochenen Strom von sehr großer 
Intensität, dessen Kraftlinien sich in der Achse oder dem Kern des Solenoids 
konzentrieren. 

Der Strom, den wir anwenden, hat eine Spannung von 102 Volt und eine 
Frequenz von 43 Perioden in der Sekunde. Die Unterbrechungen des magnetischen 
Feldes belaufen sich also auf 86 in der Sekunde, d. h. die Pole des Kalamiten 
wechseln 86 mal in der Sekunde, indem jeder Pol 43 mal positiv und 43 mal 
negativ wird. 

Die Kraftlinien, welche von diesem Apparat ausströmen, bilden ein magne¬ 
tisches Feld, dessen Wirkung man auf 35—40 cm Entfernung von den Polenden 
fühlen kann; sie können daher jeden menschlichen Körper passieren. 

Dieser Apparat ist durch Metallschnur gehalten; mittelst Rollen und Gegen¬ 
gewichten sowie einer seiner Pole kann er nach allen Richtungen gedreht werden. 

Ein so starker Elektrokalamit besitzt in hohem Maße alle Vorteile der 
Magneten. Er zieht große Eisenstangen und solche aus Nickel an, stößt aber 
Alnmininm zurück. Bringt man Eisenstaub nahe einem der Pole, so setzt sich 
dieser wie Ausstrahlungen an und zeigt so die Richtung der Kraftlinien, welche 
aasströmen. 

Unsre Beobachtungen über die Wirkungen des magnetischen Feldes wurden 
in zwei Teile eingeteilt: 

1. Eigene physische Eigenschaften. 

2. Biologische Wirkung. 

A. 

Physische Eigenschaften. 

Der Zweck unserer Studien liegt nicht darin, alle physischen Eigenschaften 
anfzählen zu wollen, welche allen bekannt sind. Wir wollten nur die Beob¬ 
achtungen von Braham und Gutton kontrollieren. Der eine behauptet, auf 
photographische Platten einwirken zu können, der andere, auf phosphoreszierende 
Schirme mit Kalziumsulphide. 

Photographische Platten. 

Braham bediente sich photographischer Platten, um einen Eindruck der 
Kraftlinien, die aus dem Elektrokalamiten hervorgehen, zu erhalten. Er glaubte, 
während er die Platten entwickelte, daß der Einfluß eines starken Elektromagneten 
von unterbrochenem Strom die Platten genau in dem Punkt verdunkele, der mit 
der direkten Linie des magnetischen Stromes in Berührung kam. 


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Karl Colombo 


132 


Andere Autoren, und unter diesen Graf, verneinen daß die Stromlinien, die von 
einem Elektrokalamiten ausströmen, photographische Platten beeinflussen können. 

Da wir den Zweifel hegten, daß diese Beobachter bei ihren Experimenten 
über einen Elektrokalamiten von genügender Kraft verfugten, so wiederholten wir 
das Experiment von Braham mit dem Apparat von Müller. 

In einem vollständig finsteren Zimmer, und zwar nachts, um versichert zu 
sein, daß die Platten absolut keine Helle empfangen können, legten wir auf einen 
Tisch eine photographische Platte 12X9, sehr empfindlich, und zwar mit der 
Gelatine nach oben gerichtet. Auf die Gelatine legten wir verschiedene Gegen¬ 
stände, wie Silbermünzen, Aluminiumringe, Eisenspäne, um besser den Eindruck 
der Kraftlinien des magnetischen Feldes erkennen zu können. Das Aluminium 
wurde zurückgestoßen, das Eisen angezogen, das Silber blieb unbeweglich. Wir 
dachten, daß, wenn die photographischen Platten wirklich von dem magnetischen 
Strom beeinflußt werden können, wenigstens einer der obengenannten Gegenstände 
abgebildet sein würde, und zwar derjenige, der den magnetischen Strom mehr 
aufgehalten hatte, so wie sich ein durchsichtiger Gegenstand dem Lichte gegen¬ 
über verhält. 

Über die Platte mit den Gegenständen brachten wir die Trommel so an, 
daß die Achse des Solenoids senkrecht gegen die Platte stand und einer der Pole 
ihrem Mittelpunkt in einer Entfernung von 8 cm gegenüberstand. So waren wir 
sicher, daß die Platte im magnetischen Felde sich befinde und die Kraftlinien 
in ihrer ganzen Intensität wirken konnten. 

Wir ließen durch den Apparat einen Strom von 25—30 Ampere für dreißig 
Minuten gehen. Die Platte wurde dann in dreifaches schwarzes Papier getan 
und entwickelt. Die Entwicklung dauerte lange und war sorgfältig, aber wir 
konnten keinen Eindruck bemerken. 

Mehrere Male haben wir die Versuche wiederholt. Wir wechselten die 
Distanz zwischen Platte und Trommel, die Intensität des Stromes, die Zeit der 
Aufnahme; wir benützten alle Vorsichtsmaßregeln der photographischen Technik 
bei der Entwicklung der Platten, aber das Resultat war immer negativ. 

Schirme mit Kalziumsulphide (sulfure de calcium). 

Gntton, Assistent von Blondlot, konstatierte, daß das magnetische Feld 
auf das Auge und auf phosphoreszierende Gegenstände Wirkung hätte wie [die 
N - Strahlen. Der Autor drückt sich folgendermaßen über den Einfluß auf das 
Auge aus: „Blondlot hat beobachtet, daß man, um die N-Strahlen zu be¬ 
obachten, die Quelle derselben dem Auge nahebringen kann, statt sie auf einen 
leicht beleuchteten Körper fallen zu lassen. Man unterscheidet dann viel leichter 
die wenig beleuchteten Gegenstände. Wenn man auf die gleiche Weise ein magne¬ 
tisches Feld auf das Auge wirken läßt, und in einer dunklen Kammer Stückchen 
weißen Papiers oder Kreidestriche fixiert, wird [man dieselben viel deutlicher 
sehen, wenn man dem Auge einen Pol des Kalamiten nahebringt, von einer Blei¬ 
platte aber überdeckt, um die N-Strahlen, welche der Stahl hervorbringt, abzuhalten. 

Beleuchtete Gegenstände sieht man besser, wenn man dem Auge die Spitze 
einer magnetischen Nadel, mit Bleiplatte bedeckt, nähert, [als wenn man [den 
mittleren Teil der Nadel zum Auge fuhrt.“ 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


133 


Über die Wirkung auf phosphoreszierende Substanzen spricht sich Autor 
wie folgt aus: 

1. Das magnetische Feld vermehrt den Glanz der phosphoreszierenden Sub¬ 
stanzen, gleichviel ob das magnetische Feld von einem Eisenkalamiten oder von 
einer Spule, durch die der elektrische Strom geht, herrührt. 

Gutton sah, während er vor einer magnetischen Eisenstange, auf der phos¬ 
phoreszierender Schwefel sich befand, ein Stück Papier hielt, daß „die Helle des 
Kalziumsulphide zunahm in der Nähe der Pole und abnahm in der Mitte der Stange. 
Diese Wirkung findet auch statt, wenn man phosphoreszierende Substanzen in eine 
Röhre von Crookes einschließt und diese unter dem Magneten hin- und herführt“. 

Hält man den Schirm parallel zu der Achse des Elektromagneten, so ist 
die Helle desselben noch sehr gering in seinem mittleren Teil und nimmt zu, 
je mehr man sich den Extremitäten nähert. Im Innern der Spule, wo das mag¬ 
netische Feld gleichförmig ist, wird keine Veränderung hervorgebracht. 

Stellt man den Schirm in eine Entfernung von 1 cm von einem geraden 
Draht und leitet durch denselben auch nur einen schwachen Strom, so bekommt 
man einen sichtbaren Effekt. 

2. In dieser Weise verhalten sich nur die gleichförmigen magnetischen 
Felder. 

3. Die phosphoreszierenden Substanzen sind dem Wechsel des magnetischen 
Feldes gegenüber sehr empfindlich. 

4. In allen vorhergegangenen Experimenten wurde der Einfluß der wärme¬ 
leitenden Strahlen und der der N-Strahlen durch schwarzes Papier und Bleiplatten 
ansgeschlossen. 

Der Autor zieht daher den Schluß, daß die Wirkung auf einer gewissen 
Eigenschaft des Magneten beruhe, und nicht von den wärmeleitenden oder von 
dm N-Strahlen herrühre. 

Wir haben die Experimente von Gutton nur so weit wiederholt, als sie den 
Elektromagneten betreffen, und Draht und Stange weggelassen. 

In einem dunklen Zimmer, uns gerade gegenüber, brachten wir Papier¬ 
stückchen an und schrieben große Buchstaben mit Kreide an die Wand. Wir 
brachten dann den Apparat in eine Entfernung von 7—8 cm von unsrem Kopf, 
so daß das magnetische Feld nicht nur die Augen, sondern das ganze Gesicht 
einschloß. Bei einem Strom von 35 Ampere beobachteten wir keine Veränderung 
in der Helligkeit der Buchstaben. Wir näherten nun den Pol dem Auge bis zu 
2 cm Distanz, aber auch ohne jeden Erfolg. Schließlich näherten und entfernten 
wir schnell den Apparat vom Auge, ohne ein andres Resultat zu erreichen. 

Wir sahen nichts andres als das Aufleuchten, das dem magnetischen ver¬ 
änderlichen. sehr starken Feld eigen ist. 

Im gleichen dunklen Zimmer wiederholten wir die Experimente mit Schirm 
von Kalziumsulphide. Wir hielten vor den Apparat, durch den wir einen Strom 
von 35 Ampere leiteten, einen Schirm mit Kalziumsulphide von der Größe 
18 X 12 cm zuerst ganz nahe, dann bis auf eine Enfernung von 7—8 cm. 

Nachdem wir den Schirm 30—35 Sekunden fixiert hatten, zogen wir ihn 
schnell zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen. In andern Experimenten 
machten wir das Gegenteil, fixierten zuerst 30—35 Sekunden den Schirm und 


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134 


Karl Colombo 


unterstellten ihn sofort dem magnetischen Feld. Wir konnten aber nie irgend 
welche Helle in dem Schirm beobachten. 

Das gleiche Resultat erhielten wir, wenn wir den Schirm an der Außenseite 
der Trommel hin- und herführten, parallel zu ihrer Achse, vom Mittelpunkt gegen 
einen Pol, von einem Pol zum andren an der Mittellinie vorbeigehend. 

B. 

Biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 

Es ist unsre Absicht, die biologische Wirkung der magnetischen Felder 
vollständig zu studieren, indem wir bei den niedrigeren Tieren anfangen und 
dann immer weiter bis zum Menschen hinaufsteigen. Die Aufgabe ist ziemlich 
langwierig, und deshalb denken wir, daß es für uns zweckdienlicher sei, unsre 
Untersuchungen in zwei Zeiträume zu verteilen: im ersten das Studium an den 
niedrigeren Tieren zu Ende zu führen und es ohne weiteres zu veröffentlichen, 
während wir für eine weitere Veröffentlichung die Untersuchungen an den höheren 
Tieren und diejenigen über die physiologische und therapeutische Wirkung des 
Elektromagneten beim Menschen uns Vorbehalten. 

Und so tun wir auch. 

Unsre Untersuchungen an den niedrigen Tieren hatten den Einfluß des 
Magnetfeldes zum Ziele gehabt: 

a) auf die Bildung und das Wachstum der Elementar-Organismen (Infusions¬ 
tierchen); 

b) auf die Erschließung der Eier (Frösche, Würmer); 

c) auf die Entwicklung und das Kollektiv-Wachstum der Tiere (Würmer); 

d) auf die Lebens- und Bewegungsbedingungen der einzelnen Individuen, im 
Augenblick der Einwirkung des Magnetfeldes beobachtet (Würmer, Protozoen). 

a) Einwirkung des Magnetfeldes auf die Bildung und das Wachstum der Elementar- 

Organismen (Infusorien). 

Es wurden bereits Untersuchungen mit Elektromagneten an den Infusorien 
vorgenommen. Im Jahre 1903 haben sich damit Cheneveau und Bohn im 
Laboratorium von Curie, dessen Schüler sie sind, beschäftigt. Indem sie tagelang 
(2—5 Tage) Infusorien der Einwirkung eines starken Elektromagneten mit statio¬ 
närem oder beständigem Felde in der Stärke von 5000—8000 C. G. S.-Einheiten 
unterzogen, haben sie eine Verminderung der Stärke bei den Wimperhaarbewegungen, 
einen Stillstand in ihrer individuellen Entwickelung und Vermehrung festgestellt. 
Die Autoren beschreiben auf folgende Weise die gemachten mikroskopischen 
Beobachtungen: Die der Kontrollbeobachtung unterworfenen Tierchen, obschon sie 
sich im Verhältnis von 1—4 vermehren, bewahren ihren Normalgang: sie sind 
beständig in Bewegung, um eine Beute zu erhaschen, und durcheilen das mikro¬ 
skopische Feld mit einer Schnelligkeit von 400 ft in der Sekunde. 

Im magnetischen Felde dagegen ändert sich ihr Verhalten vom zweiten Tage 
an; die Bewegungen werden weniger lebhaft bei einer Schnelligkeit von kaum 
134 //; am vierten Tage beträgt die Geschwindigkeit nur noch 40 ft, und die 
Individuenanzahl ist verringert, so daß sie nur im Verhältnis von 1 /. i — l / 4 — 1 / 1;l zu 
denen, welche als Kontrolle aufbewahrt werden, bleiben. 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 135 

Nicht nur die Vermehrung geschieht langsamer, sondern die neuerzeugten 
Individuen, anstatt rasch an Umfang zuzunehmen, bleiben im Gegenteil klein; die 
Normaldimensionen sind 35 // anstatt 75 //. 

In gewissen Fällen (stylonichia) sterben die Tierchen auch, ohne sich wieder 
fortzupflanzen. In den „vorticellae“ zeigt die lebhafte Färbung eine bereits fort¬ 
schreitende Alteration des Protoplasma an. Die Wirkung des magnetischen Feldes, 
so schließen die Autoren, ist also eine sehr deutliche. 

Gleichzeitig mit den oben erwähnten Autoren und ohne von ihren Arbeiten 
irgend eine Kenntnis zu haben, stellte Grenet bei Laboratoriumstemperatur Ver¬ 
suche an der Heubeize entnommenen Paramoecien an. 

Die in einem haarförmigen, gläsernen, an beiden Enden geschlossenen Rohr 
uefindlichen Paramoecien waren in ein Solenoid gebracht. Der Strom wurde von 
zwei Bunsenschen Mörsern, jeder von 1,5 Volt, geliefert. Die Stromunterbrechung 
geschah regelrecht vermittelst eines dem bei den elektrischen Glocken entsprechenden 
Interbrechers. Die Intensität des magnetischen Feldes war ungefähr 100000 C.G.S.- 
Einheiten. 

Nach ungefähr einer halben Stunde blieben einige Paramoecien ohne Bewegung; 
der größere Teil derselben hatte eine Veränderung in der Form erfahren, indem 
sie eine höckerige Gestalt annahmen; das Protoplasma von einigen schien geplatzt 
zu sein. 

Die Paramoecien, welche in einem ähnlichen Rohre zur Kontrolle gehalten 
wurden, erfuhren während derselben Zeit keine Veränderung. Auch diejenigen, 
welche einem beständigen magnetischen Felde, mit Unterdrückung der Unter¬ 
brechungen, unterworfen wurden, wiesen keine Veränderung auf. 

Grenet schließt daher, daß die an den Paramoecien beobachtete spezifische 
Wirkung einzig von den Variationen des magnetischen Feldes abhängen könne; 
und dies stände im Widerspruch mit den weiter oben angeführten Erfahrungen 
üheneveaus und Bohns welche auch mit dem beständigen magnetischen Felde 
analoge Erscheinungen beobachtet hätten. Es bleibt jedoch nicht ausgeschlossen, 
daß diese Wirkung der Erzeugung von Foucaultschen Induktionsströmen in 
den leitenden Organismen zugeschrieben werden könne, Ströme, die auf die In¬ 
fusorien einwirken würden, sie tötend, wie die elektrischen Ströme im allgemeinen. 

Diese zweite Hypothese ist für uns die wahrscheinlichere, wenn wir in 
Betracht ziehen, daß die Infusorien nicht den von einem magnetischen Felde 
Dach außen ausstrahlenden Linien ausgesetzt waren, sondern daß sie innerhalb 
nnes Solenoids im Felde selbst, w r ie der Kern einer Bobine und mithin dem 
Einfluß der Induktionsströme vollständig unterworfen, nntergebracht waren. Wir 
können also den Erfahrungen weder der einen noch der andren Autoren einen 
beweiskräftigen und absoluten Wert beimessen. 

Wir wollten uns in dieselben Verhältnisse, in denen wir uns in Wirklichkeit 
befinden, versetzen, das heißt wir stellten Versuche an mit einem wohldefinierten, 
vom „Radiator“ Müllers erzeugten magnetischen Felde, und unterwarfen die 
Infusorien der Einwirkung von Fluxionslinien, die aus demselben ausstrahlen, je¬ 
doch außerhalb des Bereichs eines jeden Einflusses von Induktionsströmen. Wir 
wollten auch Anwendungen verwirklichen von einer Intensität und von einer 
Dauer, wie sie in der therapeutischen Praxis gebräuchlich sind; denn es wäre 


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Karl Colombo 


widersinnig, daran zu denken, die Patienten unter der Einwirkung des magnetischen 
Feldes 4—5 Tage hindurch ohne Unterbrechung oder auch nur 4—5 Stunden zu 
halten! 

Im März 1904 und in der folgenden Zeit haben wir zu wiederholten Malen 
Heu gleichzeitig in zwei Schüsseln mit auf 24 0 C erwärmtem Wasser als Aufguß 
gelegt und dann die Schüsseln in einem Zimmer, dessen Temperatur beständig 
annähernd dieselbe Höhe hatte, aufbewahrt. Eine von den Schüsseln wurde zur 
Kontrolle unter gleichen Temperatur- und Raumverhältnissen wie die andre 
Schüssel verwahrt, welche jeden Tag der Einwirkung des magnetischen Feldes 
unterworfen wurde. Die Schüssel wurde derartig hingestellt, daß die Fluxions- 
linien des magnetischen Feldes senkrecht zur Oberfläche des Aufgusses gelangten, 
in einer Entfernung von 10 cm vom wirksamen Pol. Die Anwendung hatte eine 
Dauer von 30 Minuten. 

Die vom charakteristischen Verwesungsgeruch begleitete Schicht mit den 
Infusorienkolonien oberhalb des Heues entwickelte sich in beiden Schüsseln mit 
derselben Intensität am 5. Tage nach dem Aufguß. Die Vermehrung schritt in 
beiden Fällen parallel fort, wie dies mikroskopisch seine Bestätigung fand. 

Während der ersten Beobachtungen glaubten wir auch, in den vom magnetischen 
Feld beeinflußten und mit dem in der Schüssel enthaltenen Aufguß bereiteten 
Präparaten besondere Formen zu bemerken, eine Art von höckerigem, sehr raschem 
Riesenparamoecium, welche wir in den mit dem Kontrollaufguß bereiteten Präparaten 
nicht finden konnten; aber nach wiederholten Beobachtungen mußten wir eines 
andren Sinnes werden, denn eben dieselben Formen kamen auch in den Kontroll- 
präparaten zum Vorschein. 

Wir konnten jedoch noch eine andre bemerkenswerte Beobachtung in den 
beiden mikroskopischen Präparaten von Heuaufguß machen. Indem wir das 
magnetische Feld direkt auf das mikroskopische Präparat einwirken ließen, so 
daß die Fluxionslinien sich auf das Präparat parallel zu dem das Objekt tragenden 
Glase, in einer Entfernung von 3—5 cm vom aktiven Pol, mit einer Intensität 
von 25—30 Ampere gerichtet hatten, haben wir an den Infusorien, welche das Feld 
in allen beliebigen Richtungen durchkreuzten, Paramoecien, Spyrostomen, Vorti- 
cellae, sehr lebhafte Wellenbewegungen gesehen, mit zeitweisen und unbeständigen 
Veränderungen auch in der Form der dicken Zellen von Paramoecien, mit sehr 
raschen Bewegungen der Wimperhaare der Vorticellae, mit einer raschen Drehung 
um die Hälfte der eignen Achse bei den Spyrostomen. All dies fand dagegen 
nicht statt bei den Präparaten, auf die das magnetische Feld nicht einwirkte; 
hier durchkreuzten die Infusorien das Feld mit langsameren Bewegungen ohne 
Drehung, ohne Wellenbewegung und ohne Formveränderung in den dicken Zellen; 
und auch in denjenigen Präparaten, in welchen die obenerwähnten Erscheinungen 
unter der Einwirkung des magnetischen Feldes beobachtet wurden, hörten die¬ 
selben sofort auf, kaum daß man dem Elektromagneten den Strom entzog. 

Wir haben nie eine wesentliche Einwirkung auf das Protoplasma der Infu¬ 
sorien bestätigt finden können, weder im Sinne einer rascheren oder trägeren 
Zeugung, noch in der Erleichterung oder Hemmung der Ernährungs- und Ent¬ 
wicklungsvorgänge, noch in der Beschleunigung oder Verzögerung des Todes. 
Wir sind daher geneigt, die oben geschilderten Tatsachen zu erklären, indem wir 


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137 


Heennanu, Über Anwendung von Hitze bei Lungenerkrankungen. 

zugeben, daß die so lebhaften Wellenbewegungen der Paramoecien und die zeit¬ 
weisen und unbeständigen Veränderungen in ihrer äußeren Gestalt, sowie auch 
die lebhaften Wimperhaarbewegungen der Vorticellae und die Drehungen um die 
Hälfte der eignen Achse der Spyrostomen mechanisch aufgedrückt sind, durch die 
Vibrationen, welche in der Luft von den magnetischen Wellen, die ihrerseits von 
den Kraftlinien herrühren, hervorgerufen werden und auf welche diese so zarten 
Organismen reagieren. 

Diese unsre Hypothese wird auch von Rodari, einem der überzeugtesten 
Anhänger Konrad Müllers bestätigt, der auch die Wirkung des magnetischen 
wechselnden Feldes beim Menschen erklärt, indem er annimmt, daß die Nerven¬ 
zellen eine sehr leise vibratorische Bewegung erfahren, eine Art Massage, die 
ihre Funktion beeinflußt. (Schluß folgt.) 


II. 


Ober Anwendung von Hitze bei Lungenerkrankungen. 

Von 

Oberstabsarzt Dr. Heermann 

in Posen. 


Vor etwa sieben Jahren habe ich begonnen, zunächst bei schlaffen, atypischen 
Iadaenzapneumonien alter Leute eine Methode intensiver lokaler Erhitzung der 
erkrankten Lungenpartien anzuwenden, welche mir offenbar von gutem Erfolge 
begleitet schien und mich nach upd nach bewogen hat, dieselbe auch auf Pleuri¬ 
tiden. Pneumonien sowie Lungenkatarrhe verschiedener Arten und Grade (bei 
Erwachsenen und Kindern) auszudehnen und schließlich mit dem systematischen 
o•'brauch des Heißluftapparates zu verbinden. 

Die Methode der lokalen Erhitzung besteht darin, daß ich täglich ein- 
bis dreimal je eine Stunde dem erkrankten Lungenabschnitt eine platte (ca. 4 cm 
dicke), entsprechend große, metallene, möglichst heiße Wärmeflasche auflege. In 
Vr ersten Zeit kommt darunter ein feuchter Umschlag (bei schweren Erkrankungen 
stundenweise mit Spiritus bzw. Ichthyolspiritus, sonst mit Wasser). Bei fort¬ 
geschrittener Besserung wird die Wärmeflasche auch einfach über die Kleidung 
appliziert. 

Die (allgemeinere) Erhitzung im Heißluftapparat erfolgt unter 45—80° C 
-uunal (bei schweren Cyanosen und Atemstörungen eventuell mehrmals) täglich 

1 Stunde lang in der Weise, daß man den Apparat dem in seinem Bette 
liegenden Kranken über den Unterkörper bis an das untere Brustbeinende 
rricben läßt, den Oberkörper also nicht miterhitzt. 

Bei schwereren Erkrankungen nehme ich beide Erhitzungsarten, z. B. morgens 
allgemeine, nachmittags ein- bis zweimal lokale, bei leichteren je nacli dem Befunde 
l*ld die eine, bald die andre allein. 

Zeiuebr. f. diit. tx. phyefk- Therapie Bd. IX. Heft 3. 10 


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138 Heermann, Über Anwendung von Hitze bei Lungenerkrankungen. 

Kombinationen mit Waschungen, Packungen und Übergießungen der gebrauch 
liehen Arten sind dabei gelegentlich vorgenommen, jedoch von nebensächliche 
Bedeutung gewesen, dagegen natürlich sonst alle Formen anderweitiger Maß 
nahmen (wie hohe Eingießung, Aderlaß, künstliche Atmung, heiße Getränke, Salz 
fiitterung, Alkohol, Kampfer, Digitalis, Inhalationen von Salzwasser, Wasserstofl 
Superoxyd und Sauerstoff) bei gegebener Indikation neben entsprechender Diä 
zur Anwendung gezogen worden. 

Ich will nun von der Aufzählung einzelner Krankengeschichten absehen, aucl 
die leitenden theoretischen Erwägungen zunächst fortlassen und hier nur die End 
ergebnisse skizzieren als einen kleinen Beitrag zu der großen Fülle der physi 
kalischen Heilmethoden auf dem vorliegenden Gebiete, in der Hoffnung, dadurel 
hier und da zur Nachprüfung anzuregen. 

Ich fasse meine Erfahrungen kurz in folgende Sätze zusammen: 

1. Fast ohne Ausnahme wurde die Erhitzung von den Kranken als an¬ 
genehm empfunden, selbst bei hohen Temperaturen (bis 41° C in der Achselhöhle). 

2. Diese hohen Temperaturen bilden keine Kontraindikation, bleiben viel¬ 
mehr ganz unberücksichtigt. 

Doch steht dem, wie gesagt, nichts im Wege, gelegentlich kühle Waschungen 
u. dgl. einzuschieben. 

3. Trockene Pleuritis verschwand oft auffallend rasch und schien seltener 
zur Exsudatbildung fortznschreiten. 

4. Pleuritische Exsudate schienen sich leichter zu resorbieren. 

5. Lungenverdichtungen und Schleimhautschwellungen schienen sich leichter 
zu lösen. Auch die Kranken selbst hatten diese Empfindung, fühlten sich oft 
nach jedem Gebrauch des Heißluftapparates „leichter auf der Brust“ und husteten 
leichter ab. 

6. Auf Cyanose und Atemnot wirkte der Heißluftapparat sichtbar als 
kräftiges Ableitungsmittel. 

7. Die Pneumonien schienen einen schnelleren und günstigeren Verlauf zu 
nehmen, als nach dem Lungenbefunde, dem Fieber und dem Allgemeinbefinden 
zu erwarten war. 

8. Das Herz wurde nicht ungünstig beeinflußt. Besondere Stärkungsmittel 
brauchten bei der Erhitzung nicht verabreicht zu werden. Schwächezustände traten 
nicht ein. Im Gegenteil machte sich bei Überlastung des rechten Herzens eher 
eine Erleichterung geltend. 

9. Dasselbe zeigte sich auch bei Benommenheit und Delirien. 

10. Das Schwitzen an und für sich, welches natürlich bei der Unterkörper¬ 
erhitzung öfter, bei der lokalen seltener erfolgte, war mit großer Wahrscheinlich¬ 
keit als nützlich anzusehen, erschien aber nicht als das wirksame allein. 

11. Die Art der Krankheitserreger allein (neben einigen selteneren Formen 
handelte es sich um Streptokokken, Pneumokokken und Influenzabazillen) bedingte 
keine sichtbaren Unterschiede in den erwähnten Wirkungen. 


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H. Zikel, Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologie. 139 


in. 

Zur Begründung 

der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologie. 

Von 

H. Zikel in Berlin. 

Da eine Reihe neuer und wichtiger Arbeiten seit dem Erscheinen unsrer 
ersten Diskussion (Zentralblatt für innere Medizin, Bd. 25) die klinische Osmologie 
wiederum in ihren theoretischen Erkenntnissen wesentlich gefördert hat, so sind 
im folgenden die interessanten Fortschritte der physikalischen Chemie in der 
Medizin zu besprechen. Eine Reihe von Streitfragen, die in der letzten Zeit 
auch für die klinische Praxis Bedeutung erlangt haben, möchten wir hierbei be¬ 
sonders zur Diskussion heranziehen. 

Bemerkenswert ist die Tatsache, daß aus der Klinik v. Leydens nunmehr 
die vierte und fünfte osmologische Arbeit größeren Stils hervorgehen. Unter 
diesen erschien soeben ein zusammenfassendes Werk: „Osmologische Diagnostik 
und Therapie. Neue Untersuchungen“ (Berlin 1905, Verlag R. Trenkel), das 
unter meiner Herausgabe unter der Mitwirkung von v. Leyden, Roma- 
nowsky, v. Baumgarten, Thoms, Rogovin, Brodzki u. a. soeben er¬ 
scheint. und dessen neuartige Untersuchungsergebnisse im folgenden darzustellen 
sind. Ich möchte hierbei nur hinzufügen, daß ich für klinische und privatärztliche 
Praktiker die wichtigsten Ergebnisse der klinischen Osmologie in einem kleinen 
Leitfaden kurz zusammengefaßt und soeben veröffentlicht habe. („Neuere Fort¬ 
schritte der klinisch-osmologischen Heilkunde: Anleitung zu den neuen Unter- 
suehungs- und Behandlungs-Methoden. Berlin 1905. Verlag R. Trenkel.) 

In dem zuerst zitierten Handbuche stellt v. Leyden die Entwicklung und 
praktischen Resultate der klinischen Osmologie dar. Es folgen als zweite Arbeit 
dieses Werkes die „Ergebnisse der osmologischen Forschung über Hämolyse“ von 
Prof. P. v. Baumgarten. Bekanntlich schätzen wir v. Baumgarten, den be¬ 
kannten Leiter des Pathologischen Universitäts-Instituts zu Tübingen, als den 
hervorragendsten Kenner der hämolytischen Untersuchungslehre, der als erster 
dieses vielversprechende Gebiet auf die exakte Osmologie durch experimentelle 
und theoretische Forschung zurückzuführen vermochte. Und dieses Gebiet erscheint 
irm so bemerkenswerter, als in manchen diagnostischen Streitpunkten (Urämie: 
Senator gegen Hedinger u. a.) das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. 

In unsrer Arbeit charakterisiert v. Baumgarten seine Wertschätzung der 
neuen Lehre mit der folgenden kurzen Ausführung: „Jedenfalls hat diese Lehre 
für den praktischen Arzt, der auf dem Boden der Wissenschaft steht, 
ein sehr großes Interesse wegen der nahen Beziehungen, welche zwischen 
der Hämolyse und jenen Vorgängen bestehen, durch welche der Organismus in 

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140 H. Zikel 


ihn eingedrungene Fremdzellen, insbesondere Mikroorganismen, zu zerstören sucht. 
Vorgänge, von deren gründlicher Erkenntnis die Verhütung und Hei¬ 
lung einer der wichtigsten Krankheitsgruppen wesentlich abhängt." 
v. Baumgarten stellt auch die gerichtliche Blutuntersuchungs-Methode dar. 

Es folgt die „Beurteilung der Heilquellen vom osmologischen Standpunkte“ 
von dem bekannten Baineologen F. Gintel als dritte Arbeit des vorliegenden 
Handbuches, die besonders auch durch die eingangs dargestellte historische Ent¬ 
wicklung der Wasserheilkunde an Wert gewinnt und weiterhin die neueren 
Resultate der balneologischen Forschung eingehend referiert. Hieran schließt 
sich meine Arbeit: „Praktische Anwendung der im Organismus wirksamen 
Molekularkräfte“, in der ich die praktisch wichtigen Untersuchungs-Ergebnisse 
unsrer klinisch-osmologischen Arbeiten und besonders die neuartigen und prak¬ 
tischen Anwendungsformen der molekularen Kräfte, soweit sie am Organismus 
wirksam sind, für die Balneotherapie und die osmodiagnostische Methode der 
Stalagmometrie von Prof. Traube zum ersten Male in die klinische und ärztliche 
Praxis einzuführen beginne. 

Von den Ergebnissen, welche dem klinischen Praktiker und insbesondere 
auch dem wissenschaftlich arbeitenden Balneologen nahegehen, sei die Diskussion 
der empfohlenen „hyphydrischen“ (Unterwasser-) Massage besonders angeführt. 
Das Prinzip dieser Methode ergab sich aus den folgenden experimentellen Unter¬ 
suchungen, die im Privatlaboratorium angestellt wurden. 

Durch präzise Bestimmungen mittels eines besonders konstruierten Me߬ 
instrumentes, des sogenannten „Adhäsiometers“, haben wir nämlich die „Lehre 
von der molekularen Gasadhärenz“ der Körperhaut aufstellen und ausbauen können. 

Nach dieser neueren Lehre besteht am menschlichen Körper das Prinzip, 
absorptionsfähige Eigenschaften für Gase zu entfalten. Die menschliche Haut ist 
jederzeit von einer „adhärenten“ (d. h. absorbierten und an der äußeren Ober¬ 
fläche und besonders dem Porenlumen mit relativ außerordentlich großer mole¬ 
kularer Adhäsionskraft festhaftenden) Gasschicht überdeckt und allseitig umkleidet. 

Die adhäsiometrischen Untersuchungen haben nun mit großer Evidenz die 
Tatsache gelehrt, daß die quantitativen Befunde, die ohne weiteres einfach an 
dem Meßinstrument Adhäsiometer abgelesen wurden, ebenso wie die qualitativ¬ 
analytischen Befunde an dieser umkleidenden adhärenten Gasschicht des Körpers 
von ganz bestimmten Außenbedingungen und der individuellen Konstitution der 
betreffenden Versuchsperson sich als abhängig erweisen. 

Als Folge dieser Beobachtungen zeigt sich natürlich eine häufige Veränderung 
des qualitativ-analytischen Bestandes der adhärenten Gasschicht. Weiterhin hat 
sich nun die Tatsache eruieren lassen, daß im Bade diese adhärente Gasschicht 
einer beliebigen Versuchsperson nicht etwa, wie man nach der äußerlichen Gas¬ 
perlenbildung zunächst erwarten könnte, schon bei völliger Körperruhe durch das 
umspülende Wasser infolge mechanischer Reibung oder des hydrostatischen Druckes 
vollständig verdrängt wird. 

Diese theoretische Erwartung trifft aber zufolge der relativ großen mole¬ 
kularen Adhäsionskraft der Gasschicht, die sie gegenüber der Körperhaut zu ent¬ 
falten vermag, nur teilweise zu. Ja, im Gegenteil hierzu vermochten wir sogar 
den direkten Beweis zu erbringen, daß die adhärente Gasschicht der menschlichen 


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Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osinologie. 141 

Körperhaut eine osmologische Einwirkung des Badewassers, sowie der Temperatur¬ 
differenz, der gelösten Salze und selbst der in Gasbädern zum Teil gelösten Gase 
(Kohlensäure und Schwefeldioxyd) sehr wesentlich in ihren Wirkungen beschränkt 
und zum großen Teil sogar illusorisch machen kann. Denn auch der Wärmereiz 
wird durch die schlechte Wärmeleitung der adhärenten Gasschicht außerordentlich 
herabgemindert. 

Die für die praktische Balneotherapie wichtige, neuerdings empfohlene Unter¬ 
wassermassage zur Ablösung der adhärenten Gasschicht ist in ihrer einfachen 
Technik und Anwendungsform im Handbuche in lehrreicher Form dargestellt. 

Hieran schließt sich als fünfte Arbeit meine klinische Untersuchungsreihe 
aber die Osmosinreaktion unter dem Experimentalbeistande von Eogorin und 
Brodzki mit pharmakologischen Untersuchungsreihen von Prof. Thoms u. a. 
Es ist wünschenswert, daß praktische Erfahrungen über diese Therapie gesammelt 
werden. An einem klinischen Material von etwa hundert Versuchspersonen und 
jahrelang fortgesetzten zahlreichen Experimental-Einzeluntersuchungen habe ich 
ferner die Normalharn-Methode und gewisse diagnostische und prognostische Tat¬ 
sachen zu eruieren gesucht, die 1. c. nachzulesen sind, da sie nur im Zusammen¬ 
hang mit dem klinischen Krankenmaterial und den praktischen Erörterungen ge¬ 
würdigt werden können. Hervorheben möchte ich nur noch meine Untersuchungen 
ans den Krebsbaracken v. Leydens und Darlegungen über die Therapie des 
Kollapses nach den neuen Gesichtspunkten. 

Weiterhin folgt meine Arbeit über den diagnostischen Wert osmologischer 
Analysen mit Staatsrat Romanowsky (Romanowskys Blutreaktion), dem bekannten 
Oberärzte des Kaiserl. Klinischen Instituts zu Petersburg, und Prof. v. Prehl. 

Abgeschlossen wird das Werk durch einen Aufsatz Romanowskys über 
Diagnose und Therapie der Prostatitis. Romanowsky schreibt der Prostata bei 
der Ätiologie nervöser Erkrankungen die Rolle zu, die wir dem Einflüsse der 
weiblichen Gebärmutter auf Cephalalgie u. a. zuzusprechen gewohnt sind. 

Ferner erschien aus der Klinik v. Leydens eine Untersuchungsreihe von 
Brodzki „Über den prognostischen und diagnostischen Wert der alimentären 
Chlorprobe bei Nephritis.“ Bro-dzki ist auf Grund seiner klinischen Versuchs- 
ergebnisse nicht geneigt, der Harnuntersuchung nach Eingabe von Chlornatrium¬ 
dosen irgend eine differential-diagnostische Bedeutung zuzusprechen; wohl aber 
glaubt er in dieser sog. „alimentären Chlorprobe“ doch ein wertvolles Mittel 
znr Bestimmung der Prognose einer Niereninsufözienz anerkennen zu müssen. 
Die Untersuchung wurde an 15 Fällen angestellt. Die Resultate dieser Arbeit 
sind 5 die folgenden: 1. Bei der normalen Niere entspricht die Chloraufnahme der 
Abscheidung. 2. Die pathologisch veränderte Niere hat volle oder retardierende 
oder fehlende Ausscheidungsfähigkeit für Chloride. Die erste Kategorie läßt nach 
Brodzki eine günstige Prognose zu (zumeist akute Nephritiden); die Abscheidung 
der Achloride verläuft fast parallel. Die zweite Gruppe von Krankheitsfällen 
(akute Formen mit Neigung zum Übergang in chronische Zustände, ferner be¬ 
ginnende,' aber ausgesprochene chronische Nephritiden) läßt die Prognose als 
zweifelhaft stellen. Auch hier besteht paralleler Verlauf der Abscheidung von 
Achloriden. Die dritte Kategorie von Erkrankungen (weit fortgeschrittene chro¬ 
nische parenchymatöse und interstitielle Nephritiden) mit fehlender Chlor- 


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ausscheidung und normalem oder erhöhtem Gehalte des Harns an Achloriden 
geben eine „absolut infauste“ Prognose. Natürlich sind diese, wie Brodzki 
selbst anführt, von den Autoren verschieden beantworteten klinischen Fragen 
noch nicht spruchreif. Die Literatur hat der Autor nicht eingehend darzustellen 
beabsichtigt. 

Ferner erschien der in. Band des umfangreichen Werkes über osmologische 
Theorien und Untersuchungen: „Der osmotische Druck“ etc. von Hamburger. 
Da ich im ersten Bericht die praktischen Ergebnisse des H. Bandes darstellte, 
so will ich konsequent hiermit das wichtige des HL Bandes referieren. Die 
Beweglichkeit der Spermatozoen kann auf rein osmologischem Wege durch Erhöhung 
und Erniedrigung der molekularen Konzentration der Aufschwemmungs-Flüssigkeit 
verstärkt oder erniedrigt werden. Wir werden im folgenden durch noch drastischere 
Beispiele zeigen, wie ungeahnt intensiv die sog. vitalen Funktionen durch einfache 
Beeinflussungen auf streng osmologischem Wege verändert, gesteigert und ge¬ 
schwächt zu werden vermögen. Auch das Volumen der Spermatozoen kann auf 
diese Weise künstlich vollständig willkürlich vergrößert oder verkleinert werden. 
Da diese Tatsache auch für die menschlichen Blutkörperchen, die Erythrocyten 
wie die Leukocyten, sowie weiterhin für ausnahmslos alle tierischen und mensch¬ 
lichen Körperzellen mit großer Sicherheit experimentell nachgewiesen ist, so 
befindet sich tatsächlich unser Körper in den unausgesetzt wechseln¬ 
den Zuständen der Aufschwemmung und Verkleinerung, je nach der 
ständig nach Nahrungsaufnahme, Muskeltätigkeit u. a. sich verändernden Beschaffen¬ 
heit des physikalisch-chemischen Zustandes der Muskelsera, des Lymphstromes u. s. f. 

Es sind dies ganz unzweideutige Befunde, die mit aller Sicherheit 
dem spezialisierenden und tiefer in die Materie eindringenden Osmologen 
gelehrt haben, daß bei physiologischen und besonders bei den pathologischen 
Prozessen die physikalisch-chemischen Vorgänge eine weitaus wichtigere Rolle 
spielen, als ihnen bisher die Medizin zuzusprechen geneigt war. Auch die 
Epithelien und in hervorragendem Maße deren Kernbildungen (in Darm, Trachea, 
Harnblase, Ösophagus u. a.) ändern ihr Volumen beständig unter wechselnden 
osmologischen Einflüssen; auch haben die neueren Untersuchungen immer mehr 
meine schon Anfang 1902 begründete Theorie der spezifischen Membranstruktur 
und Strukturänderungen unter normalen und pathologischen Bedingungen zur 
Evidenz gestützt. So ändert beispielsweise der Darm häufig den Zustand seiner 
Permeabilität schon im physiologischen Zustande, wie die Versuche dies auch für 
andre Organe, wie beispielsweise die Niere, gelehrt haben. Hay hat erwiesen, 
daß die purgative Wirkung des Magnesiumsulfats zum Teil auf einer Abnahme 
der resorbierenden Fähigkeit der Darmmucosa beruht, wodurch die Verflüssigung der 
Fäkalstoffe befördert und das Versuchstier somit Quantitäten von Strychnin schadlos 
verträgt, durch die es sonst sofort abstirbt. Purgierende Mittelsalze bewirken 
Schleimabsonderung und Bedeckung der Zotten und infolgedessen Störung der 
Resorption des flüssigen Darminhaltes. 

Wichtig ist die Tatsache, daß die Beeinflussungsfähigkeit der Körpefzellen 
durch physikalisch-chemische Änderungen der umgebenden Medien außerordentlich 
intensiv durch minimale Mengen chemischer Agentien gestört oder gefördert werden 
kann, und ich habe die wohlbegründete Ansicht ausgesprochen, daß das Wesen 


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Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologic. 143 

der Infektionskrankheiten u. a. auf derartigen Beeinflussungen der Körperzellen 
durch toxische Solubilienwirkung gegenüber ihrem Verhalten zu osmologischen 
Zustandsänderungen der umgebenden Medien, die an sich noch in physiologischen 
Grenzen schwanken können, beruht. 

Diese Theorie der toxischen Zellbeeinflussung erscheint dem Kenner 
dieser Verhältnisse sehr einfach und plausibel, da sie nicht auf komplizierten 
Annahmen beruht, sondern sich auf vielseitige Experimentalergebnisse stützt: Eine 
normale Zelle besitzt eine für sie ganz spezifische und für Zellkomplexe einheit¬ 
liche end- und exosmotische Permeabilität („spezifische Zellmembranstruktur“). 
Infolgedessen wird die Zelle durch normale osmologische Zustände des um¬ 
gebenden flüssigen Mediums (Blutserum bei den Erythrocyten) in ganz bestimmten 
physiologischen Grenzen in bezug auf Volum und Stoffaustausch verändert. 

Eine Blutzelle beispielsweise verringert ihr Volum nach salzreichen Mahlzeiten, 
vergrößert ihr Volum nach reichlichem Wassergenuß. Unter normalen Zuständen 
überschreiten diese Volumänderungen nicht die Elastizitätsgrenze der Membran, und 
auch der Stoffaustausch ist ganz genau innerhalb bekannt gewordener physiologischer 
Grenzen reguliert. Es dringen ganz bestimmte Stoffe ein, treten ganz bestimmte 
Stoffe aus, verschieden je nach der spezifischen Membranstruktur; eine Leberzelle 
hat. wie die Untersuchungen erwiesen haben, einen andren Stoffaustausch (in¬ 
folge der andersartigen Permeabilität), wie eine Zelle des Muskelgewebes; diese 
hat wieder andre Permeabilität als die Blutzellen, die Erythrocyten anders als 
die Leniocyten u. s. f. Aber für die betreffende Zellart ist die Permea¬ 
bilität und somit der Stoffaustausch mit dem betreffenden um¬ 
gebenden Medium normal ganz spezifisch. 

Zwei Bedingungen können physiologische und bei größerer Ausdehnung patho¬ 
logische Zellzerstörungen ätiologisch ermöglichen: 1. Permeabilitäts-Änderung der 
Zellmembran; 2. osmologische Änderung des flüssigen, zellumgebenden Mediums. 
Nichts andres ist im osmologischen Sinne wahrscheinlich. Natürlich können diese 
beiden Grandbedingungen vereinzelt oder aber kombiniert Vorkommen. Eine primäre 
-Erkrankung“ des Protoplasmas an sich anzunehmen, ist vom exakt naturwissen¬ 
schaftlichen Standpunkt aus sicher zurückzuweisen; diese „Erkrankung“ wird erst 
sekundär ermöglicht durch gestörten Stoffaustausch, also durch die genannten 
"beiden Bedingungen. Es ist ferner erwiesen, daß die Permeabilität der Zell¬ 
membran durch toxische Stoffe sich ändert. Demnach können toxische Stoffe 
schon in unfaßbar minimalen Mengen den Zell-Stoffaustausch stören. Normal 
produziert der Körper ebenfalls toxische Stoffe. Infolgedessen gehen täglich viele 
Zellen zugrunde, da nur Zellmembranen von genügender Resistenz, wie das Ex¬ 
periment zeigt, physiologischen Einflüssen widerstehen. 

Die Zellmembran wird nur einmal geschaffen und nicht erneuert; infolge¬ 
dessen unterliegt sie unter den beständigen Beeinflussungen, wie alles nicht Er¬ 
neuerungs fähige, der Abnutzung; jede Zelle geht je nach Zustand und Resistenzgrad 
wechselnder Zeit zugrunde. Aber, wie gesagt, auch toxische Stoffe ändern die 
Permeabilität der Zellmembran. Hierbei treten andre Stoffe als unter normalen 
Umständen ein, andre als normal aus: das Zellprotoplasma verändert seine Be¬ 
schaffenheit, seine Zusammensetzung, seine Bindungsfähigkeit, seine physikalischen 
und chemischen Konstanten. Bei bestimmten Noxen tritt der Blutfarbstoff der 


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Erythrocyten aus (Hämolyse, Hämoglobinämie, Hämoglobinurie), und schließlich 
fallen die Zellen der Auflösung anheim, wenn sich nicht Bedingung 1 und 2 oder 
wenigstens eine der beiden ändert. Diese Änderung im Sinne der Rekonvaleszenz 
kann bedingt werden: 

1. Durch Wirkung von Antitoxinen auf toxische Solubilien, d. h. durch Los¬ 
lösung der toxischen Stoffe aus der Zellmembran (die Membran ist nach neuereu 
Untersuchungen stets ein chemischbindungsfähiger Körper, daher seine leichte 
Beeinflussung durch Substanzen!) infolge Bindung, also Unschädlichmachung der 
toxischen Stoffe. 

2. Durch Zurückflihrung der physikalisch-chemischen Konstitution des um¬ 
gebenden flüssigen Mediums zur Norm! 

Es beruht diese, auf Grund empirischer Beobachtungen aufgestellte Tatsache 
auf folgender Überlegung: Allerdings sprechen die bisherigen Experimentalergebnisse 
nicht dafür, daß eine einmal chemisch veränderte Zellmembran sich ohne die Ein¬ 
wirkung von den, die toxischen Stoffmoleküle bindenden und demnach aus der Membran 
freilassenden Antitoxinen spontan zur normalen Permeabilität erholen könne. Eine 
derartige Annahme wäre als unbegründet nicht zu halten, solange nicht erwiesen 
wird, daß auch normal vorkommende Stoff-Ionen auf toxische Ionen • einwirken. 
Wenn wir aber das umgebende flüssige Medium der täglich neugebildeten Zellen 
immer wieder in konsequenter Therapie in ihren physikalisch-chemischen Konstanten 
zur Norm zurückführen, so werden sich deren Membranen bedeutend langsamer 
verändern können, als wenn beide Einflüsse: Dysosmose und Dyspermeabilität 
gleichzeitig auf sie einwirken; die Wirkung der toxischen Substanzen wird demnach 
nach Möglichkeit eingeschränkt, und der Körper gewinnt Zeit, auf das Zu¬ 
grundegehen der Zellen mit Zellneubildung zu antworten, eine Be¬ 
dingung, ohne die eben Exazerbation, Verfall und Tod eintreten. 

Wir ziehen daraus die praktische Lehre, da wir auf die Zellbildung und die 
pathologischen Prozesse selbst nicht direkt einwirken können, zunächst die osmo- 
physiologische Rekonstruktion der Blutverhältnisse des Organismus thera¬ 
peutisch anzustreben, und dürfen mit Recht nach theoretischen Erwartungen 
und einer umfassenden klinischen Empirie die dadurch erzielte Einleitung der 
Rekonvaleszenz erwarten. Zur Prüfung des jeweiligen osmologischen Zustandes 
dienen das Pektoskop und die Methoden der graduellen Diagnostik, welche die 
Krankheitsphase experimentell zu präzisieren sucht (daher auch als Phasen¬ 
diagnostik bezeichnet). 

Wenn wir an das Krankenbett treten, so denken wir neben der üblichen 
diagnostischen Untersuchung zunächst an die Untersuchung der Krankheits¬ 
phase im osmologischen Sinne, d. h. wir untersuchen experimentell die physi¬ 
kalischen, physkalisch-chemischen und chemischen Konstanten des betreffenden 
Organismus, und zwar zunächst im Normalharn und wenn irgend möglich im Blut. 
Dann führen wir die pathologisch veränderten Konstanten zur Norm zurück. Finden 
wir demnach beispielsweise konstante Bluthyperosmose und Harnhyperosmose, ver¬ 
ringerte Viskosität des Blutes, erniedrigten hydrodynamischen Blutdruck, verringerte 
Leitfähigkeit im Blut und Harn, so verringern wir die molekulare Blutkonzentration 
durch die Diluationstherapie zweckmäßiger Brunnenkuren, wirken auf die Ham- 
hyperosmose erhöhend ein, ebenso auf die Blutviskosität und den Blutdruck, fügen 


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Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologie. 

durch zweckmäßige Elektolytenzuführung (z. B. Injektionstherapie von Salz¬ 
lösungen. wo dies indiziert erscheint, oder durch hochkonzentrierte Mineralwässer etc.) 
die auf analytischem Wege als fehlend festgestellten wirksamen Ionen dem Blute 
in u. s. f. 

Ein lehrreiches Beispiel möge dieses wohlberechtigte Vorgehen erhärten. 
Eine wichtige physikalische Konstante der zirkulierenden körperlichen Flüssigkeiten 
ist der Grad der Viskosität, d. i. der inneren Reibung, welche eine in 
geschlossenen Röhrenwendungen sich fortbewegende Körperflüssigkeit erfährt. Die 
Viskosität ist demnach der Grad der Zähigkeit (der Dünn- oder Dickflüssigkeit) 
riner Lösung, die verschiedene Konstanten für Äther, Wasser, Ol, ja naturgemäß 
sogar für Blut und andrerseits Blutserum aufweist. Wird das Blut unter 
pathologischen Umständen dickflüssiger, zeigt es demnach bei Experimentalunter- 
suchnng einen erhöhten Wert für den Viskositäts-Koeffizienten ?/, so wird gemäß 
der von Poiseuille aufgestellten Beziehungsformel auch die Blutstrom¬ 
geschwindigkeit verringert, also die Blutzirkulation wesentlich er¬ 
schwert! Die ausführliche Darstellung der Untersuchungsmethode der Viskosität 
für das Blut verdanken wir Hirsch und Beck (Münchener med. Wochenschrift 1900 
Xr. 49). Der normale Wert für q (= Viskosität, = innere Reibung, = Zähigkeit) 
V**tTägt 5.1, und es ist die wichtige Tatsache gesichert worden, daß unter 
physiologischen Umständen die Viskosität nur um 1 bis 3 °/ 0 des normalen Wertes, 
also innerhalb hervorragend geringer Grenzen schwankt. Nun wissen wir nach 
den ron Romberg, Müller, Irada in der Marburger Klinik angestellten Beob¬ 
achtungen, daß bei der Arteriosklerosis die Blutviskosität pathologisch erhöht, 
die Blutzirkulation demnach wesentlich erschwert ist, und man ist neuer¬ 
dings sehr zu der Annahme geneigt, daß die erhöhte Blutviskosität einen 
der hauptsächlichsten pathologischen Faktoren der Arteriosklerosis 
darstellt. Man hat nun experimentell den Beweis erbracht, daß Jodsalze die Blut¬ 
viskosität verringern, und daß diese Wirkung im Organismus sich um so 
charakteristischer ausprägt, als Claude Bernard die Tatsache eruiert hat, 
daß eingeführtes Jod z. T. ausgeschieden, z. T. aber, und das ist wichtig, sehr 
lange im Körper retiniert wird, so daß man von einer Kumulativwirkung 
der Jodpräparate zu sprechen hat. In der Tat haben die klinischen Versuche 
von Romberg und seinen Schülern den Beweis erbracht, daß schon nach 10-bis 
/4 tägigen Jodgaben (0,3 bis 0,5; dreimal täglich) die Blutviskosität als thera¬ 
peutisches Hyperviscosicum verringert, daß es demnach günstig auf die Krank¬ 
heitssymptome des arteriosklerotischen Prozesses einwirkt. Die Annahme der Jod¬ 
wirkung auf die Gefäße hat man neuerdings stark in Zweifel gezogen und auf 
Grund der Versuche die obige, experimentell gestützte Ansicht supponiert. Das 
ist demnach ein Beispiel, wie man durch einfache Änderung einer physikalischen 
Konstante* physiologische Verhältnisse (normale Wiederherstellung der Blut¬ 
zirkulation mit ihren wohltätigen Folgen auf den Gesamtzustand) einleiten kann. 

Es sei erwähnt, daß die Injektion von Schilddrüsenextrakt nach Burton- 
Opitz einen zur Jodwirkung diamentral entgegengesetzten erhöhenden Einfluß auf 
die Blutviskosität ausübt, demnach ein Hyperviscosicum darstellt. Nach Schild- 
drüsen-Exstirpation ist demnach dis Blutviskosität zumeist verringert; allerdings 
ist dieser letztere Befund aus unerklärten Gründen nicht so konstant, wie die 


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hyperviskose Wirkung der Schilddrüsen-Injektion. (Zentralbl. f. Physiol. 16.) Es 
sind klinische Fälle denkbar, wo diese Injektion als korrigierend auf die patho¬ 
logisch gesteigerte Blutströmungsgeschwindigkeit, die im extremen Falle verringerte 
Gewebsernährung bedingt, zu therapeutischen Versuchen empfehlenswert erscheint; 
es sind dies die Zustände der Hydrämie (nach Blutverlusten u. a.) und in wenigen 
bestimmten Fällen vielleicht auch der Herzmuskelhypertrophie. 

Ebenso deutlich liegen die Verhältnisse bei der Sauerstoff-Therapie, welche 
die Bluthyperosmose korrigiert, und bei zahlreichen andern klinischen Fällen, die 
wir im eingangs zitierten, neuen Werk ausführlich dargestellt haben. 

Ich habe diese wichtige „Theorie der spezifischen Membranstruktur und 
pathologischen Strukturänderung“ mit ihren Konsequenzen für die Phasendiagnostik 
und die neue Therapie schon anfangs 1902 ausführlich begründet, und die zahl¬ 
reichen, seitdem erschienenen klinischen und experimentellen Untersuchungsreihen 
haben diese auf Grund der klinischen Erfahrung gestellte Annahme unverändert 
gestützt und bewiesen. Aus diesem Grunde, weil der zahllose Experimental¬ 
ergebnisse zusammenfassende dritte Band Hamburgers dem Kundigen wie eine 
einzige durchgehende Bestätigung dieser gesamten Theorie erscheint, welche 
Lebensäußerungen als streng physikalisch-chemische Zellvorgänge experimentell 
darstellt und jede Annahme einer „vitalen“ mystischen Lebenskraft zurückweist, 
habe ich diese ausführlichen eignen Erörterungen hier eingeschaltet, und kehre 
nunmehr zur Darstellung des dritten Bandes vom Werk Hamburgers zurück. Ham¬ 
burger gibt zu, daß die genannten Permeabilitätsprozesse der Zellen streng 
physikalische Vorgänge darstellen, stellt sich aber elegant außerhalb des strittigen 
Gebiets, indem er die Möglichkeit zugibt, daß „vitale“ Kräfte „fein nuancierte 
Veränderungen in lebenden Membranen“ hervorrufen können, welche die physi¬ 
kalischen Vorgänge beeinflussen sollen. „Hierdurch hören aber diese Vorgänge 
selbst nicht auf, rein physikalische Prozesse zu sein.“ (Bd. 2, S. 218; Bd. 3, S, 17.) 
Das ist übrigens eine stereotype Bemerkung Hamburgers, die er in allen dreiBänden 
zahllos einflicht: nachdem er „die physikalische Natur“ durch Experimentalbeweise 
der Autoren nachgewiesen hat, gibt er tröstend den Vitalisten eine kleine An¬ 
erkennung und bleibt so gut Kind bei den Physiologen. Aber diese Komplikation 
der exakt festgestellten Tatsachen durch die unqualifizierbare „Lebenskraft“ ist 
doch vollständig unberechtigt und vor allem unbegründet! Daß in der Tat lebende 
Membranen sich anders verhalten als tote, leugnet ja kein Autor! Aber es ist 
doch durch mehr als genügend experimentelle Darlegungen erwiesen, daß diese 
veränderte Permeabilität auf „letaler Strukturänderung beruht.“ Demnach wird 
natürlich auch die physikalische Zellfunktion im Tode gegenüber dem Leben ver¬ 
ändert! Und in Krankheitsfällen tritt die erwiesene „pathologische Struktur¬ 
änderung“ der Zellmembran ein, die bekanntlich gleichfalls die Zellfunktion physi¬ 
kalisch-chemisch verändert. 

Wozu also die unwissenschaftliche, weil undefinierbare und unbestimmbare, 
unmeßbare Hypothese der Lebenskraft, die zu nichts andrem verhelfen kann, als 
zur eignen Hinwegsetzung über fehlende Experimentalergebnisse? Be¬ 
deutende und exakte Forscher wie Hamburger u. v. a. geben zu, daß mit fort¬ 
schreitender Erkenntnis die „Lebenskraft“ immer mehr verblaßt und durch 
physikalische Kräfte ersetzt wird. Verlassen wir doch endlich die vitalistisch- 


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Zur Begründung der wichtigsten Frage der klinischen Osmologie. 


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philosophische, unklaren Anschauung, die den Fortschritt hemmt! Alle bisher als 
vitale Funktionen angenommenen Erscheinungen hat die moderne Os- 
mulogie als physikalische Prozesse erwiesen oder sehr wahrscheinlich 
gemacht. Die Ermüdung und der Schlaf lassen sich ohne weiteres mit der bekannten 
..Ermüdung und Erholung nach Ruhe“ einfacher elektrischer Elemente einwandsfrei 
vergleichen; die Nahrungs-Einverleibung geschieht durch physikalische Permeation 
und besonders Ionenwanderung, die beide noch nicht genügend durch Versuche 
geklärt sind, aber doch hinreichend alle Beobachtungen erklären; Degenerations¬ 
prozesse sind offenbar die experimentell erwiesenen pathologischen Struktur¬ 
änderungen, die Degenerationsstoffe (Fettsäuren u. a.) endosmotisch permeieren 
lassen. 

Auch die Vorgänge der „Vergiftung“, der „Lähmung“ gewisser 
Wirkungen, und der „Erholung“ nach einer Vergiftung sind im direkten 
Experimente am anorganischen leblosen Material zu studieren. Ja, 
diese Analogie des Leblosen mit dem Lebenden geht sogar so über¬ 
raschend weit, daß bei gleicher Konzentration bestimmter Stoffe (Platin) 
die quantitative Wirksamkeit aller Präparate nicht stets gleich, sondern 
abhängig vom Alter (!), von der „Vorgeschichte“^!), der Bereitungsart 
und andern Faktoren“ des toten Metalles ist, eine höchst seltsame Tat¬ 
sache, die van Bemmelen als „Hysteresis“ bezeichnet. Gewisse Stoffe sind 
wirksam, ohne sich zu verändern, in denkbar minimalsten Mengen. Diese Wirk¬ 
samkeit kann gelähmt werden durch den Zusatz andrer Stoffe und von dieser 
Zähmung seiner Wirksamkeit kann sich der erste Stoff allmählich wieder erholen! 
Ein Beispiel genüge, um auch die undenkbar minimalen Stoffmengen zu charak¬ 
terisieren: Die intensive katalytische Wirkung von 0,000 006 Gramm kolloi¬ 
dalem Platinmetall auf die Wasserstoffsuperoxyd-Zersetzung wird um die Hälfte 
verringert durch den (die Wirksamkeit des Platins) vergiftenden Zusatz von nur 
0.000000 001 Gramm Blausäure. Nach einiger Zeit erholt sich das Platinmetall 
von der Vergiftung wieder zur früheren Wirksamkeit! 

Die Tatsache, daß die rechnerisch gewonnenen Zahlen nicht stets ganz 
präzis, stets aber mit großer Annäherung mit den Experimentalergebnissen 
übereinstimmen, ist unsrer noch nicht genügend geklärten Erkenntnis der [Ionen- 
Bindungs- und Verteilungsverhältnisse zweifellos zuzuschreiben. Wie wollen wir 
denn osmotische Druckmessungen präzis deuten, wenn wir die elektrolytische 
IAssoziation und Bindungsfähigkeit der Ionen, ja noch nicht einmal die physio¬ 
logischen Permeationsverhältnisse mit hinreichenden Beweismitteln studiert haben? 
Hier müssen wir also ein ehrliches Nescimus bekennen, nicht aber die bequem 
addierbare (weil man sie nicht messen und ihre Größe nach Belieben „den Be¬ 
dürfnissen anpassen“ kann) Lebenskraft, die wir als erblich belastendes Geschenk 
der mittelalterlichen dogmatischen Ärzteschule übernommen haben, additiv hinzu¬ 
fügen und dann mit Selbstbewußtsein erkennen: Nun stimmt es. 

Wir wissen, daß die Gesetze der Atome, der Kapillarität und andrer physi¬ 
kalischer Tatsachen der Osmose seit vielen Jahrzehnten bekannt sind (1804 Daltons 
Atomtheorie; 1827 Dutrochets Osmoselehre), und dennoch hat sich die exakte 
Forschung nur schleichend in die Medizin eingebürgert und ist erst seit wenigen 
Jahren zu größeren Rechten gelangt, da wir eine „Lebenskraft“ hatten, die alle 


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physiologischen und pathologischen Vorgänge erklärte, wie der Kenner der medi¬ 
zinischen Literatur sehr wohl weiß. Das sind also diskutierbare Kapitel des 
Hamburgerschen großen Werkes. 

Weiterhin beweist der Autor, daß Salzlösungen, wie sie also auch die 
Nahrung darstellt, das Volumen des Darmepithels erheblich ändern können, und 
Hamburger charakterisiert mit Recht diese Vorgänge als besondere physio¬ 
logische Zustände, die künstlich auch durch Magnesiumsulfate und Schwefelsäure 
hervorzurufen sind. Von den weiteren Ergebnissen ist bemerkenswert, daß nicht 
Salze, sondern die gespaltenen Moleküle, die Ionen, durch Zellen hindurch¬ 
wandern, eine Tatsache, welche die hohe Bedeutung der Ionentheorie für die 
Medizin klarlegt. 

Bekanntlich hat Virchow als Erster darauf hingewiesen, daß bei 
Infektionskrankheiten die sogenannte trübe Schwellung beobachtet werden 
kann, die Virchow als nutritive Irritation deutete. Von den Osmologen griff 
als Erster J. Cohnheim diese Annahme Virchows an, und Hamburger selbst 
führte sie auf osmologische Ursachen zurück, nachdem die Frage 20 Jahre 
geruht hatte (bestätigt von Koväcs unter v. Koränyi, von Loewy u. a.). Nach 
Hamburger wirft die Zellschwellung von Leber, Milz und Niere durch 
Einwirkung von Kohlensäure und HCl Licht auf das von Virchow irrtümlich 
angenommene Wesen der trüben Schwellung. Loeb hat in geistvoller Weise 
die von andren Autoren aufgedeckte Tatsache, daß schon geringe Salzmengen, 
die zur Ausfällung kolloidaler Lösungen nicht hinreichen, die physikalischen 
Eigenschaften (Viskosität u. a.) der Lösung zu ändern vermögen, dazu benutzt, 
den Ioneneinflnß geringer Salzmengen auf die Zellteilung bei der Eifurchung und 
auf die Zuckung bei Muskelreizung zu erklären. Zikel hat diese sichere Beob¬ 
achtung benutzt, um den Einfluß permeierender, geringer Salzteilchen auf die 
Zustandsändemngen des Protoplasmas (Viskosität u. a.), um den Einfluß größerer 
Quantitäten auf die Gerinnung des Eiweißes im Zellinhalte bei pathologischen 
Änderungen der Zellmenbran hinzuweisen. Auf die Zustandsänderungen des 
Eiweißes wirken ein: 

1. Geringe Salzmengen (physikalische Konstanten ändernd). 

2. Größere Salzmengen (ausflockend). 

3. Galvanischer Strom (je nach der chemischen Natur, nach der Anode oder 
Kathode bewegend). 

4. Alkaleszenz der Lösung und galvanische Stromwirkung gleichzeitig. 

5. Säuregrad der Lösung und galvanische Stromwirkung gleichzeitig. 

Man erkennt hieraus, wie im Sinne der älteren Ärzteschule der 
Humoralpathologen die Zellen im gesunden und kranken Organismus 
in beständiger minutiösester Abhängigkeit von der geringsten Zu¬ 
standsänderung des Blutes resp. der umgebenden flüssigen Medien 
(Gewebsflüssigkeit etc.) stehen, und wie relativ geringe Zustauds¬ 
änderungen des Blutes genügen, um den Zellinhalt und damit die Zelle 
in pathologischer Weise zu verändern! 

Nach Bredig spielt hierbei die Oberflächenspannung bei derartigen 
Vorgängen eine bedeutsame Rolle, und man wird hiernach ermessen, eine wie 
wichtige Bereicherung unsre zellpathologischen Kenntnisse die von mir in die 


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Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologic. 149 

klinische Forschung eingeführte Methode der Prof. Tr au besehen Stalagmometrie, 
>iie in direkter Abhängigkeit zur Oberflächenspannung der Lösungen steht, gewinnt. 

Nach Nernsts osmotischer Theorie der Stromerzeugung, der auch neuere 
Autoren beitraten, senden die Kolloidteilchen elektrisch geladene Ionen aus. 
Hamburger glaubt, daß die therapeutische Wirkung kolloidalen Silbers, trotz der 
Elektrolyte des Serums, durch die im Serum und in den Zellen vorhandenen 
kolloidalen Eiweißstoffe ermöglicht wird. Ja, es sind neuerdings Autoren auf- 
cetaucht. welche die Quecksilberwirkung und die Eisentherapie auf derartige 
Prozesse zurückzufuhren geneigt sind. 

Ich möchte mich dieser Ansicht nicht eher anschließen, als bis gezeigt wird, 
daß das mit großer Affinuität zu den Metallen begabte Chlor überhaupt kolloidales 
Metall, d. h. reines, ungebundenes Metall, zur Wirkung gelangen läßt. Das 
ist an sich wohl unwahrscheinlich bei den im Serum vorhandenen Quantitäten von 
' "hlorionen. Dagegen schließe auch ich mich den Ergebnissen von Hamburger 
an. daß anorganische Kolloide auf organische Stoffe katalytisch wirken: wie 
gesagt, handelt es sich nur um Bedenken gegen die Versuchsanordnung der 
Autoren. 

Wir wissen ferner, daß auch organische Katalysatoren im Körper (Fermente) 
wirksam sind, die aber, und das ist eben die wichtigste Tatsache, hauptsächlich 
in einem Temperatur-Optimum wirksam sind, also bei erhöhten oder er¬ 
niedrigten Temperaturen des Körpers an Wirksamkeit einbüßen. 
E Fischer hat fernerhin gezeigt, daß ein Ferment nur im geeigneten Substrat 
wirken kann. Man hat erwiesen, daß Skelettmuskeln in Salzlösungen 
spontan rhythmische Zuckungen bis 48 Stunden lang zeigen, und zwar 
lediglich in Elektrolyten-Lösungen; es handelt sich demnach auch hier um Ionen¬ 
wirkungen. Gewisse Ionen rufen Erregbarkeitsformen in Nerven und 
Muskeln hervor, die unter normalen Bedingungen nicht bestehen, und 
L«eb führt Neurose und besonders Hysterie auf derartige patho¬ 
logische Ionenwirkungen mit konsequenten, abnormen Erregbarkeits¬ 
zuständen mit Recht zurück. 

Aus derartigen Versuchen läßt sich sehr gut praktisch Wertvolles fiir die 
Nerv ent herapie erschließen. 

Auch hier weist eben, wie in der gesamten Osmologie im Gegensätze zur 
Zellularpathologie, die pathologische Erkenntnis auf den Weg, der zur 
Therapie führt; man hat die pathologisch-wirksamen Ionen, ihren Effekt und ihre 
Neutralisierung und Bindung zu studieren und demnach den Heilplan aufzustellen. 

hat sich gezeigt, daß reine Salzlösungen als Gifte wirken, besonders 
auch Chlornatriumlösungen, so daß schwere Bedenken gegen die physio¬ 
logische Kochsalzlösung erhoben worden sind, und wenn man meiner 
Ansicht nach nicht recht die Tatsache gewürdigt hat, daß im Blute Mischungs- 
-nbstanzen hinzukommen, die also die tatsächliche Giftwirkung neutralisieren, so 
Iiabe auch ich mich im Lehrbuche nicht der Erkenntnis verschließen können, daß 
man nicht reine Kochsalzlösungen injizieren soll, sondern schon a priori neutra¬ 
lisierende Mischungssalze in geringen Mengen hinzufügen möge. Als Erster hat 
v. Poehl ein - sal physiologicum zusammengesetzt (Zeitschr. f. diät. u. physikal. 
Therapie 1900. Bd. IV, Heft 1), das den Blutverhältnissen entsprechen soll, und es 


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150 


H. Zikel 


bleibt abzuwarten, welche Erfahrungen man auf Grund fortschreitender Studie 1 
auf diesem wichtigen Gebiet erzielen wird. 

Bewiesen ist die Giftwirkung durch junge, frisch ausgeschlüpfte Seefisch« 
Fundulus, die im Seewasser und sogar destillierten Wasser beliebig lang lebten 
in reinen Salzlösungen aber sofort abstarben. 

Ein Schildkrötenherz hört in reiner Kochsalzlösung zu schlagen auf; bei 
Zusatz von Ca- und K-Ionen lebt es wieder spontan auf! 

Für das Menschenherz gelten die gleichen Befunde; man soll daher 
v. Poehls physiologisches Salz, ja nach einigen Autoren sogar Meerwasser (Aninton) 
oder die Ringersche Lösung (Langendorff, Hueck, Ringer) benutzen, da 
Kalzium-Ionen in der Tat die Herzfunktionen erhöhen! 

Die Injektionsflüssigkeiten dürfen, welche Lösung man auch wähle, den Befund 
von — 0,56 0 am Pektoskop nicht überschreiten! 

Es läßt sich weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Grund der bis¬ 
herigen Versuche annehmen, daß für die Erregungsleitung in Nerv und 
Muskeln nicht die Anionen und nicht die ungespaltenen Salze, wie 
man annimmt, sondern besonders die Natriumanionen wirksam sind. 
Gesichert können aber diese Verhältnisse erst durch weitere Experi- 
mentaluntersuchungen werden. Es können nämlich auch die Anionen motorische 
Nerven beeinflussen. Die ganz parallele Wirksamkeit auf metallische Kolloide und 
auf organische Bilder läßt auch hier das Spezifische der Lebensprozesse verwerfen, 
und auch Hamburger ist „unwillkürlich geneigt“, wie er sich vorsichtig ausdrückt, 
infolge dieser „merkwürdigen“ Tatsachen „zwischen den besprochenen Modifikationen 
von vitalen Prozessen und den Zustandsänderuugen anorganischer Kolloide einen 
kausalen Zusammenhang zu vermuten“. Säuren und Basen können genau analog 
dem elektrischen Strome (wohl durch die elektrische Ladung ihrer eignen Ionen) 
die Nerven reizen; man muß bewundern, wie äußerst intim diese Beziehung 
der Blutbeschaffenheit zur Reizung und Erkrankung der Nerven steht. 

Auch für die ophthalmologische Pathologie und Therapie beginnt 
dieOsmologie bahnbrechend zu arbeiten. Man hat präzis die Konzentrationen 
der Salzlösungen bestimmt, bei denen Reizung der Tränendrüse, Schmerzempfindungen, 
die Neigung, die Augenlider offenzuhalten, und die lebhafte Tendenz, sie ener¬ 
gisch zusammenzukneifen, ausgelöst werden. Diese Reize hängen also von osmo- 
logischen Faktoren ebenfalls ab! Humor aqueus, Glaskörper und Linse sind 
hyperisotonisch. Man erzeugt künstlich Katarakte der Linse durch Ein¬ 
verleibung bestimmter Salzlösungen. Man hat gefunden, daß die Linse 
des Auges für Konzentrationsunterschiede sehr empfindlich ist. Diese Empfind¬ 
lichkeit äußert sich in Trübung und Gewichtsveränderungen der Linse. 

Man wird hiernach ermessen können, von wie hoher Wichtigkeit diese 
Studien für die Pathologie und für therapeutische Versuche bei der Katarakt¬ 
bildung sind. Man hat ferner die Permeabilitätsprozesse und ihre Einwirkung 
auf die Gewebe des Auges experimentell zu untersuchen begonnen. 

Von überraschend hoher Wichtigkeit erwies sich die osmologische 
Forschung für die Embryologie. Man hat hierbei hochinteressante Tatsachen 
aufgedeckt, die mit den besten Entdeckungen der Medizin an Bedeutung wetteifern. 
Es hat sich gezeigt, daß man im einfachen Versuch auf streng osmo- 


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Zur Begründung der wichtigsten Fragen der klinischen Osmologie. 


151 


logischem Wege (durch Konzentrationsänderung und Ionenwirkung) künstlich 
die Eier vieler Echinodermen parthenogenetisch, also unbefruchtet zur Ent¬ 
wicklung bringen kann; man hat eruiert, daß Ionen des Kalzium-Metalls 
auf die Eier mariner Ringelwürmer befruchtend wirken, und dem¬ 
nach schwimmende Larven aus unbefruchteten Eiern gezüchtet. Aller¬ 
dings entwickeln sich durch Samentierchen befruchtete Eier rascher, als künstlich 
durch das Kalzium-Metall befruchtete. Man hat gelernt, künstlich Zwerg¬ 
formen. Riesenembryonen, einzelne Embryonen und aus einem Ei 
Zwillings- und Drillings- etc. Embryonen (als Zwerglarven) nach 
freier Willkür auf rein osmologischem Wege zu erzeugen. Man hat 
die Katalysatoren festgestellt, welche die Eizellen vom Tode retten 
t Spermatozoen-Wirkung). Loeb fand im Cyankalium einen Stoff, der dem aktiven 
Absterbungsprozeß entgegenwirkt und somit die Lebensdauer verlängert. 
Also auch hier tritt die auffallende Wirkung dieses nicht organisierten Kataly¬ 
sators hervor. Der Stoffwechsel und Austausch von Substanzen zwischen Mutter 
und Fötus beim Menschen hat gleichfalls bedeutsame Aufklärungen bisher er¬ 
bracht. So ist die strittige Frage der Allantoisflüssigkeit dahin entschieden 
worden, daß sie fötalen Ham enthält. Der Fötus enthält ein größeres Volumen 
Blutkörperchen und höhere Resistenz gegen Zerstörung durch schwache Salz¬ 
lösung. als die Mutter. Ferner betont Hamburger, daß die Osmologie in fast 
allen Zweigen der Medizin „vieles Unverständliche erklärt“, „in verschiedenen 
Kidfrnngen neue Tatsachen zutage gefördert und Ausblicke eröffnet“ hat, am 
fruchtbarsten aber „auf dem Gebiete der Pharmakologie“ war. 

Auch hier hat man die Richtigkeit der Theorie der spezifischen Membranstruktur 
erkannt: so wirkt Curare störend auf die peripheren Endigungen der motorischen 
Nerven, Strychnin vorzugsweise auf bestimmte Teile des Rückenmarkes, Kohlendioxyd 
auf die Erythrocyten ein. Die Bestimmung der Giftigkeit, die Dosierung der Medi¬ 
kamente, die Wirkung der Narkotica, der Quecksilbertherapie, der Desinfektion, 
der Salze, Basen und Säuren unsres Heilschatzes, die Bildung pathologischer 
Harnsäure- und andrer Konkremente nebst ihrer Therapie, das Studium der 
Mineralwässer in ihrer Beeinflussung des menschlichen Körpers, — in all die 
neuen Tatsachen auf diesen bedeutsamen Gebieten hat die osmologische Forschung 
Licht gebracht und wird bei ernst und eifrig fortschreitender Forschung mit ver- 
vollkoinmneten Methoden unaufhaltsam unsere Medizin wesentlich zu fördern ge¬ 
eignet sein. 

Zum Schlüsse sei eine soeben erschienene Arbeit des Heidelberger Klinikers 
Schönborn: „Gefrierpunkts- und Leitfähigkeits-Bestimmungen“ erwähnt. Das 
Buch ist unberechtigt pessimistisch gefärbt und auch wegen der häufig nicht 
einwandfreien Technik (Schönborn bedeckt u. a. das Gefrierthermometer nur 
zu 3 / 4 mit Untersuchungsflüssigkeit!) dem nicht Eingeweihten unbedingt zu wider¬ 
raten; dem Forscher aber bringt es eine große Reihe wichtiger Untersuchungen 
von Schönborn. 


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Carl Mirtl 


IV. 

Ein neuer Heißluftapparat. 

Beitrag zur Technik des Verfahrens. 

Von 

Dr. Carl Mirtl, 

Kuranstalt Meerscheinschloß, Graz. 

Aus zweifachem Grunde scheint mir die Frage der Heißlufttherapie einer 
kritischen Besprechung wert. 

I. Weil dieses therapeutische Hilfsmittel bis nun fast ausschließlich nur in 
den bemittelten Kreisen zugänglichen Anstalten, Bädern etc. Eingang gefunden 
hat, in seiner wirtschaftlichen Bedeutung jedoch in der Kassenpraxis — in den 
Anstalten für die arbeitende Bevölkerung — zu wenig Würdigung gefunden hat. 

II. Weil ich in der Technik des Verfahrens sowohl vom Standpunkte einer 
exakten Auffassung der in Betracht kommenden chemischen und physikalischen 
Axiome, als auch aus anderen Zweckmäßigkeitsgründen Neuerungen und Ver¬ 
besserungen für geboten erachtete. 

Ad I. Ich kann mich hier kurz fassen und folgende Erfahrungssätze auf¬ 
stellen. 

1. Gerade unter der arbeitenden Klasse ergeben sich eine Unzahl von 
Krankheitsfällen — Rheumatismus, Frakturen und Luxationen, Phlegmonen, ins¬ 
besondere der Hand etc. — die über das Stadium der eigentlichen Krankheits¬ 
behandlung (sei es medikamentösen, sei es chirurgischen) hinaus noch lange und 
länger, als es nach dem Stande der Therapie von heute nötig wäre, arbeits¬ 
unfähig und daher unterstützungspflichtig bleiben, und zwar nur deshalb, weil es 
dem betreffenden Spitale an den Mitteln für rationelle Nachbehandlung mangelt. 

2. Unter den, für derartige Nachbehandlungen in Betracht kommenden Ver¬ 
fahren spielen intensive. Wärmeapplikationen, teils selbständig, teils als vor¬ 
bereitende und unterstützende Prozeduren für orthopädisch-gymnastische Verfahren 
eine sehr große Rolle, und unter diesen ist wohl die lokale Trocken-Heißluft- 
therapie das intensivste, reinlichste, leichtest erträgliche und im Betriebe un¬ 
abhängigste, billigste Verfahren. 

3. Als prompte, wirkungsvolle Nachbehandlung verringert sie: 

a) die Nachbehandlungsdauer und Gefahr der Rezidive (spart Krankentage 
— spart Krankengelder), 

b) den Prozentsatz der dauernd Invaliden — spart an Unfallsrenten und 
vorzeitigen Pensionen), 

c) kann sie unabhängig von der Jahreszeit an die Stelle der viel kost¬ 
spieligeren Badekuren treten. 


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153 


Ein neuer Heifiluftapparat. 

Diesen eminenten wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber spielen die einmaligen 
Anschaffangskosten und die minimalen Betriebskosten von wenigen Pfennigen für 
Spiritus- oder Gasheizung kaum eine Rolle, und halte ich aus diesen Gründen die 
Einführung der Heißlufttherapie in die Kassen, Werksspitäler etc. geradezu für 
ein wirtschaftliches Gebot. 

Ad. II. Allen bisherigen Systemen haftet als Heizvorrichtung der mehr oder 
weniger modifizierte Quinkesche Schornstein an, und hier setzt eine Irrlehre ein. 
Es heißt: Aus dem Quinkeschen Schornsteine strömt überhitzte, trockene Luft. 

Aus einem Schornsteine strömt aber nie Luft, sondern ein Gemenge von 
Verbrennnngsprodukten. Diese sind, wenn wir chemisch-reinen Äthylalkohol be¬ 
nützen, nach der Formel 

C 2 H 5 OH + 6 (0 + 4 N) — 2 C0 2 + 3 HaO + 24 N 
Kohlensäure, Wasserdampf und der Stickstoffrest der Luft. 

Uns interessiert vor allem der Wasserdampf; denn legen wir schon einmal 
— und wir tun es mit Recht — bei der Heißlufttherapie Gewicht auf die 
Trockenheit des die Körperteile umgebenden Mediums, damit schon am Orte der 
Wärmeeinwirkung durch prompte Schweiß Verdampfung eine regulatorische Haut- 
abknhlung stattfinde und daraus eine nur möglichst geringe Beeinflussung der 
Allgemeintemperatur resultiere, so dürfen wir die aus dem Quinkeschen Beheizungs¬ 
modus entspringende Anreicherung des Apparatraumes an Wasserdampf nicht 
übersehen. 

So läßt sich denn, da bei der Verbrennung von 100 g reinem Äthylalkohol 
117.4 g Wasser entstehen, von 125 g 80 °/ 0 Brennspiritus (der Durchschnitt pro 
*'j ständige Prozedur) sogar 142,4 g Wasser, da ferner bei Gasheizung dieses 
Verhältnis durch enormes Prävalieren von Wasserdampf unter den Verbrennungs¬ 
produkten ein noch ungünstigeres ist, unschwer feststellen: 

1. Daß die Menge des in den Apparatraum strömenden Verbrennungswassers 
jene des Schweißwassers erheblich übersteigt, ja, je nach dem individuellen Leicht- 
nnd Schwerschwitzen des behandelten Körperteiles, das drei- bis neunfache des 
Sehweißwassers ausmacht, mithin der Quinkesche Beheizungsmodus die Kardinal¬ 
ursache für die so unerwünschte „rasche Umwandlung der Heißluft- in Dampf¬ 
kästen“ ist, resp. dieselben a priori zu Dampfkästen macht. 

2. Daß der Taupunkt der aus dem Quinkeschen Schornsteine strömenden 
..überhitzten trockenen Luft“, besser Verbrennungsgasmenge, bei mittlerer Flamme 
zwischen 42—45° C liegt, mithin diese Atmosphäre mit Rücksicht auf Körper¬ 
temperatur nicht nur nicht einmal „relativ trocken“, sondern sogar „als mit Wasser¬ 
dampf übersättigt“ bezeichnet werden muß. 

Damit erscheinen „Trocken-Heißluftapparat“ und „Quinckescher Schorn¬ 
stein“ ein für allemale als völlig heterogene, unvereinbare Begriffe und ergibt sich 
l ogisc herweise, [da die Entwässerung der hochtemperierten Verbrennungsgase vor 
dem Eintritt in den Apparatraum ein recht müßiges, jedenfalls aber im Betriebe 
recht kostspieliges Beginnen wäre, das Postulat, ^ einem Trocken-Heißluftapparate, 
wenn er wirklich einer sein soll, wirklich nur angeheizte, atmosphärische Luft 
zozufuhren. 

Sind wir so weit, so haben wir unsere Aufmerksamkeit der zweiten Grund¬ 
bedingung zuzuwenden, das ist der Trockenerhaltung. 

Ztttulr. t Ult. a. ph/eik. Therapie Bd. IX. Heft 3. 11 


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Nach physikalischen (Gesetzen vergehend. erfüllen wir damit gleichzeitig 
eine dritte Bedingung, id est wir erleichtern eine gleichmäßigere Temperatur- 
Verteilung. 

Der den zu behandelnden Körperteil umgebende Kasten, in welchen durch 
ein Rohr die hochtemperierte Luft zugefiibrt wird, verlangt nach einer Gegen- 
örtnung, durch welche die, am meisten abgekühlteu und feuchtesten, daher schwersten 
bodenständigen Schichten abgesaugt werden, ich sage abgesaugt, weil nur von 
einem Saugrohre die Abfuhr auch höher als die Zimmerluft temperierter Luft 


gewährleistet ist, woraus ein rascheres Tieferrücken der hohen, wärmsten und 
trockensten Schichten, mithin auch geringere Temperaturunterschiede sich ergebe». 

Hier einige Worte über die Schichtung, respektive die Temperaturunter¬ 
schiede in den verschiedenen Höhen des Apparatraumes. 

Ich bekämpfe sie, will sie einschränken, ohne sie aufheben zu wollen, denn 

1. hieße das gegen den Strom schwimmen zu wollen, 

2. sind wir, weil die Temperaturschichten gleichzeitig Feuchtigkeitsschichteil 
sind, zwecks Entwässerung darauf angewiesen. 

3. endlich ist sie bei den versclüedentlielien Applikationen teils völlig irre¬ 
levant (z. B. die mehr Hächenhafte Bauchapplikation), teils homolog korrespon¬ 
dierend: derbere Haut in höherer, zartere Haut in niederer Temperaturschichte. 
(Schulter. Arm. Knie.) 


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Ein neuer Heißluftapparat. 


155 


Deshalb habe ich auch von der schon anderweitig wiederholt versuchten 
Luftzufuhr durch einen Doppelboden Abstand nehmen können, welche Anordnung 
neben entschiedenen Vorzügen doch auch unleugbare Nachteile hat. (Unmöglich¬ 
keit der Applikation im Bette, die vielen Kranken unsympathische und die 
Kontrolle der Flamme erschwerende Anordnung der Feuerstelle unter dem Beleg¬ 
kasten.) 

Mein Apparat 1 ) besteht, wie ein Blick auf Fig. 21 lehrt, aus einem runden, 
innen mit einer Asbestkleidung versehenen Blechmantel (I) mit horizontalem Boden 
arid unter 45° geneigtem Dache. 

An der niederen Seite, nahe dem Boden, befindet sich die Heizöffnung (4) 
für einen fast bis zur Horizontalen geneigten Bunsenbrenner oder seitlich wirkende 
Spiritusflamme, deren Fortsetzung ein mehrfach auf- und absteigendes Rohr (5) 
bildet. welches endlich das Dach als Schornstein (6) durchsetzt. 

An der hohen Seite des Mantels befindet sich bodenständig die Öffnung (3) 
für den Eintritt der kalten Luft; hochständig knapp unter dem Dache das etwas 
weitere Rohr (7) für die ausströmende Heißluft, die hier durch den lebhaften 
Auftrieb des bis auf die Hälfte, ja auf ein Drittel verringerten spezifischen 
«rewichtes entweicht. Über dieses zylindrische Rohr läßt sich leicht ein Zulauf- 
rohr des Kastens (H) anstecken, dem an seiner Einmündung in den Kasten die 
eine zweckdienliche Zerstreuung des Luftstromes bewirkende Blende (13) vorliegt. 

Zum Zwecke der Trockenerhaltung des Luftraumes übernimmt ein nach dem 
erweiterten Schornsteinaufsatze (16) leitendes Rohr (8) die Absaugung der boden- 
rtiDiiigen kühlen und durch Schweißverdunstung angefeuchteten Luftschichten 
aus dem Belegkasten und deren endgültige Eliminierung gemeinsam mit den 
Yorbrennungsgasen. 

Der Betriebsvorgang ist also folgender: Eintritt der Zimmerluft in die 
untere Öffnung des Ofenmantels — Anheizen derselben — Auftrieb nach dem 
Belegtasten — daselbst teilweises Abkühlen und Aufnahme von Schwei߬ 
wasser etc. — Absaugen und Eliminierung der zu Boden sinkenden, kühlen 
Fonrhtluft durch den Schornstein, und wir haben, was wir eben fordern mußten, 
eitlen mit wirklich trockener, ohne Vermengung mit feuchten Ver- 
trennnngsgasen angeheizter atmosphärischer Luft beschickten, durch 
Druck- und Saugwirkung richtig ventilierten, daher auch einwandsfrei 
fr-cken zu haltenden Apparat vor uns. 

Die Figuren 22, 23 und 24 zeigen vergleichend den Gehalt an Wasser- 
cimpf (Verbrennungswasser aus dem Schornsteine + Schweißwasser). 

Nach nunmehr zweijähriger Erprobung meiner Apparate kann ich wohl 
>agen. daß mich dieselben sowohl in ihren technischen als therapeutischen 
Leistungen vollauf befriedigen und ist es insbesondere das letzte hier abgebildete 
Modell, welches so wenig Betriebskosten macht, daß sich jedes Krankenkassen- 
-ior Bruderladen-Spital damit ausrüsten kann. 

Bezüglich der Belegskasten habe ich den verschiedenartigsten Ansprüchen 
Keimung tragen lassen, und zwar: 


1 Österr. Pat. Nr. 17172/19 555, Ungar, Pat. Nr. 31 711, 
icgenuddet. 


D.-R.-G.-M. — Auslandspatente 
11 * 


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C&rl Mirtl, Ein neuer 


1, den BedUrfaissea des. Arztes ejaitsiirhrbßiifl, ^m'^tAyerftil- 

AaschlaÖfitftcli? Vorgesehen,- welches soch ungemein leicht, improvisierend ergänz«, 
durch die »Wichen Hbifeö und Wolldecken für alle Ivfirperteile. verwenden läiie 

2. eine -sögenairote .,SpitÄl?gan»ttir‘\ Ix- 
;• »leitend (Hand 

SclHilt;er ( Kreuz oder Interkostalgegend, Hfith 
rechts and links, Knie« Fuß, Bauch), welche natw- 
eina&der kombinierbar und fuj- sile Fällp a«e 
reicheud Sind,, so liisbesuiideH* Aneh der Bande 
Apparat, W{ehß'ch%®es&eB^ 

v. StoffanleiJe von der Fußsohle M?; Kam Kippenbogx» 
\V reichend, bet schwacMr Heizung auch. zur Ein 
\ \ leitang «ie«'ABg^i!^a^s»cte»Hb^5P^^^psr«r*fca^(^Ä4eii 
sO\ kann, wobei Eö^nehlöerw®^«' die Bliide aow 
Herzgegend petzfere ßir emeii KiiUleit-} frei bleiben; 
%,! 3» SänatoriumsgaiiaitureH 


. :..:%C22C- 

System fIr M i ri 1 


in der bisherißwt 

MaimigMti gkeif der eteblitten Kasten in beliebige 
A.0swahh jnkhwfw Wrnchttiäg zur HeißittfbbLsek. 

ißiii|$freii Kasw 

awhuigt, habe ich nur insofern ■eine AhweiefcöJif 
für kw ecknißJäig erachtet, als ich alle Apparate, die in llegepder Stellung applizieti 
werden, als einfach überzustülpend*„fllocke“ bauen ließ, derart, daß )ede< 
fflühsÄthe; und oft Schinerafui yerirrsaehendo Hineiitfrirhen in. rtdirenfSnfiige Kasten 
entfällt. 


Köln VfrbrccDuut'swasscr. 
Schweißwjs?er in arÜBdicyr ; Abfuhr 
zu TraikmicrhaUiHig de* Ranuioa. 


wobei sich die riehttgo und hotjuemste Lagerung in der leichtesten natl 
für den Patienten schoaendsten Art erreichen läßt. 

.^üm^'Si^gpsl 5 gtättbe 'Agh, hei der immer weitere .Ärzte- lanl P&tieHtenkre'J* 
interessiei^wdOfl' ifteUiodfkt' IiKÜkatjoue« und Erfolge füglich als bekannt mam 


Typen, ton ituinckcsckeji Kystomen. 




oü *ugfcflihrteni Tarbrcanuiigswaieser, 
SbtwitflfiOrBHg dpr Atf»ospl$re erst nitch 
i , ;issie«‘ü dca Kötp«flc.Öes. ; L-'; 


R c x v b) fr tuv-Mcp gßn 
XfrknUtii)» oli»r MOgliebkeit äni 
Eficiinferuiig des Was^ejilampfos. 




Berichte über Kongresse und Vereine. 


157 


setzen zu dürfen und nur eine Frage streifen zu sollen, die fast jeder Arzt, dem 
ich meine Apparate gezeigt, stellte: „Welche Temperaturen werden angewendet, 
bis zu wieviel Graden kann man ansteigen lassen?“ 

Das erste und wichtigste Thermometer ist der Patient selbst, seine subjek¬ 
tiven Angaben, -bei ausgedehnteren Applikationen auch die Kontrolle von Puls, 
Atmung und Körpertemperatur durch den mindestens bei den ersten Applikationen 
stets anwesenden Arzt, dem dann das aus dem Kasten ragende Thermometer nur 
zum Hilfsinstrumente für das Tempo des Temperaturanstieges und Erhaltens, 
nrsp. für die Flammenregulierung wird. 

So ermittelt man innerhalb der ersten drei bis fünf Sitzungen gradatim leicht 
und ohne Risiko die individuelle Toleranz für den betreffenden Körperteil und 
irird im weiteren Verlaufe eigener Erfahrung ohne unangenenehme Überraschung 
zu dem Resultate kommen, daß die Toleranzgrenze zwischen 80 bis 125° C liegt, 
nnr ausnahmsweise darüber. 

Preis je nach der Reichhaltigkeit der Garnituren von 75 Mark an. 


Berichte über Kongresse und Vereine. 

Der XXII. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden 
vom 12.—15. April 1905. 

Berichterstatter: Dr. W. Alexander (Berlin). 

Unter dem Vorsitz von Erb (Heidelberg) tagte vom 12.—15. April in Wiesbaden der 
XXII. Kongreß für innere Medizin. Aus allen Teilen Deutschlands waren zahlreiche Ärzte er¬ 
schienen und bezeugten durch ihre rege Teilnahme bis zur letzten Sitzung, daß sie auch diesmal 
ut dem Kongreß für innere Medizin das fanden, was sie erwartet hatten: manches beachtens¬ 
werte Resultat emsiger Arbeit und reichliche Anregung für die Zukunft. 

Nach einer kurzen Begrüßung der Teilnehmer widmete Erb zunächst den Toten des ver¬ 
lesenen Jahres einen warmen Nachruf; von dem Leben und Wirken der drei bedeutendsten 
uter ihnen: Riegel, Weigert und Finsen, gab er in kurzen, markanten Zügen ein anschau¬ 
liches Bild- Seine Eröffnungsrede begann er mit einem lichtvollen Überblick über die Entwicklung 
is 1 die Fortschritte der Medizin und der Naturwissenschaften überhaupt, um dann auf sein 
•ii-entliehes Thema einzugehen: Die Stellung der inneren Medizin zur ärztlichen Praxis 
vjr Wissenschaft und zum Unterricht Indom er zunächst die soziale Seite des ärztlichen 
Berufes beleuchtete, verschloß er sich nicht der Einsicht von dem Niedergange des ärztlichen 
Standes und erörterte dessen Ursachen. Vielfach bestehen nicht zu verkennende Mißbräuche, 
neben der übergroßen Konkurrenz zu diesem Sinken des Standesansehens beigetragen hätten : 
n hohe Honorarforderungen, Gründung riesenhafter Sanatorien mit dem offensichtlichen Stempel 
•it* geschäftlichen Unternehmens, und andre mehr. In bezug auf die Stellung der inneren 
Me<lizin zur Wissenschaft habe sich manches gegen früher geändert, die universelle Stellung sei 
ihr zum Teil verloren gegangen. Zu ihrem Schaden sei eine Absplitterung zahlreicher Gebiete 
eingetreten, z. B. der Neurologie, eines Faches, deren enge Zugehörigkeit zur inneren Medizin 
heute noch ebenso unzweifelhaft sei wie früher. Auch bei dem Unterricht in der inneren 
Medizin mache sich diese Spezialisierung störend bemerkbar, wie überhaupt das ganze Unter¬ 
richtswesen neue Bahnen einzuschlagen im Begriff stehe. Unter Hinweis auf die ärztlichen 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 

Fortbildungskurse, die Akademien und andre Institutionen jüngeren Datums, enthält sich Erb 
einstweilen eines abschließenden Urteils über die Wandlungen im Unterrichts wesen; die Zukunft 
müsse lehren, ob der Weg der richtige sei zur Erzielung einer besseren Ausbildung der Ärzte 
und zur Hebung ihrer sozialen Stellung. 

Nach einer Begrüßung der Versammlung durch den Vertreter des Herrn Regierungs¬ 
präsidenten und den Vertreter der Stadt Wiesbaden wurde in die wissenschaftliche Tages¬ 
ordnung eingetreten. Von den zahlreichen, zum Teil hervorragenden Vorträgen theoretischen 
und praktischen Inhaltes sei hier besonders über diejenigen ausführlicher berichtet, die in engerer 
Beziehung zur diätetischen und physikalischen Therapie stehen. 

Den Glanzpunkt des Kongresses bildeten zweifellos die Referate über Vererbung von 
Ziegler (Jena) und Martius (Rostock). In äußerst klarer und übersichtlicher Weise sprach 

Ziegler: Über den derzeitigen Stand der Vererbungslehre in derBiologie. In 
den letzten Jahrzehnten wurden bedeutende Fortschritte in dem Studium der Vorgänge bei der 
Reifung der Ei- und Samenzellen gemacht; die Erkenntnis der biologischen Bedeutung des 
Befruchtungsvorganges ist vertieft worden. Zusammen mit diesen praktischen Forschungs¬ 
ergebnissen ermöglichte der weittragende Einfluß der Weiß mann sehen Theorien eine schärfere 
Begrenzung des Begriffes der Vererbung und eine Abtrennung zweier Vorgänge von demselben, 
die man bisher nicht mit genügender Klarheit herausgehoben hatte: den Übergang von Krank¬ 
heitserregern aus dem elterlichen Individuum in die Keimzellen oder den Embryo, und ferner 
die Schädigung der Keimzellen durch Gifte oder krankhafte Stoffwechselprodukte, die dem 
elterlichen Organismus innewohnen. Die Vererbung bei den Protisten ist ein andrer Vorgang, 
als bei den höher organisierten Tieren und Pflanzen, weil die Fortpflanzung bei jenen durch 
einfache Zellteilung vor sich geht, während bei diesen besondere Zellen, Ei- und Samenzelle, 
das neue Individuum bilden und deshalb die Träger der Vererbung sein müssen. 

Da die Ei- und Samenzellen der Tiere und Pflanzen in ihren wesentlichsten Eigenschaften 
auffallende Übereinstimmung zeigen, wird es erlaubt sein, folgenden Vorgang als auch für den 
Menschen gültig anzusehen. Die Chromosomen, die, wie in jedem Zellkern, so auch in dem 
Kern der Ei- und Samenzelle, bei seiner Teilung als färbbare Gebilde von bestimmter Form und 
Zahl zu beobachten sind, spielen offenbar bei der Vererbung die größte Rolle. Man muß an¬ 
nehmen, daß der mütterliche und der väterliche Einfluß auf den Nachkommen in gleicher Weise 
ausgeübt wird, da sich in der reifen Eizelle dieselbe Anzahl von Chromosomen findet, wie in 
der Samenzelle. Es trägt also jederzeit die befruchtete Eizelle ebensoviel mütterliche wie 
väterliche Chromosomen, und jede nunmehr durch Zellteilung entstehende Zelle erhält dieselbe 
Eigenschaft. Durch die Vermischung der mütterlichen und väterlichen Chromosomen wird der 
vermischte Einfluß beider Erzeuger auf den ganzen entstehenden Organismus ausgedehnt; der 
Nachkomme wird eine Mischung der beiderseitig elterlichen Eigenschaften zeigen. Die Wirkung: 
dieses Vorganges (Amphimixis) tritt am klarsten in die Erscheinung bei der Kreuzung zweier 
Tierarten oder verschiedener Varietäten derselben Art: bei den Nachkommen wird meistens 
eine Mischung der elterlichen Eigenschaften beobachtet Doch treten bisweilen bei dem jungen 
Individuum Eigenschaften eines Großvaters oder einer Großmutter auf (Atavismus), oder sogar 
eines noch älteren Ahnen. Das Mendel sehe Gesetz versucht ein System in diose anscheinend regel¬ 
lose Erscheinung zu bringen. Eine genauere Beobachtung des Verhaltens der Chromosomen 
und der eigentümlichen Vorgänge bei der Reifung der Ei- und Samenzellen wird eine Erklärung 
dieser verwickelten VererbungsVorgänge näherrücken. 

Aus jeder Samenmutterzelle werden vier Samenzellen gebildet. Die Eizelle bildet bei der 
Reifung die sogenannten Richtungskörperchen und läßt so vier Zellen (drei sehr kleine und 
eine große) entstehen. In beiden Fällen verhalten sich die Chromosomen gleich; es entstehen 
beidemal sogenannte Vierergruppen, die aus vier kugel- oder bandförmigen Stücken bestehen, 
von denen je zwei von der mütterlichen und väterlichen Seite stammen. Ein solches Stück 
aus jeder Vierergruppe, also ihr vierter Teil, gelangt jedesmal in eine reife Eizelle oder Samen¬ 
zelle, wobei es anscheinend vom Zufall abhängig ist, welches von den vier Stücken der Vierer¬ 
gruppe verwendet wird. Auf diese Weise können bei gleicher Gesamtzahl von Chromosomen 
in allen Zellen doch in einzelne von ihnen mehr väterliche, in andre mehr mütterliche Chro¬ 
mosomen gelangen, und es sind eine größere Anzahl Kombinationen in dieser Richtung möglich. 
Dadurch wird die Verschiedenartigkeit von Nachkommen derselben Eltern erklärt. Auch der 



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Berichte über Kongresse und Vereine. 


Rückschlag auf einen Großvater oder eine Großmutter oder noch ältere Ahnen ist dem Umstande 
Luiiischreiben, daß in einer der Keimzellen väterliche oder mütterliche Chromosen in über¬ 
wiegender Anzahl vorhanden waren. Auf diese Weise wird die Gesamtkonstitution eines 
Menschen und damit die Disposition zu irgend einer Krankheit von den Vorfahren ererbt. Mit 
der Macht eines Naturgesetzes beherrscht die Vererbung alle Anlagen des Körpers und des 
Geistes. 

Die medizinische Seite der Vererbungsfrage beleuchtete Martius (Rostock) in seinem 
Referat: ^Über die Bedeutung der Vererbung und der Disposition in der Patho¬ 
logie mit besonderer Berücksichtigung der Tuberkulose/* Weder kann heutzutage 
der Arzt auch bei größter Erfahrung Vorhersagen, unter welchen Bedingungen eine Vererbung 
einer krankhaften Anlage auf die Nachkommenschaft stattfinden muß oder auszuschließen 
.st, noch wird er es voraussichtlich in Zukunft jemals Vorhersagen könnnen. Denn die biolo¬ 
gischen Forschungsergebnisse gestatten bisher noch nicht die Aufstellung fest formulierter, 
spezialisierter Vererbungsgesetze. Die Ansichten über die Vererbungslehre sind zurzeit in zwei 
Lager geteilt: die einen wittern an allen Ecken Einflüsse der Vererbung, die andern verhalten 
sich grundsätzlich ablehnend gegen dieselbe. Die Wahrheit liegt in der Mitte: bei aller 
begründeten Hochhaltung der äußeren Krankheitsursachen in der Pathologie ist doch dem Erb¬ 
lichkeitsfaktor in der Pathogenese die ihm gebührende Stellung einzuräumen. Fragt man sich, 
was Vererbung und Disposition speziell in der Pathogenese der Tuberkulose zu bedeuten haben, 
so ist zuerst das Verhältnis von Disposition und Vererbung zueinander bei dieser Krankheit 
io erörtern. Gibt man eine Veranlagung zur Tuberkulose im allgemeinen zu, so kann man die 
R«>Ue der Vererbung nicht ableugnen, vorausgesetzt, daß man sich streng an die Begriffe hält 
r iad nicht z. B. kongenitale Tuberkulose mit erblicher Anlage zur Tuberkulose durcheinander 
wirft. Das Vorkommen einer fötalen tuberkulösen Infektion ist nicht mehr zu bestreiten. Wenn 
«iWse anth wegen ihrer Seltenheit keineswegs als ätiologisches Moment von irgendwelcher 
Btti^rtang ist, so ist damit doch nicht gesagt, daß die Vererbung im biologischen Sinne in 
•irr Pathogenese der Tuberkulose zu vernachlässigen sei. 

Die Biologie versteht unter Vererbung den Übergang von Eigenschaften der Eltern auf 
«iie Nachkommen dadurch, daß im Keimplasma der sich vereinigenden Geschlechtszellen diese 
Ligeaschaften, an materielle Substrate gebunden, vorhanden waren. Ererbt ist also nur das, 
wii aus dem Keimstoff auf den Nachkommen übergeht. Intrauterin erworbene Eigenschaften 
da*i nicht ererbt, sondern post partum als angeboren zu bezeichnen. Die Syphilis ist z. B. 
tiemals hereditär, sondern immer kongenital. Angeboren ist alles, was bei der Geburt in und 
2 £ dem Individuum vorhanden ist, was es mit auf die Welt bringt. Krankheiten können über¬ 
haupt nicht ererbt, sondern nur angeboren sein. Vererbt wird nicht die Krankheit, sondern die 
Krankheitsanlage. Die Krankheitsdisposition kann, ferner auch vom Individuum erworben 
werden. Ob eine solche erworbene Disposition weiter vererbt werden kann, ist fraglich. 
Mirtius ist der Ansicht, daß bei dem historischen Menschen die Vererbbarkeit erworbener 
Krankheiteanlagen bei der Pathogenese keine Rolle spielt. Er gibt die Möglichkeit zu, daß in 
ccr heutigen Menschheit ganz neue Eigenschaften oder Krankheitsanlagen entstehen; das ist 
aber extrem selten. Der historische Mensch hat sich, wie erwiesen ist, weder intellektuell noch 
physisch irgendwie verändert. Jeder Mensch trägt die ihm individuell aus seiner gesamten 
Ahnenmaßse überkommenen Krankheitsdeterminanten in wechselnder Kombination nach Art und 
Zahl in sich. Nachträglich, d. h. nach Verschmelzung der Keimzellen, kann von außen keine 
Anlage mehr dazukoinmen: alles, was vererbt wird, ist zu dieser Zeit, in der Anlage schon 
vorhanden. Eine jetzt etwa noch einwirkende Keimschädigung toxischer Art (Alkohol, Syphilis) 
«b'r intrauterine Infektion des Fötus gehört dem eigentlichen Vererbungsakt im biologischen 
nicht mehr an, wenn sie auch als schwerwiegender Faktor der Rassenhygiene volle 
Beachtung verdient. 

Will man an einem besonderen Einzclfall feststellen, aus welcher Kombination von 
iK-trrminanten ein Individuum hervorgegangen ist, so muß man sich daran erinnern, daß die 
rartuugsbestimmenden Determinanten allen Individuen der betreffenden Gattung zukommen, daß 
abtr individuelle Eigenschaften eines Individuums auf Determinanten zurückzuführen sind, die 
der Ahnenmasse des einzelnen angehören können, aber nicht müssen. Die Eigenschaft des 
Individuums geht aus der großen Variabilität des Keimplasmas hervor, die Art bleibt erhalten 


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auf Grund der Kontinuität des Keimplasmas. Will man den Begriff „erbliche Belastung“ ganz 
umfassen, so muß man die latente Vererbung mit in Rechnnng setzen. Unter Voraussetzung 
einer solchen kann man sagen, daß alle krankhaften Anlagen, die sich an einem Individuum 
zeigen, ererbt sind, wenn sie nicht nach der Vereinigung der Keimzellen erworben sind. Berück¬ 
sichtigt man, daß bei der Reifung der Keimzellen ein Teil der Vererbungssubstanzen aus- 
geschieden wird, daß ferner gelegentlich der Amphimixis die Vererbungselemente teils konkurrieren, 
teils latent weiterbestehen können, so ist die Frage nach der Vererbung normaler oder 
pathologischer Eigenschaften des Leibes und der Seele nichts anderes als eine Wahr¬ 
scheinlichkeitsrechnung, deren praktische Ergebnisse wenig bedeutsam sind, da auch bei 
sorgfältiger Auswahl der Eltern eine Vererbung krankhafter Anlagen auf keinen Fall mit 
einiger Sicherheit zu verhüten ist Die anscheinend günstigen Resultate der Tierzüchter in 
dieser Richtung sprechen nicht gegen diese Anschauung, da bei der Tierzucht nur besonders 
einseitige, leicht vererbbare Eigenschaften der Nachkommen erzielt werden, die oft nicht ein¬ 
mal eine Verbesserung der Rasse bedeuten. 

Wem die Aufgabe zufällt, einen irgendwie belasteten Ehekandidaten mit Rücksicht auf 
die hygienische Auswahl seiner Partnerin zu beraten, der solle besonders auf eine gute Gesamt¬ 
konstitution sehen, daneben aber darauf achten, daß gerade von den spezifischen (z. B. tuber¬ 
kulösen) Krankheitsdeterminanten des Mannes in der Ahnenreihe der zukünftigen Frau möglichst 
keine, oder geringe Vorkommen, damit nicht eine Summierung der beiderseitigen Determinanten 
eine Vererbung wahrscheinlicher mache. 

Auch klinisch kann man beim Fehlen äußerer ätiologischer Momente tür eine gewisse 
Gruppe von Krankheiten die Annahme einer besonderen ererbten Anlage nicht entbehren. Die 
ererbte spezifische Gewebsschwäche irgend eines Organes kann entweder durch Kumulation 
von Determinanten oder auf Grund ungünstiger Lebensbedingungen als Krankheit in Er¬ 
scheinung treten. Von diesem Gesichtspunkte aus werden Affektionen, wie die physiologische 
Albuminurie, Diabetes, Gicht, Fettsucht und die große Reibe der von Edinger als Auf 
brauchkrankbeiten des Nervensystems gedeuteten Nervenleiden (Tabes etc.) erst verständlich. 

Das Resultat der Martiussehen Ausführungen ist bezüglich der praktischen Verhütung 
und Bekämpfung von Krankheiten kein sehr aussichtsvolles. Wenn auch die von außen 
kommenden (exogenen) Krankheitsursachen bekämpft werden können und die Abhaltung 
toxischer Schädigungen des Keimplasmas (Alkohol etc.) weitere Fortschritte in der Prophylaxe 
zeitigen wird: so müssen wir in stiller Resignation zugeben, daß wir auf die Kombination 
krankhafter Determinanten keinen Einfluß haben und wir der etwaigen schädlichen Wirkung 
dieser nur eine möglichst kräftige Gesamtkonstitution der Eltern entgegensetzen können. Die 
Natur selbst aber sorgt schon besser, als es der Menschenverstand kann, für die Erhaltung der 
Rasse. Wir müssen der Resignation einen kräftigen Optimismus gegenüberstellen. 

Den mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Referaten von Zieger und Martius folgten 
zwei Vorträge, die sich gleichfalls mit Fragen aus der Vererbungslehre beschäftigten. 

Hamburger (Wien) sprach über eine energetische Vererbungstheorie. Durch 
die Beobachtung, daß durch die Injektion tierischer Zellen Antikörper entstehen, hat die 
Imraunitätsforschung die Lehre von der Arteinheit begründet. Alle Zellen eines Organismus 
sind in bezug auf ihren Eiweißautbau einheitlich beschaffen. Die Geschlechtszellen haben die 
Fähigkeit, durch Assimilation jedes artfremde Eiweiß umzuwandeln und ihren eigenen 
spezifischen Eiweißaufbau auf alle Zellen des neuen Individuums zu übertragen. So geht cs 
auch mit der Disposition zur Tuberkulose, die offenbar auf einer bisher nicht bekannten Eigen 
tiimlichkeit des Eiweißaufbaues beruht; auch sie wird von den Keimzellen auf alle Zellen des 
neuen Organismus übertragen. Diese von Hamburger aufgestellte Theorie der Vererbung 
wird von ihm als die energetische bezeichnet. 

Rothschild (Soden a. T.) sprach sodann über den angeborenen Thorax paraly- 
ticus. Dieser angeborene Zustand ist eine ererbte Wachstumsanomalie und ist wohl zu unter¬ 
scheiden von dem sogenannten Thorax paralyticus im vorgeschrittenen Stadium der Phthise, 
den man lieber Thorax phthisicus nennen sollte. Der angeborene Thorax paralyticus schafft 
eine Disposition zur Phthise und ist nicht deren Folge. Er findet sich bei Kindern phthlsischei 
Eltern, aber auch schon bei solchen, die nur unter schlechten hygienischen Verhältnissen leben. 
Rothschild hat ihn an 126 Fällen gefunden. Die Diagnose stützt sich auf folgende Sympt° me; 


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Der Brustumfang ist kleiner als die halbe Körperlänge, ebenso ist der Tiefendurchmesser des 
Thorax kleiner als in der Norm. Die Interkostalräume sind verbreitert, das Brustbein ist zu 
kan. die Vitalkapazität zu klein, die vordere Brustwand ist abgeflacht, der Winkel zwischen 
Korpus und Manubrium sterni ist nur angedeutet oder ganz aufgehoben. 

Durch alle diese Momente wird die Entwicklung von Herz und Lungen beeinträchtigt 
and der Ansiedlung des Tuberkelbazillus Vorschub geleistet. 

In der diesen Vorträgen folgenden Diskussion vertrat v. Poehl (Petersburg) die Ansicht, 
daß man zur Diagnose: toxische Keimschädigung den Zernerschen Harnkoeffizienten heran- 
ziehen könne (Verhältnis der Harnsäuremenge zum Gehalt der Phosphorsänre als Dinatrium- 
pbosphat im Harn). Dieser Harnkoeffizient, der in der Norm sich nur an konstante Werte hält, 
zeigt bei einigen Stoffwechselerkrankungen auffallende Erhöhung. Bei solchen (Gicht, Alkoho¬ 
lismus ij. a.) läßt er sich häufig therapeutisch leicht herabsetzen. Es bleiben jedoch einige 
Fälle übrig, bei denen er sich als unbeeinflußbar erweist, und bei diesen müsse man eine here¬ 
ditäre Disposition annehmen. Lorand (Karlsbad) hält Veränderungen der Schilddrüse und der 
Blutgefaßdrüsen der Vorfahren für wichtige Faktoren in der Pathogenese der Nachkommen. 
Nicht nur die Menschen und Tiere selbst, denen die Schilddrüse entfernt wurde oder degenerierte, 
zeigen ein Zurückbleiben im Wachstum, sondern auch deren Nachkommen. Solche Individuen 
sind für alle möglichen Infektionen weit empfänglicher als Personen mit normaler Schilddrüse. 
Daß sich pathologische Veränderungen der Blutgefäßdrüsen häufig vererben, daffir spricht das 
gehlnfte Vorkommen derartiger Krankheiten (Myxödem, Basedow etc.) in einzelnen Familien. 
Hofbauer (Wien) knüpft an die Ausführungen Rothschilds an. Er glaubt, die Entstehung 
des Thorax paralyticus neben anderen Ursachen darauf zurückführen zu dürfen, daß in der 
Kindheit und besonders gegen Ende der Wachstumsperiode der Atmung zu wenig Aufmerksamkeit 
geschenkt wird. Die Atmung des Säuglings ist flach und frequent, sie geht allmählich in die 
langsame und tiefe Atmung des Erwachsenen über. Die gewöhnliche Atmung geschieht fast 
aar nach abdominalem Typus, erst bei tiefer Atmung tritt der kostale Typus mit ein. Wird in 
drr Entwicklungszeit die kostale Atmung vernachlässigt, so wird die obere Brustapertur (nach 
Freund) nicht genügend ausgebildet und für die gute Entwicklung von Herz und Lunge nicht 
genügender Raum geschaffen. Durch methodische Atemübungen ist eine gute Bildung des 
Tkorax und eine große Vitalkapazität der Lunge zu erreichen und zu erstreben. Bei ausgiebiger 
Atasn g wird infolge der respiratorischen Druckschwankungen die Blut- und Lymphzirkulation 
der Lunge befördert, die bessere Ernährung und Lüftung der Lungenspitzen sind geeignet, die 
Disposition zur tuberkulösen Erkrankung abzuschwächen. Lüthje (Tübingen) berichtete über 
äußeret interessante Inzuchtsversuche, aus denen sich die Vererbbarkeit gewisser Stoffwechsel¬ 
krankheiten direkt ergibt. Er erzielte durch wiederholte Inzucht bei Dalmatinerhunden Imbe- 
zilliTät, Taubheit, Fettsucht, Riesenwuchs und andere Anomalien. Bei einer Hündin zeigte sich 
tiL dem Diabetes insipidus ähnlicher Zustand. Die Nachkommen einer Hündin, bei der die 
Harnsäureausscheidung künstlich gesteigert war, schieden wieder erheblich (10fach) ttbernormale 
Harnsäaremengen aus; einer von ihnen bekam gichtähnliche Gelenkveränderungen. Lennhoft 
(Berlin) schließt sich auf Grund seiner in einer Heilstätte für lungenkranke Kinder gesammelten 
Erfahrungen der Ansicht Rothschilds über den Thorax paralyticus an, er hält ihn für ererbt 
und sieht als sein wuchtigstes Zeichen das Fehlen des Stcrnalwinkels an. Er fand ihn sehr 
häufig bei tuberkuloseverdächtigen Kindern. Demgegenüber will v. Hansemann (Berlin) nicht 
auf den Sternalwinkel das Hauptgewicht gelegt wissen, seine Veränderung sei sekundär. Viel 
wichtiger sei das Knorpelgelcnk der ersten Rippe, von dessen Verhalten die Weite der oberen 
Bmstapertiir abhänge. Turban (Davos) macht auf die interessante, noch wenig bekannte Tät¬ 
liche aufmerksam, daß bei Phthisikern derselben Familie die Lungenerkrankung stets auf der¬ 
selben Seite (bei allen linke oder bei allen rechte Spitze) anfingt. Trifft das einmal nicht zu, 
dann findet man auch auffallende Unähnlichkeiten des Gesichtes. Diese Tatsache spricht auch 
für eine Vererbung der Disposition. Durch Verkürzung des ersten Rippenknorpels werde an 
der befallenen Seite ein Locus minoris resistentiao geschaffen. Müller de la Fuente (Schlangen¬ 
bad hält die Syphilis für erblich, nachdem er einen Fall beobachtet zu haben glaubt, in dem 
die Syphilis durch Infektion des väterlichen Keimplasmas direkt vererbt wurde. Aufrecht 
(Magdeburg) hält den Thorax paralyticus für ererbt, er ist vor der tuberkulösen Lungen- 
erkrankung da. Eine ererbte Anlage zur Lungentuberkulose leugnet er. Den Kindern über- 


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kommt von ihren tuberkulösen Eltern als disponierendes Moment die Skrofulöse. Von den 
Halsdrüsen aus findet die Einwanderung der Tuberkelbazillen in die Blutbahn statt: mit «lern 
Blut kommen sie in die Lungen, nicht durch Inhalation. 

Michaelis (Bad Rehburg) kommt auf Grund langjähriger Beobachtungen in einem eng¬ 
begrenzten Landbezirk zu dem Urteil, daß die familiäre Veranlagung das ausschlaggebend e 
Moment sei für die Verbreitung der Tuberkulose, da er eine solche in 70% seiner Fälle vor¬ 
fand. Gesunde Menschen, die in eine tuberkulöse Familie hineinheiraten, bleiben in der Regel 
trotz engen Zusammenwohnens und Erkrankung des Ehegatten und der eignen Nachkommen 
von der Tuberkulose verschont, v. Schrötter (Wien) hält es für verfrüht, sich jetzt schon 
abschließend über die Vererbbarkeit der Disposition zur Tuberkulose zu äußern, man solle erst 
das Ergebnis der auf seinen Vorschlag vor zwei Jahren gelegentlich des Tuberkulose-Kongresses 
in Kopenhagen beschlossenen statistischen Enquete ab warten. N oubiirg er (Frankfurt a. M.) ver¬ 
fügt insofern über ein eigenartiges Material, als er zahlreiche Familien aus seines Vaters und 
seiner eignen Praxis auf 80 Jahre (!) rückwärts übersehen kann. Er hat den unzweifelhaften 
Eindruck gewonnen, daß eine angeborne Anlage nicht nur für Tuberkulose nachweisbar ist, 
sondern auch für Krebs, Diabetes, Basedow und Arteriosklerose. Er hat aber mehrfach die er¬ 
erbte Disposition für Tuberkulose und Karzinom in der dritten oder vierten Generation erlöschen 
sehen. Stäub li (München) konnte im Tierversuch die interessante Tatsache nach weisen, daß 
sich die Eigenschaft, Agglutinine zu bilden, nicht vererbe, daß aber Agglutininc auf plazentarem 
Wege von der Mutter auf den Fötus übergehen können. Er fand, daß junge Meerschweinchen, 
die von einem agglutininhaltigen Vater und einer nicht vorbehandelten Mutter stammten, keinen 
Agglutiningehalt des Blutes zeigen. Die Jungen agglutininhaltiger Mütter haben aber in ihrem 
Serum ebenfalls Agglutinine und verhalten sich wie passiv immunisierte Tiere. Diese Erscheinung 
läßt sich nur dadurch erklären, daß man einen Übergang der Agglutinine durch die Plazenta 
auf den Fötus annimmt. Al brecht (Frankfurt a. M.) hält zwar die Erkenntnis des Verhaltens 
der Chromosomen für wichtig und interessant, aber nicht für ausreichend zur Grundlage einer 
Vererbungstheorie. Die Frage nach dem tatsächlichen Vorkommen einer toxischen Keim- 
Schädigung scheine zwar von der Statistik bejaht zu werden, vom biologischen Standpunkt aus 
liegen aber zurzeit noch keine zwingenden Beweise vor, und er rate zu großer Skepsis in 
dieser Richtung. Was die Frage der Übertragung erblicher Eigenschaften anbetrifft, so ist damit 
zu rechnen, daß möglicherweise durch chemische Veränderungen der Keimzellen bestimmte 
Eigenschaften erzeugt werden können. Rostocki (Würzburg) berichtet über Untersuchungen, 
die sich an Stäublis Mitteilungen anschließen. Er fand, daß man im Blut mit Typhus vor¬ 
behandelter Kaninchen durch Pilokarpininjektion die Agglutinine vermehren kann. Das Blut¬ 
serum der Jungen einer vorbehandelten Mutter bekommt nicht durch Vererbung die Fähigkeit, 
Agglutinine zu bilden, sondern durch direkte plazentare Übertragung. 

Es folgte das Schlußwort der Herren Martius und Ziegler. 

Die Vormittagssitzung des 13. Aprik wurde mit Vorträgen über Röntgen- und Radin m- 
therapie ausgefüllt. Ho ff mann (Düsseldorf) sprach über die Behandlung der Leukämie; 
Krause (Breslau) über die Behandlung der Leukämie und Pseudoleukämie mit 
Röntgenstrahlen. 

Herr Hoffmann hat sechs Fälle behandelt, von denen zwei, weil zu kurz beobachtet, 
ausschieden. Die übrigen vier waren myelogene Leukämien im Alter von 27—53 Jahren mit 

W 1 

charakteristischem Blutbefund. Einen Fall mit einem Verhältnis = rechnet er zu den 

R o 

schweren, zwei Fälle mit ~= A und ^ = .A zu den mittelschweren und einen mit A> = A 

K1J K lb K ö4 

zu den leichten. Fall I hatte 2 300 000, Fall IV 3 700 000 rote Blutkörperchen. Bei Fall I wurden 
Milz, Arme und Beine alle zwei Tage bestrahlt, zusammen 300 Minuten; in den übrigen Fällen 
nur die Milz und zwar: bei II 350, bei III 430 und bei IV 210 Minuten. Das Allgemeinbefinden 
war bei allen Fällen nach wenigen Sitzungen gebessert, die Milz nach fünf bis zehn Sitzungen 
deutlich verkleinert. Die Zahl der Leukozyten ging schnell zurück, in Fall IV nach zehn 
Sitzungen von 200 000 auf 45 000. Die Milz zeigte wieder normale Größe, im Blut keine patho¬ 
logischen Bestandteile. Merkwürdig war, daß in diesem Fall nach drei Monaten plötzlich 
gangränöser Zerfall der bestrahlten Hautpartie auftrat. Hoffmann ist der Ansicht, daß durch 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


Röntgentherapie sich nur eine Besserung der Symptome erzielen lasse, aber 
nicht der Krankheit, deren Sitz und Wesen ja völlig unbekannt sei. Zweifellos sei die 
Aktive Wirkung auf die Lymphoidzellen. Es könne sich auch nicht um eine einfache Aus¬ 
schwemmung derselben handeln, da die Abnahme der Leukozyten schon ein bis zwei Stunden 
«ch der Bestrahlung festzustellen sei. Vielmehr muß man eine Leukolyse annehmen. Bei 
Vermischung von Serum des Falles I mit Serum des Falles II beobachtete Hoffmann im Brut¬ 
schrank eine Auflösung der Leukozyten, während sie im Kontrollglas intakt blieben. Die Frage, 
überhaupt eine Heilung der Leukämie durch Röntgenstrahlen möglich sei, läßt sich nicht 
theoretisch beantworten, man muß weiter praktische Beobachtungen sammeln. Zu ähnlichen 
Bonitäten wie der Vorredner kam 

Herr Krause, der sechs Fälle von myelogener und zwei Fälle von lymphatischer Leukämie 
bisher behandelt hat, und zwar alle monatelang, einen Fall jetzt 14 Monate. Zur Technik bemerkt 
Krause, daß er bis zu 30 Minuten pro Sitzung bestrahlt hat, zuerst nur dio Milz, später auch die 
Knochen, da er auf diese Weise schneller vorwärts zu kommen glaubt. Die Bestrahlung der 
Leber schien keinen Effekt zu haben. Bei einigen Fällen trat die erste Besserung erst nach 
mehreren 100Minuten Bestrahlung auf. Bei allen Fällen myelogener Leukämie wurde das subjektive 
Befinden gebessert. Objektiv ging bei allen die Leukozytenzahl zurück, bei einigen bis zur 
Norm. Erythrozyten und Hämoglobingehalt stiegen bei allen an. Der Milztumor ging bei 
-inigen vollkommen zurück, allerdings erst nach langer Bestrahlung. Gewichtszunahmen bis zu 
U kg wurden beobachtet Die Harnsäureausscheidung ist unter der Bestrahlung anfangs ver¬ 
rohrt. dann normal oder unter der Norm. Weniger günstige Resultate erzielte Krause bei der 
lymphatischen Leukämie. Bei einem ca. 500 Minuten bestrahlten Fall trat kaum Besserung ein. Die 
Sektion ergab in Milz und Drüsen keinen für Röntgenwirkung charakteristischen Befund. Bei 
»inem iweiten Fall besserte sich zwar nach 1600 (!) Minuten Bestrahlung das Allgemein¬ 
befinden. die Lymphozytenzahl ging zurück und die Drüsen verkleinerten sich, doch fand 
keine Gewichtszunahme statt Von zw ei Fällen von Pseudoleukämie erzielte Krause in einem Fall 
<ir keinen, im zweiten einen glänzenden Erfolg; nach 400 Minuten Bestrahlung w^aren die 
/»rnsen nicht mehr vergrößert kein Rezidiv. Bei einem Lymphosarkom versagte die Bestrahlung 
flkommen. Von schädlichen Wirkungen wurden anfangs einige leichte Erytheme, einmal eine 
kleine Exkoriation beobachtet, sonst nichts. 

Um eine exaktere wissenschaftliche Grundlage Für die Röntgentherapie beim Menschen zu 
gewinnen, haben Linscr und Helber (Tübingen) im Tierversuch den Einfluß derRöntgen- 
‘trahlen auf das Blut studiert. Sie fanden, daß schon nach einigen Tagen der Behandlung ein 
•rarkes Absinken bis zum völligen Verschwinden der Leukozyten im kreisenden Blut stattfindet, 
nnd zw ar am Hund, Kaninchen und an der Ratte. Diese Wirkung scheint für die Röntgenstrahlen 
spezifisch zu sein, durch Radium und ultraviolettes Licht läßt sic sich nicht erzielen. Die 
r»*ten Blutkörperchen erleiden im Blut durch Bestrahlung keine Veränderung. Bezüglich der 
Lrklirung dieser Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Leukozyten können sich die 
Verfasser nicht der Ansicht von Hein ecke anschließen, der gefunden haben will, daß die Ein¬ 
wirkung auf die leukozytenbildenden Organe und nicht auf die zirkulierenden Leukozyten statt- 
indet. Sie nehmen vielmehr eine primäre Schädigung des Blutes in der Zirkulation an und 
Mützen ihre Ansicht damit, daß sie gefunden haben, daß es ganz gleichgültig ist, welcher 
Körperteil bestrahlt wird; daß ferner, wenn das Blut schon stark beeinflußt ist, an den blut¬ 
bildenden Organen noch keine Veränderungen mikroskopisch nachweisbar sind. Man müsse 
also annehmen, daß spätere Veränderungen dieser Organe sekundär und durch die primäre 
Leukopenie bedingt seien. Auch außerhalb des Tierkörpers lassen sich am heizbaren Objekt- 
‘iseh die Einwirkungen der Strahlen auf die Leukozyten direkt beobachten, indem ein rapider 
Zerfall der letzteren eintritt. Die Verfasser fanden weiter, daß im bestrahlten Blutserum 
durch den Zerfall zahlreicher Leukozyten Leukotoxine entstehen. Mit diesem leuko- 
'oxisehen Serum kann man bei normalen Tieren durch Injektion ausgedehnte 
Zerstörung der weißen Blutzellen erzeugen, während die Injektion nicht bestrahlten 
Serums Hyperleukozytose hervorruft. Die Röntgenwirkung besteht also in der Erzeugung eines 
l^nkotoxischen Serums, welches durch Zerfall von Leukozyten infolge der Bostrahlung entsteht. 
Auf dieses leukotoxische Serum ist auch die interessante Beobachtung zurückzuführen, daß alle 
Strahlten Tiere auch bei Abdeckung der Nieren nephritische Veränderungen zeigten. Da die 


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Verfasser jede bakterielle Infektion bei ihren Versuchen ausschließen können, erklären Bie die 
Nephritis als durch Ausscheidung des leukotoxischen Serums entstanden. Auch eine gewisse 
Immunität scheint bei längerer Bestrahlung aufzutreten, was die Verfasser daraus schließen, 
daß nach anfangs starkem Leukozytenabfall trotz weiterer Behandlung wieder ein Anstieg fast 
bis zur Norm auftreten kann. Daraus, daß bei Embryonen von mit bestrahltem Serum be¬ 
handelten Tieren auch eine auffallend niedrige Leukozytenzahl gefunden wurde, schließen die 
Verfasser, daß das leukotoxische Serum auch auf den Fötus übergehen könne. 

Herr Lefmann (Heidelberg) injizierte Tieren alle zwei Tage 2 mg Pilokarpin und erzeugte 
so einen Anstieg der Leukozyten von 6—8000 auf 17 500. Durch eine Bestrahlung von 4—15 
Minuten wurden die Leukozyten trotz weiterer Pilokarpinbehandlung auf 3000 herabgedrückt und 
stiegen nach Aussetzen der Bestrahlung wieder auf 23 000. Verfasser beobachtete, daß die 
Hyperleukozytose hauptsächlich auf Vermehrung der Lymphozyten beruhte und glaubt deshalb, 
daß die Wirkung der Röntgenstrahlcn besonders die Lymhozyten treffe und sie 
zerstöre. 

Herr Grund (Heidelberg) brachte Beiträge zur Einwirkung von Sonnenlicht und 
Röntgenstrahlen auf die Haut des Kaninchens. Den Einfluß des Sonnenlichtes auf das 
Haarwachstum beobachtete er, indem er Kaninchen den Rücken rasierte und sie der Sonne aussetzte, 
während Kontrolliere im dunkeln gehalten wurden. Bei den belichteten Tieren trat nach 
6—8 Tagen eine Pigmentierung der Epidermis und eine Regeneration der Haare ein; die Cutis 
war frei von Pigment und zeigte nur Gefäßerweiterung. Bei den Kontrollieren blieb die Epidermis 
pigmentfrei, die Regeneration der Haare ging langsamer vor sich oder blieb ganz aus. Die 
Röntgenstrahlen verhielten sich ähnlich wie das Licht. Sie bewirkten eine Degeneration der 
Epidermis und GefHßerweiterung, Haarlockerung nach 8—14 Tagen. Ob das Pigment, welches 
auch nach Röntgenbestrahlung auftritt, in der Epidermis selbst entsteht, kann Verfasser nicht 
entscheiden. Die Cutis wird erst viel später, nach 12—14tägiger Bestrahlung pigmentiert und 
hyperämisch. 

Die beiden nächsten Vorträge hatten das Radium zum Gegenstand, und zwar teilten die 

Herren Bergell und Bickel (Berlin): Untersuchungen über die physiologische 
Bedeutung der Radioaktivität der Mineralwässer mit. Sie fanden, daß die der Quelle 
frisch entnommenem Mineralwasser innewohnende Radiumemanation nach kurzer Zeit ver¬ 
schwindet, daß dieselbe also in jedem exportierten Mineralwasser fast vollkommen fehlt. Die 
Versuche wurden mit dem Wiesbadener Kochbrunnen angestellt. Man kann künstliche Emanation 
durch Destillation von Radiumsalzlösungen erhalten und diese dem exportierten Mineralwasser 
wieder zusetzen; dadurch wird die peptische Eiweißverdauung, die durch emanationsloses Wasser 
erheblich gehemmt wird, wiederhergestellt und sogar verstärkt. Ebenso verhält sich frisches 
Quellwasser gegenüber solchem, welches längere Zeit gestanden hat. 

Herr Braunstein (Moskau) sprach über die Bedeutung der Radiumemanation 
und ihre Anwendung. Durch Injektion cmanationshaltigen Wassers kann man bösartige 
Tumoren rückgängig machen, ebensogut wie mit Bestrahlung. Das Geschwulstgewebe wird 
dabei verflüssigt, ohne daß normales Gewebe geschädigt wird. Vor der Bestrahlung hat die 
Injektion der Emanationslösung den Vorteil, daß die Tiefenwirkung größer ist und daß man 
Organe damit behandeln kann, die derBestrahlung unzugänglich sind. Außer der ge webszerstörenden 
Wirkung hat die Emanation auch noch bakteriziden Einfluß. Der Umstand, daß sie auch 
imstande ist, gewisse fermentative Prozesse zu fördern, dürfte die Behandlung mancher 
Magen- und Stoflfwechselerkrankungen (z. B. Diabetes) mit Emanationswasser nicht aussichtslos 
erscheinen lassen. 

In der Diskussion zu diesen Vorträgen gab Herr Türk (Wien) an, günstige Erfolge 
von der Röntgenbehandlung gesehen zu haben, doch solle man seine Hoffnungen nicht zu 
hoch spannen. Das Arsen wirkt ähnlich wie die Röntgenstrahlen. Man kann mit Arsen 
bei myeloider Leukämie wohl eine Leukopenie erzielen, aber kein normales Blutbild. 
In einem Fall von myeloider Leukämie, der unter mehrmonatlichem Gebrauch von Arsen 
bezüglich des klinischen Verhaltens und des Blutbildes fast als normal anzusehen war, 
trat plötzlich unter Bauchschmerzen, Drüsenschwellung und akuter lymphoider Wucherung 
eine hochgradige Anämie und bald der Tod ein. Durch die Sektion wurde die schon 
klinisch gewonnene Auffassung bestätigt, daß die myeloide Leukämie in eine lymphoide 


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omgewandelt worden ist Nach dieser Erfahrung wird Türk nicht mehr mit Arsen 
behandeln. Auch mit Röntgenstrahlen kann man nur eine vorübergehende symptomatische 
Besserung erzielen. Auch Herr Arnsperger (Heidelberg) beobachtete an vier myeloiden und 
lymphoiden Leukämien, daß die ersteren besser auf die Röntgentherapie reagierten als die 
letzteren. Doch trat bei zwei Fällen unter Rückgang der Drüsen- und Milchschwellung ein 
Anstieg der Leukozyten auf. Bei lymphoider Leukämie war von Besserung keine Rede, insofern 
zwar Drüsen und Milz verkleinert wurden, aber eine Verschlechterung des Allgemeinbefindens, 
das Hb-Gehaltes und der Zahl der roten Blutkörperchen auftrat. Auf die Harnsäureausscheidung 
konnte kein deutlicher Einfluß festgestellt werden. Technik: 10—20 Minuten täglich Milz 
bestrahlt, Knochen und Drüsen nicht täglich. Von Nebenwirkungen wurde nur mehrfach starke 
Pigmentierung gesehen. Herr Burghardt (Dortmund) hält die Röntgenbehandlung der Leukämie 
für die wirksamste aller bisher bekannten Methoden; man sei einstweilen verpflichtet, sie in 
jedem Fall zu versuchen. Bei einer Frau mit schwerer Leukämie wurde durch Bestrahlungen 
von zusammen 300 Minuten ein bis ins kleine Becken reichender Milztumor wesentlich verkleinert, 
der Hb-Gehalt von 45 auf 125 gehoben, die Zahl der Leukocyten von 400 000 auf 17 000 gebracht, 
die roten Blutkörperchen stiegen auf 5 l /* Million an. Die Frau war nach 4 Wochen erwerbs¬ 
fähig. Wegen der eklatanten Nachwirkung der Bestrahlung soll man nur kurze Sitzungen 
vornehmen und in den langen Pausen während derselben das Blutbild genau kontrollieren. 
Herr Lenhartz (Hamburg) warnt vor zu intensiver Behandlung und zu großen Hoffnungen. 
Eine wirkliche Heilung werde niemals erzielt. Auch er beobachtete in einem scheinbar 
geheilten Fall ein plötzliches Aufflackern aller Erscheinungen und schnellen Tod. Dieselbe 
Anschanung bat Herr Hei necke (Leipzig) aus seinen Tierversuchen gewonnen. Die Ver¬ 
änderungen im Blut, in der Milz und im Knochenmark sind ganz vorübergehender Natur, wo 
raus zu ersehen ist, daß die ja völlig unbekannte Krankheitsursache nicht beeinflußt wird. 
Herr Lossen (Straßburg) hat versucht, durch Studium der Harnsäureausscheidung die Art 
der EöfitgeneinWirkung zu ergründen. Er fand die Harnsäureausscheidung herabgesetzt 
sl d schließt daraus, daß nicht ein verstärkter Zerfall, sondern eine verminderte 
Produktion von Leukozyten stattfindet. Auch klinisch zeigt sich diese Annahme bestätigt 
dadurch, daß hauptsächlich die Myelozyten, also die Jugendformen, im Blut abnehmen. Herr 
Mos Be (Berlin) macht auf das gegensätzliche Verhalten der roten und weißen Blutzellen auf¬ 
merksam ; erstere nehmen unter der Bestrahlung nicht ab. Man hat keine Veranlassung anzu- 
£ eh men, daß die Zellen im zirkulierenden Blut geschädigt werden, vielmehr gehen sie wahr¬ 
scheinlich schon am Orte der Bestrahlung zugrunde oder werden wenigstens erheblich verändert 
in den Kreislauf gebracht. Herr Magnus-Levy (Berlin) erinnert an die Möglichkeit, die verloren 
gegangene Radiumemanatfon durch künstliche zu ersetzen und rät, dies bei den exportierten 
Mineralwässern am Orte des Konsums zu tun. Herr His (Basel) macht darauf aufmerksam, daß 
der Gehalt an Radiumemanation in der Luft nicht mit der hygienischen Bewertung derselben 
Zusammenfalle, da die radioaktiven Substanzen am reichlichsten in der Kellerluft, am spärlichsten 
aber am Meeresstrande vorhanden sei. Herr Penzoldt (Erlangen) hält die Milzbestrahlung für 
xnssichtsvoll, doch sei einstweilen noch eine große Arbeit auf die Ermittlung der richtigen 
Technik zu verwenden. Er hält mittelweiche Röhren für geeigneter als sehr harte, unter 
deren Einwirkung er Zunahme der Leukozyten beobachtet habe. Die Schädigungen der Haut 
lassen sich durch Vorsicht vermeiden. Herr Köhler (Wiesbaden) glaubt auch an eine Einwirkung 
auf das zirkulierende Blut, nicht auf die Organe. Um Verbrennungen und Pigmentierung der 
Haut zu vermeiden, empfiehlt er Abdeckung mit Seidenpapier. Herr Koeniger (Erlangen) hat 
beobachtet, daß die Vermehrung der Harnsäureausscheidung erst nach 10—14 Tagen begann, 
and zwar zugleich mit der klinischen Besserung. Übrigens war auch die Ausscheidung der 
Phosphorsäure und des N über die Zufuhr vermehrt. Herr Schreiber (Göttingen) hat vom ultra¬ 
violetten Licht dieselbe, das Haarwachstum befördernde Wirkung gesehen wie von den Röntgen¬ 
strahlen und damit bei Alopecia areata gute Erfolge erzielt. Die ultravioletten Strahlen wirken 
nicht auf das Blut, weil sie zu kurzwellig sind und nur 1 mm Tiefenwirkung haben. Herr 
v. Tabora fGießen) hat sechs myelogene und eine lymphatische Leukämie mit Röntgenstrahlen 
behandelt Davon starben zwei, einer an einem akuten Rezidiv nach anfänglicher Besserung 
durch Bestrahlung. Zwei Fälle wurden gebessert, drei Fälle wurden wieder arbeitsfähig. Bet 
diesen letzten wurde nur die Milz bestrahlt; auffällig war bei ihnen der starke Gehalt an. 


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166 Berichte über Kongresse und Vereine. 

Mastzellen, während die Myelozyten nicht sehr zahlreich waren. Schlußwort: Krause (Breslau 
und Bickel (Berlin;. 

In der Nachmittagssitzung des 13. April folgten einige Vorträge, welche die Physiologie 
und Pathologie der Kreislauforgane und des Blutes zum Gegenstand hatten. 

Herr von Leube (Würzburg) sprach über positiven Venenpuls bei Anämischen. 
Dieser entsteht durch eine relative Tricuspidalinsuffizienz, wahrscheinlich auf funktioneller Basis. 
Die Tricuspidalinsuffizienz kann ganz latent bestehen, ohne sich durch ein Geräusch zu ver¬ 
raten. Man findet aber gewöhnlich eine Verbreiterung des Herzens nach rechts, ein systolisches 
Geräusch rechts vom Brustbein und diastolischen Venenkollaps. 

Herr Gerhardt (Erlangen) brachte einen Beitrag zur Mechanik der Klappen¬ 
fehler, indem er Tierversuche und Beobachtungen am Menschen mitteilte, die sich mit den 
Druckverbältnissen in den verschiedenen Herzabschnitten bei Klappeninsuffizienzen beschäftigten. 
Zur Kompensation der Tricuspidalinsuffizienz steht nur der rechte Ventrikel zur Verfügung, 
w T obei die Elastizität der Wand desselben und der großen Venen eine erhebliche Rolle spielen. 
In der Literatur finden sich bisher keine Angaben über den Druck im rechten Vorhof und 
Ventrikel. Klemmt man beim Tier die Aorta zu, so entsteht eine Mitralinsuffizienz mit positivem 
Venenpuls und Drucksteigerung im Vorhof, die aber nur gering ist (bis zu 25 mm). Nach 
Zerstörung der Mitralis im Tierversuch bleibt der Vorhofsdruck viel niedriger (20—25 mm) als 
der Karotisdruck (80—100 mm). Die Drucksteigerung wird wahrscheinlich durch Reibung im 
Vorhof verhindert. Beim Menschen dürfte es sich wahrscheinlich ebenso verhalten. Im Röntgen¬ 
bild sieht man bei Mitralinsuffizienz den linken Vorhof gedehnt Bei einem Fall von 
Tricuspidalinsuffizienz war der Venendruck in der Jugularis kaum höher als normal. Gerhardt 
hat bei Tieren mit künstlicher Aorteninsuffizienz gefunden, daß der Ventrikeldruck im Anfang 
der Erschlaffung wie normalerweise bis zu negativen Werten absinkt. Die Druckverhältnisse 
sind also im ganzen nicht wesentlich geändert. 

Zur Diskussion sprechen die Herren Volhard (Gießen), Naunyn (Baden-Baden) und 
Moritz (Gießen). Letzterer bestätigt die Angaben Gerhardts bezüglich des nur geringen 
Druckanstieges im Vorhof bei künstlicher Mitralinsuffizienz. Er beschreibt eine Technik, die 
sich ihm zur Erzeugung einer solchen bewährt hat. Bezüglich der Kompensation der Mitral* 
insuffizienz ist er der Ansicht, daß dieselbe dadurch zustande kommt, daß der Druck in der 
Aorta, der Pulmonalis etc. tatsächlich zur Norm zurückkehrt. Herr Frey (Baden-Baden) er¬ 
innert an seine bekannten Venendruckmessungen am Menschen. 

Herr Hering (Prag) teilte Beobachtungen an künstlich wiederbelebten mensch¬ 
lichen Herzen mit. Er pumpte durch eine in die Aorta eingebundene Kanüle Blut oder 
Riegersehe Lösung in die Koronararterien. Versuche am Menschenherzen mißlangen wegen 
der Totenstarre. Nur einmal fing ein Herz 11 Stunden nach dem Tode an zu schlagen und 
schlug 3 1 /, Stunde bei einer Durchspülung mit 40 Litern. Die Vorhöfe schlugen dissoziiert von 
den Ventrikeln und häufiger als diese. Die Ventrikel schlugen automatisch und bisweilen 
unregelmäßig. Demonstration von Kurven. Hering hat am Menschenherzen keine Beobachtung 
gemacht, die ihm nicht vom Säugetierherzen her bekannt war. Er ist demnach der Ansicht, 
daß man experimentelle Beobachtungen von diesem auf das Menschenherz übertragen darf. Herr 
Deneke (Hamburg) konnte das Herz eines Hingerichteten drei Stunden schlagend erhalten. 
Blut eignet sich besser als Riegersche Lösung allein. Er bestätigt die Angaben Herings voll¬ 
kommen. Herr Schott (Nauheim) ist der Ansicht, daß auch klinisch stets ein gleichzeitiges 
Arbeiten beider Ventrikel zu beobachten sei. Hemisystolie habe er niemals beobachtet 

Herr Loeb (Straßburg) hat den Einfluß senkrechter Körperhaltung auf die 

Urinsekretion beobachtet und nimmt an, daß beim Aufstehen eine Störung der Blutzirkulation 
in den Nieren entsteht. Außer der Eiw T cißauBscheidung tritt bei den sogenannten „Orthostatikern“ 
ein Ansteigen des Koränyisehen Quotienten auf. Die Zirkulationsstörungen in der Niere ver¬ 
halten sich ähnlich wie bei der Herzinsuffizienz: Ansteigen des Drucks in der Vena cava und 
renalis mit konsekutiver Hyperämie der Nieren. Loeb konnte bei Orthostatikern stets (!Bef.) 
leichte Herzveränderungen nachweisen. 

Herr Hofbauer (Wien) sprach über nervöse Tachypnoe, bei der sich graphisch eine 
gewisse Regelmäßigkeit der Atmung feststellen läßt. Die Atemstörung beim Morbus 
Basedowii ist nicht von der Tachykardie abhängig, sondern durch Gift Wirkung bedingt 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


167 


Da* Sexualasthwa läßt sich graphisch deutlich vom hysterischen unterscheiden. Das hysterische 
Atmen ist flach und schnell wie beim Kind. Es ist nicht als eine pathologische Form im 
«istntlichen Sinne anzusehen, sondern als ein Rückschlag zum infantilen Typus. 

Herr Baer (Straßburg) hat Versuche über die Bedeutung des Serums für die 
Actolyse angestellt und gefunden, daß durch Zusatz von Serum oder Lymphe die Autolyse 
<itr Leber bedeutend gehemmt wird. Diese Hemmung ist dem Einfluß des Albumins zuzu- 
tchreiben. Im Gegensatz zu diesem hat das native Globulin die Eigenschaft, die Leber- 
aatolyse zu beschleunigen. 

Herr Mohr (Berlin) ging bei seinen Untersuchungen über die Blutzirkulation 
anämischer Individuen an die Bearbeitung der Frage heran, mit welchen Ausgleichs Vorrich¬ 
tungen arbeitet der anämische Organismus, um einen normalen Ablauf seines Stoffwechsels auf¬ 
recht zu erhalten. Bisher ist es auf experimentellem Wege nicht gelungen, allgemeine quantitative 
«nier qualitative Stoffwechselstörungen selbst bei schweren Anämien nachzuweisen; und doch 
kann kein Zweifel darüber bestehen, daß im anämischen Blut der O a -Gehalt gegen die Norm 
herabgesetzt ist. Wie findet sich der anämische Organismus mit diesen beiden Tatsachen ab? 
Drei Möglichkeiten liegen in dieser Richtung vor: das Hämoglobin selbst des Anämischen verhält 
sieh anders als in der Norm, die Ausnutzung des O a im Gewebe ist verändert oder es liegen 
die Veränderungen in der Blutzirkulation. Aus eigenen experimentellen Untersuchungen hat 
Mohr die Anschauung gewonnen, daß das Bindungsvermögen des Hämoglobins für O a unter 
Dermalen und pathologischen Verhältnissen nicht konstante Größen aufweist, sondern in be- 
»ömißten Grenzen wechseln kann. So hat er ebenso wie frühere Untersucher gefunden, daß 
gerade bei Anämischen die O a -Kapazität des Hämoglobins hohe Werte erreichen kann, während 
er sic in zwei Fällen von Hyperglobulie als weit unter den von Hüfner aufgestellten Mittel¬ 
werten liegend fand. Auf welcher speziellen Veränderung des Hämoglobins diese Fähigkeit, 
sein tVBindungs vermögen hoch oder niedrig einzustellen, beruht, läßt sich zurzeit noch nicht sagen. 

Die zweite, bei weitem wichtigere Ausgleichsvorrichtung des anämischen Organismus be¬ 
reit rie ein Vergleich des O a -Gehaltes des arteriellen und venösen Blutes zeigt, in einer gegen 
.Vorm erheblich verbesserten Ausnutzung des O a in den Geweben. Dazu kommt als dritter 
Faktor, daß die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes, nach der Zuntzsehen Methode gemessen, 
bei Anämischen bedeutend erhöht sein kann. Bisweilen scheint auch eine Vergrößerung des 
jklüagvolumens des Herzens in kompensierendem Sinne wirksam zu sein. 

(Schluß folgt.) 


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1G8 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährnngsther&pie). 

A. Lorand, Die Entstehung der Zucker¬ 
krankheit und ihre Beziehungen zu den 
Veränderungen der Blutgefäßdrüsen. Berlin 
1903. A. Hirschwald. 

In dieser 61 Seiten umfassenden Mono¬ 
graphie versucht der Autor den Nachweis zu 
führen, daß die Langer bans sehen Inseln im 
Verein mit der Thyreoidea für die Entstehung 
des Diabetes eine entscheidende Rolle spielen. 
Die Langerhansschen Inseln sollen ein Sekret 
absondern, welches die Aufgabe hat, Toxine 
aus anderen Blutgefäßdrüsen, insbesondere aus 
der Thyreoidea, zu vernichten. Ist die Schild¬ 
drüse in erhöhter Tätigkeit und die giftzer- 
störende Kraft der Langerhansschen Inseln 
geschwächt, so kommt nach dem Verfasser 
Glykosurie bezw. Diabetes zustande. Verfasser 
hat auf diese Theorie hin auch Antithyreoidin- 
Präparate gegeben und will hiermit einen ge¬ 
wissen Erfolg erzielt haben, den er jedoch 
selbst nicht übermäßig hoch einschätzt. Die 
Arbeit des Verfassers ist mit großem Fleiß und 
großer Literaturkenntnis, aber auch mit sehr 
viel Spekulation geschrieben. 

H. Strauß (Berlin). 

Th« Rogenheim, Zar diätetischen Behand¬ 
lung chronischer diffüser Darmkatarrhe. 

Die Therapie der Gegenwart 1904. Heft 12. 

Über die Gestaltung der Kost bei den vor 
allem durch Diarrhöe gekennzeichneten chro¬ 
nischen diffusen Darmkatarrhen gehen die An¬ 
sichten der einzelnen Autoren, wie auf dem 
Gebiete der Diätotherapie überhaupt, recht er¬ 
heblich auseinander. Ein für alle Fälle passen¬ 
des Schema läßt sich auch freilich nicht auf- 
stellcn, da die hier in Betracht kommenden 
Zustände keinen einheitlichen Krankheitsbegriff 
bilden. So viel läßt sich jedoch sagen, daß die 
Kost reizlos und leicht assimilierbar sein soll. 
Trotzdem ist Rosenheim durch vielfache Er¬ 
fahrungen dazu geführt worden, auf die Milch, 
die ja doch den eben gestellten Anforderungen 


am ehesten zu entsprechen scheint, in diesen 
Fällen zu verzichten. Sie stellt infolge ihres 
Milchzuckergehaltes ein ungemein gärfähiges 
Material dar, und deshalb vermeidet Rosen- 
heim sie in den ersten Wochen ganz und ge¬ 
stattet sie auch nicht einmal als Zusatz zu 
andern Speisen und Getränken. Nur wenn 
der Dünndarm wenig an dem Krankheitsprozeß 
beteiligt ist, wenn speziell die beiden oberen 
Drittel desselben frei sind, bleiben die Storungen 
nach Milchzufuhr aus oder kommen weniger 
zur Geltung. Bei Dickdarmaffektionen wird 
die Milch sogar meist sehr gut vertragen. 
Magenaffektionen spielen hier keine wesentliche 
Rolle. Bei Achylie werden oft größere Milch¬ 
mengen ohne Beschwerde genommen, und bei 
Hyperazidität muß man geradezu bedauern, 
daß man durch die begleitenden Dünndarm¬ 
störungen genötigt ist, auf dieses wertvolle 
Hilfsmittel verzichten zu müssen. Ist nach 
einigen Wochen eine Besserung der Dünndarm¬ 
affektionen eingetreten, so kann man mit kleinen 
Milchmengen beginnen, deren Verträglichkeit 
durch Kalkpräparate (1—2 Eßlöffel Kalkwasser, 
1 Messerspitze Calcar. phosphor. auf 150 g Milch) 
oder Salizylsäure (0,3:1 Va 1) erhöht werden 
kann. Wo die Milch trotzdem dauernd Störungen 
macht, da streiche man sie lieber endgültig 
aus der Diät, zumal die Ersatzmittel, wie Kefir, 
Pegninmilch, Diabetikermilch, in diesen Fällen 
meist auch nicht besser vertragen werden. Bei 
dem Gros der Fälle leitet Rosenheim die 
Behandlung mit einer 120 und mehr Gramm 
Eiweiß, 200—250 g Kohlehydrate und 40—50 g 
Fett enthaltenden „Dünndarmdiät“ ein, die aus 
Fleisch, Fisch, Ei, etwas Zucker, Weißbrot 
oder Zwieback, Reis, Gries, Sago, Makkaroni und 
ähnlichem, Bouillon oder Schleimsuppen, Butter, 
Tee, Rotwein besteht Bei gleichzeitigen 
Magenstörungen haben Salzsäure, Strychnin, 
Wismut oft eine günstige Wirkung auf den 
Darm, während die bei starkem Säurereiz er¬ 
wünschten Alkalien vom Darm schlecht ver¬ 
tragen werden; hier können Kalkpräparate aus¬ 
helfen. Wo die geschilderte eiweißreiche Kost 
infolge Fehlens der Magensalzsäure von Diar- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


169 


:Wd gefolgt ist, kann man noch durch große 
Salzsänredosen und Dannspülungen des Übels 
Hcn zu werden suchen. Hilft das nicht, so 
traä man Fleisch, Fisch und Eier auf ein 
Vlü^anmaß (50—60 g Eiweiß) herabsetzen oder 
iam ausscbalten. Am besten deckt man dann 
defi Eiweißbedarf womöglich durch Milch, ev. 
csterZuhilfenahme von Codein, Opium oder eines 
TaaniDpräparats. Ist die Mich absolut unbe- 
k'iamlich, so muß man zu den Cerealien, künst¬ 
lichen Nährpräparaten und ev. Gemüsebreien 
Zuflucht nehmen. Wird die „Dünndarm- 
iiat- gut vertragen, so kann man sie nach 
2-3 Wochen erweitern, indem man jeden 
r# eiten oder dritten Tag kleine Mengen Gemüse 
Li Breiform und Milchzusätze gestattet. Bei 
-unliüernd gutem Befinden gewährt man nach 
4—S Wochen weitere Zulagen, wie geschmortes, 
i'-iures Fleisch, süßere Mehlspeisen, mehr Milch, 
rcd noch später etwas Sahne, Fruchtsaft usw. 
Jede Erweiterung der Diät soll 1—2 Tage lang 
•iarrh Beobachtung des Befindens und des 
Srahls geprüft werden. Jedoch können manche 
subjektiven Beschwerden durch Übung des 
Darmes überwunden werden. Namentlich wo 
katarrhalische Darmaffektion mit nervöser 
tonamzbarkeit verbindet, lasse man sich durch 
fr Klagen der Patienten nicht dazu ver¬ 
leiten. die Kost zu sehr zu beschränken. Hier 
kiia auch die Diät durch regelmäßigen Ge¬ 
fach von Opium, Codein oder Brom unter¬ 
baut werden. Zuvor soll man jedoch ver¬ 
geben, den Darm durch Tanninpräparate 
Tanocol dreimal einen halben Teelöffel in ab- 
rekochtem Wasser) oder Dannspülungen mit 
* lnnem Wasser (36—40° C) oder Tanninlösung 
! ^“J in Ordnung zu bringen. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


Fall Rmnscbburg, Die Ernährung der 

Ne*ra«theiiiker. Budapesti0rvosiUjsägl904. 

*2. Beilage Diätäs 6s physikai gyögyitömödok 

Nr 1. 

Von den zahlreichen Symptomen der 
Neurasthenie ist das allgemeinste charakteristi¬ 
sche Symptom die auf dem Gebiete bald des 
-inen, bald des anderen, bald zugleich mehrerer 
•'rgane auftretende Schwäche. Da sich hierzu 
der größten Zahl der Fälle die zusehends 
^asehmende Abmagerung anschließt, muß die 
ärztliche Einwirkung natürlicherweise in erster 
Reihe auf die allgemeine Kräftigung des 
* 'rganismus, auf die Hebung der Ernährung 
f>ezug nehmen. Die Abmagerung ist nicht 

L di*t n. pbyeik. Therapie Bd. IX. Heft 3 . 


immer die Folge der neurasthenischen Er¬ 
krankung der Verdauungsorgane, da sie oft 
als erstes Symptom der Neurasthenie auftritt, 
sozusagen als Allgemeinstörung dos Stoff¬ 
wechsels. Besonders bei den zerebralen Formen 
der Neurasthenie kann die Abmagerung be¬ 
obachtet werden, oft ohne jedes Symptom der 
Dyspepsie; Verfasser konnte in mehreren genau 
beobachteten Fällen ganz bestimmt Körper¬ 
gewichtsabnahme feststellen, ganz unabhängig 
von dyspeptischen Störungen. Diese Form der 
Abmagerung bei Neurasthenie muß also einer 
allgemeinen und dem Wesen nach unbekannten 
Störung des Stoffwechsels zugeschrieben werden 
und findet eine Analogie in der bei manchen 
psychischen Erkrankungen beobachteten 
Gewichtsabnahme. Und ebenso wie hier ist 
auch bei der Neurasthenie zu beobachten, daß 
die Besserung der Krankheit in der Zunahme 
des Körpergewichts Ausdruck findet, ja das 
Steigen der Körpergewichtskurve kommt 
größtenteils sogar der subjektiven Besserung 
des neurasthenischen Allgemeinbefindens zuvor, 
wodurch in der Körpergewichtskurve ein genug 
vertrauenswürdiges und höchst empfindliches 
prognostisches Zeichen gefunden ist. Bekannt¬ 
lich trägt in den meisten Fällen zur Abmagerung 
auch das Fehlen des Hungertriebes bei: spontan 
fühlt der Kranke selten Hunger, ja er beginnt 
größtenteils mit einem gewissen Ekel zu essen, 
um dann viel mehr zusammen zu essen, als 
er es früher gewohnt war, da ihm das Gefühl 
der Sättigkeit fehlt. Beide Symptome der 
nervösen Dyspepsie, das Fehlen des Hunger- 
sowie des Sättigkeitsgefühls sind auf die 
Anästhesie der auf die Lehre oder Fülle des 
Magens hindeutenden Nerven zurückzuführen 
und bewirken in der Folge eine bald mangel¬ 
hafte, bald übermäßige Ernährung und infolge¬ 
dessen auch einen organischen Magenkatarrh. 
Oft genügt, die Patienten bloß auf diese Ab¬ 
normitäten in ihrem Hunger- bzw. Sättigkeits- 
gefuhl aufmerksam zu machen, um durch ganz 
einfache Maßregeln, ohne jedwelche wissen¬ 
schaftliche Diätotherapie die vorhandenen 
dyspeptischen Erscheinungen zu beseitigen. 
Benötigt aber der Neurastheniker eine kräftigere 
Ernährung, so muß die qualitative Feststellung 
der Diät strengstens individualisiert werden. 
Denn es gibt entschieden gewisse Speisen, 
die der Mehrzahl der Neurastheniker un¬ 
verdaulich sind. Unverträglich sind dem 
empfindsamen Magen: die Magen- und Darm¬ 
gase verursachende Speisen wie Kraut, Kohl, 
unpassierte Bohnen, Erbsen, Linsen; auch die 

12 


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170 Referate über Bücher und Aufsätze. 


mit Zwiebeln gekochten oder gerösteten Speisen 
sind schwer zu vertragen, wie auch die Mehl¬ 
speisen und Käsesorten. Gutes Obst ist erlaubt, 
ja bei Obstip. habit. sogar in der Frühe an¬ 
gezeigt. Eine wichtige Stelle in der Ernährung 
der Neurastheniker nimmt die Milch ein, ist 
aber eine Idiosynkrasie der Milch gegenüber 
vorhanden, so darf die Milchkur selbstverständ¬ 
lich nicht forciert werden. Gut wird oft die 
Butter vertragen, besonders zum Frühstück. 
In Anbetracht der Motilitätsschwäche des 
Magens bei Neurasthenie sollen die Fleisch¬ 
speisen sehr weich hergestellt werden. Viele 
ftlrchten sich Brot zu essen, der Patient kann 
aber langsam dazu gewöhnt werden, daß er 
wenigstens zu Mittag ein Stück Brot ißt, früh 
und morgens sind Semmel angezeigter. Kaffee, 
Kakao, ja leichter Teo ist ebenfalls erlaubt. 
Als Getränk eignet sich am besten das reine 
Wasser oder schwach kohlensäurige Wasser. 
Von Alkoholizis ist Kognak, Silvorium, Brannt¬ 
wein und Likör streng verboten, aber der 
gewöhnt ist, zu Tisch einen leichten Wein zu 
trinken, dem muß das keinesfalls entzogen 
werden. Vio 1 Wein oder ein Glas Bier zu 
Mittag und abends ist erlaubt. Neigt aber der 
Patient zu Alkoholmißbrauch oder ist ent¬ 
schiedene Zerebral - Neurasthenie vorhanden, 
so soll Alkohol ganz versagt sein. Bekannt 
ist; daß bei der neurasthenischen Dyspepsie 
oft günstige Veränderungen eintreten bei 
zweckmäßig erwählter Umgebung oder auf 
Einfluß von Klimawechsel (Meeresluft, Höhen¬ 
klima); der Erfolg schwindet aber sehr rasch. 
Dies Prinzip der Abwechslung muß ebenso 
wie in den äußeren Verhältnissen des Patienten 
auch auf dem ganzen Gebiet der Diätetik ver¬ 
wirklicht werden, wobei aber nicht vergessen 
werden darf, daß die durch Überarbeitung 
ermüdeten Nerven, solange sie sich nicht 
ausruhten, die ruhige Gleichmäßigkeit lieben, 
infolgedessen darf die günstige Einwirkung 
der Abwechslung bei der Ernährung solcher 
Kranken nur in sehr beschränkten Grenzen 
zur Geltung gebracht werden. 

J. Hönig (Budapest). 

K. Marx, Erfahrungen mit „Bioson“, 

einem Elweiß-Eisen-LezUhin-Nährpr&parat. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1904. 

Nr. 1. 

Von den einleitenden Bemerkungen des 
Autors sind folgende Vergleiche beachtens¬ 
wert: 0,1 g Eisen sind enthalten in 0,33 g 

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I Karniferrin, 23,3 g Hämoglobin, 25,0 g Li<] 
' ferr. album., 71,0 g Hämoglobinextrakt Pfeuffer 
142,0 g Hämatogen Hommel, 250,0 g Sanquina 
Krewel, 277,0 g Hämalbumin Dahmen. 

Es steht Bioson mit 41,6 g an vierter Stelle 
Über die Billigkeit des Präparates gibt folgend) 
Tabelle Aufschluß: Eine Tagesdosis von 50 j 
Bioson kostet 30 Pf. Das gleiche Quantun 
kostet von: Eisentropon 0,90 M.; Eisenrobora 
1,00 M.; Fersan 1,55 M.; Sanatogen 1,60 M. 
Nährstoff Heyden 1,63 M.; Hämatogen Homme 
0,60 M.; Lezithin-Perdynamin 0,80 M.; Fleisch 
saft Puro 1,65 M.; Meat juice 3,00 M. 

100 Eiweiß kosten: Bioson 0,85 M.; Eisen 
roborat 2,50 M.; Hämalbumin 3,25 M.; Sanatoger 
3,30 M.; Fersan 3,75 M.; Nährstoff Hcydei 
1 3,80 M.; Eisen-Tropon 4,62 M.; Eisen-Somatosi 
7,00 M.; Fleischsaft; Puro 9,70 M. 

Neu ist im Bioson die Verbindung vor 
Kasein mit Eisen und Lezithin. Der Lezithin 
gehalt beträgt 1,27 %; der Stickstoffgehalt 
69,30% in stickstoffhaltigen Stoffen, 10,87"' 
in Stickstoffextraktstoffen. Von der Gesamt 
Stickstoffsubstanz waren nach der Analyse (von 
Aufrecht) 94,90 % verdaulich. Der Gehalt 
an Mineralstoffen beträgt 3,87 % davon Eisen 
(org. gebunden) 0,24 °/ 0 . 

Verfasser berichtet über vorzügliche Er¬ 
folge mit Bioson bei Anämischen und Chlo- 
rotischen (Körpergewichtszunahme, Bessemn^ 
des Blutbefundes, günstige Beeinflussung dei 
Darmtätigkeit). Bei akuten fieberhaften Krank 
heiten (sowohl in der Fieberperiode als and 
in der Rekonvaleszenz) hat das Mittel gut* 
Dienste geleistet. Bei Rekonvaleszenz nacl 
Ulcus ventriculi und nach schweren Ope 
rationen. Bei einem Fall von Magenkarzinom 
bei Verdauungsstörungen, bei Neurasthenie un< 
Marasmus senilis. 

Aus den Angaben des Verfassers gebt her 
vor, daß der Arzt Veranlassung zu ausgedehnte 
Anwendung hat, besonders, da nirgends irgem 
welche Unbekömmlichkeit bekannt geworden ist 
Fritz Loeb (München). 


Edlefsen, Über den Wert des Pepsins in de 

Behandlung der Verdauungsstörungen 1® 
Säuglingsalter. Wiener klinisch-therapeu 
tische Wochenschrift 1904. Nr. 4. 

Gegenüber den von anderer Seite (Tooh 
Arch. f. Kinderheilkunde, 1893, Bd. 16) eI 

hobenen, auf Mageninhaltsuntersuchungen djs 

peptischer Kinder basierten Einwänden, gehng 
| Edlefsen auf Grund langjähriger praktische 

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Referate über Bücher und Aufsätze. 


171 


Erfahrungen zu dem Schloß, daß die Säug- 
lir^rsdyspepsien weit häufiger auf einem Mangel 
•ic? Magensaftes an wirksamem Pepsin als auf 
riftrm HCl-Defizit zu beruhen scheinen. Für 
«fie Behandlung dieser Störungen legt er des¬ 
halb der Pepsindarreichung einen höheren Wert 
l*i als der Zuführung von Salzsäure. Das 
IFirknngsgebiet des Pepsins stellen die oft bei 
Flaschenkindern, gelegentlich auch bei Brust- 
lisdern auftretenden, dyspeptischen Diarrhöen 
•lar. welche einer Unfähigkeit des kindlichen 
Hägens, die zngeführte Milch und speziell deren 
Lwin zu verdauen, ihre Entstehung verdanken 
cs«! bei denen der Darm erst sekundär dadurch 
k Mitleidenschaft gezogen ist, daß die Nahrung 
in nicht genügend verbreitetem Zustand aus 
•ieni Magen in den Darm Übertritt und deshalb 
fcicr leichter als bei normaler Magenverdauung 
rincr abnormen Zersetzung anheimfällt. Bei 
•liefen aus dem Verhalten der Stuhlentleerungen 
leicht erkennbaren Affektionen erscheint das 
fepsin umsomehr indiziert, je jünger die Säug¬ 
ling zur Zeit der Erkrankung sind, es führt 
«>hr* Tuhilfe nähme eines antidiarrhoischen 
Medikaments und meist ohne Unterbrechung 
der Mlichernährung schon in wenigen Tagen 
Heilung herbei; dagegen gibt Verfasser 
Fei Kindern jenseit des Säuglingsalters, bei 
anderen Formen der Dyspepsie, vor allem bei 
■ h'dera nostras und durch Infektion entstandener, 
2. h schweren anatomischen Veränderungen ein- 
fcrfsrehender Gastroenteritis anderen Mitteln, 
darunter der HCl, den Vorzug. 

Edlefsen zieht für die Wirkungsweise des 
Pepsins verschiedene Erklärungen heran. Ent¬ 
weder 13t im Magensafte der Säuglinge bei be¬ 
hebender Dyspepsie der Pepsingehalt verringert 
oder das zugefiihrte Pepsin wirkt dadurch 
günstig, daß es, in den leeren Magen gebracht, 
rach Analogie der kohlensauren Alkalien und 
Mineralwässer die Schleimhaut zu vermehrter 
HCl-Sekretion anregt oder endlich könnte das 
ans dem Tier-(Sebweine-)Magen gewonnene 
Präparat ein für die Verdauung der Tiermilch 
adaequates und deshalb dem menschlichen 
Pepsin an Wirksamkeit überlegenes Verdauungs- 
f*nnent darstellen. 

Die Darreichung erfolgt am besten in Form 
de# Witteschen trocknen deutschen Pepsins 
•las billiger und den Säuglingen leichter beizu¬ 
bringen ist als die Scheringsche Pepsin- 
essenz , entweder in abgeteilten Pulvern: Rp. 
Pepsin sicc. german., Sacch. lact. ää 0,25 täglich 
3—4 mal 1 Pulver, oder, falls eine weniger 
genaue Dosierung genügt, 3—4mal täglich vor 


der Mahlzeit einen Teelöffelstiel voll (= ca. 
0,25 g) in etwas lauwarmem Wasser gelöst; 
als Schachtelpulver verordnet, eignet es sich, 
da 5 g im Handverkauf nur 25—30 Pf. kosten, 
auch für die Armenpraxis. Für die auch vom 
Verfasser beobachteten, vereinzelten Fälle, die 
auf HCl besser als auf Pepsin reagieren, ließen 
sich beide Mittel in der Weise kombinieren, 
daß auf 100 g 10 Tropfen HCl und 5 g Pepsin 
verschrieben und von dieser Mixtur 3 stündlich 
1 Teelöffel voll verabreicht wird. 

Hirse hei (Berlin). 


D. Young, Diabetic coma treated by trans- 
fusion. British medical Journal 1903. März. 

Young behandelte einen Diabetiker in 
schwer komatösem Zustande mit intravenösen 
Injektionen alkalischer Salzlösungen. Er kon¬ 
statierte danach eine deutliche Besserung, 
namentlich des subjektiven Befindens und emp¬ 
fiehlt daher diese Behandlungsmethode. Die 
Beobachtung dauerte nur 13 Tage, da der 
Patient an einer interkurrenten Perikarditis zu¬ 
grunde ging. Auffallend ist allerdings, daß 
anfänglich im Urin Azetessigsäure sich fand, 
die dann trotz regelmäßiger Untersuchung 
später verschwand. Danach scheint es sich 
doch um einen sehr schweren Zustand gehandelt 
zu haben, da sonst bei Zufuhr von Alkalien 
die Säureausfuhr im Urin beträchtlich zu steigen 
pflegt. Der Hauptzweck der Alkalizufuhr, die 
Beseitigung der Azidosis, scheint demnach doch 
nur in ganz geringem Maße erfolgt zu sein. 

Mamlock (Berlin). 

Benno Hallauer, Über den Einfluß der 
Konzentration des Harns anf den Ausfall 
der Eiweißreaktionen. Aus dem physio¬ 
logischen Institut der Universität Würzburg. 
Münchener medizinische Wochenschrift 1903. 
Nr. 36 und Monatsberichte für Urologie Bd. 8. 
Heft 10. 


Der Verfasser kam bei seinen Arbeiten 
über den Einfluß der Harnkonzentration auf 
den Ausfall der Eiweißreaktionen zu dem über¬ 
raschenden Ergebnis, daß in stark konzen¬ 
trierten und eingedampften Harnen die Koch¬ 
probe, in gewöhnlicher Form angestellt, oft 
negativ ausfällt, trotz vorhandenen Eiweißes; 
der sauer reagierende Harn bleibt beim Kochen 
sowohl wie beim Zusatz von verdünnter Essig- 



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172 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


säure oder Salpetersäure völlig klar, erst mit 
Wasser verdünnt, gibt er beim Kochen eine 
starke flockige EiweißfUllung. Das Ergebnis 
der weiteren Versuche war stets dasselbe: Die 
Kochprobo fällt im konzentrierten Harn stärker 
aus als im normalen; bei sehr starker Konzen¬ 
tration dagegen wird sie schwächer oder 
negativ. Die Hellersehe Probe fällt ebenfalls 
in konzentrierten Harnen häufig, die empfind¬ 
liche Essigsäure-Ferrocyankaliumreaktion kon¬ 
stant negativ aus. 

Die He 11 ersehe Probe wird durch den 
Harnstoff, die Kochprobe durch Harnstoff und 
Neutralsalze, die Ferrocyankalium-Essigsäure- 
reaktion wird durch die phosphorsauren Salze 
beeinträchtigt Für den Praktiker ergibt sich 
hieraus die Notwendigkeit, jeden hochgestellton 
Harn vor Anstellung der Eiweißproben mit 
Wasser zu verdünnen. 

Forchheimer (Wttrzburg). 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

Aloys Strasser, Albuminurie und physi¬ 
kalische Therapie« Blätter für klinische 
Hydrotherapie 1904. Nr. 10. 

Die Fragestellung umfaßt die Wirkung der 
physikalischen Heilmethoden auf das Symptom 
der Albuminurie, nicht auf die nephritischen 
Erkrankungen. Für dieses Symptom kommen, 
abgesehen von den nephritischen Ursachen, 
Zirkulationsstörungen in der Niere, Veränderung 
des Parenchyms und veränderte Blutbeschaffen¬ 
heit durch Ausscheidung abnormer Eiwei߬ 
substanzen ätiologisch in Betracht. Man kennt 
eine Kältealbuminurie, auch experimentell ist 
für eine solche eine Temperaturgrenze von 12 
bis 13° C festgestellt worden bei kurzer Dauer 
des kalten Bades. Die Albuminurie tritt sehr 
rasch ein und der Grad ist ein geringer; 
hyaline Zylinder werden manchmal, auch bei 
Tierexperimenten gefunden. Im weitesten 
Sinne sind auch Fälle von Hämoglobinurie 
hierherzurechnen. Ihr Zustandekommen wäre 
so zu erklären, daß auf sensiblen Hautreiz hin 
eine Kontraktion der Nierengefäße, darauf eine 
Dilatation, zunächst also eine verlangsamte, 
später beschleunigte Zirkulation in den Nieren 
eintritt. Zugleich spricht das rasche Erscheinen 
undVerschwindcn der Albuminurie für eine zirku- 
latorische Störung. Für den Zusammenhang von 
Albuminurie und Hämoglobinurie bei Kälteein¬ 
wirkung kann geltend gemacht werden, daß der 


letzteren die erstere gewöhnlich vorausgeht um! 
in leichten Anfällen allein auftritt Zuweilen 
kommt eine besondere Disposition oder eine 
schon vorher vorhandene latente Albuminurie 
oder auch die Methodik der Applikation in 
Betracht. So gelingt es bei zyklischer Albu¬ 
minurie durch Kältewirkung nicht, den Typus 
zu verwischen. Warme Bäder, solange keine 
Überhitzung stattfindet, sind belanglos, heiße 
Bäder mit erhöhter Körpertemperatur verur¬ 
sachen öfters Albuminurie. Ob damit die 
fieberhafte Albuminurie erklärt ist, ist fraglich, 
immerhin möglich, da das Filtrat einer Eiweiß- 
lösung mit steigender Temperatur anorganischen 
Stoffen reicher wird. Körperanstrengung kann 
transitorische Albuminurie hervomifen. Klera- 
perers Untersuchungen zeigten jedoch, daß 
die orthotische Albuminurie davon verschieden 
ist. Man hat dafür Krampf der kleinen Ar¬ 
terien, Verlangsamung der Stromgeschwindig¬ 
keit, abnorme Stoffwechselprodukte verant¬ 
wortlich gemacht, ohne bestimmte Entscheidung. 
Gewisse Arten der Bewegung, insbesondere 
Bergsteigen und methodische Gymnastik wirken 
auf die Albuminurie einschränkend, augen¬ 
scheinlich durch Schaffung günstiger Zirku¬ 
lationsbedingungen in der Niere. Ungünstiger 
Einfluß der Massage auf Albuminurie scheint 
ausgeschlossen, es scheint im Gegenteil, daß. 
nachdem die Hydrurese dadurch in Gang ge¬ 
kommen ist, die Albuminurie sinkt. Der Ein¬ 
fluß klimatischer Faktoren ist schwer abzu¬ 
schätzen. Die Erfahrung lehrt, daß warme, 
gleichmäßige Klimate günstig, gegenteilige 
Klimate ungünstig einwirken. Ist eine Ver¬ 
änderung des Blutes infolge der physika¬ 
lischen Therapie die Ursache der Albuminurie? 
Die Kryoskopie gibt uns darüber keinen Auf¬ 
schluß, da nicht die Eiweißmoleküle, sondern 
nur die Salze dabei in Betracht kommen. Man 
weiß allerdings, daß bei nephritischen Prozessen 
Eiweiß- und Salzausscheidung sich fast anta¬ 
gonistisch verhalten, und daß quantitative Ver¬ 
änderungen im Salz- und Harnstoffbestand des 
Blutes auf die Filtration des Blutes einen Ein¬ 
fluß haben. Immerhin wird bei quantitativen 
Veränderungen der Salze nur die Regulation 
durch die Niere verändert. Eiweiß wird nur 
bei qualitativen Veränderungen ausgeschieden. 
Auch bei genauer Differenzierung ist es also 
theoretisch unmöglich, der physikalischen 
Therapie eine bestimmte Stellung in der Be¬ 
handlung der Albuminurie zuzuweisen. Ver¬ 
fasser erörtert dann die hydriatische und bal- 
neologische Behandlung der Albuminurie. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


173 


Bedeutendes leistet die physikalische The¬ 
rapie bei der Stauungsalbuminurie. Hier hat 
Massage und eine vorsichtige Anwendung der 
lirkulationsbefurdernden Hydrotherapie keine 
bffabr. Verschieden reagieren die zyklischen 
tanr. orthotischen Albuminurien, je nachdem 
duselbcn auf veränderter Blutbeschaffenheit, 
anf Zirkulationsschwache, Schwäche der Glo- 
njenilus-Epithelien oder hereditärer Belastung 
beruhen. Allgemein roborierendes Verfahren 
durch physikalische Therapie wird eventuell 
diagnostischen Aufschluß über das Bestehen 
nephritischer Veränderungen geben. Gute Er¬ 
folg** sind erzielt worden durch Aufenthalt im 
IWhgebirge. Übungskur ist mehr am Platz 
;da eine Ruhekur. Methodische Gymnastik, 
Bergsteigen, Soolbäder, Eisen- und COj-Bäder 
hemmen dabei zur Anwendung. 

Aknte Albuminurie bedarf der Ruhe und 
verbietet Kälteanwendung. Warme und heiße 
Härter. Schwitzprozeduren kommen je nach dem 
'Und des Leidens in Betracht. Bei Entwicklung 
der snWhronischen oder chronischen Nephritis 
enMhtet -sich der physikalischen Therapie ein 
»eite« Hirkungsgebiet. Alles, was für die 
fhuc* des Herzens und toxisch veränderten 
^ifäfevstcms geschieht, ist da am Platz, ins¬ 
besondere, wenn ein hygienisch-diätetisches 
Begirne die Tendenz zur Kompensation der 
Erscheinungen verrät. In Frankreich ist man 
-etiger vorsichtig und empfiehlt kalte, fließende 
Sitzbäder, Schwitzkasten usw. Die Albuminurie 
selbst erfordert unabhängig vom Zustand des 
Herzens die Bewegungs - Therapie. Verzicht 
vjf Muskelarbeit ist nur im termineilen Sta¬ 
dium angebracht. Auch Nephritiker müssen 
trainiert werden. Dasselbe gilt auch für die 
clir>«aische interstitielle Nephritis. Bei guttöser 
•-sd präguttöser Albuminurie kann man mit 
allen sonst gegen die Gicht angewendeten 
i‘Qy$ik.ilischen Behandlungsmethoden große Er- 
t »Ire erzielen. Arteriosklerose liefert im An- 
•ißrsstadtum der Albuminurie dankbare Auf¬ 
gaben. Erfordernis ist Vertrautheit mit der 
physikalischen Heilmethode und ein differenzial- 
ciagnostischer Blick. 

van Oordt (St. Blasien). 


Achilles Rose, Wirkung des trockenen 
Koklen&ävregasbades auf die Zirkulation. 

New York Medical Journal 1904. Nr. 28. 

Während die Anwendung der Kohlensäure 
bisher in gewöhnlichem Wasserbade von ge¬ 
wöhnlicher Badetemperatur unter Zufügung der 


Kohlensäure geschah, hat Rose das trockene 
Kohlensäurebad in die Praxis eingeführt und 
benutzt dazu einen aufrechten Metallkasten, in 
dem der Patient sitzt, während das Gas aus 
einem Kompressionszylinder einströmt Er hat 
die Methode bei einer größeren Anzahl von 
Anämikern, Neurasthenikern angewandt und 
folgende Resultate gefunden, die sich auf 
exakte Untersuchungen der Herztätigkeit, der 
Pulsbeschaffenheit etc. stützen: Die peripheren 
Arterien und Kapillaren werden erweitert, der 
Blutdruck erhöht. Die Diastole wird langsamer 
und ausgiebiger, somit das Herz zur folgenden 
Systole gestärkt. Die ganze Blutzirkulation wird 
beschleunigt, und der Puls ähnelt während des 
Bades einem mit Alkohol stimulierten: der 
Rhythmus des Pulses bessert sich, in vielen 
Fällen von Arhythmie verschwinden die Inter¬ 
missionen. J. Marcuse (Mannheim). 


L, Jacobsohn, Uber Heißluftbäder bei 
Nervenkrankheiten. Deutsche medizinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 13. 

Verfasser hat mit lokalen oder allgemeinen 
Heißluftbädern, zu denen er den sehr prak¬ 
tischen Hilzinger-Reinerschen Apparat ver¬ 
wandte, bei Polyneuritis, Neuralgien, Lumbago, 
ferner bei neurasthenischen Schmerzen, bei 
Schlaflosigkeit infolge von Anämie und dann 
natürlich auch bei rheumatischen Affektionen 
sehr gute therapeutische Resultate erzielt; bei 
organischen Leiden des Zentralnervensystems 
konnte objektive Besserung durch Heißluft¬ 
therapie nicht erreicht werden, dagegen ist 
bemerkenswert, daß in zwei Fällen von peri¬ 
pherer Fazialislähmung (einem frischen 
und einem alten) durch Heißluft-Teilbäder des 
Gesichtes Heilung resp. sehr bedeutende Besse¬ 
rung herbeigeführt werden konnte. 

A. Laqueur (Berlin). 

Gustav Besold, Über Klima und Lungen¬ 
tuberkulose. Münchener mediz. Wochenschr. 
1904. Nr. 50. 

Verfasser vertritt die Ansicht, daß die 
ganze Klimatologie, im besonderen die Einflüsse 
der Höhen auf gesunde und kranke Menschen 
und somit auf Tuberkulose noch lange kein 
abgeschlagenes und klar geschriebenes Buch 
darstellen. Er verweist mit Recht auf die 
analogen Eigenschaften und Wirkungen, die 
das Klima an der See mit dem des Hoch¬ 
gebirges zeigt. Nach den bisherigen Resultaten 


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174 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


in bezug auf die Behandlung der Tuberkulose 
komme es viel weniger — sagen wir — nicht 
nur auf das Klima als auf die Art der Erkran¬ 
kung, die Konstitution und Resistenz des 
Kranken, sowie auf die Art der Behandlung 
an. Vor allem spiele die Meterzahl der Höhe, 
in der der Kranke sich befinden soll, keine ent¬ 
scheidende Rolle. J. Ruhemann (Berlin). 


Bürker, Die Wirkungen des Höhenklimas 
auf das Blut. Münchener med. Wochenschr. 
1905. Nr. 6. 

Verfasser liefert einen Beitrag zu der viel 
diskutierten Frage, ob die Vermehrung der 
Blutkörperchen im Hochgebirge eine absolute 
oder relative ist. Es wurde einerseits mit 
physikalischen Methoden die Thoma-Zeißsche 
Zählkammer untersucht. Dieselbe erwies sich 
als praktisch unabhängig von Luftdruck und 
Temperatur; ihr bedenklichster Fehler ist die 
leicht eintretende ungleichmäßige Verteilung 
der Blutkörperchen auf der Zählfläche. Ver¬ 
fasser wird demnächst über eine neue Zähl¬ 
kammer berichten, die diesen Fehler vermeidet. 
— Weiterhin wurden an Kaninchen vergleichende 
Bestimmungen des Eisengehaltes der Leber, 
Milz und des Blutes in Tübingen und der Schatz¬ 
alp bei Davos (1865 m) gemacht. Es ergab 
sich bei dem am dritten Tag nach der Ankunft 
im Gebirge getöteten Tier eine erhebliche Ver¬ 
mehrung des Eisengehaltes der Leber; bei den 
folgenden sinkt der Wert ab, schließlich unter 
den des Normaltieres in Tübingen. Bei der 
Milz war eine regelmäßige Schwankung im 
Eisengehalte nicht zu erkennen. Im Blute 
stieg der Eisengehalt zunächst, sank dann 
wieder, um schließlich definitiv anzusteigen. 
Es reagiert also das Blut in einer ganz spezi¬ 
fischen Weise auf das Höhenklima; es handelt 
sich bei den Wirkungen dieses Klimas nicht 
um relative, sondern um absolute Blutverände¬ 
rungen. Leo Zuntz (Berlin). 


Knopf und Laughlin, The open-air treat- 
rnent at home for tnbercnlous patients, with 
a description of a window tent and half 
tent. The practitioner’s Soc. of New-York 
1905. 3. Februar. 

ln dem Bestreben, tuberkulösen Patienten 
möglichst viel Gelegenheit zum Liegen in 
großem (freiem) Luftraum zu geben, haben 
S. A. Knopf und W. B. Laughlin für die 
Großstädter, welchen keine Gelegenheit zur 


Sanatoriumbehandlung gegeben ist, ein „Zelt“ 
bzw. „Halbzeit“ konstruiert, welches auf einer 
Veranda, dem Dach, im Garten und an andern 
passenden Orten aufgestellt wird und in welchem 
die Kranken möglichst viel in der Sonne liegen 
sollen; Windschutz und Lüftung scheinen in 
diesem Zelte fast vollkommen zu sein. 

Das Halbzeit kann vor jedem Fenster an¬ 
gebracht werden und dient hauptsächlich als 
Lagerplatz bei Nacht; Knopf hält die Nacht¬ 
ruhe in möglichst frischer und kühler Luft fiir 
besonders wichtig und sucht das dadurch zu 
erreichen, daß er die Patienten mit dem Rumpf 
und den Beinen im nahe ans Fenster geschobenen 
Bett unterbringt, während Schultern und Kopf 
im Halbzeit ruhen. Gleichzeitig legt Knopf 
großen Wert auf gleichmäßige Temperierung 
(22° C) des Raumes, in welchem der Kranke 
seine Toilette vornimmt, massiert und gebadet 
wird etc. R. Bloch (Coblenz). 


0. Gymnastik, Orthopädie und 
Apparatbehandlung. 

Brauer und Petersen, Über eine wesent- 
liehe Vereinfachung der künstlichen At¬ 
mung nach Sauerbruch. Zeitschrift fhr 
physiologische Chemie Bd. 41. Heft 4. 

Über eine Methode von fundamentaler Be¬ 
deutung berichten die Verfasser im jüngsten 
Heft der Hoppe-Seylerschen Zeitschrift für 
physiologische Chemie. Von dem Sauerbruch- 
schen Verfahren der Ausschaltung der schäd¬ 
lichen Wirkungen des Pneumothorax bei intra- 
thorakalen Operationen ausgehend — er erzielte 
dies dadurch, daß er den Thorax mittelst einer 
kleinen Operationskammer vor und nach der 
Eröffnung der Pleurahöhlen unter einem nega¬ 
tiven Druck hielt — hat Brauer das wesent¬ 
lichste Moment dieser ingeniösen Methode* 
nämlich das Hervorbringen einer konstanten 
Druckdifferenz, dadurch zu lösen gesucht, daß er 
den auf der Innenfläche der Lungen lastenden 
Druck in den notwendigen Grenzen erhöht, die 
Lungenaußenfläche dagegen dem herrschenden 
Luftdruck überläßt. Dies gelang ihm, indem 
er einmal das Versuchstier tracheotomierte und 
sodann mit Hilfe einer Sauerstoffbombe den 
konstanten Überdruck auf der Lungeninnen¬ 
fläche herstellte. Der aus der Bombe aus¬ 
strömende Sauerstoffstrom wird, bevor er die 
Trachealkanäle erreicht, dnreh ein Y-Rohr in 
zwei Bahnen geleitet Eine Bahn geht direkt 
zu einem zweiten Y-Rohr, die andere hingegen 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 175 


jassiert zum Zweck der Narkose eine Äther¬ 
ische und tritt nun mit den Äthergasen zu 
Jcfeem zweiten, die Bahnen wieder vereinigen- 
*itL Y-Rohr. Bei jedem Atemzug strömt dem 
Tier reichlich Sauerstoff zu, ein weiterer Wind¬ 
le**! und ein Druckventil regulieren die 
Itarkschwan kungen. Die Verfasser knüpfen 
auf Grand ihrer Tierexperimente an das Ver¬ 
fahren die weitgehendsten Hoffnnngen hin¬ 
sichtlich der chirurgischen Behandlung nicht 
rur vieler Lungenkrankheiten, sondern auch 
nueeber Herzkrankheiten. 

J. Marcuse (Mannheim). 


Breaillard, Etüde physiologiqueet medicale 
sar la marche et sur un moyen de la 
fariliter. Paris 1904. A. Maloine. 

Die Besprechung des menschlichen Ganges 
diem ebenso wie die Erörterung der Ermüdung 
so r als Einleitung für das eigentliche Thema 
der Broschüre. Verfasser hat sich jahrelang 
bemüht, den Stiefel mit einer mechanischen 
Vorrichtung zu versehen, welche den Gang 
erleichtert und den Eintritt der Ermüdung 

Ersetzte zunächst Versuche von Vorgängern 
ton, dahin zielend, durch Kautschukabsätze 
■der Einlagen die Erschütterung des Auftretens 
n vermindern und den Gang elastisch zu 

Schließlich kam er dazu, in den Stiefel 
unter die Ferse eine starke, in eine Dose ein- 
restiklosaene Metallfeder zu legen, deren Kraft 
da* Abwickeln des Fußes erleichtern soll. Er 
rlhmt dieser seiner Erfindung günstige Erfolge 
nach. Vulpius (Heidelberg). 

L Graadf, J1 massaggio addominale come 
tfiaretieo. Rivista Internaz. di Terapia 
Fisica 1905. Nr. 3. 

Verfasser berichtet kurz über fünf Beob¬ 
achtungen, durch welche eine günstige Ein¬ 
wirkung der Bauchmassage (effieurage) auf die 
Diurese wahrscheinlich gemacht wird. Es 
Hang, bei einem Kranken mit Lebercirrhose 
HDfcn starken Aszites innerhalb 3 Wochen ohne 
Medikamente zu beseitigen; ebenso sah Grandi 
«ne seröse Pleuritis, ferner die Ergüsse bei 
tuberkulöser Peritonitis (2 Fälle) rasch Zurück¬ 
gaben. Verfasser nimmt eine durch den 
fylanchnikus vermittelte Wirkung der Massage 
auf die Zirkulation in den Nieren an. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


A. Frey, Massage unter der Heißluftdusche. 
Zentralblatt für physikalische Therapie und 
Unfallheilkunde. Bd. 1. Heft 6. 

Verfasser beschreibt die Applikationsform 
und Wirkung der von ihm zuerst angegebenen 
bekannten elektrischen Heißluftdusche; dieselbe 
hat vor anderen hyperämisierenden Methoden 
(lokalen Heißluftbädern) auch den Vorzug, daß 
gleichzeitig damit die Massage angewandt 
werden kann, eine Kombination, die der 
in Aix-les-Bains gebräuchlichen Dusche- 
Massage sehr ähnlich ist. Beachtenswert ist 
ferner die Eigenschaft der lokalen Heißluft¬ 
dusche, bei energischer Anwendung außer der 
lokalen auch allgemeine Schweißproduktion 
und somit Anregung der gesamten Zirkulations¬ 
und Stoffwechselvorgänge im Körper bewirken 
zu können. A. Laqueur (Berlin). 

Momburg, Über Stauungshyperämie bei der 
Behandlung der Fußgeschwulst. Freie Ver¬ 
einigung der Chirurgen Berlins 1905. 9. Januar. 

Die sogenannte Fußgeschwulst der Soldaten, 
die z. T. als Mittelfußbruch, z. T. als Knochen¬ 
hautentzündung aufzufassen ist, wurde bisher 
in den Garnisonlazaretten mit Gipsverbänden, 
Massage, Jodpinselungen, feuchter Wärme be¬ 
handelt. Momburg ist es gelungen, durch 
Anwendung der Stauungshyperämie und zwar 
drei Stunden am Tage die durchschnittliche 
Behandlungsdauer der in Lazarettbehandlung 
kommenden schwereren Fälle fast um die Hälfte 
zu verringern, nämlich von 26,9 auf 14,8 Tage. 
Da es sich um ein in der Armee ungemein 
häufig vorkommendes Leiden handelt, ist der 
Gewinn für die Diensttauglichkeit der Truppe 
evident. Perl (Berlin). 


Tobler, Die therapeutische Bedeutung der 
Lumbalpunktion im Kindesalter. Korre- 
spondcnzblatt für Schweizer Ärzte 1905. 
Nr. 7. 

In der Heidelberger Universitäts-Kinder¬ 
klinik wurden 152 Lumbalpunktionen bei 71 
Patienten ausgeführt. Ein Fall von post- 
meningitischer Idiotie, sowie mehrere Fälle 
von postmeningitischem, sekundärem Hydro- 
cephalus und von epidemischer Cerebrospinal¬ 
meningitis wurden, letztere wenigstens palliativ, 
in günstiger Weise beeinflußt, bei primärem 
idiopathischem Hydrocephalus war der thera¬ 
peutische Erfolg nicht einwandfrei, bei 


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176 Referate über Bücher und Aufsätze. 


tuberkulöser Meningitis und bei otogen oder 
nach Scharlach oder Influenza entstandener 
Meningitis purulenta völlig negativ. 

Bezüglich der Menge des abzulassenden 
Liquor äußert sich Tobler dahin, daß, je 
mehr Flüssigkeit vorhanden ist, desto mehr 
auch entnommen werden darf. Die Punktion 
ist zur Vermeidung rascher und starker Druck¬ 
schwankungen in liegender Stellung des 
Patienten vorzunehmen und bei jeder Ver¬ 
änderung im Verhalten des genau zu beob¬ 
achtenden Kindes (Pulsschwankungen, Er¬ 
brechen, Blässe, Pupillensymptome) sofort ab¬ 
zubrechen. Bei Beobachtung dieser Vor¬ 
sichtsmaßregeln wird der Eingriflf selbst von 
kleinen Kindern recht gut ertragen, nur in drei 
Fällen schlossen sich vorübergehende, durch 
Schmerzen und Steifigkeit im Rücken und 
Nacken, Kernig’scbes Phänomen, Steigerung 
der Patellarreflexc, leichte Spasmen, aus¬ 
strahlende Schmerzen in den Beinen, Kopfweh, 
Erbrechen sich äußernde Reizerscheinungen 
(„Meningismus“) an die Lumbalpunktion an. 
Bei Verdacht auf Gehirntumor ist dieselbe 
kontraindiziert. Hirschei (Berlin^. 

L. Bärard et R. Leriche, De la conduüe 
ä tenir dans les cas de corps etranger de 
l’wsophage chez Penfant. La Semaine 
mtfdicale 1905. Nr. 7. 

Die Empfindlichkeit des Verdauungsrohres 
Fremdkörpern gegenüber nimmt von oben nach 
unten ab. Es geht daher nach den Erfahrungen 
der Verfasser nicht an, der Speiseröhre, 
namentlich im Kindesalter, eine besondere 
Toleranz in dieser Beziehung zuzuschreiben. 
Vielmehr kommt es im Anschluß an einen 
steckengebliebenen Fremdkörper — meist 
handelt es sich um Geldstücke — in kürzerer 
oder längerer Zeit zu schweren Veränderungen 
an der Speiseröhre selbst und in deren Um¬ 
gebung, zu Geschwüren, Abszessen und Per¬ 
forationen, die naturgemäß häufig einen un¬ 
günstigen Ausgang nehmen. Präzise Diagnose 
und daran anschließend ziclbewußtcs Vorgehen 
sind daher unbedingt geboten. Die Diagnose 
findet ihre Hauptstützen in Radioskopie und 
Ösophagoskopie, und nur wo diese nicht an¬ 
wendbar sind, ist vorsichtige Sondenunter¬ 
suchung gestattet. Therapeutisch verwerfen 
die Verfasser alles Manövrieren vom Munde 
aus, sofern es nicht etwa im Ösophagoskop 
unter Leitung des Auges geschieht. Andre 
Maßnahmen jedoch, wie etwa der Versuch, den 


Körper in den Magen hinabzustoßen oder Extrak¬ 
tionsversuche mit den verschiedenen, speziell 
hierfür angegebenen Instrumenten sind als un¬ 
nütz und gefährlich zu verwerfen. Dagegen 
ist die Oesophagotomia externa nach den Er¬ 
fahrungen der Verfasser im Kindesalter eine 
einfache Operation, deren Gefahren zumeist 
überschätzt werden. Üble Folgezustände, die 
mehrfach im Anschluß an dieselbe beobachtet 
worden sind, sind nicht auf Kosten des Ein¬ 
griffes zu setzen, sondern können nur als Beweis 
dafür gelten, daß man zu lange mit demselben 
gewartet hat. Diese Kinder sterben nicht durch 
die Operation, sondern trotz derselben. Bei 
richtiger und rechtzeitiger Ausführung— die Ver 
fasser geben eine sehr eingehende Schilderung 
ihrer Technik — sind vielmehr durchaus gute 
Erfolge zu erwarten. Dazu liefern die acht mit- 
geteilten Fälle (ein Todesfall) eine deutliche 
Illustration. 

Plaut (Frankfurt a. M). 

F. Ehrlich, Entfernung eines Knochen¬ 
splitters aus der Speiseröhre durch „untere 
Ösophagoskopie“. Münch, med. Woch. 1905 
Nr. 15. 

Verfasser hatte versucht, einen scharfen, 
in der Cardia festsitzenden Knochensplitter 
von der Größe 33:5:1 x j % mm mit dem 50 em 
langen üsophagoskopischen Tubus einzustelleu 
und zu extrahieren. Es trat aber eine heftige 
Blutung ein, die jedes Sehen verhinderte und 
zum Abbrechen der Untersuchung zwang. Nach¬ 
dem in den nächsten Tagen Fieber aufgetreten 
war, kam Ehrlich auf die Idee, von einer 
Ösophagotomiewundc aus die Extraktion mit 
einem kürzeren Tubus zu versuchen. Dabei 
leitete ihn die Erfahrung, daß Fremdkörper 
der Trachea und des Bronchus, die mit der 
„oberen“ Bronchoskopie nicht erreicht werden 
konnten, schon mehrfach von der Tracheotomie- 
wunde aus („untere“ Bronchoskopie) extrahiert 
wurden. Er benutzte diesmal einen nur 30 cm 
langen Tubus, der den Vorteil gegenüber dem 
längeren bietet, daß man besser sehen und die 
Zange besser dirigieren kann. Mit diesem 
gelang die Extraktion des oben beschriebenen 
Fremdkörpers leicht, ohne daß diesmal eine 
Blutung auftrat. Patient wurde geheilt. Ver¬ 
fasser glaubt das Verfahren, das er „untere 
Ösophagoskopie“ nennt, für ähnliche Falle 
empfehlen zu dürfen. 

\Y. Alexander (Berlin). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


177 


D. Elektro-, Lieht- u. Röntgentherapie. 

Picein!no,L’&lta frequenza nella cura delle 
fermaxioni vermoose. Annali di Elettri- 
m etc. 1904. Nr. 9. 

Verfasser bat den Funken eines hoch- 
rwjannten Stromes mit Vorteil zur raschen 
aid schmerzlosen Beseitigung kleiner Haut- 
^arzcn, sowie spitzer Kondylome verwandt. 

Laser (Wiesbaden). 


irieiizo, La d’Arsonvalizzazione nelle I 
nalattie della pelle. Annali di Elettri- | 
riti etc. 1904. Nr. 10. | 

Arienzo benutzt den Arsonval-Tesla- 
'cben Apparat mit dem Oudinsehen Resonator j 
uid nndet, daß die Anwendung dadurch voll- 
£in<li£ schmerzlos wird. Er hat sieben Fälle 
u'& Alopecia areata, zwei von Sycosis para- 
> :aria und einen von Hautwarzen mit Neigung 
nizerativem Zerfall behandelt und fast immer 
zum Teil ziemlich vielen Sitzungen Heilung, 
in Fällen jedenfalls rasche Besserung 

W'tWbtcL Laser (Wiesbaden). 

F'Bl isi, Le fratture trattate con Pelettri- 

cita. Annali di Elettricitä etc. 1904. Nr. 10. 

Gestutzt auf Versuche an Kaninchen, be¬ 
reite Verfasser mehrere Unterschenkelbrüche 
eine Oberarmfraktur mit galvanischer 
Lektrizitiit und konnte neben guter Kallus- 
i'iidmig und raschem Verschwinden des Ödems 
?ine ungestörte Funktion der beteiligten Muskeln 
k< nstatieren, so daß die Kranken nach Ab¬ 
riße der Verbände ihre Glieder ohne weiteres 
-brauchen konnten. Er empfiehlt ein Ver¬ 
fahren. das die Behandlung mit einfachen pro¬ 
visorischen Verbanden ermöglicht, so daß man 
■Le Anwendung komplizierter fixierender Appa¬ 
rat umgehen kann und gleichzeitig keine 
Msskelatrophie zu fürchten braucht. 

Laser (Wiesbaden). 


L Pasiai, Prim! resnltati ottenuti con la 
fototerapia mediante l’arco in ferro in 
deui casi dl lnpns. Annali di Elettricitä 
me-diea e Terapia fisica. Anno III. Ni. 1 u. 2. 

ln acht Fällen, deren Krankengeschichten 
£ itgeteilt werden, sechs Lupus vulgaris, ein 
Lupus erythematodes, ein Acne rosacea, wurde 
die Lichtbehandlung unter Benutzung einer 
weh dem Bangschen Prinzip konstruierten 


Lampe versucht. In vier Fällen des Lupus 
vulgaris wurde vollständige und anscheinend 
endgültige Heilung erzielt; bei den beiden 
andern blieb das Resultat wegen vorzeitiger 
Unterbrechung der Kur unvollständig. Einen 
ausgezeichneten Erfolg ergab die Methode bei 
dem Fall von Acne rosacea, während sie in 
dem Falle von Lupus erythematodes vollständig 
versagte. Bei der Behandlung zeigte es sich, 
daß die entzündungserregende Kraft des Lichtes 
zuerst intensiv, aber oberflächlich war, dann 
nach Entfernung der in Form einer Phlyctäne 
abgehobenen Epidermis gelinder wurde, aber 
viel weiter in die Tiefe drang. Dieser Beob¬ 
achtung entsprachen auch die Ergebnisse einiger 
Experimente, wobei Hautstückchen von ver¬ 
schiedener Dicke, die an einzelnen Stellen 
inselartig der Epidermis beraubt waren, auf 
Silbernitratpapier dem Lichte der Eisenbogen¬ 
lampe «ausgesetzt wurden. Die bedeutende Ab¬ 
sorption chemisch wirksamer Strahlen durch 
die Epidermis hatte hierbei zur Folge, daß das 
Licht, wo es die mit Epidermis bedeckten 
Hautstücke zu durchdringen hatte, viel lang¬ 
samer und weniger intensiv das empfindliche 
Papier bräunte als da, wo die Epidermis fehlte. 
Was die bakterizide Wirkung der Eisenhogen- 
| lampe anbelangt, so fand der Verfasser die¬ 
selbe nicht so intensiv wie Bang, jedoch 
' stärker als die der Kohlenbogenlampe, und zwar 
I äußert sie sich nicht sowohl in rascher Tötung 
i als allmählicher Abschwächung der Mikro¬ 
organismen. In bezug auf die ihm innewohnende 
Heilkraft ist das Eisenlicht nach Pasini dem 
Kohlenlicht ebenbürtig. Notwendig sind für 
| die erfolgreiche Anwendung: eine vollständige 
Ischämisation der Stelle, die Desepidermisation 
des Operationsfeldes, eine bestimmte Intensität 
des Stromes (8—10 Amp.) und eine Dauer der 
Sitzungen von 10—15—20 Minuten, endlich eine 
genügende Kurdauer. 

Böttcher (Wiesbaden). 


Gunni Busck, Lichtbiologie. Mitteilungen 
aus Finsens Medicinske Lysinstitut Heft 8. 

Die Arbeit befaßt sich mit der Darstellung 
der Wirkung des Lichtes auf lebende Orga- 
! nismen. Der bisher vorliegende, ziemlich um¬ 
fangreiche erste Teil des Werkes bringt in der 
Einleitung eine Beschreibung der physikalischen 
, Eigenschaften des Lichtes, der Lichtmessung 
und der verschiedenen Lichtquellen. 

Sodann folgt zunächst die Schilderung der 
Wirkung des Lichtes auf die niedrigstehenden 


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178 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Organismen (pathogene Bakterien, Hefe- und 
Schimmelpilze, Infusorien, Froschlarven), welche 
den Hauptinhalt des ersten Teiles ausmacht. 

Jedem, der sich für die moderne Licht¬ 
therapie interessiert, jedem besonders, der auf 
diesem Gebiete wissenschaftlich arbeiten will, 
sei das Buch auf das angelegentlichste emp¬ 
fohlen. Er wird manche Anregung und alles 
wissenswerte über die Technik der experi¬ 
mentellen Untersuchungen in dem sehr in¬ 
teressanten Werke finden. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Goldmann, Vorläufige Mitteilungen über die 
Impfung unter rotem Licht« Wiener klin. 
Wochenschrift 1904. 8. September. 

Der Verfasser hat nach Impfung unter 
rotem Licht und nachfolgendem „Rotlicht¬ 
verband“ keine Schwellung der Axillardrüsen 
und auch keine entzündliche Reaktion um die 
Impfpusteln erhalten, während bei den Kontroll- 
fällen, wo nur ein Arm in der genannten Weise 
behandelt wurde, immer starke Reaktions¬ 
erscheinungen auf den in der gewöhnlichen 
Weise geimpften Armen auftraten. 

Trotz der bei den „Rotlichtfällen“ so 
geringen reaktiven Entzündung war die Immuni¬ 
sierung gelungen, denn eine zweite Impfung 
nach fünf Wochen hatte nicht die geringste 
Reaktion zur Folge. 

H. E. Schmidt (Berlin). 

Ricketts und Bjles, The Red Light Treat- 
ment of Small-pox. TheLancet 1904. 30. Juli 
und 17. September. 

Die Verfasser haben mit der Behandlung 
von Pockenkranken im roten Zimmer keine 
günstigen Erfahrungen gemacht. Unter 13 Fällen 
kamen 2 ad exitum; in den übrigen traten trotz 
des Ausschlusses der „chemischen“ Strahlen 
Eiterung und nachfolgende Narbenbildung ein. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Seidln, Über die Wirkung der Röntgen- 
und Radiumstrahlen auf innere Organe 
und den Gesamtorganismus der Tiere. 

Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen¬ 
strahlen 1904. Bd. 7. Heft 6. 13. August. 

Der Verfasser hat — wie viele andre — 
konstatiert, daß kleine und junge Tiere (Mäuse) 
nach wirksamen Röntgen- und Radiumbe- 


strablungcn meist unter Lähmungserscheinungen 
zugrunde gehen, ohne daß er nennenswerte 
Veränderungen, welche den Tod der Tiere er¬ 
klären, makro- oder mikroskopisch nachweisen 
konnte. 

Verfasser hat ferner die von Albers- 
Schönberg und Frieben beschriebene Atro¬ 
phie der Hoden infolge von Röntgenbestrah¬ 
lungen bei Tieren ebenfalls hervorrufen können, 
auch durch Bestrahlungen mit Radium. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


0. Lassar, Zur Radiotherapie (Demon¬ 
strationen von Patienten und Projektionen). 

Berliner klinische Wochenschrift 1904. Nr. 20. 

In einem Vortrag in der Berliner Medi¬ 
zinischen Gesellschaft berichtete Lassar über 
seine therapeutischen Erfolge der Radium- und 
Röntgenbehandlung bei Erkrankungen der Haut. 
Zunächst hat sich ergeben, daß die Radium¬ 
behandlung bei heteroplastischen Tumoren der 
Oberfläche ganz unschädlich und ohne jede 
Nebenwirkung verläuft. Wenn man täglich 
mit einer halbstündigen Anwendung von 1 mg 
Radiumbromid in kleinen Kapseln, die mit 
einem Heftpflasterstreifen angeheftet werden, 
die Patienten behandelt, treten keinerlei ent¬ 
zündliche oder nekrotische Erscheinungen auf. 
Bis jetzt hat Lassar zunächst Melanome und 
Kankroide derart behandelt, und zwar von 
letzteren hauptsächlich solche der Nase, der 
Zunge etc. Es wurde völlige Ausheilung unter 
Bildung platter Narben erzielt. Lassar zieht 
hieraus den Schluß, daß prinzipiell sich patho¬ 
logische Neubildungen mit Radium zur Aus¬ 
heilung bringen lassen. Außerordentlich wesent¬ 
lich aber für den Gang der Behandlung ist 
eine unausgesetzte ärztliche Aufsicht während 
derselben. Was die Röntgenbehandlung an- 
betrifft, so wurden zunächst eine Reihe von 
entzündlichen, wuchernden, infiltierenden Haut¬ 
leiden, wie Psoriasis, Arzneiexantheme etc., 
durch dieselbe günstig beeinflußt. Weiterhin 
wurden durch die Bestrahlung solche Mamma¬ 
karzinome in bessere Lage versetzt, deren 
Träger nach erfolgter Vornahme von Operationen 
an inoperablen Rezidiven leiden. Es handelte 
sich dabei nicht darum, die als notwendig 
anerkannte Operation zu ersetzen oder heb 
seite zu schieben, sondern einzig und allein 
darum, aus Mammakarzinomen hervorgegangene 
rezidivierende Hautkrebse zu bessern, und man 
kann wohl sagen, zu heilen. An einer Reihe von 


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179 


S'rojektionsbildem der besprochenen Krankheits¬ 
fälle belegte der Vortragende seine Resultate. 

J. Marcuse (Mannheim). 


L Serum- und Organotherapie. 

Beitrage zur Schatzimpfling gegen Typhus. 

Veröffentlichungen aus dem Gebiete des 
Militar-Sanitätswesens. Herausgegeben von 
ier Medizinal-Abteilung des Kgl. Preußischen 
Kriegsministeriums Heft 28. Bearbeitet in 
der Medizinal-Abteilung des Kgl. Preußischen 
Kriegsministeriums. Berlin 1905. August 
Hirschwald. 

Die Veröffentlichung setzt sich zusammen , 
au- einer Einleitung und vier Abschnitten. In | 
Einleitung werden zunächst die an ein i 
raschbares Impfverfahren gegen Typhus zu j 
fTclknden Anforderungen klargelegt. — Die 
Frage der Typhus-Schutzimpfung war durch 
die Verbreitung des Typhus unter den südwest- 
afrikatischen Truppen lebhaft in Fluß gebracht; 
mdes&tn konnte nach dem Stande der prak- 
‘iKfeen nsd experimentellen Erfahrungen (eng- 
liKfe-üsfische Armee) zunächst eine obliga- 
? »rädk Durchimpfung der Mannschaften nicht 
geraten werden. Als ein Fortschritt stellt 
«Kh der im November 1904 erfolgte Abschluß 
von K o 11 e im Institut flir Infektionskrank- 
tatea geleiteten Untersuchungen dar, nach 
deren durch besondere Auswahl eines Typbus- 
ramaes bei verhältnismäßig großen Impfdosen 
':ae srenügend hohe Schntzstoffbildung ohne 
tim intensive Reaktionen erreicht wurde. Mit 
iksem Impfstoff sind zahlreiche Impfungen 
Abschnitte 2 und 3) vorgenommen. Die 
. attische Erprobung des Verfahrens in bezug 
Dauer und Wirksamkeit des Impfschutzes 
*'eht noch aus; erst wenn diese sich bewährt 
üben, kann an eine systematische Durchimpfung 
redacht werden; vorläufig hat nur die freiwillige 
vbistzimpfung Berechtigung. 

Erster Abschnitt: Über die wissen- 
•eluftlichen und experimentellen Grundlagen 
•ier Schntrimpfung gegen Typhus. Stabsärzte 
Het<ch und Kutscher. 

Der Darlegung der historischen Entwick¬ 
lung der Typhus-Schutzimpfung folgt die Ver- 
ptiebung der einzelnen bisher bekannten Ver- 
'ihren nach der Art der Herstellung des Impf¬ 
stoffes, der allgemeinen und örtlichen Reaktion 
fci Einverleibung des letzteren und der An¬ 
häufung von Schutzstoffen im Blute der Versuchs¬ 
personen (gemessen an den Bakteriolysinen). 


Geprüft wurden: Agar-Impfstoff nach Pfeifer- 
Kolle (große Dosen) und R. Bassenge- 
Rimpau (kleine Dosen), Bouillonimpfstoff nach 
Wright, Impfstoff nach Neißer-Shiga und 
pnlverförmiger Impfstoff nach Wassermann. 
Bei Anwendung des Pfeifer-Kollcschen 
Verfahrens wurden die höchsten Schutzwerte 
erzielt. Herstellung und Impftechnik sind ein¬ 
gebend beschrieben. 

Im zweiten Abschnitt gibt Oberarzt 
Flemming klinische Beobachtungen über den 
Verlauf der Typhus-Schutzimpfung bei 103 sich 
freiwillig der Impfung unterziehenden Ange¬ 
hörigen der Telefunken-Abteilung für Südwest¬ 
afrika. Die allgemeinen und örtlichen Reak¬ 
tionen waren besonders hei der ersten Impfung 
nicht unerheblich. Die Temperatursteigerung 
betrug (durchschnittlich) 38,4° und dauerte 
17 Stunden, die Pulsfrequenz 100°, Frost trat 
ein bei 63,1 %, Erbrechen bei 19,4%; die All¬ 
gemeinerscheinungen dauerten (durchschnittlich) 
16 Stunden, die örtlichen (Rötung, Schwellung, 
Schmerzen) 45 Stunden. Bei der zweiten und 
dritten Impfling war die Reaktion bedeutend 
geringer. 

Die im dritten Abschnitt niedergelegten 
Beobachtungen bei Typhus-Schutzimpfungen auf 
dem Truppenübungsplätze Munster (Oberstabs¬ 
ärzte Musehold und Steudel) geben im 
wesentlichen an einem Material von 634 Ge¬ 
impften die gleichen klinischen Erfahrungen. 
Von hoher praktischer Bedeutung sind die hier 
gegebenen Winke für Massenimpfungen. 

Der vierte Abschnitt umfaßt mehrere Be¬ 
richte von Sanitätsoffizieren über Beobach¬ 
tungen, die während der Seefahrt und in 
Südwestafrika bei der Typhus-Schutzimpfung 
mit dem vor November 1904 hergestellten Impf¬ 
stoff gemacht sind. Demnach sind im Mai und 
Juni und im August 1904 auf zwei Transport¬ 
dampfern Impfungen an im ganzen 54 Personen 
vorgenommen worden. Den Impfungen folgten 
gelegentlich, besonders wenn der Unterarm als 
Impfstelle gewählt war, recht erhebliche Re¬ 
aktionen. Unter der Bevölkerung von Karibib 
wurden Typhus-Schutzimpfungen durch die 
Stabsärzte Eggert und Kuhn vorgenommen; 
bis jetzt sind 84 Weiße und 461 Farbige der 
Impfung unterzogen worden. 

Der gegenwärtige Stand der Typhus-Schutz¬ 
impfungsfrage findet in dem vorliegenden Werk 
eine erschöpfende Behandlung, die sich zugleich 
mit sachlichster Kritik in der Bewertung des bi* 
jetzt Erreichten paart. 

L. Bassengc (Berlin 1 . 


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180 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


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J. Gobiet, Ein schwerer Fall Ton trau¬ 
matischem Tetanus, geheilt durch Dural¬ 
infusion Ton Behringschem Tetanusserum. 

Wiener klinische Wochenschrift 1904. Nr. 47. 

Es bandelt sich um einen Fall hoch¬ 
gradigster tetanischer Erscheinungen im An¬ 
schluß an eine Verletzung des Fußes durch 
einen Holzspan, bei der am siebenten Tage des 
Ausbruches des Tetanus eine Lumbalpunktion 
mit nachfolgender Duralinfusion vorgenommen 
wurde. Iujiziert wurden 100 A--E Behring- 
schen Serums. Nach vorübergehender, sofort 
eintretender Besserung kam es innerhalb zwei 
Tagen zu einer nochmaligen Verschlimmerung, 
die eine wiederholte Infusion nötig machte; 
danach trat dann völlige restitutio ad integrum 
ein. Bei der außerordentlichen Schwere des 
Falles mit einer Inkubationsdauer von sieben 
Tagen, der sehr raschen Entwicklung perni¬ 
ziösester Erscheinungen sicherlich ein vorzüg¬ 
liches Resultat. J. Marcuse (Mannheim). 

Mendelsohn, Erfahrungen Uber die Be¬ 
handlung des Scharlachs mit Antistrepto- 
kokken-Serum. Deutsche medizin. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 12. 

Auf Grund von 165 im Kaiser und Kaiserin 
Friedrich-Kinderkrankenhause zu Berlin mit 
Aronsonschem Antistreptokokken-Serum ge¬ 
spritzten Scharlachfällen faßt Mendelsohn 
sein Urteil dahin zusammen, daß die Serum¬ 
behandlung einen wesentlichen Einfluß auf den 
Krankheitsverlauf nicht auszuüben vermag. 
Fieber, Exanthem und Rachenbeläge verhielten 
sich nicht anders, als bei den nicht injizierten 
Fällen, und die häufigsten Komplikationen 
und Nachkrankheiten (Drüsenphlegmone, Otitis, 
Nephritis, Gelcnkaffektionen und Endocarditis) 
gelangten in gleicher Weise zur Beobachtung. 
Die malignen und septischen ScharlachfiUle 
endeten sämtlich letal. 32°/ 0 der Fälle be¬ 
kamen Spritzexantheme, von denen die ört¬ 
lichen am 1.—5. Tage, die allgemeinen am 
6.—17. Tage post injectionem auftraten und die 
zum Teil mit Fieberbewegungen und Störungen 
des Allgemeinbetindens, einigemal auch mit 
Gelcnkaffektionen und geringer Albuminurie 
einhergingen. Herzaffektionen scheinen eine 
Kontra-Indikation gegen die Anwendung des 
Serums zu geben. Es gelangte zunächst das 
schwächere 6 fache, dann das 20 — 50 fache 
Normalserum zur Injektion, und zwar wurden 
anfangs Durchschnittsdosen von 20—30 ccm 


bei leichten, 40—60 ccm bei mittelscbweren. 
60—80 ccm bei schweren Erkrankungen, später 
50—100 ccm und darüber verwendet, und zu¬ 
erst 20—30 ccm pro Tag mit ein- bis zwei- 
und mehrtägigen Intervallen, in der Folgezeit 
die gesamten Serummengen, die der Fall nach 
seinem Gesamteindruck zu erfordern schien, 
auf einmal (unter die Haut der Interskapular 
gegend) eingespritzt. 

Am Schluß der Arbeit berichtet Verfasser 
noch kurz über vier recht schwere Scharlach¬ 
fälle, bei denen Mosersches Serum (je ICO bis 
150 bis 200 ccm) versucht wurde; auch hier 
ließ die Sorumtherapie, welche bei drei Kindern 
Spritzexantheme zur Folge hatte, eine sicht 
liehe Einwirkung auf den Krankhcitsverlaui 
und eine Verhinderung von Komplikationei] 
vermissen. Hirschei (Berlin). 

Heermann, Uber einen schmerzlosen In- 
jektionsmodus des Alttuberkulins. Zeit 

schrift für Tuberkulose und Heilstätten- 
w'escn 1905. Bd. 7. Heft 1. 

Heermann tritt für die intravenöse In¬ 
jektion des Tuberkulins ein, bei der im Ver¬ 
hältnisse zu den subkutanen Einverleibungen 
entsprechend kleinere Dosen zu wählen sind. 
Es zeigt sich bei jener keinerlei lokale Ent¬ 
zündung noch Thrombenbildung. Der Gebrauch 
der Liebergschen Glasspritze ist Bedingung. 

J. Ruhemann (Berlin). 

Leonhard Rogers, On the pbysiological 
action and antidotes of snake venoms with 
a practical method of treatment of snake 
bites. Lanzet 1904. 6. Februar. 

Verfasser teilt die Giftschlangen in zwei 
Hauptklassen ein: die Kolubrinen und Vipe¬ 
rin cn; sie sind charakterisiert durch die Ver¬ 
schiedenheit ihrer Giftwirkung, bei den erstcren 
hauptsächlich Lähmung des Atemzentrums in 
der Medulla und Lähmung der motorischen 
Endplatten der Nervi phrenici (Cobra), bei den 
letzteren durch Veränderungen des Blute* 
intravaskuläre Gerinnung oder Verlust der 
Gerinnungsfähigkeit und dadurch bedingte 
Blutungen und — speziell Rogers neueste 
Forschungen — Lähmung des vasomotorischen 
Zentrums in der Medulla (Klapperschlange. 
Die Wirkungen der einzelnen Familien werden 
an Euhydrina, Cobra, Bungarus, Daboia, Tri 
mensurus und Klapperschlange ausführlich be¬ 
sprochen und sind in übersichtlichen Tabellen 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


181 


10*1111 mengestellt. Was uns am meisten inter¬ 
essiert, ist die Therapie; hier zeigt sich der 
zioAe Wert von Calmettes Serum, welches, 

erhältlich, bei allen Personen, welche von 
CoUbrinen gebissen sind, sofort intravenös 
dJ liiert werden sollte; bis der Arzt zur Stelle 
i?t. soll künstliche Respiration vorgenommen 
werden- 

Bei den Viperarten ist das Serum 
natzlos, hier sind kräftige gefäßkontrahierende 
i:d blutdruckerhöhende Mittel angebracht, wie 
Adrenalin und Nikotin, dann Binden der 
mteren Extremitäten und des Abdomens. 

Verfassers einfache praktische Methode zur 
•ofertigen ärztlichen und nichtärztlichen Be- 
budlnng irgend eines Schlangenbisses beruht 
auf Anwendung folgender Lokaltherapie: Um- 
▼ickehmg des Gliedes zentral von der Bißstelle 
ziR einer Schnürbinde, Inzision der kleinen 
Wende und Einreiben von Kristallen von 
Kalium bypermanganicum. Auf Anraten von 
>ir Lander Brunton hat Rogers eine kleine 
Lanzette konstruiert, welche in einer umgebenden 
Hülse Kal. hypermangan. in Kristallen enthält, 
\n der Westentasche getragen werden kann 
uni Hets gebrauchsfertig ist. Die rasch sich 
iöfdden Kristalle sollen möglichst viel von 
dem (iift neutralisieren, bevor es Zeit hat, in 
•-ic Blntbahn zu gelangen. 

R. Bloch (Koblenz). 


fbrUtiaBl, La guerison du myxoed&me 
pur la greffe thyroidienne. Semaine 
amicale 1905 . Nr. 10. 

Wirksamer ais die Darreichung von Tbyreold- 
ftäparaten ist nach Christiani die Trans¬ 
plantation von menschlicher Schilddrüse in Fällen 
> h: Myxoedem, Schilddrüseninsuffizienz sowie 
partieller oder totaler Atrophie. Schwer ist 
Beurteilung, wieviel man transplantieren 
f»li. Tierversuche haben für den Menschen 
ieine sicheren Normen gegeben; es empfiehlt 
•ich, nur gerade soviel wie zur Beseitigung der 
Störungen erforderlich, zu übertragen, da sonst 
leicht starke Reaktionen auftreten. Nach der 
Transplantation beginnt das neue Stück Schild¬ 
drüse an der Peripherie resorbiert zu werden, 
Unn tritt Organisation ein und schließlich be¬ 
ginnt das Stadium der Funktion des neuen 
"rnns. Christiani hat an verschiedenen 
Meilen des Körpers (Vorderarm, Thoraxwand) 
die Transplantation vorgenommen mit Gewebe, 
«las von Schilddrüsenhypertrophie stammte. 
« hristiani steht nach seinen Beobachtungen 


auf dem Standpunkt, daß durch Transplantation 
wieder eine vollwertige, funktionsfähige Schild¬ 
drüse geschaffen werden kann. 

Mamlock (Berlin). 


F. Verschiedenes. 

Ebstein, Die Gicht des Chemikers Jakob 
Berzeliu8 und anderer hervorragender 
Männer. Stuttgart 1904. 

Auf Grund der Briefe von Liebig, 
Wöhler, Berzelius sowie dessen selbst¬ 
biographischen Aufzeichnungen gibt Ebstein 
eine Darstellung der körperlichen Verfassung des 
großen Stockholmer Chemikers, mit besonderer 
Berücksichtigung seiner Gicht. Ebstein tadelt, 
daß in Biographieen hervorragender Männer 
häufig gar nichts über ihre Gesundheits¬ 
verhältnisse zu finden ist; oft geben letztere 
überraschende Aufschlüsse über Charakter und 
Neigungen des Menschen. Übrigens hat sich 
in neuerer Zeit die Einzelforschung mit bezüg¬ 
lichen Fragen bei Rousseau, Heine, 
Goethe, Friedrich dem Großen u. a. be¬ 
schäftigt. Sicher hat Berzelius sehr durch 
die Gicht gelitten, wie er umgekehrt durch 
geistige Arbeit die Krankheit verschlimmert 
hat. Es handelte sich bei ihm um Arthritis 
uratica; gleichzeitig bestand eine Myeolomalazie 
im Dorsalmark. Interessant ist besonders zu 
sehen, wie der große Naturforscher seinen 
Zustand beobachtet und wie er darüber geurteilt 
hat Des weiteren geht Ebstein auf die Gicht 
von Rubens, Küstner, Tieck, Goethe und 
Friedrich dem Großen ein. Die Anregung, 
bei Lebensbeschreibungen großer Männer auch 
über ihre Körperzustände Aufschlüsse zu geben, 
verdient gewiß Beachtung. 

Mamlock (Berlin). 


Ralf Wichmann, Die Neurasthenie und 
ihre Behandlung. Berlin 1904. 0. Salle. 

DasBuch wendet sich an denNeurastheniker 
bzw. an den Laien überhaupt. Wenn es trotz¬ 
dem hier Besprechung finden soll, so ist das 
I mit der verständlichen Darstellung und zugleich 
mit seiner wissenschaftlichen Gediegenheit zu 
I begründen, mit der der Verfasser die Ursachen 
der Neurasthenie und ihre Behandlung schildert. 
| Wenn übrigens die ärztliche Auffassung, daß 
populär-medizinische Werke unter Nervösen 
nur Unheil anrichten, fast ausnahmslos richtig 


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182 Referate über Bücher und Aufsätze. 


ist so macht eben die besprochene Abhandlung 
eine Ausnahme. Ich würde mich nicht scheuen, 
sie den meisten Neurasthenikern, Nervösen und 
Hypochondern in die Hand zu geben. 

Soweit das Werkchen belehrend , wirken 
soll, ist es aufklärend und beruhigend ge¬ 
schrieben, wenn es zum Berater wird, gibt es 
praktische, dem Gesunden einleuchtende Rat¬ 
schläge ohne Einseitigkeit und immer an der 
Hand des physiologisch Richtigen oder des 
zurzeit Geltenden schrittweise vorgehend. 
Die einzelnen Kapitel des Werkes fordern die 
Kritik nicht heraus, wie es in einer populären 
Abhandlung auch nicht der Fall sein darf; sie 
sind durchdrungen von dem praktischen Wissen 
eines beschäftigten Nervenarztes und da wird 
auch der Arzt manchmal das Werkchen mit 
Befriedigung in die Hand nehmen, wenn es 
auch nur sein sollte, um für den Kranken 
oder sich selbst gelegentlich einigen Trost zu 
suchen. 

Zwei Seiten des Werkcbens verdienen noch 
besonders hervorgehoben zu werden: Einmal 
die unzweideutige Stellungnahme gegen die 
falschen Propheten, die sogenannten Naturheil¬ 
kundigen, ohne darum gerade dem Laien den 
Eindruck der Polemik zu erwecken, und 
zweitens berücksichtigt es in eingehender Weise 
die physikalische und diätetische Therapie oder 
vielmehr Prophylaxe, wobei Formeln und kate¬ 
gorische Aussprüche durchweg vermieden sind. 
Weniger glücklich ist die Einteilung der ver¬ 
schiedenen Erscheinungsformen der Neuras¬ 
thenie. Wer auf dem entschiedenen Standpunkt 
steht, daß die Neurasthenie eine Affektion des 
gesamten Nervensystems ist, darf sie nicht in 
14, doch nur rein symptomatische Neurasthenie¬ 
gruppen zerreißen. Was da dem Arzt nicht 
billig erscheint, kann auch für den Laien nicht 
recht sein. 

van Oordt (St. Blasien). 

A. Irsai, Mit Thiosinamin behandelte Fälle 
von Ifsophagusstriktur. Ungarische rhino- 
laryngologische Gesellschaft. Sitzung vom 
15. Dezember 1904. 

Z. Kircz, Ein Fall von Strictura Ösophagi 
mit Thioslnamin behandelt. Gesellschaft 
der Spitalärzte in Budapest. Sitzung vom 
11. Mai 1904. Pester medizinisch-chirurgische 
Presse 1905. Nr. 4. 

Irsai hat im letzten Jahr Gelegenheit ge¬ 
habt, 9 Fälle von Ätzstrikturen des Ösophagus 


mit Thiosinamin zu behandeln. In einem diese r 
Fälle erfolgte die Besserung im Zustande der 
Patientin, nach der Meinung des Verfassers. 
einzig und allein auf diese Behandlung, bei 
den übrigen mußte von Zeit zu Zeit die Sonde 
zu Hilfe genommen werden, jedoch war die 
Dehnung der Narben viel leichter und ging die 
Dilatation der Narben rascher von statten. 
(? Ref.) Auf Grund seiner Erfahrungen zieht 
Verfasser den Schluß, daß das Thiosinamin 
nach keiner Richtung hin den Organismus 
schädlich beeinflußt. Das Mittel allein kann 
keine Besserung in den Verhältnissen der 
Striktur hervorrufen, es ist aber als Hilfsmittel 
bei der Sondenbehandlung empfehlenswert 

Kircz behandelte eine Ätzstriktur bei 
einem 39 jährigen Manne mit Thiosinamin. Der 
Erfolg der Behandlung war der, daß während 
bei der Aufnahme die 3er Sonde nicht durch¬ 
ging, nun die 6er Sonde unbehindert in den 
Magen gelangte. Bemerkenswert ist, daß in 
diesem Fall, um über die Wirkung des 
Thiosinamins Klarheit zu gewinnen, keine 
mechanische Therapie angewandt wurde. In der 
Diskussion erklärte v. Herczel, er halte das 
Thiosinamin im wesentlichen für ein Adjuvans. 
In einem Falle von Keloid bei einer jungen 
Dame war der Erfolg insofern überraschend, 
als sich die kallösen Narben auf der Brust zu¬ 
rückbildeten; daneben wurden diese Narben 
allerdings auch massiert. Auch in einem Fall 
von fibrösen Verwachsungen nach Perityphlitis 
und von kallöser Pleuritis fand v. Herczel das 
Mittel bewährt. 

Fritz Loeb (München). 

Gonrichon, L’hygiöne de l’enfant ä l’ecole. 

Le bulletin medical 1905. 29. März. 

Verfasser sieht ein wichtiges Hilfsmittel 
zur Besserung der sanitären Verhältnisse in 
den ärmeren Volksklassen, speziell auch zur 
Verhütung der Tuberkulose in der Erweiterung 
der Funktionen und Rechte des Schularztes, 
zu dessen Hauptaufgaben die hygienische 
Kontrolle des Schulkindes gehört. Besonderes 
Gewicht ist zu legen auf Körperpflege und 
Sauberkeit, zu deren Beförderung als Ersatz 
der relativ kostspieligen Anlage von Schul - 
bädern die Verteilung von Gratisbadekarten 
an die Kinder in Betracht käme, auf die 
Überwachung des Turnens resp. Einrichtung 
eines orthopädischen Turnunterrichts und 
gymnastischer Übungen für die an Wirbel¬ 
säulendeviationen leidenden Kinder und auf 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


183 


Verbesserung der Mittagsmahlzeiten, welche 
in vielen Pariser Volksschulen verabreicht 
werden, jedoch strengen hygienischen An¬ 
forderungen nicht überall genügen. Zur Be- 
eeirigung der hier noch vielfach obwaltenden 
Mißstande würde der Schularzt viel beitragen 
können, wenn ihm eine selbständigere Stellung 
ist den Schul- und Gesundheitskommissionen 
ein geräumt würde. Ferner sollte in allen Schulen 
ein die w ichtigsten ärztlichen Daten (Körper¬ 
gewicht. Brustumfang, Herz- und Lungenbefund, 
Sinnesorgane etc.) enthaltendes Merkblatt für 
jedes neu aufgenommene Kind angelegt und 
inf Grund alljährlicher Nachuntersuchungen er¬ 
gänzt werden: dasselbe würde die Auswahl der 
besonders pflegebedürftigen Kinder wesentlich 
erleichtern und, beim Abgang von der Schule 
den Angehörigen eingehändigt, wertvolle An¬ 
haltspunkte für später, z. B. für die ärztliche 
Untersuchung beim Eintritt zum Militär, bieten. 

Hirfrchel (Berlin). 


Richard, De l’anesthlsie generale par la 

M^fdamiae. Bulletin g6n£ral de Thära- 
pentique 1905. 8. März. 

Im Anschluß an einen von Terrier in der 
Pariser chirurgischen Gesellschaft über die 
.V' *poUminmorphiumnarkose gehaltenen Vortrag 
bespricht Rochard deren Vorzüge und Nach¬ 
teile und kommt zu einem das Verfahren ab¬ 
lehnenden Standpunkt. Zwar fällt das Er¬ 
brechen nnd der Nachscbmerz fort, der Kranke 
kann auch bald nach dem Erwachen ernährt 
werden, aber bei den meisten Fällen genügt 
das Scopolamin nicht, es mußte Chloroform 
außerdem gegeben werden; ferner wirkt das 
Mittel vasodilatatorisch und erfordert minutiöse 
Blutstillung, es ruft eine so starke Kontraktur 
der Bauchpresse hervor, daß Bauchoperationen 
»ehr erschwert werden. Das Wichtigste ist 
aber, daß das Mittel durchaus nicht ungefähr¬ 
lich. daß im Gegenteil eine Anzahl von Todes¬ 
fällen auf das Konto des Scopolamin fallen. 

Perl (Berlin). 

Biritre, Behandlung der Fibrome und 
Terktlung der Neoplasmen durch Physiko- 

therapfe. Annales de Pbysicothärapie 1904. 
April-Heft. 

Die physikalische Therapie begünstigt den 
Rückgang der Uternsfibrome; bei Anwendung 
der Elektrolyse darf man 40 Milliamperes nicht 


überschreiten. Verfasser empfiehlt hydro-elek- 
trische Bäder mit Abreibungen, Kohlensäure¬ 
bäder, faradische, hochfrequente mono- und' 
bipolare Ströme, Vibrationsmassage. Diese 
Faktoren unterdrücken die Schmerzen und die 
Metrorrhagien, heben die lokale und allgemeine 
Ernährung, wirken lokal dekongestiv, allgemein¬ 
reinigend und sekundär antineoplastisch. Sie 
sind unschädlich nnd machen die Operation in 
vielen Fällen überflüssig. 

J. Marcuse (Mannheim) 

A. Eulenburg, Über Nerven- nnd Geistes¬ 
krankheiten nach elektrischen Unfällen. 

Berliner klin. Wochenschrift 1905. Nr. 2. 

Als elektrischer Unfall ist nach der Defini¬ 
tion von Jellinek jede Schädigung aufzu¬ 
fassen, die durch Übergang von Elektrizität 
auf den menschlichen Körper verursacht worden 
ist. Solche Unfälle können durch atmo¬ 
sphärische Entladungen, sowie durch technische 
Anwendung der Elektrizität (Starkstroman¬ 
lagen etc.) hervorgerufen werden. Wie alle 
übrigen Unfälle, können auch diese zu den ge¬ 
wöhnlichen Formen der funktionellen Unfall- 
Neurosen mit oder ohne gleichzeitige lokalisierte 
Form traumatischer Nervenerkrankung Veran¬ 
lassung geben. — Die Telephonistinnen-Unfälle 
haben nach den Erfahrungen des Verfassers 
häufig mit Elektrizität gar nichts zu tun, sondern 
beruhen meist auf intensiven Schallwirkungen, 
namentlich in Form der durch ferne Gewitter 
erzeugten knallartigen Erschütterungen; es 
handelt sieh in diesen Fällen um sogenanute 
Schreck-Neurosen, die je nach den besonderen 
Umständen und der individuellen Disposition 
zu schwereren oder leichteren nervösen Stö¬ 
rungen führen können. Richtige elektrische 
Unfälle kommen im Telephonbetrieb nur selten 
vor, weil in der Regel Sicherungen verschiedener 
Art gegen das Eindringen von Starkströmen 
in den Telephonkreis angebracht sind. Bei 
Fehlen oder Nichtfunktionieren solcher Siche¬ 
rungen ist natürlich bei Gewittorn oder in der 
Nähe von größeren elektrischen Anlagen Über¬ 
gang von Starkströmen auf den menschlichen 
Körper bei Benutzung des Telephons möglich 
Verfasser berichtet über einen solchen Fall, 
bei dem in einem Elektrizitätswerk Hoch¬ 
spannung in dem Telcphonapparat eingetreten 
war und dadurch ein schwerer Unfall herbei¬ 
geführt wurde. Bei dem 32jährigen Patienten 
entwickelte sich im Anschluß daran und aller 
Wahrscheinlichkeit nach infolge der Schädigung 


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184 Tagesgeschichtliehe Notizen. — Eingegangene Schriften. 


durch Übergang von Elektrizität auf den Körper 
eine progressive Paralyse. Auch der ätio¬ 
logische Zusammenhang der multiplen Sklerose 
mit schweren elektrischen Unfällen ist auf Grund 
der diesbezüglich bereits vorliegenden Erfah¬ 
rungen (Verfasser verfügt über einen solchen 
Fall) nicht von der Hand zu weisen. — Ein 
interessanter Fall von schwerem elektrischen 
Unfall wird weiter von Eulenburg mitgeteilt, 
der durch Aufschlagen eines Oberleitungsdrahtes 
der Straßenbahn auf den Kopf eines 49jährigen 
Mannes hervorgerufen wurde. Es entwickelte 
sich eine außerordentlich schwere progressive 
Großhirnrindenerkrankung mit ausgedehnter 
Vernichtung der corticalen Funktionen der 


Empfindung und Sinnes Wahrnehmung, der will¬ 
kürlichen Bewegung und der höheren Seelen 
tätigkeiten. — Wie Verfasser besonders betont 
kommt für dieSchwere elektrischer Verletzungen 
durchaus nicht nur die Höhe der Strom Spannung 
in Betracht; ebenso wichtige sind eine große 
Reihe von andern Faktoren, besonders das 
Verhalten der Leitungswiderstände, die absolute 
Stromstärke und Stromdichte, ferner Berüh¬ 
rungsstellen, Richtung des Stromes, Dauer der 
örtlichen Einwirkung usw. So können unter 
Umständen Spannungen von 500 Volt ohne be¬ 
sonderen Schaden vertragen werden, während 
schon Ströme unter 100 Volt den Tod berbei- 
führen. R. Friedlaender (Wiesbaden). 


Tagesgeschichtliche Notizen. 


Der am 2. Mai 1905 in Berlin tagende Röntgenkongreß hat beschlossen, eine einheitliche 
Nomenklatur der Röntgenologie für die Kongreß- und Schriftsprache einzuführen. 
Folgende Bezeichnungen sollen in Zukunft verwendet werden: Röntgenologie = Röntgenlebre, 
Röntgen-Wissenschaft; Röntgenoskopie = Röntgen-Durchleuchtung; Röntgenographie = Röntgen¬ 
aufnahme; Röntgenogramm = Röntgenbild, Röntgennegativ, Röntgenpositiv, Röntgendiapositiv: 
Ortho-Röntgenographie, Röntgentherapie = Röntgenbehandlung; Röntgenisieren = mit Röntgen¬ 
strahlen behandeln. 

Wir können diesem zeitgemäßen Vorschlag nur zustimmen und bitten unsere verehrten 
Herren Mitarbeiter, sich dieser Nomenklatur in Zukunft zu bedienen. 

Die Firma Rossel, Schwarz & Co., Wiesbaden teilt uns mit, daß sie am 1. April 
infolge freundschaftlichen Übereinkommens mit Herrn Dr. Gustav Zander und der Firma 
Aktiebolaget Göranssons Mekaniska Verkstad in Stockholm die alleinige Fabrikation der heil¬ 
gymnastischen und orthopädischen Apparate System Dr. Zander übernommen hat. 


Eingegangene Schriften. 


Prof. Dr. Lustig (Florenz). Die Grotte Giusti in Monsummano und die Bäder von 
Montecatini. W. Braumüller. Wien und Leipzig 1905. — Dr. F. und 0. Schlagintweit. Jahres¬ 
bericht (1903/04) aus den Heilanstalten für Harnkranke in München und Bad Brückenau. E. Wolf 
Brückenau 1905. — Prof. Dr. Robert Rieder Pascha. Für die Türkei. Selbstgelebtes 
und Gewolltes. Bd. 2. Gust. Fischer. Jena 1904. — Deutsche Krankenpflege-Zeitung. 
7. Jahrgang 1904. Herausgegeben von Dr. Paul Jacobsohn. E. Staude, Berlin. — Bulletin of 
the ayer clinical laboratory of the Pennsylvania hospital. — Transactions of the 
American Gastro-enterological Association 1904. — V. Jahresbericht des Vereins fi» r 
Fürsorge für kranke Arbeiter zu Posen für das Jahr 1904. — X. Jahresbericht der Vereinigung 
für Fürsorge für kranke Arbeiter zu Leipzig für das Jahr 1904. — Bericht über die Tätigkeit 
der Berliner Rettungsgesellschaft für das 7. Geschäftsjahr 1904. 

Berlin, Druck von W. Btixenatein. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 

von 

hot v. BABF.S (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CTRSCHMAXN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
h"f. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prot A. FRANKEL. (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
Berti», Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
Dipr*;. Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
0. KLBIPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
Grk ßai Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
IttSni'S (Rostock), Prof. t. MERING (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
öraftwiM), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straflbnrg), Prof. v. NOORDEN 
Fnskfart a. M.), Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
hi«. Geh.-Rat. Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENVERS (Berlin), Prof. ROSENSTEIN 
Leiden«. Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt SCHAPER (Berlin), Prof, 
SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof, 
r STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von 

E. VON LETDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Viertes Heft. 


1. JULI 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Preis des Jahrganges M. 12—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und ln sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT, 


I. Original-Arbeiten. Seite 

L Zur 0-Wirkung der Seeluft. Von Dr. Ide, Nordsee-Heim, Amrum.189 

11 Zar therapeutischen Verwendung des Stenosenatmens in der Lungentuberkulose. Von 

Dr. C. Fischer in Montana.193 


III. Weitere Untersuchungen über die Wirkung der Sonnenbäder auf einige Funktionen 

des Organismus. Von Dr. W. D. Lenkei, Leiter der Heilanstalt in Balaton-Almädi 194 

IV. Uber die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. Aus dem Zentral- 

Institut für physikalische Therapie in Rom. (Direktor Prof. Dr. Karl Colombo.) 
Experimentelle Untersuchungen von Prof. Dr. Karl Colombo in Rom. (Schluß) 200 

II. Berichte über Kongresse und Vereine. 

1.1)« XXII. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden vom 12.—15. April 1905. Bericht¬ 


erstatter: Dr. W. Alexander (Berlin). (Schluß).214 

11. Deiteehe Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. IV. Kongreß 1905 . 223 


III. Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Eraährangstherapie). 

I aber. Die Magensaftsekretion des (gastrostomierten) Menschen bei „Scheinfütterung“ 

und Rektalernährung. 224 

Dornbluth, Diätetisches Kochbuch.225 

Uick f Cber den Einfluß verschiedener Stoffe auf die Pepsinverdauung.225 

I-aafer, ütilisation comparöe des hydrates de carbone et des graisses chez les tubereuleux 226 
Sommerfeld, Über Ausnutzung von Roborat (vegetabilischem Eiweiß) bei Kindern . . 226 

Aronstamm, Stoffwechselversuche an Neugeborenen.226 

Rippert und Jolles, Über Untersuchungen der Milch beider Brüste.228 

B. Hydro-, B&lneo- und Klimatotherapie. 

Zimmermann, Über hydroelektrische Behandlung der Herzfunktionsstörungen .... 223 
Heit*, Des modifleations des an6sthösies eutanßcs du tabes sous l’influence des bains 

carbo-gazeux.229 

♦’^rdon, The influence of rainy winds ou pathiris.229 

bamberger, Über lokale Heißluftbehandlung.229 

ß«ieb, Abortivbehandlung der Furunkulose mit überhitzter Luft.230 

Makler, Über die Einwirkung thermischer Hautreize auf die Herzarbeit und auf die 

Atmung.230 

Heller, Weitere Mitteilungen zur Therapie der Basedowschen Krankheit.230 

C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

^arckhard, Beobachtungen über die Gefahren Schultzescher Schwingungen.231 

•Vhultze, Die angeblichen Gefahren und die sicheren Vorteile der künstlichen Atmung 

durch Schwingen des tief-scheintoten Kindes.231 

13* 


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188 


Inhalt. 


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Seite 

Jtidet, Le traitement orthopädique de la luxation congenitale de la hanche.231 

Till mann s, Über Behandlung durch venöse Stauung.231 

Kromayer, Eine neue, sichere Epilationsmethode: das Stanzen.232 

Lange, Die Behandlung der Skoliose durch die aktive und passive Überkorrektur ... 232 

Grünbaum, Die Technik der Stauungshyperämie.233 

Foges, Kolposkop.233 


D. Elektro-, Lieht- and Röntgentherapie. 

Colombo, La radioterapia nella leukemia splenomidollare.233 

Doumer und Lernoine, Traitement des tumeurs de Testomac par la Radiotherapie . . 233 

Basch, Das zur Finsenbehandlung dienende Bökesche Instrument.234 

Benson, The X-ray Treatment of Lupus.235 

Tousey, The Treatment of Tuberculosis of the Larynx and of the Prostate Gland bythe 

X-ray, High-frequency Currents, and the Cooper-Hewitt Light.235 

• 

E. Serum- und Organotherapie. 

Salge, Immunisierung durch Milch.. 235 

Petruschky, Beobachtungen über Ehen und Nachkommenschaft Tuberkulöser, die mit 

Tuberkulin behandelt wurden.236 

Libbertz und Kuppel, Über Immunisierung von Rindern gegen Tuberkulose (Perlsucht) 

und über Tuberkulose-Serumversuche.236 

Ayer, A study of fifteen cases of erysipelas treated by injections of antistreptococcus 

serum ..237 

Malherbe, Note sur un essai de särothärapie dans la Syphilis.237 

Menätrier, Aubertin et Bloch, Anämie pernicieuse et opothärapie mädullairc . . . 237 
Batty Shaw, The treatment of tuberculosis of the lungs by means of tuberculin and 

other bacterial derivatives.237 

Lublinski, Akzidentelle Vakzination der Nasenschleimhaut.237 

F. Verschiedenes. 

Veraguth, Kultur und Nervensystem.237 

Breitung, Die sozialpolitische Bedeutung der Volkshygiene.238 

Büdinger, Die Behandlung chronischer Arthritis mit Vaselininjektionen.238 

Postoem, Über den Alkoholismus. Beitrag zur Frage des Einflusses der akuten und 

chronischen Äthylalkoholvergiftung auf den tierischen Organismus.238 

Walther, Leitfaden zur Pflege der Wöchnerinnen und Neugebornen.238 

Freund, Über das Styptizin in der gynäkologischen Praxis.239 

Hamburger, Osmotischer Druck und Ionenlehre in den medizinischen Wissenschaften 239 

IV. Therapeutische Neuheiten. 

Elektrische Lichtbäder für Intensivbestrahlung nach Wulff.240 


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Original - Arbeiten 


i. 

Zur O-Wirkung der Seeluft. 

Von 

Dr. Ide, 

Nordsee-Heim, Amrum. 

Durch eine Reihe von Versuchen, welche vor zwei Jahren von Professor 
Loewy und Dr. Müller in Westerland auf Sylt angestellt wurden, 1 ) ist fest- 
geteilt. daß schon das Seeklima allein eine bedeutende Erhöhung der 0-Aufnahme 
litrbeizufiihreu imstande ist. Dieselben ergaben gegenüber Berlin bei Herrn 
Professor Loewy eine Zunahme des 0 um 12 °/ 0 , welche jedoch nur drei Tage au- 
hfelt. bei Herrn Dr. Müller eine solche um Vj 2 °/ 0 , welche aber während der 
ganzen Kurzeit andauerte, während sich bei Frau Dr. Müller eine vermehrte 
“-Aufnahme nicht sicher feststellen ließ. Durch diese Ergebnisse haben die Ver¬ 
mutungen Benekes und der meisten alten Badeschriftsteller, welche eine Reihe 
V"D Seeluftwirkungen allein auf die in derselben stattfindenden erhöhten O-Auf- 
nahme und Oxydation zurückführen zu müssen glaubten, eine gewisse Stütze er¬ 
halten. Ich sage: eine gewisse Stütze. Denn aus der vermehrten O-Aufnahme 
gebt noch nicht hervor, daß nun auch eine erhöhte, d. h. intensivere Oxydation 
in den Geweben stattfindet. Eine vermehrte O-Aufnahme können wir z. B. auch 
durch starke Muskelarbeit herbeiführen, und braucht dabei, wie wir aus der 
vorhandenen Dyspnoe ersehen können, noch nicht einmal - der normale O-Bedarf 
gedeckt zu werden. In ähnlicher Weise könnten auch die Resultate von Loewy 
und Müller nur durch eine quantitative Erhöhung des Stoffwechsels, welche mit 
einer reflektorischen Vermehrung der O-Aufnahme, bedingt durch den stärkeren 
“-Bedarf, einhergeht, herbeigeführt sein. Eine derartige quantitative Erhöhung 
des Stoffwechsels wird bekanntlich auch im Seeklima durch verschiedene Faktoren, 
so z. B. durch Kälte-, Wind- und Lichtreize herbeigefuhrt, und geht aus den ge¬ 
nannten Versuchen nicht mit Sicherheit hervor, daß nicht durch ähnliche oder 
noch unbekannte Faktoren nur eine derartige, reflektorisch bedingte, erhöhte 
“•Aufnahme in denselben stattgefunden habe. Das aber, worauf eine Reihe von 
Muftwirkungen hindeuten, ist, daß im Seeklima eine intensivere, qualitativ ver¬ 
mehrte Oxydation in den Geweben stattfinden muß, in ähnlicher Weise, wie wir 
dies z. B. unter Ozoneinatmung bei der CO-Vergiftung beobachten können. — 
Am meisten in die Augen fallend ist ja die bezügliche Wirkung des Seeklimas 

') „Über den Einflufi des Seeklimas und der Seebäder auf den Stoffwechsel des Menschen.“ 
'on Professor Dr. A. Loewy und Privatdozent Dr. Müller. Bonn 1904. 


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190 


Ido 


beim Asthma. Ähnlich wie unter dem Einfluß der Inhalation reinen Sauerstoffes 
verschwinden die asthmatischen Beschwerden vielfach sofort beim Eintreten in 
das Seeklima. Zum Teil verspüren die betreffenden Patienten schon bei Annähe¬ 
rung an die Küste, zum Teil beim Betreten des sie zu ihrem Bade führenden 
Schilfes das Schwinden derselben. In vielen Fällen kehren ja allerdings auch an 
der See die asthmatischen Beschwerden wieder. Wie ich jedoch in einer kürzlich 
in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ erschienenen Arbeit ausgefiihrt 
habe, 1 ) sind diese Rückfälle in der Regel auf die zu starke Beeinflussung durch 
die ein erhöhtes O-Bedürfnis erzeugenden Faktoren zurückzuführen, und gelingt 
es durch Fernhaltung derselben in der Regel leicht, dieselben entweder ganz zu 
vermeiden, oder, wenn sie durch irgend welche Unvorsichtigkeit eingetreten, doch 
bald wieder zu beseitigen. 

Ebenso finden wir für gewisse Wirkungen des Seeklimas auf das Nerven¬ 
system, worauf auch schon Beneke hinweist, nur in der Annahme einer inten¬ 
siveren O-Aufnahme seitens der Gewebe eine hinreichende Erklärung. Anhalts¬ 
punkte für die Wirkung einer solchen geben uns wieder die mit der Atmung einer 
O-reicheren Atmosphäre angestellten Versuche. So gibt schon Loewy 2 ) an, daß 
die Atmung einer O-reicheren Luft schon auf Gesunde gewissermaßen beruhigend 
wirke, „der Puls verlangsamt sich, die Atemfrequenz wird geringer, die willkür¬ 
liche Muskulatur scheint mehr erschlafft zu sein“, und will auch Michaelis®) eine 
wohltuende und erfrischende Wirkung derselben an sich und andern bemerkt haben. 
Weit auffallender noch ist jedoch dieselbe bei manchen krankhaften Zuständen 
des Nervensystems. So fanden bekanntlich Rosenthal, Leube, Osterwald, 
Rogovin u. a., daß Krämpfe, wie sie durch Strychnin, Thebain oder Koffein bei 
Tieren hervorgerufen wurden, nicht auftraten oder schnell wieder beseitigt wurden, 
wenn dieselben reinen Sauerstoff einatmeten, und konnte Michaelis bei einem 
Diabetiker, welcher an Anfällen hochgradiger psychischer Alteration litt, durch 
O-Inhalation jedesmal Beruhigung herbeiführen. An diese und ähnliche Beobach¬ 
tungen wird man unwillkürlich erinnert, wenn manche Nervöse schon bei der An¬ 
näherung an die See ein gewisses Gefühl der Beruhigung und Erleichterung ver¬ 
spüren, wenn der lange entbehrte, ruhige Schlaf oft schon gleich in der ersten, im 
Seeklima zugebrachten Nacht sich einstellt, wenn bisherige krampfhafte Zustände, 
wie ein Tic convulsiv, oder andre nervöse Leiden, wie Ischias oder Magen- oder 
Darm- oder Herzneurosen, mitunter wie mit einem Schlage an der See verschwinden. 

Zur Erklärung aller dieser Wirkungen kann man sich nur vorstellen, daß 
tiefere, in den erkrankten Körperteilen vorhandene Stoffwechselstörungen durch 
den mit einem Male zur Wirkung kommenden, erhöhten Sauerstoffdruck beseitigt 
werden. Wie ein solcher wirkt, sehen wir aus den Versuchen von Koväcs. 4 ) 

') Deutsche Medizinische Wochenschrift 1904. Nr. 51: „Zur Wirkung des Seeklimas aut 
das Asthma.“ 

s ) A. Loewy, „Untersuchungen über die Respiration und Zirkulation bei Änderung d es 
Druckes und des Sauerstoffgebaltes der Luft.“ Berlin 1895. 

3 ) M. Michaelis, „Über Sauerstofftherapie.“ Zeitschrift für diätetische und physikalisch® 
Therapie Bd. 4. Heft 2. 

4 ) Joseph Koväcs, „Experimentelle Beiträge über die Wirkung von Sauerstoff-Inhala¬ 
tionen.“ Berl. Klin. WochenBchr. 1902. Nr. 16. 


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Zur 0-Wirkung der Seeluft. 


191 


wonach die gesteigerte osmotische Spannung des Blutes bei Zuständen, in denen 
das Blut mit Kohlensäure überladen ist, durch Sauerstoff-Inhalation zur Norm 
rurückgefuhrt wird. Was aber bei einer Kohlensäurestauung im ganzen Körper 
möglich ist, wird auch bei einer solchen, aus irgend welchem Grunde in einem 
einzelnen Körperteil vorhandenen stattfinden können. 

Auch über die einzige, über die Beeinflussung des Stickstoffwechsels durch 
das Seeklima vorliegende Untersuchung gibt uns nur die Annahme einer erhöhten 
' »-Aufnahme eine hinreichende Erklärung. Während nämlich durch andre Stoff- 
wechselanregungsmittel, z. B. durch Wasserprozeduren, die Harnstoff- und Harn- 
'äoreausscheidung in ungefähr gleicher Weise vermehrt wird — wie dies auch 
durch kalte Seebäder geschieht —, ergab nach Benekes 1 ) Untersuchungen die 
Einwirkung der Seeluft allein nur eine Zunahme des höher oxydierten Stickstoff- 
l>roduktes, nämlich des Harnstoffes, während gleichzeitig das minder oxydierte, 
nämlich die Harnsäure, eine bedeutende Verringerung erfuhr. Hierfür die größere, 
zur Verfügung stehende O-Menge verantwortlich zu machen, liegt um so näher, 
als wir auch sonst 0-Aufnahme und Harnsäureausscheidung im umgekehrten Ver¬ 
hältnis zueinander stehen sehen. So z. B. im Fieber, wo in der Regel die Ham- 
«äureausscheidung verringert, dieselbe jedoch vermehrt ist, wenn gleichzeitig 
dvsynoisehe Erscheinungen bestehen. Auch sonst fand v. Jaksch 2 ) in Krank¬ 
heitsfällen. welche Cyanose verursachen, z. B. bei Herzkrankheiten, bei Lungen- 
nnd Pleuraerkrankungen, bei Emphysen und Exsudaten, die Harnsäure im Blute 
vermehrt, und kommt derselbe zu dem Schlüsse, daß jede Vermehrung der Harn¬ 
säure im Blute einer mangelhaften Oxydation zuzuschreiben sei. Kälteanwendungen 
nnd ebenso Wind- und Lichtreize erzeugen, wie schon erwähnt, eine erhöhte 
‘^Aufnahme nur aus dem erhöhten 0-Bedürfnis heraus und werden daher auch 
auf den Stickstoffwechsel wahrscheinlich in gleicher Weise einwirken wie eine 
Kaltwasseranwendung oder ein kaltes Seebad. 

Auf die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen einer die Oxydation 
verstärkenden und einer den Stoffwechsel einfach vermehrenden Ursache weist 
aber vor allem das Bild der „klimatischen Überreizung“ hin, wie ich es mehrfach 
^zeichnet habe.*) Bei derselben sehen wir, daß alle günstigen Wirkungen der 
Sreluft — so die erwähnten auf das Asthma und auf das Nervensystem — sofort 
aufhöreu oder in ihr Gegenteil verkehrt werden, sobald durch die oben genannten 
Faktoren (Wind, Kälte, Lichtreize) der Stoffwechsel in quantitativer Beziehung 
eine stärkere Erhöhung erfährt. Trotz der erhöhten 0-Aufnahme in der Seeluft 
ist dann eben der zur Verfügung stehende 0-Vorrat nicht mehr imstande, den 
Bedarf in gleicher "Weise zu decken, wie dies sonst der Fall ist. Werden durch 
vorsichtigere Lebensweise jene Faktoren ausgeschaltet, so stellt sich daher meistens 
auch die ursprüngliche günstige Wirkung wieder ein. Während bei Gesunden 
das Seeklima sonst den Appetit erhöht, das Nervensystem erfrischt und den Schlaf 
vertieft und ihnen bald die frischrote Farbe der Inselbewohner verleiht, ruft die 
klimatische Überreizung bei ihnen Appetitsabnahme, nervöse Reizbarkeit und 

') F. W. Benekc: „Über die Wirkung des Nordseebades.“ Göttingen 1855. 

•) v. Jaksch, „Über Uricacidaemie.“ Deutsche Medizinische Wochenschrift 1890. 

r > Am ausführlichsten in meiner Arbeit: „Die klimatische Überreizung an der See und 
ihre Vermeidung.“ Therap. Monatshefte 1904. August. 


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192 


Ide, Zur 0-Wirkung der Seeluft. 


Schlaflosigkeit und oft auch eine deutlich erkennbare Cyanose hervor, und finden 
wir wieder in dem O-Mangel des Blutes und der dadurch herbeigeführten Retardatiun 
des Stoffwechsels die nächstliegende Erklärung. 

Als Ursache für diese eigentümliche Seeluftwirkung wird von Beneke der 
Ozongehalt, von Weber der etwas erhöhte Sauerstoffgehalt der Seeluft (20.99 
gegen 20,36 °/ 0 ) angesehen, eine Ansicht, die neuerdings von Verschiedenen 
(van Bebber, Hiller) deshalb angefochten wird, weil die zu Gebote stehenden 
größeren Ozon- und Sauerstoffmengen viel zu klein seien, um eine wesentliche 
Wirkung ausüben zu können. Demgegenüber wird jedoch schon von Hann darauf 
hingewiesen, daß bei der großen Menge eingeatmeter Luft (täglich ca. 10000 Liter) 
auch schon geringe Quantitäten beigemischter Bestandteile von Bedeutung sein 
könnten, und würde nach obigen Ausführungen die Annahme einer 0-reicheren 
Atmosphäre die beschriebenen Wirkungen gut erklären. Eine andre, naheliegende 
Erklärung böte nach obigem die Annahme, daß die im Seeklima zur Wirkung 
kommenden Reize (Kälte, Wind, Licht und vielleicht noch manche unbekannter 
Art) bei geringerer Intensität eine relativ höhere O-Aufnahme herbeiführen als 
bei stärkerer. Ob ein solches Verhalten experimentell festgestellt, ist mir nicht 
bekannt, jedoch nicht unwahrscheinlich. Findet doch auch bei geringer äußerer 
Arbeit eine relativ bedeutend höhere 0-Aufhalime statt als bei stärkerer, 1 ) und 
läßt sich annehmen, daß das gleiche auch bei der durch jene Reize beeinflußten 
inneren Arbeit der Fall ist. Eine dritte mögliche Ursache wird von A. Loewy-I 
in der von ihm auf Sylt gefundenen starken Unipolarität der Seeluft deshalb ge¬ 
sucht, weil der gleiche Faktor auch in der eine ähnliche Wirkung ausübenden 
Höhenluft vorhanden ist. 

Möge aber die erhöhte Sauerstoff-Aufnahme herbeigeführt sein, wodurch sie 
wolle, so steht doch jedenfalls die Tatsache derselben und der dadurch erzeugten 
erhöhten Gew'ebsoxydation nach obigen Ausführungen in unzweifelhafter Weise 
fest, und haben wir in derselben sicher eine der wesentlichsten, um nicht zu 
sagen die spezifische Ursache der Seeluftwirkung vor uns. 

*) Katzenstein, Cit. nach Landois-Rosemann, „Lehrbuch der Physiologie des 
Menschen“. S. 232. 

*) A. Loewy, „Die Wirkung des Höhen- und Seeklimas auf den Menschen.“ Deutsche 
Medizinische Wochenschrift 1901. Nr. 4. 


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193 


C. Fischer, Zur therapeutischen Verwendung des Stenosenatmens. 


II. 

Zur therapeutischen Verwendung 
des Stenosenatmens in der Lungentuberkulose. 

Von 

Dr. C. Fischer 

in Montana. 

In ihrer Abhandlung über den Einfluß der therapeutisch verwendbaren 
Atmungsformen auf das Herz im 2. Heft des VHI. Bandes dieser Zeitschrift 
empfehlen M. Herz und E. Meyer das gedrosselte Inspirium und das gepreßte 
Atmen unter dem Namen Stenosenatmen für therapeutische Zwecke, bei denen, 
wie bei der Stenose des linken venösen Ostiums, eine bessere Füllung des linken 
Herzens erzielt werden soll. Daß durch willkürliche Verengerung der Glottis 
während des Inspiriums das Herz tatsächlich von außen großgesaugt wird, kann 
mit der Durchleuchtung nachgewiesen werden. Das gleiche muß bei Nasen- 
aramng dann stattfinden, wenn die Nasenhöhle eng oder das Atembedürfnis groß 
ist. Im gleichen Hefte dieser Zeitschrift nimmt B. Alexander Stellung zur Nasen¬ 
atmung beim Training und kommt zum Schlüsse, daß dem gesunden Menschen 
dir willkürliche Beeinflussung der Atmung immer zu widerraten sei. Damit ist 
natürlich durchaus nicht gesagt, daß sie in Krankheitsfällen nicht Nutzen bringen 
käme. M. Wassermann hat sich nun der Mühe unterzogen, das gedrosselte 
Inspirium bei der Lungentuberkulose anzuwenden, in der Absicht, eine passive 
Hyperämie der Lunge zu erzeugen und damit die Ausheilung der Tuberkulose zu 
fördern. In der Tat dürfte kaum bei einer andern chronischen Krankheit die 
Herztätigkeit so leicht zu beeinflussen sein als bei der Lungentuberkulose. Es sei 
nnr an die Erhöhung der Pulsfrequenz erinnert, die man in Fällen frischer Er¬ 
trinkung nach der geringsten Lageveränderung, nach den Mahlzeiten, bei leichten 
Gemütserregungen, bei der Ankunft im Hochgebirge usw. findet. Diese Labilität 
des Pulses wird allgemein als Intoxikationserscheinung gedeutet. Und anatomische 
Schädigungen des Herzens mit Atrophie und Hypertrophie des Herzmuskels gehören 
bekanntlich zum Obduktionsprotokoll jeder Phthise, die längere Zeit gedauert hat. 
Diesen Schwächezuständen des Herzens in der Rekonvaleszenz der Lungen¬ 
tuberkulose entgegenzuarbeiten, gehört nun zu den dankbarsten Aufgaben der 
Therapie. Nur müssen die betreffenden gymnastischen Übungen, Wasseranwendungen 
and innere Medikationen wegen der prompten Reaktion viel vorsichtiger dosiert 
werden als bei andern Kranken. Komplikationen wie Emphysembildung, Pleura¬ 
erkrankung, Herzdislokation sind zu berücksichtigen. Auch die Weite der Nasen¬ 
höhle kommt bei der Verordnung von Geh- oder Atemübungen in Betracht, wenn 
der Kranke dabei durch die Nase atmen soll. Die so beliebte umgekehrte Ver- 


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194 


W. D. Lenkei 


Ordnung, dem Kranken das Tempo der Spaziergänge und das Bergsteigen so weit 
zu gestatten, als es die Nasenatmung erlaubt, führt leicht zum Stenosenatmen. 
Der Kranke strengt sich an, um durch häufigeres und tieferes Atmen den Ausfall 
zu decken. Vorübergehende und bleibende Dehnungen des Herzmuskels können 
die Folge sein. Deutlicher noch und rascher treten solche Zustände im Gebirge 
besonders im Anfang des Aufenthaltes auf. Zunächst ist der Ankömmling mehr 
als anderwärts versucht, steile Wege zu gehen; die Komplementärluft muß hier in 
erhöhtem Maße zur Atmung herangezogen werden. Beim Kranken, dessen atmende 
Oberfläche verkleinert ist, tritt offenbar schon in geringerer Meereshöhe als bei 
Gesunden eine Ermüdung der Atmungsmuskulatur und damit eine Verminderung 
der vitalen Kapazität auf. Ein charakteristisches Verhalten zeigen infolgedessen 
manche Lungenkranke, die im Hochgebirge unangemeldet ankommen, genötigt 
sind, Stunden und Tage lang herumzusteigen, um ein passendes Unterkommen zu 
finden und erst am zweiten oder dritten Tage den Arzt aufsuchen. Alle diese 
Faktoren wirken im gleichen Sinne, wie das Stenosenatmen. Und man findet 
demgemäß bei solchen Individuen neben den Zeichen einer verstärkten Herz¬ 
tätigkeit (hebendem Spitzenstoß, frequentem Puls, subjektiven Erscheinungen, wie 
Herz und Arterienklopfen) auch die Zeichen der Dehnung des rechten Ventrikels 
(Hinausrücken und Verbreiterung des Spitzenstoßes, häufig auch fühlbare spät¬ 
systolische Pulsation im zweiten linken Interkostalraum, immer Verstärkung des 
zweiten Pulmonaltons). Es möchte deshalb geraten sein bei Versuchen an Lungen¬ 
kranken durch das gedrosselte Inspirium eine passive Hyperämie der Lungen¬ 
gefäße zu erzeugen, das Verhalten des Zirkulationsapparates fortlaufend zu 
kontrollieren und die größte Vorsicht walten zu lassen. 


111 . 

Weitere Untersuchungen über die Wirkung 
der Sonnenbäder auf einige Funktionen des Organismus. 

Von 

Dr. W. D. Lenkei, 

Leiter der Heilanstalt in Balaton-Almädi. 

Als Fortsetzung der im ersten Aufsatze (siehe Ref. in Bd. 8, Heft 7 dieser 
Zeitschrift) veröffentlichten Untersuchungen kontrollierte ich diesmal das Verhalten 
des Blutdruckes und der Atmung vor und nach der methodischen Sonnenbestrahlung, 
zugleich bestimmte ich auch wiederholt die Änderung in der Frequenz und Qualität 
des Pulses (letzteres mittelst sphygmographischer Aufnahmen). Beides wurde 
deshalb wiederholt, weil bei den ersten Untersuchungen die Pulszahl vor den 
Sonnenbädern nicht nach genügender Ruhe gezählt, und die Qualität des Pulses 
nur durch Tasten geschätzt wurde. Dabei bestimmte ich auch sowohl die während 


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Weitere Untersuchungen über die Wirkung der Sonnenbäder. 


195 


eines Sonnenbades ein tretende Gewichtsabnahme, als auch den Einfluß der ganzen 
Sonuenknr auf das Körpergewicht. Die Untersuchungen beziehen sich alle auf 
Sonnenbäder mit weißem Licht. 

Alle Beobachtungen wurden — mit Ausnahme der Wägung des Körper¬ 
gewichtes — während ruhiger, horizontaler Lage des Untersuchten vorgenommen. 
Die vor dem Sonnenbade gewonnenen Aufzeichnungen wurden nach 5—10 Minuten 
langem Liegen im Schatten bestimmt, die nachfolgenden Beobachtungen in 
derselben Lage, welche die Betreffenden während des Sonnenbades einnahmen: also 
horizontal liegend, während dessen sich dieselben außer einigen Vierteldrehungen 
des Körpers — deren letzte aber auch einige Minuten vor der Untersuchung 
jrsohehen war — fortwährend ruhig verhielten. Alle Untersuchungen wurden bei 
jedem wenigstens zweimal vorgenommen: das erste Mal unmittelbar vor dem 
sonnenbade und das zweite Mal unmittelbar nach Beendigung der freien Bestrahlung 
td. h. nach dem ersten Teil des Sonnenbades), bei jenen, die auch in eine Decke 
gepackt das Sonnenbad weiter nahmen (zweiter Teil des Sonnenbades), wurden 
dieselben Untersuchungen meistens zum dritten Male, und bei einigen auch noch 
nach der Abkühlung wiederholt. In drei Fällen wurde auch die Dauer der Nach¬ 
wirkung beobachtet. (Die Abkühlung wurde durch ein ca. 1—2 Minuten langes, 
—32° C Regenbad und ein darauffolgendes Bad von beiläufig 5 Minuten Dauer 
im Balaton, dessen Wasser zu dieser Zeit 23—25° C war, vollzogen.) 

Der arterielle Blutdruck wurde mittelst Gärtners Tonometer (Modell 1904) 
Stimmt und immer erst dann abgelesen, wenn der Finger feurigrot wurde. Aut 
dirse Art lassen sich die Werte des Blutdruckes, wie es zuerst Katzenstein 
erwähnte, in engeren Grenzen bestimmen und auch leichter beurteilen, als wenn 
man jenen Druck bestimmen will, welcher sich durch die anfängliche Verfärbung 
an beiden Seiten des Nagels erkennbar macht. Den venösen Blutdruck be¬ 
stimmte ich nach der relativen Höhe des „Venenphänomens“ (Gärtner), immer 
wiederholt an derselben Vene gemessen. Wenn es auch noch fraglich ist, ob das 
Venenphänomen unter jeden Bedingungen den im rechten Vorhofe herrschenden 
Druck anzeigt, bin ich dennoch der Meinung, daß dasselbe zur Messung der 
Ihuckdifferenzen, um welche es sich bei meinen Untersuchungen handelte, 
vollständig geeignet ist, vorausgesetzt, daß die Messungen immer unter denselben 
Bedingungen und an ein und derselben Vene vorgenommen werden. — Zur Be¬ 
stimmung der Tiefe der Atemzüge konstruierte ich mir ein eigenes, einfaches 
Instrument, mittelst dessen die Exkursionen des Sternums oder der Regio epigastrica 
bis auf l mm pünktlich abgelesen werden können. (Abbildung im 15. Heft des 
Orvosi Hetilap 1905.) Dasselbe ist ein zweiarmiger, leichtbeweglicher Hebel, 
dessen eines, etwas schwereres Ende mittelst eines herabstehenden Knopfes auf 
dem Sternum leicht aufliegt und der Hebung und Senkung des Brustkorbes folgt, 
während sich das andre, gleichlange, mit einem Zeiger versehene Ende vor einer 
Millimeterskala auf und ab bewegt. 

Bei den Untersuchungen wurde nicht nur das Resultat derselben verzeichnet, 
sondern auch alle jene Daten notiert, welche eventuell einen Einfluß auf das 
Resultat ausüben konnten. Also wurde bei jedem Falle die Dauer des Sonnen¬ 
bades. die Temperatur an der Sonne und die jeweilige Intensität der Sonnen¬ 
strahlen, sowie auch die während des Sonnenbades zufällig herrschende Luft- 


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196 


W. D. Lenkei 


bewegung notiert. Die Temperatur an der Sonne wurde nur mit einem gewöhnlichen 
Thermometer gemessen, da die Messung der Lichtstrahlen einen Vakuum-Thermo¬ 
meter überllüssig machten. Als Einheit der Lichtintensität wurde dabei diejenige 
ausgestrahlte Lichtmenge der Sonne genommen, welche in unseren Breiten (47°) 
an einem vollständig klaren Junitage zur Mittagsstunde die Erde trifft. Die 
während des betreffenden Sonnenbades ausgestrahlte Lichtmenge wurde mittelst 
Vogels Photometer gemessen und das Verhältnis derselben zur Einheit, welche 
ebenso bestimmt wurde, mit Hilfe der zu Vogels Photometer gehörigen Tabellen 
ausgerechnet. 

Die Untersuchungen wurden an 37 Personen beiden Geschlechtes und jeden. 
Alters (an 5- bis 70jährigen) vorgenommen. Es waren darunter an verschiedenen 
Krankheiten Leidende, hauptsächlich solche, die an Fettsucht, Herzverfettung. 
Rheuma, Gicht, Exsudaten, Neurasthenie, Anämie etc. litten und auch fünf Ge¬ 
sunde vertreten. 

Um nicht zu weitläufig zu sein, will ich nicht die in Tabellen geordneten 
einzelnen Aufzeichnungen alle anführen; als Beispiel fuge ich nur eine Tabelle 
bei, welche den Befund eines Sonnenbades enthält. (Die vollständigen, zusammen¬ 
gefaßten Tabellen sind im „Orvosi Hetilap“, Budapest 1905. Nr. 22 und 23 zu 
finden). 

Fall Nr. 29, am 11. September. 

Temperatur an der Sonne: 49° C; Intensität der Strahlen: 0,5—0,6; Windstille. 


Zeit der Untersuchung 

g arterieller 1 
B Blutdruck 

1 

o venöser 

B Blutdruck 

i 

Pulsfrequenzj 

, 

93 S 
b€> C 

§S 

B ® 

_ Exkursion 

i der | 

B reg. epig. 

© 

© 

O 

kg 

Vor dem Sonnenbade (nach 5 Minuten Liegen im 
Schatten). 

114 

+i 

! 

78 

23 i 

5 

64,72 

Nach 30 Minuten freier Bestrahlung. 

110 

+i 

84 

19 

6-7 

64,33 

V 4 Stunde nach der Bestrahlung (inzwischen im 
Schatten ruhig gelegen). 

112 

+ i 

78 

19 

6-7 

_ 

V, Stunde nach der Bestrahlung (inzwischen im 
Schatten ruhig gelegen). 

115 

; 

+ 1 

78 

23 

5-6 


Nach 3 Minuten langem Bade und 7 Minuten Ruhen 
(also 40 Minuten nach der Bestrahlung) .... 

i 110 

1 +i 

72 

24 

5 


lf 3 Stunde nach dem Bade (also 1 Stunde nach der 
Bestrahlung). 

1 

115 

+ 1 

1 78 

24 

i 

5 

— 


Das Ergebnis der Untersuchungen gibt in zwei Richtungen Aufschluß über 
die Wirkungen der Sonnenbäder. Erstens zeigen die Gewichtsveränderungen, 
welche notiert wurden, welchen Einfluß der ganze Verlauf der Sonnenkur 
auf das Körpergewicht hatte, und zweitens ist zu ersehen, was für einen Einfluß 
ein Sonnenbad auf die geprüften Funktionen ausübt. 

Diejenigen, deren Körpergewicht normal war, zeigten nach Beendigung der 
Kur keine nennenswerte Gewichtsänderung. Die Fettsüchtigen verloren im Mittel 
auf 14—15 Sonnenbäder 3,17 kg. Das Sonnenbad bestand bei dieser Gruppe der 
Untersuchten in durchschnittlich 30 Minuten langer, freier Bestrahlung und 
16 Minuten langer Bestrahlung des eingepackten Körpers. Dabei ist zu bemerken, 


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Weitere Untersuchungen Uber die Wirkung der Sonnenbäder. 197 

daß eine einfache Lage der zur Einpacknng verwendeten Gräfenberger Decken 
nur den , / S40 . Teil der chemisch wirkenden Lichtstrahlen durchläßt (siehe Lenkei, 
Die Durchdringungsfähigkeit der Sonnenstrahlen durch Kleiderstoffe und tierische 
*Gewebe Bd. 8. S. 634 dieser Zeitschrift), daß also im zweiten Teile des Sonnen¬ 
hades hauptsächlich nur die Wärmestrahlen wirken. Als minimalste Gewichts¬ 
abnahme der Fettsüchtigen zeigte sich 1 kg nach 23 Sonnenbädern, als größte 
7.,"> kg nach 16 Sonnenbädern; bei ersterem dauerte der erste Teil des Sonnen¬ 
hades 30 Minuten, der zweite Teil desselben 20 Minuten, bei letzterem 30 Minuten 
und 30 Minuten. Interessant ist es, die sukzessive Gewichtsabnahme während der 
Sonnenbäder zu beobachten; so zeigte z. B. Fall Nr. 24 als originales Gewicht 
D'1.1 kg (Körperhöhe 178 cm), vor dem vierten Sonnenbade wurden 98,9 kg 
2 -ffunden, vor dem neunten 93,7 kg und am Ende der Kur — nach dem elften 
< innenbade — 93,0 kg. 

Die Mageren nahmen trotz der jeweiligen Gewichtsabnahme, •welche während 
jedes einzelnen Sonnenbades eintritt, im Laufe einer durchschnittlichen Kur von 
20 Sonnenbädern (bei mittlerer Bestrahlung von 30 Minuten im ersten, und fünf 
Minuten im zweiten Teile des Sonnenbades) endgültig im Mittel um 0,7 kg zu. 
In zwei Fällen zeigte sich auch bei Mageren eine dauernde Gewichtsabnahme 
«<i.i und 1,5 kg). Als größte Zunahme sind (bei Fall Nr. 33) 2,5 kg verzeichnet; 
<Ut Verlauf zeigte sich folgendermaßen: orig. Gewicht 46,5 kg (Körperhöhe 170 cm), 
\<*r dem 6. Sonnenbade 48,0 kg, nach dem 12. 49,0 kg. 

Ans den oben angeführten Daten ist ersichtlich, daß die Fettsüchtigen da¬ 
durch. daß dieselben eingepackt den Sonnenstrahlen längere Zeit ausgesetzt waren, 
die Sonnenbäder intensiver gebrauchten als die Mageren, sonst aber war, um eben 
die diesbezügliche Wirkung der Sonnenbäder beurteilen zu können, weder in der 
I*iät. noch in anderweitiger Behandlung (Lichtluftbäder, Wasseranwendungen) ein 
beachtenswerter Unterschied zwischen der Kur der einen und der andren Gruppe. 
Die Diät bestand aus Fleischspeise (täglich nur einmal), Milch oder Milchspeise, 
aus vielem frischen Gemüse, Obst und Brot. Jeder aß — hauptsächlich vom Ge¬ 
müse, Milch, Milchspeise und Obst — ad libitum. Aus den Beobachtungen war 
auch zu sehen, daß bei dieser Behandlung die Magersten verhältnismäßig am 
meisten Zunahmen und die Korpulentesten mehr an Gewicht verloren, als die an 
mäßiger Fettsucht Leidenden. 

Eine andre Gruppe meiner Aufzeichnungen zeigt jene Veränderungen, welche 
während eines Sonnenbades gefunden wurden. Die Durchschnittsdauer des Sonnen¬ 
bades aller Fälle war im ersten Teil 32 Minuten, im zweiten Teil des Sonnen¬ 
bades 22 Minuten. Die mittlere Temperatur an der Sonne war 40,7° C., die 
mittlere Intensität der Lichtstrahlen ca. die Hälfte der Einheit (0,478). (Diese 
letzteren Angaben beziehen sich auch auf die vorhin erwähnten Beobachtungen). 
Das Resümee der Untersuchungen ist — anschließend an die im ersten Artikel (siehe 
Band 8, Seite 396) publizierten Punkte — folgendes: 9. der arterielle 
Blutdruck wurde während und nach dem Sonnenbade nie höher, in der großen 
Mehrzahl (95%) der Fälle sank derselbe im Mittel um 6,5 mm. — 10. Der 
Druck im Venensystem veränderte sich im Sonnenbade bei 25% der Fälle 
gar nicht, bei 75% stieg er durchschnittlich um 1 cm. — 11. Die Zahl der 
Pulsschläge vermehrte sich in 85% der Untersuchten im Mittel um fünf während 


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198 


W. D. Lenkei 


des ersten Teils und wieder um fünf im zweiten Teile des Sonnenbades; in 15°/ 0 
der Fälle änderte sich die Pulsfrequenz gar nicht. Eine Verminderung der 
Pulszahl wurde in keinem der Fälle beobachtet. — 12. In der Qualität des 
Pulses konnte mittelst der sphygmographischen Aufnahmen keine merkbarere 
Änderung konstatiert werden. Der Charakter der Pulswelle blieb sich vor und 
nach dem Sonnenbade vollkommen gleich. In der Höhe der Kurve zeigten sich 
zwar bei manchen kleine Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Auf¬ 
nahme, doch geschah das nur dann, wenn der Hebel des (Dugeon-Richardson’schen) 
Sphygmographs — um die zweite Kurve unter die erste aufschreiben lassen zu 
können — etwas mehr belastet werden mußte. (Abbildungen der Aufnahmen im 
„Orvosi Hetilap“). — 13. Die Frequenz der Atmung nahm in keinem Falle 
zu, in 95°/o der Fälle nahm dieselbe durchschnittlich um 4 Atemzüge in der 
Minute ab. — 14. Die Tiefe der Atmungsbewegungen blieb im vierten Teile der 
Fälle gleich, bei allen andern wurde die Differenz zwischen In- und Exspiration 
etwas (um 1—3 mm) größer. — 15. Das Körpergewicht nahm während eine? 
Sonnenbades bei allen im Mittel um 0,84% des ursprünglichen Gewichtes ab. - 
16. Die Zunahme der Pulszahl ging in einer Viertelstunde nach dem Sonnen¬ 
bade (auch ohne darauffolgendes Abkühlen) wieder zur vorherigen Frequenz 
zurück, die Änderungen im Blutdruck und Atmung dauerten bis zu einer halben 
Stunde nach dem Sonnenbade; die Abkühlung übte keinen merkbaren Einfluß auf 
die Dauer der beobachteten Veränderungen. — 17. Alle erwähnten Änderungen 
im Blutdruck, Puls, Atmung und Körpergewicht zeigten sich in den meisten 
Fällen um so ausgesprochener, je intensiver das Sonnenlicht war; der beim 
Sonnenbade manchmal mitspielende Luftzug zeigte keinen Einfluß auf die er¬ 
wähnten Änderungen. Ebenso fanden sich bei ähnlichen Untersuchungen, wenn 
dieselben nach gleich langem, ruhigem Liegen, aber mit Ausschluß des Sonnen¬ 
lichtes (im Halbdunkel) vorgenommen wurden, keine der nach den Sonnenbädern 
gefundenen Veränderungen: also wurden die im Sonnenbade beobachteten durch 
das Sonnenlicht hervorgebracht. 

Infolgedessen, daß der Puls im Sonnenbade frequenter ward und die 
Qualität desselben die gleiche blieb, wäre zu erwarten gewesen, daß sich der 
arterielle Blutdruck erhöhe, da dies aber nicht eintrat, sondern der arterielle 
Blutdruck in den meisten Fällen auch noch etwas herabsank, kann dies nach 
meiner Ansicht keinen andren Grund haben, als daß sich infolge der Bestrahlung 
ein Teil der kleineren Arterien erweitert; daraufhin weist auch schon die während 
des Sonnenbades meistens beobachtete mäßige Hauthyperämie, und dies würde 
auch die oft auftretende geringe Drucksteigerung im Venensystem motivieren, da 
der Druck in demselben unter anderm auch von der Menge des nachströmenden 
Blutstromes abhängig ist. Diese Erweiterung der kleinen Arterien wird wahr¬ 
scheinlich sowohl durch die Licht-, als auch durch die Wärmewirkung der Sonnen¬ 
strahlen verursacht und erstreckt sich wahrscheinlich ziemlich tief in die ober¬ 
flächlichen Gewebe und Organe, da die von mir früher gemachten Versuche er¬ 
wiesen, daß auch chemisch wirksame Strahlen noch durch Haut, Bindegewebe und 
Muskeln bis zu 2,5—4 cm — durch Fettgewebe noch tiefer — eindringen (siehe 
Bd. 8, Seite 634 d. Z.). Daraus kann man mit großer Wahrscheinlichkeit 
schließen, daß: 18. Die oberflächlichen Gewebe und Organe während des Sonnen- 


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Weitere Untersuchungen über die Wirkung der Sonnenbäder. 199 

b&des und noch einige Zeit danach mit reichlicherer Blutmenge durchspült 
werden. 

Da die Veränderungen, welche sich während der Sonnenbäder in der Atmung 
zeigen, jenen, welche bei andersartiger Überhitzung des Körpers auftreten, ent¬ 
gegengesetzt sind, ist die Ursache dieser Veränderungen entweder in der ver¬ 
mehrten Kohlensäureproduktion, oder in der Änderung der Blutzirkulation — oder 
auch in beiden — zu suchen. Jedenfalls ist es die Licht- und nicht die Wärme- 
wririung der Sonnenstrahlen, welche die Vertiefung und Verminderung der Atem¬ 
züge bewirkt. Dies ist um so mehr anzunehmen, weil sich während der Sonnen¬ 
bäder auch schon bei andern Funktionen von der Wärmewirkung abweichende 
Effekte (z. B. Vermehrung der roten Blutkörperchen) gezeigt haben. Im allgemeinen 
sei noch erwähnt, daß nach dem Ergebnis der Untersuchungen in den meisten 
Fällen die freie Bestrahlung eine stärkere Einwirkung auf die Veränderungen 
zeigte, als die Bestrahlung bei eingepacktem Körper. 

Der Befund der diesmaligen Untersuchungen gab keine Ursache, die in der 
ersten Abhandlung aufgestellten Indikationen zu ändern. Da der Blutdruck 
während der Sonnenbäder nicht steigt, müssen Zirkulationskrankheiten minderen 
t.irades nicht unbedingt eine Kontraindikation gegen Sonnenbäder bilden, wenn 
dieselben wegen eines andren Leidens sonst indiziert erscheinen und mit Maß 
verordnet werden. Ich ließ auch solche, die ein mindergradiges, kompensiertes, 
organisches Herzleiden hatten, oder die an nervösen Funktionsstör ung en des 
Herzens, oder an Herzverfettung, oder an Arteriosklerose litten, milde Sonnenbäder 
nehmen, ohne daß ich auch einmal nur unangenehme Nebenerscheinungen beobachtet 
harte: doch ließ ich diese aus Vorsicht mit lauerem Wasser und nur ganz all¬ 
mählich abkühlen. 


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200 


Karl Colombo 


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IV. 

Über die biologische Wirkung der wechselnden 
magnetischen Felder. 

Ans dem Zentral-Institut für physikalische Therapie in Rom. 

(Direktor Prof. Dr. Karl Colombo.) 

Experimentelle Untersuchungen, 
von 

Prof. Dr. Karl Colombo in Rom. 

(Schluß.) 

b) Wirkung des magnetischen Feldes auf die Erschließung der Eier. 

Gewiß sind die Studien Maggioranis, welche später von seinem Sohne 
Anton fortgesetzt wurden, über den Einfluß, den der Magnet auf das befruchtete 
Ei im Verlaufe der Ausbrütung und auf die Embryogenese hätte, bekannt. 

Maggiorani sen. hätte, seine Untersuchungen auf die Hühnereier richtend, 
gefunden, daß die organische Entwicklung der der Einwirkung des Magnets 
unterzogenen Eier während ihrer Ausbrütung fast immer verzögert war im Ver¬ 
gleich zu derjenigen der Eier, welche in gewöhnlichen Verhältnissen gehalten 
wurden; als Ersatz jedoch für langsamere Entwicklung brachten die vom Magneten 
beeinflußten Eier entweder unfruchtbare Weibchen mit atrophischem Eierstock, 
oder sehr kräftige Männchen mit außerordentlich entwickelten Kennzeichen ihres 
Geschlechtes und mit markierter Fähigkeit zur Befruchtung. Diesen Weg ver¬ 
folgend, ist Maggiorani jun. weiter darüber hinaus mit seinen Schlüssen ge¬ 
gangen und stellte die Hypothese auf, daß der Magnet fähig sei, das Geschlecht 
der Tiere zu ändern, wenn man ihn frühzeitig auf den noch nicht geschlechtlich 
bestimmten Embryo einwirken läßt. Dieser Gegenstand war derartig, daß ei 
unsre Neugierde erregte, und wir haben uns vor allen andern an ihn gemacht, 
indem wir unsre Untersuchungen auf die Entwicklung der Froscheier und der 
Seidenwürmersamen richteten. 

Froscheier. 

Trächtige Frösche legten am 29. April 1904 eine große Menge von mit einer 
schleimigen Substanz reichlich umhüllten Eiern. Aus all diesen Eiern haben wir 
zw r ei besondere Haufen gemacht, die wir in zwei verschiedene Gefäße legten. 
Ins Gefäß A (aus isolierendem Porzellan) legten wir 600 Eier, in das Gefäß ß 
nur 300. Die Eier im Gefäß A waren bestimmt, der Einwirkung des magnetischen 
Feldes unterworfen zu werden, während diejenigen des Gefäßes B zur Kontrolle 
dienen sollten. Um die Eier gut aufzubewahren und sie unter Bedingungen zu 
halten, daß sie sich normal entwickeln könnten, haben wir nicht nur die Gefäße 
mit Wasser gefüllt, sondern auch, um dessen ununterbrochenen Wechsel sicher¬ 
zustellen, vermittelst einer passenden Vorrichtung es immerfort erneuert. Das 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


201 


Wasser besitzt eine beständige Temperatur von 17° C. Das Zimmer, in dem die 
Eier anfbewahrt werden, ist geräumig, wohl gelüftet und wird beständig bei einer 
Temperatur von 25° C gehalten. 

Am 30. April anfangend, lassen wir jeden Tag, zweimal täglich, während 
■jo Minuten jedesmal ein magnetisches Feld von 26 Ampere auf die Froscheier 
-iDwirken, welche sich im Gefäß A befinden. Das Wasser des Gefäßes wird beinahe 
v.»ü$tändig geleert, so daß die obere Fläche der von den Froscheiern gebildeten 
n hiebt auf dem Grunde des Gefäßes unbedeckt bleibt. Der Elektromagnet wird 
Frartig gestellt, daß seine Polarachse senkrecht zur Oberfläche der Eierschicht 
-teht. Der Abstand des aktiven Pols von der genannten Oberfläche beträgt 7 cm. 

Wie wir bereits bemerkten, schließen wir jede Einwirkung aus, die von 
möglichen elektrischen Induktionsfeldern abhängen könnte, indem wir ein Gefäß 
jh> isolierendem Material (Porzellan) verwenden. 

Eine genaue Beobachtung während der ganzen Zeit der Anwendung läßt 
nns an der Eiermasse nichts bemerken, das man einer direkten Einwirkung des 
magnetischen Feldes auf die Eier selbst zuschreiben könnte. 

Wir setzten so jeden Tag unsre Anwendungen fort, ohne etwas Bemerkens¬ 
wertes in den Verhältnissen der Eier wahrzunehmen, und zwar weder in den 
Bedingungen derjenigen Eier, an denen die Versuche angestellt werden, noch in 
;enen derjenigen Eier, die zur Kontrolle dienen sollten. 

Erst um den 19. Mai herum fanden wir es für gut, die in den beiden Ge- 
täiien aufbewahrten Eier nachzuzählen. Im Gefäß A fanden wir 586 Eier 
anstatt 600) und im Gefäß B 280 anstatt 300. Da wir ganz sicher sind, daß 
kein Ei verloren gegangen sein konnte, müssen wir das Fehlen einer natürlichen 
Vernichtung der minder widerstandsfähigen Eier zuschreiben. 

Am 25. Mai fängt man an, eine Verminderung der schleimigen Masse, welche 
ii' Eier beider Gefäße umhüllt, zu bemerken. Kein Anzeichen von Erschließung 
der Eier. 

Am 29. Mai steigt die Außentemperatur bedeutend, und auch im Unter¬ 
emhungssaal erreichen wir eine Temperatur von 28 0 (.’. Man bemerkt, daß im 
iefäU B die schleimige Masse sich in Fetzen von aschgrauer Farbe zu verwandeln 
»längt, welche auf den Boden des Gefäßes sinken und so die Eier frei und un¬ 
recht lassen. 

Am 1. Juni beobachtet man auch im Gefäß A einen leichten Zerstörungs- 
irozeß der schleimigen Masse. Im Gefäß B bleiben die Eier unbedeckt und 
-'heinen dicker geworden zu sein; ihre Anzahl wird immer geringer; dem Gefäß 
• ntströmt Geruch nach Schwefelwasserstoff. 

Am 2. Juni fehlt auch im Gefäß A jede Spur von Schleimmasse. An den 
ä'änden beider Gefäße setzt sich eine schwärzliche „päte“ au. Der Fäulnisgeruch 
»ach Schwefelwasserstoff dauert fort. Es bleibt bemerkenswert, daß dieser Geruch 
•tirker und anhaltender im Gefäß B ist als im Gefäß A, das die elektro¬ 
magnetische Einwirkung erfährt. Im letzteren Gefäß bewahren die Eier außer¬ 
dem noch ein Aussehen von größerer Frische, und die an den Gefäßwänden sich 
•ingesetzte „päte“ ist weniger dick und dicht. 

Am 8. Juni sind die im Gefäß B aufbewahrten Eier ein formloser, schwarzer 
Brei geworden und werden weggeschüttet. 

»itaehr. f. dUU. n. phyaik. Therapie Bd. IX. Heft 4. 14 


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202 


Karl Colombo 


Die Zahl der Eier im Gefäß A ist kleiner geworden, aber die übriggebliebenen 
(etwa 100) sind gut erhalten. 

Am 22. Juni fängt auch bei den Eiern im Gefäß A ein rascher Zerstörungs¬ 
prozeß an, der ohne Unterbrechung bis zum 25. Juni fortschreitet, an welchem 
Tage auch diese Eier alle zu einem formlosen, schwarzen Brei geworden sind 
und hinausgeschüttet werden. Die Außentemperatur stieg in diesen letzten Tagen 
bis auf 31° C, und das Wasser zum Wechseln erreichte 20° C in der Leitung. 

Aus diesen Untersuchungen, w'ährend deren die Froscheier, an denen wir 
unsre Beobachtungen anstellten, keiner Qnappen-Entwicklung Platz gaben, und zwar 
weder diejenigen, die die Einwirkung des magnetischen Feldes erfuhren, noch 
die andern, die wir zu Kontrollbeobachtungen auf bewahrt hatten, folgt nun 
nur, daß die dem magnetischen Felde (Gefäß A) unterworfenen Eier 17 Tage 
später verfaulten, als die zur Kontrolle abgesondert gehaltenen (Gefäß B). Wir 
denken jedoch, daß die längere Erhaltung der Eier im Gefäß A zum großen 
Teil von der Tatsache abhängt, daß das Wasser dieses Gefäßes zweimal täglich 
bis auf den Boden entleert wurde, nämlich so oft die Eier der elektromagnetischen 
Einwirkung unterzogen wurden, während es im Gefäß B zwar auch durch einen 
beständig rinnenden Strahl erneuert wurde, aber ohne daß die Wirkung dieses 
Strahles, d. li. ohne daß das frische Wasser ganz bis auf den Boden hinreichte. 

Eier des Seidenwurmes. 

Eine gewisse Menge sehr guten Seidenwurmsamens, von der Firma Luciani 
in Ascoli-Piceno stammend (uns mit Liebenswürdigkeit vom Prof. Lomonaco aus 
dem Laboratorium der Experimental-Physiologie an der Universität Rom verschafft ), 
wird in mehrere Häufchen zerteilt. 

Ein großes Häufchen von ungefähr 2500 Samen wird abgesondert auf einem 
Pappendeckel zur indirekten Kontrolle aufbewahrt, diesen Pappendeckel als eine 
gewöhnliche Normalzucht betrachtend. Ungefähr 3000 andre Samen werden iu 
6 Häufchen, jedes von ca. 500 Samen, geteilt, und dann diese Häufchen auf 
sechs passende, mit den Buchstaben A, B, C, D, E, F bezeichnte Kartonstückchen 
gelegt. Alle diese „Kartons“ werden in einem trockenen, wohlgelüfteten Zimmer 
gehalten, das eine gleichmäßige, beständige Temperatur von 22° C aufweist. 

Um eine erschöpfende Antwort auf die Frage zu erzielen, ob nämlich das 
magnetische Feld eine tatsächliche Wirkung auf die Entwicklung des Seiden¬ 
wurmes ausübt, haben wir es für ersprießlich gehalten, deren Erfolge an mehreren 
Häufchen, die zu wiederholten Malen und eine mehr oder weniger lange Zeit hin¬ 
durch dem magnetischen Felde ausgesetzt wurden, zu kontrollieren. Wir taten 
dies in der Absicht, um auf diese Weise den etwaigen Einfluß des magnetischen 
Feldes festzustellen, der sich in größerer oder geringerer Stärke an den ver¬ 
schiedenen Häufchen äußern würde, und zwar im Verhältnis zu ihrer Aus¬ 
setzungsdauer. 

Wir haben unsre Untersuchungen auf folgende Art verteilt. Das Häufchen A 
wurde zur direkten Kontrolle verwahrt unter denselben Bedingungen, wie die 
übrigen 5 Häufchen, nur daß es nie dem magnetischen Felde ausgesetzt wurde. 

Die andern 5 Häufchen B, C, D, E, F wurden jeden Tag, beginnend mit 
dem 14. April 1904, der Einwirkung eines magnetischen Feldes derselben Intensität 


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Ober die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


203 


von 26 Ampere für jedes, aber während einer Anwendungsdauer, die für jedes 
der 5 Häufchen verschieden war, unterworfen, und zwar das Häufchen B jeden 
Tag durch 15 Minuten hindurch, das Häufchen C durch 30 Minuten, das Häufchen D 
durch 45 Minuten, das Häufchen E durch 60 Minuten und das Häufchen F durch 
1;> Minuten. Die längeren Anwendungen wurden nicht alle ganz auf einmal, 
sondern zu wiederholten Malen von je 15 Minuten jedesmal, und zu verschiedenen 
Standen in regelmäßigen Abständen ausgeführt, und zwar wie folgt: 



Erste 

An¬ 

wendung 

Zweite 

An¬ 

wendung 

Dritte 

An¬ 

wendung 

Yierte 

An¬ 

wendung 

Fünfte 

An¬ 

wendung 

Häufchen B durch 15 Minuten 

um 

_ 

_ 

| 

2 Nm. 

_ 

C 

»> i? 

>» 

— 

— 

_ l 

2,15 „ 

6 Nm. 

, D 

>» 15 „ 

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— 

9 Vm. 

— 

2,30 „ 

6,15 „ 

E 

v 15 „ 


— 

9,15 „ 

11,30 Ym. 

2,45 „ 

6,30 „ 

„ F 

n ^5 ,, 

>» 

7,30 Ym. 

9,80 „ 

11,45 „ j 

| 3 „ 

6,45 „ 


Die „Kartons“, auf denen die Samen ausgebreitet lagen, wurden unter den 
..Radiator“ gebracht, so daß seine Polarachse senkrecht zur Fläche des Pappen¬ 
deckels gerichtet war. 

Der aktive Pol befand sich beständig in einem Abstand von 10 cm vom 
Pappendeckel selbst. Während der Einwirkung des magnetischen Feldes haben 
vir nie etwas in den allgemeinen Bedingungen des Samens beobachtet, das man 
afe Erfolg der direkten Einwirkung des magnetischen Feldes selbst auslegen 
k-innte. 

Die Brütungsperiode begann regelrecht für alle Samen, welche auf den 
Kartons ausgestreut lagen und in der günstigen Temperatur von 22° C gehalten 
worden. 

Es wurde keine bemerkenswerte Tatsache beobachtet bis zu der Nacht vom 
26. auf den 27. April, in der auf allen Kartons ohne Unterschied, diejenigen 
der indirekten und direkten Kontrolle eingeschlossen, kleine Seidenwürmchen zu 
entstehen anfingen. 

Die Samen fuhren in den folgenden Tagen fort, sich ohne Unterbrechung zu 
erschließen auf allen Kartons, und zwar bis zum 2. Mai, an welchem Tage sich 
die letzten Samen erschlossen. Nach und nach, sowie die Raupen ans Tageslicht 
gelangten, wurden sie von den Kartons entfernt und auf andre Kartons gesetzt, 
anf denen sich frische und zarte Maulbeerblätter befanden. Die von jedem Karton 
kommenden Raupen wurden auf andern Kartons getrennt niedergelegt, welche, 
wie die Kartons mit den Samen, die Buchstaben A, B, C, D, E, F trugen. Die 
Kartons mit den noch nicht erschlossenen Samen fuhren fort, regelmäßig der 
elektromagnetischen Behandlung unterworfen zu werden, und zwar bis zur Er¬ 
schließung der letzten Samen. Nach und nach, sowie die Raupen entstanden, 
worden sie genau gezählt und klassifiziert. 

Auf dem zur indirekten Kontrolle dienenden Karton erhielten wir von 
2500 Samen 1660 Geburten, d. h. 66,4 ° 0 . Auf den andern Kartons erfolgte die 
Erschließung der Eier so, wie wir es in der folgenden Tabelle angegeben haben. 

14* 


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Karl CVjIrjnuliti 


Ziifil d^r 
Kappita, 
fe&im* 
meH ntm 
2. Mai 
um 


Zoiil 4 p»t 

ItUupPLu 

gfcfiWt 

melt am 
27 Arni 


Uhl der 
Rjittpcii, 

ni^tl am 
SO. April 
utu 


Zufil fk\r 
Raupen, 
gvsom- 
mclt am 
I. Mai 
um 




Zahl dfcr 
Rnr?y?'u, £&- 
aaimiptlt ’On 
2A April hui 


^psamtsahl | 

per'wtotfc.? 


: » '- •. ‘!. ,»?,*! i l 'M* ; i ’ ,.' ’ 


I f j ' ! Ullll I - r" T‘": 

Wie iium aus ;d«*» Tab^llt* deutlich ersehen Iranu, •iS’&vtn di« Guburteu §|»ärliei. 
iuii ersten Taue (is>K: ei*, stiegm stark in'den drei 1'oigeiid.nh Tagen und erreicht»-u 
«in 2s. April, die Zahl 4'*7. am 2'A April 443 lUtd am 30.. April 437* sie jfck% 
dann ant 1. Mui .nieder ttuf 21H, und tun 2. Mai erschlossen sich di«. lut^teu 
Eier (t';V). jbiese-s \'erhalten- war deirhmäliig auf alten Kations mul kann mbhin 
keiner Fulgii uiig Rani» geben in dem Sinne. d'aJi das 

den Kartons, auf denen >.-s nur Verwendung' .kann flu- Kntwirklmtg dev swkhi 
heschhuinigt oder vevz%u;it habe,. Wenn «Ir htm Mf> OgaamlzaM der 'OHtam-n 
fiir jedes HS uff: lieh uater^üeheß iittteriiebmen. so sehen Wir, daß dies . Verhältm* 
der erschlossenen Eier aut <!» ;i .♦» Kartons fiir' jedmi verschieden ist. 

Wir fanden in der Taj; 

im HöHiVhevi ,\ iKontroll-Korion.» 2ö4 .Stück,, d. h. 5U<d " 

IV i-s5 Min. Mnirnet.j 3J3. .ti-’e- 

,. v. m .. .. > y'»t ., .. .. ms 

f> P .. i m ., .. .. »;».; .. 

. ... E (KO .. .. i .44»; .. .. .. tiiJ.2 „ 

., 1' 0S .. •> ) .. .. ,. •'>*".(■ ,. 

|l|j|ji Wir m.I lten daraus sebhetirur l. jÜali im Allgemeinen die .Anwendung de:-, 
wechselnde» mauw'tmhen Feldes die Aasfirdtmti! der Aanien hegnnstigi und 
di-' Erschls-onnÄ niiter ereie-ren Anzahl »iorsejfedtt Wstinnnt imbe,. dornt 
de»« Konttoilkarton betrügt dev Frozenlsat* der ftehnrOni nur SO.k "i lr witlm-tid 
auf allen nnfiern Kartons, welche dem magnetischen. Felde nufcrrvorfcn wurden. 
d<*r Prozentsatz 00 u ft ßbursteigt. Aber unsre Uirsk-hfisr getreib-nr Anordnung 
unsre IfeobarlitongeTi anf Fine -größere Anzahl von Kamms auSzudehM'u. gibt 
uns tlf-lemmhei». grollet;« EliiVtoIluntcm hervörziibeben: und diese sind 'von einm 
§idi vcidursprncjtfmdtm Kfttht-j daU der erste Schluß st-hr giiSchMVhi wird. 
2. na der grol.Ue Pi Dzei.i.'-.tfz der (k-lmrtevi sich itu MänKheu fi vorfand. wclclan 
■ i-iriei tu--Uiieliecvi Beh;indlung s^iftvns des rrnfgiK-tisehmt Feldes (SgUch 30 Minnt.-b 






Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 205 

hindurch unterworfen wurde, so sollte man daraus schließen, daß die Optimum- 
Anwendungsdauer des elektromagnetischen Feldes, nätalich diejenige, die die Ent¬ 
wicklung der Samen des Seidenwurmes am meisten begünstigt hatte, eine halbe 
stunde sei, während sowohl eine längere als eine kürzere Dauer wie eine halbe 
stunde weniger günstig wäre; aber das Häufchen E wirft uns diese logische 
Folgerang ganz über den Haufen, denn es keilt sich wie eine kreischende Note 
in die Skala der Häufchen C, D, F. 

Aber ein andrer Widerspruch beraubt die beiden obenerwähnten Folgerungen 
-ines jeden Wertes. Wir haben in erster Reihe gesagt, daß aus der oben an¬ 
gegebenen Tabelle folgen würde, daß die Einwirkung der magnetischen Felder 
die Ansbrütung begünstigt und die Erschließung einer größeren Anzahl von Samen 
bestimmt habe. Nun wohl, in dem als indirekte Kontrolle abgesondert gehaltenen 
Häufchen, welches 2500 ganz und gar nicht vom elektromagnetischen Felde be¬ 
einflußte Samen zählte, erzielte man einen Prozentsatz von 66,4 %, d. h. einen 
höheren, als der mittlere Prozentsatz der Geburten derjenigen Häufchen ist, welche 
der elektromagnetischen Einwirkung unterzogen wurden. 

Die Einwirkung des elektromagnetischen Feldes hätte in diesem Falle der 
Erschließung der Samen eher geschadet als sie begünstigt; wir sehen uns mithin 
berechtigt, anzunehmen, daß die Ausbrütung und die Erschließung der Eier des 
■seideuwurmes in diesen Erfahrungen ihren gewöhnlichen Gang verfolgt haben, 
ohne irgendwie vom elektromagnetischen Felde beeinflußt zu werden. 

e) Einwirkung des magnetischen Feldes auf die Bedingungen der Kollektiv-Entwicklung 

der Tiere. (SeidenwQrmer.) 

Unsre Beobachtungen wurden in der Folge darauf gerichtet, festzustellen, 
wachen Einfluß die vorher auf die Samen während der Ausbrütung ausgeübte 
Wirkung des Elektromagnets nunmehr auf die folgende Entwicklung der Raupen 
der Seiden Würmer gehabt haben könnte. 

Um diesen Zweck zu erreichen, blieb uns nichts andres zu tun übrig, als 
Tag für Tag die verschiedenen Kartons, auf denen die Raupen gezüchtet 
«Tirden, zu beobachten und die Verschiedenheiten, die man in der Raschheit ihrer 
Entwicklung und in der Lebhaftigkeit ihrer Ernährungsprozesse wahrnehmen 
*ürde, zu vermerken. So taten wir auch während der Tage vom 2. bis zum 
Mai 1904. Wir schenkten unsre Aufmerksamkeit der ganzen Menge Raupen, 
welche auf den Kartons A, B, C, D, E, F und auch auf dem Karton zur indirekten 
Kontrolle entstanden und nahmen wahr, daß: 
von denjenigen des Kartons A, welcher ihrer 254 zählte, 4 gestorben waren, 


M V 

11 11 

B, 

11 

?> 

313 

11 

6 

11 11 

•• •• 

11 

c, 

11 

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351 

11 

8 

11 11 

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11 •? 

D, 

11 

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321 

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11 11 

E, 

11 

?> 

346 


19 

11 11 

* ? 11 

11 11 

F, 

11 


293 

11 

4 

11 11 

Wir merkten 

jedoch, 

daß, 

wenn 

es schon eine schwierige 

und mühselige 


Arbeit war, eine so große Anzahl Seidenwürmer zu beaufsichtigen, während sie 
floch klein waren, dies unmöglich geworden wäre, sobald sie groß geworden wären. -- 
M ir entschlossen uns also, die ganze große Menge von Raupen wegzuwerfen, 


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Karl Colombo 


206 

nachdem wir ans jedem Häufchen 15 gleich große genommen hatten, welche der 
Wahrscheinlichkeit nach sich in gleichen Gesundheits- und Lebhaftigkeits¬ 
bedingungen befanden. Diese verteilten wir dann zur Zucht auf 6 passende 
Kartons und gaben ihnen reichlich frische Maulbeerblätter zur Nahrung. 

Auch dem Häufchen von 1660 Kontrollranpen entnahmen wir 48, während 
wir die übrigen alle wegwarfen. Diese 48 Kontrollraupen legten wir in zwei 
gleichen Häufchen von je 24 auf zwei Kartons zur Zucht, die wir Aj und G 
nennen wollen. 

Die Beobachtungen des 6., 7., 8., 9. und 10. Mai geben uns keinen be¬ 
sonderen Aufschluß hinsichtlich eines etwaigen verschiedenen Verhaltens seitens 
der Raupen der verschiedenen Häufchen. 

Am 11. Mai fingen wir an, einige Verschiedenheiten unter den einzelnen 
Raupen, welche auf einem und demselben Karton zusammenlebten, wahrzunehmen. 
Die größere Anzahl war wohlentwickelt, von einer gleichmäßigen Größe, lebhaft, 
sehr gefräßig; einige wenige dagegen waren augenscheinlich kleiner, langsamer in 
den Bewegungen, weniger gefräßig. Es war unmöglich, sich über diese Tatsache 
zu täuschen. 

Von diesen Raupen, welche wir in der Entwickelung zurückgebliebene 
nennen wollen, zählte man: 

im Häufchen A (Kontrolle).0 zurückgebliebene, 

„ „ A l (Kontrolle).0 ,. 

,, ., B (15 Minuten Magnetfeld) . 1 ., 

C (30 „ „ ) . 4 

,, D (45 ,, ,, ) . 1 ,, 

,, E (60 „ „ ) . 1 ,, 

F (75 ., „ ) . 0 

„ „ G (Kontrolle).0 „ 

Bei einer vergleichenden Beobachtung der verschiedenen Häufchen sind die 
Häufchen B und D diejenigen, welche die Raupen kollektiv am meisten entwickelt 
aufweisen; das Häufchen C weist dagegen die größte Anzahl von zurückgebliebenen 
Raupen auf. Die Häufchen A und A,, welche der Einwirkung des elektro¬ 
magnetischen Feldes nicht unterworfen worden waren, zeigen alle ihre Raupen 
gleichmäßig entwickelt. 

Sollte man daraus schließen, daß das magnetische Feld die Raupen, auf 
deren Samen es seine Einwirkung gerichtet hatte, in ihrer Entwicklung hindere? 
Auf diesen Schluß würde uns auch ein andres Experiment bringen, welches wir 
am 6. Mai an den Häufchen Aj und G vorgenommen hatten, und welche Raupen 
enthielten, deren Samen abgesondert zur indirekten Kontrolle bereitgehalten 
wurden. Von diesen beiden Häufchen wurde das mit A, bezeichnete als Kontrolle 
gehalten; das andre, mit G bezeichnete, wurde einer täglichen Anwendung des 
elektromagnetischen Feldes in der Intensität von 26 Ampere unterworfen mit 
senkrecht zum Karton, der die Raupen trug, stehender Polarachse und in einem 
Abstande von 10 cm vom aktiven Pol bis zum Karton selbst. Die Dauer der 
Anwendung war 30 Minuten. Die Häufchen wiesen deutlich diese Verschieden¬ 
heit auf: Im Häufchen A t waren die Raupen alle wohlentwickelt, von gleich¬ 
förmigen Dimensionen und beträchtlich größer als diejenigen Raupen, die sich 



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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


207 


auf dem Karton G befanden. Die letzteren waren auch weniger lebhaft in ihren 
Bewegungen und verbrauchten eine geringere Menge Maulbeerblätter. 

Noch nicht vollkommen überzeugt, fuhren wir mit der Beobachtung der Raupen 
fort, nicht ohne an irgend eine andre Bestätigung der erhaltenen Resultate zu denken. 

Wir zogen in Betrachtung, daß, wenn das magnetische Feld wirklich ver¬ 
zögernd auf die Entwicklung der Raupen und verlangsamend auf ihre Ernährungs- 
l>n’zesse einwirken würde, wir immer mehr die Anzahl der zurückgebliebenen 
Larven in denjenigen Häufchen sich hätten vermehren sehen müssen, deren Samen 
die Einwirkung des magnetischen Feldes erfuhren; und wir hätten auch eine noch 
»Töliere Verzögerung auf denjenigen Kartons feststellen müssen, die wir noch 
weiterhin der Einwirkung des magnetischen Feldes unterworfen hätten. Am 12. Mai 
nahmen wir tatsächlich das Häufchen C, das 4 zurückgebliebene Raupen enthielt 
and all die andern Entwicklungsbedingungen, welche gewiß nicht besser waren 
als diejenigen der andern Häufchen, aufwies, und unterzogen es einer täglichen 
.Inwendung des magnetischen Feldes in der Intensität von 26 Ampöre während 
der Dauer von 30 Minuten, indem wir alles andre so anordneten, wie wir es für 
hs Häufchen G beschrieben. 

Das Resultat unsrer Beobachtungen am 13. Mai war folgendes. Wir haben 

gefunden: 

Im Häufchen A (Kontrolle) 0 zurückgebliebene Raupen, 

., „ A, (Kontrolle) 2 „ „ 

,. ,, B (in Ruhe) 1 „ ,, 

„ „ C (Magnetfeld) 4 ,, „ 

.. „ D (in Ruhe) 5 „ ,, 

., „ E (in Ruhe) 1 ,, ,. 

„ F (in Ruhe) 1 ,, „ 

„ „ G (in Ruhe) 1 „ „ 

Indem wir unsre Beobachtungen weiter fortführten, konnten wir sehen, daß 
am 18. Mai waren: 

Im Häufchen A (Kontrolle) 2 zurückgebliebene Raupen, 

„ „ Aj (Kontrolle) 2 „ „ 

,, „ B (in Ruhe) 1 „ ,, 

.. C (Magnetfeld) 2 ,, „ 

., ,, D (in Ruhe) 3 ,, ,, 

.. E (in Ruhe) 2 

„ F (in Ruhe) 2 ., ., 

„ „ G (Magnetfeld) 1 ., „ 

Am 27. Mai sahen wir noch: 

Im Häufchen A (Kontrolle) 3 zurückgebliebene Raupen, 

,, Aj (Kontrolle) 2 ,. ,, 

B (in Ruhe) 3 „ „ 

,. C (Magnetfeld) 2 

,, D (in Ruhe) 3 

„ E (in Ruhe) 2 

„ ' F (in Ruhe) 2 

.. „ G (Magnetfeld) 1 


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Original ftom 

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208 


Karl Colombo 


Diese Resultate nun. anstatt die weiter oben geäußerte Hypothese zu be¬ 
stätigen, daß nämlich das magnetische Feld sich dadurch äußere, daß es die 
Entwicklung der Raupen, welche dessen direktem Einfluß oder vorher schon im 
Zustande von Samen unterworfen worden waren, verzögere, würden uns auf ganz 
entgegengesetzte Schlüsse führen. 

Und in der Tat sind die Häufchen A, C, D, F, G diejenigen, welche un¬ 
widerlegbar die am meisten entwickelten Larven aufweisen, und ganz besonders 
die Häufchen C, D, F. Nun wohl, diese sind nun gerade diejenigen Seidenwürmer. 
welche am meisten die Einwirkung des magnetischen Feldes erfahren haben, 
nämlich D und F im Zustande von Samen, 0 und G im Zustande von Larven. 
Aber noch mehr: Die auf dem Karton C gezüchteten Raupen waren am 12. Mai 
nicht nur in durchaus nicht blühenden Kollektivbedingungen, sondern sie hatten 
mitten unter sich sogar 4 zurückgebliebene Raupen. Diese 4 zurückgebliebenen 
Raupen wurden am 18. Mai nur 2, die zwei andern hatten mittlerweile eine 
normale Entwicklung wie die andern Raupen angenommen. 

Sollen wir diese Tatsache der Einwirkung des magnetischen Feldes zu¬ 
schreiben? Nein, gewiß nicht, denn eine ähnliche Tatsache beobachtet man am 
Häufchen D, welches in Ruhe gehalten worden war, ohne irgend eine Anwendung 
des Radiators. Auch in diesem Häufchen gab es am 12. Mai 5 zurückgebliebene 
Raupen, und am 18. Mai gab es deren nur 3. Dagegen finden wir eine Zunahme 
in der Anzahl der zurückgebliebenen Raupen im Häufchen A, welche nie dem 
magnetischen Felde ausgesetzt worden waren, weder im Zustande von Samen, 
noch nach ihrer Geburt, und ebenso auch im Häufchen B, das immer in Ruhe 
gehalten worden war. 

Aus diesen Beobachtungen ist es nicht möglich, eine kategorische Schlu߬ 
folgerung zu ziehen, aber der Eindruck, den wir daraus gewinnen, ist dieser: 
nämlich daß das magnetische Feld keinen fühlbaren Einfluß auf die 
Entwicklung der Seidenwürmer ausübt. 

d) Einwirkung des magnetischen Feldes auf die Lebens- und Bewegungsbedingungen der 
einzelnen Individuen, welche in dem Augenblick der Einwirkung des magnetischen Feldes 
beobachtet wurden. (Seidenwürmer, Protozoen.) 

Unsre Untersuchungen wurden darauf in der Folge gerichtet, zu erforschen, 
ob das magnetische Feld wenigstens eine klare und nachweisbare Einwirkung aut 
die einzelnen Individuen besitze, indem es irgendwie auch nur zeitweise ihre Lebens¬ 
bedingungen ändere und besondere sensible Reize, direkte oder reflexe Reak¬ 
tionen von Bewegungssteigerung oder -Herabsetzung hervorrufe. 

Raupen des Seidenwurmes. 

Zu diesem Zwecke unternahmen wir es vor allem, die Raupen des Seiden¬ 
wurmes zu beobachten, da diese sich wegen ihres Körperbaues, der beinahe ganz 
ohne hartes Skelett ist, und wegen der besonderen Beschaffenheit ihres gangh«»- 
nären Nervensystems, das oberflächlich längs des ganzen Körpers verteilt ist- 
besser als jedes andre Tier dazu eignen, von den Kraftlinien, welche einem 
Magnet entströmen, beeinflußt zu werden. 


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t'ber die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 209 

Wir wählten also um den 18. Mai 1904 herum verschiedene Raupenpaare 
unter den schönsten und lebhaftesten aus den verschiedenen Häufchen, welche 
für die vorhergenannten Untersuchungen dienten, aus und unterwarfen jedes 
Paar für sich dem Einfluß des magnetischen Feldes. Wir führten die Unter- 
indumsen zu derselben Zeit immer an einem Paare aus, um uns wohl zu ver¬ 
sichern. daß die gleichen Reaktionen auf dieselbe Art in beiden stattfanden, daß 
die gleichen Reaktionen von der Einwirknng des magnetischen Feldes ausgelöst 
und keine spontane, durchaus von der Einwirkung des Magnets unabhängige 
c-wegungen waren. 

Auf breiten Maulbeerblättern, auf einem besonderen Karton wurden die 
r*ei Raupen der Einwirkung des Radiators ausgesetzt, und zwar in einem Ab¬ 
stande von 10 cm vom aktiven Pol, mit zum Karton senkrecht gerichteter 
Polarachse. 

Die Intensität des Stromes war 26 Ampere; Anwendungsdauer nach Be¬ 
lieben. da es sich darum handelte, die Tiere unter der Einwirkung selbst des 
trapetischen Feldes zu beobachten. 

Bei der ersten Beobachtung nahmen wir wahr, daß unter der Einwirkung 
flrj magnetischen Feldes das Raupenpaar nach 2—3 Minuten anfing, die Be¬ 
legungen zu verlangsamen, welche daraufhin gerichtet waren, den Rand des 
Blaues zu benagen und zu bekauen; dann wurden sie nach und nach ganz still, 
zunächst die eine Raupe und darauf nach 45—50 Minuten die andre, und blieben 
kwtpngslos durch ungefähr 3 Minuten. 

Da hielten wir den Apparat in seiner Tätigkeit auf und fuhren fort, das 
PiQpenpaar, das nicht mehr von dem elektrischen Felde beeinflußt wurde, 
zu kobachten. Die Bewegungslosigkeit blieb unverändert während ungefähr 
■' Minuten, nach welchen die beiden Raupen ihre gewöhnlichen Bewegungen 
uieder aufhahmen. 

Nach 4 weiteren Minuten schlossen wir den Kreislauf und ließen den Elektro¬ 
magneten wirken. Nach 4 Minuten und 37 Sekunden blieb eine der beiden Raupen 
bewegungslos, während die andre in ihren Kaubewegungen weiter fortfuhr. Nach 
sngefahr 3 Minuten nahm die bewegungslos gewordene Raupe ihre Bewegungen 
nieder auf, trotzdem sie immer unter der Einwirkung des magnetischen Feldes 
zeblieben war. 

Diese ersten Beobachtungen ermächtigten uns zu der Meinung, daß das 
magnetische Feld irgend einen Einfluß auf die Verlangsamung und Hemmung der 
Bewegung der Raupen haben könnte. Deshalb wiederholten wir vielmals die 
Beobachtungen an demselben Raupenpaar und an mehreren andern, die wir zu 
diesem Zweck aussuchten, indem wir den aktiven Pol den Raupen näherter, oder 
ihn von ihnen etwas weiter entfernt stellten, indem wir die Intensität des Feldes 
steigerten oder herabsetzten, und indem wir die Richtung der Polarachse nach allen 
Möglichkeiten verstellten, und mithin auch die Richtung der Kraftlinien. Wir 
konnten jedoch kein einziges Mal mehr die Erscheinung erzielen, die wir am 
ersten Tage beobachteten, nämlich die Verlangsamung und die folgende Hemmung 
der Raupen unter der Einwirkung des Feldes, sowie die Rückkehr der Bewegungen 
nach Aufhören der Einwirkung des Magnets. 


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210 


Karl Colombo 


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Protozoen. 

Auch an einigen Protozoenarten, wegen ihrer wohldefinierten Form, wegen 
der sicheren Nachrichten, die wir über ihre Biologie haben, bot sich uns die 
günstige Gelegenheit, die direkte Wirkung des magnetischen Feldes zu studieren, 
und um so mehr da, weil es sich um elementare Organismen handelte und die etwaige, 
auf ihr Protoplasma ausgeübte Wirkung aus Analogie auch andern be¬ 
stimmenden Elementen komplexerer Organismen hätte zugeschrieben werden 
können. . 

Und unter allen Protozoen wählten wir jene aus, welche im Darme 
der Termiten sich aufhalten und von Grassi studiert worden sind. Im 
Termes lucifugus leben 6 Protozoenarten: zwei gehören den Lophomona- 
dinen an und sind die Trichonympha agilis und die Microjoenia lexamitoides; 
zwei andre gehören zu den Kerkomonadinen und sind das Monokerkomonas 
termitis und die Dinenympha gracilis; die zwei letzten gehören zu den Pyrso- 
nymphiden und sind die Pyrsonympha flagellata und das Olomastigotes 
elongatum. 

Wir haben unsre Beobachtungen immer am Trichonympha gracilis ausgefährt, 
das eine rundliche, einer Bauchflasche ähnliche Gestalt besitzt, mit vielen langen 
Geißeln nach dem engeren Teile zu und mit andern, weniger zahlreichen am 
höckerigen Körper. — Es ist die Art, die die größten Dimensionen aufweist, da 
es ungefähr 130 fi lang und 40 // breit ist. Es bewegt sich rasch in kegel¬ 
förmigen Bewegungen fort, während es die Geißelhärchen schüttelt. Wir ver¬ 
schafften uns für unsre Untersuchungen die Trichonymphae dadurch, daß wir den 
Darm einer Terme gegen ein Glasplättchen zerdrückten. Die dünne Masse 
breiteten wir auf dem Glasplättchen rasch aus und paßten dieses dann dem 
Mikroskop an. Vor das Gläschen wurde der „Radiator“ hingestellt, und zwar 
mit zur Glasflasche selbst parallel gerichteter Polarachse. Eine der größten and 
lebhaftesten Trichonymphae wurde nun in das mikroskopische Feld gebracht und 
dann in allen ihren Bewegungen und Stellungen eine bestimmte Zeit hindurch, 
70—90 Sekunden, studiert. (Wir bemerken, daß dieser Zeitpunkt für uns genügte, 
um uns über das Normalverhalten des Protozoens zu belehren, da wir es schon 
früher mal lange und aufmerksam studierten.) 

Darauf wurde der Elektromagnet mit dem Strom versehen, so daß sich rasch 
ein magnetisches Feld in der Intensität von 25 Ampöre bildete, und wir beob¬ 
achteten jetzt die etwaigen Änderungen in dem bereits gesehenen Verhalten der 
Trichonympha. In allen Beobachtungen, die wir sehr oft unter gleichen Bedingungen 
unternahmen, haben wir immer diese einzige Tatsache wahrgenommen, daß nämlich 
die Trichonympha unter der Einwirkung des magnetischen Feldes eine lebhaftere 
Bewegung annahm, indem sie die Geißelhärchen rascher hin und her schüttelte 
und ihrem Protoplasma verschiedene Gestalten gab, so daß es einmal höckeriger, 
ein andres Mal länglicher aussah; und dies, während alle andern Protozoenarten, 
die sich im mikroskopischen Felde befanden, die Beute einer ungewöhnlichen, sehr 
raschen Wellenbewegung wurden. So oft die Tätigkeit des Apparats aufgehalten 
wurde, nahm die ganze, unter dem Mikroskop sich wild bewegende kleine Welt 
beinahe sogleich ihre ruhige, frühere Bewegungsform wieder auf. 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


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Diese Erscheinung hing wohl von der Einwirkung des magnetischen Feldes 
ib: aber auch hier, wie wir bereits hinsichtlich der Infusorien bemerkten, meinen 
Tir. daß diese außergewöhnlichen Bewegungen vielmehr von der mechanischen 
Wirkung der Vibrationen der magnetischen Wellen, welche von der Luft dem 
mikroskopischen Felde übertragen werden, abhängen, anstatt von einer Reaktion 
biologischer Ordnung durch das Dazwischentreten eines Reizes auf das Proto¬ 
plasma der in Frage stehenden Protozoen hervorgerufen zu sein. 

Schlußfolgerungen. 

Aus den Untersuchungen, die wir in dieser Abhandlung umständlich be¬ 
trieben haben, halten wir uns nicht für ermächtigt, kategorische und entscheidende 
N hlüsse zu ziehen. 

Es scheint uns jedoch erlaubt, zu folgern, daß die biologische Wirkung der 
wechselnden magnetischen Felder auf die niederen Organismen nicht der¬ 
artig ist, daß sie sich deutlich mit ernster Kontrolle fähigen Erscheinungen 
'tfenbaren. 

Wir werden unsre Untersuchungen an komplexeren tierischen Organismen 
und am Menschen fortsetzen, und dann werden wir vielleicht imstande sein, eine 
gfuamc Meinung über diese Frage auszudrücken. Vorläufig können wir folgendes 
Vhanpten: 

1. Die wechselnden magnetischen Felder, auch wenn sie sehr kräftig 
wi. beeinflussen nicht die photographischen Platten und äußern auch in 
keiner Weise ihre Wirkung auf die phosphoreszierenden Schirme aus Kalzium- 

>uMde. 

2. Die Keimungs- und Waehstumsprozesse der elementaren Organismen 
< Infusionstierchen) werden in keiner nennenswerten Weise von der Wirkung des 
magnetischen Feldes geändert. 

3. Die Brütung und die Erschließung der Froscheier und der Seidenwurm- 
'iaien fahren in ihrem Normalgang fort, ohne irgend einen Einfluß von der 
Wirkung zu verspüren, welche auf sie vom wechselnden magnetischen Felde aus- 
>nbt wird. 

4. Die gleiche negative Wirkung seitens der magnetischen Felder haben wir 
■wh an den weiteren Entwicklungsbedingungen der Seidenspinnerraupen; die- 
/nigen, welche der Wirkung des magnetischen Feldes unterworfen werden, 
'>rhalten sich ebenso wie diejenigen, welche zur Kontrolle abgesondert gehalten 
»erden. 

5. Endlich glauben wir auch ausschließen zu können, daß die wechselnden 
magnetischen Felder eine biologische Wirkung auf die niederen Organismen (Seiden- 
jfmnerranpen oder Protozoen) ausüben; denn auch die Wellenbewegungen, die 

letzteren unter dem Einfluß des Magnets annehmen, wären nach unsrer 
Ansicht einer Reaktion biologischer Ordnung infolge eines Reizes, der auf ihr 
Protoplasma stattfand, nicht zuzuschreiben, sondern sie wären diesen sehr zarten 
•Organismen mechanisch aufgedrückt vermittelst der in der Luft von den magnetischen 
W eilen, welche den Kraftlinien entströmen, ausgelösten Vibrationen. 


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Karl Colombo 


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Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder. 


213 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 

i. 

Der XXII. Kongreß für innere Medizin In Wiesbaden 
vom 12.—15. April 1905. 

Berichterstatter: Dr. W. Alexander (Berlin). 

(Schluß.) 

Die Vormittagssitzung des 14. April war mit Demonstrationen ausgefüllt Turb 
(Davos) veranstaltete eine Demonstration und Erläuterung mikroskopischer Präpara 
von Tuberkulose. Er zeigte Präparate, in denen Tuberkelbazillen aus Sputum in heiß) 
Karbolfuchsin mit Vioooo Kalilauge V/ 4 Stunde lückenlos gefärbt waren. Dabei werden < 
bekannten dunkeln Kugeln an den Enden und in der Mitte besonders deutlich sichtbar. I>k 
Körper sind keine Sporen oder Kerne, sondern Chromatindifferenzierung im Bakterienplasn: 
Vielleicht bedeuten sie einen Anlauf zur Sporenbildung. Färbt man Tuberkelbazillen aus alt 
Reinkulturen mit Delafids Hämatoxylin, so kann man an ihnen eine Hülle erkennen. Dann zeig 
Vortragender Präparate von Doppelfärbung von Tuberkelbazillen und elastischen Fasern i 
Sputum. Technik: Karbolfuchsin, salzsaurer Alkohol, Weigertsche Färbung. In frischt’ 
Präparaten von tuberkulösem Sputum ohne jeden Zusatz zeigen die elastischen Fasern nicl 
selten die von Engel als Fettorganisation beschriebenen, wahrscheinlich von verkästen Zelk 
herrührenden Auflagerungen. In einem (intra vitam diagnostizierten!) Falle gleichzeitige! 
Bestehens von Lungentuberkulose und primärem Lungenkrebs konnten Tuberkel und Krebs 
nester in unmittelbar aneinander grenzenden Alveolen nachgewiesen werden. 

Schreiber (Göttingen) sprach über Volumetrie des Herzens. Er beschreibt ein 
Methode der Registrierung der Tätigkeit und Volumsveränderung des nicht isolierten Warn 
blüterherzens mittelst Onkographie. Die untere Hälfte des Pericards wird nach Eröffnun 
des Thorax nach der Brau er sehen Methode abgetragen, seine obere Hälfte wird um ein 
birnenförmige Glaskapsel, die das Herz einschließt, straff angezogen und am Rand bis zui 
luftdichten Abschluß festgezogen. Ein Seitenrohr, welches in die Glaskapsel führt, vermitte 
durch Verbindung mit einer Mareysehen Trommel die Aufzeichnung der Bewegungen de 
Herzens. Zur Diskussion bemerkte Hering (Prag), daß sich ihm die ältere Methode vo 
Knoll, die den Vorzug der Einfachheit habe, gut bewährt habe; allerdings könne man mit ili 
keine spezielleren Analysen machen. 

Joh. Müller (Wiirzburg) veranstaltete eine Demonstration einer neuen Art vo 
Faeceskristallen bei perniziöser Anämie. In einem mit Achylia gastrica komplizierte 
Fall von perniziöser Anämie, bei dem Magenbeschwerden (Ösophagospasmen, dauerndes ht 
brechen etc.) im Vordergründe des Krankheitsbildes standen, fanden sich in dem regelmäßig 
erfolgenden, tief gelb gefärbten Stuhl mikroskopisch außer reichlichen Fettsäureschollen um 
Hydrobilirubin noch säulenförmige Gebilde, 10—50 fi lang, 10—12 ^ breit, nicht doppelbrecheml 
wasserlöslich besonders in der Wärme. Sie färbten sich mit Jod und Methylenblau, nicht da 
gegen mit Triacid und Eosin. Sie sind bisher nicht beobachtet worden, über ihre Natur kam 
Vortragender kein bestimmtes Urteil abgeben. 

Brat (Berlin) sprach über die Wirkung des Baryums auf das isolierte Säuge 
tierherz, die er gelegentlich andrer pharmakologischer Untersuchungen am in situ isoliert^ 
Säugetierherzen studiert hat. Er ist der Ansicht, daß sich die Versuchsresultate vom Kalt¬ 
blüterherzen nicht ohne weiteres auf das Säugetierherz übertragen lassen. Es zeigte sich, da 
die durch Chlorbarvum erzeugten Veränderungen des Pulses zum Teil auf einer direkten 
Einwirkung auf das Herz beruhen. Das Baryum verdiene deswegen als Herzmittel wciur 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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radiert zu werden, wenn es auch bisher wegen seiner großen Giftigkeit sich in Deutschland 
rieht in der Therapie einbürgern konnte. Vortragender hat bei der Isolierung des Herzens nach 
Bock-Hering zur Unterbindung der Aorta descendens einen Pneumothorax angelegt und unter 
Anwendung des Brau ersehen Verfahrens festgcstellt, daß insofern bei Pneumothorax ein 
rcaetuBäßiges Verhalten zwischen Atmung und Puls besteht; als es von der intermittierenden 
Atemhewegung und der Größe der Exkursion der Lunge abhängt, ob eine Reizung des Herz- 

eintritt. Daß diese nicht durch Gaswechselstörungen hervorgerufen wird, ging aus dem 
Tierversuch deutlich hervor. 

Ferner demonstrierte Brat seinen schon in der Berliner Medizinischen Gesellschaft 
jagten Apparat zur künstlichen Sauerstoffatmung. 

Prelle (Berlin) demonstrierte Dr. Heryngs Inhalationsmethode und Inhalations¬ 
apparate und berichtete, daß er durch Versuche an sich selbst und besonders im Tierversuch 
<* £ tiefes Eindringen der Inhalationsflüssigkeit in die Lunge nachweisen konnte. 

Benderskv (Kiew) berichtete über eine leichte und einfache Methode der Ab¬ 
grenzung der inneren Organe, die „Perkussions-Auskultation“, die er schon vor einigen 
Jahren an andrer Stelle beschrieben hat. Man auskultiert mit einem Schlauchstetoskop, um 
•iessen Trichter herum mit dem Finger nach allen Richtungen leichte Klopfbewegungen aus- 
zefuhrt werden. Befinden sich Trichter und Finger über demselben Organ, so hört man einen 
uitcn Schall, gleichgültig ob das Organ solide oder lufthaltig ist. Mit dem Augenblick, wo der 
Fmser die Organgrenze überschreitet, hört der Schall auf. Auf diese Weise lassen sich an- 
'»blith {! Ref.) die Grenzen des Magens, Kolons, der Milz, des Herzens etc. genau bestimmen. 
Besonders gute Resultate soll die Methode zur Diagnose von Lungenspitzenerkrankungen liefern, 
indem die Grenze auf der erkrankten Seite tiefer gefunden wird. Für Unterrichtszwecke dient 
ein „Ko&e&ltationsstetoskop“, dessen zahlreiche Schläuche, für je einen Untersucher bestimmt, in 
einen gemeinsamen Trichter münden. 

Betermann (Freiburg—St. Blasien) zeigte einige Verbesserungen des Hirscli- 
J'Vclscben Verfahrens zur Bestimmung der Viskosität des menschlichen Blutes: 
ruiicbst eine Spritze zur Venenpunktion für zirkulierendes warmes Thermostatwasser, mit der 
axd das Blut aus der Vene körperwarm direkt in das schon im Thermostaten befindliche 
Valorimeter bringen kann. Diese Anordnung beseitigt einige große Übolstände des alten 
Verfahrens: den Venenschnitt, das umständliche Manipulieren mit den Hirsch-Beck sehen 
^Luröhrchen etc.; vor allen Dingen wird aber eine Abkühlung des Blutes mit Sicherheit ver¬ 
mieden. Ferner demonstrierte Vortragender eine zweckmäßige Abänderung des Viskosimeter 
and einen neuen elektrischen Heizkörper mit Reguliervorrichtung für den Thermostaten. 

Feinberg (Berlin) sprach über die feinere Histologie der gutartigen und bös¬ 
artigen Epithelgeschwülste und über die Ätiologie der gutartigen und bösartigen 
Tpi thel ge sch wülste. Einen richtigen histologischen Einblick in jede echte Geschwulst 
«hält man nur bei möglichst degenerationsfreien Geschwülsten und bei sofort und vorsichtig 
▼ährend der Operation fixierten Tumorstücken. Es gibt ein sicheres Piagnostikum des Pro- 
’*zoon gegenüber der Gewebszelle: das Protozoon hat im Ruhezustände eine völlig andre 
Ktnifonn als die letztere. Die Kerne der einfachen Protozoonzellen bestehen aus Kern- 
sembran, Kernpunkt und Kernsaft. Die Sporozoen haben im Gegensatz zu den andern 
blassen der Protozoen keine Kernmembran. Die in frischem Geschwulstgewebe gefundenen 
Zellen hatten nun tatsächlich keine Kernmembran, konnten also ihrem Bau nach nur Sporozoen 
m in, da es sicher Protozoen zellen waren. 

Was die Lebensweise und Entwicklung dieser Parasiten betrifft, so ist festgestellt, 
■iaß ihre Existenz an das Gewebe gebunden ist, weswegen sie Vortragender auch als Histo- 
•poridien bezeichnet hat Sie können nicht in Blut oder Lymphe leben, sondern nur im 
Gewebe, können also auch nicht, wie der Tuberkclbazillus, allein verschleppt, Metastasen 
Foachen, sondern können das nur, wenn sie zugleich mit alten Tumorzellen ausgeschwemmt 
»erden. Ebenso verhält es sich bei der Transplantation. Die Entwicklung geht bei jedem 
Sporozoon auf zwei Arten vor sich: durch Vermehrung des Parasiten im gleichen Wirt, oder 
'ixureh Sporenbildung. Die echte Geschwulst ist nun nichts weiter als ein örtlicher Kampf 
des Gewebes gegen den Parasiten, der sich im Gewebe vermehrt. Da aber auch außerdem 
eine Vermehrung des Parasiten außerhalb des Gewebes durch Sporen angenommen werden 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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muß, so gibt es zwei Möglichkeiten: diese geht entweder irgendwo auf dem Erdboden ei 
oder in einem zweiten Wirtstier vor sich. Da die erste Möglichkeit durch Feinberg au 
geschlossen werden konnte, suchte er nach dem zweiten Wirtstier und fand dasselbe im Wass* 
was mit der Erfahrung des Vortragenden gut übereinstimmt, daß der Krebs nur in solch« 
Dörfern etc. gehäuft vorkommt, die unmittelbar an einem stehenden oder langsam fließend« 
Wasser liegen. Hier fanden sich stets Zyklopiden und Daphniden, in denen sich <3 
Sporenbildung der Histosporidien nach weisen ließ. Dabei gelangen die letzteren oder ib 
Sporen niemals direkt in die Eizellen dieser kleinen Wassertiere, sondern stets infizieren si 
die jungen Zyklopiden indirekt durch Vermittlung des Wassers selbst, welches die reif 
Sporen der Histosporidien enthält. Auf genau demselben Wege, wie die jungen Zyklop»!* 
infiziert sich auch der Mensch dadurch, daß die im Wasser frei vorkommenden Sporen 
das Gewebe eindringen und hier die Geschwulst hervorrufen. Den endgültigen Beweis für d« 
geschilderten Zusammenhang der Dinge sieht Feinberg in den Resultaten seiner Impfversucl 
mit derartigem Wasser. Es gelang ihm damit zu erzeugen: zwei Zystadenome, ein Fibroadeno 
und ein Karzinom der Mamma bei Hündinnen, ferner ein Magenpapillom bei der Ratte. 

Aus alledem ergibt sich die Prophylaxe für den Menschen von selbst. Das Baden ui: 
Waschen in derartigem Wasser ist besonders über 30 Jahre alten Menschen zu verbieten. Di 
Trinken und Aussptilen von Gefäßen in stehenden Gewässern muß unterbleiben; die Bad« 
anstalten müssen mit Fliesen, Kacheln und nicht mit Holz ausgelegt und ihr Wasser filtrie 
werden etc. 

Bei Befolgung dieser Maßregeln wird sich — davon ist Vortragender überzeugt — ei 
sofortiges starkes Zurückgehen aller Geschwülste, speziell der Karzinome, in kurzem statistisc 
feststellen lassen. 


In der Diskussion bestritt Albrecht (Frankfurt a. M.), daß die von Feinberg gezeigte] 
Gebilde Protozoen seien. Er sieht sie vielmehr als Degenerationsprodukte an. Damit sin«, 
auch die übrigen Schlußfolgerungen über die Ätiologie, den Infektionsweg und die Propbylan 
hinfällig. 

Schütz (Wiesbaden) hat bei Untersuchungen über die Schleimsekretion des 
Darmes ein neues, von ihm konstruiertes Stuhlsieb benutzt und berichtet über das Resultat 
von 1180 Fäzesuntersuchungen. Die Menge des abgesonderten Schleimes ist bei Erkrankungen 
des Darmes rocht schwankend, und es lassen sich aus ihr allein nicht, wie man vielfach an 
zunehmen geneigt ist, diagnostische Kriterien für die nervöse oder katarrhalische Natur dei 
Einwirkung entnehmen. Vortragender ist der Ansicht, daß eine Schleimbildung auf rein nervösei 
Grundlage überaus selten ist; nervöse und katarrhalische Sekretion bestehen häufig gleichzeitig 
als Mischform. 

In der Diskussion bemerkte Schlesinger (Wien) gleichfalls, daß man in den meisten 
Fällen Mischformen von Colitis mucosa und Colitis membranacea beobachte. Bei der nervöser 
Schleimabsonderung finden sich, wie bei der normalen Schleimsekretion, hauptsächlich Epitheiien 
im Schleim, während das überwiegende Auftreten von Rundzellen in demselben für seine ent¬ 
zündliche Natur spricht. Bickel (Berlin) hält das Vorkommen einer Schleimsekretion auf rem 
nervöser Basis nach den Erfahrungen der experimentellen Pathologie bisher für unwahrscheinlich. 
Er konnte bei eignen Versuchen am Pawlowschen Hund bei Reizung des großen Magens 
keine Schleimbildung im kleinen Magen erzielen; dieselbe reichte vielmehr im großen Magen 
nur so weit, wie sich die direkte Wirkung des chemischen Reizmittels erstreckte. 

B.Fiseher (Bonn) sprach über Arterienerkrankungen nach Adrenalininjektionen. 
Er erläuterte seine äußerst interessanten Versuchsergebnisse durch Demonstration makro¬ 
skopischer und mikroskopischer Präparate und durch Projektion von Abbildungen. Aus diesen 
ging hervor, daß man beim Kaninchen durch intravenöse Injektion von Nebennierenpräparaten 
Veränderungen in der Aorta hervorbringen kann, die in herdförmig auftretenden Nekrosen der 
glatten Muskulatur der Media mit ausgedehnter Verkalkung, Dehnung und Zerstücklung der 
elastischen Fasern bestehen und zur Bildung von Beeten und Aneurysmen führen. Reakto 
entzündliche Prozesse treten erst sekundär zu diesen Veränderungen hinzu und machen dann 
das typische Bild der Mesarteriitis und Endarteriitis. Auffallend ist, daß die beschriebenen ^ cr- 
änderungen mit großer Regelmäßigkeit zuerst im Arcus aortae und im Brustteil derselben au - 
treten und auch bei etwaiger weiterer Verbreitung daselbst stets am stärksten ausgeprägt sind. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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Die Arteria pnhnonalis bleibt stets von der Erkrankung verschont. Man findet fast regelmäßig 
Dilatation und Hypertrophie des Herzens, ferner häufig fibröse Entartung, interstitielle Entzündung 
nd Verkalkungen im Herzmuskel. Auch größere und kleinere Blutungsherde, besonders in der 
Bilde, wurden beobachtet Ähnliche Veränderungen der Arterien, allerdings nicht so schwerer 
Ait kommen beim Kaninchen auch spontan vor und lassen sich durch Injektion vieler andrer 
toröeber Substanzen erzeugen. Man findet sie besonders bei Tieren, die an langsam fort¬ 
schreitender Kachexie eingegangen sind. Mit subkutanen Adrenalininjektionen lassen sich die 
beschriebenen Veränderungen nicht erzeugen, übrigens beim Hund auch nicht mit intravenösen. 
Von größter Wichtigkeit ist, daß die Arterienerkrankung der Kaninchen sich histologisch als 
vollständig von der menschlichen Arteriosklerose verschieden erweist Vortragender möchte 
ik bei dem Überwiegen der nekrotischen Prozesse als Arterionekrose bezeichnen und führt 
aaf direkte Giftwirkung zurück. Im Anschluß daran berichtete 

Külbs (Kiel) Experimentelles über Nebennierenextrakte und bestätigte im wesent¬ 
lichen nach eignen Tierversuchen die Befunde des Vorredners. Besonders kam er bezüglich 
der Lokalisation der krankhaften Gefäßwandprozesse in der Aorta zu demselben Resultat. 

In der Diskussion empfahl v. Poehl (Petersburg), wie schon vielfach an andern Stellen, 
das von ihm hergestellte Spermin als Mittel gegen Arteriosklerose des Menschen; Albrecht 
Frankfurt a. M.) macht darauf aufmerksam, daß die demonstrierten, im Tierexperiment erzeugten 
Herde der Aortenwand große Ähnlichkeit mit der Aortitis luetica des Menschen hätten. Auch 
lei dieser Erkrankung müsse man annehmen, daß eigentümliche mechanische Verhältnisse auf 
die Lokalisation in der Brustaorta von Einfluß sind. Endlich sprach 

Rumpf (Bonn) Uber chemische Befunde im Blut und in den Organen bei 
Nephritis. Auf Grund einer großen Untersuchungsreihe ist er zu der Anschauung gekommen, 
daß das Verhältnis des Chlornatriums zur Nephritis kein so feststehendes und sicher begründetes 
ist, wie man nach den Arbeiten der letzten Jahre anzunehmen geneigt ist. Es ist zwar zuzugeben, 
dafl b« Nephritis meistens der Kochsalzgehalt der Nieren erhöht gefunden wird, und daß die 
Koebaizaosscheidung aus kranken Nieren gegen die Norm herabgesetzt ist.' Die Beobachtung 
ergibt ferner, daß häufig mit einer Steigerung der Kochsalzzufuhr die Ödeme zu- und die 
I'jirese abnimmt. Doch ist das nicht die Regel, da man auch Fälle schwerster Nephritis mit 
urimisehen Symptomen findet, in denen der Kochsalzgehalt des Blutes und der Organe sich unter 
4tr Norm hielt. Auch die hydropischen Ergüsse bei Nephritikem zeigten einen Kochsalzgehalt, 
um die Norm nach oben und unten erhebliche Schwankungen aufwies. Andrerseits fand 
$kh wiederholt im Ascites bei Lebercirrhose ohne Nephritis der Kochsalzgehalt beträchtlich 
erhöbt. Die divergierenden Ansichten der Autoren in diesen Punkten führt Rumpf zum Teil 
darauf zurück, daß die gefundenen Chlorwerte in toto auf das Chlornatrium bezogen wurden, 
was nicht ohne weiteres zulässig sei, da in dieser Beziehung die Bildung und Ausscheidung 
des Ammoniaks bei den verschiedenen Erkrankungen zu berücksichtigen sei. N$ch alledem 
*ei der Nutzen einer strikten Kochsalzentziehung bei Nephritis durch das Experiment noch 
aidit einwandfrei gestützt. 

In der Nacbmittagesitzung des 14. April gab 

Richartz (Würzburg) einen Beitrag zur Kenntnis und Differenzierung der 
chronischen Diarrhöen. Er beobachtete einige Fälle von Diarrhöen, die wegen ihres eigen¬ 
artigen Verlaufes diagnostische Schwierigkeiten boten. Zugleich mit einer aphthösen Mund- 
cstzündung traten sehr reichliche, schaumige Stühle auf von diarrhöischer Beschaffenheit und 
fauligem, nicht direkt fäkulentem Geruch. Diese zeigten schlecht verdaute Nahrungsreste, aber 
keine Beimengungen von Blut oder Eiter. Die Krankheit trat akut auf, verlief ohne Fieber 
trnd führte zu hochgradiger Anämie und Kachexie. In allen Fällen fand sich im Stuhl ein 
positiver Gram-Diplokokkus in großer Menge. Verfasser ist der Ansicht, daß es sich wahr¬ 
scheinlich um sporadische Fälle einer sonst nur in den Tropen unter dem Namen Sprue be¬ 
kannten Krankheit handelt, deren Erreger auch mit den gefundenen Diplokokken große Ähnlich¬ 
keit bat. 

Zur Diskussion sprachen: Schwalbe (Berlin), PIönies (Wiesbaden) und Kühn (Neuen¬ 
ahr >. Sodann folgte ein Vortrag von 

Lüthje (Tübingen): Beitrag zum experimentellen Diabetes. Vortragender konnte 
beobachten, daß Hunde, die durch Pankreasexstirpation schwer diabetisch gemacht waren, in 

Zeiuehr. t diit o. pbyrfk. Therapie Bd. IX. Heft 4. 15 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


einer hohen Umgebungstemperatur weniger Zucker ausschieden als in einer niedrigen. Auf die 
Stickstoffausscheidung übt die Umgebungstemperatur kaum einen Einfluß aus. Lüthje faßt 
die Abhängigkeit der Zuckerausscheidung von der Umgebungstemperatur als eine teleologische 
Einrichtung der Wärmeregulation auf, wobei er auf die Ansicht Rubners zurückgreift, daß das 
Eiweißmolekül in einen N-haltigen und einen N-freien Anteil gespalten werde, ein Vorgang, der 
gleichfalls vorwiegend dem Wärmehaushalte diene. Da beim diabetischen Menschen die Ver¬ 
hältnisse ähnlich liegen, dürften sich vielleicht aus diesen Versuchen praktische Winke für die 
Therapie des Diabetes gewinnen lassen. 

In der Diskussion wies Klemperer (Berlin) darauf hin, daß durch die interessanter 
Ergebnisse der Lüthjeschen Untersuchungen manche klinische Beobachtungstatsache, die man 
sich früher nicht erklären konnte, dem Verständnis nähergertickt sei. Es sei ihm lange bekannt, 
daß Diabetikern eine Winterkur in Karlsbad viel schlechter bekommt als eine Sommerkur. Iiti 
Sinne der erhöhten Umgebungstemperatur erkläre sich auch die gute Einwirkung der Bettwänne 
auf schwere Diabetesfälle. Ebenso werde jetzt der günstige Einfluß des Alkohols auf schweren 
Diabetes verständlich. Embden (Frankfurt a. M.) teilte mit, daß es ihm schon aufgefallcn 
sei, daß Hunde, die bei hoher Außentemperatur gehalten wurden, verhältnismäßig wenig Zucker 
ausschieden. Zwei gleichgroße Hunde wurden gleichzeitig operiert und hungernd unter gleicher 
Außentemperatur gehalten: sie zeigten eine auffallend gleichmäßige tägliche Zuckerausscheidung. 
Kühn (Neuenahr) hat einem in Java lebenden, schweren Diabetiker schon vor Jahren eine 
schlechte Prognose gestellt: er lebt noch immer trotz reichlicher Aufnahme von Kohlehydraten 
(Reis etc.). Vielleicht ist auch hier die relativ hohe Temperatur des Wohnortes von günstigem 
Einfluß. — Es folgte der Vortrag von 

Bickel (Berlin): Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der Kocii* 
salzthermen auf die Magensaftsekretion. Vortragender experimentierte an Hunden, denen 
nach Pawlow ein Magenblindsack angelegt war. Er hatte auch Gelegenheit, außer an gesunden 
Hunden seine Beobachtungen an einem magenkranken Tjer anzustellen, welches an einer chro¬ 
nischen Gastritis des großen und kleinen Magens mit Hyperazidität litt. Es zeigte sich, daß 
die Einführung des Mineralwassers allein in den nüchternen Magen dieselbe Wirkung hatte 
wie reines Wasser. Dagegen trat eine deutliche Wirkung des Mineralwassers auf die Satt 
Sekretion hervor, wenn man außer demselben eine bestimmte Nahrung gab, deren 
Sekretionskurve bekannt war: der abgesonderte Magensaft war reichlicher und zeigte 
höhere Säure werte und größere Verdauungskraft, als auf die Nahrung ohne Mineral 
wasser hin produziert worden wäre. Beim Menschen liegen schon ähnliche Beobachtungen vor 
Auch die Veränderungen, die die molekulare Konzentration des in den kleinen Mageu an¬ 
geführten Mineralwassers erfährt, wurden von Bickel studiert, und in dieser Beziehung gewisse 
Unterschiede zwischen dem Verhalten des gesunden und kranken Magens festgestellt 

In der Diskussion vertrat Umber (Altona) die Ansicht, daß man die Resultate des 
Tierversuchs nicht voll und ganz auf den Menschen übertragen darf. Er selbst hat bei einem 
Menschen, dem wegen Ösophagusstenose eine Magenfistel angelegt war, die Sekretion beobachtet, 
die beim bloßen Kauen der Nahrung (ohne Schlucken) auftrat. Er konnte dabei zwarPawlows 
Angaben im ganzen bestätigen, fand aber doch gewisse Abweichungen. Pawlow sagt z. B.. 
daß beim Hund durch rektale Ernährung keine Magensaftsekretion ausgelöst wird. Umber 
fand aber beim Menschen nach einem Nährklysma, über dessen Qualität er nichts wußte, naeli 
drei bis vier Minuten einige Kubikzentimenter Magensaft mit Salzsäure und Pepsin im Magen vor. 
Bickel hält den Umberschen Patienten nicht für geeignet zu solchen Untersuchungen, * el 
die Konnexikation durch den Ösophagus nicht ausgeschaltet war und unbewußt etwas in den 
Magen fließen konnte. Bickel hat das von Gluck mit einem vollständigen Verschluß de> 
Ösophagus und einer Magenfistel vorgestellte Kind untersucht und Resultate gefunden, di® nllt 
denen Pawlows vollkommen übereinstimmen. — Es folgte der Vortrag von 

Ernst Meyer (Halle): Über Fettspaltung im Magen. Im Magen findet, wie la»- 1 
bekannt, eine mäßige Spaltung von Neutralfettcn statt. Dieso Zerlegung erreicht höhere Werte, 
wenn das Fett emulgiert in den Magen gelangt. Der mittelst Probefrtihstüek gewonnene Mag eD 
saft besitzt auch fettspaltende Kraft. Diese Fcttspaltung ist zumeist fermentativer Natur. P ie ^ 
Ferment wird aber nicht, wie bisher angenommen, im Magen selbst produziert Es ließ s,c 1 
vielmehr experimentell nach weisen, daß dasselbe aus dem Darm in den Magen eintritt. P* e9e8 


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eie Fettspaltung im Magen bewirkende, wohlcharakterisierte Enzym ist das 
>pezifische fettsp&ltende Ferment des Pankreas. 

In der Diskussion betont Volhard (Gießen), daß der Tierversuch für den Menschen 
"iihts beweise; auch nach ausgiebiger Nachprüfung habe er seine früheren Versuchsresultato 
>tets bestätigt; gefunden. Mohr (Berlin) versucht die Differenzen der beiden Untersucher damit 
erkliren, «laß möglicherweise die verschiedenen Versuchstiere sich in dieser Beziehung ver- 

• hieden verhalten. Ferner sei zu berücksichtigen, daß auch die Art der Ernährung auf die 
RMang der Fermente von bestimmendem Einfluß sei. 

Winternitz (Halle) ist in eignen Tierversuchen zu denselben Resultaten gekommen 
»ie Meyer. Wenn man an Hunden den Pylorus fest abbindet, findet man niemals fettspaltendes 
1 mient im Magen, weil dann eben kein solches aus dem Darm übertreten kann. Beim 
w.Eseben fließt zweifellos der Inhalt des Duodenums oft in den Magen zurück. 

E mb den (Frankfurt a. M.) sprach über Aminosäuren im Harn. Bei gewissen 
I aihologischen Prozessen sind Aminosäuren vielfach im Harn gefunden worden. Daß mah 
>i< bisher im normalen Ham nicht nach weisen konnte, selbst nicht mit der Fische r- 
Ibrrzellsehen Naphthalinsulfochloridprobe, liegt nach der Ansicht des Vortragenden daran, 
■3Ö die Reaktion bisher immer an schwach alkalischem Ham angestellt wurde. Macht man 
>r den Harn nach dem Vorschlag von Reese stark alkalisch, so lassen sieh leicht Amino- 
' aren nachweisen. Nach Verfütterung kleinster Quantitäten von Alanin treten beim Hunde 

• 1 beim Menschen erhebliche Mengen von Naphthalinsulfoalanin im Ham auf und können aus 

• ffiyrlbcn rein dargestellt werden, wie aus den Untersuchungen von Plauth und Reese 
r.orgeht. Zur Diskussion sprach Berge 11 (Berlin). 

Itaos i'Frciburg) machte Mitteilungen über das Cerolin, die* von ihm dargestellte 
Frtmbfttuz der Hefe. Vortragender glaubt, daß die Wirkung der Hefedarreichung an das 
gebunden sei, ist aber nicht in der Lage, die Art der Wirkung zu erklären. Möglicher- 
is* »erden die im Cerolin enthaltenen Fettsäuren durch die Haut ausgeschieden und entfalten 

di^er Gelegenheit die günstige Einwirkung auf Hautleiden, wie Furunkulose und Acne, 
3 der sich Vortragender an einer großen Anzahl von Fällen überzeugen konnte. Bei der 
1 erdintherapie machte sich außerdem eine leicht abführende Wirkung des Präparats geltend, 
d ? »egen ihrer Reizlosigkeit auch sonst in der Therapie Verwendung finden könnte. 

Loening »Halle) hat Untersuchungen über die Motilität bei Gastroptose angestellt 
Resultate gefunden, die von der bisher allgemein herrschenden Anschauung zum Teil abweichen. 
Er Mellte die motorische Kraft des Magens fest durch Bestimmung des Gesamttrockenrück- 
Maades des Ausgeheberten und des Spülwassers nach Probefrühstück. Nach diesem Verfahren 
:.idJ t-r unter zahlreichen Fällen von Gastroptose und Enteroptose, die er seit 1900 auf der 
Hallenser Klinik untersuchte, in keinem Fall verzögerte Entleerung des Magens, ja bei einer 
-Toten Anzahl war die Entleerung so beschleunigt, daß man von richtiger Hypermotilität 
yrechen konnte. Bei der Mehrzahl der Fälle war die Motilität normal. 

In der Diskussion hebt Ag^ron (Hamburg) hervor, daß die Untersuchungsergebnisse 
ä: der bisher über die Motilität bei Gastroptose herrschenden Anschauung im Widerspruch 
Mchen. Auch Leo (Bonn) ist der Ansicht, daß in den seltenen Fällen, in denen man bei 
'rfetroptose Hypermotilität findet, besondere mechanische Verhältnisse vorliegen müssen; das 
«wohnliche sei es jedenfalls nicht Ganz ablehnend verhielt sich Pariser (Homburg). Die 
»vtorisebe Kraft des ptotischen Magens könne nicht gesteigert sein, weil jede Gastroptose mit 
♦iaer Atonie der Magenwandmuskulatur einhergehe. Me inert (Dresden) hat bei seinen gynä¬ 
kologisch kranken Patientinnen vielfach Magenuntersuchungen angestellt und gefunden, daß bei 
fcerabgesunkenem, aber sonst gesundem Magen die Motilität in den meisten Fällen nichts zu 
wünschen übrig ließ. 

Sasaki (Japan — Berlin) berichtete über experimentelle Untersuchungen über die 
frdentung der Extraktivstoffe des Fleisches für die Magenverdauung. Er fand 
>ri seinen Versuchen an Hunden mit Pawlowscher Magenfistel, daß man durch Darreichung 
itr Extraktivstoffe des Fleisches vor der Nahrungsaufnahme auf die Magensaftsekretion insofern 
Ordernd einwirken kann, als derselbe in größerer Menge abgesondert wird und höhere Salz- 
*inre- und Pepsinwerte zeigt, als ohne Darreichung der Extraktivstoffe. 

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In der Diskussion teilt Bickel (Berlin)'mit; daß er bei Versuchen am Pawlo^schea 
Fistelhund einige Substanzen kennen gelernt hat, die in wässeriger Lösung zwar selbst nicht 
direkt safttreibend wirken, die aber, mit der Nahrung genossen, die Magenschleimhaut befähigen, 
mehr und besseren Magensaft zu liefern als gewöhnlich. Zu diesen Stoffen gehört unter andern 
die Salzsäure. 

In der siebenten Sitzung am 15. April sprach zunächst Kam in er (Berlin) über gemeinsam 
mit £. Meyer (Berlin) angestellte experimentelle Untersuchung über die Bedeutung 
des Applikationsortes für die Beaktionshöhe bei diagnostischen Tuberkulin- 
Injektionen. Kaninchen, denen Tuberkulose in die vordere Augenkammer geimpft war, zeigten 
auf Tuberkulineinspritzung am Auge höhere Reaktionen als bei subkutaner Einverleibung. Doch 
bekommt man nicht immer durch Einspritzung in den Locus morbi höhere Reaktionen, als nach 
subkutaner Injektion. Bei Injektionen in die Trachea Tuberkulöser war die Reaktion schwächer, 
als bei subkutaner Anwendung einer größeren Dosis. Der Applikationsort habe also bei der 
Anwendung des Tuberkulins für die Diagnose keine ausschlaggebende Bedeutung. 

In der Diskussion betont Burghardt (Dortmund), daß die Reaktion nicht allein von 
der Größe der Dosis und der Intensität des Krankheitsprozesses abhängig sei, sondern auch 
wesentlich von der Widerstandsfähigkeit des Patienten. Er bat eine Zeitlang jeden Rekon¬ 
valeszenten von irgendeiner Infektionskrankheit mit Tuberkulin gespritzt; fast jeder reagierte 
schon auf kleinste Dosen, weil er eben geschwächt war. Eine einmalige Reaktion sei 
diagnostisch immer nnr mit großer Reserve zu verwerten. 

Stäubli (München) teilte klinische und experimentelle Untersuchungen über 
Trichinosis mit. Vortragender konnte mehrfach hei Patienten, die als Typhuskranke eingeliefert 
wurden, durch die Blutuntersuchung Trichinosis feststellen. Die Symptome waren zum Teil der 
Meningitis ähnlich. Hämoglobingehalt und rote Blutkörperchen waren anfangs vermehrt, dann 
folgte schneller Abfall, häufig Leukozytose, besonders auffallend eine starke Eosinophilie, die 
vor dem Tode verschwindet. Bei letaler Infektion braucht überhaupt keine Eosinophilie anf- 
zutreten, häufig Diazoreaktion. Im Meerschweinchenversuch stellteVortragender fest, daß sich 
die Trichinen auf dem Blutw ege verbreiten; er fand im punktierten und zentrifugierten Herzblut 
infizierter Tiere massenhaft Embryonen. 

Albrecht (Frankfurt a. M.) brachte in einem hochinteressanten Vortrag neue Beiträge 
zur Kenntnis der roten Blutkörperchen. Es gelang ihm, an denselben eine fettartige 
Oberflächenschicht nachzuw eisen, von der sich hei w eiteren Untersuchungen ergab, daß sie bei 
verschiedenen Tierarten veischiedene Schmelzpunkte hatte, die zwischen £0° und 53° C lagen. 
Mit der bekannten Tatsache, daß das Körperfett gewisser Tieie (Schaf, Ziege, Rind) höhere 
Schmelzpunkte hat, als das andier, können möglicherweise die erwähnten Schmelzpunkts- 
Verhältnisse der lipoiden Htlle der Erythrozyten im Zusammenhang stehen. Es zeigte sich 
ferner, daß hei allen Arten der Hämolyse — auch der Seiumhämolyse — die Auflösung der 
Fettschicht den weiteren Veränderungen vorangeht, die im Auftreten von Stechapfel- und 
Kugelfoimen der roten Blutkörperchen besteht; dann erst erfolgt der Hämoglobinaustritt. 
Dieselben Vorgänge kommen auch bei der Hämolyse durch \erdtinnte Salzlösungen und 
destilliertes Waesör zustande. Bei Zusatz größerer Mengen von physiologischer Kochsalz¬ 
lösung zeigt sich das auffallende Phänomen, daß Kugelstechapfelfoimen und Kugeltonnen auf- 
treten; nach Albrechts Auffassung wahrscheinlich hervorgerufen durch eine MassenwirkuBg 
der in der Lösung enthaltenen Ionen. Diese Befunde sind in Zukunft bei Blutuntersuchungen 
und intravenösen Infusionen in Betracht zu ziehen. In einem Fall von Diabetes, der mit 
Lipämie einherging, fand Albrecht, daß eist eine höhere Tcnperatur deutliche Einwirkung 
auf die Fettschicht der roten Blutkörperchen zeigte, und daß die Auflösung derselben untei 
andern als den sonst beobachteten Bildern und Foimen verlief. 

Pick (Prag) sprach über Influenza. In einer großen Anzahl von klinischen Influenza 
fällen kann man, selbst wenn die Diagnose durch Bestehen einer großen Epidemie keiner 
Zweifel aufkommen läßt, keine Influenzabazillen finden. Der negative Sputumbefund beweis 
nichts gegen die Diagnose; es ist wahrscheinlich, daß die Bazillen im Anfang der Erkrankung 
da waren, dann aber verschwanden. 

Zur Diskussion bestätigt Jochmann (Breslau) die Angaben Picks. Die Influenz! 
lasse sich klinisch mit genügender Sicherheit diagnostizieren, auch ohne positiven Bazillen 


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befand. Andrerseits finden sich Influenzabazillen gelegentlich auch bei andern Krankheiten ohne 
entsprechende klinische Erscheinungen. 

Schwenkenbecher (Strafiburg) hat den Wasserhaushalt und Kochsalzwechsel 
im Fieber studiert Er hat eine Anzahl von Typhuspatienten bis zu zehn Tagen bei gleich- 
valüger Diät mit konstantem Kochsalz- und Wassergehalt beobachtet und durch Analysierung 
der Xahrung, des Kotes und Urins festgestellt, daß keineswegs regelmäßig im Anfang des 
Trpbns eine Wasseraufspeicherung stattfindet, sondern dafi die Verhältnisse hierin bei jedem 
Fall anders liegen können. Auch eine Kochsalzretention ist nicht regelmäßig festzustellen; 
▼ron sie da ist, findet sich auch häufig Wasserretention, ohne daß jedoch zwischen den beiden 
Vorgängen sich ein sicherer Parallelismus ergibt Bei derartigen Untersuchungen ist auch die 
Kochsalzansscheidung durch den Schweiß zu berücksichtigen, die gerade bei hoch Fiebernden 
«heblieh ins Gewicht fallen kann. 

Singer (Wien) brachte Bemerkungen zur Diagnose der Appendizitis. Aus der 
Literatur und einer großen Anzahl eigner Beobachtungen hat er die Überzeugung gewonnen, 
dafi die Diagnose der chronischen Appendizitis auf sehr schwankenden Grundlagen basiert 
Jedes einzelne Symptom, ja sogar das Zusammenfallen einer großen Anzahl von Zeichen, die 
als für Appendizitis charakteristisch gelten, kommen bei vollkommen gesundem Appendix vor 
und können durch die verschiedensten Krankheiten erzeugt werden. In erster Linie ist an alle 
mh Kolik einhergeben^en Erkrankungen zu denken: Gallen- und Nierensteine, Dickdarmtumor, 
spastische Obstipation und andre. Ferner können Lageanomalien des Uterus, chronische 
Prostatitis, Masturbation und endlich die Neurasthenie und Hysterie Symptome darbieten, die 
«ehou häufig zur Operation verleiteten und einen auch mikroskopisch gesunden Wurmfortsatz 
zutage förderten. Bei einer großen Anzahl solcher Operiorten bestanden die Schmerzen 
▼eiier, bei einigen blieben sie aber fort, der beste Beweis, daß sie, auf rein funktioneller Grund¬ 
lage huierend, durch die Suggestion der Operation geheilt wurden. Ganz unsicher seien die 
Paipationsbefunde in der rechten Darmbeingrube; durch Kontraktion der Bauchmuskeln seien 
sckofi oft alle möglichen Befunde am Darm vorgetäuscht worden. Der Mac Burneysche 
Punkt entspricht häufig nicht dem Ansatz des Appendix, sondern meistens der Ueocökalklappe; 
tx kann bei allen möglichen Dickdarmerkrankungen und auch bei ganz Gesunden druckempfind¬ 
lich sein. Trotz aller dieser irreführenden Möglichkeiten muß der Arzt im einzelnen Fall einst- 
▼dfcn bei der Indikationsstellung zur Operation allen Verdachtsmomenten Raum geben und 
ia dubio sich immer für die schwerere Erkrankung, also für die Appendizitis entscheiden. 
Einstweilen wird man noch in vielen Fällen umsonst operieren; aber es ist dringend nötig, eine 
schärfere Formulierung der Differentialdiagnose dieser verschiedenartigen Erkrankungen zu 
«streben. 

Kohustamm (Königstein i. T.) sprach über die zentrifugale Strömung im sensiblen 
Nerven. Für die Existenz einer zentrifugalen Strömung im sensiblen Endnerven, welcher mit 
der vasodilatatorischen und trophischen Innervation der Ektodermalgebilde im Zusammenhang 
ttcht sind bis jetzt folgende Beweismomente beigebracht: 

1. das Auftreten elektrischer Aktionsströme am zentralen Querschnitt hinterer Wurzeln bei 
Reizung andrer hinterer Wurzeln — unter Berücksichtigung des Nichtvorkommens zentri¬ 
fugal gerichteter Nenren in den hinteren Wurzeln der Säugetiere; 

~ die kutane Gefäßerweiterung bei Reizung hinterer Wurzeln bzw. sensibler Endneurone; 

3. die Reizerscheinungen des Auges bei Irritation der sensiblen Trigeminusneurone; 

4. die Verursachung der Gürtelrose durch Entzündung der Spinalganglien und von da zur 
Haut fortschreitende Irritation der sensiblen Endneurone; 

A Fälle von reflektorischem Herpes zoster, die durch Reizzustände innerer Organe ausgelöst 
werden, also entsprechend dem uhter 1. angeführten Experiment Reflexe von hinterer 
Wurzel auf hintere Wurzel darstellen (z. B. Herpes corneae menstrualis u. a.); 

Haarausfall nach Exstirpation des Ganglion cervicalis II. 

Laqueur (Wiesbaden) sprach über Sozial-Hygienisches aus den Vereinigten 
Staaten. In Nordamerika hat Vortragender im Aufträge der Gräfin Bose-Stiftung der Berliner 
Fakultät die Entwicklung, die Erfolge und den Stand der Temperenz-Bewegung studiert. Den 
Äinderkonsnm an alkoholischen Getränken drüben (im Verhältnis zu dem in Deutschland wie 
2:3; führt Vortragender auf das Klima, die Einwirkung der Schule, des Sports, auf die besseren 


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Berichte Über Kongresse und Vereine. 


Trinkgewohriheiten, besonders der Universitäten, den reichlichen Zucker- und Obstgenüß zurück 
(der um das Dreifache billigere Zucker wird iu dreifach höherer Menge in den U. S. genossen), 
vor allem auf die bessere, energiereichere Nahrung der Lohnarbeiterklasse. Während in Deutsch¬ 
land pro Kopf 40 kg Fleisch jährlich verbraucht werden, verzehrt der amerikanische Arbeiter 
47 kg; um V 4 mehr Fette in der Nahrung und um % weniger an Kohlehydraten (Brot, Kartoffel); 
bei uns herrscht in der Arbeiterklasse zum Teil Unterernährung, über welche der Alkoholgenub 
als großer Betrüger hinwegtäuscht 

Der Kampf gegen den Alkoholismus soll das „Gotenburger System“ auf den Arbeits¬ 
stätten einführen; die Kantinen müssen gemeinnützig geführt werden, der hohe Profit an den 
Getränken soll wegfallen, oder der Verbilligung und Verbesserung der Speisen und der Alkohol- 
Ersatzgetränke dienen, denn der gut und rationell Genährte benötigt den Alkohol nicht Die 
Lohnarbeiter als Konsumenten werden allmählich lernen müssen, anstatt Bier und Schnaps 
Ersatzgetränke, wie Kaffee, Kakao, Milch, Suppen, Fruchtsäfte, während der Arbeitspausen sich 
zuzuführen und dadurch, sowie durch Obstgenuß auch das Durstgefühl besser zu stillen bzw. zu 
mindern. In den U. S. ist in 50% von 7000 Betrieben jeder Alkoholgenuß während der Arbeit 
verboten, die Frühstücks- und Vesperpausen sind drüben unbekannt die Arbeitszeit ist schon 
dadurch eine um 15% kürzere als bei uns. Der Aufschwung der amerikanischen Industrie 
beruht zum Teil auf diesen Verhältnissen, andrerseits ist das frühzeitige Erschöpftsein der 
amerikanischen Arbeiter zahlenmäßig nachzuweisen; es herrscht eben die äußerste Ausnutzung 
der Kräfte. Von je 1000 Einwohnern waren 40—60 Jahre alt in Deutschland 179, in Amerika 170, 
über 60 Jahre in Deutschland 78, in Amerika 65. 

Vortragender richtet die Bitte an Kliniker und Ärzte, der Alkoholfrage am Krankenbette, 
in Kranken- und Irrenhäusern, als Kassen-, Eisenbahn- und Unfall-Arzte noch mehr Beachtung 
zu schenken und die Bestrebungen des „Deutschen Vereins gegen Mißbrauch geistiger Getränke“ 
lebhafter zu unterstützen. 

Lorand (Karlsbad) sprach über das Wesen und die Behandlung der Schlafkrankheit 
(Trypanosomiasis). Es lassen sich zwischen der Schlafkrankheit und dem Myxödem mancherlei 
Ähnlichkeiten und Berührungspunkte finden. Ein daraufhin vom Vortragenden unternommener 
Behandlungsversuch mit Schilddrüsentabletten war jedoch vollkommen ergebnislos. 

Klemm (Darmstadt) sprach Über die Bedeutung der Heftpflasterstützverbände 
für die Behandlung der Bauchorgane. Der Inhalt ergibt sich aus dem Titel. 

Weiß (Wien) brachte Mitteilungen zur Kenntnis neuer Krankheitstypen der 
Neuralgie, Neurosen und des Bheumatismus. Ursprünglich einfache Krankheitsznstände 
haben sich durch vielfältige Beobachtungen als ein Komplex verschiedener pathologischer 
Zustände erwiesen. Dies läßt sich auf drei Krankheitsgebieten deutlich verfolgen: Neuralgie, 
Neurose, Rheumatismus. Das Forschen nach „nosologischen Einheiten“ und der Kampf um den 
Bestand derselben lassen sich an der Bernhardt-Rothschen Krankheit deutlich nachweisen. 
Durch einwandfreie Fälle typischer Art läßt sich die selbständige Existenzberechtigung der 
Meralgia paraesthetica begründen. Es gibt an verschiedenen Körperstellen Neuralgien unbekannter 
Art. Eine solche findet man in der Gegend des Herzspitzenstoßes als eigner Krankheit«- 
typus. Auch auf dem Gebiete der Neurosen lassen sich stetig neue pathologische Zustände 
selbständig abgrenzen. Zu diesen gehören Zwangszustände besonderer Art (Agoraphobie, 
Agoraphobia paradoxa etc.), bei denen als gemeinsames ätiologisches Moment sexuelle 
Abstinenz nachweisbar. 

Als selbständige Form des Gelenkrheumatismus ist ein chronischer bemerkenswerter 
Krankheitszustand durch schmerzfreie Intervalle und heftige akute Attacken zu beobachten, 
welcher beweist, daß der gonorrhoische Infekt jahrelang schlummern kann, um 
plötzlich wieder — und zwar in den Gelenken — zu erwachen. 

Ebenso gibt es Fälle von chronischem Rheumatismus ohne Gelenkaffektionen, 
denen typische Gewebsveränderungen (subkutanes Zellgewebe, Muskulatur) zugrunde hegen 
Er zeigt typische Lokalisationen (Ansatz des Muse, deltoideus, M. cuccullaris, Kreuzbein- 
gegend etc.), täuächt Ischias oft vor und wird ätiologisch mit Unrecht durchaus der harn¬ 
sauren Diathese zugeschoben. 

Weill (Langenschwalbach) sprach über künstliche Züchtung des Geschlechtes. 
Experimente an Bienen, Kaninchen, Schweinen und Rindern, bei denen teils eine einseitige 


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^eeintiussung eines Geschlechtes, teils eine doppelseitige Beeinflussung beider Geschlechter 
?attfand, führten den Vortragenden zu folgender Anschauung: 1. Die beiden Generationszellen 
riigen um das Geschlecht. 2. Die Stärke der Zelle hängt ab: a) von der Masse (M), b) von 

Mv a 

der Geschwindigkeit (v) (kinetische Energie = -). 3. Bei der weiblichen Zelle überwiegt 

2 

M, bei der männlichen v. Alles, was imstande ist, einen dieser Faktoren zu schwächen oder 
zu stärken, hat eine unmittelbare Wirkung auf die Entwicklung des Geschlechtes, und zwar 
reagiert die weibliche Zelle mehr auf Beeinflussung der Masse, die männliche mehr auf die der 
Bewegungsenergie. 

Gürich (Paschwitz) sprach über die tonsillare Radikaltherapie des Gelenk¬ 
rheumatismus. Nach der heute allgemein gültigen Lehre beruht die Affektion der Gelenke 
bei dem echten Gelenkrheumatismus auf der Wirkung eines aus der Zirkulation in den 
Gelenken abgeschiedenen Krankheitserregers. Die Gelenkaffektion wird allgemein als Metastase 
»nfgefaßt. Zu einer Metastase gehört ein primärer Herd. Solange ein Rheumatismus floriert, 
solange tritt aus dem primären Herd Virus in die Zirkulation; einem lange dauernden 
Rheumatismus entspricht ein chronischer persistenter primärer Herd. Dieser ist in der Mehrzahl 
der Fälle in den chronisch entzündeten Tonsillen zu suchen, auch beim Fehlen tonsillarer 
Beschwerden. Nach den Lehren der allgemeinen Infektionslehre braucht in den klinischen 
Erscheinungen an dem primären Herd und der Metastasenbildung kein Parallelismus zu 
bestehen. 

Dem Gelenkrheumatismus liegt also in den meisten Fällen ein chronischer Eiterherd in 
den Tonsillen als Ausgangspunkt zugrunde. Der Eintritt des Virus erfolgt durch akute Exazer¬ 
bationen der chronischen Entzündung. Als Beweis führt Vortragender folgende Tatsachen an: 

L Die chronische Mandelciterung findet sich in fast allen Fällen von Gelenkrheumatismus. 
11. Durch künstlich herbeigeführte Exazerbationen der Mandelentzündung kann man bei Rheu- 
maiüeni experimentell einen Anfall von Rheumatismus erzeugen. IH. Durch Beseitigung der 
Jfifldeleiterung schwindet der Rheumatismus. 

Dies fuhrt zur tonsillaren Therapie des Gelenkrheumatismus: dieselbe besteht in einer 
Malen, frontalen Spaltung der vereiterten Mandelgruben und der nachfolgenden Entfernung des 
infektiösen Mandelgewebes mittelst einer Doppelkurette. Dies geschieht in mehreren Sitzungen. 
Jeder Eingriff an den Tonsillen des Rheumatikers ist von einer vorübergehenden Verstärkung 
der rheumatischen Erscheinungen gefolgt. Unter den chronisch verlaufenden Rheumatismusfällen 
in ebenfalls der primäre Herd meist in den Tonsillen gelegen, doch scheinen hier oft auch 
eitrige Zähne und andre chronische Mund- und Rachenkatarrhe in Frage zu kommen. 

Zuletzt hielt v. Niessen (Wiesbaden) einen Vortrag über die Ergebnisse seiner 
12jährigen Studien der Syphilisätiologie. Unter Überreichung seiner schon auf dem 
Dermatologen kongreß in Berlin 1904 herausgegebenen „Beiträge zur Syphilisforschung 4 * macht 
er weitere Mitteilungen über den von ihm gefundenen Erreger der Syphilis und die Pathologie 
dieser Krankheit. 


II. 

Deutsche Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. IV. Kongreß 1905. 

Der diesjährige Kongreß der Deutschen Gesellschaft Für orthopädische Chirurgie brachte 
»eilig therapeutische Neuheiten. 

Das Hauptthema: Mechanik der Skoliose, Füllte einen großen Teil der Vormittags- 
Sitzung aus. 

Spitzy (Graz) machte über seine erfolgreichen Versuche mit Nervenplastik Mitteilungen, 
die schon anderweitig publiziert und hier referiert sind. Bardenheuer gelang es, einen Fall 
von Ischias dadurch zur Heilung zu bringen, daß er den durch variköse Venennetze lädierten 
Nerven freilegte und in weiches Gewebe einbettete. 


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Referate über Bücher and Aufsätze. 


Müller (Stuttgart) und Gocht (Halle) berichten über erfolgreich ausgeführte Sehnen- 
Operationen bei pes plano-vulgus. Von andrer Seite wird davor gewarnt, beim Plattfufi Tram- 
plantationen vorzunehmen, da bei Infektion die Patienten schlimmer daran seien als vorher. 

Werndorff (Wien) demonstrierte ein neues Verfahren, die Kapsel und den knorpliges 
Teil der Gelenke beim Röntgenisieren besser zur Anschauung zu bringen, nämlich das Einpumpen 
von Sauerstoff in die Gelenke. Die auf diese Weise vorgenommenen Röntgenbilder zeichneten 
sich allerdings durch eine besonders scharfe Reproduktion der Weichteile aus. 

Die übrigen Darbietungen des Kongresses hatten nur eng fachwissenschaftliches Interesse. 

Zum Vorsitzenden für das nächste Jahr wurde Lorenz (Wien) gewählt. 

Perl (Berlin). 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Umber, Die Magensaftsekretion des (gastro- 
stomlerten) Menschen bei „Scheinfütte- 
rung“ und Rektalernährung. Aus der 

inneren Abteilung des städtischen Kranken¬ 
hauses Altona. Berliner klinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 3. 

Umber hatte die günstige Gelegenheit, 
bei einem wegen Unwegsamkeit der Speiseröhre 
gastrostomierten Mann den Appetitsaft des 
normalen Magens sorgfältig zu studieren und 
damit einige bemerkenswerte Anhaltspunkte 
für die Beschaffenheit des reinen, normalen 
Magensaftes zu gewinnen. Vor Einleitung der 
Versuche wurde zuerst festgestellt, daß moto¬ 
rische und sekretorische Magenfunktion normal 
waren. Die Experimente, die zunächst in der 
Absicht vorgenommen wurden, die Menge und 
die Qualität des Magonsekretes bei verschieden¬ 
artiger „Scheinfütterung“ kennen zu lernen, 
wurden so angestellt, daß Patient in den letzten 
sechs Stunden vor den Versuchen überhaupt 
keine Nahrung mehr erhielt und der Magen 
unmittelbar vor dem Versuch mit Wasser rein 
gespült wurde. Dann erhielt Patient die ab¬ 
gewogene Nahrungsmenge, die er gleichmäßig 
lind fein verkaute und wieder ausspie, unter 
sorgfältiger Vermeidung des Hinunterschluckens 
von Speichel. Durchschnittlich nach 3 Minuten 
— also etwas früher als bei den Pawlow sehen 
Hunden — begann dann ein kontinuierliches, 
zeitweise stoßförmig beschleunigtes Ausfließen 
eines klaren, wasscrhellen Saftes. Die Sekretion j 
des Saftes überdauerte den Kauakt. ! 

Die Scheinfütterung mit rohem Hackfleisch | 
(100 g) ergab, daß der seit mehreren Stunden 


leere nüchterne Magen drei Minuten nach Be¬ 
ginn des Fleischkauen8 mit der Absonderung 
eines sehr salzsäurereichen und fermentreichen 
Magensaftes einsetzt Die Wirksamkeit des 
Saftes steigt schnell an, so daß sie schon nach 
Ablauf der ersten 10—15 Minuten ihr Maximum 
erreicht. Die Sekretion dauert beträchtliche 
Zeit nach erledigtem Kauakt fort; mit der 
Quantität des Sekretes nehmen auch HCI- and 
Fermentgehalt ab, bis die Sekretion etwa 
3 / 4 Stunden nach Aufhören des Kauaktes ver- 
siecht. Gleichzeitig mit sinkender Säure¬ 
konzentration sinkt auch die molekulare Kon¬ 
zentration. Die letztere des im leeren Magen 
produzierten normalen Saftes schwankte in 
den Versuchen in beträchtlichen Breiten 
(J= -0,82 bis -0,21!). 

Der durch Kauenlassen gleicher Mengen 
Brot abgesonderte Saft war an Menge zwar 
weit geringer, aber an Azidität dem Fleisch¬ 
appetitsaft noch bedeutend überlegen, jedoch 
nicht an Fermenten. 

Weitere Versuche, die sich nicht in extenso 
hier anführen lassen, ergaben deutlich, daß der 
wirksamste und sauerste Saft den tiefsten 
Gefrierpunkt hat, was gegen die Pawlowscbe 
Vorstellung spricht, daß die Magendrüsen an 
sich ein Sekret von konstanter Azidität ab¬ 
sondern und daß die Abnahme im Säuregrad 
die Folge zunehmender Neutralisation sei. Als 

den Gefrierpunkt der gastro-isotonischen Lösung 

hat Strauß J = — 0,36 bis —0,48 angegeben. 
Nach den Erfahrungen Umbers läßt sich das 
nicht aufrechterhalten, „man müßte denn schon 
als Konzentrationsgrad des normalen Saftes 
= —0,81 bis —0,15 aufstellen wollen!“ 

Die Prüfung der Magensaftsekretion nac 


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225 


BkrklysBA ergab, daß in der nächsten halben 
Sonde nach Einverleibung des Nährklysmas 
eia »ehr wirksamer Magensaft abgesondert 
wird. Fritz Loeb (München). 


4h Bornbltth, Diätetisches Kochbuch. 
Zweite, völlig amgearbeitete Auflage. 351 
Seiten. Würzburg 1905. A. Stübers Verlag, 
C. Kabitxsch. 

Die Darstellung ist allgemein verständlich 
gehalten. Klar und präzise werden die Grund¬ 
regeln, die verschiedenen Gruppen der Nähr¬ 
stoffe, die einzelnen Nahrungsmittel, die gesunde 
Ernährung, Kochvorschriften, Speisezettel für 
verschiedene Jahreszeiten, die Kost in ver¬ 
schiedenen Krankheiten und Zuständen be¬ 
sprochen. Wir stoßen überall auf die gründ¬ 
hebe eigene Erfahrung des Verfassers, der 
durch seine ärztliche Tätigkeit mit den prak¬ 
tischen Ernährung»fragen auf das gründlichste 
vertrant ist. Möchte das Studium dieses hand¬ 
lichen Buches dazu beitragen, das Interesse 
der Kollegen an der so sehr wichtigen Diätetik 
zu erhoben. Jeder einzelne wird Nntzen daraus 
ziehen. W. Zinn (Berlin). 


Alt!» Pick, Über den Einfluß verschiedener 
Stoffe auf die Pepsinverdauung. Wiener 
kfim.'therap. Wochenschrift 1904. Nr. 35. 

Pick prüfte mit Hilfe der Mett sehen 
Vethode den Einfluß verschiedener Stoffe auf 
die Pepsinverdanung. Die zu den Versuchen 
benutzte Stammlösung bestand in einer 
1 n Xormalsalzsäurelösung, die 2 g Pepsinnm 
sieeum in lamellis im Liter enthielt. Die zu¬ 
nächst mit Salzsäure und anderen Säuren an- 
grestellten Versuche führten Pick zu der An¬ 
schauung, daß die Wirkung der Säuren auf die 
Pepsinverdauung die resultierende zweier Com- 
ponenten ist, von denen die eine in der Anzahl 
der elektropositiven Wasserstoffionen besteht 
und einen fördernden Einfluß ausübt, die andere 
durch die in der Lösung enthaltenen elektro- 
negativen Jonen dargestellt wird und einen 
hemmenden Einfluß besitzt. Bei allen orga¬ 
nischen Säuren wächst die Reaktionsgeschwin¬ 
digkeit nahezu proportional der Konzentration 
und der Anzahl der H Jonen bis zu einem ver¬ 
schieden hohen Optimum. Ein Parallelismus 
zwischen den einzelnen organischen Säuren 
laßt sich nicht konstruieren, weil sich die 
hemmende Wirkung des eloktronegativen Jons 


hei jeder einzetetti Säure in verschiedener Weise 
geltend macht. Einmal durch stärkere Säuren 
unwirksam gemachtes Pepsin kann sich in 
weniger sauren Lösungen nicht mehr erholen. 
Von den zahlreichen übrigen Versuchen des 
Verfassers sollen nur die praktisch ev. in Be¬ 
tracht kommenden hier Erwähnung finden. 
Hemmend wirken Alkalien, Galle, Pankreatin, 
Hefe, Peptone (bei über 1%), Glyzerin und 
Alkohol. Stärke zeigte sich ohne Einfluß. Rohr¬ 
zucker stört hei einem Gehalt von 2% nicht 
merklich, von 3% nur wenig. Von da an 
steigt mit wachsendem Zuckergehalt auch die 
hemmende Wirkung. Ähnlich verhält sich die 
Dextrose. Laevulose ergab schon bei 1 °/ 0 eine 
Hemmung. Fette und öle waren ohne Einfluß. 
Tee und stärker noch Kaffee wirkten hemmend, 
während Koffein merkwürdigerweise die Ver¬ 
dauung steigerte. Kochsalzzusatz zeigte eine 
mit steigender Konzentration entsprechend zu¬ 
nehmende Hemmung. Natr. sulfnric. bewirkte 
völlige Hemmung; eine geringere Schädigung 
wurde bei Magnesinmsulfat beobachtet. Freies 
Jod in schwacher Konzentration wirkt nicht 
hemmend, dagegen wird durch Jodalkalien 
ebenso wie durch Bromalkalien die Pepsin¬ 
wirkung stark beeinträchtigt. 

Schwefel und Phosphor in kleinen Dosen 
waren ohne Einfluß. Die Antiseptika wirken 
fast durchweg stark hemmend, ebenso von 
den Teerpräparaten Kreosot, während Kreosotal 
und Duotal nur einen sehr geringen schädigen¬ 
den Einfluß erkennen lassen. Von den Anti- 
pyretici8 hohen Chinin, Antipyrin, Pyramidon, 
in Dosen von 1 g zur Stammlösung hinzu¬ 
gefügt, die Verdauung auf. Antifebrin hemmte 
dieselbe sehr stark, Phenacetin und Lakto- 
plienin nur wenig. Alle Adstringenden zeigen 
einen hemmenden Einfluß, Tannin und Tann- 
alhin heben die Verdauung auf, während 
Tannigen nur wenig hemmt. Opium setzt die 
Verdauung stark herab. Morphium behindert 
sie in Dosen von 0,01 bis 0,04 g nicht, eben¬ 
sowenig Codein in Dosen von 0,02 g. Auch 
Kokain, Hyoscin, Atropin und Strychnin waren 
ohne Einfluß. Nikotin hemmt wenig, Apo¬ 
morphin etwas stärker. Chloralhydrat und 
Chloroform wirken stark herabsetzend, Paral- 
dehyd und Sulfonal sind fast ohne Einfluß. 
Zimtpulver und Ingwer wirken verdauungs¬ 
widrig. Von Abführmitteln stört Aloe nicht, 
Jalappe wenig, Podophyllin mehr und Rheum 
stark. Stark hemmend wirkt außerdem Kampfer, 
ebenso Paprika, Pfeffer und Ol. Sinapis. 0,5 Extr. 
Gentian. sicc. setzte die Reaktionsgcschwindig- 


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226 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


keit auf die Hälfte, 0,3 g Extr. Condurango 
um ein Drittel herab. Saccharin wirkte stark 
hemmend. Plaut (Frankfurt a. M.). 


R.Läufer, Utilisation comparee des hydrates 
de carbone et des graisses chez les tuber- 
culeux. Soci6t6 de thärapeutique. Paris 1904. 
26. Oktober. 

In früheren Arbeiten hatte Läufer gezeigt, 
daß eine Vermehrung der Fettzufuhr allerdings 
eine Verminderung der N-Elimination zur Folge 
habe, es ergab sich aber gleichzeitig, daß diese 
Verminderung bei einer gewissen Höhe der 
Fettzufuhr stationär blieb. Hiermit hatte es 
auch übereingestimmt, daß über eine gewisse 
Grenze der Fettzufuhr hinaus keine Vermehrung 
des Körpergewichts mehr eintrat, teils, weil 
die Kranken den Appetit verloren, teils, weil 
die Fette unverbraucht wieder ausgeschieden 
wurden. 

Der Vortragende bat nun eine Reihe von 
Stoffwechseluntersuchungen zu dem Zwecke 
angestellt, die Verwertung der Kohlehydrate 
im Vergleich zu den Fetten bei Tuberkulösen 
zu studieren. Hierbei zeigte sich, daß eine 
bestimmte Quantität von Kohlehydraten (bei 
den Versuchen wurde Zucker verwendet), in 
höherem Maße Eiweiß sparte, als das gleiche 
Quantum von Fett, selbst dann, wenn der 
Kalorienwert des letzteren höher war, als der 
des verabreichten Zuckers. — Wurde die Ver¬ 
suchsanordnung in der Weise variiert, daß die 
Patienten gleiche Kalorien von Fett und Zucker 
bekamen, so fiel auch dies zugunsten einer 
höheren Sparwirkung des Zuckers aus. Ebenso 
waren die Gewichtszunahmen bei Zucker¬ 
darreichung größer, als bei der Fettperiode. 

Naumann (Meran-Reinerz). 


Sommerfeld, Uber Ausnutzung von Roborat 
(vegetabilischem Eiweiß) bei Kindern. Ar¬ 
chiv für Kinderheilkunde Bd. 36. Heft 3—6. 

Mitteilung zweier 4 tägiger Roborat-Stoff- 
wechselversuche, die an einem 2 1 /» jährigen 
rachitischen Kinde und einem 8 jährigen 
Scharlachrekonvaleszenten ausgeführt werden. 
Bezüglich der Ausnutzung des P gestatten die¬ 
selben keine bindenden Schlüsse, die N-retention 
findet sich, in Übereinstimmung mit den An¬ 
gaben anderer Beobachter Für Erwachsene, bei 
Roboratdarreichung enorm gesteigert, — eine 
Wirkung, welche durch den verhältnismäßig 
hohen Gehalt des Präparats an Lecithin ver¬ 


anlaßt zu sein scheint Da das Roborat als 
vegetabilisches Eiweiß bei zahlreichen an 
Scharlachpatienten gewonnenen Beobachtungen 
sich im Gegensatz zu animalischem Eiw eiß als 
absolut reizlos für die Nieren erwies, hält es 
Verfasser zur Erzielung von Eiweißansatz in 
denjenigen Fällen für angezeigt, welche eine 
größere Schonung der Nieren verlangen. 

Hirschei (Berlin). 

Aron8tamn), Stoffwecbselversucbe au Neu¬ 
geborenen. Archiv für Kinderheilkunde Bd. 37. 
Heft 1/2. 

Verfasser berichtet aus der Münchener 
Frauenklinik über eine Anzahl von Stoffwechsel¬ 
versuchen, welche er an zehn neugeborenen 
Brustkindern und vier Soxhletkindern während 
der ersten sieben bis acht Lebenstage an- 
gestellt hat. Die betreffenden Säuglinge waren 
außer einem einzigen sämtlich Kinder von 
Erstgebärenden, sie erhielten mit Einschloß 
einer Nachtmahlzeit fünf bis sechs, in einzelnen 
Fällen nur vier bis fünf Mahlzeiten pro Tag 
und blieben während der ganzen Versucbs- 
dauer vollkommen gesund und frei von dyspep- 
tischen Störungen. Es wurden die täglichen 
Körpergewichtsdifferenzen und die Größe der 
Einzelmahlzeiten — mit Ausnahme der einen 
Nachtportion — bestimmt, die Mekonium- und 
Kotmengen durch Wägung der reinen und 
beschmutzten Windeln ermittelt, der Urin in 
dem von Hecker (Münch, medizin. Woch. 1898, 
Nr. 13) angegebenen, vom Verfasser etwas 
modifizierten Ventilharnfänger gesammelt und 
gewogen, das Prozentverhältnis der Ausgaben 
zu den Einnahmen, der Nährquotient, der 
Kaloriengehalt der Nahrung pro Tag und 
kg Körpergewicht (= Energiequotient), die 
Kalorienmenge pro qm Körperoberfläche etc. 
berechnet. Hierbei sind als Mittelwerte für den 
Energiegehalt der Nahrung nach Heubner 
650 g pro kg Muttermilch, 670 g pro kg Kuh¬ 
milch zugrunde gelegt, es scheinen also — 
worüber Referent eine Angabe in der Original¬ 
arbeit vermißt — die Flaschenkinder von Anfang 
an Vollmilch erhalten zu haben, — ein Faktor, 

der bei Beurteilung der Versuchsergebnisse au 
berücksichtigen sein dürfte. 

Das reichhaltige Zahlenmaterial ist sowohl 
für die gesamte Beobachtungsdauer von der 
Geburt88tunde bis zum siebenten bis achten 
Lebenstage tabellarisch zusammcngestellt, wie 
auch für die zweite Hälfte der ersten Lebens¬ 
woche allein, also für die Periode, in welcher 


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Heferate über Bücher und Aufsätze. 


227 


die im Organismus präformiertcn. und des- ausgeschieden sind. Von den Versuchsresultaten 
halb zum Stoffwechsel nicht in .Rechnung zu sei hier folgendes mitgeteilt: Es betrugen, 
bringenden Mekonium- und Urinmengen bereits | durchschnittlich: 


a) Brustkinder: 


am: 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. ! 

1 

1 

6. : 

1 ! 

7. ! 

C/t Tag), 

8. Tag 
('/, Tag) 

die Milchmengen:. 

_ 

22,5 

79,9 

175,5 

217,6 

242,4 

140,95 

135,0 g 

die Urinmengen:. 

5,7 

25.2 

37,4 

62,0 

90,5 

108,6 

64,0 

37,5 g 

die Fäzesmengen exl. Mekonium: . 

— 

— 

20,6 

25,0 

36,8 

47,5 

24,5 

33,0 g 

das Verhältnis der Urinmenge zur 









Nahrungsmenge:. 

— 

— 

45,5 

35,2 

41,5 

44,7 

45,4 

27,7 % 

das Verhältnis der Fäzesmenge zur 









Nahrungsmenge:. 

— 

— 

25,7 

14,2 

16,9 

19,4 

17,3 

24,4 % 

b; 

) S o x 

hletk 

; i n d e 

r: 





dit* Milchmengen:. 

— 

39,25 

114,5 

160,75 

170,25 

188,15 

71,25 g 


die l'rinmengen:. 

20,5 

35,0 

60,0 

78,5 

99,75 

108,0 

57,5 g 


die Fäzesmengen exl. Mekonium: . 

— 

— • 

24,75 

38,5 

44,5 

48,5 

12,0 g 


das Verhältnis der Urinmenge zur 




i 





Nahrungsmenge:. 

— 

— 

52,4 

48.8 

58,5 

57,4 

80,7 % 


das Verhältnis der Fäzesmenge zur 









Nahrungsmenge:. 

— 

I “ 

21,6 

23,3 

26,1 

25,7 

16,8 % 



Verfasser konnte beobachten, daß am betrug 44,92 Kalorien; sie nahmen dabei täg- 

eretas Lebenstage die Brustkinder keinerlei lieh um 50,3 g durchschnittlich oder um 16,43 g 

Vernich za einer Saugbewegung machen, daß pro Tag und kg Körpergewicht zu. In den 

zb zweiten Tage die eventuellen Nahrungs- einzelnen Fällen bewegte sich der Energie¬ 
mengen außerordentlich geringe (im Mittel quotient zwischen 34,92 mit einer Zunahme 

gs sind und daß einzelne Kinder erst am von 9 26 pro Tag und kg und 56,1 mit einer 

dritten Tage zu trinken anfangen. Die Tages- entsprechenden Zunahme von 17 g pro Tag 

zeit zu welcher die größte Einzeldosis ge- und kg. Die vier Soxhletkinder tranken vom 

tranken wird, ist verschieden und entspricht dritten bis vierten Lebenstage an dnrchschnitt- 

durchnus nicht immer der auf die Nachtpause lieh 55,7 g Kuhmilch pro Tag und kg Körper- 

folgenden ersten Mahlzeit. gewicht mit einem Energiequotienten von 

Die täglichen Harnmengen stiegen mit der 37,33 und zeigten dabei, abgesehen von einen» 

täglich zunehmenden Flüssigkeitsaufnahme; von Kinde, das 20 g pro Tag resp. 8 g pro Tag 

100 g Muttermilch werden durchschnittlich und kg an Gewicht zunahm, durchschnittliche 

40—42.5 g, von 100 g Kuhmilch 58,2—61,7 g tägliche Gewichtsverluste von 12,63 g oder 

im Urin wieder ausgeschieden. von 4,07 g pro Tag und kg. 

Das Mekonium war am zweiten Tage, in Der Cramersehe „Nährquotient“, d. h. die 

ctuehten Fällen auch erst am dritten Tage Zahl, welche angibt, der wievielste Teil der 

vollständig aus dem Darm eliminiert, seine zugeführten Nahrung im Gewichtszuwachs zum 

Xesge schwankte zwischen 48—139 g. Die Vorschein kommt, betrug bei den Brustkindern 

Fazesmengen betrugen 16,4—18,5 auf 100 g im Mittel 23,19, indes schwankten bei den 

Muttermilch, 22,6—24,3 auf 100 g Kuhmilch, einzelnen Fällen die Werte in weiten Grenzen 

und also nach Verfassers Beobachtungen be- zwischen 11 und 36%. Verfasser kann die 

nächtlich größer als die von Camerer für Angabe Cramers und Schloßmanns bc- 

Brastkinder mitgeteilten Zahlen, der für die stätigen, daß sich im Verhältnis die beste Aus- 

tnten vierzehn Lebenstage bis 10 g, für später nützung der konsumierten Milch bei Kindern 

1—3 g Fäzes auf 100 g Muttermilch angibt, findet, die nicht allzu viel getrunken haben. 

ln der zweiten Hälfte der ersten Lebens- Was das Verhältnis des Nahrungsbedarf» 

*othe tranken die zehn Brustkinder pro Tag zur Körperoberfläche betrifft, — die Körper¬ 
nd kg Körpergewicht durchschnittlich 68,32 g Oberflächen wurden nach der Meehsehen 
Muttermilch, der berechnete Energiequotient I Formel sowohl für das Gesamtgewicht wie auch 



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228 


Referate über Bücher and Aufsätze. 


lür das kg in Quadratmetern für sämtliche 
Kinder ermittelt —, so zeigte sich, daß bei 
kleinen Kindern der Energieverbrauch für die 
Oberflächeneinheit großer ist als bei größeren, 
•es bestätigte sich also das Rubnersche 
Gesetz, daß das Nahrungsbedürfnis im großen 
und ganzen proportional ist der absoluten Größe 
•der Körperoberfläche. So betrug z. B. bei einem 
Brustkinde, welches 0,0869 qm Körperoberfläche 
für 1 kg aufwies, der Kalorienverbrauch für 
1 qm 211,16, bei einem andren mit nur 
0,0737 qm Oberfläche pro 1 kg 128,33 Kalorien 
pro qm. Hirschei (Berlin). 


Jul. Zappert und Adolf Jolles, Über 
Untersuchungen der Milch beider Brüste. 

Wiener medizinische Wochenschrift 1903. 
Nr. 41 und Zentralblatt für die gesamte The¬ 
rapie 1903. Heft 11. 

Von einer Amme ernährte Zwillinge zeigten 
das merkwürdige Verhalten, daß immer das von 
der linken Brust saugende Kind dyspeptisch 
wurde, wenn man jedes Kind immer von der¬ 
selben Brust trinken ließ; die Dyspepsie 
schwand, wenn das erkrankte Kind die rechte 
Brust regelmäßig gereicht bekam. Wurde den 
Kindern wahllos bald die rechte, bald die 
linke Brust gereicht, so wurden beide Kinder 
dyspeptisch. Da Wägungen keine nennens¬ 
werten Differenzen der Ergiebigkeit der Brust¬ 
drüsen ergaben, so war in der chemischen 
Analyse der Grund der merkwürdigen Beob¬ 
achtung zu suchen. Es ergab sich bei dies¬ 
bezüglichen Untersuchungen besonders ein 
höherer Gehalt an Trocken-Substanz und 
Asche, sowie ein höherer Fettgehalt der 
linken Drüse. 

Um die Fehlerquellen bei Verwertung dieses 
Befundes möglichst auszuschalten, wurde nun 
in einem Ammen-Vermittelungs-Institut zehn 
Ammen die bei ihrem Eintreffen gestaute 
Milch der linken und der rechten Drüse ge¬ 
sondert abgezogen und untersucht. Die durch 
die Stauung geänderte Zusammensetzung der 
Milch alteriert das Ergebnis der vorgenommenen 
Analysen nicht zu sehr. In zwei Fällen war 
die Milch beider Brustdrüsen gleichwertig, in 
drei Fällen bestanden geringfügige Differenzen, 
in drei Fällen waren letztere groß und bei 
swei Ammen bedeutend. Diese Unterschiede 
bestehen vornehmlich in Verschiedenheiten des 
Fettgehaltes und des Milchzuckers, geringe 
Schwankungen zeigt die Eiweißmenge. 


Die linke Brust liefert meist ein nährstoff¬ 
reicheres Produkt als die rechte. Der Fettgehalt 
war in acht Fällen, die Eiweißmenge in vielen 
Fäl en links größer als rechts, die Milchzucker- 
menge in sechs Fällen links größer. In allen 
neun Fällen ergibt sich links eine größere Ka¬ 
lorienzahl. 

Den Befunden ein physiologisches Gesetx 
zugrunde zu legen, können sich die Verfasser 
nicht entschließen; sie sind vielmehr nicht ab¬ 
geneigt, die Möglichkeit äußerer Umstände, 
vielleicht stärkeren Druckes (der rechten Hand) 
bei der Expression der linken Drüse, anzu¬ 
erkennen. 

Praktische Bedeutung dürften solche ge¬ 
legentliche Verschiedenheiten nur in wenigen 
Fällen haben, da ja starke Reaktionen anf 
solche Differenzen kaum zu befürchten sind 
und sonst ja der Säugling von beiden Brüsten 
trinkt. Manchmal könnten pifferenzen in der 
chemischen Zusammensetzung der Drüsen* 
Sekrete die Ursache der Dyspepsien von Brust¬ 
kindern sein. Forchheimer (Würzburg). 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie 

G. Zimmermann, Über hydroelektrische 

Behandlung der Herzfnnktionsstörugen. 

Münchener medizinische Wochenschrift 1905. 

Nr. 12. 

Verfasser schließt sich dem günstigen 
Urteile anderer Autoren über die Wirkung der 
Wechselstrombäder bei Herzerkrankungen 
an und stellt im allgemeinen dieselben Indi¬ 
kationen wie Stehr (s. Referat im vorigen Hefte 
dieser Zeitschrift) auf; auch er betont, wie auf¬ 
fallend meist die subjektive Besserung schon 
nach wenigen Wechselstrombädern ist, und daß 
sie der objektiven Besserung von Puls und Blut¬ 
druck, Beseitung der Ödeme etc. in der Regel 
vorausgeht; Abnahme der Pulsfrequenz und 
Erhöhung des Blutdruckes nach einem solchen 
Bade sind jedoch keine konstanten Er¬ 
scheinungen, wie auch Referent bestätigen 
kann. Mit Recht wendet sich der Verfasser 
dagegen, der Verkleinerung der Herz¬ 
grenzen, wie sie durch Wechselstrombäder 
verursacht werden soll, kritiklos eine allzugroße 
Bedeutung beizumessen; stellen doch die 
Hypertrophie und Dilatation in vielen Fällen 
einen natürlichen kompensatorischen HeUungs- 
Vorgang dar, den zu beseitigen dann weder 
eine Indikation noch auch eine Möglichkeit 


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Heferate über Bücher und Aufsätze. 


229 


Yoriiegt Anders liegen die Verhältnisse nattir- 
fieh bei Dättofcian infolge von Erschl&ffangs- 
ssstinden des Herzens; jedoch widerrät der 
Verfasser, bei akuter Dilatation, wie sie nach 
großen körperlichen Anstrengungen auftritt, 
sofort mit Wechselstrombädem zu beginnen. 

Die Wirkung dieser Bäder erklärt 
Zinnermann teilweise als eine Reflex- 
Wirkung auf die Innervation des Herzens, her- 
vorgerufen durch den peripheren Hautreiz; dazu 
kommen die durch den elektrischen Strom be¬ 
dingten eigenartigen Muskelkontraktionen, 
die durch Beförderung des venösen Rückflusses 
auf die Zirkulation günstig einwirken. 

A. Laqueur (Berlin). 


J.Hsitz, Bes modiflcations des andsthdsies 
eitodes da tabes sons Pinfluence des 
bains carbo-gazenx. Archives gdndrales de 
MfcJeeine 1904. Nr. 5. 

Verfasser hat in zwei Fällen von Tabes, 
die er mit Kohlensänrebädern behandelte, 
eize «ehr erhebliche Verkleinerung der 
aniifietischen Gebiete der Hant nach 
tiacrß-T wöchentlichen Kur beobachtet, zu- 
£l?ich mit dem Znrückgehen der subjektiven 
Beschwerden und der Besserung des Allgemein¬ 
befindens. Speziell in dem zweiten Falle, wo 
n Beginn der Behandlung der ganze Rumpf, 
leide Unterschenkel und teilweise die Arme 
totale Hautanästbesie aufwiesen, war dieselbe 
nach Beendigung der Kur bis auf eine kleine 
handbreite Zone an der einen Thoraxseite 
völlig verschwunden, und auch hier bestand 
nur noch leichte Hypästhesie. 

Zur Erklärung dieser in solchem Maße bis¬ 
her noch nicht mitgeteilten Erscheinung führt 
Verfasser als Analogie die Beobachtung 
Eggers an, der durch Summation von Nadel¬ 
stichen auf anästhetischen Hautstellen wieder 
die Sensibilität erwecken konnte; auch die 
zahllosen Kohlensäure-Gasbläschen, die sich 
im Bade auf der Haut festsetzen, wirken zu¬ 
sammen mit der kühlen Temperatur des Wassers 
als summierter Reiz. Außerdem ruft aber 
das Kohlensäurebad auch durch Verbesserung 
der lokalen and der allgemeinen Zirkulations- 
Verhältnisse, sowie durch Hebung des Er¬ 
nährungszustandes indirekt ein Zurückgehen der 
£ensibilitätsstörangen bei Tabes hervor. 

A. Laqueur (Berlin). 


William Gordon, The influence of rainjr 
wlnds on phthisls. Lancet Nr. 4245. 

An der Hand' einäs reichen tabellarische» 
Materials sucht Verfasser für die meisten 
Länder Europas und hauptsächlich für England 
nachzuweisen, daß die größere Häufigkeit 
westlicher, Regen bringender Winde mit einem 
Ansteigen der Schwindsuchtsmortalität Zu¬ 
sammentritt, ferner, daß in den erfolgreichsten 
Kurorten für Schwindsüchtige diese Luft¬ 
strömungen selten sind. 

Schlesinger (Berlin). 

Lamberger, Uber lokale Heißluftbehand» 

lang. Wiener med. Presse 1905. Nr. 2. 

Das Wesen der lokalen Heißluftbehandlung 
ist die sorgfältige Beschränkung der thera¬ 
peutischen Aktion auf eine erkrankte Körper¬ 
stelle unter möglichster Vermeidung einer 
allgemeinen Reaktion des Organismus. Die 
physikalischen und physiologischen Eigen¬ 
schaften der heißen Luft lassen dieses Ziel 
als durchaus erreichbar erscheinen, denn das. 
Auftreten allgemeiner Reaktionen, sowie un¬ 
angenehmer Begleiterscheinungen sind nicht 
der Heißlnftbehandlung als solcher eigen,, 
sondern nur die Folgen technischer Unvoll¬ 
kommenheiten in der Konstruktion der Appa¬ 
rate, sowie der mangelhaften Methodik, welchen 
Übelständen zuverlässig abzuhelfen ist 

Gleichgültig, ob man die Heißluftbehand¬ 
lung bei Exsudaten, rheumatischen oder neu- 
ritischen Affektionen an wendet, muß man den 
Kranken ganz entkleiden und die nicht zu be¬ 
handelnden Teile nur leicht bedecken. Ferner 
ist es wichtig, das betreffende erkrankte Glied 
in der durch den Schmerz oder event. Kontrak¬ 
tur gebrachten Stellung zu belassen und die be¬ 
treffenden Apparate der Gliedhaltung anzu¬ 
passen. Lamberger gibt einen derartigen 
zweckmäßigen Apparat an. 

Die Applikation* geschieht dann in der 
Weise, daß man längstens eine halbe Stunde 
die Schwitzprozedur vornimmt; dabei ist sorg¬ 
fältig darauf zu achten, ob Schweißsekretion 
eintritt, denn nur so ist eine Toleranz für hohe 
Wärmegrade vorhanden; es ist daher ein ganz 
allmähliches Ansteigenlassen der Temperatur 
erforderlich, weil sonst Verbrennungen auftreten. 

In den Räumen, die bei Schwitzprozeduren 
benutzt werden, soll die Luft kühl und frisch 
sein und die nicht zu behandelnden Körperteile 
müssen vor der Einwirkung der Wärme ge¬ 
nügend geschützt werden. Nach Beendigung 


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230 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


des Schwitzens empfiehlt es sfch, den Patienten 
eine Zeitlang ruhen zu lassen, und die er¬ 
krankten Partien mit Franzbranntwein abzu¬ 
reiben; dadurch wird, ohne daß die Hyperämie 
beseitigt wird, der Schweiß entfernt. Im An¬ 
schluß daran kann man ja nach der Eigenart 
des Falles Massage oder Elektrizität anwenden, 
wodurch die Heißluftbebandlung in ihrer Wir¬ 
kung bedeutend unterstützt wird. 

Mamlock (Berlin). 

N. Reich, Abort!Ybehandlung der Furunku¬ 
lose mit überhitzter Luft. Korrespondenz- 
Blätter 1904. Nr. 5. 

Aut Grund ausgedehnter Versuche von 
Behandlung der Furunkulose mit heißer Luft 
kommt Verfasser zu folgenden Schlüssen: Bei 
der rechtzeitig, das heißt, vor der Entstehung 
der Gewebsnekrose und der Eiteransammlung 
zur Behandlung gekommenen Furunkulose ist 
es in keinem Falle zur Vereiterung und zum 
Gewebszerfall gekommen; sämtliche Furunkel 
konnten also, allem Anschein nach, in ihrer 
Entwicklung kupiert werden. Infiltrationen bei 
abortiven Formen scheinen sich zeitlich rascher 
zurückzubilden als in Fällen, die nicht nach 
der Heißluftmethode behandelt wurden. Auch 
ältere bindegewebige Schwarten, Residuen ab¬ 
gelaufener Furunkel sind noch durch das Hei߬ 
luftverfahren im Sinne einer Rückbildung be¬ 
einflußbar. Die Heißluftprozedur selbst ist 
kaum schmerzhaft, wohl aber lassen das schmerz¬ 
hafte Spannungsgefühl und sonstige unange¬ 
nehme Sensationen in dem infiltrierten Haut¬ 
gebiet sofort nach. Benutzt wurde für die 
Behandlung der Vor Städter sehe Kalorisator, 
init dem zuerst die Umgebung der Furunkel 
ringartig bestrichen wurde, um dann das 
Infiltrat selbst dem Strom auszusetzen. Die 
Sitzungen finden zwei- bis dreimal am ersten 
Tag, dann täglich einmal bis zum Abtrocknen 
in einer Zeitdauer von drei bis acht Minuten 
statt. J. Marcuse (Mannheim). 

F. Winkler, Uber die Einwirkung ther¬ 
mischer Hantreize auf die Herzarbeit und i 
auf die Atmung. Zeitschrift für klinische 
Medizin 1904. Bd. 54. Heft 12. 

Verfasser hat eine Reihe von Tierversuchen 
gemacht, die sehr beachtenswerte Resultate 
ergeben haben. So fand er bei Aufgießen von : 
55° warmem Wasser auf die Bauchhaut von 
Hunden zunächst Beschleunigung und Ver¬ 


tiefung der Atembewegungen. Der Arterien¬ 
druck stieg unmittelbar nach der Einwirkung 
an und Bank dann wieder, auch der Druck im 
linken Vorhof stieg an. Die gleichen Wirkungen 
zeigten die wechsehfrarmen Prozeduren. Daher 
sind alle diese Anwendungen kontraindiziert 
bei den Zuständen, bei denen Stauungen im 
kleinen Kreislauf entstehen können und der 
Druck im linken Vorhof leicht steigen kann, 
das heißt bei Klappenfehlern, bei Koronar- 
sklerose und kardialem Asthma, ferner bei 
Neigung zu Blutungen, bei Aneurysmen, all¬ 
gemeiner Atheromatose. Auch bei Chlorosen, 
bei Alkoholikern und Rauchern mit nervösen 
Herzzuständen wirken heiße Bäder ungünstig. 

J. Marcuse (Mannheim . 


Richard Heller, Weitere Mitteilungen zur 

Therapie der Basedowschen Krankheit. 

Zentralbl. f. physikal. Therapie 1904/5. Bd. 1. 

Heft 7. 

Auf Grund günstiger Beeinflussung von vier 
leichten und zwei schweren Fällen Basedow¬ 
scher Krankheit durch systematisch ange¬ 
wendete Wärme auf die obersten Abschnitte 
des Rückenmarkes kommt Verfasser zu folgen 
den Schlußfolgerungen: 

Es scheint, daß durch entsprechend lange 
Einwirkung (etwa eine Stunde) von Wärme 
auf die obersten Partien des Rückenmarks die 
Herz- und Gefäßinnervation (sowohl des ge¬ 
sunden als kranken Herzens) beeinflußt wird. 

Diese Veränderungen lassen sich auf eine 
direkte Einwirkung der Wärme auf die 
kardiovaskulären Zentren zurückführen und 
bestehen in einer Zunahme der Kraft der ein¬ 
zelnen Systolen, einer Zunahme des ganzen 
GefÜßtonus und einer besseren Füllung des 
arteriellen Systems. 

Es sind dies nicht nur vorübergehende 
Erscheinungen, und man ist auf Grund der 
klinischen Beobachtungen anzunehmen be¬ 
rechtigt, daß durch die Regelung der Zirkulation 
und die gleichzeitig bedingte Besserung der ge¬ 
samten vitalen Funktionen ein Weg geboteu 
ist, die toxischen Stoffe, die durch eine abnorme 
Sekretion der Thyreoidea in den Organismus 
gelangen, wieder aus dem Körper zu entfernen 
und weitere Vergiftungen zu verhindern. Wie 
erklärt sich aber das Schwinden der Struma, 
das Verfasser erzielte? Doch nicht nur durch 
die Regelung der Zirkulation und die Ent¬ 
fernung der toxischen Schilddrttsenprodukte? 

J. Ruhemann (Berlin). 


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Referate über Bücher und Aufsätze^ 


231 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
und Apparatbehandlung. 

Birekhard, Beobachtungen über die Ge¬ 
fahren Schultzescher Schwingungen. 
Schlitze, Ille angeblichen Gefahren und 
üt sicheren Torteile der künstlichen 
ümng durch Schwingen des tief-schein- 
feien Kindes. Münchener med. Wochenschr. 
1905. Nr. 6. 

Hengge hatte bei mehreren frühgebornen, 
Asphyxie mit Schultzeschen Schwin¬ 
gungen behandelten Neugcbornen bei der fiach 
einigen Tagen erfolgenden Sektion mehrfache 
Einteitravasate im Darm, Leber und namentlich 
<ien Nebennieren gefunden, diese auf die 
Schwingungen bezogen und daher vor diesen 
päwarnt. Im Anschluß an diese Mitteilung 
krähtet B., daß er bei zahlreichen Gebirn- 
und Rüekeninarkssektionen von in der Geburt 
«der kurz nach derselben gestorbenen Kindern 
Blutungen in diesen Organen nie bei spontan 
lotgeboroen fand, sondern nur bei extrahierten 
«rät geschwungenen. Man muß daran denken, 
«hß diese Läsionen die Ursache der Littleschen 
Kracifceit werden können, die ja gerade nach 
tthTrrtn Geburten aufitritt. Trotzdem sind 
die Schwingungen für Fälle schwerer Asphyxie 
entbehrlich und durch keine andere Methode 
n ersetzen. — Dasselbe betont auch der Er- 
iider der Methode, indem er zugleich die physio¬ 
logischen Gründe hierfür nochmals zusammen- 
fißt. Die von H. erhobenen Befunde sieht er 
ticht als Folgen der Schwingungen, sondern 
der Asphyxie an. Denn die gleichen Befunde 
wnrden von pathologischen Anatomen, wie 
Lokitansky, Weber, Foerster als typisch 
:lrin der Geburt gestorbene Kinder berichtet, zu 
* Iner Zeit, da die Schultzeschen Schwingungen 
-och gar nicht bekannt waren. 

Leo Zuntz (Berlin). 


Jidet, Le traitement orthopödlque de la 
Iixaüan congenitale de la hanche. Le 

Bulletin mödical 1904. 28. Dezember. 

Verfasser hofft, daß die unblutige Reposition 
•>t angeborenen Hüftgelenksverrenkung bald 
gleicher Weise Allgemeingut der praktischen 
Arzte werde wie die Einrenkung einer trau- 
r-iaiiscben Luxation und die Frakturbehandlung. 
Lr beschreibt unter Beifügung einiger Röntgen¬ 
bilder und schematisierter Zeichnungen das bei 
einseitiger kongenitaler Luxation von ihm 


geübte, im wesentlichen mit der Lorenz sehen 
Methode übereinstimmende Reduktionsverfahren 
Und schildert die Technik der Nachbehandlung. 
Der erste Gipsverband, bei rechtwinklig flek¬ 
tiertem Knie und stark abduziertem, flektiertem, 
auswärts rotiertem Oberschenkel angelegt, 
bleibt ca. drei Monate liegen, der zw r eite, bei 
welchem das Bein in der Hüfte einwärts rotiert 
und bis zu 45° abduziert, im Knie fast gestreckt 
steht, und in welchem die Kinder von der 
vierten Woche an für kurze Zeit täglich um¬ 
hergehen dürfen, drei bis fünf Monate; dann 
folgt für zwei Monate ein dritter Verband bei 
leichter Einwärtsrotation des Oberschenkels 
und aufgehobener Abduktion und nach Ab¬ 
nahme dieses letzten Verbandes schließlich 
noch für ein bis zwei Wochen, während deren 
es sich empfiehlt, die kleinen Patienten ruhen 
zu lassen, Massage und elektrische Behandlung 
der Muskulatur und Mobilisation des Hüft¬ 
gelenks durch passive Bewegungen. Um 
Reluxationen zu vermeiden, sollen alle Ver¬ 
bände bis zur Wade hinabreichen und die ersten 
Gehversuche erst viel später, als vielfach üblich 
ist, gestattet werden. Verfasser gibt an, daß 
seine Reduktionsraethode sich für Kinder von 
drei bis acht Jahren eignet und daß er mit 
derselben befriedigende funktionelle Erfolge er¬ 
zielte. Die unblutige Behandlung der doppel¬ 
seitigen Hüftluxation erfordert längere Zelt, 
bis zu zwei Jahren, und gibt im allgemeinen 
schlechtere Resultate. 

Hirschei (Berlin). 

H. Tillmanns, Über Behandlung durch 
venöse Stauung. Deutsche medizinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 4. 

Verfasser schildert zuerst die Technik der 
venösen Stauung im allgemeinen wie an den 
einzelnen Körperteilen und betont hierbei, daß 
jede starke Stauung als gefährlich zu ver¬ 
werfen ist, und jede venöse Stauungshyperämie 
niemals Schmerzen oder Gewebsblutungen er¬ 
zeugen darf. Wird das Verfahren richtig an¬ 
gewandt, so treten weder Unbequemlichkeiten 
noch Gefahren auf; Schmerzen, Decubitus, 
Abszesse, Erysipel etc. Sind nur die Folge 
einer fehlerhaften Technik. Er schildert dann 
die von Bier modifizierten Janodsehen Saug¬ 
apparate, um weiterhin zur Frage der physio¬ 
logischen Wirkung der Staüungshyperämie auf 
den Lymphstrom überzugehen. Mit Bier be¬ 
antwortet er dieselbe dahin, daß die Aus¬ 
scheidung und die Strombewegung der Lymphe 


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232 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


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durch die venöse Stauung erheblich gesteigert 
werden. Die&llgemeineWirkung ist eine schmerz¬ 
stillende, eine die Bakterien abtütende oder 
abschwächende, eine resorbierende resp. auf¬ 
lösende und eine ernährende bzw. regenerierende. 
Als in Betracht kommende Krankheiten, bei 
denen die venöse Stauungshyperämie anwend¬ 
bar ist, sind zu nennen vor allem die Tuber¬ 
kulose der Gelenke, die akuten und subakuten 
gonorrhoischen Gelenkentzündungen, die chro¬ 
nischen Gelenkversteifungen nach Traumen und 
Entzündungen in Verbindung mit der Massage, 
der mediko - mechanischen Behandlung etc. 
Zum Schluß gibt der Verfasser eine kurze 
Übersicht der Indikationen der aktiven Hyper¬ 
ämie in Form der Heißluftanwendung. 

J. Marcuse (Mannheim). 


Kromayer, Eine neue, sichere Epilations¬ 
methode: das Stanzen. Deutsche medizin. 
Wochenschrift 1905. Nr. 5. 

Kromayer schneidet mittelst feiner, 
rotierender Zylindermesser den Haarschaft 
nebst Wurzelscheide und Papillae aus der 
Haut heraus, entfernt also mechanisch die 
Teile, von denen bei allen bisherigen Epila- 
tionsmothoden das Haarrezidiv ausging. Das 
Zylindermesser, durch eine Tretmaschine oder 
einen Motor in Rotation versetzt, schneidet oder 
„stanzt“, wenn es senkrecht gegen die Haut 
gedrückt wird, kreisrunde Scheiben ver¬ 
schiedener Größe aus der Haut heraus, ohne 
sichtbare Narben zu erzeugen. Das Epilations- 
messer ist so konstruiert, daß der schneidende 
Hohlzylinder in den Messerteil übergeht, der 
in das Handstück eingefügt und durch eine 
Schiebevorrichtung daselbst festgehalten wird. 
Von diesen Messern sind sechs Nummern an¬ 
gefertigt, deren Durchmesser um je 0,1 mm 
von 0,7 mm bis 1,2 mm anstieg (Nr. 7 bis 12). 
Je niedriger die Nummer ist, um so schwieriger 
ist das Haar so zu treffen, daß der ganze in 
der Cutis liegende Teil der Haarwurzel im 
gestanzten Hautzylinder liegt; je höher die 
Nummer ist, um so leichter wird dies, um so 
größer ist aber auch der gesetzte Defekt, der 
beim Gebrauch der Messer 11 und 12 doch 
schon mit einer leicht sichtbaren Narbe heilt 
Kromayer gebraucht gewöhnlich die 8 und 9. 
Die Operationstechnik besteht darin, daß man 
das Zylindermesser über den sichtbaren, freien 
Haarschaft hinwegschiebt, so daß dieser in den 
Zylinderhohlraum des Messers zu liegen kommt, 
mit einem raschen, kurzen Druck das Messer 


in der Richtung des Haarschaftes gegen und 
in die Haut hineinstößt und das Messer abo- 
gleich auch wieder zurückzieht. Hat man die 
Cutis durehstanzt, so folgt meistens der ge¬ 
stanzte Hautzylinder dem zurückgezogenen 
Messer und hängt aus der Wunde heraus, so 
daß man ihn mit der Pinzette entfernen kann. 
Als Vorbereitung der Operation ist es not¬ 
wendig, die Haare möglichst kurz (nicht länger 
als 1 mm) zu schneiden und die Follikel- 
eingänge deutlich zu machen durch Färben mit 
Methylviolett oder den orientalischen Haar¬ 
färbemitteln Henna und Reng, welche die Haare 
allein färben, aber nicht die Haut Der Schmerz, 
der durch das Stanzen hervorgerufen wird, ist 
nicht groß, und man kann ohne lokale Anästhesie 
auskommen. Kromayer gibt zu, daß nicht 
jedes Haar durch das Epilationsmesser so ge¬ 
troffen wird, daß es wirklich dauernd entfernt 
wird; es treten dann an den gestanzten Haaren 
Rezidive auf. Die Prozentzahl dieser Rezidive 
ist unmöglich vorher anzugeben. Kromayer 
hat ohne ein einziges Rezidiv operiert, hat 
aber auch unter ungünstigen Verhältnissen 
(schräg sitzende, lockige Haare) wohl bis zu 
10% Rezidive und darüber gehabt 

A. Braunstein (Moskau-Berlin). 


Lange, Die Behandlung der Skoliose durch 
die aktive und passive Überkorrektur. 

Münch, med. Wochenschrift 1905. Nr. 1. 

Lange erörtert die Grundzüge der von 
ihm geübten Skoliosentherapie, die allerdings 
mit der überall anerkannten und verwendeten 
Behandlung sich durchaus deckt. Die Kräftigung 
der konvexseitigen Muskulatur durch Wider- 
standsgymnaßtik bezeichnet er als aktive 
Überkorrektur, die Dehnung der konkavseitigen 
Weichteile durch den adressierenden Zug 
mittels Gurten nennt er p a s s i v e Überkorrektur. 

Dem Stützkorsett zieht er die Lagerung in 
dem von Schanz u. a. vor längerer Zeit 
empfohlenen Lagerungsbett vor, das er »us 
Zelluloidstahldraht herstellt. Zur Messung der 
Skoliose verwendet er die B ü h r i n g sehe 
Glastafel. 

Er richtet seine Prognose nach der seit¬ 
lichen Beweglichkeit der Wirbelsäule. 

Die Therapie muß jahrelang fortgesetzt 
werden. Mit Recht betont er, wie wichtig e * 
ist, daß die Behandlung rechtzeitig, d. h- e 0 
Versteifung eingetreten ist, eingeleitet wird. 

Vulpius (Heidelberg)- 


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233 


^riBbaun, Die Technik der Stauung*- 

krperinie. Die Therapie der Gegenwart 
1V06. Heft 3. 

Die vorliegende Arbeit beschreibt in gc- 
■iTingtcr und doch anschaulicher Weise die 
r-chnik der Stauungshyperämie, wie sie von 
Im* r msgebildet worden ist. 

Zunächst wird im engen Anschluß an die 
Vorschriften von Bier, die durch Anlegen von 
I’^len erzeugte Stanung besprochen. Be- 
^acnswert erscheint die Beobachtung des 
Wrfaasers, daß der Puls einer peripher ge- 
r^cDen Arterie sich ihm als ein guter und 
*-■ hcrer Maßstab für die Beurteilung des Grades 
; .r Stauung erwiesen hat. Die Stauung hat 
«iaan die richtige Intensität, wenn der Puls 
Gütlich und kräftig fühlbar ist. Bei längerer 
'Uuung erscheint der Puls der gestauten 
vhe sogar voller. 

Sodann w r ird die Technik der Stauungs- 
Prämie in den neuerdings von Bier an- 
cejrrbcutn Saugapparaten erläutert. 

Der Verfasser gibt eine gute Übersicht 
und wird sicherlich auch anregend wirken. 
Wer sich aber praktisch mit diesem neuen 
Heii/ikfor beschäftigen will, dem muß man 
•ftfi Ra geben, zuvor die Arbeit von Bier: 
fhperämie als Heilmittel“ 1903, durchzu- 
>tadieren. Sonst dürften ihm Enttäuschungen 
2 i»d Mißerfolge nicht erspart bleiben. 

Perl (Berlin). 


1. Foges, Kolposkop. Münchener med. ! 
Wochenschrift 1905. Nr. 11. j 

Verfasser beschreibt ein Spekulum, das 
i f Inspektion der durch Luft aufgeblasenen 
Vigina und der Portio dient. Ein kurzes 
:aJlröhrenspekulum ist durch einen mit 
* ; ia*platte versehenen Deckel luftdicht ab¬ 
geschlossen, dessen Durchbohrung sich in j 
^»n Handgriff fortsetzt, durch den mittelst j 
iors Dnppelgebläses Luft cingeblasen werden i 
■^an. Die Beleuchtung geschieht durch eine 
innerhalb des Deckels angebrachte j 
'd r ihlampe. oder durch Stirnreflektor von j 
ijßen. In Verbindung mit einem Mastdarm- j 
•t^kulum dient derselbe Apparat zur Rekto- 
-^•pie. Verfasser erwähnt, daß ihm nach- 
*ridich ein „analoges“ Instrument zur Rekto- 
•kopie von Laws bekannt geworden sei, 
Welches aber in Deutschland keinen Eingang 
Pfunden zu haben scheint. Referent möchte ' 
iarauf aufmerksam machen, daß ein identisches i 

Z«lt»fhr f. dtit. a. pbjtik. Therapie Bd. IX. Heft 4. 


Rektoskop vor einigen Jahren in Deutschland 
von Strauß angegeben wurde und, wie es 
scheint, mit großem Nutzen recht vielseitig im 
Gebrauch ist. W. Alexander (Berlin). 


D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

C. Colombo, La radloterapia nella leukemla 
splenomidollare. Communication au XIV. 
congräs italien de mödicine interne ä Rome 
1904. Oktober. 

Verfasser hat drei Fälle von lienaler Leu¬ 
kämie mit Röntgenstrahlen behandelt; einer 
von diesen blieb völlig unbeeinflußt, der zweite 
zeigte sowohl hinsichtlich des Milztnmors wie 
der Leukozytenvermehrung wesentliche Besse¬ 
rung. der dritte befindet sich noch unter Be¬ 
obachtung. Nach 25 Sitzungen wieß dieser 
letztere eine Verminderung der roten Blut¬ 
körperchen von 2 780 000 auf 2 500 000, eine 
Vermehrung der Leukozyten von 96 000 auf 
440 000, die der polynukleären Zellen von 
64 000 auf 140 000 und die der mononukleären 
von 32 000 auf 300000 auf. Der Milztumor 
blieb unverändert, das bestehende Fieber war 
nicht zurückgegangen. Colombo konnte also 
in diesem Falle dasselbe konstatieren, wie 
auch andre Beobachter, daß nämlich bei Beginn 
der radiotherapeutischen Einwirkung eine Ver¬ 
mehrung der Leukozyten stattfindet. Instru¬ 
mentarium und Technik waren die gewöhnlichen, 
die täglichen Sitzungen dauerten 40 Minuten 
und wechselnd wurden in gleichen Zeiträumen 
Sternum, Milz, Ellbogen- und Kniegelenkgegend 
bestrahlt. J. Marcuse (Mannheim). 

Doumer und Lemoine, Tr&itement des 
tumeurs de l’estomac par la Radiotherapie. 

Journal de Physiotherapie. 2. Jahrg. Nr. 19. 

Die Verfasser haben im ganzen in 20 Fällen 
von Tumorbildung in der Magengegend mit den 
klinischen Erscheinungen eines Magenkarzinoms 
die Behandlung mit Röntgenstrahlen angewandt 
In drei von diesen Fällen haben sie voll¬ 
ständige und, wie sie glauben, dauernde Heilung 
erreicht; bei einem dieser Patienten sind seit 
eingetretener Heilung bereits l'/ 4 Jahre ver¬ 
flossen. Bei den geheilten Patienten ver¬ 
schwanden nicht nur die fühlbaren Tumoren 
vollständig, sondern es wurden auch die übrigen 
Symptome des Magenkrebses wie Schmerz, 
Erbrechen, Hämatemesis, Meläna, Abmagerung 
und Kachexie gänzlich beseitigt. In einem 

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234 Referate über Bücher und Aufsätze. 


vierten Falle, dessen Behandlung noch nicht 
abgeschlossen ist, wurde erhebliche Verkleine¬ 
rung des Tumors, Beseitigung des Erbrechens 
und Gewichtszunahme bisher erzielt. 

Auch in den nicht geheilten Fällen ließ 
sich durchweg erhebliche Schmerzlinderung 
und Nachlassen resp. Beseitigung des Er¬ 
brechens meist schon nach den ersten Sitzungen 
konstatieren. Ebenso konnte stets eine Ver¬ 
kleinerung des Tumors beobachtet werden, 
jedoch traten dann in der Nachbarschaft oder 
an entfernteren Organen Rezidive auf, welche 
den ungünstigen Ausgang herbeiführten. 

Dieses verschiedene Verhalten des Magen¬ 
krebses der Röntgentherapie gegenüber er¬ 
klären die Verfasser damit, daß ihrer Ver¬ 
mutung nach die durch X-Strahlen heilbaren 
Tumoren mehr den Charakter von Kankroiden 
haben, und zum Teil Geschwülste Bind, welche 
sieb auf dem Boden alter Ulcus-Narben ent¬ 
wickelt haben, während die andern Fälle zu 
den rasch wachsenden, sehr bald zur Metastasen¬ 
bildung neigenden Krebsformen zu rechnen 
sind. Da aber auch die erstere Form, die wohl 
dem, was man in Deutschland als Scirrhus 
bezeichnet, entspricht, als tödliche Krankheit 
zu betrachten ist, so würde dadurch den Heil¬ 
erfolgen der Verfasser an Wichtigkeit nichts 
geraubt werden. Im übrigen handelt es sich 
nur um eine Hypothese, für die histologische 
Befunde noch nicht vorliegen und die sich nur 
auf die bei radiotherapeutischer Behandlung 
von Hautkrebsen gewonnenen Erfahrungen 
stützt. A. Laqueur (Berlin). 

Imre Basch, Das zur Finsenbehandlung 
dienende Bökesche Instrument. Vortrag 
in der Kgl. ung. Ärzte-Gesellschaft zu 
Budapest am 13. Februar 1904. 

Seitdem Finsen zur Lichtbehandlung des 
Lupus vulgaris seinen Apparat konstruierte 
versuchten viele einen ähnlichen nachzumachen 
einesteils da Finsens Apparat sehr kostspielig 
ist, andernteils da die Behandlung damit infolge 
der an Ort und Stelle Fixicrtheit des Apparates 
besonders für die Privatpraxis sehr unbequem 
ist. Diesen Unzukömmlichkeiten suchten Lortet 
Gcnoud, Bang, Strebei, Bcllini, ja sogar 
Finsen selbst mit seinem Assistenten Reyn 
durch neuere Konstruktionen abzuhelfen. Dem¬ 
selben Zweck soll auch das von Alois Böke 
(Maschineningenieur zu Budapest) auf Anregung 
von Török und Schein verfertigte Instrument 
dienen; dies Instrument besaß ursprünglich eine 


Gck igle 


Linse mit einem Durchmesser von 2,5 cm un< 
eine Bogenlampe mit 15—16 Ampere. Docl 
konnten Török und Schein auf Grund ein 
jähriger Experimentierung bei Lupus vulgariä 
mit diesem Instrument konstatieren, daß damit 
kein Erfolg zu verzeichnen ist, doch glaubei 
sie, mit einem in größerem Maßstabe hergt* 
stellten Apparat bessere Erfolge erzielen n 
können. Einen solchen ließ Vortragender ver 
fertigen. Die Lichtquelle des modifizierte! 
Apparates bestand aus einer Bogenlampe vor 
35 — 40 Ampere und ca. 40 Volt Spannung mit 
rechtwinklig zueinander stehenden Kohlen 
elektroden, deren beide Kohlen in einen mit 
kaltem Wasser gefüllten Behälter fixiert sind. 
Die Bogenlampe steht im Focus des voran 
stehenden Linsensystems, infolgedessen fallt 
der größte Teil der divergierenden Strahlen auf 
das Linsensystem; diesem Zwecke sollen auch 
die hinter der Bogenlampe plazierten Parabo! 
Spiegel dienen. Das Linsensystem bestand aus 
einer Plan-Plan- und einer Plan-Konvex-Berg- 
kristallinse mit einem Durchmesser von 4 cm. 
Zwischen den beiden Flächen zirkuliert kaltes 
Wasser. Bei den Versuchen, die Vortragender 
mit dem Apparat anstellte, fand er die Parabol¬ 
spiegel überflüssig, da die von ihnen reflektierten 
Strahlen nicht auf das Linsensystem fallen 
können, nachdem die beiden dicken Kohlen¬ 
enden dasselbe bereits ganz verdecken. l)ie 
Lichtintensität ist auch unabhängig von der 
Anwendung der Parabolspiegel. Das Linsen¬ 
system benutzte Vortragender als Konzentrator, 
und auf die lupöse Hautfläche applizierte er 
noch außerdeta den Finsen sehen Kühldruck¬ 
apparat. Noch mehr Strahlen lassen sich mit 
dem Konzentrator sammeln, wenn anstatt des 
beschriebenen Linsensystems zwei Plan-Konvex¬ 
linsen verwendet werden, wovon die eine die 
divergierenden Strahlen in parallele verwandelt, 
die andre die letztem in einen Focus sammelt, 
in welchen die mit dem Finsen sehen Kühl 
druckapparat versehene lupöse Hautfläche ein¬ 
gestellt wird. Der ganze Apparat wird so ein¬ 
gestellt, daß das Licht von unten darauf lallt 
um zu vermeiden, daß glühende Kohlenteilchen 
auf die Linsen fallen. Mit der so modifizierten 
Konstruktion und Applikationswcisc erreichte 
Vortragender eine viel stärkere Reaktion und 
konnte bei den bisher behandelten drei Lupus- 
kranken mit 3 / 4 —l Stunde anhaltender Ex¬ 
ponierung eine der mit dem Finsen sehen 
Apparat zu erreichenden Reaktion keineswegs 
zurückstehende Reaktion erreichen. 

J. Hönig (Budapest • 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


235 


Beisoa, The X-ray Treatment of Lupus. 

The Dublin Journal of medical Science 191)4. 
Nr. 392. August. 

Der Verfasser berichtet über drei Fälle 
von Lupus vulgaris und einen Fall von Lupus 
ciyrkmatodes, welche er mit Röntgenstrahlen 
be wesentlichen Erfolg behandelt hat Aus 
der enorm hohen Anzahl von Bestrahlungen 
- k*i einem Fall über 200 — kann man wohl 
filiefien, daß Verfasser mit .,harten“, unwirk¬ 
samen Röhren gearbeitet hat so daß der 
ir-inrelnde therapeutische Effekt leicht zu er¬ 
klären ist H. E. Schmidt (Berlin). 

Tmey, The Treatment of Tuberculosis of 
the Ltryax and of the Prostate Gland by 
the X-ray, High-frequency Currents, and 
the Cooper-Hewitt Light. Medical Record 
19M. 3 September. 

Dtr Verfasser gibt zunächst eine aus- 
r'ihrliche Mitteilung der nicht sehr umfang¬ 
reichen. ?an ausschließlich von amerikanischen 
Autor« stammenden Literatur über die Röntgen- 
P^haidkjg der Kehlkopf- und Lungen-Tuber- 
kaJose. and teilt dann einige Fälle mit, die er 
• /kt behandelt hat unter Zuhilfenahme der 
H<> ifreqaenzströme und des an ultravioletten 
Mahlen sehr reichen Lichtes einer Quecksilber- 
'ümpf- Lampe von Cooper-Hewitt. Die 
Rtraltate sind nicht ganz eindeutig; in einigen 
Fallen Verminderung des Auswurfes, Besserung 
irr Heiserkeit Einwandsfreie „Heilungen“ sind 
bisher nich* bewiesen. Der Verfasser hat ferner 
rm ersten Male eine Tuberkulose der Blase und 
<>r Prostata mit Röntgenstrahlen behandelt. Der 
/.Mtand des Patienten besserte sich erheblich. 
Wr Kranke wurde vom Abdomen und vom 
i-riceum aus bestrahlt, z. T. auch mit einer 
v anders konstruierten in das Rektum ein- 
ni: Haren Röntgenröhre. 

Die Beschreibung und Abbildung der zur 
r.irfnhnmg in Larynx und Rektum bestimmten 
^cksilberlicht-Lampe und Röntgenröhre ist 

instruktiv. 

II. E. Schmidt (Berlin). 

E. Serum- und Organotherapie. 

*tl?e, Immunisierung durch Milch. Jahr¬ 
buch für Kinderheilkunde. Bd. 61. Heft 3. 

Durch eine Anzahl bereits im vorigen 
kbre i Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. 60, 
lieft 1) publizierter Experimente hatte Salge 


den Beweis erbracht, daß durch stomacbale 
Einverleibung von Diphtherieheilserum auch bei 
sehr jungen Säuglingen ein Übertritt spezifischer 
Antikörper ins Blut nicht zu erzielen ist, daß 
jedoch die in der Frauenmilch enthaltenen 
Schutzkörper die Darmwand passieren und dem 
Säugling zugute kommen. Die vorliegende 
Arbeit soll die Frage entscheiden, ob diese 
Verschiedenheit der Versuchsergebnisse sich 
darauf zurückführen läßt, daß im ersten Falle 
Blutserum, im zweiten Milch Träger der Immun¬ 
körper ist, oder darauf beruht, daß das Anti¬ 
toxin einmal an heterologes, das andre Mal 
an homologes Eiweiß gebunden zur Verfütterung 
kommt. 

Verfasser ernährte 21 Tage lang 3 Kinder 
im Alter von 4, 9 und 34 Tagen mit roher 
Milch einer gegen Diphtherie aktiv immunisierten 
Ziege. Es waren in 1 ccm Molke Vjo I-‘E. 
enthalten. Im ersten Falle wurden 5 I.-E., 
im zweiten 3,8, im dritten 8 I.-E. pro Tag 
mit der Milch zugeführt, ohne daß am Schluß 
der einzelnen Versuche eine Steigerung im 
Antitoxingehalt des Blutserums sich zeigte, 
der vor Beginn des Versuches beim ersten 
und dritten Kinde einem Va4 Normalserum ent¬ 
sprochen hatte, beim zweiten Kinde = 0 war. 
(Die zweite Beobachtung erscheint dem Ver¬ 
fasser selbst nicht ganz einwandfrei, da das 
Versuchskind am Beginn derselben nicht darm- 
gesund war und später unzweifelhafte Zeichen 
von Lues aufwies.) Zur Feststellung des anti¬ 
toxischen Wertes diente dio Marx sehe Methode, 
deren Genauigkeit Salge gegenüber den von 
andrer Seite (Siegert, Bartenstein) er¬ 
hobenen Einwänden nachdrücklich betont : 
Bestimmung derjenigen Minimaldosis von 
Diphtherietoxin, welche eben noch ein deut¬ 
liches Ödem an der Injektionsstelle hervorruft, 
und derjenigen Minimaldosis von Antitoxin, 
die genügt, die Entstehung dieses Ödems zu 
verhindern. 

Zwei weitere Versuche wurden mit Milch 
einer Ziege angestellt, welche gegen Typhus so 
hoch immunisiert war, daß 0,04 ccm. aus¬ 
reichten, um ein Meerschweinchen von 200 bis 
220 g gegen die 10fach tödliche Dosis = 2 mg 
vollvirulenter Typhusbazillen zu schützen. Das 
erste, mit dem dritten der oben erwähnten 
Säuglinge identische Versuchskind erhielt von 
der 9. Lebenswoche an 27 Tage lang je 200 ccm 
dieserMilch täglich, ein zweites (frühgeborenes?), 
12 Wochen altes Kind ebenfalls 27 Tage lang 
je 80 ccm; weder vor noch nach der Ernährung 
mit dieser Typhusimmunmilch wiesen die be- 

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treffenden Kinder Typhusantikörper im Blut¬ 
serum auf. 

Es führt also — entgegen den Behring- 
schen Anschauungen — die Fütterung mit art¬ 
fremder Milch, in der antitoxische oder bak¬ 
terizide Substanzen mit Sicherheit nachgewiesen 
sind, nicht zu einer Übertragung dieser Körper 
auf den menschlichen Säugling. Für die neuer¬ 
dings urgierten „lebenden“ Eigenschaften der 
rohen Milch ist die Einschränkung zu machen, 
daß die „lebende“ Frauenmilch für den mensch¬ 
lichen Säugling, die „lebende“ Kuhmilch für 
das Kalb von Bedeutung ist, daß aber in dieser 
Beziehung eine Milch die andro nicht vertreten 
kann. Hirschei (Berlin). 


Petruschky, Beobachtungen über Ehen und 
Nachkommenschaft Tuberkulöser, die mit 
Tuberkulin behandelt wurden« Zeitschrift 
für Tuberkulose und Hoilstättenwesen 1904. 
Bd. 6 . Heft 4. 

Indem Verfasser als einen untrüglichen 
Beweis der Ausheilung von Lungentuberkulose 
das schadlose Überstehen der Gravidität und 
die Erzeugung gesunder Kinder ansieht, teilt 
er elf Fälle mit, bei denen er durch Tuberkulin 
dieses Resultat durchaus erreicht hat. 

Unter den elf Fällen waren sieben mit 
offener, vier mit geschlossener Tuberkulose 
behaftet Bei sechs der elf Fälle war die 
Heilung erreicht, bevor die Gravidität eintrat, 
und zwar bei vier mit offener, zwei mit ge¬ 
schlossener Tuberkulose. Bei allen sechs 
verlief das Wochenbett wie bei normalen 
Frauen. Von den fünf übrigen, von denen 
drei offene, zwei geschlossene Tuberkulose 
zeigten, mußte die Tuberkulosebehandlung 
während der Gravidität fortgesetzt bezw. 
erst begonnen werden. Das Wochenbett ver¬ 
lief auch bei diesen ohne Verschlimmerung der 
noch bestehenden Lungentuberkulose. Vier der 
Frauen sind gegenwärtig frei von Bazillen- 
auswurf und wesentlichen Krankheitserschei¬ 
nungen; eine, die letzte, ist 2*/a Jahre nach 
der Entbindung infolge cingetrctener Kompli¬ 
kationen gestorben. 

Eine wichtige und besonders hervor¬ 
zuhebende Erfahrung ist die, daß die 
Tuberkulosebehandlung während der 
Schwangerschaft weder auf die Mutter noch 
auf die Frucht irgend welche nachteiligen Ein¬ 
wirkungen ausübte, indem jene keinen Über¬ 
gang von Tuberkulosekeimen auf das Kind 
begünstigte noch Abort bedingte. 


i Von den elf Kindern leben zehn u 
zeigen bis jetzt weder Erscheinungen tubi 
kulöser Erkrankung noch Anzeichen einer t 
sonderen „Disposition“. Bei einem Kinde, d 
| im Alter von einem Jahr starb, ergab c 
| Obduktion Influenzapneumonie, aber keiner 
tuberkulöse Erkrankungsherde. 

Es kann demnach, folgert Verfasser, Tubi 
kulösen, welche unter Tuberkulinbehandlung t 
heilt sind und die Nachprüfung ohne Reakti 
überstanden haben, die Heirat ohne RisiJ 
gestattet werden. Über das Sclbstnnlir 
spricht Verfasser nicht. Ferner wird bei d 
Möglichkeit des Erfolges der Tuberkuli 
behandlung in der Gravidität die Indikatic 
für den künstlichen Abort wesentlich ei 
geschränkt. 

Wenn Verfasser im allgemeinen bei dt 
Nachkommenschaft tuberkulöser Eltern weih 
eine erkennbare Disposition noch eine l*< 
sondere Schwächlichkeit noch Anfälligkeit fti 
Krankheiten wahrnehmen konnte und dami 
der Infektion die eigentliche ätiologisch 
Rolle zuweist, so schafft er damit die noch 
immer notwendig bleibende Annahme einci 
Disposition nicht aus der Welt; jene ist da 
selbst wenn wir sie auch noch nicht kennen 
| und wahrnehmen. 

Zum Schluß plädiert Verfasser warm für 
die prophylaktische Anwendung des Tuber 

kulins bei der Skrofulöse. 

J. Ruhemann (Berlin'. 


Libbertz und Kuppel, ÜberImmznlsienwg 
von Rindern gegen Tuberkulose (Perlsucht) 
und über Tuberkulose • SeruniTersucbe. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 190.) 
Nr. 4. 

Es handelt sich um eine polemische Arbeit 
gegen die Publikationen von Friedländer, 
der in den Schildkrötentuberkelbazilien einen 

Immunisieningsstoff gefunden zu haben be¬ 
hauptete. Die erste Behauptung Fried* 
länders, daß die von ihm gezüchteten Schild 
krötentuberkelbazillen für Warmblüter 
schädlich seien, akzeptieren die Verfasser niit 
der Einschränkung, daß es nicht gelingt ,I,ir 
Hilfe dieser Bakterienart bei Warmblütern 
Tuberkulose zu erzeugen. Sciue zweite 1 )L 
bauptung dagegen, daß cs gelingt, dtm 
tuberkuloseempfänglichsten Säugetier, dt 111 
Meerschweinchen, durch Vorbehandlung ,UIt 
diesen Schildkrötentuberkelbazillcn eiuen hoc \ 
gradigen Immunitätsschutz gegenüber einer 


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237 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


späteren Infektion mit virulenten Tuberkel¬ 
baiillen zu verleihen, bestreiten sie entschieden 
auf Grund ihrer eigenen Versuche. Dieselben 
proben das Gegenteil der Friedländer sehen 
Resultate, wenn auch ein gewisser retardierender 
Einfluß auf die Entwicklung der Tuberkulose 
in *ler Vorbehandlung bei einigen Versuchs¬ 
reihen einen Dauererfolg vortäuschte. 

J. Marcuse (Mannheim). 

ijt r, A studj of fifteen cases of erjsipelas 
treated by iqjections of anistreptococcus 
seron» Medical record, New York, 1904. 
VoL 67. Nr. 9. März. 

Verfasser behandelte 15 Fälle vonErysipelas 
mit Marmorek schein Antistreptokokkenserura, 
indem er jedesmal 10—20 c 3 injizierte, und 
durchschnittlich zwei- bis viermal einspritzte. 
Er fand jedesmal schon nach der ersten In¬ 
jektion Temperaturabfall und Besserung des 
subjektiven Befindens, sowie Stillstand des 
entzündlichen Vorganges. Im Gefolge der 
nächsten Einspritzungen sank die Temperatur 
weiterhin, um nach durchschnittlich 7Va Tagen 
endgäirig normal zu bleiben. Verfasser betont 
JjV Gefahrlosigkeit der Behandlung, obwohl er 
einmal 20 Injektionen vornahm, und ist über- 
lecgt das Erysipclas spezifisch beeinflußt zu 
haben. Laser (Wiesbaden). 


1* laiherbe, Note snr un essai de süro- 
tberapie dins la Syphilis. Le progrds 
medical 1905. Bd. 21. Nr. 14. 

Verfasser führt die Verschiedenheit im 
Auftreten des Syphilis auf verschiedene Be¬ 
schaffenheit des Blutserums der befallenen 
Kranken zurück, indem das Serum als Nähr¬ 
boden den Syphiliserreger beeinflußt. Er 
srbubte, durch Einführung von Serum syphilis- 
immuner Tiere diesen Nährboden gewisser¬ 
maßen urastimmen zu können. Aus Mangel an 
anderweitig gewonnenem Serum verwandte er 
das Roux sehe Diphthcrieheilserum und spritzte 
Syphiliskranken, meist zweimal wöchentlich, 
die übliche Dosis subkutan ein, konnte aber 
keinen Einfluß auf die Krankheit ausüben und 
nmßte in allen sechs Fällen zur gewöhnlichen 
Behandlung zurückgreifen. Jedenfalls konnte 
er aber die Unschädlichkeit des Roux sehen 
Serums, selbst bei wiederholter Anwendung, 
feststellen. Laser (Wiesbaden). 


Menütrier, Aubertin et Bloch, Anemi 
pernicieuse et Opotherapie medullaire. 

Le bulletin medical 1905. April. 

Unter einer Anzahl perniziöser Anämien, 
die alle mit Knochenmark behandelt w r urden, 
gelang es, einen Fall vom myeloidcn Typus, 
in 5 Wochen zu heilen, ohne daß andere Mittel 
angewandt worden wären. 

Laser (Wiesbaden). 


H. Batty Shaw, The treatment of tuber- 
culosis of the lungs by means of tuber- 
culin and other bacterial derivatives. 

The Lancet 1905. Bd. 1. Nr. 14. 

Zusammenstellung der Tuberkuline und 
Tuberkulosesera, ihre Anwendung und Erfolge. 
Verfasser empfiehlt den Gebrauch eines Tuber¬ 
kulinpräparates während der Heilstättenbe¬ 
handlung. Laser (Wiesbaden). 


Lublinski, Akzidentelle Vakzination der 
Nasenschleimhaut. Münchner med. Wochen¬ 
schrift 1904. Nr. 52. 

Im Anschluß an eine Eigenbeobachtung 
einer akzidentellen Vakzination der Nasen¬ 
schleimhaut läßt der Verfasser die in der 
Literatur niedergelegten analogen Fälle Revue 
passieren. Besonders gefährdet sind Kranke, 
die an Ekzem leiden, weil diese mit Vorliebe 
von generalisierter Vakzine befallen werden. 
Vorsicht und Sauberkeit sind diesen gegenüber 
besonders vonnöten, da nicht alle Übertragungen 
harmlos verlaufen; in der Literatur kommen 
sieben Todesfälle auf im ganzen 21 Fälle. Es 
ist also Tätlich, von der Impfung ekzematöser 
Kinder Abstand zu nehmen. 

Frcyhan (Berlin). 

F. Verschiedenes. 

0. Veraguth, Kultur und Nervensystem. 
Zürich 1904. 42 pp. 

Nervenkrankheiten — organische und 
funktionelle — gehören nicht zu den Privi¬ 
legien der begüterten Klassen. Wir wissen heute 
nur zu gut, daß die Zahl der nervenkranken 
Armen viel größer ist als die der nerven¬ 
kranken Besitzenden. Diese Tatsache ver- 
anlaßte Veraguth mit Recht, Sanatorien für 
unbemittelte Nervenkranke zu fordern. Für 
die besser situierten Stände existieren der¬ 
gleichen; andrerseits sind allgemeine Kranken- 


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238 Referate über Bücher und Aufsätze. 


häuser und Irrenanstalten durchaus nicht der 
richtige Aufenthalt für derartige Patienten. 
Ob in unsern Kulturländern die Nervenkrank¬ 
heiten in dem jetzigen Zeitalter zugenomraen 
haben, ist z. Z. nicht sicher zu beantworten; 
gewiß ist, daß dio anscheinende Zunahme z. T. 
auf zeitigere und exaktere Diagnose zurück¬ 
zuführen ist. Ethnologische Untersuchungen 
an Naturvölkern haben ergeben, daß hier 
Geisteskrankheiten nur in geringem Umfang 
Vorkommen. Seit Rousseau verstummen die 
Klagen über zunehmende Nervendegeneration 
mit dem Fortschreiten der Kultur nicht, und 
doch fehlt noch der exakte Beweis eines tat¬ 
sächlichen Zusammenhanges zwischen Zivili¬ 
sation und geistiger Erkrankung. 

Mamlock (Berlin). 

M. Breitung, Die sozialpolitische Bedeu¬ 
tung der Yolkshygiene. Deutsche Monats¬ 
schrift flir das gesamte Loben der Gegen¬ 
wart 1904. Februar. 

Vorliegende Publikation ist die Wieder¬ 
gabe eines Vortrags, den Prof. Breitung auf 
dem letzten Naturforscherkongreß gelegentlich 
der Tagung des Deutschen Vereins für Volks¬ 
hygiene hielt, und für den er schon damals 
reichen Beifall einerntete. In geistvoller Form 
und gedankenreichem Ideengang entwickelt 
der Verfasser die Ziele und Aufgaben der 
sozialen Hygiene, für die er den schönen Aus¬ 
druck ,,Physische Religion 4 * geprägt hat, zeigt 
den engen Zusammenhang zwischen Volks¬ 
hygiene und ärztlicher Wissenschaft und Kunst 
und läßt uns einen weiten Ausblick tun in die 
Probleme der allgemeinen Volks Wohlfahrt. Er¬ 
strebtes und in vielen Beziehungen noch zu Er¬ 
strebendes lernen wir kennen und lernen zugleich 
auch das segensreiche Vordringen volkshygie¬ 
nischer Bestrebungen kennen, wie es sich vor 
allem in den vo© Deutschen Verein für Volks¬ 
hygiene sich gesteckten Aufgaben kristallisiert. 
An Breitung besitzt dieser einen seiner geist¬ 
vollsten Interpreten. 

J. Marcus« (Mannheim). 

K. Büdinger, Die Behandlung chronischer 
Arthritis mit Vaselininjektionen. Wiener 
klinische Wochenschrift 1904. Nr. 17. 

Von dor Voraussetzung ausgehend, daß 
eine große Anzahl von chronischen Arthritiden, 
welche auf traumatischer und entzündlicher 
Basis entstehen, der Therapie bisher wenig 


oder gar nicht zugänglich war, hat Autor ver¬ 
sucht, die Rauhigkeiten im Gelenk als die 
wesentlichsten Momente des chronischen Gelcnk- 
prozesses durch Einfüllung mittelst fettähnlieher 
Substanz unschädlich zu machen, und injizierte 
deshalb steriles Vaselin in die Gelenke. Das 
Ergebnis bei den länger beobachteten Patienten 
berechtigt zu dem Schlüsse, daß die Vaselin 
injektionen bei leichten chronischen Arthritiden 
bisweilen ein vorzügliches, meistens ein gutes 
Resultat geben, bei schweren chronischen Arthri¬ 
tiden in manchen Fällen bedeutende Besserung 
bringen und bei alten Gelenkprozessen, welche 
mobilisiert werden sollen, eine brauchbare 
Unterstützung der sonstigen Therapie abgehen. 
Was die Technik der Injektionen anlangt, hat 
Büdinger stets erwärmtes, steriles Vaselin 
angewandt; die Injektionen von etwa 4 ccm in 
das Kniegelenk, 3 ccm in das Schultergelenk, 
1—2 ccm in kleinere Gelenke entsprechen den 
Normen der Applikation; bei ausgedehnten Ver¬ 
änderungen dagegen sind meist größere Mengen 
am Platz. J. Marcuse (Mannheim). 

J. J. Postoem, Über den Alkoholismos. 
Beitrag zur Frage des Einflusses deraknlen 
und chronischen ithylalkoholTergirtuig 
auf den tierischen Organismus. Allgemeine 
Medizinische Zentralzeitung 1904. Nr. 8. 

Eine Reihe von Stoffwechselversuchen an 
Tieren, denen zu der Nahrung Alkohol in Form 
des Schnapses gereicht wurde, führten Ver¬ 
fasser zu folgenden Ergebnissen: Die akute 
und chronische Vergiftung mit Äthylalkohol 
rosp. mit alkoholhaltigen Getränken übt auf 
den Organismus erwachsener sowohl, wie junger 
Hunde einen bemerkbaren Einfluß aus. Selbst 
in geringen Dosen übt der Alkohol, in einen 
wachsenden Organismus eingeführt, einen Ein¬ 
fluß auf das Körpergewicht des Tieres aus; 
eine Abnahme desselben wird nur bei Ein¬ 
führung von toxischen Alkoholdosen beobachtet. 
Auf die Temperatur übt der Alkohol, ganz 
gleich in welchen Dosen er eingeführt wird, 
weder bei jungen noch bei erwachsenen Tieren 
irgend einen Einfluß aus, mit Ausnahme der 
Trunkenheitsperiode, in der Herabsetzung der 
Temperatur wahrgenommen wird. Die Er¬ 
scheinungen von Trunkenheit, die sich bei 
Tieren ausbilden, sind vom klinischen Stan 
punkt aus denjenigen beim Menscbon völlig 
analog. Unter dem Einfluß von akuter um 
chronischer Vergiftung mit Äthylalkohol tr.u 
eine Verringerung der zur Aufnahme gelangt D 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Sauerstoffmenge, sowie der zur Ausscheidung 
gelangenden Kohlensäuremenge ein, und zwar 
sowohl bei jungen, wie auch bei erwachsenen 
Hunden. Der Grad der Verringerung der zur 
Aufnahme gelangenden Sauerstoffmenge und der 
mr Ausscheidung gelangenden Kohlensäure- 
Quantität hängt noch ceteris paribus vom Alter 
der Tiere ab: bei jungen Tieren ist der Prozent¬ 
satz der Verringerung höher als bei er¬ 
wachsenen. Größere toxische Alkoholdosen 
rufen die stärksten Veränderungen in der 
Quantität des zur Aufnahme gelangenden 
Sauerstoffes und der zur Ausscheidung ge¬ 
langenden Kohlensäure hervor. Der Alkohol 
übt auf den Gaswechsel der Tiere einen Ein- 
ttafi aus, der mindestens 20 Stunden anhält. 

J. Marcuse (Mannheim). 

Walther, Leitfaden zur Pflege der Wöch- 
atrianen and Neugebornen. Zweite Auflage. 
Wiesbaden. J. F. Bergmann. 

1)<*t in zweiter Auflage erschienene Leit¬ 
faden kann nicht nur den Wochenpflegerinnen, 
Wir dir- er in erster Linie bestimmt ist, als 
iTuter Ratgeber empfohlen werden, sondern 
mcä allen denen, die etwa neben der Hebamme, 
•'ime berufsmäßig dazu ausgebildet zu sein, 
f iae Wöchnerin pflegen müssen, wie dies ja 
notwendiger Weise in vielen weniger gut 
?itoierten Familien immer nötig sein wird. 
Naeh einem kurzen allgemeinen Teil, der die 
notwendigen anatomischen und physiologischen 
baten enthält, bringt der spezielle Teil einen 
Abriß der allgemeinen Krankenpflege und 
»laraaf die Pflege der gesunden Wöchnerin und 
•>s gesunden Kindes; in einem weiteren Kapitel 
die wichtigsten Erkrankungen im Wochenbett 
w-d des Neugeborenen. Sehr praktisch sind 
dne Anzahl Tabellen mit einer Kostordnung 
tnr die Wöchnerin und Übersichten über die 
frr die Ernährung des Kindes notwendigen 
Verdünnungen und Nahrungsmengen, sowie 
aber die Gewichtszunahme des Kindes. Bei- 
gefngt sind dem Buche lose Tcmperaturzettel 
für die Wöchnerin. Einige überflüssige Längen 
hat das Buch insofern, als sich manche Be¬ 
schreibungen und Angaben in dem Abriß der i 
allgemeinen Krankenpflege und nachher im I 
speziellen Teil, eventuell auch noch im Anhang, 
der die wichtigsten Hilfsleistungen der Pflegerin 
bespricht, wiederholen. Um noch kurz einige 
Einzelheiten zu erwähnen, so dürfte ein be¬ 
sonderer Hinweis auf die Wichtigkeit der j 
ruhigen Lagerung der Wöchnerin und des be¬ 


sonders vorsichtigen Klistiersetzens nach 
Dammnaht angebracht sein. Da viele Arzte 
heutzutage Pasteurisierapparate empfehlen, 
würde wenigstens eine kurze Erwähnung der¬ 
selben zweckmäßig sein. Die Reinigung des 
Mundes des Säuglings vor und nach jeder 
Mahlzeit erscheint Referent, in Übereinstimmung 
mit vielen Kinderärzten, nicht richtig. 

Leo Zuntz (Berlin). 

M. Freund, Über das Styptizin in der gynä¬ 
kologischen Praxis« Heilkunde 1901. De¬ 
zember. 

Gegenüber den von Katz und Facken- 
heim gemachten Versuch, das Styptizin durch 
das phthalsaure Salz derselben Base, Styptol 
zu ersetzen, weist Freund daraufhin, daß das 
phthalsaure Salz sich unter dem Einfluß der 
Salzsäure des Magens sofort in Styptizin und 
freie Phthalsäure umsetzt, welch letzterer 
keinerlei hämostyptische Wirkung zukommt. 
Zudem hat sich das Styptizin in zehnjährigem 
Gebrauch als völlig unschädlich erwiesen, selbst 
bei andauernder Verabreichung; ob dies auch 
boi dem Phthalat der Fall sein wird, bleibt 
noch dahingestellt. Es scheint dem Verfasser 
daher kein Grund vorzuliegen, um das be¬ 
währte Styptizin zu verlassen. 

Freyhan (Berlin). 


Hamburger, Osmotischer Druck und Ionen¬ 
lehre in den medizinischen Wissenschaften. 
Bd. 2 u. 3. Wiesbaden 1904. J. F. Bergmann. 

In rascher Folge sind dem in dieser Zeit¬ 
schrift Bd. 6, S. 598 angezeigten ersten Bande 
der zweite und der den Schluß des groß an¬ 
gelegten Werkes bildende dritte gefolgt. 

Von ihnen umfaßt der zweite die osmo¬ 
tischen Verhältnisse im zirkulierenden Blute, 
die Lymphbildung, Hydrops, Resorption, ferner 
die Nierensekretion, die elektrochemische 
Aziditätsbestimmung und den Reaktionsverlauf. 
Der dritte endlich die Zellenlehre von physi¬ 
kalisch-chemischen Gesichtspunkten, die Muskel- 
und Nervenphysiologie, die Physiologie der 
Sinnesorgane, soweit sie aus den neuen Lehren 
Nutzen gezogen, endlich Pharmakologie, Bakte¬ 
riologie, Balneologie, Histologie und die Lehre 
von Kolloiden und Fermenten. 

Schon ein Blick auf dieses Inhaltsverzeichnis 
gibt dem Leser einen Begriff von der Fülle von 
Material, die in diesem Werke verarbeitet wird, 


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Thora p&iLtltyJb# Jbnibeifewi 


v<»r)»ehäjtori {»Icibun* manche Kürzung vnrxu- 
oehtneti. 

das nuouiidir vollendet* V« crk 
fti.it; -^rdöhr. Frcude xu begrüße#. Was sich »ler 
Verfasser als Ziel fljtö Anw budiwig 

den medfzmikheu 


*Wif -3a4t Äcjf Gtriiid eigener/1 njcr^ncljiiufirort dey 
Verladers: e# int "kaum Kitte wichtigere Arbeit: 
der Mateo Jahr*. die. dvm Y*rfh#*er $o.(jpragtft 
Ut imd die DH-ht .nach, dfcr von ihm befolgt*» 
vi.ht»!ori»ßb'fe t titi3cki 4 n> Methode ihre *hjgid*£ttdb; 
W ttrdigu hg diulet Mb frei 

Antor vfwivhtit tiai vor 


j/b^ikaHsidwri 
WUeensobaftco 
soifß *ubtfr gMmen ßbe^rö/i^un^ v$igvg\w- 
i wi wirken, Wrttt &er&*fc< <U# Kene leicht ** er* 
fuhrt, das ^rsdieint in ffeir^leatt vwllendokr 
W^M gebw. Wer iörtnior -*Mk, n>itj^ywfcalbch* 
ttHnliztiiiachtni Fragen hefoÖC ftir .den wÄ ilW 
Werk, fcijcrö Fnmtpnibt' r*b$*t»;?r' fftieb&ivg. fei». 
und der Hob;rem kann ma «Heine Wurte .m* 
■dteir itoprB«lmng ersten ßaades wiwiwf- 
btddn, tlaö es ein „Standard vyork^ im tiesUü 
nml wahrateu Sinne de* Wortes ist; 

. . C, X\ lUehter 


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lachte der 

Wissühftchiift bestehen t*Mf>en wird, ist nifee 
an dm. ffr&gs- Wenn Kbjuge.' h Aue% '• haben h&» 
iianrdlieh die ICiiirner zu inu, mid „Kian tr 
arheiCV ist gerade gbf «lelbdi' jg«?.»s-wi«clien 
piiysikaHseher Che wie tuul Mcdküt in den 
letzten Jahren h\* 

iie»sen ließ eich bei etatfr, Miton>> dfe xß im 

Flusse ut. wie die vurliegvfid^i kaum eine 

and?* BoiinndSü ng*w ma* vnthkn, als *ie der 
VhrfasBor ddngeseldageii hat; es fi$gfr r $$t 
böffenliich half! Erfolgenden Wölfen AnfJagd 


Berlin), 


Therapeutische Neuheiten 




ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 


von 

Prof. v. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BREEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CURSCHMAXN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
(Bierimv, Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
(Leipzig. Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
G. ELEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
Geh-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
Ä1RTIUS (Rostock), Prof. v. MERING (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straßburg), Prof. v. NOORDEN 
Frankfurt a. M.), Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
Tragi. Geh.-Rat. Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. REN VERS (Berlin), Prof. ROSENSTEIN 
tLeiden i. Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt SCHAPER (Berlin), Prof, 
SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof, 
r. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von . 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1906/1906). — Fünftes Heft. 


1. AUGUST 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Preis des Jahrganges M. 12—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original' 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT 


I. Original-Arbeiten. seit» 

L Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. Von Spitalarzt 

Dr. Oscar Bernhard in Samaden. Mit 5 Abbildungen.245 

II. Die Verwendung der äußeren Kathodenstrahlen in der Therapie. Von Dr. Hermann 

Strebei in München.259 

Hl. Die Verwendung des Hygiama als Diätetikum. Von Dr. Julian Marcuse, Sanatorium 

Ebenhausen bei München.266 

IV. Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. Von Dr. J. Sadger in Wien- 

Gräfenberg.270 

n. Berichte über Kongresse und Vereine. 

I. Deutsche Gesellschaft für Volksbäder.287 

TI. X. Internationaler Kongreß gegen den Alkoholismus.287 


III. Referate über Bücher und Aufsätze. 
A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 


Li petz, Wirkung der v. Noordenseben Haferkur beim Diabetes mellitus.288 

Loening, Das Verhalten der Kohlensäure im Magen.288 

Bardet, Traitement de Tent^ro-colite par le traitement gastrique.289 

Ficker, Über die Keimdichte der normalen Schleimhaut des Intestinaltraktus .... 289 
Schlippe, Physikalische Untersuchungen bei der Anwendung des Magenschlauches . . 289 
Fodor, Über den inneren Gebrauch des Meerwassers.290 


Freund, Über die ersten Veränderungen des in Resorption befindlichen Nahrungseiweißes 290 


B. Hydro-, Balneo- und KHmatotherapie. 

de Vries Reilingh, Die Wirkung des hydroelektrischen Bades auf den Blutdruck . . 291 

Sarason, Über moussierende Sauerstoffbäder.291 

Sadger, Die Wasserbehandlung der Gonorrhöe und des ulcus molle.292 

Fauchet, Action physiologique de Teau de mer envisagße comme eau minerale et comme 

milieu organique ..293 

Bulling, Inhalation, ein wertvolles therapeutisches Hilfsmittel.293 

Zantz, Über die Wirkungen des Sauerstoffmangels im Hochgebirge.293 

Loebel, Baineotechnische Neuerungen.294 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

s peeht, Über das Verhalten der Temperatur und des Pulses vor und nach Körper¬ 


bewegung bei Gesunden und Kranken.294 

" Bewegung und Heilgymnastik in der Gelenktherapie.294 

" **st, The treatment of pleuritic eflusion by paracentesis and incision in serous eflusion, 

empyema and pyopneumothorax.295 

* yrUx, The elements of Kellgrcns manual treatment.295 

* omelius, Die Nervenmassage.296 

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244 


Inhalt. 


D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie« 


Seile 


Coromilas, Les rayons X comme moyen thärapeutique contre certaines affections des 

poumons et sur tout contre la tuberculose.296 

Albert-Weil, Rayons X et Constipation.296 

Honod et Borchet, Sur un cas d’6pithälioma cutanö de la rägion temporofrontalc gu6ri 

par l'application des rayons X.296 

Leopold, Heilung der Ozaena mit kaltem (Finsen-)Licht.296 

Rubino, La terapia dolle radiozioni nel 1904 . 297 

Santoro, Süll’ importanza della radiografia nella diagnosi delle fratture. — A proposito 

di una frattura della testa di un metacarpeo.297 

Verdiani, La cura dell’ allopecia areata con le correnti ad alta frequenza.297 

Gay, Basi della terapia foto-attinica nelle malattie entanee.297 

Aubertin et Beaujard, Action des rayons sur le sang.297 

Imberti, Traitement des bourdonnements d’oreille par les courants de haute fröquence . 297 
Beck, Über die Kombination von Exzisions- und Röntgentherapie bei Morbus Basedowii 297 
Zanietowski, Über die Verwendbarkeit von Kondensatorentladungen zur klinischen 

Myographie.298 

Dobrzynicky, Licht-Therapie in der Zahnheilkunde.298 


E« Serum- und Organotherapie« 

Müller, Über den Einfluß künstlicher Stoffwechselalterationen auf die Produktion der 


Antikörper.298 

Peabody, The treatment of epidemic cerebrospinalmeningitis with injections (ebiefly 

intraspinous) of diphtheria antitoxin.299 

Ganghofner, Über die Behandlung des Scharlachs mit Antistreptokokken*Serum ... 300 

Baumgarten und Heyler, Über Immunisierung gegen Tuberkulose. 300 

Neißer, Weitere Erfahrungen über Tuberkulinanwendung in Heilstätten.300 

Eber, Experimentelle Übertragung der Tuberkulose von Menschen auf das Rind ... 301 

F. Verschiedenes« 

v. Leyden, Einiges über die drohende Epidemie der Genickstarre.301 

Goldscheider, Über die Stimmung.302 

Baar, Amerikanisches Ärzte wesen.302 

Salge, Therapeutisches Taschenbuch für die Kinderpraxis.303 

Zickel, Osmologische Diagnostik und Therapie.303 

Sorgo, Über Tuberkelbazillenzüchtung aus Sputum und aus Exsudat bei Pleuritis und 

Seropneumothorax.303 

Loomis, The limitations of the value of nitroglycerin as a therapeutic agent .... 304 
Lewin, Über die Wirkung des Bleis auf die Gebärmutter.304 


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Original-Arbeiten 


i. 

Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der 

Chirurgie. 

Von 

Spitalarzt Dr. Oscar Bernhard 1 ) 

in Samaden. 

Meine Herren! Einem Wunsche unsres geschätzten Herrn Präsidenten 
Folge leistend, will ich Ihnen über meine Sonnenbehandlung in der chirurgischen 
Praxis einiges mitteilen. Die Therapie fährt heute mit vollen Segeln unter der 
Flagge der Physik. Neben der Hydro-, Elektro- und Mechanotherapie hat im 
letzten Dezennium die Lichttherapie eine Ausdehnung gewonnen und zu einem 
regen wissenschaftlichen Arbeiten gerufen, wie wir es bis dahin in einer so 
kurzen Spanne Zeit in der Medizin noch nie erlebt haben. So viele schöne 
Experimente sind gemacht, so viele geistreiche, zum Teil sich aber auch wider¬ 
sprechende Theorien aufgestellt worden, daß mir die heute zur Verfügung gestellte 
Zeit nicht einmal genügen würde, um auch nur die hauptsächlichsten Kerne heraus¬ 
zuschälen. Doch will ich meinen Mitteilungen einen gedrängten Überblick über 
den heutigen Stand der Lichttherapie vorausschicken. Die Frage dürfte für den 
praktischen Arzt insofern auch eine aktuelle sein, als gerade die sogenannten 
Xaturärzte ihre Haupttätigkeit in den physikalischen Heilmethoden entfalten, es 
ist daher für ihn eine Notwendigkeit, sich mit letzteren genauer vertraut zu 
machen und darin dem Publikum gegenüber gut Bescheid zu wissen. Allerdings 
muß ich mich heute, um nicht zu weitschweifig zu werden, nur an das Sonnen¬ 
licht nnd dessen therapeutische Eigenschaften, also rein an die Heliotherapie halten, 
andre Lichtquellen, das elektrische Glühlicht und Bogenlicht, und andre Strahlen, 
Röntgen-, Becquerel-, Kanal-, Blondlotsche Strahlen etc. aber unberücksichtigt lassen. 

Das Sonnenlicht ist unsre intensivste Lichtquelle. Nehmen wir die Leucht¬ 
kraft einer Normalkerze mit 1 an, so sind die entsprechenden Werte für das 
Gaslicht 16, das elektrische Bogenlicht 362, das Mondlicht 204, die Sonne 70000. 2 ) 

Seit Newton wissen wir, daß das weiße Licht nicht einfach, sondern das 
Produkt eines Farbengemisches ist. Brechen wir einen Sonnenstrahl durch ein 
<}uarzprisma, so bekommen wir das bekannte Spektrumband, welches, von links 
nach rechts gesehen, die sieben Hauptfarben in folgender Reihenfolge zeigt: rot, 

') Vortrag, gehalten anf der LXVII. Versammlung des schweizerischen ärztlichen Zentral- 
vereins in Olten, den 29. Oktober 1904. 

*) Nach Pickering: Ausführliches Handbuch der Photographie I, S. 320 ff. 


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Oscar Bernhard 


orange, gelb, grün, blau, indigo und violett. Bekanntlich ist auch das Licht, wie 
die Elektrizität eine wellenförmige Bewegung im Äther. Die einzelnen Färben¬ 
töne entstehen durch die verschiedenen Wellenlängen im Strahlenbündel. Die am 
wenigsten abgelenkten roten Strahlen repräsentieren die langwelligen Lichtstrahlen; 
nach rechts hin nimmt die Wellenlänge sukzessive ab. Parallel mit der 
Wellenlänge geht die Tiefenwirkung der Strahlen. Jeder dieser farbigen 
Strahlen besitzt in verschiedenem Maße drei Eigenschaften: wärmebildende, licht¬ 
bildende und chemische Kräfte. Die roten Strahlen sind hauptsächlich wärme¬ 
erzeugende, das Licht hat seine größte Intensität in gelb, die violetten Strahlen 
wirken hauptsächlich chemisch. Aber das Spektrum ist, so wie wir es sehen, 
unvollständig und repräsentiert nur einen kleinern Teil der von der Sonne aus¬ 
gegebenen Strahlen, denn zu beiden Seiten des für unser Auge wahrnehmbaren 
Spektrums gibt es noch zwei weitere viel größere Bezirke als das Farbenspektrum, 
das Gebiet der ultraroten und ultravioletten Strahlen. Die ultraroten Strahlen 
machen sich durch ihre Wärmeentwicklung bemerkbar und können durch ein 
Thermoelement nachgewiesen werden. Stellt man ein solches nach außen von den 
roten Strahlen auf, so zeigt es eine Temperaturerhöhung. Die ultravioletten 
Strahlen weisen wir nach durch ihre chemische Wirkung auf lichtempfindliche 
Präparate (speziell auf halogene Salze, wie Brom-, Jod- und Chlorsilber). — Die 
Wärmestrahlen können wir durch Konvexlinsen oder Hohlspiegel konzentrieren: 
die einzelnen Farben des Lichtes filtrieren wir, indem wir durch entsprechend 
gefärbte Glasscheiben oder Stoffe (rot, gelb, grün, blau) nur die gewünschte Farbe 
durchlassen; durch Linsen von Quarz, Steinsalz oder Flußspat werden die ultra¬ 
violetten Strahlen gebrochen und gesammelt. 

Während des Durchganges durch die Atmosphäre erleidet die Intensität des 
Sonnenlichtes eine erhebliche Schwächung, die um so größer ist, je unreiner oder 
je feuchter, das heißt mit Wasserdämpfen gesättigter, die Luft ist. Am meisten 
werden von dieser Abschwächung die chemisch wirksamen Strahlen 
betroffen, am wenigsten die Wärmestrahlen. Nach Langley werden 39 
resp. 42 % der ultravioletten und violetten gegenüber 70 und 76 % der roten und 
ultraroten Strahlen durch die Atmosphäre hindurchgelassen. Daß die Höhe des 
Ortes über dem Meere und ein trockenes Klima demnach für die Heliotherapie 
eine ganz gewaltige Bedeutung haben, ergibt sich von selbst. Nach Violle be¬ 
trägt die Abschwächung der Sonnenstrahlen auf der Höhe des Montblanc nur 
6 %, gegenüber 20—30% am Meere. 

Nach oben Gesagtem können wir also das Sonnenlicht in verschiedener 
Richtung zur Therapie herbeiziehen, als Thermotherapie, wenn wir es haupt¬ 
sächlich auf die Wärmestrahlen abstellen, als Chromotherapie, wenn wir einzelne 
Farben anstatt des Farbengemisches (Weißlicht) benützen, als mehr intensiv 
chemische, oder Aktinotherapie im engem Sinne, wenn wir hauptsächlich 
die ultravioletten Strahlen gebrauchen wollen. 

Die wohltätigen Eigenschaften des Sonnenlichtes, die durch dasselbe hervor¬ 
gerufene Förderung des Stoffwechsels, der belebende Einfluß überhaupt, ist den 
Bewohnern unsrer Erde schon seit den ältesten Zeiten instinktiv bekannt ge¬ 
wesen. Man erwies im Altertum der Sonne als dem Urquell alles Lebens eine 
hohe Verehrung, und auch noch jetzt wird von einigen Naturvölkern ein förmlicher 


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Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. 


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Lichtkultns getrieben. Die ersten Nachrichten über eine therapeutische Verwen¬ 
dung des Sonnenlichtes finden wir bei Herodot, der von den alten Ägyptern 
erzählt, daß sie sich in Sandgruben zur Heilung verschiedener Übel von der Sonne 
tüchtig bescheinen ließen. Auch die Griechen und Römer legten dem Sonnenlichte 
eine große therapeutische Bedeutung bei und errichteten anf den Dächern ihrer 
Häuser vielfach besondere Solarien, um Sonnenbäder zu nehmen. Von den alten 
Ärzten betonen Hippokrates, Celsus, Galen und Avicenna schon den Wert 
des Sonnenlichtes in hygienischer und therapeutischer Hinsicht. Im Mittelalter 
verlor sich parallel mit dem Niedergang der Hygiene und Medizin die Erkenntnis 
davon. Erst im Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Sonnenbehandlung wieder 
zu Ehren gezogen, und zwar durch Löbel in Jena. Er ist der erste, der schon 
eine Art Kastenlichtbad, seinen Heliothermos, konstruierte. Später, im Jahre 1855 
nahm dann ein Schweizer sogen. Naturarzt, Arnold Rikli, die Sonnentherapie 
wieder intensiv auf, indem er in Veldes in der Oberkrain eine richtige Anstalt 
für Sonnenbäder einrichtete. Es sind nach Süden vollständig offene Hallen, in 
welchen die Patienten, gegen Wind geschützt, vollkommen nackt auf Decken oder 
Matratzen liegen, wobei der Kopf und die Augen durch geeignete Schirme und 
schwarze Brillen vor der direkten Sonnenbestrahlung geschützt werden. 

Neben diesen direkten Sonnenbädern pflegt Rikli auch die Verwendung 
des diffusen Sonnenlichtes in ausgiebigem Maße in der Form von Lichtluftbädern, 
bei denen die Kranken ebenfalls unbekleidet mit einem kleinen Schurz als Feigen¬ 
blatt stundenlang in der freien Luft sich herumtummeln. Die therapeutische 
resp. prophylaktische Absicht dabei ist die der Abhärtung. In den Wäldern und 
Sennhütten der Krain kennt man diese Heiligen und hat sich an ihr Erscheinen 
gewöhnt. 

Die günstigen Erfolge der allgemeinen Sonnenbäder beruhen in der Haupt¬ 
sache auf ihrer schweißtreibenden Wirkung, da mit dem Schweiß schädliche Stoffe, 
Schlacken, aus dem Körper ausgeschieden werden. Haben ja Brunner u. a. 
nachgewiesen, daß durch den Schweiß Bakterien und Ptomaine in großer Menge 
eliminiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der durch das Sonnenlicht 
ausgeschiedene Schweiß viel konzentrierter ist, als der durch andre Prozeduren 
erzielte. In zweiter Linie beruht die Wirkung auf einer starken und längem 
Hyperämisierung der Haut, welche eine Ableitung der Blutmasse von den innern 
Organen zur Körperoberfläche und damit eine Entlastung ersterer zur Folge hat. 
Drittens wird der Stoffwechsel angeregt, indem das Licht durch Reflexübertragung 
von der Haut und der Netzhaut die Reflexerregbarkeit der Muskel- und Nerven¬ 
bahnen steigert, viertens in einer direkten Wirkung auf das Blut und die Blut¬ 
gefäße. Hier handelt es sich um so komplizierte Vorgänge, daß ich auf eine 
nähere Erörterung heute verzichten muß. Fünftens kann auch bei den Sonnen¬ 
bädern eine bakterizide Wirkung des Sonnenlichtes stattfinden, jedenfalls auf die 
oberflächlichen Hautschichten, so gut wie es Esmarch für die besonnte Wäsche 
naebweisen konnte. 1 ) 

Damit sind die Indikationen für Sonnenbäder ungefähr folgendermaßen ge¬ 
geben: Stoffwechselkrankheiten (Fettsucht, Diabetes, Gicht); Stauungen in den 


J ) Esmarch, Zeitschrift für Hygiene 1894. Bd. 16. 


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innern Organen (Herzfehler, Asthma); Anämie, Chlorose, allgemeine Schwäche 
und protahierte Rekonvaleszenz, Nervenleiden, speziell Neurasthenie; Hautleiden. 
Von speziell chirurgischen Krankheiten gehören hierher die Skrophulose und die 
Rachitis. 

Sonnen- und Lichtluftbäder dienten also bis dato zu generellen therapeutischen 
Zwecken, zur Beeinflussung allgemeiner Störungen des Organismus. 1 ) 

Dasselbe gilt im großen und ganzen auch für die Chromotherapie. Auch 
deren Nutzen war zuerst instinktiv vom Volke herausgefunden worden. Sie ist 
empirisch in Europa schon im Mittelalter und im fernen Orient vielleicht schon 
viel früher angewendet worden. In Tonkin, China und Japan schloß man die 
Pockenkranken in Zimmern oder Zelten ein, die durch rote Tücher die übrigen 
Lichtstrahlen hermetisch abhielten, und vermied dadurch das Auftreten schwererer 
Symptome. Finsen 2 ) hat diese Behandlung in wissenschaftlichem Sinne wieder 
auf genommen. Er und Engel nehmen an, daß die chemischen Strahlen bei der 
Verschwärung derVariolaeffloreszenzen schädlich einwirken, und daß, wenn schwerere 
Geschwürsprozesse der Haut vermieden werden können, in der Regel auch schwerere 
Allgemeinerkrankungen ausbleiben, ferner müsse aber das rote Licht eine aller¬ 
dings noch unerklärte, aktive Rolle dabei spielen, da die günstige Beeinflussung 
der Variolapusteln auf den Schleimhäuten, die des Lichtes entbehren (Nase, 
Mundhöhle und Rachen), nicht stattfindet. In letzter Zeit versuchte man diese 
Chromotherapie auch bei andern akuten Exanthemen (Masern, Scharlach) und bei 
Erysipel und manchen Ekzemen. 8 ) Will man die Chromotherapie nur lokal an¬ 
wenden, so wird der erkrankte Körperteil dicht in entsprechend gefärbte Tücher 
eingehüllt, resp. das Gesicht mit gleichartig gefärbten Schleiern verhüllt Auch 
das blaue Licht erregte schon lange das Interesse, und kein geringerer als Goethe 1 ) 
machte die Arzte darauf aufmerksam, indem er unter anderm sagte: „das Blaue 
macht für das Auge eine sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung, sie ist 
als Farbe eine Energie, allein sie steht auf der negativen Seite und ist in ihrer 
höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes Nichts.“ Ein italienischer Arzt, 
Dr. Ponza 5 ), Direktor der Irrenanstalt zu Alessandria, wandte das blaue Licht zur 
Beruhigung von Geisteskranken an und empfahl es als solches in überschwenglicher 
Weise, v. Jak sch 6 ) in Prag hebt ebenfalls die beruhigende, schlaferzeugende 
Wirkung des blauen Lichtes hervor und benutzt deshalb in seinen Krankensälen 
blaue Vorhänge und Lampenzylinder. Ich kannte einen Landwirt, der den Stall 
für seine Mastschweine blau angestrichen und mit blauen Fensterscheiben ver- 

*) cf. Brieger und Mayer, Licht als Heilmittel. Berlin 1904. — Singer, Über den 
Einfluß von Luft- und Sonnenbädern auf den menschlichen Körper. Berliner klin. Wochen¬ 
schrift 1903. Nr. 40. — Jaerschky (Schweningers Kreiskrankenhaus Groß-Lichterfelde, 
Berlin), Der Heilwert des Lichtluftbades. Sonderabdruck aus „Kraft und Schönheit“. Berlin 19W- 
— J. Marcuse, Diese Zeitschrift Bd. 6. Heft 3. S. 158. 

s ) Finsen, Über die Bedeutung der chemischen Strahlen des Lichtes etc., Leipzig 1899. 

3 ) Veiel, Vierteljahrschrift für Dermatologie und Syphilis 1897. Winternitz, 22. Ver¬ 
sammlung der Balneologischen Gesellschaft, Berlin 1901 und andre. 

4 ) Goethe, Zur Farbenlehre, Abschnitt 758. 

s ) Dr. Ponza, Gazette des Hosp., 1875, No. 18 und Annales mddico-psychologiques, 1876, 
Bd. XV, Ser. V. 

®) 20. Kongreß für innere Medizin, 1902. 


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Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. 249 

sehen hatte, und ebenso schwärmerisch davon überzeugt war, daß dadurch sein 
Borstenvieh in ruhiger Behaglichkeit bei vermehrter Freßlust und vermindertem 
Stoffwechsel das gewünschte Fett in erhöhtem Maße ansetze. Ein russischer Arzt, 
Minin 1 ), will mit dem blauen Lichte nicht nur Patienten für Operationen —eine 
neue Art Schleich — anästhesieren, sondern auch fast alle chirurgische Affektionen 
von der einfachen Kontusion zum tuberkulösen Lymphom bis zn allen Neu¬ 
bildungen, gut- oder bösartigen, günstig beeinflussen. Wie bei allem Neuen 
wurde auch hier phantastisch übers Ziel geschossen. 

Haben wir bis dahin von der Heliotherapie als von einer mehr allgemeinen 
gesprochen, so wollen wir nun zu der lokalen Behandlung mit Sonnenlicht über¬ 
gehen. Eine lokale thermische Behandlung durch Sammlung des Sonnenlichtes 
mit Brenngläsern wurde schon zu Plinius des Alteren Zeiten atisgeübt, von ihm 
empfohlen und von Laien gewiß auch zu allen Zeiten angewendet. Ich erinnere 
mich, wie wir als Kinder unsre Hautwarzen an den Händen mit einer Konvexlinse 
anbrannten bis sie rauchten, um dann zu verdorren und abzufallen. Thayer 
vernichtete auf diese Weise Lupusknoten. 2 ) 

Die moderne lokale Lichttherapie, deren System aufgebaut ist auf der 
bakteriziden Wirkung des Lichtes, wird stets unauflöslich mit dem Namen Niels 
ß. Finsen verknüpft bleiben. Allerdings hat auch er von schon vorbereitetem 
Boden aus Bahn gebrochen. Scientia medica non facit saltns, möchte man sagen. 
Die fhndamentalen Versuche, auf denen Finsen fußen konnte, haben schon in 
den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die beiden Engländer Downes und 
ß/ont 3 ) angestellt. Sie wiesen nach, daß Kulturen von Mikroben, welche längere 
Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, steril blieben, während im Dunkeln 
gehaltene Kulturen gediehen und sich fortpflanzten. Schon sie schrieben die 
hauptsächliche Wirkung des Lichtes den violetten und ultravioletten Strahlen zu, 
eine Tatsache, die unbestritten geblieben ist. Dieudonnd, welcher im Aufträge 
des deutschen Gesundheitsamtes eine Reihe von diesbezüglichen Untersuchungen 
machte (Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt Bd. 9, 1894), fand, daß 
dabei das direkte Sonnenlicht am stärksten, weniger stark das diffuse, schwächer 
elektrisches Bogenlicht und am schwächsten elektrisches Glühlicht einwirke, und 
daß der Einfluß der Wärme dabei keine besondere Rolle spiele. Die grünen 
Strahlen wirken auf die Bakterien hemmend, die blauen, violetten und namentlich 
die ultravioletten sehr stark tötend. Er und andre konstatierten, daß es sich 
dabei nicht um eine sekundäre Wirkung, durch Veränderung des Nährbodens, 
andern um eine Schädigung des Protoplasmas selbst handle. Leider aber dringen 
grade die stark bakteriziden Strahlen, wie früher schon gesagt, nicht sehr in die 
Tiefe ein. So wirken, wie Finsen und seine Schüler nachwiesen, die ultravioletten 
Strahlen nnr auf eine Tiefe von 1,8 mm bakterizid. Sodann ist es das Blut, 
welches blaue und violette Strahlen fast völlig absorbiert. Auf dieser Erkenntnis 
nnd der Tatsache, daß die oft lästig werdenden Wärmestrahlen indifferent sind, 
soweit es auf eine direkte, bakterizide Wirkung des Lichtes ankommt, hat Finsen 

') Minin, Cber die therapeutische Wirkung des blauen elektrischen Lichtes. Wiener 
medizinische Presse Nr. 42, 1901 und Medizinische Woche 1901; Nr. 12, 13, 36, 37 und 51. 

T ) Tillmans, Chirurgie, 4. Auflage, 1895. Seite 443. 

*) Downes u. Blunt, Procedings of the Royal Soc. of London. 1877 Bd.26 und 1878 Bd.28. 


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seine Therapie aufgebaut. 1 ) Er kam zuerst auf die Idee, die wirksamen Strahlen 
zu konzentrieren und zugleich die Wärmestrahlen auszuschalten. In großen Hohl¬ 
linsen von 30 cm Durchmesser, die mit einer schwachen Kupfersulfatlösung, welche 
einen Teil der Wärmestrahlen zurückhält, gefüllt waren, sammelte er das Sonnen¬ 
licht. Sodann benutzte er, teils um das für die Tiefenwirkung hinderliche Blut 
wegzudrücken, teils um die Dicke der zu durchdringenden Gewebsschicht zu ver¬ 
ringern, sogenannte Kompressorien. Es sind dies plankonvexe Linsen aus Berg¬ 
kristall, welche zudem die ultravioletten Strahlen gut durchlassen. Da aber 
Finsen die Sonne in Kopenhagen weder zeitlich noch intensiv genügend zu Gebote 
stand, und wegen der nötigen Kühlapparate eine Vorrichtung zur Stellungsänderung 
mit der Bewegung der Sonne erforderlich war, ging Finsen zum elektrischen 
Bogenlicht über. Sonst wäre er wohl der Sonne treu geblieben, denn er selbst 
rät, auf einem Berge in einer südlich gelegenen Gegend ein Sonnenlichtsanatorium 
für Lupöse einzurichten. 2 ) Seine Erfolge bei Lupus sind Ihnen allen bekannt, 
seine Behandlung darf ein Spezifikum genannt werden. Schöne Resultate werden 
mit seiner Methode ebenfalls bei andern parasitären Dermatosen erzielt. 

Eine längere Bestrahlung der Haut, sei es durch die Finsensche Methode, 
oder direkt durch das Sonnenlicht, wirkt auf dieselbe stark reizend und hat eine 
reaktive Entzündung zur Folge, die wir Erythema solare resp. photoelektricum 
nennen. Es tritt Brennen, Jucken und Hautrötung auf, mitunter auch Blasen¬ 
bildung. Dann folgt Pigmentierung, welche monatelang verbleiben kann. Dieses 
reaktive Erythem vermittelt wohl den Heilungsprozeß. Das Lichterythem und die 
Pigmentation rühren von den ultravioletten Strahlen her. (Charcot und andere.) 
Die gebräunten Gesichter der Gebirgsbewohner reden von der energischen Be¬ 
strahlung in der Höhe. Mit den chemisch wirksamen Strahlen des Lichtes be¬ 
wirken wir also eine mehr oder weniger intensive Entzündung, d. h. wir rufen 
eine Erweiterung der Hautgefäße hervor, aus denen Serum und Blutzellen austreten 
und so Blasen entstehen. Die Sonne wirkt also auch im Sinne von Jodpinselungen, 
Blasenpflastern, Schröpfköpfen etc. Ich habe deshalb angefangen, auch 
pleuritische Exsudate, ja selbst oberflächliche Infiltrationen der 
Lunge lokal intensiv zu besonnen. Die erzielten Resultate sind ermutigend. 
Bei offenen Krankheitsherden wirkt aber die aktinische Entzündung auch direkt 
auf die Krankheitserreger abtötend, wie schon erwähnt, und dies ist natürlich 
ein Hauptpunkt. 

Wegen ihrer reinen Therapie mit den kurzwelligen Strahlen von sehr be¬ 
schränkter Tiefenwirkung bleibt die Finsensche Methode die Therapie der 
Oberfläche, der Dermatosen und der Geschlechtskrankheiten. 

Neuere Forscher: Dreyer 3 ), von Tappeiner 4 ) und Jesionek 5 ) tendieren 
auch die bis dahin bakterizid nicht sehr wirksamen Strahlen, welche aber eine 

*) cf. Freund, Grundriß der gesamten Radiotherapie. Urban und Schwarzenberg, Berlin 
und Wien. 1903. 

s ) Niels R. Finsen, Mitteilungon aus Finsens Medicinske Lysinstitut III, Leipzig 1903. 8.51. 

3 ) Droyer, Dermatol. Zeitschrift. Heft 4. Bd. 10. 

4 ) Tappeiner und Jodlbauer, Über die Wirkung fluoreszierender Stoffe auf Diphtberie- 
toxin und Tetanustoxin. Münchener medizinische Wochenschrift 1904. Nr. 17. 

ä ) Jesionek, Lichttherapie nach Professor v. Tappeiner. Münchener medizinische 
Wochenschrift 1904. Nr. 19. 


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Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. 


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größere Tiefenwirkung haben, z. B. auch die am tiefsten ins Gewebe ein¬ 
dringenden roten, chemisch wirksam zu machen durch Imprägnierung der Gewebe 
mit Erythrosin und Eosin. Es handelt sich hier um kompliziertere Vorgänge, 
auf deren Ausführung ich heute nicht eingehen will. Die Dreyersche Entdeckung 
eröffnet aber eine große Perspektive für den Ausbau der Sonnenlichttherapie. 
Das Sonnenlicht durchdringt ja tief die Gewebe, die Prüfung der Hydrozelen, 
selbst dickwandiger, auf ihre Transparenz zeigt es uns täglich. Kirne und 
Hortatler 1 ) wiesen nach, daß Sonnenstrahlen den menschlichen Thorax genügend 
zu durchdringen vermögen, um noch die Kraft zu haben, ein Bild auf einer 
photographischen Platte zu erzeugen. 

Im Beginne des Jahres 1902 habe ich in unserm Spitale die lokale Sonnen¬ 
behandlung für chirurgische Affektionen eingeführt. Nach einer Milzexstir¬ 
pation wegen Stichwunde zeigte sich am achten Tage die Laparotomiewunde in 
ihrer ganzen Länge geplatzt und klaffte breit, nur die Peritonealnaht hatte zum 
Glück gehalten, und das Peritoneum zeigte sich solid verklebt. Der Versuch 
einer Sekundärnaht mißglückte, und so mußte die große Wunde sich selbst über¬ 
lassen bleiben. Allmählich begann sie zu granulieren. Das Granulationsgewebe 
war aber bleich, schlaff und schwammig, und die ganze Wunde sezernierte sehr 
stark. Lapis und scharfer Löffel wurden häufig angewendet, aber ohne vielen 
Erfolg. Da entschloß ich mich, die Wunde stundenlang direkter Sonnenbestrahlung 
auszusetzen. Schon nach der ersten mehrstündigen Exposition besserten sich die 
GracnJationen, und es überhäutete sich dann die große Wunde sehr rasch. 2 ) 
Dieser augenfällige Erfolg veranlaßte mich, fernerhin vom Sonnenlichte bei der 
Heilung von Wunden ausgiebigen Gebrauch zu machen. 3 ) Anfangs beschränkte 
sich dieses mein therapeutisches Vorgehen nur auf Wunden und hauptsächlich 
nnr auf sekundäre, allmählich aber erweiterten sich mir, wie Sie später sehen 
werden, die Indikationen von selbst. Nicht zu übersehen ist, daß unser Kranken¬ 
haus in Samaden, 1750 m ti. M. gelegen, mit voller Südfront, für eine Helio¬ 
therapie die günstigsten Faktoren bietet. Sie haben schon gehört, daß die 
chemische Intensität des Lichtes in der Höhe sehr erhöht ist, im Winter zudem 
noch verstärkt durch die Reflexion von Schnee und Eis. — Ferner brauchen 
wir die für chirurgische Zwecke ebenso wichtigen Wärmestrahlen, welche an 
andern Orten dem Patienten und dem Wartpersonal oft fast unerträglich werden, 
und so namentlich im Sommer die Sonnenbehandlung sehr erschweren, weder ab¬ 
zuschwächen, noch auszuschalten. Die Lufttemperatur ist bei uns im Oberengadin 
auch im Hochsommer nie so hoch, daß eine lokale Besonnung den Patienten 
Beschwerden verursachen würde, ich habe es wenigstens bei meinen Versuchen 
nie erlebt. Im Winter sodann ist bei uns die Wärmestrahlung immer noch 
intensiv genug, um selbst bei sehr niedriger Außentemperatur eine lokale Exposition 
angenehm zu gestalten. Oft steigt das Thermometer an Tagen, wenn im Schatten 


*) Allgem. Photo gr.-Zeitung 1901. Seite 462. 

T ) Bernhard, Ein Fall von mehreren penetrierenden Stichwunden des Bauches, Exstir¬ 
pation der durchschnittenen Milz. Corr.-Bl. für Schweizer Ärzte 1902. Nr. 16. 

*) Bernhard, Über offene Wundbehandlung durch Insolation und Eintrocknung (zugleich 
einiges über klimatische Einflüsse des Hochgebirges). Münchener medizinische Wochenschrift 
1901. Nr. 1. 


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Oscar Bernhard 


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20 Grad Kälte sind, in der Sonne anf 25—30 Grad Wärme. Nach Rubner hat dies 
auch eine besondere Einwirkung anf den Gaswechsel. Er hat folgendes Gesetz 
aufgestellt: Die Wirkung der Besonnung auf den Gaswechsel des Menschen äußert 
sich darin, daß die wärmende Wirkung der Sonne in einer dem Steigen der 
Lufttemperatur gleichwertigen Weise nach Maßgabe der Hälfte des Temperatur- 
Überschusses der Sonnen- über die Schattentemperatur zutage tritt. 1 ) 

Es ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Hochgebirges, namentlich 
seiner südlichen Abhänge, daß sich die Besonnung zu allen Jahreszeiten und 
Tagesstunden durchfuhren läßt. 

Einstweilen habe ich die Heliotherapie in der Form eines ganz natürlichen 
Sonnenbades angewandt, indem ich auf eine intensivere und vielleicht auch tiefer 
gehende chemische Wirkung der Hochgebirgssonne vertraute und zugleich ihre so 
kräftige, strahlende Wärme mitbenutzen wollte. Zuerst wollte ich mir Erfahrungen 
sammeln mit der reinen, unbeeinflußten Sonnentherapie im Hochgebirge. So war 
es für mich auch wichtig zu erfahren, ob im Hochgebirge die chemische Strahlung 
qua talis stark genug sei, um den Lupus zu heilen. Schon vor vielen Jahren war 
mir aufgefallen, daß im Engadin, trotzdem sonst die chirurgische Tuberkulose gar 
nicht selten ist, kein Lupus vorkam, und ich sagte mir, die im Verhältnis zur 
Ebene viel intensivere Insolation im Hochgebirge müsse einen Einfluß auf das 
Zustandekommen und den Heilungsverlauf des Lupus ausüben. 2 ) Meine erste Er¬ 
fahrung, welche die Wirksamkeit der chemischen Strahlung im Hochgebirge bewies, 
war ein Fall von Skrophuloderma, der drei Jahre lang aller Therapie getrotzt 
hatte und nach dreimonatlicher Sonnenbehandlung ausgeheilt ist. Der erste schwere 
Fall von Lupus kam dieses Jahr von auswärts zugeschickt in meine Behandlung. 
Wie Sie sehen, ist auch hier nach neunmonatlicher Behandlung mit einfachem 
Sonnenlicht das Resultat ein sehr erfreuliches. Ich glaube mit der Finsenschen 
Methode würde man auch nicht sehr viel mehr erreicht haben. Als Kontroll- 
versuch habe ich dabei doch eines aus der Finsenschen Trias mitunter an¬ 
gewandt, nämlich das Kompressorium in der Form einer planen Bergkristallinse. 
Ich konnte aber in diesem Falle nicht konstatieren, daß die Knoten, wo ein 
Linsendruck ausgeübt wurde, schneller heilten als solche nur unter Licht, ohne 
Druck. Weitere Beweise der direkten bakteriziden Sonnenwirkung habe ich auch 
in der raschen Ausheilung von Furunkeln, Panaritien und Phlegmonen, überhaupt 
von Entzündungen durch Streptokokkeninfektion erlebt. 

Die günstige Einwirkung der Laparotomie bei der allgemeinen Peritonitis 
tuberculosa rührt wohl nicht von der Belichtung her, die Peritonealhöhle kann ja 
nicht genügend lang besonnt werden. Zu denken wäre aber an eine Behandlung 
der an die Haut angenähten und geöffneten Harnblase bei schwerer Tuberkulose 
derselben, wobei auch die begleitende Cystitis durch Insolation günstig beeinflußt 


J ) Archiv für Hygiene. Bd. 20 und 44. 

2 ) cf. die Dissertation meines damaligen Assistenten Wölfflin: Die Beeinflussung der 
chirurgischen Tuberkulose durch das Hochgebirge mit spezieller Berücksichtigung des Engadins. 
Inaug.-Diss. Basel 1899 und mein Diskussionsreferat „Zur Behandlung der Gelenktuberkulose 44 
(Prof. Dr. 0. Hildebrand in Basel) an der LX. Versammlung des schweizerischen ärztlichen 
Zentralvereins am 3. November 1900 in Olten, enthalten im Corr.-Bl. f. Schweizer Ärzte 1901. 
Nr. 2. S. 51 u. ff. 


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Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. 


253 


würde. Richardson 1 ) wies nach, daß in frischem Urin unter dem Einflüsse 
direkter Belichtung sich das stark antiseptisch wirkende Wasserstoffsuperoxyd bilde. 

Bei einem 28jährigen Manne mit lebensbedrohenden Anfallen von Hämaturie 
habe ich letztes Frühjahr, gestützt auf die von einem geschätzten Urologen gestellte 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose eines Sarkomes der Prostata die suprapubische trans- 
Tesikale Prostataektomie nach Fryer gemacht. Die Prostata, welche sich wegen 
starker Verwachsungen nicht in toto exstirpieren ließ, so daß ich noch Reste zurück¬ 
lassen mußte, erwies sich als tuberkulös. Aus naheliegenden Gründen war ich 
mit mir nicht zufrieden, denn bei Prostatatuberkulose halte ich die Fryersche 
Operationsmethode für kontraindiziert. Ich besonnte nun das Blaseninnere, nach¬ 
dem ich die Harnblase ziemlich breit offen gelassen hatte, während einiger 
Wochen. Hämaturie ist nicht mehr aufgetreten, auch zeigt der Mann heute noch 
keine Zeichen einer Blasentuberkulose. 

Ob eine bakterizide Wirkung bei geschlossener, oberflächlich liegender 
Tuberkulose von Drüsen, Gelenken und Knochen stattfindet, oder ob die von mir 
dabei durch Insolation erzielten günstigen Resultate mehr nur auf der Wirkung 
der Wärmestrahlen (lokaler Hyperämie) — einer Art von Bierscher Stauung — 
beruhen, bleibt für mich einstweilen noch eine offene Frage. Ich möchte hier 
beifügen, daß die Bestrahlung eine starke lokale Temperaturerhöhung zur Folge 
haben kann. Es läßt sich dies leicht und einfach nachweisen, wenn man einen 
Thermometer während der Besonnung unter das Präputium oder in die Harnröhre, 
oder in eine tiefe Wundtasche legt. Werden längere Zeit größere Körperbezirke 
besonnt, so findet auch eine zwar nicht lange dauernde Temperaturerhöhung des 
ganzen Hantüberzuges statt, die man durch die Achselhöhlenmessung nachweisen 
kann. Ich habe bis zu 39° beobachtet. Fieber kann man den Zustand nicht 
nennen, weil dabei die Temperatur im Rektum nicht erhöht ist. 2 ) 

Die Wirksamkeit der chemischen Strahlen könnte man im Sinne Finsens 
bei Gelenk- und oberflächlicher Knochentuberkulose erleichtern durch Anwendung 
der Esmarchschen Blutleere. Während ein bis zwei Stunden am Tage ließe sich 
das wohl unbeschadet für die Patienten machen. In neuester Zeit habe ich mit 
diesem System angefangen. Die Sache ist noch nicht spruchreif. 3 ) 

Soviel über die bakterizide Seite der Sonnentherapie bei chirurgischen 
Affektionen. 

Ein andrer, sehr wichtiger Punkt bei der Insolation ist die Anregung der 
Hyperplasie der Epidermis, welche Unna 4 ) und Möller 5 ) experimentell und 
mikroskopisch nachgewiesen haben, und die sich mir empirisch kundgab in einer 
Beschleunigung des Überhäutungsprozesses granulierender Wunden. Die rasche 
Überhäutung hat mir bei der Nephropexie nach Kocher, wo man die blo߬ 
gelegte, zum Teil dekortizierte Niere in der Wunde offen läßt, damit sie mit der 
Haut fest verwachse, und von deren Rändern her sich allmählich überhäute, die 
Heilungsdauer gegen früher um fast die Hälfte verkürzt. Nach drei Wochen schon 

1 Transact. of tbe chemic. soc. 1893. 

r ; cf. auch Singer, op. cit 

1 Nachtrag bei der Korrektur: Erfolge sehr befriedigend. 

Monatsschrift für praktische Dermatologie, 1885, IV, S. 284. 

Der Einfluß des Lichtes auf die Haut. Biblioth. mcd., Stuttgart 1900. S. 18. 


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254 


Oscar Bernhard 


war die breite Nierenfläche mit fester Haut überwachsen. In einem nächsten 
Falle werde ich den Heilnngsprozeß durch einen in die Mitte auf die Niere 
transplantierten Krauseschen Lappen noch mehr zu beschleunigen suchen. 

Die strahlende Wärme der Sonne begünstigt ferner auch durch aktive 
Hyperämie die lokalen Ernährungsverhältnisse, was sich, wie oben schon erwähnt, 
durch Besserung schlechter und ein reichliches Heraussprossen gesunder, kräftiger 
Granulationen zeigt. Interessant ist, wie sich große und tiefe Taschenwunden 
durch rasches Sichanlegen und Verkleben der Haut mit den tiefem Gewebsschichten 
bald schließen. Eine längere Drainage ist immer überflüssig. Diese rasche 
Verklebung der Gewebsschichten unter dem Einflüsse der Insolation habe ich 
mir auch bei der Ausführung zweizeitiger Operationen zu Nutze gemacht. Bei 
Anlegung einer Darm- oder einer Gallenblasenfistel verwächst nach 10—15 Minuten 
das Peritoneum viscerale mit dem parietale so innig, daß die resp. Organe getrost 
geöffnet werden können. So lange läßt man den Patienten ruhig auf dem 
Operationstisch liegen. 

Sodann wirkt die Insolation — und das ist auch ein sehr wichtiges Moment — 
durch Austrocknen der Wunde. Alle Maßnahmen sind bei der modernen Wund¬ 
behandlung ja darauf gerichtet, die Ansammlung von Wundsekreten zu vermeiden. 
Derjenige Verbandstoff wird als der beste erklärt, der die größten hydrophilen 
Eigenschaften hat, derjenige Verband leistet die besten Dienste, der imstande 
ist, die Wunde am vollkommensten trocken zu halten. Dadurch findet auch indirekt 
eine bakterienschädigende Wirkung statt, indem durch Austrocknen des Nährbodens 
die Bakterien in ihrer Entwicklung gehemmt werden. Die Eintrocknung ersetzt 
in dieser Hinsicht den besten Verbandstoff und die sorgfältigsten Verbände. 
Stark sezernierende Geschwüre und Höhlenwunden, welche sonst einen mehr¬ 
maligen Verbandwechsel am Tage erheischen, ohne daß es gelingt, die Wunde 
vollständig von einer eitrigen Sekretion zu befreien, werden auf diese Weise in 
kurzer Zeit rein und trocken. Sie bedecken sich mit einer glänzenden, feinem 
Pergament gleichenden fibrinartigen Haut, welche gewöhnlich 24—32 Stunden hält, 
worauf dann die Wunde neuerdings insoliert wird. Von großem Werte ist diese 
Eintrocknung bei solchen granulierenden Wunden (z. B. Brandwunden, Ulcera 
cruris), wo noch Epithelinseln da und dort übrig geblieben sind, welche, wenn die 
Wunde feucht bleibt und stark sezerniert, meistens mazeriert oder weggeschwemmt 
werden. Daß die Erhaltung solcher Hautinseln für die Heilung der Wunde von 
großem Wert ist, braucht nicht erst gesagt zu werden. 

Auch die Transplantation wird aus gleichen Gründen durch die Trockenheit 
der Wunden sehr erleichtert. Wo ich früher transplantierte Hautlappen durch 
Heftpflasterstreifen fixierte oder durch eine sie überführende einfache oder Kreuz¬ 
naht, welche an den Wundrändern befestigt war, auf die Wundränder aufdrückte, 
wobei öfter manche wegen starker Wundsekretion nicht hafteten, oder durch 
Mazeration geschädigt wurden, lege ich sie jetzt einfach auf die trockne Grann- 
lationsfläche auf und setze sie dann der Sonne aus. Schon nach ca. einer Viertel¬ 
stunde sind die Lappen gewöhnlich mit der Unterlage so fest verklebt, daß man 
eine gewisse Gewalt anwenden müßte, wollte man sie wieder losreißen. Bei 
einem Falle, wo eine andre Fixation unmöglich gewesen wäre, gelang die Trans¬ 
plantation dennoch und es konnte so eine Exartikulation eines Fingers vermieden 


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Therapeutische Verwendung des Sonnenlichts in der Chirurgie. 

werden. 1 ) Angeregt durch eine frühere Publikation von mir haben auch Gold- 
uiann und Brüning 2 ) im Diakonissen-Krankenhaus in Freiburg i. B. die offene 
Wandbehandlung bei Transplantationen eingeführt und sehr befriedigende Resultate 
erzielt. 

Als ich meine ersten Mitteilungen über Wundbehandlung mit Insolation 
veröffentlichte, schrieb mir Herr Kollege Armin Müller in Zürich, er hätte auch 
schon nur durch Aussetzen von offenen Wunden an die Luft ähnliche gute 
Resultate erzielt and er halte dafür, die ganze Sache beruhe rein auf einer Aus¬ 
trocknungswirkung.*) Demgegenüber möchte ich sagen, daß die trockne Luft 
nnd gerade eine solche, wie wir sie im Engadin haben, gewiß als ein sehr kräftiges 
Agens wirkt, nnd daß ich von derselben an bedeckten Tagen auch ausgiebig 
Gebrauch mache. Doch ist der Eintrocknungsprozeß ein viel intensiverer unter 
dem gleichzeitigen Einfluß der Sonne, nnd dann sehen sie ans dem Vorausgesagten, 
daß bei der Besonnung noch sehr wichtige Tatsachen mitspielen, die uns die 
trockne Luft allein nie ersetzen kann. 

Die Wanden werden entweder im Freien, in der Veranda oder im Kranken¬ 
zimmer bei offenem Fenster stundenlang, solange uns eben die Sonne zur Ver¬ 
fügung steht, oder sonst der Luft jeweilen ausgesetzt nnd nachher mit einem 
sterilen Gazestreifen zur Verhütung des Reibens an Kleidern und Bettzeug ver¬ 
bunden. Mitunter findet eine eigentümliche Verhärtung des Überzuges statt. Er 
erhält ein hornartiges, dickem alten Pergament gleichendes Aussehen, so daß die 
Patienten ohne weiteren Verband sich in den Kleidern bewegen können. Da die 
Folge n übermäßiger Austrocknung eine Atonie der Wunde darstellen und die 
Verkleinerung solcher Wunden nur geringe oder kleine Fortschritte macht, muß 
der Fibrinschorf stellenweise gelüftet werden, um die Wunde „wieder arbeiten 
zu machen“. Dies ist die einzige und gewiß nicht hoch zu taxierende Unannehmlich¬ 
keit. welche wir bei unsrer Methode erlebt haben. Infektion haben wir nie 
gesehen, wissen wir ja, daß intakte Granulationen dem Eindringen von Fäulnis- 
erregern, also den Spaltpilzen etc. in den Organismus einen wesentlichen, sehr 
bedeutenden Widerstand entgegensetzen. Allerdings soll man auch bei dieser 
Methode vorsichtig nnd stets chirurgisch denkend handeln. Dann aber ist sie 
eine gute. Es ist auch nicht recht zu verstehen, warum man solche granulierende 
Wunden, wo keine Infektion von außen her mehr zu befürchten ist, ängstlich vor 
Heilfaktoren, wie Sonne und frische Luft abschließen soll. 

Mit der Listerschen Methode hatte sich der Okklusiwerband aller Wunden, 
■ler primären und der sekundären, bemächtigt. Für die granulierenden Wunden 
dürfen wir aber die offene Wundbehandlung und zwar die trockne zurückfordern. 
Wir leisten besseres damit. Dieselbe läßt sich überall durchführen, allerdings 
wirksamer da, wo viel Sonne zur Verfügung steht und die Luft trocken ist. Die 
mit diesem Vorgehen erzielten Narben werden kräftig und elastisch. Bei einem 


') Nachtrag bei der Korrektur: Der Fall erscheint in extenso in der Deutschen Zeitschrift 
ior Chirurgie. 

*i F. Brüning, Über offene Wundbehandlung nach Transplantationen. Zentralblatt fiir 
1 hircrgie Kr. 30. 1904. 

J ) cf. auch Wagner, Die Behandlung von granulierenden Hautwunden. Zentralblatt fiir 
(himrgie 1903. Nr. 50. 


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Oscar Bernhard 


IhVadhe Stuliis nxtoli nenn Monatou tflsoJAtiotts 
ihorapk-. 


Lupus taciei *t*ir fünf Jnliren 0j$t Therapie 
trotzend • 'Kiiiseiifi>e!häde war eicht yerfocht,) 
Auih.ilimestatns. 


Lupus nm linken Arme. Gr«*‘‘töten teil* ^eheii> 


Irfgirtal frorrT 

m OF MICHIGAN, 







Tin-raftt'uti@t'hv> Varwendung deg Sonnenlichts in der Chirurgie 


: .i(] von Bursitis oleorarii septit. mit gr<d)em Haufdt’iekt zeigte sich keine Spur 
«m» Kontraktion (Behandiongsseit drei Werben), Fbfcögb &fter bei BraßdMTjnden. 
hi diesen drei Jahren . haben wir eine Masse sekundärer Wunden (primäre und. 
'ij*ratio«s wunden werden auch bei unS gescbiosseir behandelt) durch Insolation 
und Eintrocknung zur Heilung gebr^cM; Wik tratnuaHsdie. 


wo man von vorn- 

Ikrtj'i» auf eine prima reunip verzichten müßte 

«ntoi, Quetschungen etc,), auf 'Zirkulation*- oder tropbisdteti NmwehstbrujigCft 
Nsaheade (ülcera cruris. Mal perforant du pied) Brand- mul Frustwundeij, Äküfe' 


S&E&i 




-Wik liefe. krjiterr>im^c Fiatein bei Tuber- TuheikulVfte 4p» rechten Sehuiter^eieQkes;- 
tairriie it«s nvtihtcu f4cbiibcrg<>icnkc8. Erytteni sohirä. p*gu»P.Bt.at}t»n. Geheilt 

»tiit -1 y, Jalt.v. 

Infektionen (.Sepsis, Uleers moljia und vereiterte Buboueii)- flute Erfolge haben 
tit erzielt bei der Tuberkulose, Skropb^lpdei'tnii nnd Lupus, und wie mich sohon 
-•-‘»st. bei vielen Fällen geseh Essener-.Tuberkulose der■ Drüsen um) öelenke. 
GfWüe Drüsenabszesse und sogenannte kfiiti 4 Abszesse haben* 35*ii stgb 

jjftrupelu breit geöffnet und die Abszeßböhlen dann .sofort' intensiv, besonnt,. 
Nte buhet*, wir dabei eine sekündlre. Infektion erielTt und die ÄHslieituiig wsr jedesmal 
■ - urgemlhev früheren Methoden (Jodoformiti)ektiou ete.t bcAcbleurngte. Für 
-Saukroble. die Behandlung zu versuchen, hat sieh noch keine (telegen heit geboten. 

Zw fihrstratiojj nieroer Behänptmigeu will ich Sie nicht mit dem Yurleshh 
v><u Kraiikengesdiiehten langweilen, sondern eine Anzahl Photographien mit den 
fcotweniiigm kurzen Erläuterungen zirkulieren*, lassen "Ättdt'..' firnen zugleich drei 
Patienten vorstellen. 

|>fcy«IV. Ttwr»p|« Bi. IX. Heft.5. l s 


Z^iurtr. f dut 









258 Oscar Bernhard, Therapeutische Verwendung des Sonnenlichtes in der Chirurgie. 


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1. Luise G., 40 Jahre alt. Lupus seit fünf Jahren; in meiner Behandlung seit 
Anfang Februar a. c. Ganz bedeutende Besserung, größtenteils schon ausgeheilt, 
cfr. Fig. 26 und 27. 

2. Albert B., 11 Jahre alt. Offene Tuberkulose des rechten Schultergelenks seit 
2^2 Jahren. Eintritt 2. Juli 1904: Viele kraterförmige, tiefe, schlechtes Sekret liefernde 
Fisteln; Fieber, starke Abmagerung. Heute: Fisteln geschlossen, bewegt den Arm 
relativ gut, keine Schmerzen, Fieber seit langem verschwunden, starke Gewichtszunahme, 
Allgemeinbefinden sehr gut. cfr. Fig. 29. 

3. Bertha S., 18 Jahre alt. Geschlossene Tuberkulose des rechten Schultergelenks. 
Eintritt 28. Juli 1904: Starke Kapselschwellung, sehr beschränkte schmerzhafte Beweglich¬ 
keit, Abmagerung. Heute: Kapselschwellung fast ganz verschwenden, vollkommene 
Beweglichkeit, Arbeitsfähigkeit, starke Gewichtszunahme. Die Röntgenphotographie zeigt 
einen kleinen Herd im Oberarmkopf, der früher größer war. cfr. Fig. 30. 

Nachtrag.. 

In der Diskussion zu diesem Vortrage teilte Kollier 1 ), Clinique pour le traitement 
des Tuberculoses chirurgicales, Le Chalet, Leysin, mit: 

Er habe seit dem vergangenen Frühling in seiner chirurgischen Klinik zu Leysin 
alle infizierten Wunden auf Rat von Dr. Bernhard mit Besonnung behandelt. Es kamen 
acht Fälle zur Behandlung: 1. eine doppeltseitige Mastitis, 2. ein Panaritium (das ohne 
Erfolg inzidiert war und wegen beginnender Nekrose des Fingers zur Amputation 
geschickt wurde), 3. Verletzung des Handrückens durch Hieb mit einer Hacke (Durch- 
8chneidung zweier Metakarpalia und sämtlicher Extensoren), 4. bis 8. fünf Fälle mit 
tuberkulösen Fisteln. Alle diese Wunden wurden der Sonne ausgesetzt, die Vernarbung 
war auffallend schnell, bei 1—3 in höchstens drei, bei 4—8 in höchstens acht Wochen 
vollständig. Am meisten Zeit dauerte der Heilungsprozeß bei einem Falle, wo unter 
sonst gleichen Bedingungen die Besonnung nur einige Tage vorgenommen werden konnte. 
Die erhaltenen Resultate sind sehr ermutigend, und Rollier dankt Herrn Dr. Bernhard 
für seine bewährten Ratschläge. Er glaubt, daß die Besonnung die eigentlich ideale, 
antiseptische Behandlung darstellt, indem durch sie die übrigen natürlichen Heilfaktoren 
des Körpers besser als bisher zur Geltung kommen können. 

Wie ich in der Folge aus einem Moskauer Briefe des Dr. A. Dworetzky 2 ) ersah, 
hatte der Leiter der Moskauer chirurgischen Universitätsklinik, Prof. A. Bobroff, in 
seiner im Jahre 1902 ins Leben gerufenen Schöpfung, dem Küstensanatorium bei Alupka 
am Südgestade der Krim, ebenfalls die Heliotherapie für an chirurgischer Tuberkulose 
leidende Kinder eingeführt und günstige Resultate damit erzielt: 

„Die physikalisch-diätetischen Heilmethoden kommen im Seehospiz in ausgedehntestem 
Maße zur Anwendung, besonderes Gewicht wird auf die Lichttherapie gelegt, stunden¬ 
lang werden die befallenen Glieder oder die Operationswunden entweder direkt oder mit 
einem nur leichten Gewebe bedeckt, den Sonnenstrahlen ausgesetzt. Während des zwei- 
und einhalbjährigen Bestehens der Anstalt wurden in derselben 100 Kinder behandelt, 
viele von ihnen verließen geheilt das Küstensanatorium und konnten sogar die Schule 
besuchen.“ 

In der freien Vereinigung der Chirurgen Berlins, 144. Sitzung am 9. Januar 1905, 
sprach Neuhaus 8 ) zur Frage der offenen Wundbehandlung: 

Neuhaus hat an dem Materiale granulierender Wunden nach Verbrennungen, 
Phlegmonen usw. der chirurgischen Klinik der Charitö nachgeprüft, wie weit die jüngst 
wiederholt gemachten Angaben zutreffend sind, daß solche Wunden ohne Verband, direkt 
der Luft ausgesetzt, besser heilten, als unter dem üblichen Deckverband. Er fand sie 
nicht bestätigt. Die Wunden bedeckten sich mit einem Schorf, unter dem sie aber weiter 

! ) Korr.-Bl. f. Schweizer Arzte 1904. 1. Dezember. 

2 ) Münchener medizinische Wochenschrift 1904. Nr. 48. S. 2159 60. 29. November. 

3 ) Zentralblatt f. Chirurgie 1905. Nr. 6. S. 154. 


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Hermann Strebei, Die Verwendung der äußeren Kathodenstrahlen in der Therapie. 259 


^zernierten. Die Vernarbung ging nicht schneller vonstatten. Wundinfektionen, Erysipel 
wurden nicht beachtet. 

Aus seinem Diktum läßt sich aber nicht ersehen, ob er auch die Insolation benutzt 
tat. und dann ist, wie schon ausgeführt worden, zu betonen, daß die Sonne in Berlin 
Eicht die gleiche therapeutische Wirkung haben könnte, wie 1800 m über Meer in südlich 
«legeuer Gegend. In der Diskussion über meinen Vortrag hatte sich Arnd 1 ), Leiter 
tiucr chirurgischen Abteilung des Inselspitales in Bern, geäußert, er glaube nur an die 
Insolation, nicht an die Austrocknung allein. Diese wurde schon früher oft versucht, ist 
ater ohne Sonnenlicht, was eben das wirksame bildet, machtlos. 

Zum Diktum des Herrn Neuhaus läßt sich aber sagen, daß selbst die reine Aus¬ 
trocknung', sofern sie ja auch nur die gleich guten Resultate bei granulierenden Wunden 
erzielt, als die bisher üblichen Deckverbände, wenigstens den Vorteil der Billigkeit für 
sich beanspruchen darf. 


ii. 

Die Verwendung 

der äußeren Kathodenstrahlen in der Therapie. 2 ) 

Von 

Dr. Hermann Strebei 

in München 


Die Röntgen strahlen sind als transformierte innere Kathodenstrahlen auf- 
nftssen, welche beim Auftreffen auf die Antikathode ihre elektrische Ladung 
HBgebüßt haben und als Ersatz ein größeres Penetrationsvermögen erhielten. 
Bekanntlich ist es Lenard schon vor Entdeckung der Röntgenstrahlen gelungen, 
die Kathodenstrahlen durch ein in die Rohrwand luftdicht angebrachtes dünnes 
Alnminiumfenster in den freien Raum zu leiten, und wenn Lenard bei der Be¬ 
obachtung seiner äußeren Kathodenstrahlen einen Leuchtschirm in die Bahn der¬ 
selben gebracht hätte, so wäre er der Entdecker der Röntgenstrahlen geworden, 
üe er tatsächlich schon fertig in seiner Hand gehabt hat, bevor die Strahlung 
Fpäter von Röntgen erkannt wurde. Wenn man nämlich in einer Entfernung von 
• Vl cm vom Alnminiumfenster den Leuchtschirm aufstellt, so kann man ganz aus- 
F^eichnet das Knochenbild der vorgehaltenen Hand erkennen, weil gleichzeitig 
»it den äußeren Kathodenstrahlen auch Röntgenstrahlen beim Durchtreten der 
inneren Kathodenstrahlen durch die Aluminiumfolie erzeugt werden. 

Die inneren Kathodenstrahlen stellen eine ganz gewaltige Energiequelle dar, 
«■eiche sicherlich bei der Absorption im tierischen Gewebe auffallende Spuren 
tinterlassen muß. Bei der Verfolgung dieses Gedankenganges (seit 1901) kam 
•'“b schließlich zur Feststellung der Tatsache, daß die äußeren Kathodenstrahlen 
— leider sind uns die inneren nicht direkt zugänglich — auf der Haut des 
Menschen einen Entzündungszustand hervorrufen, der die bekannten Wirkungen 


*’) Kott.-BI. f. Schweizer Ärzte 1904. 1. Dezember. 

Z j Vortrag, gehalten auf dem Röntgenkongrefl za Berlin 1905. 

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260 Hermann Strebei 


von Ultraviolett, Röntgen- und Radiumstrahlen absolut übertrifft, wie ich dies 
a. a. 0. bereits ausgeführt habe. Es läßt sich diese Strahlung mit Vorteil für 
bestimmte Krankheitsbilder, hauptsächlich für Lupus, Hautkarzinom verwenden. 

Die äußeren Kathodenstrahlen zeigen eine große Ähnlichkeit mit gewissen 
Teilen der Radiumstrahlen, sie durchdringen mit Leichtigkeit dünne Schichten 
von Holz, Papier, Horn, Metall, werden aber durch Glas und Quarz gänzlich 
absorbiert, erregen Phosphoreszenz, entfalten chemische Wirkungen durch undurch¬ 
sichtige Medien hindurch genau wie die Röntgenstrahlen, erzeugen Ozon, entladen 
positiv und negativ elektrisch geladene Flächen, erzeugen im freien Baume 
Röntgenstrahlen, jonisieren die Luft, lassen sich durch den Magneten ablenken 
und verhalten sich in Gasen wie Licht in trüben Flüssigkeiten. Auf der Haut 
erzeugen sie, wie ich als erster nachgewiesen habe, Entzündungen und wirken 
schädigend auf Bakterien aller Art. 

Bei meinen ersten Versuchen benutzten wir das von Prof. Des Coudres 
angegebene kleine Rohr, das sich aber wie auch die von Lenard angegebene 
Konstruktion nicht gut für therapeutische Absichten eignet, weshalb ich auf die 
Konstruktion eines für solche spezielle Zwecke passenden Rohres hinstrebte, wobei 
mich Herr Prof. Donle in weitgehender Weise unterstützt hat. Wir versuchten 
Röhren mit großem Rauminhalt und wollten dieselben ganz unabhängig vom 
konstanten Anschluß an die Luftpumpe gestalten; dies gelang uns auch im Prinzip, 
doch scheiterte das Problem an der Tatsache, daß schon durch einmaligen Strom¬ 
durchgang von etwa zehn Minuten Dauer das Vakuum so stark verändert wird, 
daß das Rohr keine wirksame Strahlung mehr ausschickt. Ferner läßt sich kein 
auf die Dauer absolut luftdichter Abschluß am Aluminiumfenster herstellen, weil 
die dünne Aluminiumfolie schließlich doch einen ganz kolossalen Luftdruck aus¬ 
zuhalten hat. Nach vielen Abänderungen kamen wir zu der Entscheidung, daß 
ein Rohr mit kleinem Rauminhalt und ständig an die Luftpumpe angeschlossen, 
aber natürlich speziell auf Dauerbetrieb berechnet, auch für die Therapie das beste 
sei. Das Rohr besteht jetzt aus einem etwa 12 cm langen und 3 cm weiten 
zylindrischen Glasrohr mit einer Abzweigung für die Luftpumpe. An einem Ende 
ist das Rohr zugeschlossen und die Kathode mit ihrem Spiegel eingelassen. Am 
andren offenen Ende ist ein massiver schwerer Metallklotz um das Rohr hemm 
mittelst Marineleim luftdicht aufgekittet. Die Stirnfläche des Metallklotzes trägt 
eine 2 mm große zentrale Öffnung, über welche ebenfalls mit Marineleim eine 
Aluminiumfolie luftdicht aufgeklebt wird. Im Glasrohr steckt noch ein Stück 
Alnminiumrohr, welches die Kathodenstrahlen von der Glaswand abzuhalten 
bestimmt ist, um die sonst unvermeidliche rasche und der Kittung schädliche Er¬ 
wärmung zu verhindern. Aus letzterem Grunde ist auch ein massiver Metallklotz 
als Antikathode und Träger des Fensters gewählt worden. Durch eine Wasser¬ 
spülung läßt sich die von der Kathodenstrahlung gelieferte Hitze nicht genügend 
von der Kittung abhalten, wie wir uns persönlich überzeugt haben. Zwischen 
diesem Kathodenrohr und der Quecksilberluftpumpe (wir verwenden als beste die 
von Prof. Donle angegebene Konstruktion') wird ein System von Glasröhren mit 
vier beweglichen Schliffen eingeschaltet, damit das Rohr nach allen Seiten des 

') Die ganze Einrichtung ist zu beziehen durch C. Distier, München, Wiedenmaycrstr. t. 


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UMIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Verwendung der äußeren Kathodenstrahlen in der Therapie. 


261 


Raumes zwecks leichter Einstellung bei der Therapie gewendet werden kann. 
Die Dicke der Alaminiumfolie beträgt 0,03 mm, während von Lenard Folien von 
0.003 mm verwendet wurden. Je dünner die Folie desto mächtiger natürlich ist 
das Kathodenstrablenbündel, aber desto empfindlicher und leichter zerreißlich, sowie 
kleiner wird auch das Fenster. Hat man sich von dem Dichthalten des Fensters 
and der verschiedenen Schliffe überzeugt, so setzt man die Pumpe in Tätigkeit. 
Nach etwa acht bis zehn Minuten ist dann ein Vakuum von 0,02 mm erreicht. 
Inzwischen schaltet man den Strom ein, nachdem man zuvor zwischen Antikathode 
and Wasser oder Gasleitung einen Erdschluß hergestellt hat. Auch wird man 
gut tun, von dieser Leitung eine Abzweigung zum bestrahlten Körperteil gehen 
zu lassen, weil sonst zu leicht zwischen Körper und Antikathode Kondensator¬ 
wirkungen entstehen durch die isolierende Kittschichte hindurch, welche einesteils 
zu unangenehmen elektrischen Entladungen, andernteils zum Durchschlagen des 
Fensters Anlaß geben. Bei der Durchsichtigkeit des Rohres kann man die 
Vorgänge im Vakuum sehr schön verfolgen bis zum Auftreten der Kathoden¬ 
strahlen, welche als zentrales Bündel vom Spiegel der Kathode nach dem Fenster 
hingehen. Ist dieser Zeitpunkt erreicht, dann sieht man im Dunkeln ein vom 
Fenster ausgestrahltes zartes, bläulich weißes Leuchten und auf dem vorgehaltenen 
Leuchtschirm zeigt sich ein glänzend grüner Fleck, ähnlich wie bei sehr stark 
wirksamem Radium, doch noch viel heller. Bei eiuiger Entfernung des Schirmes 
verbreitert sich dieser Fleck zu einer etwa Fünfmarkstück großen leuchtenden 
Scheibe. Das Leuchten wird dann schwächer, immerhin aber glänzt der Schirm 
auch auf größere Entfernung noch auf; dieses letztere Leuchten hängt aber nicht 
mehr mit der Kathodenstrahlenwirkung zusammen. Denn die Kathodenstrahlen 
sind wegen der Absorption in der Luft schon in der Entfernung von 5—8 cm vom 
Fenster nicht mehr wirksam. Nun aber bilden sich beim Auftreffen der inneren 
Kathodenstrahlen auf das Aluminiumfenster auch Röntgenstrahlen, welche vom 
Fenster aus diffus sich ausbreiten und diese sind es, welche noch weithin die 
Luftschichten durchdringen und den Schirm zum Leuchten bringen. 

Es tritt also eigentlich ein Gemisch von äußeren Kathodenstrahlen und 
Röntgenstrahlen in der Luft auf. Um die Wirkung der Röntgenstrahlen von der 
der Kathodenstrahlen zu unterscheiden, braucht man nur ein Aluminiumblech von 
etwa J / 2 mm Dicke vor das Fenster zu halten, so verschwindet sofort das 
charakteristische Leuchten der Kathodenstrahlen und es wirken nurmehr Röntgen¬ 
strahlen allein, während die Kathodenstrahlen vom Blechfilter zurückgehalten 
werden. Ferner lassen sich auch die äußeren Kathodenstrahlen durch den 
Magneten ablenken. Die auf diese Weise ausgegebenen Röntgenstrahlen besitzen 
im Verhältnis geringere Penetrationskraft als die von einem Spezialröntgenrohr 
gelieferten Strahlen, es sind sehr weiche Strahlen, das Fleisch erscheint ganz 
schwarz, die Knochen der Hand sind eben noch erkennbar. Wir haben uns durch 
zahlreiche vergleichende Versuche überzeugt, daß die lebhaften Reaktionen auf 
der menschlichen Haut den äußeren Kathodenstrahlen zuzuschreiben sind, nicht 
aber den Röntgenstrahlen; auch weiß der erfahrene Röntgentherapeut, daß man 
mit gewöhnlichen Röntgenstrahlen nicht im Zeitraum von z. B. 1 / 2 Minute bei 
geringer Stromstärke und Verwendung eines 10 cm Induktors Hautreaktionen 
erzielen kann, die noch dazu schon nach 24 Stunden vorhanden sind. Bei 


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262 


Hermann Strebei 


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Röntgenstrahlenbehandlung tritt eine Dermatitis ersten Grades im allgemeinen 
erst nach 14 Tagen ein. Nun fügen sich zwar die äußeren Kathodenstrahlen in 
das Gesetz ein, daß die Stärke der Entzündung abhängt von der Größe der in der 
Haut zur Absorption gelangten Strahlendosis, und daß das Auftreten der Reaktion 
abhängt von der Menge der Strahlung und der Dauer derselben, aber die Zahlen 
verschieben sich zugunsten der Kathodenstrahlen insofern, als man schon mit 
kleinem Stromaufwand in 1 / 2 bis 2 Minuten sehr lebhafte Hautreaktionen nach 
Ablauf von 24 Stunden erhält, eine Leistung, die weder von Röntgen- noch 
Radiumstrahlen geliefert wird. 

Die Einstellung der zu bestrahlenden Hautstellen geschieht natürlich erst, 
nachdem die Kathodenstrahlung aufgetreten ist. Ist die Sitzung vorüber, so kann 
das Vakuum unter Stillstand der Quecksilberpumpe gehalten werden bis zur 
nächsten Sitzung, und sollte dasselbe etwas gesunken sein, so ist selbst noch nach 
einem Zeitraum von acht Tagen das entsprechende Vakuum im Augenblick wieder 
hergestellt. Man muß nun auch beim Kathodenrohr zwischen harter und weicher 
Strahlung unterscheiden. Wird das Rohr hart, ist also das Vakuum sehr hoch, 
so springen leicht Funken und das Glas wird an irgend einer Stelle durch¬ 
geschlagen. Auch scheint die von einem Rohr in hartem Zustand ausgegebene 
Strahlung nicht so energisch zu sein, als die von einem weichen Rohr, weil eben 
nicht die ganze Stromstärke durch das Rohr selbst hindurchgeht, also die Menge 
der Strahlung sinkt. Ob auch eine Änderung in der Qualität der Strahlung, 
sowie bezüglich der Penetrationsfähigkeit eintritt, ist sehr wahrscheinlich, zumal 
wir ja wissen (Lenard), daß eine Art von Kathodenstrahlenspektrum vorhanden 
ist. Wird das Rohr zu hart, so braucht man nur den Quetschhahn der Luft¬ 
pumpe anzuziehen, wodurch die letztere langsamer arbeitet und das Vakuum bei 
Stromdurchgang sinkt. Ist umgekehrt das Rohr zu weich und tritt Glimmlicht 
auf, so läßt man die Pumpe rascher arbeiten und ist man so imstande, nach 
einiger Übung das Vakuum gut zu beherrschen. 

Hat man kleine Lupusherde zu bestrahlen, so setzt man das Fenster direkt 
auf die einzelnen Knoten auf, man erhält dann Reaktionen von etwa 3—5 mm 
Durchmesser. Will man größere Flächen bis zu 2 cm Durchmesser bestrahlen, 
so setzt man ausgestanzte Ringe oder Quadrate von Kork oder Holz usw. mittelst 
Heftpflaster oder Gummi auf die Haut; dann besteht zwischen Haut und Fenster 
je nach der Dicke der Stanze ein Zwischenraum von >/ 2 bis 1 cm. Die stark 
dispergierenden Strahlen treffen dann die Haut in der freigelassenen Ausdehnung, 
am stärksten in der Mitte, etwas weniger stark an den Rändern. Man mul! 
natürlich dann länger bestrahlen, um die Absorption der Strahlen in der Luft 
auszugleichen, im allgemeinen 3 bis 5 mal länger als bei direktem Aufsetzen. 

Die besten Verhältnisse erhält man bei Verwendung eines Induktors von 
10—15 cm Schlagweite, Akkumulatorstrom, Deprez-Unterbrecher, 10 Volt Primär¬ 
spannung. Bei stärkerem Stromaufwand wird das Fenster sehr rasch durch¬ 
geschlagen, auch wird die durch die inneren Kathodenstrahlen gelieferte Wärme 
so groß, daß die Kittung undicht wird und schmilzt. Bei vorgenannten Strom¬ 
verhältnissen aber kann man stundenlang ohne jede Störung mit dem Rohr arbeiten. 
Schlägt das Fenster nach längerem Gebrauch doch durch, so ist ein neues Fenster 
bei einiger Übung in längstens 10 Minuten aufgekittet. 


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Die Verwendung der änderen Kathodenstrahlen in der Therapie. 


263 


Wie schon erwähnt, hängt die Latenzzeit und die Stärke der Entzündung 
wie bei den Röntgen- und Radiumstrahlen ab von der Größe der primären Strom¬ 
stärke und der Expositionsdauer wie von' der Annäherung des Objektes an das 
Strahlungsfeld. Während ich früher 10—20 Minuten benötigte, um nach etwa 
5—8 Tagen das Auftreten der Entzündung konstatieren zu können, erreichen wir 
jetzt unter Aufwand von 6—8 Volt Spannung bei einem 10 cm Induktor eine so 
heftige Strahlenabgabe, daß schon mit 1 / 2 Minute Exposition nach etwa 48 Stunden 
sich die charakteristische Rötung auf der Haut einstellen kann. Ähnlich wie bei 
der Radiumreaktion, bei der sich nach etwa 8 Tagen bei 10 Minuten Exposition 
(l 1 /, Millionen Uraneinheiten) die Entzündung einstellt und zwar mit Auftreten einer 
kleinen zentralen Blase, zeigt sich diese zentrale Epithelabhebung auch bei der 
Kathodenstrahlenreaktion aber schon nach einer Exposition von 1—2 Minuten inner¬ 
halb 10—24 Stunden. Die Blase trocknet rasch und es zeigt sich eine Verkrustung 
mit entzündetem Hof, der sich immer deutlicher färbt, zugleich besteht Infiltration. 
Nach einigen Wochen stößt sich die Kruste ab, es beginnt langsam die Abblassung 
der Rötung mit Schuppung und es erfolgt allmählich die Ausfüllung des zentralen 
Defektes. Durch Exposition von 10—20 Minuten bei direkter Auflage erzeugt 
man ganz energische Reaktionen, die viele Wochen, ja mehrere Monate zur 
Abheilung bedürfen. Die Abheilung geschieht schließlich ohne auffällige Narben¬ 
bildung und vor allem ohne Bildung von Gefäßektasien, wie auch ohne weißliche 
Verfärbung der Narbe, ganz im Niveau der umgebenden Haut. Hat man eine 
größere Fläche auf einmal bestrahlt, so ist die Narbenbildung ebenfalls ganz 
/deal zu nennen, und es bleibt nur für längere Zeit eine schwache Rotfärbung 
bestehen, welche sich aber nach und nach verliert. Haare, die im Bereich einer 
Entzündung stehen, fallen einige Wochen nach der Bestrahlung von selbst heraus. 
Die Entzündung ist begleitet von einer gewissen Empfindlichkeit, manchmal 
besteht lebhafter Juckreiz in der Umgebung. Wie schon a. a. 0. ausgeführt, 
lassen sich alle Stadien der Dermatitis erzeugen vom einfachen Erythem bis zum 
lang andauernden Ulcus. 

Ich muß auf Grund zahlreicher vergleichender Versuche den Schluß ziehen, 
daß die mittelst äußerer Kathodenstrahlen erzeugten Entzündungen der Haut 
im Vergleich mit den durch Ultraviolett —, Röntgen- und Radiumstrahlen 
erzeugten die absolut und relativ stärksten sind, wenn wir die gleiche Strom¬ 
stärke bei der Berechnung zu Grunde legen, bei Radium l l / a Millionen Uran- 
einheiten. 

Wenn ich die durch die verschiedenen Strahlenarten erzeugten Entzündungen 
in Parallele bringe, so erhalten wir folgendes Bild: 

1. Ultraviolett ruft schon nach 6—10 Stunden eine Lichtentzündung hervor, 
Abstoßung des Epithels bis zur Blasenbildung, Eiterung, Verkrustung, ideale 
Narbenbildung, Abheilung schon nach wenig Tagen, ev. braune Pigmentierung für 
lange Zeit. 

2. Röntgenstrahlen erzeugen eine Dermatitis bei normaler Dosis (5 H) im 
allgemeinen erst nach 14 Tagen, zentral stärker als an der Peripherie, einfaches 
Erythem, Epithelabstoßung ohne und mit Sekretion, Atrophierung, Pigmentierung, 
Gefäßektasien, glatte glänzende Narbenbildung, besonders nach Ulzeration sehr 
häßlich aussehend. Dauer der Entzündung von einigen Tagen bis zu Monaten 


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264 


Hermann Strebei 


und Jahren, möglicherweise sogar mit Rezidiv eines Ulcus. Häufig große Schmerz¬ 
haftigkeit des Prozesses. 

3. Radium erzeugt ganz kleine Reaktionen je nach der Dauer der Bestrahlung: 
bei 10 Min. Exposition nach etwa 8 Tagen, bei 40—50 Min. Exposition schon 
nach 24 Stunden. Zentrale Epithelabstoßung, die bei langer Exposition die ganze 
Strahlungsfläche ergreift. Sekretion gering, Krustenbildung. Reaktionen heilen 
nach einigen Wochen, stärkere erst nach Monaten, alle mit häßlicher Weißfärbung 
der deutlichen Narbe und mit Einlagerung von Blutgefäßen in dieselbe. 

4. Kathodenstrahlen erzeugen je nach Dauer und Stärke der Exposition 
Entzündungen schon nach zehn Stunden bis zur Dauer von einigen Wochen bis 
zu einigen Monaten mit rascher und sehr deutlich auftretender zentraler Epithel¬ 
abhebung und Verkrustung ohne deutliche Sekretion; Rötung und Infiltration der 
Umgebung der Blase innerhalb des bestrahlten Feldes. Abheilung mit kosmetisch 
tadelloser Narbe ohne alle Einlagerungen von Pigment oder Blutgefäßen. 

Als besonderer Vorteil der Kathodenstrahlenreaktion hat zu gelten das rasche 
Auftreten derselben, das ziemlich lange Bestehen, wodurch der Absorption patho¬ 
logischer Einlagerungen Zeit gelassen wird und das tadellose Ahheilen ohne auf¬ 
fallende Narbenbildung. 

Die Tiefenwirkung der Kathodenstrahlen scheint ähnlich zu sein wie die des 
Radium, wie ich mich in vergleichenden Photogrammversuchen überzeugt habe. 
Es nähert sich anscheinend auch sonst ihre Wirkung derjenigen der Radiom- 
strahlen, ohne aber die Bösartigkeit der letzteren zu besitzen. 

Was nun die therapeutische Verwendbarkeit anlangt, so kommt zunächst 
hauptsächlich Lupus, Epitheliom, Hautkarzinom in Betracht. Es genügte eine 
einzige Bestrahlung von 8 bis 10 Minuten, bei der uns heute zur Verfügung 
stehenden Technik aber schon von 2 bis 5 Minuten, um die einzelnen Knoten 
und Infiltrationen zur Absorption zu bringen. Im Verlaufe von einigen Wochen 
und zwar mit viel größerer Promptheit, als man dies z. B. bei den Röntgenstrahlen 
zu sehen gewohnt ist. Es entsteht eine lebhafte Entzündung über dem Lupus¬ 
knoten oder der karzinomatösen Infiltration, welche zur langsamen Absorption 
derselben führt. Die Narhenbildung ist auch hier eine sehr schöne, so daß die 
Kathodenstrahlen hierin mit der Lichtbehandlung konkurrieren können. Als 
Nachteil ist zu betrachten, daß immer nur kleinere Flächen ähnlich wie bei 
Radium behandelt werden können, doch ist man, wie schon erwähnt, auch im¬ 
stande, Reaktionen zu erzielen, welche zum mindesten so groß sind, wie die 
durch einen Finsenlichtkonzentrator erhaltenen Entzündungsflächen. Man muß 
eben dann das Bestrahlungsobjekt etwas vom Fenster abrücken und drei- 
bis fünfmal solange bestrahlen als gewöhnlich. Dies sind aber immerhin noch 
keine so beträchtlichen Zahlen wie die bei der Finsenbehandlung üblichen, wo 
die Exposition über eine Stunde dauert und schließlich doch mehrmals wiederholt 
werden muß. 

Besonders hervorzuheben ist noch, daß sich etwa zwei bis drei Wochen nach 
der Sitzung von selbst der Haarausfall an den bezüglichen Stellen einstellt, ähnlich 
wie bei den Röntgenstrahlen. Ein Nachwachsen der Haare an den so epilierten 
Stellen konnte ich bis jetzt nicht nachweisen. Wir hätten also hier möglicher¬ 
weise ein Mittel zur Verfügung, um mit einer Behandlung eine definitive Epilation 


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Die Verwendung der äußeren Kathodenstrahlen in der Therapie. 


265 


zo erreichen und zwar ohne häßliche Entstellung, wie dies leider bei der Röntgen¬ 
bestrahlung so häufig der Fall ist. 

Daß sich die Kathodenstrahlung eventuell auch in Körperhöhlen einführen 
läßt, habe ich schon anderweitig berichtet. 

Als weitere Beobachtung kann ich mitteilen, daß durch die Kathodenstrahlen 
Blntgefäßerweiterungen zum Verschwinden gebracht werden können, so daß auch 
hier eine Möglichkeit vorzuliegen scheint, Näevus und Teleangiektasien zu be¬ 
seitigen und zwar ohne die nach Radiumbehandlung leider sehr häßlich wirkenden 
Veränderungen der Haut. 

Ich möchte besonders hervorheben, daß die Kathodenstrahlen als wertvoller 
Ersatz der Radiumstrahlen für die Therapie gelten können, und daß die durch 
Radium bedingten häßlichen Narbenbildungen, welche vom kosmetischen Stand- 
pnnkt ans manche Heilabsicht verhindern, für die von mir propagierten Kathoden¬ 
strahlen in Wegfall kommen. Trotz der anscheinend gleich großen Energie der 
Kithodenstrahlen ist der Rückbildungsprozeß schöner als bei den Radiumstrahlen. 
Vermutlich kommt dies daher, weil die Kathodenstrahlen schließlich doch eine 
einheitliche Strahlengattung sind, während bei der Radiumstrahlung vier ver¬ 
schiedene Strahlungs-Qualitäten mit sicherlich ganz verschiedener Wirkung auf 
das Gewebe kombiniert sind. Da zudem die Radiumtherapie insofern praktisch 
illusorisch ist, als man sich heute gar keine therapeutisch wirksame Substanz ver¬ 
schaffen kann, außer mit großem Geldaufwand, so glaube ich um so ihehr die von 
mir in ihren Anfängen ausgebildete Kathodenstrahlen-Therapie empfehlen zu können. 

Ich habe noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, Herrn Professor Do nie 
tnr seine weitgehende Unterstützung zu danken, die er mir in liebenswürdigster 
Weise zuteil werden ließ. Desgleichen habe ich Herrn Fabrikant Trump in 
Nürnberg zu danken, welcher mir in liberalster Weise bei der Beschaffung der 
benötigten Aluminium-Folien zur Hand ging. 


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266 


Julian Marcuse 


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in. 

Die Verwendung des Hygiama als Diätetikum. 

Von 

Dr. Julian Harcuse, 

Sanatorium Ebenhausen bei München 

Die wissenschaftliche Basis, die in den letzten Jahrzehnten die Diätetik 
gewonnen, und die sie zu einer selbständigen therapeutischen Methode empor¬ 
gehoben hat, welche in Verbindung mit den physikalischen Heilfaktoren einen 
integrierenden Bestandteil der modernen Therapie bildet, hat die fundamentale 
Bedeutung der Ernährung des kranken Individuums von neuem zum Ausdruck 
gebracht. Von neuem sage ich deshalb, weil wohl kaum eine Epoche in der 
Geschichte der Medizin zu finden ist, in der nicht mehr oder minder eifrige 
Bestrebungen zutage treten, eine rationelle Ernährung dem kranken Organismus 
zuzuführen, ohne jedoch wenigstens in den letzten Jahrhunderten über die un¬ 
sicheren Grundlagen einer intuitiven Empirie hinauszukommen. Zugleich mit 
dieser wissenschaftlichen Wertschätzung einer rationellen Ernährungstherapie nun, 
die wir nur auf dem Wege der physiologischen Forschung, wie der chemischen 
Zerlegung der Nahrungsstoffe in ihre Bestandteile gewinnen konnten, begann jene 
Hochflut der Darstellung diätetischer Nährpräparate, dieser „Kinder der modernen 
Ehe zwischen Wissenschaft und Geschäft“, wie sie Biedert so treffend genannt 
hat, die alles wegzuschwemmen schien, was auf der Grundlage rationeller Nahrungs- 
mittelerforschung und des Wertes der organischen Nährstoffe für die spezifische 
Tätigkeit des Organismus als unveräußerlich erachtet worden war. Das Problem, 
das Kalorienbedürfnis des Individuums durch ein künstliches Präparat zu decken, 
welches alle zur Aufrechterhaltung unsrer Funktionen notwendigen organischen 
Nährstoffe in einer für den Organismus zuträglichen qualitativen Mischung 
enthalte, war die Flagge, unter der die Überfülle der in die Welt gesetzten 
Nährpräparate segelte, allein die nüchterne Kritik, die sich über den leicht 
begreiflichen Enthusiasmus der Produzenten und Analytiker hinweghob, ent¬ 
kleidete die überaus große Mehrzahl der Diätetika dieser ihnen vindizierten 
Eigenschaften und bezifferte sie allein als Repräsentanten eines etwaigen Nahrungs- 
Stoffes, sei es des Eiweißes, sei es der Kohlehydrate oder des Fettes. Und nach¬ 
dem dies in erster Reihe festgestellt, kam als zweite Frage zur Entscheidung die, 
inwieweit die vornehmlich aus der Reihe der Eiweißpräparate herrührenden Dar¬ 
stellungen in die Bilanz des physiologischen Gesamtumsatzes von Stoff und Kraft 
einzubeziehen wären, und ob die Resorbierbarkeit mit oder ohne Aufschließung, 
mit und vor allem ohne Nebenwirkungen in physiologisch-postuliertem Sinne 
eintrete. Die erste Begeisterung hatte über alle diese Fragen hinweggesehen, 
die einsetzende Kritik warf sie auf und fand bald, daß die allerwenigsten der 


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Die Verwendung des Hygiama als Diätetikum. 


267 


künstlich hergestellten Präparate diesen Anforderungen entsprachen und bald nach 
der einen, bald nach der andern Seite hin ihren Unwert bewiesen. Damit trat, 
zumal in ärztlichen Kreisen — Publikus stürmte nach wie vor auf die durch eine 
aufdringliche Reklame am hellsten ins Tageslicht gesetzten Nährmittel zu —, eine 
herbe Skepsis ein und schuf eine klare Begrenzung der Aufgaben und des Wesens 
rniährungstherapcutischer Bestrebungen. Ihren exakt formulierten Ausdruck fanden 
dieselben in den Sätzen Klemperers im Leydenschen Handbuch der Ernährungs¬ 
therapie und Diätetik, die da lauten: , 

„Die Darreichung künstlicher Nährpräparate ist erwünscht in allen Zuständen, 
welche die Aufnahme und Verwertung gewöhnlicher Speisen erschweren. Wenn 
der Appetit darniederliegt oder gar Widerwillen gegen die Nahrungsaufnahme 
vorhanden ist, wenn das Kanen und Schlucken erschwert ist durch Munderkrankung 
oder durch Versiegen der Speichelsekretion, wenn die Magenschleimhaut schmerzt 
oder anatomische Läsionen aufweist, wenn die Bewegungen des Magens oder die 
Absonderung des Magensaftes krankhaft verändert sind, wenn die Darmfunktionen 
in irgendeiner Weise gestört sind, in allen diesen Lagen kann der Genuß der 
einen oder der anderen Speise kontraindiziert und der Ersatz durch ein Nähr¬ 
präparat erwünscht erscheinen, welches die fehlende Funktion zu kompensieren 
geeignet ist.“ 

Wie die Verwertung eines jeden Nahrungsmittels, so wird auch die eines 
Nährpräparates per se durch zwei Faktoren bedingt: einmal durch die Verdaulichkeit 
desselben, und zweitens durch die Verwendbarkeit des Verdauten im Organismus, 
feen beiden Anforderungen, die als Resultate der physiologischen Ernährungs¬ 
lehre zu betrachten sind, schienen in erster Reihe die Eiweißkörper und von 
diesen wiederum die aus animalischem Eiweiß gewonnenen Substanzen zu genügen. 
Aach hier ging die Praxis der wissenschaftlichen Erkenntnis voraus, denn wir 
Boden schon, lange bevor Liebig das Zeitalter des Fleischextraktes begründete, 
künstliche Präparate in Form von Extrakten aus animalischem Eiweiß dargestellt. 
Me Frage nnn, ob animalisches oder vegetabilisches Eiweiß irgend welche Vor¬ 
züge hinsichtlich der Verwertung im Organismus biete, ist für die Nährpräparate 
im engeren Sinne durch neuere einschlägige Arbeiten wohl endgültig dahin 
entschieden worden, daß nicht die Provenienz, sondern die Reinheit, d. h. der 
6rad, in welchem es gelungen ist, das Substrat von Schlacken, von unverwertbaren 
Material zu befreien, entscheidend ist. Damit wurde das Dogma von der Präparierung 
des animalischen Eiweiß gebrochen, und zwar waren es vor allem das Aleuronat 
ond das Roborat und der Nachweis ihrer Ausnützung im Organismus, die dies in 
‘reter Linie zustande brachten. Mit diesen Versuchen und ihren einwandfreien 
Ergebnissen wurde die Bahn geöflnet einer weiteren Reihe von Nährpräparaten, 
die an sich schou längst im allgemeinen Kostregime und in der Diätetik am Kranken¬ 
bett eine einflußreiche Rolle gespielt hatten, nämlich den sogenannten auf¬ 
geschlossenen Hafermehlen und ihren Adnexen, den ursprünglichen Repräsentanten 
der Kohlehydratpräparate. Nachdem der Nachweis gelungen, daß dieselben sehr 
beachtenswerte Eiweißmengen enthalten, daß ihre Ausnützung eine vorzügliche 
ist. so daß sie als gehaltreiche und leicht assimilierbare Nahrung zu verwenden 
sind, war ihre Stellung im Rahmen der Diätetik präzisiert, und ihre Koordination 
neben den reinen Eiweißpräparaten animalischer oder vegetabilischer Observanz 


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268 


Julian Marcuse 


gegeben. Und so sind auch in letzter Zeit die ursprünglich nur als Kinder- 
nahrungsmittel angesehenen löslichen Stärkemehle mehr und mehr in den Vorder¬ 
grund allgemeinen Interesses gerückt und haben sich als äußerst nutzbringend in 
der diätetischen Küche erwiesen. Als Repräsentant derselben dient das von 
Theinhardt dargestellte Hygiama, dessen Zusammensetzung nach überein¬ 


stimmenden Analysen etwa folgende ist: 

Wasser.4.7 

Eiweiß.21.2 

Fett. 10.0 

Lösliche Kohlehydrate.49.10 

Unlösliche Kohlehydrate.11.33 

Nährsalze . ,.3.55 


Die Ausnutzbarkeit des Hygiama wurde durch Stoffwechselversuche, die von 
Stüve in der v. Noordenschen Klinik, von Lebbin und anderen unternommen 
wurden, als eine außerordentlich günstige nachgewiesen, zugleich auch von 
Hundeshagen und Philipp der verhältnismäßig niedrige Gehalt des Präparates 
an Chlornatrium einwandfrei festgestellt, nämlich von nur 0.56°/ 0 . Diese Momente 
schufen das klinische Indikationsgebiet für die Anwendung des Hygiama in allen 
den Fällen, wo es sich um die Darreichung eines absolut reizlosen, leicht resorbier¬ 
baren und im Sinne einer rationellen Kalorienzuführung wirkenden Nährmittels 
handelt, nämlich bei konstitutionellen Krankheiten, Störungen der Ernährung, bei 
Schwächezuständen allgemeinster Art, in der Rekonvaleszenz etc. Auch hierüber 
liegen eine große [Reihe von Publikationen vor, unter denen ich unter anderen 
nenne die von Schlesinger, Kraus, Rohden, Schürmayer etc. Persönliche 
Erfahrungen aus längerer Zeit, die ich mit Hygiama gesammelt, fanden eine 
wesentliche Ergänzung in Fällen jüngster Gegenwart, die einem Regime mit 
diesem Präparat unterzogen wurden, und deren beachtenswerte Ergebnisse sind 
die ursächliche Veranlassung vorstehender Ausführungen. Nachdem die Vorfrage: 
„Wie wird Hygiama genommen und vertragen“ von zahlreichen andern Beobachtern, 
wie auch von mir in einer unübersehbaren Reihe von Fällen im günstigsten 
Sinne beantwortet worden war, war die Möglichkeit der Anwendung auch überall 
da gegeben, wo anscheinend unüberwindliche Anorexie, Widerwille gegen jede 
Zuführung von Speisen, und ähnliche Zustände Vorlagen, wie nicht minder dort, 
wo organische und physiologische Veränderungen des Intestinaltraktus die Ein¬ 
verleibung einer Normalkost unmöglich machten, bzw. die Hinzufügung eines 
Nährmittels zur Aufrechterhaltung der Bilanz des Gesamtumsatzes unbedingt 
erheischten. Derartige Krankengeschichten waren folgende: 

1. Patientin, ein 25 Jahre altes Dienstmädchen, seit acht Tagen bestehendes TJlcns 
ventriculi mit typischen Beschwerden. Nach der üblichen Karenzzeit ständige Darreichung 
von in Milch gelöster Hygiama drei Wochen hindurch, solange die Hämatemesis bestand. 
Ernährungszustand durchaus befriedigend, keine Abmagerung, Körpergewicht nach drei¬ 
wöchentlichem Krankenlager das alte. 

2. Patient, ein 22jähriger Phthisiker mit floriden Erscheinungen, vor allem einer 
wahrscheinlich auf der Basis psychischer Depression entstandenen Anorexie, die ZIir 
Zurückweisung nahezu aller Speisen fuhrt. Nachdem auch die Milch, die einige Tage 
ertragen wurde, abgelehnt war, Versuch mit Hygiama, das zu gleichen Teilen mit Kana 
und Milch gemischt wurde. Überraschend schnelle Annahme desselben und nahezu vier 


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Die Verwendung des Hygiama als Diätetikum. 


2G9 


wöchentliche Darreichung bis zur Überführung in eine Lungenheilstätte. Körpergewicht 
nur gering innerhalb dieser Zeit zurückgegangen, dagegen Lust zum Essen und Geschmacks¬ 
empfindung zurückgekehrt. 

3. Patientin, eine 38 jährige Frau, an akuter Nephritis leidend, auf Milchdiät gesetzt, 
die nach achttägiger strenger Durchführung trotz mannigfachster Kombination mit andern 
Nalimngsstoflfen verweigert wird. Daraufhin Darreichung von Hygiama in Milch, die mit 
einigen Unterbrechungen nahezu einen vollen Monat hindurch gereicht wurde. 

4. Patientin, ein 16jähriges Mädchen mit typischen Symptomen von Chlorose: Müdigkeit, 
Kopfschmerzen, Schwindel, Seitenstechen, Herzklopfen etc. Außerdem klagt Patientin über 
Drtiekgefiihl im Magen, Appetitlosigkeit und Aufstoßen. Die Untersuchung ergab einen 
typischen chlorotischen Habitus, geringes Ödem in den unteren Extremitäten, leichtes 
Blasen am ersten Herzton. Hydrotherapeutisch wurden heiße Bäder verabreicht, außerdem 
an Stelle von Eisenpräparaten, die Patientin früher angewandt, aber nie vertragen haben 
will, Hygiama ordiniert. Mit rascher Besserung des Allgemeinzustandes ging eine 
wesentlich vermehrte Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme Hand in Hand, die gastritischen 
Beschwerden schwanden, unter erhöhtem Appetit trat eine Zunahme des Körpergewichts 
— innerhalb vier Wochen 3 kg —, eine Steigerung der Eßlust, kurzum des gesamten 
Statns ein. 

Insgesamt verfüge ich über 48 Fälle, in denen ich in den letzten Jahren 
Hygiama als ausschließliches Diätetikum angewandt habe, zu denen noch eine 
weit größere Anzahl hinzutritt, wo ich dasselbe im Anschluß an andere diätetische 
Medikationen gereicht habe. In sämtlichen Fällen wurde dasselbe gern und mit 
Lust genommen, und welcher Wertschätzung es sich in der diätetischen Küche er- 
feöt, dies lehrt ein Blick in die neueste Auflage des Dornblüthschen Koch¬ 
buchs, 1 ) das in einer großen Reihe von Kochrezepten die Verwendung von 
Hygiama direkt vorschreibt. In erster Reihe in Verbindung mit Milch und Kakao, 
weiterhin aber auch mit Eigelb, Hafermehl, als Unterlage einer Reihe von Süß- 
und Mehlspeisen kann es bei geschickter Anordnung weiteste Verwendung finden 
und seinen Zwecken als diätetisches Nährmittel gerecht werden. In den Grenzen, 
denen alle Nährpräparate unterliegen und die darin gegeben sind, daß kein 
einziges existiert, welches sämtliche zur Aufrechterhaltung unsrer Funktionen not¬ 
wendigen organischen Nährstoffe in einer derart für den Organismus zuträglichen 
qualitativen Mischung enthielte, daß es allein hinreichte, seinem Kalorienbedürfnis 
zu entsprechen, hat sich das Hygiama eine Stellung erworben, die es unbestritten 
einnimmt und voll einnehmen wird trotz allem, was nach ihm gekommen ist und 
wettbewerbend um die Gunst der Wissenschaft wie des Publikums in die 
Schranken tritt. 

‘j Otto Dornblüth, Diätetisches Kochbuch. Zweite Auflage. Würzburg 1905. 
L Stnbers Verlag. 


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270 


J. Sadger 


IV. 

Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 

Von 

Dr. J. Sadger 

in Wien-Gräfenberg. 

Ich habe schon anderswo ausgesprochen, daß die wahre Domäne der Wasser¬ 
heilkunde, i. e. jenes Feld, da man sie durch gar keine andre Behandlung, durch 
nichts in der Welt zu ersetzen vermag, nicht das Gebiet der Neurosen ist, sondern 
das der akuten fieberhaften Infektionskrankheiten. Und ich möchte an dieser 
Stelle gleich beifügen, daß jene Vorschriften, welche Vincenz Prießnitz, der 
Vater der modernen Hydriatik, vor 70 und 80 Jahren schon gab, auch heute noch 
absolut mustergültig sind, trotzdem sie die wenigsten mehr befolgen. 

Als allgemeine Regel für die Bekämpfung der akuten Infektionen galt in 
Gräfenberg immer die Dämpfung der allzugroßen Hyperthermie durch gewechselte 
Packungen und Abschluß derselben mit einem abgeschreckten, mehr weniger lange 
währenden Halbbad. Als weitere Regel, die Laken zu den Wickeln soviel als 
möglich auszuringen, die letzteren immer wieder zu wechseln, sobald die Lein¬ 
tücher warm zu werden begannen, und endlich das Halbbad nicht eher zu beenden, 
als bis man mit der Hand in der Achselhöhle des Kranken keine größere Hyper¬ 
thermie mehr fand, als an der übrigen Körperoberfläche. Für die croupöse Pneu¬ 
monie speziell bestand die Kur nach beglaubigten Aussagen der Badediener darin, 
daß, „sobald die Hitze zu steigen begann, der Kranke mehrere unmittelbar auf¬ 
einander folgende kurze feuchte Einpackungen und hierauf ein abgeschrecktes 
(16, 18 bis 20 °) 1 ) Halbbad mit mehrmaligem Nachguß bekam. Sobald sich nämlich 
das Badewasser während des Bades erwärmt hatte, mußte jedesmal kaltes Wasser 
mit Vorsicht und nicht viel auf einmal nachgegossen werden. Wir gebrauchten 
hierzu immer nur die kleinen hölzernen Schöpfer, nie die große Kanne. Auch 
durfte das kalte Nachgußwasser nie direkt auf den Kranken geschüttet werden. 
Die Füße mußten wir immer stark reiben. Prießnitz befühlte während des Halb¬ 
bades den Patienten zeitweise unter dem Arm (Achselhöhle) oder im Genick, und 
nach der vorhandenen Temperatur mußte derselbe weiter baden oder ans der 
Wanne herausgenommen werden. Nach dem Bade wurde dem Patienten sogleich 
die Kreuz- und Kopfbinde angelegt, welche erneuert werden mußten, sobald sie 
sich erwärmt hatten. Dies wurde fortgesetzt bis zur nächsten Kur mit feuchten 
Einpackungen und darauffolgendem abgeschreckten Halbbad. Die Kur wurde 
immer dann gemacht, sobald bei dem Kranken die Hitze zu steigen begann, 

') Die Grade sind hier wie im ganzen Artikel in R angegeben. „Abgeschreckt“ östcr- 
reicliischer Provinzialismus für temperiert, Kotzen gleich große wollene Einpackdecke. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


271 


gleichviel, ob es Tag oder Nacht war.“ Von dieser, ich möchte sagen regulären 
Behandlung fanden Ausnahmen statt, zumal in verschleppten und unzweckmäßig 
behandelten Fällen, endlich noch bei stark vortretender Pleuritis. Da gab es Kranke 
mit so heftiger Atemnot und Seitenstechen, daß sie selbst die häufig gewechselten 
Packungen nicht mehr vertrugen, und andrerseits solche, die einen besondren 
Nervenreiz heischten. In beiden Fällen verordnete Prießnitz da& mehrfach zu 
wiederholende Wechselbad (Halbbad, Vollbad, Halbbad, siehe die beiden ersten 
Krankengeschichten und meine Studie „Verloren gegangene Prießnitzkuren“, Zeit¬ 
schrift f. diät. u. physik. Therapie, Januar 1905, S. 4 ff.) und außerdem fleißig 
gewechselte Kreuzbinden in den bäderfreien Zeiten. 

Man wird den mitgeteilten Krankengeschichten weiter entnehmen, daß die 
Halbbäder niemals so kurze Zeit währten, als heute üblich, bloß 8—10—15 Minuten, 
sondern mindestens */ 2 — s / 4 Stunde und sehr häufig darüber 1, V/ 2 und in ganz 
besonders extremen Fällen selbst mehrere Stunden. Welch große Vorteile dies 
Protrahieren der Halbbäder bot, will ich im spätem auseinandersetzen. Zunächst 
aber ein paar Krankengeschichten, die mehrfach gut beglaubigt sind und das 
Vorgehen Prießnitz’ illustrieren. 

Fall 1. Frau Sophie von Ujhazy, die gravide Lieblingstochter Prießnitzens 
betreffend, von ihr selber erzählt und von mehreren Augenzeugen bestätigt. Sie war 
eines Nachts, durch Feuerlärm aufgeschreckt, nur notdürftig bekleidet, ins Freie gestürzt. 
..Am nächsten Tage,“ fährt sie dann fort, „fühlte ich schon etwas Stechen in der Brust, 
und mschlimmert sich mein Zustand über Nacht derart, daß ich am nächsten Morgen 
fcaaia mehr atmen konnte und heftiges Stechen hatte. Infolge dieser außerordentlichen 
Heftigkeit der Krankheit wurde ich an diesem Tage in drei Intervallen jedesmal acht- 
bis zehnmal, binnen 24 Stunden zusammen 26 mal gebadet, und zwar mußte ich zuerst 
m ein abgeschrecktes Halbbad, in welchem ich stark frottiert, und in welches allmählich 
kaltes Wasser nachgegossen wurde (nachdem vorher von dem erwärmten immer aus¬ 
geschöpft worden). Aus dem Halbbade brachte man mich in die Vollwänne, wo ich nur 
einige Sekunden verblieb. Mein Vater befahl mir, in diesem den Atem anzuhalten. Nach 
dem Vollbad mußte ich wieder in das Halbbad mit Frottierung des Körpers und Nach¬ 
guß kalten Wassers zurück, dann wieder in das Vollbad und so fort acht- bis zehnmal, 
re?p. solange, bis das Stechen aufhörte. Hierauf brachte man mich in das Bett, wo 
ich trocken frottiert und dann mit Kreuzbinden alle zwei Stunden versehen wurde. Er¬ 
neuerte sich das zu heftige Stechen und wurden die Atembeschwerden unerträglich, so 
ließ mich mein Vater die vorhin beschriebenen Wechselbäder solange machen, bis das 
Stechen und die Atemnot wieder nachgelassen hatten. Hernach kam dann immer das 
Trockenfrottieren im Bett und die gewechselten Kreuzbinden. In 24 Stunden war die 
erwünschte Besserung eingetreten. Am dritten Tage mußte ich noch einige Sitzbäder 
nehmen nebst den zweistündlich zu wechselnden Kreuzbinden. Als Stärkungskur ver- 
»rdnete mir mein Vater nachträglich noch für einige Zeit kurze nasse Einpackungen bis 
zur Erwärmung des Leintuchs am Vor- und Nachmittage, jedesmal mit nachfolgendem 
abgeschreckten Halbbad. Es dauerte nicht lange, so war keine Spur mehr da von der 
durchgemachten so heftigen und gefährlichen Krankheit.“ 

Fall 2, gleichfalls gut beglaubigt: „Frl. S. v. H., 26 Jahre alt, war 1832 nach 
einer plötzlich eingetretenen erschütternden Gemütsbewegung in einen Zustand erhöhter 
Reizbarkeit versetzt worden, dem sich allmählich stets heftiger werdende Gichtbeschwerden 
zugesellten. Im Sommer 1837 überstand sie in Wien eine Brustfellentzündung, von 
welcher sie mittelst wiederholter Blutentziehungen und des Gebrauches innerlicher Mittel 
nach der gewöhnlichen Behandlungsweise im Verlaufe von mehreren W T ochen geheilt 
wurde. Des immer bedeutender werdenden Gichtleidens wegen suchte diese Kranke in 
Gräfenberg Hilfe, als sie in der Nacht vor ihrer Ankunft daselbst infolge der bedeutenden 


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J. Sadger 


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Reisestrapazen plötzlich aufs neue von den ihr bereits genau bekannten Erscheinungen 
befallen wurde. Von Stunde zu Stunde erhöhte sich dieser Zustand, und so kam gegen 
9 Uhr morgens die Leidende in bereits vorgerücktem Grade der Lungenentzündung in 
Gräfenberg an. Heftige Hitze mit Eingenommensein des Kopfes, die Unmöglichkeit, 
nur etwas tiefer einzuatmen, ein festsitzender, stechender Schmerz bei jedem Atmungs¬ 
versuch, vorhergegangener Frost mit Hitze abwechselnd in Verbindung mit großem 
Durst, dickem, klumpigen Blutauswurf, trockenem Hüsteln, mit heftiger werdendem 
Schmerz vergesellschaftet, eine brennend heiße Haut und ein all diesen Erscheinungen 
entsprechender Puls zeigten nur zu deutlich, mit welchem Leiden hier in Kampf zu 
treten sei. Prießnitz ließ die in höchstem Grade erschöpfte Kranke sofort in ein 
nasses Leintuch schlagen 1 ) und dasselbe binnen einer Stunde dreimal wechseln. Gleich¬ 
zeitig legte er alle 5 Minuten naßkalte Umschläge auf die Brust. Hierauf ward sie in 
ein abgeschrecktes Bad gebracht, in welchem ihr ganzer Körper eine halbe Stunde lang 
durch zwei Personen tüchtig gerieben wurde. Nach eingetretenem heftigen Schüttel¬ 
fröste zeigte sich bald eine erhöhte Wärme, worauf dann Prießnitz sofort das Ein¬ 
tauchen in die kalte Wanne verordnete, unmittelbar nach demselben aber die Kranke 
wieder in das laue Bad zurückbringen ließ. In dem kalten Wasser wurde das Stechen 
in der Brust für den Augenblick heftiger empfunden, und das Einatmen schien fast 
unmöglich; in das laue Wasser zurückgekehrt, fühlte die Kranke sich jedoch um vieles 
wohler. Nochmals wurde das Frottieren, besonders der unteren Gliedmaßen eine Viertel¬ 
stunde, dann wieder das Eintauchen in das kalte Wasser wiederholt, und abermals folgte 
ein heftiger, stechender Schmerz und beschwerliches, kürzeres Einatmen. Zam dritten 
Male in das laue Wasser zurückgebracht, wurden die Füße 6 Minuten lang tüchtig 
gerieben und Patientin dann wieder in das nasse Leinentuch eingeschlagen, dazwischen 
ein kalter Umschlag auf die leidende Körperhälfte eingeschoben und dieser häufig 
gewechselt. Viel kaltes Wasser zum Getränk. Am Nachmittage, sowie am Abend 
desselben Tages, da die heftige Fieberhitze mit den übrigen Krankheitserscheinungen noch 
nicht weichen zu wollen schien, ward die Kranke zum zweiten und dritten Male wie am 
Morgen in das laue und kalte Wasser gebracht und nochmals in nasse Tücher 
gewickelt. Nunmehr trat nach jeder dieser Operationen eine Milderung der Erscheinungen 
ein; während das Atmen noch schnell und kurz blieb, war ein etwas tieferes Einatmen 
doch schon möglich, der blutige Auswurf hatte sich bedeutend gemindert, der Husten¬ 
reiz ziemlich verloren, der fixe, stechende Schmerz, das Fieber, sowie die im hohen 
Grade vorhanden gewesene Eingenommenheit des Kopfes bedeutend nachgelassen. Die 
Nacht über etwas Schlaf, bei jeder Bewegung im Bette jedoch wiederholte sich starkes 
Stechen. Die Umschläge um die Brust wurden nun stärker ausgerungen, und mit einem 
trockenen Tuche bedeckt. Am zweiten Tage morgens ließ Prießnitz die Kranke, 
deren Haut in dem nassen Leintuch in erhöhte Tätigkeit gekommen war und etwas 
Schweiß ausgeschieden hatte, in das laue Bad bringen, woselbst noch etwas Stechen und 
Atembesclrwerden empfunden wurden. Als hierauf Frl. v. H. nochmals in das kalte 
Wasser getaucht ward, trat noch ein einziges Mal ein heftiges Stechen in der leidenden 
Seite ein, dann waren aber alle krankhaften Erscheinungen gewichen, die Brust war 
gänzlich frei und das Gefühl eines vollkommenen Wohlbefindens plötzlich zurückgekehrt. 
Auf Prießnitzens Wunsch mußte die Kranke noch wiederholt tief einatmen, die Brust 
tüchtig mit kaltem Wasser reiben und 7 Minuten lang in dem kalten Bade verweilen. 
Wäre es gestattet worden, so würde sie gern länger drin ausgehalten haben. Noch an 
demselben Morgen erschien ein Bläschenausschlag um den Mund, am Nachmittag schwitzte 
Patientin nochmals, wenn auch nicht lange in dem nassen Tuche, nahm darauf ein laues, 
sodann aber ein kaltes Bad und fühlte sich hierauf ungemein gekräftigt. Die daram- 
folgende Nacht ging sehr gut vorüber, und am folgenden Tage war nicht eine Spur dei 
Krankheit mehr vorhanden, so daß die Teilnahme am gemeinschaftlichen Mahle statt¬ 
finden konnte.“ 

*) „Nasses Leintuch“ hieß in Gräfenberg soviel als nasse Einpackung zum Unterschiede 
von dem „Kotzen“, der trockenen Schwitzpackung in der wollenen Decke. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


273 


Überblickt man die beiden vorstehenden Berichte, so darf man wohl sagen, 
daß es sich trotz mangelnder ärztlicher Diagnose um echte Pleuropneumoniefälle 
handelte. Zumal die zweite Krankengeschichte wird durch das so charakteristische 
Sputum und das Auftreten eines Herpes labialis über jeden diagnostischen Zweifel 
tresteilt. Dies vorweggenommen, verblüfft am meisten die rasche Umwandlung 
des Decursus morbi durch die Hydriatik. Da hören wir nichts von einer tage¬ 
langen Febris continua, nichts von üblen Zufällen, nichts endlich von der sonst 
üblichen Krise nach mehreren Tagen. Vielmehr ist der wesentliche Krankheits- 
rerlauf jener keineswegs abortiven Fälle in 24 Stunden sogut wie zu Ende — 
man kann hier wohl nicht anders urteilen, als durch die vorgenommenen hydria- 
tischen Eingriffe. Eine echte Pleuropneumonie, bei welcher die Kranke schon 
am dritten Tage in Stand gesetzt wird, an den Malzeiten der Übrigen im besten 
Wohlsein teilzunehmen, das grenzt beinahe ans Wunderbare. Nun könnte man 
immer noch daran denken, daß hier einmal Ausnahmsfälle Vorgelegen hätten. 
Daß dem nicht so war, vielmehr auf dem Gräfenberg solch rapide Heilungen 
zur Regel gehörten, dafür besitzen wir einen klassischen Zeugen in Wilhelm 
Winternitz, der unter dem Schüler und Nachfolger Prießnitzens, dem prak¬ 
tischen Arzte Josef Schindler, dies mit eigenen Augen wiederholt gesehen 
hat. Ich führe aus der ersten Auflage seines großen Lehrbuches (II. Bd., 2 Abt., 
S. 30$ ff.) eine Krankengeschichte an, die zeigt, was ein erfahrener Hydriater 
zu leisten imstande ist, wie eine sicher diagnostizierte Pneumonie durch eine 
einzige Prozedur coupiert werden kann, und wie man sich endlich bei inter- 
knmerenden Kollapszuständen zu helfen vermag. 

Fall 3: „Frau Caroline von M., 47 Jahre alt, eine kräftige, wohlgenährte Frau, 
bei der sich die Annäherung des Klimakteriums in den Katamenien, durch zeitweilig 
profuse Menstrualblutungen durch Kongestionerscheinungen zu Kopf und Lungen zu er¬ 
kennen gibt, erkrankt im Winter 1869 nach einer patenten Erkältung und Durchnässung 
der Füße am Tage des Eintrittes der Menstrualblutung mit einem heftigen Schüttel¬ 
fröste, dem große Hitze, schmerzhaftes, bei jeder Inspiration gesteigertes Stechen in der 
Brust folgt. Ich wurde schleunigst zu der Kranken beschieden, doch ehe ich eintraf, 
batte ihr Gemahl, ein Wasserfanatiker schlimmster Art, die Kranke bereits in eine 
feuchte Einpackung gelagert. In den ersten Minuten hatte sich die Kranke erleichtert 
gefühlt, doch bald nahmen die Beschwerden wieder zu, sie konnte die Rückenlage nicht 
ertragen, das Atmen w r ar kaum möglich, heftiges Stechen in der Brust, große Atemnot, 
•-norm gesteigerte Respirationsfrequenz 1 ). Ich linde in meinen Aufschreibungen die kaum 
glaubliche Zahl von 62 angegeben. Das Atmen sehr oberflächlich, eigentlich ein beständiges 
trockenes, sehr schmerzhaftes Husten. Da die Kranke es in der Einpackung nicht aus- 
hädten konnte, die Wolldecke sich allenthalben bereits sehr warm anfühlte, der an der 
Karotis geprüfte Puls kaum zu zählen, aber kräftig war, das Gesicht blaurot gedunsen 
erschien, beschloß ich, die Kranke auszupacken und in das vorbereitete 16° Halbbad 
zu bringen, um die offenbar hohe, in der Einpackung jedoch nicht zu bestimmende Fieber¬ 
temperatur möglichst rasch zu ermäßigen. 

Es waren mir zu jener Zeit noch wenige ähnliche Fälle vorgekommen, und Sie 
werden begreifen, daß ich meine ganze moralische Kraft zusammennehmen mußte, um die 
mir dringlich erscheinende Anzeige wirksam zu erfüllen. Nur das Vertrauen der Wasser- 
tanatiker der Familie stärkte meine Energie und eine Anzahl von ähnlichen Fällen, 


$ Der Mißgriff lag darin, daß die feuchte Einpackung nicht gewechselt wurde, sobald 
das Laken sich zo erwärmen begann. „In den ersten Minuten hatte sich die Kranke erleichtert 
gefühlt.“ Anm. d. Verf. 

ZeitKfcr. L di&L o. phyiik. Therapie Bd. IX. Heft 5. 19 


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J. Sadger 


die ich von Schindler in Gräfenberg mit dem glänzendsten Erfolge behandeln 
sah, ließen meinen Mut nicht sinken. Die Frau wurde in das Halbbad gesetzt and 
sogleich mit dem Badewasser kräftig über Kopf und Rücken übergossen und von mehreren 
Personen am ganzen Körper frottiert. Wenige Momente nach dem Einsetzen in das 
Wasser zeigte sich eine mich sehr erschreckende, areolare, zyanotische Hautinjektion an 
der ganzen Körperoberfläche. 

Sollte ich nun die Frau, die ich von früher her genau kannte, von der ich wußte, 
daß ihre Organe, Herz, Lungen, bis dahin ganz gesund gewesen, die erst seit wenigen 
Stunden erkrankt war, bei der keine Zeichen von Herzschwäche zu vermuten waren, 
noch fieberheiß aus dem Bade heben lassen? Ich hege heute, nach vielfacher ander¬ 
weitiger Erfahrung die Überzeugung, daß ich der Kranken damit sehr geschadet hätte. 
Ich mußte rasch einen sehr kräftigen thermischen Reflexreiz auslösen, dadurch das Herz 
zu kräftigerer Aktion anspornen, tiefe Respirationen hervorrufen, die Temperatur coute que 
coute herabsetzen. Ich ergriff rasch ein großes, bereitstehendes Gefäß mit kaltem Wasser 
und stürzte dasselbe von beträchtlicher Höhe in einzelnen Güssen über Kopf und Nacken 
der Patientin. Unter fortwährender Friktion und Übergießung veränderte sich bald das 
Hautkolorit. Die Haut nahm eine gleichmäßige, lebhaft rote Färbung an. Die Patientin 
begann nun selbst im Bade mitzuarbeiten, sich zu frottieren, sich frei in der Wanne zu 
halten, tiefer und ruhiger zu atmen. Zeitweilig wurde nun kaltes Wasser in die Wanne 
zugegossen und so die Temperatur des Bades immer mehr herabgesetzt. Häufig fohlte 
ich zu, ob die Achselhöhlen auch schon abgekühlt seien. Es dauert das bei so hohen 
fieberhaften Temperatursteigerungen manchmal ziemlich lange, und man lernt dies bald 
durch die gehörige Betastung ziemlich sicher abschätzen. Das Bild, das die Patientin 
darbot, war jetzt ein viel beruhigenderes, das fortwährende Hüsteln hatte ganz aufgehört. 
20 Minuten hielt ich die Kranke in dem Halbbade, dessen Temperatur durch die un¬ 
geheure im Bade abgegebene Wärmemenge nur bis auf 14° abgekühlt worden war. Die 
Kranke stieg selbst, kaum unterstützt, aus der Wanne, atmete ruhig, tief und ohne 
Schmerzäußerung und hustete anfangs garnicht. Ich ließ ihr nun, nachdem sie abgetroeknet 
war, eine Kreuzbinde anlegen und sie ins Bett bringen. Ich habe die Kranke nicht 
untersucht, W'eil bei der nach dem Bade doch etwas klappernden Dame das Ergebnis ein 
wenig verläßliches gewesen wäre. Nur eine Temperaturbestimmung in der Vagina wurde 
gemacht, und diese ließ wohl vermuten, daß die Körperwärme vor dem Bade enorm hoch 
gewesen sein mag. Denn nach dieser kolossalen Wärmeentziehung zeigte das Thermo¬ 
meter noch immer 38° C. Die Kranke verlangte etwas saure Milch, die ich ihr gestattete. 
Sie schlief bald darnach ein, transpirierte in der Nacht mäßig und erwachte am andern 
Morgen relativ wohl. 

Die nun vorgenommene physikalische Untersuchung ergab eine leichte Schall¬ 
verkürzung mit etwas tympanitischem Timbre an der Basis des rechten Thorax, keine 
deutlichen Konsonanzerscheinungen, unbestimmtes Atmen und Knisterrasseln. Normale 
Temperatur, Puls 80, Respiration 20, mäßiger Husten ohne Expektoration. Außer dem 
Wechseln der Kreuzbinden nach je vier bis fünf Stunden hielt ich jede hydriatische 
Prozedur für unnötig. Aufenthalt im Bette, Milchdiät. Am andern Morgen wurden 
einige spärliche rostbraune Sputa expektoriert bei vortrefflichem sonstigen Befinden. Die 
Lokalaffektion war am vierten Tage nicht mehr aufzufinden. Ein leichter Bronchial¬ 
katarrh blieb durch einige Wochen zurück.“ 

An diese Krankengeschichte knüpft W'ilhelm Winternitz noch folgende 
Betrachtungen: 

„Diese in meiner Erfahrung nicht vereinzelte Beobachtung ist in 
der Tat höchst beachtenswert. Zunächst lernen wir aus derselben, daß es vor¬ 
schnell geurteilt ist, wenn wir alle die überraschenden Tatsachen, die uns von 
Prießnitz und den rohen Empirikern, die ihm nachäfften, berichtet werden, in 
Bausch und Bogen in das Bereich der Erfindungen und Übertreibungen verweisen. 
Cum grano salis verdienen manche ihrer Angaben eine eingehende Würdigung 


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I)io Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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and viele eine exakte Nachprüfung. Vieles wird uns dann verständlich, vieles 
erklärlich werden, was andernfalls der Theorie und Praxis verloren wäre. Solcher 
Fälle nun, wo bei scheinbar sehr ernsten Krankheitserscheinungen eine exzessive 
W&rmeentziehung den Zustand rasch zur Besserung oder Heilung führte, sind in 
der Laien-Wasserliteratur zahlreiche verzeichnet. Können wir in dem mitgeteilten 
Falle von einer coupierten Pneumonie sprechen? Ich leugne es. 

Was ich vertreten möchte, ist nur, daß durch die rapide Coupierung der 
fieberhaften Temperatursteigerung der ganze Prozeß in viel milderer Form ver¬ 
laufen ist, daß dadurch das Herz gekräftigt, die passive Kongestion in der Lunge 
beseitigt, die normalen Ernährungsvorgänge in diesem Organe bei zur Norm herab¬ 
gesetzter Bluttemperatur rasch wiederhergestellt wurden. Dadurch wurde der 
eigentliche Entzündungsvorgang auf jene begrenzte Partie beschränkt, in der er 
wahrscheinlich zur Zeit des Beginns der Behandlung bereits so weit fortgeschritten 
war. daß er durch wiederhergestellte normale Temperatur-, Zirkulations- und 
Respirationsbedingungen nicht einfach ausgeglichen werden konnte. In dieser 
Partie jedoch, einem kleinen Herde, machte er jene Metamorphosen durch, wie 
wir sie bei günstig ablaufenden lobären Pneumonien nach dem Fieberabfall be¬ 
obachten. 

Ob es in allen Fällen, wo wir so frühzeitig eine entsprechende antipyretische 
Behandlung einzuleiten in der Lage wären, gelingen müßte, einen so vollkommenen 
Erfolg zu erzielen, ich glaube es nicht. Gewiß hängt derselbe von den mannig¬ 
fachsten individuellen, konstitutionellen und ätiologischen Momenten ab; daß aber 
eine Ermäßigung des Prozesses fast stets erreichbar sein dürfte, das wird wohl 
am zuverlässigsten durch die Beobachtung einer unter natürlicher Krisis ablaufen¬ 
den Pneumonie bewiesen. Betrachten Sie doch einen Pneumoniker am fünften 
oder sechsten Krankheitstage mit ausgebreiteter Infiltration in einer und selbst 
in beiden Lungen. Solange seine Temperatur auf 40° und darüber steht, leidet 
er unter der größten Atemnot, unter den größten subjektiven Beschwerden. 
Der kritische Temperaturabfall tritt ein, der Kranke entfiebert, die objektiven 
Symptome sind kaum verändert, und doch sind die subjektiven Beschwerden nach 
dem Ablauf weniger Stunden zauberartig verschwunden. Bringen Sie nun durch 
den therapeutischen Eingriff frühzeitig und ausgiebig die Temperatur zum Abfall, 
werden Sie, wie in dem Ihnen eben mitgeteilten Falle noch vor dem typischen 
Ablauf des Prozesses die subjektiven Beschwerden ermäßigen, oft ganz beseitigen. 
Der mit der heftigsten Atemnot ringende Kranke, der von dem quälendsten 
stechen in der Brust bei jedem Respirationsakt Gefolterte, sie verlassen meist, 
wenigstens für eine Zeit von Schmerzen befreit die Wanne.“ 

Man sieht auf der Stelle, daß die von Winternitz hier geübte Behandlung 
weit milder ist, als die von Prießnitz. Gewechselte Packungen und die Wechsel¬ 
bäder sind ersetzt durch ein einziges kühles Halbbad von 20 Minuten, allerdings, 
wie es schon Prießnitz lehrte, unter ständigem, starken Frottieren des Körpers. 
End doch genügt schon die eine Prozedur, nach Gräfenberger Begriffen wohl 
etwas zu wenig, um eine unzweifelhafte Pneumonie am Fortschreiten zu hindern, 
das Fieber zu brechen, gefahrdrohende Symptome und eine späte Krise zu bannen. 
Ja, Winternitz bemerkt im Text ausdrücklich, daß „diese Beobachtung nicht 
vereinzelt dastehe“, daß er „eine Anzahl von ähnlichen Fällen von Schindler in 

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Gräfenberg mit dem glänzendsten Erfolge behandeln sah“, und auch ich vermag 
nach eignen Erfahrungen mit Prießnitz’ Vorschriften dies voll zu bestätigen. 
Bemerkenswert bleibt noch in allen drei geschilderten Fällen die jähe Umwandlung 
des ganzen gewohnten Krankheitsbildes. Da gibt es nicht erst nach mehreren 
Tagen schweren Leidens, vielleicht sogar nach einer Perturbatio procritica einen 
kritischen Temperaturabfall unter starkem Schweißausbruch, vielmehr wird sofort 
die Hyperthermie fast zur Norm herabgedrückt, eventuell durch Wiederholung der 
Prozeduren auf dieser erhalten. Das Schwitzen erfolgt allmählich und langsam, 
nötigenfalls befördert durch ein feuchtes Laken (s. Krankengeschichte 2); endlich 
wird die Entzündung durch jene intensivste Antiphlogistik zum mindesten insoweit 
coupiert, daß jedes Fortschreiten und damit die wesentlichste Lebensgefahr ganz 
ausgeschlossen bleibt. Ob nicht noch obendrein andre Faktoren bedeutsam mit¬ 
spielen, will ich dann später ausführlich erörtern. 

Von jener Gräfenberger Hydriatik hat die Klinik bis heute nicht Notiz 
genommen, obwohl nachgerade Winternitz wenigstens zum Rang eines Klinikers 
avancierte. Sie knüpft vielmehr für die Wasserbehandlung der Pneumonie an den 
Namen Theodor Jürgensen an. Bekanntlich war es der Stettiner Ernst Brand, 
der bewußt oder unbewußt unter Gräfenberger Traditionen stehend, schon 1861 
für den Bauchtyphus Wasserbehandlung forderte und deren glänzende Erfolge 
bewies. Das Büchlein des unbekannten Arztes wäre vermutlich spurlos vergessen, 
hätte Jürgensen nicht sich der darin angeregten Hydriatik mit aller Wärme 
angenommen und sie in seiner Weise „verbessert“. Wenn Brand in der ersten 
Auflage seiner Schrift noch dem laueren Halbbad mit kräftigster Frottierung den 
Vorzug gab, so ward dies durch Jürgensens mächtigen Einfluß zugunsten des 
kalten Vollbades verdrängt, die Friktionen als nebensächlich verworfen und alles 
auf die Wirkung der Kälte gestellt, die ja scheinbar am besten antipyretisch 
wirkte, d. h. die Hyperthermie des Körpers am mächtigsten drückte. Jürgensens 
unleugbares Verdienst ist aber die Ausdehnung der so geschaffenen Typhns- 
Hydriatik auf die Pneumonie, das starre Festhalten an seiner Methode, trotzdem 
er bis heute nicht allzuviele Nachfolge fand, und deren stets eifervolle Verbreitung 
in ärztlichen Kreisen. Die Grundsätze, die er in den 70 er Jahren des vorigen 
Jahrhunderts für die Pneumoniebehandlung aufstellte, sie sind zum größten Teil 
heute noch gültig, weshalb ich sie hier ausführlich zitiere. 1 ) 

„1. Die mechanischen Störungen, welche die Lungenentzündung hervorruft, 
kommen erst durch das sie begleitende Fieber zum Ausdruck; 

2. die Gefahren, welche eine genuine Pneumonie für das Leben des von 
ihr Ergriffenen herbeiführt, droht in erster Linie dem Herzen des Kranken. Weit¬ 
aus die größte Mehrheit der Pneumonietoten ging an Herzschwäche zugrunde. 2 ) 
Daraus folgt: 

’) In Betracht kommen da hauptsächlich „Grundsätze für die Behandlung der croupösen 
Pneumonie“, Volkmanns Sammlung klinischer Vorträge Nr. 45 und der Pneumonieartikel im 
Handbuch von Pentzoldt-Stintzing. Von geringerer Bedeutung sind der analoge Artikel in 
Ziemßens Handbuch sowie „Croupöse Pneumonie, Beobachtungen aus der Tübinger Poliklinik 1 ', 
Tübingen 1883. 

a ) Daran hält Jürgensen auch gegenüber der Curschmannsehen Schule fest, die an 
Stelle dos Herzens die Vasomotoren setzen möchte. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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3. der Arzt soll das Herz während der Dauer der Pneumonie in den Stand 
setzen, die durch diese Krankheit bedingte Mehrleistung zu vollbringen. 

Spezifisch wirkende Mittel, welche die Krankheitserreger der Pneumonie zu 
vernichten oder ihre schädlichen Wirkungen abzuschwächen vermögen, kennen 
wir nicht. Ebensowenig ist uns ein anderweitiges Verfahren bekannt, das die 
Pneumonie in ihrer Entwicklung zu hemmen oder ihren Verlauf günstiger zu ge¬ 
stalten vermöchte. Die Behandlung muß älso eine gegen die bedrohlichen Er¬ 
scheinungen gerichtete sein. Diese gehen, wie oben erwähnt, in erster Linie vom 
Herzen aus.“ 

Unsere wichtigste Aufgabe, „die Tätigkeit des Herzens aufrecht zu erhalten, 
zerfallt in zwei Teile: 

a) Prophylaxis gegen Herzschwäche; 

b) Bekämpfung der bereits eingetretenen Herzschwäche. 

Die Prophylaxis gegen Herzschwäche bei der Pneumonie fällt im wesent¬ 
lichen mit der Sorge für die Herabsetzung der Temperatur zusammen. Daß dieser 
Angriffspunkt zu bevorzugen sei, darauf deutet auf das allerbestimmteste die Tat¬ 
sache hin, daß trotz örtlich andauernder Störungen normal mit dem Nachlaß des 
Fiebers auch die Gewalt der Krankheit gebrochen ist.“ Die Herabsetzung der 
Hyperthermie dürfe niemals durch Mittel geschehen, die das Herz selbst schwächen. 
Von dem Reste der internen Medikamente, die da noch verbleiben, gibt Jürgensen 
dem Chinin den Vorzug, welches er Erwachsenen in der Dosis von 2 • 0 zwischen 
sechs and acht Uhr abends reicht. „Anhaltender Gebrauch des Chinins ist nicht 
zn empfehlen, weniger wegen dessen Wirkung auf das Herz, als wegen der 
■Störungen des Gehirns und der Verdauungswerkzeuge. Hingegen läßt mich fort¬ 
gesetzte Erfahrung an dem Gebrauche der Bäder festhalten.“ 

Ehe er auf die spezielle Methodik eingeht, entkräftet er noch eine Reihe 
von Einwänden, die leider auch heute noch immer wieder vorgebracht werden. 
..Darf man einen Pneumoniker baden, ihm direkt Wärme entziehen? Es ist nicht 
zu leugnen, daß hier a priori Gründe sich aufdrängen, welche gerade von dem 
Standpunkte meiner Auffassung aus ernste Bedenken wachrufen müssen. Man 
kann mit Recht darauf hinweisen, daß ein jedes Bad von dem Moment an, in 
dem die Gefäße der Peripherie sich unter dem Einfluß der Kälte kontrahieren, 
in den Gefäßbahnen vermehrte Widerstände und damit eine vermehrte Arbeit für 
das Herz herbeiführt. Nach derselben Richtung hin wirken die im Bade selbst 
ersteigerte Wärmeproduktion und die vermehrten Anforderungen an Herz und 
Respirationsmuskeln, welche die Mehrausfuhr von Kohlensäure macht. In der Tat 
sehr gewichtige Bedenken. Nur auf die Erfahrung gestützt, läßt sich etwas 
wesentliches gegen dieselben Vorbringen. Und zwar sage ich: mir und meinen 
Schülern ist das nie passiert, obwohl meines Wissens niemand so häufig, so kalt, 
so konsequent im Einzelfall hat baden lassen wie ich. 

Ein andrer Einwand gegen kalte Bäder — ein für die Durchführung der 
Rehandlungsweise in der Praxis im allgemeinen bei Ärzten wie bei Laien gleich 
hindernder — ist der, daß sich die Kranken hierbei erkälten. Die Furcht, daß 
'lies geschehen könne, macht ganz verständige Männer so ängstlich wie Kinder, 
denen man vom schwarzen Manne erzählt. Und doch ist der schwarze Mann und 
Erkältung bei schon bestehender Pneumonie ein objektiv gleichwertiges Etwas. 


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Um dieses seit Jahrhunderten ruhelos umgehende Gespenst zu erlösen, will ich 
meine Erfahrungen, meine auf reiche Prüfung gegründeten Ansichten noch nach 
einer andern Seite hin hier entwickeln. 

Der Pneumoniker braucht vor allem frische Luft. Kann man ihm 
dieselbe verschaffen, ohne daß Zugwind entsteht, gut. Habe ich aber zwischen 
schlechter Luft und Zugwind zu wählen, so wähle ich den Zugwind, und meine 
Kranken befinden sich wohl dabei. Ich sehe eher seltener als häufiger die schul¬ 
gerechten „Erkältungskomplikationen“: Bronchialkatarrh, Pleuritis, Pericarditis etc. 
Ebensowenig habe ich einen Einfluß auf die Entstehung von Nachkrankheiten, 
welche sich aus der örtlichen Affektion entwickeln, chronische Pneumonie, Phthisis etc. 
bemerkt. Ich würde daher nicht anstehen, in den Fällen, wo eine Wärme- 
entziehung erforderlich und kein Wasser zu haben wäre, so lange meine Kranken 
der kalten Luft auszusetzen, bis das notwendige Maß von Abkühlung er¬ 
reicht wäre.“ 

„Meine Erfahrung berechtigt mich also, den theoretisch gut begründeten 
Bedenken, wie dem unbegründeten Vorurteil gegenüber es auszusprechen, daß bei 
Pneumonikem direkte Wärmeentziehungen erlaubt sind.“ 

„Mein Verfahren ist dieses: 

1. Bei kräftigen Erwachsenen und mittelschwerer Erkrankung kann man 
sich der Regel bedienen, welche man für die Wasserbehandlung des Typhus ge¬ 
wöhnlich befolgt. Es wird ein Bad von der Temperatur, welche das Brunnen¬ 
wasser eben hat — niedere ist nicht zu scheuen — gegeben, so oft die Tempe¬ 
ratur im Mastdarm 40° erreicht. Die Dauer des Bades richtet sich nach der 
Wirkungsgröße desselben und schwankt zwischen 7 und 25 Minuten. 

2. Bei Kindern ist, wenn die Körperwärme nicht viel über 40° C hinaus¬ 
geht, das regelmäßige Baden eher zu entbehren. Ihr Herz ist viel leistungsfähiger, 
sie erliegen erfahrungsgemäß der gemeinen Pneumonie, die nicht kompliziert ist, 
selten. Man kommt mit kalten Einwicklungen meist aus. 

3. Greise, Schwache, besonders auch Fettleibige verlangen besondere Er¬ 
wähnung. Bei ihnen ist, selbst wenn schwere Erkrankung vorliegt, die Körper¬ 
wärme lange nicht immer erheblicher gesteigert; sie erreicht nur einige Male 40°, 
bewegt sich für gewöhnlich zwischen 38,5 und 39,5. Diese verlangen eine ganz 
besondere Sorgfalt. Ich benutze hier gern den Vorteil, welchen uns die bei keiner 
der gewöhnlichen fieberhaften Erkrankungen aufgehobene, der Norm parallele Ver¬ 
teilung des Steigens und Fallens der Temperatur über die 24 ständige Periode 
bietet. Laue Bäder (20—24° R), in den frühen Morgenstunden (4—7 Uhr) 20 
bis 30 Minuten lang angewandt, bringen die Temperatur für eine relativ erheb¬ 
liche Zeit in diesen Fällen herunter. Eine gleichzeitig dargereichte Dosis 
Chinin hält die Wirkung fest. Am Tage (von etwa 10 bis 10 Uhr) wirken sie 
weniger lange. 

4. Handelt es sich um hartnäckige Steigerung der Körperwärme auf mehr 
als 41° C, um wahre Hyperpyrexie, dann sind sehr kalte Bäder (bis zu 6° C) 
von höchstens 10 Minuten Dauer, welche aber, wenn nötig, alle zwei Stunden 
oder noch öfter wiederholt werden müssen, geboten. Wie weit man gehen kann 
und wie wenig das jüngere Lebensalter eine Gegenanzeige liefert, habe ich am 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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schlagendsten erfahren, als mir meine damals 19 Monate alte Tochter in kurzer 
Zeit zum dritten Male an einer schweren Pneumonie erkrankte. Die Temperaturen 
gingen über 41 0 und kehrten so rasch nach Bädern von 16 0 zurück, daß ich 
mich genötigt sah, die Temperatur des Badewassers auf 6—6 0 und die Dauer der 
Bäder auf 10 Minuten zu bestimmen. Mein Kind genas — nicht ein einziges Mal 
während der mehrtägigen Anwendung dieser extremen Wärmeentziehungen trat 
die leiseste Erscheinung von Kollaps auf. Später habe ich noch mehrfach Ge¬ 
legenheit gehabt, Kranke in dieser Weise zu behandeln. Nie habe ich meine 
Konsequenz beklagt. Aber die eine Vorsichtsmaßregel lege ich Ihnen dringend 
ans Herz. Lassen Sie keinen Pneumoniker baden, dem Sie nicht vorher und 
nachher ein Reizmittel gegeben haben, und verstärken Sie dasselbe, wenn die 
Temperatur des Wassers niedriger genommen und die Dauer des Bades verlängert 
werden muß. 

5. Stärkeres Daniederliegen der Kräfte, Störungen des Bewußtseins — 
knrz, was die Alten Status typhosus nannten, was wir hier als Intoxikation deuten, 
verlangt, selbst wenn die Körperwärme nur mäßig erhöht ist, bedeutenderes Ein¬ 
greifen. Im ganzen soll man häufiger baden. Richtiger ist es, kälteres Wasser 
zu wählen und die Dauer des Einzelbades zu kürzen. Oder aber, die Bäder 
werden mit wärmerem, sogar lauem Wasser (30° C) gegeben, aber während der¬ 
selben wird eine ausgiebige Übergießung mit so kaltem Wasser, wie man es 
nur haben kann, ein- oder zweimal vorgenommen. Eine starke Abreibung muß 
folgen. 

Es kommt so als die Hauptsache die erregende Wirkung des 
kalten Wassers auf das Gesamtnervensystem zur Geltung. 

Was die Frage der Gegenanzeigen betrifft, so ist es naheliegend, daß Herzr 
schwäche die Anwendung der stärkeren Wärmeentziehung verbiete, weil eine 
plötzliche umfangreiche Zusammenziehung der Hautgefäße infolge der Kälte eine 
ernsthafte Erschwerung der Herzarbeit herbeiführen könne. Die Erfahrung aber 
lehrt, daß dem nicht so ist, selbst wenn man sehr kaltes Wasser verwendet. Es 
kann durch ein recht kaltes Bad sogar unmittelbar Herzschwäche, welche be¬ 
trächtlich genug ist, um den sich aufrichtenden Kranken ohnmächtig zu machen, 
erheblich vermindert werden. Was sonst von Gegenanzeigen in Betracht kommen 
könnte, wüßte ich theoretisch konstruierend nicht anzugeben. In der Praxis ist 
mir keine aufgestoßen.“ 

Besonders wird endlich von Jürgensen dem Alkohol das Wort geredet. Den 
gibt er einfach bei jeder Pneumonie. Was gegen seine Anwendung bei der 
Lungenentzündung vorgebracht werde, hält er für nichtig. Er steigere nicht die 
Körperwärme, vermindre sie eher. Solange das Fieber andauert, vertrage der 
Fiebernde Mengen von Alkohol, die beim Gesunden sicher Rausch erzeugten. 
Trotzdem erziehe er niemals Säufer aus Fiebernden, denen man zur Zeit ihrer 
Krankheit Alkohol gereicht. Niemals sei endlich Herzschwäche zu befürchten, 
wenn man mit der Alkoholzufuhr aufhöre. Hingegen sieht Jürgensen im Alkohol 
ein Sparmittel für die Körpergewebe und, was das Allerwichtigste ist, ein treff¬ 
liches Reizmittel für das Herz. „Wer die Pneumonie mit kalten Bädern behandelt, 
wird wohl daran tun, den Wein als Reizmittel für das Herz vor und nach dem 
Bade darzureichen,“ denn „der Alkohol ist nicht allein Peitsche, sondern auch 


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J. Sadger 

Hafer für das Herz“; indem er dieses zur positiven Mehrleistung anspornt, schafft 
er den Sauerstoff, ohne welchen Muskelarbeit unmöglich ist. 

Trotzdem Th. Jürgensen auf schöne Erfolge hinweisen konnte — gleich in 
seiner ersten Publikation auf ein Herabgehen der Mortalität genau um die Hälfte 
—, hat er doch bis heute nur allzuwenig Nachfolge gefunden. Am meisten noch 
im bayrischen Heere durch die Bemühungen des Generalstabsarztes Vogl, der 
allerdings bis auf die Brand sehen Typhusvorschriften zurückging. Vogl hat 
erst vor wenigen Jahren „über wissenschaftliche Hydrotherapie und Wasser¬ 
kuren“ 1 ) eine Studie veröffentlicht, die seine über 20 jährigen hydriatischen Er¬ 
fahrungen bei Scharlach, Lungenentzündungen, Typhus, Lungentuberkulose und 
Herzkrankheiten zusammenfaßt. Auch er steht unbedingt zu Jürgensens Lehre, 
daß von dem Zustande und der Arbeit des Herzens der Ausgang der Pneumonie 
abhänge und die Therapie sich leiten lassen müsse. Ferner daß „die heutige 
Pneumonietherapie keinen Einfluß auf den Verlauf der Krankheit habe und wenig 
Macht, der schon sinkenden Herzkraft aufznhelfen. Darin allein schon liegt eine 
Berechtigung der Hydrotherapie. Außer dieser Erwägung hat mich zur Kalt¬ 
wasserbehandlung der Pneumonie die eigene Erfahrung gedrängt, daß die Herab¬ 
setzung der Typhusmortalität durch die Bäderbehandlung zum großen Teile auf 
die hierdurch gesetzte Verringerung der komplizierenden hypostatischen, mitunter 
auch croupösen Pneumonie und ganz besonders auf deren günstige Beeinflussung 
durch die verschärfte Anwendung des kalten Wassers (Bäder mit eiskalter Nacken- 
und Rückenübergießung) zurückzuführen war. Auf meiner Station des hiesigen 
Garnisonlazaretts ist über 20 Jahre lang in allen (nicht primär komplizierten) 
Pneumoniefällen nach der Formel: alle 2—3 Stunden ein 1 U ständiges Bad von 
20—15° C (= 16—12° R), so oft die Temperatur in recto 39,0° bzw. 39,5° 
mißt, gebadet worden, also nach einer Anweisung, die nicht abweicht von der 
bei Typhus, Scharlach, eben weil sie ja nicht spezifisch gegen die Krankheit, 
sondern auf den Schutz des erkrankten Organismus gegen die Allgemeininfektion 
gerichtet ist. 

Die eigentlichen „Badeeffekte“ sind nun in der Pneumonie nicht sehr groß; 
sie sind nach 3 oder auch nach 2 Stunden schon wieder verschwunden, so daß oft 
die Febris continua in der Kurve gar nicht unterbrochen ist; gleichwohl erscheinen 
die Durchschnittszahlen aus den 8 bzw. 12 Messungen ebenso wie im Typhus — 
nur nicht so gesichert und nicht so progressiv — um ca. 1 ° C herabgesetzt; 
man kann bestimmt sagen, der Krankheitsfall wäre ohne Bäder 7 Tage lang aut 
einem viel höheren Temperaturniveau verlaufen. Und dies allein schon ist für 
die Erhaltung des Herzens und seiner Leistungen nicht gleichgültig. Hohe 
Temperatur begünstigt die toxische Wirkung auf dessen Gewebe sowie den 
ganzen Organismus. 

Eingreifender und entscheidender ist die Wirkung des Kälte¬ 
reizes auf die Zirkulation, Respiration und Innervation. 

Nachdem der Kranke beim Einsetzen in das kalte Bad den Atem etwas 
angehalten hat, wird er zu einer tiefen Inspiration veranlaßt, welche von einer 
sofortigen Expektoration gefolgt ist; es schwindet die Vox interrupta, die Cyanose 


*) Münchener Medizinische Wochenschrift 1902, Nr. 3. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 281 

hindert sich, das Atmen vertieft sich und das Sensorium wird frei etc. Nach 
dem Bade zeigt die günstige Veränderung der Pulsfrequenz und Beschaffenheit 
sn. wie sehr die Herzarbeit erleichtert ist; die Teilnahme des Kranken an dem, 
was um ihn vorgeht, sein Verlangen nach Nahrung, die er bisher verweigert hat, 
bekunden die Belebung des Nervensystems. 

Diese Wirkung, ebenso unverkennbar als wichtig, hält auf einige Stunden 
nach und muß neu ausgelöst werden, wenn sie verklungen ist; sie wird vom 
Kranken selbst am meisten empfunden und recht oft trotz der scheinbaren Härte, 
die gerade dem Bade bei Pneumonie mehr als bei Typhus und Scharlach anhaftet, 
wieder herbeigewünscht. Als Summation dieser Einzeleffekte erfolgt Hebung der 
Digestion, also der Ernährung, Steigerung der Diurese, Elimination der toxischen 
Produkte. 

Man ist nun angesichts solcher unwiderleglicher Effekte des 
Kältereizes allerdings geneigt, der Hydrotherapie eine Indikation zu¬ 
zuerkennen, doch nur in „schweren“ Fällen, wo „Herabsetzung der 
Temperatur, Hebung der Herzaktion, Förderung der Atmung und Be¬ 
lebung der Gesamtinnervation geboten erscheinen“; aber ich meine, 
diese Aufgabe sei in jedem Pneumoniefall der Therapie gestellt, und 
wenn man überhaupt von einer „leichten Erkrankung bei Pneumonie 
ohne Würdigung der individuellen Widerstandskraft des Herzens 
reden kann, in einer leichten Form doch erfolgreicher zu lösen, als in 
einer schwereren; in dieser aber wird man sich bei einer solchen 
Zurückhaltung gegen die Hydrotherapie erst recht nicht entschließen, 
den Kranken mit schwerer Dyspnoe ins kalte Bad zu setzen“. 

Zur Technik jener kalten Bäder gibt Vogl noch die folgenden Vorschriften: 
..Es muß, wenigstens dem ersten Bad, der Arzt, richtig anweisend, beiwohnen. 
Der Kopf und der Nacken des Kranken sind vor allem kalt zu waschen und dann 
mit einer naßkalten Kompresse zu belegen zur Verhütung der Bückstauungs- 
k. mgestion; vor Einsetzen in das kalte Bad ist die Darreichung einer kleinen 
Tasse heißen Tees mit Kognak unerläßlich, nicht allein als Stimulans, sondern 
zur Erweiterung der Hautgefäße (Alkoholwirkung!), also zur Förderung der 
Reaktion und der Abkühlung des Blutes in den erweiterten Gefäßen durch das 
folgende kalte Bad. Damit deckt sich auch die noch viel wichtigere Vor¬ 
nahme, deren Unterlassung jede Badewirkung illusorisch und meist 
sogar schädlich gestaltet, daß der Kranke vom ersten Augenblick ab 
im Voll- oder Halbbad ununterbrochen von einer oder noch besser zwei 
Personen mit je einem großen Schwamme am ganzen Körper energisch 
abgerieben werde; die Haut muß im Bade noch rot und warm und immer mit 
neuen kalten Wassermengen in Berührung gebracht werden; der Kranke muß 
wiederholt aufgefordert werden, tief zu atmen, bekommt noch während des Bades 
Md dann am Schlüsse heißen Tee mit Kognak und wird in denselben Zeitab- 
stinden dreimal an Hinterhaupt, Nacken, Bücken und Brust mit je 2—3 Litern 
^kalten Wassers aus ganz geringer Höhe begossen. Aus dem Bade gehoben, 
wird er mit einem gewärmten Leintuch fest und flüchtig abgetrocknet und in das 
ait Wärmeflaschen gewärmte (namentlich am Fußende) Bett gebracht und gut, 
»ach allen Seiten abgeschlossen, bedeckt, bis die Badewirkung abgelaufen ist. 


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So durchgeführt, bereitet das kalte Bad dem Pneumoniker absolut 
keine Gefahr! Ich bin mir der Tragweite dieses Ausspruches ebenso 
wie seiner Richtigkeit bewußt.“ 

Das Ergebnis des ersten Bades kann schon an sich eine günstige Um¬ 
gestaltung des Zustandes sein und dient überdies als Direktive für die Fortsetzung 
ev. Verschärfung oder Abschwächung der Vornahme im Rahmen des gegebenen 
Schemas; es können diesem aber auch abweichende Vornahmen eingefügt werden, 
darunter vor allem wärmere Bäder mit kalter Begießung des Kopfes und der 
Brust, sowie auch selbstverständlich der Anwendung innerer Stimulantia bei 
drohendem Kollaps nichts entgegensteht, deren Wirkung durch den Herzsclilaucli 
noch wesentlich erhöht wird. Ebensowenig wird man engherzig auf dem Schema 
verharren, wenn eine ungewöhnliche subjektive oder objektive Reaktion oder die 
Gestaltung des Verlaufes eine Milderung gebietet; es werden einmal das allmäh¬ 
lich abgekühlte Bad von halbstündiger Dauer, ein andres Mal kalte Teil¬ 
waschungen (9°R) mit Abreibungen täglich viermal (Pick) oder da, wo man jede 
Bewegung des Kranken zu meiden Anlaß hat, kalte Stammumschläge (16° C) 
erneut, so oft die Temperatur in zwei- oder dreistündiger Messung 38 bzw. 39° (' 
beträgt (Baruch, Brieger u. a.), zulässig und durchaus nicht ohne allgemeine und 
namentlich örtliche Wirkung sein, aber immer mehr oder weniger einem 
Verzicht gleichkommen auf das, was man von einem sofort eingesetzten 
und methodisch durchgeführten Kältereiz von bestimmter Stärke er¬ 
warten darf: Belebung der Innervation, Zirkulation und Respiration; 
nur damit gelingt es, den Kranken über die Gefahr des Nachlasses der 
Herzkraft hinwegzuhelfen und im Falle der Genesung möglichst wenig 
in seinem Stoffbefunde geschädigt in die Rekonvaleszenz zu über¬ 
führen. Anreihend soll noch der große therapeutische Wert der Lokaltherapie 
der Pneumonie erwähnt werden; kalte Kompressen auf die erkrankte Brustseite. 
wie auch ein Eisbeutel über einer nassen Kompresse der Brastwand aufgelegt, 
haben sicher eine Wirkung auf den örtlichen Krankheitsvorgang und können die 
oft angezeigten Morphiuminjektionen mit Erfolg ersetzen. 

Wir sehen in diesen Ausführungen Vogls, Brands strenge Vorschriften der 
Typhus-Hydriatik auf die Lungenentzündungen übertragen und durch mehr 
denn zwanzigjährige Erfahrung als wirksam sanktioniert. Im einzelnen sei nach- 
drücklichst verwiesen auf die außerordentliche Bedeutsamkeit des Kältereizes für 
Herz und Zirkulation überhaupt, für Respiration und Innervation, welche Wirkung 
aber bloß den methodisch durchgeführten kalten Bädern, nie aber Lokalprozeduren 
zukäme; des weiteren auf die absolute Gefahrlosigkeit dieser kalten Bäder, welche 
Vogl mit größtem Nachdruck hervorhebt; und endlich auf den Satz, daß man jene 
strenge Hydriatik bei jeder Pneumonie an wenden müsse, nicht etwa bloß in 
schweren Fällen. Für die Technik erscheint beachtenswert, daß auch Vogl nicht 
des Alkohols entraten mag und in den Bädern unablässige Friktion des Kranken 
durch eine oder zwei Personen vorschreibt. 

Während Vogl sämtliche, Jürgensen mindestens sehr viele Pneumoniker mit 
Bädern behandelt, stehen die übrigen Kliniker, sogar Befürworter des kalten 
Wassers, auf dem engen Standpunkt, die Bäder, wenn überhaupt, bloß in schon 
unverkennbar schweren Fällen zu Heilversuchen zuzulassen. So meint z. B. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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t. Liebermeister, 1 ) der unter den Klinikern als einer der ersten die Lungen¬ 
entzündung mit Bädern anging: „Bei der Pneumonie kann ebensowenig wie bei 
andern fieberhaften Krankheiten unsre Aufgabe sein, das Fieber zu unterdrücken; 
wir haben nur dafür zu sorgen, daß nicht die Temperatursteigerung den Kranken 
and namentlich sein Herz zugrunde richte. Es ist deshalb nicht in jedem 
einzelnen Falle von Pneumonie eine antipyretische Behandlung er¬ 
forderlich; vielmehr ist es Sache des umsichtigen Arztes, zu entscheiden, wann 
er der Natur freiesten Lauf zu lassen und wann er einzugreifen habe.“ Und 
Matthes, der doch ein Lehrbuch der klinischen Hydrotheraphie verfaßte, schließt 
sich ihm an (2. Aufl. S. 204): „Wir baden durchaus' nicht jeden Pneu- 
moniker, sondern beschränken die Bäder auf die Fälle mit exzessiv 
hohem oder langem Fieber, ferner auf Fälle mit schweren Erschei- 
uangen von seiten des Nervensystems. Eine binnen einer Woche ab¬ 
laufende typische croupöse Pneumonie beim Erwachsenen erfordert 
dagegen eine Badebehandlung im allgemeinen nicht.“ Tatsächlich baden 
die beiden Genannten höchstens Vs ihrer Pneumoniker. Noch zaghafter scheint 
A. Fraenkel vorzugehen, der Bearbeiter des betreffenden Kapitels in Gold¬ 
scheider - Jakobs „Handbuch der physikalischen Therapie“ (II. Bd. S. 360 ff): 
..Es kann nicht davon die Rede sein, daß das Bad oder selbst die 
bloße Einwicklung für jeden Fall paßt. Mehr noch als bei allen andern 
Kranken verbieten sich beim Pneumoniker das Schematisieren und Experimentieren. 
Ak besonders geeignet zur Bäderbehandlung halte ich solche Patienten, welche 
andauernd hoch (bis zu 40° C und darüber) fiebern, einen leidlichen, nicht zu 
frequenten Puls, dagegen beschleunigte Respiration und Neigung zum Delirieren auf¬ 
weisen. mit andern Worten: diejenigen, bei denen der typhöse Krankheitscharakter 
vorherrscht. Bei mildem Verlauf der Pneumonie können, wie auch neuerdings 
von Jürgensen zugegeben wird, die Bäder im allgemeinen entbehrt werden.“ 
Auch die Methode Liebermeisters sei hier kurz skizziert samt ihren Er¬ 
folgen. Bei kräftigen Erwachsenen verordnet jener Kliniker Bäder von 16° und 
1" Minuten Dauer, ohne Übergießung nnd ohne Friktion, weder im Bade selbst, 
noch nach demselben; bei älteren Leuten und sehr heruntergekommenen wärmere 
Bäder von 24—20° oder Ziemssens abgekühltes Vollbad. Gewöhnlich wird nur 
zwischen 7 Uhr abends und 7 Uhr morgens gebadet, weil da die Temperatur 
spontan vielmehr zum Sinken geneigt ist und dadurch längere Remissionen des 
Fiebers zu erzwingen sind. Eine Indikation znm Baden findet er im Anfang der 
Nacht bei 40° C (Rectum), später bei 39,5°, am Morgen bei 39,0°. Tagsüber 
laßt er dem Fieber gewöhnlich freien Lauf. Seine mehr als 38jährigen Er¬ 
fahrungen über Bäderbehandlung der Pneumonie haben ihn gelehrt, daß nicht 
nur alle Besorgnisse wegen Erkältung und andrer Nachteile, namentlich Ver¬ 
schlimmerung des entzündlichen Prozesses in den Lungen, unbegründet waren, 


J ) Ebstcin-Schwalbes „Handbuch der praktischen Medizin“, S. 288. Vgl. von dem- 
seihen „Über die Behandlung des Fiebers“, Volkmanns Sammlung klin. Vorträge Nr. 31, 
toner über die Erfolge seiner Methode: Fismer, „Die Resultate der Kaltwasserbehandlung 
h*i der akuten croupösen Pneumonie im Baseler Spitale von Mitte 1867 bis Mitte 1871“, 
Deutsches Archiv f. klin. Med. 1873, Bd. H, S. 391—446, und E. Lieb er meisten „Statistik 
der gemeinen lobären Pneumonie“, Inaug.-Diss. Rostock 1898. 


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sondern daß durch eine solche Behandlung die Mortalität der Pneumonie in be¬ 
trächtlichem Maße herabgesetzt wird. Nicht das gleiche kann man sagen von der 
Anwendung der antipyretischen Arzneimittel; wo nur solche angewendet wurden, 
sind die Ergebnisse keineswegs günstig gewesen. 

Wie den bisherigen Ausführungen zu entnehmen, benutzen die Kliniker, die 
überhaupt schon zum Wasser greifen, fast stets nur Vollbäder. Im Gegensatz 
dazu gibt es einige moderne Hydriater, welche nur das kühlere Halbbad brauchen, 
oder schlechtweg auf Bäder schon ganz verzichten und mit möglichst einfachen 
Prozeduren auszukommen trachten. In der Mitte zwischen beiden Lagern steht 
Karl Schütze, 1 ) der zwar noch allmählich abgekühlte Vollbäder mit kräftigstem 
Frottieren und Übergießungen gibt, vor allem aber Eiswasser-Brustwickel mit 
eingelegtem Kühlschlauch befürwortet. Indem durch letzteren Tag und Nacht 
Wasser von 4 0 C hindurchfließt, bekämpfe er nicht bloß die pleuritischen 
Schmerzen, die die Bäder oft angeblich unmöglich machen, sondern wirke auch 
direkt antipyretisch und antiphlogistisch. Für die Pneumonia migrans empfahl 
Karl Schütze das Prießnitzsche Lakenbad, das, nebenbei bemerkt, nicht ganz 
identisch ist mit der wirklich von Prießnitz geübten Prozedur, und läßt das¬ 
selbe, wenn nötig, alle 3—4 Stunden wiederholen. 

Noch weiter als er ging Alois Pick, 2 ) der zu Anfang noch Bäder von 
24—22 0 (8—10 Minuten) mit öfteren kalten Nackenduschen und kräftigster 
Frottierung in Anwendung brachte, bald aber wegen der Schwierigkeit, Bäder 
außerhalb des Spitales anzuwenden, sie durch kalte Teilabreibungen ersetzte, meist 
4 im Tage. Als ausschließliche Behandlung empfahl er die letztere gleich von 
vornherein in „sehr schweren Fällen, welche mit ausgebreiteten Infiltrationen und 
dementsprechend hochgradiger Dyspnoe einhergehen, ferner für solche mit hoch¬ 
gradiger Herzschwäche, welche sich insbesondere in kleinem, schlecht gespanntem, 
zeitweise aussetzendem, paradoxem Puls ausdrücken, bei denen jede ausgiebigere 
Lokomotion mit Gefahr verbunden sein kann“. Es wurden außerdem in allen 
Fällen Kreuzbinden oder Stammumschläge, zwei- bis dreistündlich gewechselt, 
appliziert, eventuell bei schlechtem Puls mit eingelegtem Herzkühler. Die bei 
den Bädern vorgenommenen Untersuchungen ergaben in Übereinstimmung mit 
allem bisher Beobachteten, daß ihr „thermischer Effekt bei der Pneumonie 
nur ein geringer ist, in der Regel nur einige Zehntel Grade beträgt, 
daher der Haupteffekt des Bades in einer auffallenden Besserung der 
Pulsspannung, in einem Herabgehen der Pulszahl, sowie in einer auf¬ 
fallenden Besserung des Gesamtbefindens besteht, welche sich ins¬ 
besondere durch Freierwerden des Sensoriums, durch eine bessere Be¬ 
schaffenheit der Zunge, sowie durch Hebung des Appetits dokumentiert." 
Pick meint dann endlich, daß eine Teilabreibung in ihrer Wirkung auf die 
Temperatur, Puls und Gefäßtonus einem Bade von 24—22° bei 8 Minuten Dauer 
entspreche. 


*) „Beitrag zur Behandlung der croupösen Pneumonie,“ Fortschritte der Hydrotherapie 
1897, S. 43-70. 

2 ) „Zur hydriatischen Behandlung der Pneumonie“, Bl. f. klin. Hydrotherapie 1900 
S. 174 ff., ferner Gustav Nespor: „Zur Behandlung der Pneumonie“, Bl. f. klin. Hydrotherapie 
1903, S. lff. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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Recht merkwürdig ist die Methode Baruchs. Zunächst verwirft er für den 
Erwachsenen das kalte Vollbad ganz, weil es, wie er einmal sagt, 1 ) im Gegensatz 
zum Typhus einen zu jähen Temperaturabfall bedingt (?) und dadurch die Gefahr 
eines Kollapses heraufbeschwöre, in einer zweiten Publikation, 2 ) weil die Atemnot, 
der Hustenreiz und die Schmerzen des Pneumonikers jene Prozedur dem Kranken 
angeblich äußerst peinlich machen. Hingegen empfiehlt er bei Kindern Vollbäder 
von 28—21 0 oder kühle Übergießungen. Seine Haupttherapie sind Brustumschläge,' 
bestehend aus einer dreifach gefalteten Kompresse, die in 12° Wasser getaucht 
und gut ausgerungen, vom Schlüsselbein bis zum Nabel angelegt und mit Flanell 
bedeckt wird. Solche Kompressen läßt er bereits bei 38 0 C Körperwärme machen; 
bei steigender Temperatur jedoch sind sie in viel wärmeres Wasser zu tauchen 
(28° R!) und triefend anzulegen. Im ersteren Falle soll der Kälteeindruck ein 
ganz kurzer sein, die Reaktion sehr rasch eintreten und weniger lang anhalten, 
im 2. Fall aber die Reaktion später eintreten, durch längere Zeit andauem und 
ki die Wärmeabgabe von seiten der Haut gesteigert werden. 

L. Brieger 3 ) geht als ehemaliger Bakteriologe von den Pneumonietoxinen 
aus. Die kalten Bäder sollen durch ihre die Oxydation anregende Kraft die so 
labilen chemischen Krankheitsstoffe rasch verbrennen und damit den kranken 
Organismus entlasten. Die Natur selber gebe uns durch den kritischen Schwei߬ 
ausbruch mit folgender Euphorie und raschem Abklingen des Krankheitsprozesses 
einen Wegweiser, wie wir unsern Kranken zu Hilfe kommen sollten. „Das gleiche 
Ziel müssen wir mit milden hydriatischen Prozeduren, ohne das Herz in Mit¬ 
leidenschaft zu ziehen, zu bewerkstelligen suchen. Demgemäß sieht man durch 
prolongierte (bis 10 Minuten währende) heiße Bäder 4 ) 37—38° C mit nachfolgender 
Trockenpackung selbst bei noch schwächlichen Kindern gute Erfolge. Doch sind 
diese Prozeduren für erwachsene Pneumoniker unerträglich, für Greise und Fett¬ 
leibige bedenklich. Für derartige Patienten ziehe ich deshalb die Brustpackungen 
mit in stubenkaltes Wasser getauchten und dann gut ausgerungenen Laken vor, 
die in üblicher Weise mit trockener Leinwand bedeckt werden. Besteht höhere 
Temperatur, so werden diese Packungen des öfteren gewechselt, bis die Körper¬ 
wärme auf 39 0 C herabgesunken ist. Alsdann bleibt die Packung so lange liegen, 
bis Schweißausbruch erfolgte. Es empfiehlt sich dabei, den Patienten recht viel 
warme Getränke, Potatoren, auch mäßige Alkoholgaben zuzufuhren. Natürlich 
folgt auf den Schweißausbruch, den man so lange andauem läßt, als Patient es 
verträgt, respektive die Pulsverhältnisse es zulassen, eine kurze kühle Waschung. 
Selbst bei nur einmaliger täglicher Vornahme dieser Prozedur empfinden die 
Patienten Erleichterung, und der ganze Krankheitsprozeß scheint einen milderden 
Verlauf zu nehmen. Besonders dankbare Objekte hierfür scheinen die Influenza¬ 
pneumonien mit dem in ihrem Gefolge oft unvermutet auftretenden Herzkollaps 
za sein. Selbst äußerst fettleibige Personen vertragen sehr wohl diese Schwitz¬ 
packungen.“ Wir sind also glücklich wieder bei den alten Stammumschlägen. 

’) The Boston Medical and Surgical Journal Bd. 143, Nr. 16, zitiert nach Brieger. 

’) „Die Hydrotherapie der Pneumonie“, BI. f. klin. Hydrotherapie 1900, S. 225. 

*) „Bemerkungen zur hydriatischen Behandlung der Lungenentzündung“, Zeitschr. i. diät. 

1 pbysik. Therapie, Bd. V, Heft 1, S. 36 f. 

*) Heiße Bäder empfehlen auch Bormann und Norbert Ortner. 


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J. Sadger, Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


Denn was hier vornehm Brustpackung heißt, ist doch gar nichts andres, als jene 
seit Dezennien selbst auf ahydriatischen Kliniken und Abteilungen geübte Prozedur. 

Die Schule Winternitz’ hat über croupöse Pneumonie nicht viel publiziert. 
Soweit den Berichten 1 ) zu entnehmen, sind es insbesondere die kühlen Halbbäder 
von 5 Minuten Dauer, ferner Teilabreibungen, Kreuzbinden, Stammumschläge und 
Einwicklungen der unteren Extremitäten, die zur Anwendung kommen. Die 
Temperatur der Halbbäder wird bei Kindern und kräftigen Erwachsenen von 
22—18°, bei Greisen und Fettleibigen von 25—22° gewählt, in denselben immer 
Kopf und Nacken ganz kalt übergossen und der Körper in toto kräftigst frottiert. 
In sehr schweren Fällen gibt Buxbaum bei Kindern sekundenlange, von kräftigen 
Frottierungen gefolgte Eintauchungen in 10—12 0 Wasser. Als Beginn einer 
Pneumoniebehandlung empfiehlt sich im allgemeinen die Teilabreibung. Ergibt 
dieselbe gute Beaktion, so kann man sofort zu den Halbbädern übergehen. Sonst 
aber muß man bei jenen bleiben und sie bloß mit Umschlägen kombinieren. 
Strasser hat dies jüngstens so formuliert: „In vielen unkomplizierten Fällen 
hat man nicht nötig, mehr anzuwenden, als Teilabreibungen und Brustumschläge; 
in vielen asthenischen Fällen von Lungenödem darf man nicht mehr machen, als 
die genannten kleinen Prozeduren (eventuell gehäuft), weil man sich nicht ge¬ 
traut, den Kranken soviel zu bewegen, als es die Vornahme eines Bades erfordert: 
mit den zwei Prozeduren kann aber sehr viel ausgerichtet werden, und darmn 
verzichten wir auf dieselben niemals. Die kühlen und kalten Bäder finden ihre 
Anwendung bei Hyperpyrexie, viel mehr noch bei schweren Erscheinungen des 
Zentralnerven- und des Zirkulationssystems. . . . Wir fordern ganz präzise die 
Verwendung hydrotherapeutischer Prozeduren von allem Anfang an, weniger oder 
fast gar nicht mit Rücksicht auf die Lokalaffektion, als vielmehr auf die Möglich¬ 
keit der Herz-, respektive Vasomotorenschwäche. Der Einfluß, den man mit den 
genannten Prozeduren auf den Lokalprozeß gewinnt, ist anscheinend kein sehr 
großer, dagegen ist die Hyperpyrexie rechtjgut zu beeinflussen, und hauptsächlich 
sind die nervösen Centren und die peripheren Apparate der Zirkulation durch 
Hydrotherapie besser vor Erschöpfung zu bewahren, als durch irgend eine andre 
Methode.“ (Schluß folgt.) 

■) Buxbaum: „Lehrbuch der Hydrotherapie“ und „Die Hydrotherapie der Pneumonien im 
Kindesalter“, Bl. f. klin. Hydrotherapie 1896, S. 141 ff., ferner A. Strasser: „Hydrotherapie der 
Infektionskrankheiten“, Bl. f. klin. Hydrotherapie 1905, S. 57. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


i. 

Deutsche Gesellschaft für Volksbäder. 

In den Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder (Hauptversammlung 
' m 31. Mai 1905 in München) hatte Hofrat Dr. Stich (Nürnberg) folgenden Leitsatz aufgestellt, 
i r allgemeine Beachtung verdient: 

Ausmerzung aller Thermometer nach Reaumur. Wärmegrade für Bäder sind nur nach 
< Isius anzugeben. 

Dazu waren nachstehende Thesen gegeben: 

Alle wissenschaftlichen Institute Deutschlands bedienen sich ausschließlich des lOOteiligen 
Thermometers nach Celsius. 

Auch im Privatleben wird der gleiche Thermometer bei Temperaturbestimmungen im 
Körper des Menschen benutzt, während zur Bestimmung der Luft- und Wasserwärme meist 
noch deT 80teilige Thermometer nach Reaumur gebraucht wird. 

Dadurch entstehen vielfach Verwirrungen und Unklarheiten bei Durchführung von Luft- 

Wasserkuren, abgesehen davon, daß viele Temperaturbestimmungen überhaupt unbrauchbar 
»■cd. weil man nicht weiß, ob sie nach Reaumur oder Celsius gemacht sind. 

Diese Häßlichkeiten können und müssen vermieden werden; es darf nur der lOOteilige 
Thermometer benutzt werden. 

Es sollen deshalb alle staatlichen und städtischen Anstalten: Ämter, Schulen, Kranken- 
uid Waisenhäuser, Badeanstalten usw. sich des lOOteiligen Thermometers bedienen. 

Aber auch das Publikum soll veranlaßt werden, sich ausschließlich des Celsiusschen 
Thermometers zu bedienen. 

Zu diesem Zwecke sollen Ärzte, naturwissenschaftliche Vereine, Vereine für öffentliche 
<T,;sundheitspflege und Volkshygiene immer wieder darauf hin weisen, daß es zweckmäßig sei, 
rieh einzig und allein des lOOteiligen Thermometers zu bedienen. 

Fabrikanten und Verkäufer von Thermometern sollten aufgefordert werden, nur Celsius- 
Tiiermometer zu verfertigen bzw. zu verkaufen und sollten selbst die Käufer auf die Vorteile 
dvr einheitlichen Temperaturbestimmung aufmerksam machen. Fritz Loeb (München). 


n. 

X. Internationaler Kongreß gegen den Alkoholismus. 

Der X. Internationale Kongreß gegen den Alkoholismus findet in Budapest vom 11. bis 
K September 1905 statt. Die Teilnahme am Kongresse wie alle übrigen Anmeldungen sind an 
das Kongreßbureau (Dr. Philipp Stein, Budapest, IV. Központi väroshäza) zu richten, welches 
® jeder Hinsicht bereitwilligst Auskunft erteilt. (Amtsstunden von 4—6 nachm.) 

Für die mit dem Kongreß verbundene Ausstellung erteilt Auskunft und übernimmt An¬ 
meldungen Dr. J. Koväcs, Kgl. Rat, Direktor des Handelsmuseums, Budapest, V., Väczi-körüt 32. 

Der Mitgliedsbeitrag beträgt 6 Kronen. Geldsendungen sind an den Kassierer Herrn 
Apo&eker Karl Tauffer, Budapest, VI., Terdz-köriit 39 zu richten. Die Teilnahme am 
Kongresse berechtigt auch zum Bezug des Kongreßberichtes. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Provisorisches Programm. 

I. Festvortrag. Gruber-München: „Hygiene des Ich“. II. Diskussions-Themata. 1. Pt 
Einfluß des Alkohols auf die Widerstandsfähigkeit des menschlichen und tierischen Organismn 
mit besonderer Berücksichtigung der Vererbung. Referent: Laitinen-Helsingfors. 2. h 
Alkohol ein Nahrungsmittel? Referent: Kassowitz-Wien: „Kann ein Gift die Stelle ein« 
Nahrung vertreten?“. Zweiter Referent: unbestimmt. 3. Die kulturellen Bestrebungen d< 
Arbeiter und der Alkohol. Referent: Wandervelde-La Hulpe, Kiss-Budapest. 4. Alkoh( 
und Geschlechtsleben. Referent: Forel-Chigny pr6s Morges. 5. Alkohol und Strafgeset; 
Referenten: Lombroso-Turin: „Die soziale Prophylaxe des Alkoholismus“, Bleuler-Zürict 
Die Behandlung der Alkoholverbrechen.“ Vä mb 6 ry-Budapest: „Der Alkohol als sozialer Faktu 
der Kriminalität“. 6. Der verderbliche Einfluß des Spirituosenhandels auf die Eingeborenen i 
Afrika. Referent: Müll er-Groppendorf. 7. Die Unterstützung des Kampfes gegen den Alkoho 
durch die Erziehung in Haus und Schule. Referenten: The Honble Mrs. Eliot Yorke-Londoi 
Hähnel-Bremen, Eötvös-Szolnok, Fischer-Pozsony, Kirsch an ek-Szt-Istvän. 8. Alkoho 
und physische Leistungsfähigkeit mit besonderer Berücksichtigung des militärischen Trainings 
Referent: unbestimmt. 9. Die hygienische Bedeutung des Kunstweines gegenüber dem Alkohol 
genuß überhaupt. Referent: Liebermann-Budapest. 10. Die industrielle Verwertung dei 
Alkohols als Kampfmittel gegen den Alkohol. Referenten: Frau Daszynska-Golinska 
Krakau: „Die national-ökonomische Bedeutung der industriellen Spiritusverwendung“, Klemp 
Budapest, Baron Malcomes-Budapest. 11. Die Reform des Schankwesens. Referenten 
Eggers-Bremen: „Alkoholkapital- und Gegenkapital, Helenius-Helingfors: Die Beziehung dei 
Alkoholgesetzgebung zur Reform des Schankwesens, Legrain-Paris: Gasthausreform und Gast 
haussittenreform, Mal ins-Birmingham: Die Bewegung der Gasthausreform. 12. Die Organisation 
der Antialkoholbewegung. Referenten: Wlassak-Wien, Mäday-Budapest, Stein-Budapest 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährnngstherapie). 

Lipetz, Wirkung der v. Noordenschen 
Haferknr beim Diabetes mellitus. Zeitschr. 
für klin. Medizin Bd. 56. Heft 1 und 2. 

Die guten Erfolge, die manche Autoren 
mit der Hafermehlkur erzielt haben, scheinen 
nach den Untersuchungen des Verfassers zu¬ 
meist darauf zu beruhen, daß trotz der reich¬ 
lichen Kohlehydratzufuhr Kohlehydrate nicht 
oder nicht nennenswert resorbiert werden. Ob 
den resorbierten Gärungsprodukten irgendwelche 
spezifische Wirkung zukommt, läßt der Ver¬ 
fasser dahingestellt, da er nie einen eklatanten 
Erfolg erzielt und deswegen auf eine Unter¬ 
suchung der Gärungsprodukte verzichtet hat. 
Jedenfalls glückt es regelmäßiger, durch quali¬ 
tative und quantitative Regelung der Diät die 
Toleranz für Kohlehydrate zu steigern und 
damit auch die Azidose herabzusetzen. Vielleicht 
kann man in Fällen von schwerem Diabetes 
mit Darmstörungen von der Haferdiät einige 


Erfolge dadurch erwarten, daß sie die Darm- 
fäulnis etwas herabsetzt. Allerdings wird man 
zweckmäßig in diesen Fällen geringere Mengen 
von Haferbrei verabreichen. 

Freyhan (Berlin). 


Loening, Das Verhalten der Kohlensäure 
im Magen. Zeitschrift für klinische Medizin 
Bd. 56, Heft 1 und 2. 

Die vom Verfasser angestellten Versuche 
beweisen, daß der Magen in erheblichem Grade 
Kohlensäure, welche ihm mit Wasser zugefuhrt 
wird, resorbiert. Die Resorption findet in den 
ersten Minuten sehr rasch statt, so daß über die 
Hälfte der Kohlensäure nach 5 Minuten, 3 4 
nach 10 bis 15 Minuten resorbiert sind. Dann 
wird die Resorption stark verlangsamt, und 
nach etwa einer Stunde ist nur noch ein kleiner 
Rest von Kohlensäure übrig* der entweder 
außerordentlich langsam oder gar nicht resor¬ 
biert wird. Auch aus alkoholischen Getränken 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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«ird Kohlensäure in reichlichen Mengen vom 
Magen resorbiert; die Alkoholresorption vom 
Magen aus wird durch den Kohlensäuregehalt 
licht gehindert. Freyhan (Berlin). 


Birdet, Tnütement de l’entero-colite par 
le tnütement gastriqne. Bulletin g6n6ral 
de Thgrapeutique 1904. Bd. 148. S. 897. 

Verfasser betrachtet den Dickdarmkatarrh 
als eine sekundäre, durch gastrische Störungen 
^nirsachte Krankheit. Dementsprechend be¬ 
handelt er ihn ausschließlich durch Regelung 
der Diät, die meist in einer Beschränkung der 
Gesamtnahrang besteht Er berichtet über 
«inige Fälle, die er auf diese Weise geheilt 
«■der gebessert hat 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 


1« Ficker, Uber die Keimdichte der 
■oraalen Schleimhaut des Intestinal- 
traktis. Aus dem hygienischen Institut der 
Vnirersität Berlin. M. Rubner. Archiv für 
Hjpene 1905. Bd. 52. Heft 2. 

Einleitend bemerkt Verfasser, daß die Frage 
der Bakteriendurchlässigkeit der normalen 
Danuschleimhaut trotz zahlreicher und zum 
Teil sehr sorgfältiger Arbeiten noch keine 
definitive Beantwortung gefunden hat. In 
seinen weiteren Ausführungen gibt Ficker 
zunächst ausführlich Aufschluß über seine Ver¬ 
suchstechnik. Die Fütterungsversuche an er¬ 
wachsenen Tieren ergeben, daß bei einmaliger 
Verabreichung von Prodigiosus an Hunde und 
Katzen niemals im Blut oder den Organen die 
verfutterten Keime wiedergefunden werden 
konnten. Die Versuche an diesen Tieren 
sprechen demnach für die Richtigkeit des Satzes 
von der physiologischen Bakterienundurch¬ 
lässigkeit der Darmschleimhaut. Die Ergebnisse 
der Kaninchenfütterungen lassen sich schon 
schwerer mit dieser Lehre in Einklang bringen: 
bei drei von acht mit Prodigiosus oder rotem 
KieleT gefütterten Kaninchen konnten in den 
Organen oder im Blut die verfütterten Keime 
nachgew iesen werden. Danach muß der Satz, 
'laß ein Übertritt von Keimen durch die normale 
Ihmxischleimhaut unmöglich sei, dahin ein¬ 
geschränkt werden, daß man bei Kaninchen 
mit einem solchen Übertritt zu rechnen hat. 
Wenn auch feststebt, daß beim normalen Tier 
im Darm heimische Bakterien in das Lymph- 
gefaßsystem cindringen und, in Lymphdrüsen 

Zeitscbr. f. diit. o. pfajatk. Therapie Bd. IX. He/t 5. 


epponiert, eine Zeitlang lebensfähig bleiben 
können, so haben doch die Untersuchungen 
keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß beim 
normalen erwachsenen Tier ständig in den 
Organen Bakterien anzutreffen sind. 

Während die Versuche an erwachsenen 
Tieren nicht zu einem einheitlichen Resultat 
geführt haben, schließen sich die Untersuchungen 
an säugenden Tieren zu einem einheitlichen 
Ganzen zusammen: bringt man säugenden Kanin¬ 
chen, Hunden oder Katzen Suspensionen der oben 
genannten Bakterien per os bei, so sind die 
verabreichten Keime innerhalb der Verdauungs¬ 
zeit in Organen oder im Blut nachzuweisen. 
Die Versuche zur Lösung der Frage, wo beim 
Kaninchen eine Keimaufnahme erfolgen kann, 
ergeben, daß im Magen erwachsener Kaninchen 
selbst bei großen Mengen eingeführter Prodi- 
giosuskeime eine Resorption nicht erfolgt, bzw. 
durch Kulturverfahren nicht nachweisbar ist. 
Hingegen scheint beim erwachsenen Kaninchen 
zuweilen, bei jungen 4—500 g schweren immer, 
in den oberen Dünndarmabschnitten eine solche 
erfolgen zu können. Nach den Versuchen über 
die Bakteriendurchlässigkeit neugeborener bzw. 
jugendlicher Individuen muß die Lehre der 
Keimdichte der normalen Darmschleimhaut eine 
weitere Einschränkung erfahren. Ob dieses 
Moment für die Frage der Tuberkulose¬ 
entstehung von besonderer Bedeutung ist, da¬ 
rüber geben diese interessanten Versuche 
Fickers keinen Aufschluß. 

Fritz Loeb (München). 


Paul Schlippe, Physikalische Untersuchun¬ 
gen bei der Anwendung des Magen- 
Schlauches. Inaug.-Diss. Heidelberg. 1903. 

Die Arbeit stammt aus der Erbschen 
Klinik. Im Ösophagus hat Verfasser einen mit 
den Untersuchungen andrer Autoren überein¬ 
stimmenden negativen Druck gefunden von 
durchschnittlich 3,5 mm Hg, während der Druck 
im Magen beim Sitzen, wobei die zur Erhaltung 
dieser Körperlage notwendige Anspannung der 
Bauchmuskulatur einen positiven intra-abdomi¬ 
nellen Druck hervorbrachte, positiv ca. 4 mm 
Hg betrug. Der Druck im Ösophagus und 
Magen steht unter dem Einfluß der Respiration. 
Im Ösophagus sinkt sowohl bei ruhiger w r ie bei 
tiefer Inspiration der Druck bei der Inspiration 
und steigt während der Exspiration und es 
bestehen nur graduelle Unterschiede der 
Schwankungen bei den zwei Arten der Atmung. 
Wenn man den obren Verschluß des Ösophagus 

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Referate über Bücber und Aufsätze. 


klaffend erhält, beobachtet man Luftströmungen 
in und aus der Speiseröhre und zwar beträgt 
das bei tiefer Atmung beobachtete Atemvolumen 
ca. 20,3 ccm. Die Bestimmung dieses Wertes 
ist von Bedeutung für die Diagnose von Er¬ 
krankungen des Ösophagus, die mit einer Ver¬ 
änderung der Größe des Lumens einhergehen, 
also speziell der Divertikel. 

Im Magen haben im Gegensatz zum 
Ösophagus ruhige und tiefe Atmung einen ver¬ 
schiedenen Einfluß auf die Druckverhältnisse. 
Bei ruhiger Atmung beobachtet man Steigen 
des Druckes bei Inspiration, Sinken bei Ex¬ 
spiration. Bei tiefer Atmung beobachtet man 
oft den entgegengesetzten Typus, meist aber 
komplizierte Druckschwankungen, wie sie im 
Ösophagus nie Vorkommen können. Die Kurve 
läßt unter diesen Verhältnissen während der 
Inspiration einen raschen Druckabfall mit 
darauffolgender Drucksteigerung, während der 
Exspiration rasche Drucksenkung, dann Steige¬ 
rung erkennen. Bei einem Versuch, das Auf¬ 
treten und die Verschiedenheiten der Druck¬ 
erscheinungen zur Erkenntnis der Begrenzung 
und des Verhaltens des Lumens des Ösophagus 
zu verwenden, fand Verfasser, daß der Halsteil 
des Ösophagus vom Ringknorpel bis zum Ein¬ 
tritt in den Thorax zu rechnen, demnach etwa 
2—3 cm lang ist und daß sein Lumen ge¬ 
schlossen ist. Er sah ferner, daß der Brustteil 
offen steht und ca. 36—37 cm hinter der oberen 
Zahnreihe am Hiatus ösophagieus durch das 
Zwerchfell von dem 3—4 cm langen abdomi¬ 
nellen Endteil in der Regel abgeschlossen ist. 
Die Kardia befindet sich etwa bei 40 cm. Die 
Frage nach der Existenz eines Kardiaver- 
schlusses beantwortet Verfasser dahin, daß 
ein Verschluß wohl vorkommt, aber nicht immer 
besteht Fritz Loeb (München). 

G. Fodor, Über den inneren Gebrauch des 
Meerwassers. Vortrag, gehalten auf dem 
IV. österreichischen Balneologenkongreß in 
Abbazla. Wiener med. Presse 1904. Nr. 47. 

Das Meerwasser ist die wässerige Lösung 
eines Salzgemisches von Behr verschiedener 
Konzentration in den verschiedenen Meeren; 
die Konzentration ist abhängig teils von der 
Verdunstung, teils von der Quantität des ver¬ 
dünnenden Süßwassers. Das Meerwasser des 
Quarnero verliert zwar durch Verdunstung wenig 
von seinem Wassergehalt, die Verdünnung ist 1 
aber bei Mangel von Süßwasserzuflüssen eine ! 
geringere, somit sein Salzgehalt ein ziemlich 


großer. Den Hauptbestandteil der Salze bilden 
die Chloride, in erster Linie das Chlornatrium: 
ihm folgt das Chlormagnesium, das schwell 
saure Magnesium und in kleineren Mengen die 
übrigen Salze. Aus der chemischen Zusammen¬ 
setzung des Meerwassers ist ersichtlich, daß 
es am nächsten den Kochsalzmineral wässern 
steht, seine Wirkungen und Indikationen werden 
also fast dieselben sein wie die der Kochsalz¬ 
wässer. 

Verfasser erbringt den Nachweis, daß schon 
im Altertum der diätetische Wert des Meer¬ 
wassers bekannt war (Plinius, Avicenna . 
Zu seinen Versuchen ließ Fodor das Meer 
wasser filtrieren und unter 10—12 Atmosphären 
Druck mit Kohlensäure imprägnieren. Die 
Filtration hatte den Zweck, das Wasser, ob¬ 
wohl es weit von der Küste in vollkommen 
klarem Zustand geschöpft wurde, zu reinigen 
und zu sterilisieren. Die Imprägnierung mit 
Kohlensäure unter hohem Druck wirkt zum 
Teil keimtötend; wichtiger ist aber die Rolle 
der Kohlensäure als Geschmackskorrigens. 

Das Beobachtungsmaterial umfaßt mehren* 
Fälle von chronischem Magen-Darmkatarrh. 
einen Fall von Exsudatum pleuriticum, 2 Fälle 
von Diabetes mellitus und einen Fall von 
Dyspepsie bei einem Kinde; außerdem hat 
Verfasser die „Marina“ in mehreren Fällen als 
Abführmittel versucht. In den Fällen mit 
chronischem Magen-Darmkatarrh war ausnahms- 
los eine Besserung des Appetits und häufig eine 
Regelung der Stuhlcntleerung zu beobachten: 
in allen diesen Fällen wurde die „Marina“ vor 
den Hauptmahlzeiten gegeben mit gleichem 
i Quantum Wasser verdünnt; das einmalige 
Quantum „Marina“ betrug V 4 —V 8 — l /a Trink¬ 
glas. Interessant ist der günstige Einfluß der 
Aufnahme von Meerwasser in der vom Verfasser 
präparierten Form auf Diabetes mellitus. Es 
trat eine Steigerung des Körpergewichtes und 
eine Abnahme der Glykosurie ein. 

Nach diesen Beobachtungen darf man den 
in Aussicht gestellten weiteren Untersuchungen 
mit Spannung entgegensehen. 

Fritz Loeb (München'. 

Ernst Freund, Über die ersten Ver¬ 
änderungen des in Resorption befindlichen 
Nahrangseiweißes. Wiener Klinische Rund¬ 
schau 1905. Nr. 1. 

Verfasser greift das Thema auf dem Wege 
von Organdurchblutungen an, um aus der 
chemischen Veränderung des dnrchgcleiteten 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


291 


Blotes die Wirkungsweise des betreffenden 
(’rgans zu erkennen. So hat sich schon in 
einer früheren Arbeit bei Durchblutung der 
Leber mit dem eigenen Blute des Versuchs¬ 
tieres gezeigt, daß keine Anhäufung von Abbau- 
prodokten atattfmdet, ebensowenig, nur mit 
einer geringen Vermehrung der koagulirbaren 
Eiweißkörper unter Abnahme der Albumosen, 
nach Beifügung von körperfremdem Globulin 
oder Verdauungsprodukten des Fibrins (With- 
Pepton) Weitere Versuche zeigten, daß die 
Leber nur unter Zuhilfenahme des Darmtraktes 
einen Abbau von Eiweißkörpem in erheblicher 
Menge zu vollziehen imstande sei. Die Ver¬ 
suche w aren an Hungertieren ausgeführt, so daß 
es sich nicht um die Resorption von Nahrungs¬ 
bestandteilen handeln konnte, sondern um 
Eiweißabbauprodukte aus dem Darm oder um 
Eiweißsubstanzen, die aus dem Hungerdarm 
oder dessen Wandungen in einer vom gewöhn¬ 
lichen Serum-Eiweiß verschiedenen aber abbau- 
fähigen Form der Leber zugeführt wurden. 
Zur Entscheidung dieser Frage wurden folgende 
Versuche durchgeführt, bei denen das ganze 
Daragebiet einer Durchblutung im Durch- 
bhitMgsapparat unterzogen wurde, indem das 
tönt bei der Arteria mesenterica eintrat, bei 
der Vena portarum austrat und diese Prozedur 
stundenlang fortgeführt wurde: 

1. wurde der leere Hungerdarm zum Teil 
unter Beimischung körperfremden, auf 60° er¬ 
hitzten Serums durchblutet. Dabei zeigten nur 
die Werte der durch Phosphorwolframsäure 
fällbaren Substanzen geringfügige Änderungen-, 

2. wurde der Fütterungsdarm durchblutet, 
wobei deutliche Steigerung im Gehalt der Eiwei߬ 
abbauprodukte auftrat, teils als Albumosen und 
Peptone, teils als basische Zerschlagungs- 
produkte. 

Die daraus abzuleitenden Ergebnisse sind: 

1. Bei der Resorption eiweißhaltiger 
Nahrung zeigt sich im Portalblut nur eine 
geringfügige Vermehrung von Zerschlagungs¬ 
produkten. Die Hauptmenge des neu auf¬ 
genommenen Stickstoffes ist in der Form 
koagulabelen Eiweißes und zwar als ein zur 
Pseudoglobulinfraktion gehöriger Körper, der 
wasserlöslich ist nnd bei der Konzentration 
ttunnalcn Serums und neutraler Reaktion bei 

70° 0 koaguliert (Parapseudoglobulin); 

2. dieser globulinartige Eiweißkörper 
zerfallt bei der Passage der Leber in Albumosen 
and weitere Zerfallsprodukte; 

3. es ist eine Funktion des Darmes (nicht 
der Dannwand), einen Teil der Eiweißkörper 


des Blutes in jene Form überzuführen, in der 
sie durch die Leber und die anderen Organe 
abgebaut werden können; 

4. auch im Hnngerzustande wird ein Teil 
des den Darm passierenden Blutes in jene Eiwei߬ 
form umgewandelt, die in der Leber einem 
raschen Abbau unterliegt. 

van Oordt (St. Blasien). 


B. Hydro*, Balneo* and Klimato- 
therapie. 

de Yries Beilingh, Die Wirkung des hydro¬ 
elektrischen Bades auf den Blutdruck. 

Zeitschr. f. Elektrotherapie 1905. Heft 3. 

Verfasser hat den Einfluß des faradischen, 
galvanischen und kombinierten elektrischen 
Bades auf den Blutdruck studiert. Er hat sich 
dabei möglichst vor den von manchen früheren. 
Untersuchern gemachten Fehlern gehütet; so 
hat er besonders den psychischen Einfluß des 
Bades und die Wirkung des warmen Bades 
an sich auf den Blutdruck auszuschalten ge¬ 
sucht. Allerdings wäre es gut gewesen, den 
Zustand der Hautgefäßfüllung und der Haut¬ 
temperatur der Versuchspersonen vor dem Bade 
ebenfalls in Berücksichtigung zu ziehen. Ver¬ 
fasser fand, daß bei Gesunden durch alle drei 
Formen des elektrischen Bades eine Herab¬ 
setzung des Blutdrucks erfolgt. Derselbe steigt 
jedoch schnell nach Auf hören des Bades wieder 
auf die anfängliche Höhe. Nur bei lange 
dauernder Einwirkung erreicht der Blutdruck 
langsam und nicht vollständig seine frühere 
Höhe. Auch bei Kranken wurde eine gleiche 
Wirkung erzielt, und Verfasser will weitere 
Versuche anstellen über die Anwendbarkeit des 
elektrischen Bades in Fällen, in welchen die 
Herabsetzung des Blutdrucks wünschenswert 
erscheint. Determann (St. Blasien). 


L. Sarason, Über moussierende Sauerstoff- 
bäder. Deutsche Medizinische Wochen* 
schrift 1904. Nr. 44. 

Von der Tatsache ausgehend, daß die Heil¬ 
wirkung der natürlichen wie künstlichen Kohlen¬ 
säurebäder auf dem mechanischen Reiz der 
an der Haut sich festsetzenden Gashläschen 
beruht, daß also dieses Moussieren das wesent¬ 
lichste Moment des therapeutischen Einflusses 
ausmacht, hat Verfasser bei den als Ersatz 

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Referate über Bücher und Aufsätze. 


der Kohlensäurebäder dienenden Sauerstoff¬ 
bädern folgenden Weg eingeschlagen: Wasser¬ 
stoffsuperoxyd wird in Badewasser aufgelöst 
und zur Abschaltung des labilen „Übersauer¬ 
stoffes“ katalytisch wirkende Substanzen hinzu¬ 
getan. Alsbald entsteht innerhalb des ganzen 
Badewassers auf die Dauer von ca. 20—30 
Minuten eine moussierende Entwicklung un¬ 
zähliger kleiner Sauerstoffbläschen, welche die 
Haut des Badenden zum Teil wie ein dichter 
Flor überziehen, zum Teil an der Oberfläche 
des Wassers in Form sichtbarer Perlen ent¬ 
weichen. Mit diesem Verfahren ist somit ein 
einfaches, billiges Sauerstoffbad geschaffen, das 
nach gewisser Richtung sogar eine Prävalenz 
gegenüber den Kohlensäurebädern besitzt, in¬ 
dem nämlich die Sauerstoffbläschen wesentlich 
kleiner sind als die Kohlensäurebläschen und 
hiermit die Anzahl der Reizpunkte auf einer be¬ 
stimmten Hautfläche somit erheblich wachsen. 
Bei Zusatz eines Bikarbonates lassen sich mit 
diesem Verfahren auch gemischte Sauerstoff- 
Kohlensäurebäder erzeugen. 

J. Marcuse (Mannheim). 


J. Sadger, Die Wasserbehandlung der Go¬ 
norrhöe und des ulcus molle. Dermato¬ 
logische Zeitschrift 1904. Bd. 11, Heft 7. 

Die WasserbehapUung der Gonorrhöe geht 
ebenfalls auf Prießnitz zurück, der als erster 
ihre methodische Anwendung präzisierte. Neben 
örtlichen gab er Allgemeinprozeduren, zu den 
ersteren gehörten Sitzbäder von 18—20 0 R 
zweimal des Tages, ferner Injektionen von 
lauem Wasser in die Urethra, des weiteren 
Gliedbäder, T- und Hämorrhoidalbinden. Die 
Allgemeinapplikationen bestanden in kurzen 
feuchten Packungen mit folgendem abge¬ 
schreckten Halbbad und streng vegetarischer 
Diät Bei der Behandlung der chronischen 
Gonorrhöe standen die Schwitzpackungen im 
Vordergrund. In der Nachprießnitzschen Zeit 
empfahl Winternitz seinen Psychrophor, andre 
Autoren wieder Heißwasserirrigationen, ohne 
daß jedoch diese Methoden zur allgemeinen 
Anwendung gelangt wären. Die Wann Wasser¬ 
behandlung, von Welander und Ullmann 
modifiziert, hat sich nur bei gewissen Kompli¬ 
kationen wie Epididymitis, gonorrböischer 
Prostatitis und dem Tripperrheumatismus be¬ 
währt. Was die Therapie des ulcus molle 
anlangt, so behandelte Prießnitz dasselbe 
gleich dem harten Schanker, da er zwischen 


beiden kaum einen Unterschied machte, also 
mit feuchten Einpackungen und nachfolgendem 
Halbbad, temperierten Sitzbädern, lokalen 
Gliedbädem und Umschlägen. Sinn und Wir¬ 
kung seiner Vorschriften sind völlig durch¬ 
sichtig. Die Lokalprozcdnren, wie Glied- und 
Sitzbäder, sowie die Umschläge wirkten vor 
allem reinigend, aufsaugend, desinfizierend und 
tonisierend, die kurzen Einpackungen mit fol¬ 
gendem Sitzbad stärkend und kräftigend, das 
Dunsten endlich die Ausscheidung der Toxine 
fördernd. Später empfahlen H6mard gegen 
ulcus molle einfache Wasserirrigationen, Hut¬ 
chinson kontinuierliche Bäder in Kombination 
mit Irrigationen, bis von Aubert und Ste- 
panow die moderne Warm Wasserbehandlung 
des ulcus molle zum erstenmal wissenschaftlich 
begründet wurde. Letzterer verfocht bereits 
1891 folgende Thesen: 1. Bei Behandlung lo¬ 
kaler Hauterkrankungen und Geschwüre spielt 
die Anwendung der Wärme eine wichtige Rolle. 
2. Die Heilung von Geschwüren geht bei 
Wärmeapplikation viel rascher vor sich als 
bei irgend oiner andren Methode. 3. Wärme 
wirkt sowohl auf syphilitische wie auf nicht¬ 
syphilitische Geschwüre. 4. Ihre wohltätige 
Wirkung beruht hauptsächlich auf Regulierung 
der Zirkulation und Aufbesserung der Ernährung 
der erkrankten Teile. Der Bahnbrecher dieser 
Behandlungsmethode ist jedoch Wei ander ge¬ 
wesen, der bei einem außerordentlich großen 
Material diese spezifische Therapie anwandte 
und ausnahmslos Erfolge erzielte. Auf ihm 
fußend, hat in neuester Zeit Ullmann seinen 
Hydrothermoregulator konstruiert und 
vollinhaltlich die Erfolge Welanders be¬ 
stätigen können, insbesondere, daß eine 36- bis 
48 8tündige kontinuierliche Anwendung einer 
konstanten Temperatur von 41,5 bis 42 ° C es 
ermöglicht, freiliegende Ulzerationen spezifisch 
venerischer Natur avirulent zu machen, d. h. 
in reine Granulationsflächen zu verwandeln, die 
in wenigen Tagen von selber heilen. Ullmann 
bat das Wärmeverfahren mit Hilfe seines 
Hydrothermoregulators noch bei einer Reihe 
verschiedenartiger chronisch-entzündlicher Af¬ 
fektionen der Haut und andrer Organe syste¬ 
matisch in Anwendung gebracht, so außer bei 
den gonorrhöischen Komplikationen bei rheu¬ 
matoiden Zuständen der Gelenke und Knochen 
auf luetischer Basis, ferner bei Panaritien, 
Furunkulosis, Sycosis etc. etc. 

J. Marcuse (Mannheim). 


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E. Peichet, Act io n physiologique de l’eau 
de «er envisagäe comme eau mindrale 
et comme milieu organique. Progräs 
MMical 34 Ann6e 3« livr. T. XX. Nr. 3. 1905. 
*21. Januar. 

Verfasser geht von Beobachtungen Quin- 
tons aus, daß Injektionen von Meerwasser, 
das durch Verdünnung mit destilliertem Wasser 
den Körpersäften isotonisch gemacht war, bei 
weitem besser vertragen wurde, als isotonische 
Lösungen von Kochsalz. Durch Erhitzen ver¬ 
liere das Meerwasser diese Eigenschaft. 

Beim Menschen wurden 700 g dieses 
Mferwassers ohne Beschwerden injiziert. Es 
folgen danach gewisse Reaktionen, die näher 
'{^schrieben werden und welche in einzelnen 
Krankheitsfällen (infektiöse Gastroenteritis, 
Oxalsäure Vergiftung, Cirrhose accompagnöe 
derysipcle) einen unmittelbaren und voll¬ 
kommenen Erfolg gezeitigt hätten. Auch bei 
maligner, akuter Syphilis, bei veralteter Syphilis 
m\ bei Hauttuberkulose seien gute Erfolge zu 
verzeichnen. Quin ton nimmt an, daß das 
Meerwasser im kranken Organismus die Vitalität 
tatiJeimige, gleichzeitig aber auch diejenige 
<ier Bakterien. Es scheine jedoch, daß die 
Zdien des Organismus bei dieser Behandlungs- 
«eise im Vorteil gegen die parasitären Zellen 
*ieiL 

Der Verfasser glaubt, daß die besondere 
Wirksamkeit des Meerwassers, ebenso wie die¬ 
jenige der Mineralquellen, sich nicht allein 
dmvh die chemische Analyse erklären lasse, 
federn daß die Form maßgebend sei, unter 
»sicher die Bestandteile des Meerwassers 
in der Losung vorhanden sind, und welche wir 
noch nicht genügend kennen. Er erinnert ins¬ 
besondere an die Wirksamkeit minimaler 
^Qgen von Metallen in der sogenannten 
kolloidalen Form (ferments metalliques). 

Frankenhäuser (Berlin). 


L BiUing, Inhalation, ein wertvolles thera¬ 
peutisches Hilfsmittel. Wiener klin. Rund¬ 
schau 1905. Nr. 9. 

Die Verwendung und Wertschätzung der 
Inhalationsmethoden hat im Laufe der Jahre 
^wechselt, bald spannte man die Erwartungen 
zj hoch, bald vergaß man das tatsächlich Er¬ 
reichte. Bulling erzielte unter Benutzung 
ieines Guttafer für Inhalatorien und seines 
rhermoregulators flir den Privatgebrauch in 
Beichenhall vorzügliche Erfolge, da diese 


Apparate es ermöglichen, gleichbleibende 
Tröpfchen in reichlichster Zahl den feinsten 
Bronchien zuzufiihren, so daß sich bei Katarrhen 
in den Luftwegen das Sekret verflüssigt, die 
Expektoration leichter vor sich geht, sich die 
Atemfläche vergrößert, die Blutzirkulation 
leichter erfolgt und die erkrankte Schleimhaut 
abschwillt. 

Notwendig ist aber, daß der Arzt den 
Patienten beständig überwacht und Temperatur 
und Dosis des Medikamentes im einzelnen Falle 
bestimmt, da der Patient, welcher in der Stube 
bleibt, einer andern Behandlnngsweise als der, 
welcher Tag für Tag draußen zubringen muß, 
bedarf. Hauptsächlich kommen als Inhalations¬ 
medikamente bei akuten und chronischen 
Katarrhen Sole, Latschenöl, Terpentinöl und 
Menthol, für das Asthma Eukalyptol, für Ektasien 
01. Juniperi empyr. und Thymol in Anwendung, 
obschon man im einzelnen Falle mit Vorteil 
auch die verschiedenen Mittel kombinieren 
kann. Schilling (Leipzig). 


N. Zuntz, Über die Wirkungen des Sauer- 
8toffmangels im Hochgebirge. Vortrag in der 
physiologischen Gesellschaft zu Berlin 1905. 
Sitzung am 7. April. Nach der Deutschen 
Medizinischen Wochenschrift 1905. Nr. 18. 

Im Hochgebirge treten Störungen, die man 
auf Sauerstoffmangel bezieht, weit früher auf, 
als in der pneumatischen Kammer — in Höhen, 
in denen das Blut nur wenig an Sauerstoff 
verarmt sein kann. Znntz weist nun darauf 
hin, daß der mittlere Gehalt des Blutes an 
Sauerstoff nichts darüber aussagt, ob nicht in 
einzelnen Kapillargebieten schon Sauerstoff¬ 
mangel herrscht, wie ja bei energischer Muskel¬ 
arbeit es auch schon im Tieflande zu Sauerstoff¬ 
mangel in den arbeitenden Muskeln kommen 
kann. —■ Auch die auf dom Monte Rosa von Zuntz 
und Genossen erhobenen Befunde sprechen für 
den Mangel an Sauerstoff: der kalorische 

Quotient des Harns war abnorm hoch, 

eben so der Stickstoffzerfall, die Atmung abnorm 
gesteigert, durch reduzierende Substanzen, die 
sich allmählich bildeten. Vergleicht man die 
Kohlensäurespannung in den Lungenalveolen 
mit der Vcntilationsgröße, so findet man mit 
steigender Höhe ein kontinuierliches Ansteigen 
der Ventilation, pro Millimeter C02-Druck, das 
schon in 500 m Höhe beginnt. Die Ansammlung 
unvollkommen oxydierter Substanzen erklärt 
die relative Unwirksamkeit der Sauerstoff- 


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Referate über Bücher und Aufsätze, 


294 


Atmung bei der Bergkrankheit gegenüber ihrer 
vortrefflichen Wirkung bei Ballonfahrten. 

IJorchheimer (Würzburg). 


A. Loebel, Baineotechnische Neuerungen. 

Wiener medizinische Presse 1905. Nr. 6. 

Verfasser beschreibt die besonderen Ein¬ 
richtungen, die im Bade Dorna zur Gewinnung 
und Bereitung von Kohlensäure- und Moor¬ 
bädern getroffen worden sind. Was die 
Kohlensäurebäder betrifft, so ist besonders 
hervorzuheben, daß das kohlensäurehaltige 
Quellwasser, das außerdem Eisen enthält, in 
luftdicht abgeschlossenen Sammelbassins ge¬ 
sammelt wird, um so möglichst einen Gas¬ 
verlust zu vermeiden, und daß ferner die Er¬ 
wärmung des Badewassers in der Wanne 
selbst erfolgt, die einen Doppelboden mit 
Dampfheizungsvorrichtung besitzt. Den oberen 
Boden der Badewanne bildet ein Rost; die 
Bäder werden inströmenderForm appliziert. 

Die Gewinnung und Herstellung des Moors 
zu den Moorbädern geschieht nach einem 
besonderen Verfahren, dessen Einzelheiten im 
Original nachgelesen werden müssen. Ver¬ 
fasser glaubt die einzelnen Wirkungen der 
Moorbäder, unter denen er die blutdruck¬ 
reduzierende schon öfters besonders betont 
hat, durch jenes Verfahren mehr zur Geltung 
bringen zu können. A. Laqueur (Berlin). 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
und Apparatbehandlung. 

Kurt Specht, Über das Verhalten der 
Temperatur und des Pulses vor und nach 
KörperbewegungbeiGesundenundKranken. 

Inaug.-Dissertation. Erlangen 1904. 61 Seiten. 

Bei 45 Tuberkulösen ohne Nebenerkran¬ 
kungen zeigte sich nach der Bewegung eine 
durchschnittliche Pulsvermehrung von 42,1 %• 

Bei 34 Gesunden ohne jeden Befund zeigte 
sich nach der Bewegung eine durchschnittliche 
Pulsvcrmehrung von 28,3%. 

Daraus ergibt sich, daß bei diesen Ver¬ 
suchen, bei denen es sich um eine kurz dauernde, 
aber umso anstrengendere Muskelaktion handelt, 
bei Gesunden und Kranken ausnahmslos eine 
zum Teil ganz bedeutende Steigerung der Puls¬ 
frequenz zustande kam, während Penzold und 
andere bei ihren Versuchen zwar „häufig eine 
zum Teil erhebliche, die beim Gesunden über- 


treflfende Erhöhung der Pulszahlen feststellen 
konnten, dieselbe aber auch zuweilen voll¬ 
ständig vermißten.“ 

Fritz Loeb (München). 


Weisz, Bewegung und Heilgymnastik in der 
Gelenktherapie. Wiener medizinische Presse 
1905. Nr. 18 und 19. 

Bei Gelenkerkrankungen müssen für die 
Bewegungen resp. das Verbot der Bewegungen 
strenge Vorschriften gegeben werden, die vom 
Gesichtspunkte der Muskulatur ausgehen müssen, 
da diese von der Tätigkeit des entsprechenden 
Gelenkes beeinflußt wird. Neben der heilenden 
Aufgabo der Bewegung steht ihr prophylak¬ 
tischer Wert: Gelenksteifigkeiten vorzubengen. 
Die Heilgymnastik bedient sich der aktiven 
und passiven Bewegungen. Die passiven Be¬ 
wegungen sind besonders dann indiziert, wenn 
empfindliche Patienten ein Gelenk wegen 
Schmerzen fixiert halten und in allen denjenigen 
Fällen, wo Schrumpfung und Verwachsungen 
bereits eingetreten sind. Zunächst versuche 
der Arzt, die Bewegungsfähigkeit manuell zn 
heben, indem die linke Hand fixiert, die rechte 
die Bewegung ausführt. Nur bei Bewegungen 
im Hüftgelenk muß ein Assistent das Becken 
fixieren, während der Oberschenkel bewegt 
wird. An die Stelle der manuellen Tätigkeit 
können Maschinen treten, die ihren Antrieb 
durch Hebel-, Feder-, Pendelwirkung erhalten 
oder durch einen Motor oder die Hand in Be¬ 
wegung gesetzt werden. Die Maschinen sind 
teilweise für aktive und passive Bewegungen 
anwendbar, die in der Behandlung abwechseln 
sollen. Eine hervorragende Rolle unter den 
aktiven Übungen spielen die Freiübungen, bei 
denen die Hände eventuell mit Hanteln oder 
einem Stabe belastet sind. Sie gestatten eine 
kräftige Durcharbeitung und sind von großem 
Werte, wenn zweckdienliche Übungsgruppen 
zusammengestellt werden, bei denen in Ab¬ 
wechslung die rechte und linke Körperhafte, 
die obere und untere Extremität in ange¬ 
messener Steigerung der Dauer und Schwierig¬ 
keit unter Berücksichtigung der Atmungs-■ 
Zirkulationsorgane geübt werden. Wider¬ 
sprechen möchte ich der Ansicht des Verfassers, 
daß die Freiübungen nur einen geringen muske - 
entwickelnden Wert besitzen und das Nerven¬ 
system anstrengen. Ich erinnere nur an das 
Sandowsche und Müllersche System, die nur 
durch Freiübungen vorzüglich muskelbilde 0 
wirken. Freiübungen sollen mit Geräte- o er 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


295 


Apparateübungen abwechseln und in legerer 
Kleidung vorgenommen werden. 

Angeborene Gelenkleiden erlauben die 
Gymnastik erst in späteren Stadien, Neubildungen 
verbieten sie als zwecklos und schädlich. Bei 
Gelenkneuroscn und hysterischen Gelenk¬ 
zuständen wirkt die Gymnastik oft günstig, 
häufig auf dem Wege der Suggestion. Bei 
Tabes ist jede forcierte Übung kontraindiziert; 
am besten beschränkt man sich auf dieFrenk ei¬ 
chen Übungen. Intermittierender Gelenk- 
fcydrops läßt sich durch Bewegungen kaum 
beeinflussen. Posttraumatische Gelenkzustände 
erfordern einen schonenden Beginn mit aktiven 
Übungen, die die Innervation anregen und die 
M nskulatur kräftigen und später mit maschinellen, 
energischen abwechseln müssen. Bei Tuber¬ 
kulose und Lues dürfen nur ausgeheilte Fälle 
vorsichtig mobilisiert werden. Gelenkrheuma¬ 
tismus und gonorrhoische Gelenkerkrankungen 
• rfordern im akuten Stadium Ruhe, in chro¬ 
nischen Fällen aktive, passive und maschinelle 
«iymnaitik, je nach der Schwere der Erschei¬ 
nungen. Für die subakuten Fälle lassen sich 
bindende Regeln nicht aufstellen. In der Rekon- 
vaJesienz ist mit Ablauf des Fiebers und der 
Entzöndungserscheinungen vorsichtig mit den 
(Tangen zu beginnen, besonders wenn sich 
Exsudate oder Muskelschrumpfungen gebildet 
haben. Beim Gichtiker wirkt die Gymnastik 
^scheidend, da sie die Bilanz des lokalen 
HoiFwechscls in chemischer und mechanischer 
Hinsicht verbessert; bei der chronischen Gicht 
i>t eine individuelle Gymnastik das beste 
Prophylaktikum. Der akute Gichtanfall er¬ 
fordert strenge Ruhe. Hämorrhagische Gelenk- 
Erkrankungen verbieten jede Bewegung. Senile 
üelenkveränderungen sind passiver, maßvoller 
Gymnastik zugänglich. Die Gelenkerkrankungen 
nach Metallvergiftungen erfordern dieselbe An- 
vecdungsform der Gymnastik wie der Gelenk¬ 
rheumatismus. Niemals sollen Bewegung und 
Heilgymnastik bis zum Grade des Sports ge¬ 
trieben werden. Perl (Berlin). 


S.West, F.R.C.P., the treatment of pleuritic 
effision by paracentesis and incislon in 
aerons eflfttsion, empyema and pyopneumo- 
thorax. The Lancet 1905. 25. März. 

Der bekannte Oberarzt einer inneren Ab- | 
teilnng des St. Bartholomews Hospital gibt 
ins hier, ohne gerade Neues zu bieten, nütz- | 
liehe Erfahrungen seiner reichen Praxis wieder; 
f ' r bespricht zunächst die Indikationen fiir die | 


Punktion der serösen pleuritischen Ex¬ 
sudate und findet solche abhängig von der 
Größe und Dauer der Effusion und der An¬ 
wesenheit von Dyspnoe. Über die beiden ersten 
Punkte dürfte allseitig Einigkeit herrschen; 
bei dem Symptom der Dyspnoe ist wohl aus- 
einanderzuhalten, welches ihre wahre Quelle 
ist, nämlich die Größe und Schnelligkeit 
(Intensität) der Ansammlung der Flüssigkeit 
(bei langsamer Ansammlung können viele Liter 
in der Seite sein und Organverschiebungen 
vorliegen ohne Atemnot!) oder bei größeren 
Exsudaten die sogenannte „Kongestion“ der 
anderen Lunge, ein Ereignis, welches bei Auf¬ 
schub der Punktion oft von übelster Wirkung 
ist und häufig (bei Pneumonie) das fatale Ende 
anzeigt. Kontraindikationen kennt West keine; 
auch bei Tuberkulose mit Exsudat will er 
unter sonst gleichen Bedingungen punktiert 
wissen (! Bäu ml er u. a.? Ref.). 

Über die Technik der „Operation“ hören 
wir nichts Neues, sie soll eben als „Syphonage“ 
vorgenommen werden, nicht als Aspiration 
unter stärkerem negativem Druck. Die Radikal¬ 
behandlung durch freie Inzision wird verworfen. 

Bei der Behandlung des Empyems soll 
die alte Regel von Trousseau gelten: erst 
die Nadel, dann das Messer; Rippenresektionen 
können oft gespart bleiben; nachfolgende Aus¬ 
waschung der Pleurahöhle ist unschädlich und 
meist vorteilhaft; die Drainage muß lange Zeit 
wirksam unterhalten werden. Die übrigen 
Einzelheiten der Nachbehandlung interessieren 
mehr den Chirurgen. 

Der Pneumothorax endlich erfordert 
meist die Punktion sofort nach seinem Auf¬ 
treten und zwar in Form der Syphonage; hilft 
diese, wiederholt ausgeführt nicht, so ist die 
Inzision am Platze; bei Hydropneumothorax 
soll möglichst früh punktiert werden und 
natürlich so, daß Flüssigkeit und Luft ent¬ 
leert werden; Pyopneumothorax ist stets wie 
Empyem anzusehen. 

R. Bloch (Koblenz). 

E. Cyrlax, The elements' of Kellgrens 
manual treatment. London 1903. John Bale, 
Sons and Danielssohn. 

Der mit dem Doktortitel geschmückte 
englische Verfasser des 500 Seiten starken 
Buches mutet dem medizinisch gebildeten Leser 
unglaublich viel zu. Das pseudowissenschaft¬ 
liche Werk ist Henrik Kellgren gewidmet und 
dazu bestimmt, dessen Methode der manuellen 


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290 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Behandlung zu schildern und zu verherrlichen. 
Hoffentlich wird es von keinem deutschen Arzt, 
außer vom Referenten in ernster Absicht gelesen, 
da die Lektüre nur Mißtrauen gegen die Heil¬ 
gymnastik und Massage überhaupt zu erzeugen 
vermag. j 

Der allgemeine Teil befaßt sich haupt¬ 
sächlich mit der Technik der manuellen Be¬ 
handlung, deren Kompliziertheit sie dem Arzt 
nicht zugänglich erscheinen läßt. Der spezielle 
Teil schildert den Indikationskrois der Kell- 
g r e n sehen Behandlung. Was hier auf 250 Seiten 
geschrieben steht, ließe sich deutlicher in einem 
Satz sagen: „Die manuelle Behandlung Keil- 
grens ist immer angezcigt und immer erfolg¬ 
reich.“ Endlose Krankengeschichten sollen diese 
Behauptung illustrieren, vergebens aber sucht 
man in ihnen Abweichungen vom üblichen 
Krankheitsverlauf zu finden, welche auf die 
spezielle Behandlung zurückzuführen wären. I 
Der Verfasser, der „typhoid fever“ und 
Scarlatina und Erysipel, Pneumonie und 
Pleuritis, akute Peritonitis und akuten Magen¬ 
darmkatarrh etc. etc. manuell behandelt, kann 
günstigenfalls als Phantast angesehen werden. j 
Vulpius (Heidelberg). \ 


Cornelius, Die Nervenmassage. Therapeut. 

Monatshefte 1905. Heft 5. | 

Der durch seine Druckpunktlehrc bekannte 
Verfasser macht in dem vorliegenden Aufsatz 
den Versuch, die nervösen Wirkungen der | 
Massage durch Annahme eines sogenannten ' 
Nervenkreislaufes zu erklären, welcher analog | 
dem Blutkreislauf in Form eines in sich ge- j 
schlossencn Systems den Organismus durch- j 
strömt. Jeder den Körper treffende Reiz teilt 
sich dem Ganzen mit, der peripherische dem ! 
Zentrum, der zentrale der Peripherie. Die | 
durch den Reiz erzeugte Erregungswelle kojpmt I 
im Bewußtseinszentrum dadurch zur Empfindung, ’ 
daß sie an verschiedenen Punkten („Nerven- 
Knotenpunkten“) an Behinderungen stößt, die 
Cornelius als rein mechanisch auffaßt. Jede 
Reizwirkung hat nun entweder einen mehr 
zentralen oder peripherischen Charakter und 
äußert sich beruhigend oder erregend. 

Der Aufsatz ist zu einem kurzen Referat 
wenig geeignet. Zum vollen Verständnis ist 
die Kenntnis der früheren Arbeiten des Ver¬ 
fassers nötig, besonders der bei Enslin (Berlin | 
1902) erschienenen Broschüre: „Druckpunkte, 
ihre Entstehung und Bedeutung bei Neuralgien, 
Nervosität, Neurasthenie, Hysterie, Epilepsie 


und Geisteskrankheiten, sowie ihre Behandlung 
durch Nervenmassage“. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse'. 


D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

Coromilas, Les rayons X comme mojen 
thdrapeutique contre certaines affections 
des poumons et sur tont contre la tnber* 
culose. Bulletin g6n6ral de Thdrapeutique 
1904. 23. Juli. 

Nach Angabe des Verfassers findet nach 
Röntgenbestrahlung des Thorax eine vermehrte 
Produktion von Kohlensäure, ein vermehrter 
Verbrauch von Sauerstoff, also eine stärkere 
Verbrennung statt, welche den Nährboden für 
die Tuberkulose günstiger gestaltet und den 
Nachwuchs der Bazillen befördert 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Albert-Weil, Rayons X et Constipalion. 
Journal de Physiotherapie 1904. 15. August. 

Der Verfasser hat günstige Erfolge bei 
Fällen von chronischer Obstipation mit der 
Röntgenbehandlung erzielt. Er glaubt an eine 
direkte Wirkung der Röntgenstrahlen auf die 
Nervenplexus. H. E. Schmidt (Berlin. 


Monod et Borchet, Sur un cas d’epi- 
ikelloma cutane de la region temporo 
frontale gudri par l’appllcation des 
rayons X. Journal de Physiotherapie 1904. 
15. August. 

Der Bericht ist da eine Unzahl ähnlicher 
schon vorliegen, ziemlich überflüssig, zumal 
die Photographie nach der Behandlung ganz 
deutlich zeigt, daß die Patientin keineswegs 
geheilt ist. H. E. Schmidt (Berlin). 

Leopold, Heilung der Ozaena mit kaltem 
(Finsen-)Licht« Fortschritte der Medizin 1904. 
10. Oktober. 

Der Verfasser hat 5 Fälle von Ozaena 
durch Bestrahlung mit dem konzentrierten 
Kohlenlicht der Strebel-Lampe, welches durch 
„Glasstäbchen mit entsprechender Krümmung 
in die Nasenhöhlen geleitet“ wurde, geheilt. 
1 Fall ist 1 Jahr, 4 Fälle sind Vs rezidiv¬ 
frei. H. E. Schmidt (Berlin % 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


297 


l. Rabiat, La terapia delle radiazioni nel 
Anuali di elettricitä medica e terapia 
asiea 1904. Nr. 12. 

Kurze kritische Übersicht über die thera- 
^ntisehen Leistungen bei Verwendung der ver¬ 
miedenen Lichtarten, der leider ein Literatur- 
'erieicbnis fehlt Laser (Wiesbaden). 


Saatoro, Süll’ iuiportanza della radio- 
grafta Bella diagnosi delle fratture. — A 
praposito di una frattura della testa di 

ib »etacarpeo. Annali di elettricitä medica 
e terapia fisica 1904. Nr. 12. 

Ein Fall von Bruch eines Metakarpal¬ 
knochens, der erst längere Zeit nach der Heilung 
hrth Röntgenaufnahme diagnostiziert wurde. 
Einblick auf die diagnostische Bedeutung der 
L'ntgenstrahlen bei Knochenbrüchen. 

Laser (Wiesbaden). 

Lmifl Ttrdiani, La cura dell’ allopecia 
artsta cea le correnti ad alta frequenza. 

Riyisti intemazionale di terapia fisica 1904. 
\r 12 

Verfasser behandelte eine in elf Monaten 
►atitandene Alopecia areata des Haupt- und 
Lanhaares in 24 Sitzungen mit Hochfrequenz- 
rn:> «en, wobei er sich der unipolaren Methode, 
ui: «mdioscher Elektrode, bediente. Er er- 
iieltf vollständige Heilung, und zwar waren 
ii- neogewachsenen Haare im Gegensatz zu 
£rit noch vorhandenen weißen schwarz. Das 
>-nwaehstum vollzog sich vom Umkreis einer 
tihkn Stelle nach dem Mittelpunkt hin, am 
-rlmellsten da, wo im Gefolge der elektrischen 
>itzung starke Hyperämie ein trat 

Laser (Wiesbaden). 

Bis! della terapia foto-attinica 
>tlle malattie entanee. Rivista inter¬ 
zonale di terapia fisica 1904. Nr. llu. 12. 

Erblick über den Einfluß des Lichtes 
J Jl Pflanzen und Tiere, im besonderen über 

Wirkung des Sonnenlichtes, der Röntgen- 
•*Zen, sowie auch der Funken von Hoch- 
^inenzströmen auf die menschliche Haut, die i 
beobachteten mikroskopischen Befunde, 
Z dk Indikationen der verschiedenen Ver- 
Enthält nichts wesentlich Neues. 

Laser (Wiesbaden). 


Aubertin et Beaujard, Action des rayons 
sur le sang« Le Progr^s Medical 1905. 
11. Februar. 

Ein Tier, welches der Wirkung der Röntgen¬ 
strahlen ausgesetzt ist, zeigt sofort eine Hyper¬ 
leukozytose und einen Zerfall der Leukozyten. 
Wiederholt man die Einwirkung auf einzelne 
Körperteile, so entsteht ein vorübergehender 
Zustand von Hyperleukozytose, später Myklo- 
zytose. Die roten Blutkörperchen vermindern 
sich, und es treten kernhaltige auf. Es tritt 
schließlich ein Zustand von Leukozytose (Myklo- 
zytose) ein. Das Knochenmark auf der be¬ 
strahlten Seite zeigt stärkere Verfettung als 
auf der andren. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Imberti, Traitement des bourdoiuiements 
d’oreille par les courants de haute 
frdquence« Journal des Praticien 1904. Nr.51. 

Bei der Behandlung des Ohrensausens soll 
nach Imberti die Einwirkung hochgespannter 
(d’Arsonval-) elektrischer Ströme gute Dienste 
leisten. Man läßt von einer pinselförmigen 
Elektrode (die nähere Beschreibung ist im 
Original nachzulesen) drei bis sechs Minuten 
Funken auf das erkrankte Ohr einwirken und 
erzielt meist nach fünf bis sechs Sitzungen eine 
deutliche Besserung und schließlich Heilung. 

■ Beschwerden macht diese Behandlungsmethode 
nicht; gewöhnlich tritt eine mehr oder weniger 
starke Rötung, gelegentlich leichte Verbrennung 
der behandelten Partie ein. Man macht drei 
Sitzungen wöchentlich und wiederholt dieselben 
auch, wenn bereits Besserung oder Heilung ein¬ 
getreten ist, da Neigung zu Rezidiven besteht. 
Ausgeschlossen von der Behandlung sind 
Patienten mit entzündlichen oder eitrigen Ohr- 
affektionen. M am lock (Berlin). 


C. Beck, Über die Kombination von Exzi- 
sions- und Röntgentherapie bei Morbus 
BasedowiL Berliner klin. Wochenscbr. 1905. 
Nr. 20. 

Der Verfasser hat bei der Röntgenbehand¬ 
lung von Neubildungen am Gefäßsystem den 
spezifischen Einfluß der Strahlen auf die Blut¬ 
gefäßwandungen kennen gelernt. Er glaubte 
deshalb die Bestrahlung bei den durch große 
Vaskularisation ausgezeichneten Strumen an¬ 
wenden zu sollen. Auf Grund theoretischer 
Erwägungen nahm er an, daß die Metaniorpho- 


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29* 


sierung des Gefaßapparates um so energischer 
durch die Röntgenbehandlung gefördert werden 
dürfte, wenn ihr die Ausschneidung eines 
Schilddrüsenlappens vorausgeht. 

Verfasser hat deshalb bei zwei Fällen von 
Morbus Basedowii das Röntgen verfahren an¬ 
gewandt, nachdem durch halbseitige Exzision 
vor 18 und 13 Monaten zwar Besserung, aber 
keine Heilung erzielt worden war. Schon nach 
wenigen Sitzungen konnte eine auffallende 
Besserung der Nervosität und der Tachykardie 
konstatiert werden. 

In einem dritten, überaus schweren Falle, 
in dem Verfasser das Röntgenverfahren sofort 
nach vollendeter Wundheilung anwandte, er¬ 
zielte er einen so raschen und eklatanten Erfolg, 
daß er eine Nachprüfung dieser postoperativen 
Röntgenbehandlung sehr warm empfiehlt. 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


Zanietowski, Uber die Verwendbarkeit 
von Kondensatorentladungen zur klinischen 
Myographie. Zeitschrift für Elektrotherapie 
1904. Bd. 6. Heft 11. Dezember. 

Der um die Verwertung der Kondensator¬ 
entladungen sehr verdiente Verfasser setzt in 
diesem Aufsatze seine Bestrebungen fort, die 
Methode „gewissermaßen aus dem Gebiete der 
Präzision auf dasjenige der alltäglichen Praxis“ 
zu führen. Einen technischen Fortschritt hat seit 
den letzten Veröffentlichungen des Verfassers die 
Methode insofern gemacht, als Mann nach Rück¬ 
sprache mit dem Verfasser eine billige Modi¬ 
fikation des Armamentariums einführte. Mann 
war es auch, der dem Verfasser die wesent¬ 
liche Tatsache nach eigenen Versuchen be¬ 
stätigen konnte: daß die Methode auch wirklich 
bei Untersuchung derselben Nerven in derselben 
Sitznng das gleiche Resultat ergibt, und auch 
bei Untersuchung derselben Nerven an ver¬ 
schiedenen Tagen sich eine recht erfreuliche 
Übereinstimmung zeigt. Dies trifft bekannt¬ 
lich für die galvanische und faradische Erregung 
durchaus nicht in demselben Maße zu. Daraus 
ist der für die Bewertung der Kondensator¬ 
methode sehr wichtige Schluß zu ziehen, daß, 
„wenn wir nicht eine Reihe von genau den¬ 
selben Kurven, sondern irgend eine Veränderung 
der Größe und der Form beobachten, bei den¬ 
selben Versuchsbedingungen an eine Ver¬ 
änderung der physiologischen Tätigkeit sicher 
zu denken war, und zwar, wenn nach einer 
Reihe von identischen Kurven allmählich die 
Veränderung hervortrat, an das wohlbekannte 


Ereignis der Ermüdung, wenn aber gleich von 
der ersten Untersuchung an eine nicht den 
Typus der normalen Kurve entsprechende Form 
ersichtlich war, an eine gewisse pathologische 
Veränderung.“ 

Der Verfasser bringt eingehende Be¬ 
schreibungen und zum Teil auch Abbildungen 
myographischer Kurven bei Myasthenie,Myotonie, 
Tetanie, Syringomyelie, Polyneuritis, Ermüdung 
des normalen und des degenerierten Muskels usw. 

Eine eingeflochtene Polemik mit Maurice 
Mendelsohn ist ziemlich nebensächlicher 
Natur. Frankenhäuser (Berlin). 

Dobrzynicky, Licht-Therapie in der Zahn* 
heilknnde. Wissenschaftlicher Verein der 
Militärärzte 1904. Wien. 12. März. 

Redner teilt die Faktoren der Behandlung 
in zwei Gruppen. 

Die erste Gruppe umfaßt Licht- und Wärme 
strahlen gleichzeitig. Die zweite Gruppe ent¬ 
hält spezielle Lichtstrahlen (Finsen). Beide 
dem elektrischen Licht eigenen Faktorengruppen 
und deren Wirkung sucht er durch das Lampen¬ 
licht einer 15 mm Rundbrenner-Petroleumlarope 
(Telschowlampe) zu ersetzen. Mittelst eines 
Reflektors wird das Licht durch Linsen in die 
Mundhöhle geworfen, also gleichzeitig Licht- 
und Wärmestrahlen. Dadurch entsteht auf der 
Schleimhaut des Mundes ein sich allmählich 
steigerndes Wärmegefühl, verbunden mit 
Trockenheit und Rötung der Schleimhaut auf 
die Dauer von einigen Minuten. Besonders 
oben am Prozessus alveolaris können dabei 
Einzelheiten in der durchleuchteten Partie 
erkannt werden. 

Als therapeutische Wirkungen werden auf* 
geführt: 

Heilung entzündlicher Erkrankungen dei 
Weichteile am Kieferknochen, spontanes Aus 
sickern des Eiters durch eine Fistel usw. 

van Oordt (St Blasien). 


£• Serum- und Organotherapie. 

P. Th. Müller, Über den Einfluß künstliche! 
Stoffwechselalterationen auf dieProduhtioi 
der Antikörper. Archiv für Hygiene 1904 
Bd. 51. Heft 4. 

Von der wohl allgemein als feststehen 
angenommenen Tatsache ausgehend, daß di 
Produktion der Antikörper eine Schutz- un 
Abwehrreaktion des Organismus darstellt, di 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


299 


i-öi nur eine Immunität gegenüber einer 
Erkrankung zu verleihen vermag, 

• *km auch bereits der ersten Infektion bzw. 
V' iikation zugute kommt, hat Verfasser die 
r ritre zu prüfen gesucht, ob es möglich sei, 

* c Fähigkeit des Organismus, auf die Ein- 
. - rteibung’ bakterieller Substanzen mit der Pro- 
iiktuin von Antikörpern zu reagieren, durch 
pjvndwelche Eingriffe in das normale Stoff- 
».chselgetriebe zu beeinflussen. Zu diesem 
Zwecke hat er eine Reihe von Versuchen an- 
i-Mellt, indem er einmal eine besondere Art 

Ernährung wählte, weiterhin Vergiftungen 
u t Phloridzin und Alkohol vornahm und 
^Uießlieh Vorbehandlungen mit intraperi- 
’ .ealen Aleuronat- und intravenösen Hetol- 
>ktionen einleitete. Bei der ersten Ver- 
- bsweise, der Art der Ernährung, wurde zur 
i ::t<rung der Versuchstiere (Tauben) auf der 
w >n Seite eine eiweiß- und fettreiche, auf der 
zieren eine fett- und eiweißarme Nahrung 
jrirähU: zur Immunisierung dienten zwei 
üakxerienarten, der bac. pyocyaneus einerseits, 
ü*:. protens andererseits; die Ergebnisse waren 
* linder die Art der Fütterung hatte auf die 
Immunisierung gegen proteus keinen mit 
> fberieit konstatierbaren Einfluß ausgeübt, 
"isgegen war ein solcher bei Immunisierung 
j-ren pyocyaneus deutlich zutage getreten und 
sich derart geäußert, daß die Milchtiere 
•^rrktthnittlich fast siebeneinhalbmal soviel 
AiVi fit inine produziert hatten, als die Kartoffel- 
Dieses Resultat steht in Übereinstimmung 
ti: früheren Untersuchungen des Verfassers, 
*'>aach die Alteration der Antikörperproduktion, 
dmch verschiedenartige Eingriffe in das 
v t* fwechselgetriebe des Organismus gesetzt 
«ird. nicht nur von der Art dieses Eingriffs 
>r lb^t abhängig erscheint, sondern auch durch 
i'i* besondere Natur der Mikroorganismen bzw. 
•s-rjenigen Substanzen bestimmt wird, welche 
-ler Entstehung der Antikörper Veranlassung 
Vil Ganz analoge Resultate ergaben sich bei 
Ff ridiindarreichung. Das xvohl lebhafteste, 
-«resse beanspruchen die Alkoholversuche. 
i*ier ergab sich, daß die Kontrolltiere im Durch- 
^nitt mehr als viermal soviel Agglutinin ge- 
let hatten als die Alkoholtiere. Diese 
v-nindc stimmen mit denen einer Reihe von 
E rforschern dabin überein, daß sie beweisen, 
“ß bereits kurzdauernde, nur durch wenige 
Tigc fortgesetzte Behandlung mit großen 
Vikoholdosen imstande ist, die Produktion der 
^Ltikörper sehr wesentlich zu beeinträchtigen. 
Erlebe Bedeutung diese Tatsache für die 


therapeutischen Bestrebungen hat, liegt auf der 
Hand. Denn da man in dem Auftreten der 
Antikörper zweifellos eine Schutzvorrichtung 
des infizierten Organismus zu sehen hat, w r elche 
mit den Heilungs- und Restitutionsvorgängen 
in einiger Beziehung steht, so wird man 
logischerweise alles vermeiden müssen, was 
der möglichst raschen und intensiven Pro¬ 
duktion dieser Schutzstoffe hinderlich sein kann 
und wird daher auch von diesem Gesichtspunkte 
aus der Behandlung der Infektionskranken mit 
großen Alkoholdosen mit berechtigtem Mi߬ 
trauen begegnen müssen. Auf der Tatsache, 
daß alle jene Substanzen, welche imstande 
sind, eine lokale oder allgemeine Hyper¬ 
leukozytose hervorzurufen, auch eine Erhöhung 
der Widerstandsfähigkeit gegenüber bakte¬ 
riellen Infektionen bedingen, beruhen die 
weiteren Versuche von Müller, die intraperi¬ 
tonealen Injektionen von Aleuronat und die 
intravenösen von He toi. Die ersteren hatten 
nicht nur keine Beschleunigung und Ver¬ 
mehrung der Antikörperproduktionen, sondern 
im Gegenteil, eine nicht unbeträchtliche Ver¬ 
minderung derselben zur Folge, die letzteren 
dagegen eine sehr deutliche Steigerung. Diese 
nicht unbeträchtliche Steigerung der Anti¬ 
körperproduktion, die unter dem Einfluß der 
Heilbehandlung eintritt, ist von großer thera¬ 
peutischer Bedeutung und eine nicht unwesent¬ 
liche Stütze der Land er ersehen Forschungen. 

J. Marcuse (Mannheim). 


George- L. Peabody, The treatment of 
epldemlc cerebrospinalmeningitls with in- 
jectlons (ebiefly intraspinons) of diph- 
theria antitoxin. Med. Record 1905. 13. Mai. 

Das augenblicklich für uns aktuelle Thema 
(Vortrag in derNew-York academy ofmedicine) 
enthält zunächst die von Dr. Wolff (Nartford) 
im Januar 1905 festgestellte Tatsache vom 
Antagonismus zwischen dem Klebs-Löffler- 
Bazillus und dem Meningokokkus, weiche den 
Autor angesichts der Hilflosigkeit der bisherigen 
Therapie einer ausgedehnten Epidemie von 
Genickstarre gegenüber veranlaßte, 22 Patienten 
gemeinschaftlich mit Dr. Jacobi im Roosevelt- 
Hospital der Behandlung mit Diphtherieantitoxin 
zu unterwerfen. Bei sämtlichen Kranken wurde 
klinisch und bakteriologisch unzweideutig die 
Diagnose gestellt; die Mehrzahl waren Kinder 
oder Personen unter 18 Jahren; viele kamen 
frühzeitig in Behandlung. Wie Leube, so 
fand auch Peabody in wohlausgebildeten 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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4 


Fällen lange Zeit völlig sterile Punktions¬ 
flüssigkeit, welche häufige aber nicht immer, 
unter hohem Druck stand und in Mengen von 
6 bis 30 g (2 Drachmen bis 1 Unze) entleert 
wurde. 

Vier Patienten erhielten Diphtherieantitoxin 
nur subkutan einvcrleibt, 7 subkutan und intra¬ 
spinal, 11 nur intraspinal; nur in einem Falle 
(lbjähriges Mädchen) traten unangenehme Neben¬ 
wirkungen auf (Urticaria) bei 2000 Einheiten; 
die Dosen schwankten von 1200 bis 15 000 J. E. 
und wurden ein- bis sechsmal verabfolgt Von 
diesen 22 Behandelten sind 11 gestorben (50%), 
von diesen 7 vor dem sechsten Krankheitstage; 
von den 11 Überlebenden sind 2 ganz wohl, 

2 auf der Besserung, 5 noch in Behandlung 
(ohne weitere Antitoxinanwendung) mit ernster 
Prognose (2 moribund;. 

Verfasser und seine Mitarbeiter können der 
Diphtherieantitoxinbehandlung weder einen 
guten noch schlechten Einfluß zuschreiben. 

R. Bloch (Koblenz). 

Ganghofner, Über die Behandlung des 

Scharlachs mit Antlstreptokokken-Serum. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1905. 

Nr. 14/15. 

Ganghofner berichtet über eine kleine 
Reihe durchweg schwerer, der Serumtherapie 
unterzogener Scbarlachfälle. Bei fünfzehn 
Kindern gelangte Aronsonschcs 20—25faches 
Normalserum zur Anwendung, und zwar in 
Mengen von je 10—30 ccm, die meist am 
1.—5. Krankheitstage injiziert, in einigen Fällen 
am folgenden Tage wiederholt wurden; die 
Mortalität betrug 46,6%; ein wesentlicher Ein¬ 
fluß auf den Gang der Temperatur, das All¬ 
gemeinbefinden und die einzelnen Symptome 
war nicht zu konstatieren. Von acht mit 
Moserschem Serum (100 — 150 — 200 ccm) am 
1.—5. Tage gespritzten Patienten, deren aus¬ 
führliche Krankengeschichten wiedergegeben 
werden, starben 5 = 62%; hier gewann Ver¬ 
fasser zwar bei zwei frühzeitig — innerhalb 
24—48 Stunden nach Beginn der Erkrankung — 
injizierten Fällen den Eindruck einer günstigen 
Wirkung des Serums, doch trat eine erhebliche 
und dauernde Beeinflussung des Scharlach- 
prozesses oder eine Verhütung der gewöhn¬ 
lichen Komplikationen im allgemeinen nicht 
zutage. Von Spritzexanthemen abgesehen, 
wurden schädliche Nebenwirkungen nicht ver¬ 
zeichnet. Ilirschcl (Berlin). ! 


P. Baumgarten und C. Heyler, l'ber 
Immunisierung gegen Tuberkulose. Berliner 

klin. Wochenschr. 1905. Nr. 3. . 

Bei einem mit Rinderimmunsenim pro* 
phylaktisch behandelten Kalbe, welches später 
mit bazillenreicher Perlsuchtemulsion infiziert 
wurde, ergab die genaue Sektion keine Spni 
von makroskopischer Tuberkulose. Ein zweitu 
Kalb, das nicht prophylaktisch immunisiert 
wurde, sondern welches das Immunsenim erst 
gleichzeitig mit der Infektion erhielt, wies bei 
der Sektion erhebliche tuberkulöse Ver¬ 
änderungen auf. Ganz ebenso war ein drittel 
Tier, das als Kontrolitier infiziert wurde aber 
überhaupt kein Serum erhielt, durch und durch 
tuberkulös. Naumann (Meran-Reinerz . 


Ernst Neißer, Weitere Erfahrungen über 
Tuberkulinanwendung in Heilstätten. Bericht 

über die zweite Versammlung der Tuberkulose 
Ärzte, Berlin, 24. bis 26. November 1904. 
Herausgegeben von Oberstabsarzt a. D. 
Dr. Nietner. Berlin 1905. S. 71—101. 

An das Referat Neißers über die prak¬ 
tischen Erfahrungen, die über Tuberkulin- 
anwendung seit ungefähr der vorigen Ver¬ 
sammlung der Tuberkulose-Ärzte gemacht sind, 
schloß sich eine wertvolle Diskussion an. deren 
Redner Kremser (Sülzhayn), Hager (Magde¬ 
burg), P i c k e rt (Beelitz), B e n d a(Berlin). Rumpf 
(Friedrichsheim), Schöler (Berlin), Joel 
(Görbersdorf), Jacubasch (St Andreasberg 
Roepke (Melsungen), Hammer (Heidelberg'. 
Besold (Falkenstein), Pauly (Posen), Köhler 
(Holsterhausen), Max Wolff (Berlin) zu einer 
ruhigen, objektiven Klänmg der Frage über 
die diagnostische und therapeutische Bedeutung 
des Tuberkulins beitrugen. Ziemlich durch 
gehends wurde das Alt-Tuberkulin als das wert 
vollere und gleichmäßigere Präparat gegenüber 
dem Neu-Tubcrkulin bevorzugt 

Zusammenfasscnd resümiert Neißer die 
heutige Auffassung über die Tuberkulinfrage: 
Was die therapeutische Anwendung des 
Mittels betrifft, so wendet sich diesbezüglich 
die Aufmerksamkeit der Ärzte der steigenden 
Verwertung desselben zu; es wird, wie z B 
Joel treffend sagt, ruhig mit Tuberkulin weiter 
gearbeitet, obgleich wir weder nach der eineu 
Seite hin einen hervorragend günstigen Erfolg 
erzielt haben, noch andrerseits durch ungünstige 
Resultate abgeschreckt werden. Sind die bei 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


301 


jtKhlossener Tuberkulose erhaltenen Re- 
‘Uiie ftir den Effekt der Tuberkulinwirkung 
i/i-t beweisend, so muß man größere Be- 
<‘itaBg den Erfolgen beimessen, die bei vor- 
r-Mbrittener Tuberkulose gewonnen sind; 

l doch die endgültige Entscheidung über 
: <* Heilkraft des Tuberkulins von der offenen 
T*;t*rknlose geliefert werden müssen; doch 
to! man eingedenk sein, daß die Anwendung 
':-ht immer ganz ohne Gefahren ist. 

Bezüglich der Diagnostik bleibt das 
Tuberkulin das feinste Reagens auf die An- 
*f«-nheit von Tuberkelbazillen im Körper; 
i.r Fehlerquellen scheinen nicht genügend 
um der Methode Abbruch zu tun. Es 
•' rt eine Anuhl von Beweisen vor, daß durch 
va positiven Ausfall der Reaktion die An- 
* -^nheit von Bazillen, nicht aber eine 
-.Vrkulöse Erkrankung bewiesen wird; positiv 
ti-agierende können gesund sein und bleiben, 
htk m.in ein Heilverfahren übernimmt, sind 
jWr auch Anhaltspunkte seitens der andren 
tiiüischen Untersuchungsmethoden zu verlangen. 

J. Ruhemann (Berlin). 


L Fker, Experimentelle Übertragung der 
Ttberknlose von Menschen auf das Rind. 
Uluchr. für Fleisch- und Milchhygiene 1905. 
Hm 7. 

Verfasser übertrug tuberkulöses Material, 
* Wehes aus Darm- und Mesenterialdrüsen- 
^»erknlose von fünf Kindern stammte, teils 
Urtkx, teils nach vorheriger Passage durch 
Meerschweine intraperitoneal bezw. subkutan 
*sf 7 junge (ca. 8—12 Wochen alte), gesunde 
fcnder, welche keine Tuberkulinreaktion zeigten. 
Die Impfung erwies sich für zwei Rinder stark 
Talent es entwickelte sich eine generalisierte 
rtberkulose, die Infektion war bei zwei 
’iiad?m mittelgradig virulent; es wurde in dem 
"sen Fall eine von der Injektionsstelle aus- 
tetade typische Bauchfelltuberkulose (Perl- 
‘steti und beginnende Brustfelltuberkulose, in 
zweiten typische Bauchfelltuberkulose er- 
--agt. Bei einem fünften Rinde ergab die 
•it>k«Une Einverleibung des Impfmaterials eine 
•riiehe tuberkulöse Infiltration der Drüsen, 
f ihrend die Impfung bei dem sechsten und 
^d»cntea Rinde resultatlos blieb. 

Ergaben diese Versuche im Gegensatz zu 
Koehschen Behauptungen das Faktum, 
uä man bei passender Auswahl des Infektions- 
aiteriala und bei entsprechender experimen¬ 


teller Anordnung menschliche Tuberkulose aut 
Rinder übertragen und hierbei die typischen 
Formen der Rindertuberkulose künstlich er¬ 
zeugen könne, daß demnach keine Artver- 
schiedenheit beider Tuberkulosen bestehe, so 
konnte Verfasser andrerseits durch eine weitere 
Reihe Infektionen von Rindern durch Material, 
welches aus Rindertuberkulose selbst gewonnen 
war, den Beweis erbringen, daß auch hierbei 
nicht immer eine allgemeine Tuberkulose, 
sondern häufig nur örtliche spezifische Infil¬ 
trationen zustande kommen. 

Ich führe hier im Sinne des Verfassers 
und gegen Koch die Bemerkung an, daß die 
scharfe Wirkung des Tuberkulins, welches 
doch aus Tuberkelbazillen menschlicher 
Provenionz herstammt, als Reagens auf Rinder¬ 
tuberkulose unverständlich wäre, w f enn eine 
essentielle Differenz beider Tuberkulosen be¬ 
stände! J. Ruhemann (Berlin). 


F. Verschiedenes. 

E. v. Leyden, Einiges über die drohende 

Epidemie der Genickstarre. Deutsche med. 

Wochenschrift 1905. Nr. 21. 

In einem Vortrag, gehalten im Verein für 
Innere Medizin in Berlin am 1. Mai 1905, teilt 
E. v. Leyden seine Erfahrungen über die 
Cerebrospinalmeningitis mit. Schon in Königs¬ 
berg hat er eine beträchtliche Anzahl solcher 
Kranken beobachtet, ebenso später eine kleinere 
Epidemie in Straßburg. Auch in Berlin hat 
E. v. Leyden immer einige sporadische Fälle 
dieser Krankheit gesehen. Gemeinhin erleichtert 
die Genickstarre die Diagnose. Das Genick 
war so steif, daß es wenig oder gar nicht oder 
nur mit heftigsten Schmerzen bewegt werden 
kann; dagegen blieb die Drehbewegung des 
Kopfes frei. Jede passive Bewegung war sehr 
schmerzhaft. Dazu kamen von andern Symp¬ 
tomen Kopfschmerz und Erbrechen, ferner der 
Schmerz, welcher sich den Rücken hinunter¬ 
zog bis in die unteren Extremitäten. Die 
Krankheit befiel hauptsächlich jüngere Personen 
und Kinder. E. v. Leyden hat schon 1874 
die Vermutung ausgesprochen, daß es sich um 
eine Infektion durch pflanzliche Parasiten 
handelt Seine Therapie war in der Hauptsache 
eine antifebrile, Chinin und Eisblase, und 
Narkotika, besonders Opium und Morphium. 
Die Lumbalpunktion hat E. v. Leyden erst in 
Berlin angewandt. „Es ist nicht zweifelhaft, 


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Referate Uber Bücher und Aufsätze. 


daß sie indiziert ist, daß sie mehrmals wieder- 
holt entschieden Nutzen bringt.“ 

Schon 1883 hat E. v. Leyden in dem 
Exsudat der Pia Diplokokken von großer 
Ähnlichkeit mit den Pneumokokken gefunden, 
die er später in andern Fällen wieder nach¬ 
gewiesen hat. Doch hat er auch bei andern 
Fällen denWeichselbaum-Jägerseben Diplo¬ 
kokkus intracellularis gefunden. 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 

A. Goldscheider, Über die Stimmung. 
Berliner klinisch-therapeutische Wochenschr. 
1905. Nr. 16. 

Die Beziehungen der Stimmung zu körper¬ 
lichen Vorgängen sind in gewisser Hinsicht noch 
inniger als die der Affekte, wenn sie auch bei 
letzteren infolge ihres akuten Auftretens manch¬ 
mal mehr in die Augen springen. Die gehobene 
Stimmung ist, wie es scheint, mit vegetativen 
Bewegungen verbunden, welche der Ernährung 
des Lebens dienen; bei nervöser Anorexie ist 
Hebung der Stimmung das beste und oft das 
einzige zum Ziele führende Stoinachikum. Es 
ergiebt sich also für die praktische Medizin, 
daß wir durch Verbesserung der Stimmung 
nicht bloß suggestiv in dem Sinne einer 
seelischen Beeinflussung wirken, sondern die 
Nervenfunktionen wirklich anzuregen und „um¬ 
zustimmen“ vermögen. Es sind aber keines¬ 
wegs bloß die Nervenkrankheiten, insbesondere 
die Neurasthenie, für welche die Behandlung 
■der Stimmung von Bedeutung ist; dies gilt 
auch für die langwierigen, progressiven oder 
unheilbaren Erkrankungen, bei denen vor¬ 
nehmlich die Aufgabe einer Linderung der 
Beschwerden besteht (Herzkrankheiten, Arterio¬ 
sklerose, Diabetes, Neuralgie und viele andre). 

Obersteiner (Wien). 

Baar, Amerikanisches Ärztewesen. Wiener 
med. Presse 1905. Nr. 4 und 5. 

„Wer von den politischen, sozialen, öko¬ 
nomischen Zuständen Österreichs angeekelt ist 
und auch gleichzeitig was leisten kann und 
will, der soll hinaus nach den Vereinigten 
Staaten von Nordamerika. Es gibt nur ein 
Land für den Mann, der arbeiten will und kann: 
und das sind die U. S. A !“ Dies der Nieder¬ 
schlag der Erfahrungen, die Baar in 5 ! /2jühriger 
Praxis, sowie auf ausgedehnten Studienreisen 
in Amerika machte, und die er im Dezember 
1904 im Wiener Ärzteverein vorgetragen hat. 


Für jeden, der Baars Ratschlag zu befolgen 
gedenkt, sind natürlich eine Reihe von Fragen 
wichtig, die der Verfasser auch hauptsächlich 
diskutiert: Wie beginnt man Praxis? Wie be¬ 
kommt man Patienten? Wie ist das Einkommen V 
Wo soll man sich niederlassen? Für den in 
den Anschauungen der alten Kulturländer Auf- 
gewachsenen ist es nicht ohne weiteres leicht 
sich den Gewohnheiten Amerikas, speziell den 
i ärztlichen Gepflogenheiten anzupassen. Unsre 
Vorstellungen über ärztliches savoir faire, Um¬ 
gang mit dem Publikum und Kollegen, Hand¬ 
habung der Praxis usw. sind so grundver- 
I schieden von denen jenseits des Ozeans, daß 
! nur längerer Aufenthalt an Ort und Stelle im¬ 
stande ist, uns daselbst heimisch zu machen. 
Und nicht nur das: man muß zweifellos gute 
Beobachtungsgabe, Welt- und Menschenkenntnis 
haben, um sich zurechtzufinden und die vielen, 
schätzenswerten Ratschläge des Verfassers mit 
Erfolg für sich nutzbar zu machen. Dazu 
kommt last not least gründlichste medizinische 
Ausbildung, und zwar auf allen Gebieten, so daß 
man genügend sicher ist, in entscheidenden 
Fällen jeden Eingriff selbst zu machen. Wer 
i bei jedem schwierigen Falle konsultiert oder 
den Patienten ins Krankenhaus schickt, wird 
nicht reüssieren. Der amerikanische Arzt ist 
Krankenhaus, Hofrat, Professor, Direktor, alles 
in einer Person, der sich stets auf sich selbst 
verläßt und das in noch höherem Maße vom 
Ausländer verlangt, soll er ihn für gleich¬ 
berechtigt anerkennen. Auch das Publikum 
ist demgemäß anspruchsvoll, und zu Ansehen 
und Reichtum kommt nur der vielseitige Prak¬ 
tiker. Daß daneben sich auch minderwertige 
Heilbestrebungen weite Kreise erobern, wie 
Gesundbeten etc., daß Cbarlatanerie hier in 
noch höherem Maße vielleicht wie wo anders 
blüht, liegt zum Teil im amerikanischen Volks¬ 
charakter. Um ihn, wenigstens soweit es lür 
die vorliegende Frage von Interesse ist, kennen 
zu lernen, ist nichts geeigneter, wie Baars an¬ 
regend geschriebener Aufsatz, um so mehr, 
als man über die verschiedensten ärztlicb- 
wirtschaftlich sowie ärztlich - ethischen Dinge 
beachtenswerte Aufschlüsse erhält, die für uns 
gerade jetzt um so wertvoller sind, weil die 
Beziehungen der alten und neuen Welt immer 
inniger werden, und grade in jüngster Zeit die 
Anbahnung besonders enger Verbindung auf 
akademisch-wissenschaftlichem Gebiet vor sich 
gehen soll. Mamlock (Berlin). 



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Referate über Bücher und Aufsätze. 


303 


Salge, Therapeutisches Taschenbuch für die 

Kinderpraxis* Fischers medizinische Buch¬ 
handlung. Berlin 1905, 

Das vorliegende, gut ausgestattete Büchlein 
versucht auf ca. 160 Seiten dem Praktiker, der 
die notwendige klinische Ausbildung in der 
Pädiatrie besitzt, das in der Therapie Gelernte 
kurz zurückzurufen und ein Bild der zurzeit in 
der Heubnerschen Klinik üblichen thera¬ 
peutischen Methoden zu geben. Dieser Versuch 
ist als vollkommen gelungen zu bezeichnen. 
Trotz der überall hervortretenden Absicht, sich 
knrz zu fassen (stellenweise Telegraphenstil!), 
dürfte man wohl kaum an irgendeiner Stelle 
eine wichtige therapeutische Methode vermissen, 
sei es eine medikamentöse, physikalische oder 
diätetische. Außer den üblichen Wachstums¬ 
and Gewichtstabellen wird auf einer Tafel eine 
übersichtliche Zusammenstellung der wichtig¬ 
sten Säuglingsnahrungen nach ihrem Kalorien¬ 
wert gegeben. Freudig begrüßt werden wird 
auch von dem Praktiker, daß er eine Anzahl 
v.»n Anstalten aufgeführt findet, in denen er 
körperlich schwache Kinder mit den ver¬ 
schiedensten Gebrechen unterbringen kann. 
Endlich wird man sich gern gelegentlich der 
Kochrezepte bedienen, die Verfasser in großer 
Anzahl mit geschickter Auswahl an das Ende 
seines Büchleins gesetzt hat. Alles in allem 
wird man das vorliegende Taschenbuch stets 
mit Nutzen zur Hand nehmen, wenn man sich 
in aller Kürze über eine therapeutische Frage 
in der Kinderpraxis Rats erholen will. 

W. Alexander (Berlin). 


fl* Zickel, Osmologische Diagnostik und 

Therapie* Verlag von R.Trenkel. Berlin 1905. 

520 Seiten. 

Nachdem Verfasser schon im Jahre 1902 
in seinem Lehrbuche der klinischen Osmologie 
einen Überblick über den damaligen Stand der 
oamolo gischen Wissenschaft gegeben hat, faßt 
er die älteren und eine große Anzahl neuerer 
und neuster Ergebnisse zu dem vorliegenden 
Sammelwerk zusammen, welches, mit einem 
Vorwort von von Leyden versehen, sich der 
Mitarbeit einer Anzahl hervorragender Gelehrter 
erfreut. Als Schüler der von Leydenschen 
Klinik hat Zickel an den Bestrebungen seines 
Lehrers, der physikalischen Therapie durch 
Schaffung einer wissenschaftichen, auf exakte 
physikalische Untersuchungen gestützten Basis 
mehr und mehr Ansehen, Anerkennung und 


damit Verbreitung zu schaffen, regen Anteil 
genommen, und es war ein dankenswertes 
Unternehmen, unter Beihilfe berufenster Fach¬ 
leute dem Fernerstehenden, der sich in die 
schwierige Materie einzuarbeiten wünscht, ein 
Werk zu verschaffen, in dem er alles auf diesem 
Gebiet bisher Erforschte findet. 

Es ist nicht annähernd möglich, in einem 
kurzen Referat dem reichen Inhalt des Buches 
gerecht zu werden. Von den zahlreichen Auf¬ 
sätzen seien nur einige hervorgehoben: Ergeb¬ 
nisse der osmologischen Forschung über 
Hämolyse von von Baumgarten (Tübingen): 
die Beurteilung der Mineralquellen vom osmo¬ 
logischen Standpunkte von Girtl (Karlsbad); 
die Prostata als ätiologisches Moment bei Darm¬ 
krankheiten von Romanowsky (Petersburg); 
diagnostischer Wert osmologischer Analysen 
von Zickel, Romanowsky und vonPoehl; 
experimentelle Studien über die Osminreaktion 
von Zickel; Beitrag zur neueren Krebsforschung 
von Zickel und andre mehr. Die in diesem 
Werk niedergelegten Untersuchungen be¬ 
anspruchen, indem sie eine Fülle neuer Tat¬ 
sachen aufdecken, nicht nur ein hohes wissen¬ 
schaftliches und theoretisches Interesse, sondern 
bieten auch dem Praktiker für sein Denken 
und Handeln mancherlei Anregung, indem sie 
teils diagnostische Fortschritte anzubahnen 
berufen erscheinen, teils dazu beitragen werden, 
gerade die physikalische Therapie von dem ihr 
noch vielfach angehängten Odium der Un¬ 
wissenschaftlichkeit zu befreien. 

W. Alexander (Berlin). 


Josef Sorgo, Über Tuberkelb&zülen- 
züchtnng aus Sputum und aus Exsudat bei 
Pleuritis und Seropnenmothorax. Zeitschr. 
für Tuberkulose und Heilstättenwesen 1904. 
Bd. 6. Heft 4. 

Verfasser wies bei 24 Sputumuntersuchungen 
von 21 Phthisikern die Trennbarkeit der Tuberkel¬ 
bazillen von den konkomitierenden Bakterien, 
und zwar mit Hilfe von Wasserwaschungen 
nach; 23 mal ergab sich nach der Behandlung 
der Schleimflocken ein negatives Resultat in 
bezug auf Mischbakterien, nur einmal ein 
zweifelhaftes, doch schien aber auch in diesem 
Falle eine Mischinfektion ausgeschlossen; hin¬ 
sichtlich des Nachweises von Tuberkelbazillen 
in Reinkultur wurde 22 mal ein positives 
Resultat erzielt. Schloß Verfasser daraus bereits, 
daß einer Mischinfektion für den Verlauf der 


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304 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


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überwiegenden Mehrzahl auch schwerer Phthisen 
eine Bedeutung nicht zugesprochen werden 
dürfe, so wurde er in dieser Ansicht durch die 
Untersuchung der Exsudate bei Pleuritis (3Fälle) 
und Seropneumothorax (5 Fälle) bestärkt; er 
konnte selbst in schweren Fällen konstant den 
kulturellen Nachweis der Tuberkelbazillen bei 
Abwesenheit andrer Mikrobien führen, wobei 
er fand, daß die Reinzüchtung von Tüberkel- 
bazillen aus tuberkulösen Pleuraexsudaten sich 
bei Verwendung geeigneter Nährböden (be¬ 
sonders des Spengl ersehen Somatose-Agars) 
sicher erzielen läßt, und daß das Kulturverfahren 
jeder andern Untersuchungsmethode in zweifel¬ 
haften Fällen überlegen ist. 

Abgesehen davon, daß Verfasser z. B. die 
Influenzabazillen nicht in den Rahmen der 
Untersuchungen mit hineingezogen hat, ergeben 
sich doch aus der Betrachtung des Verlaufes 
der Phthise genug Gründe, welche für die Mit¬ 
wirkung mischinfizierender Bakterien sprechen, 
oder man müßte der Meinung sein, daß z. B. 
die den Verlauf entscheidenden fieberhaften 
Schübe, welche nach mehr oder weniger langen, 
z. B. gerade im Sommer (!) erscheinenden Re¬ 
missionen eintreten, nur von den Tuberkel¬ 
bazillen abhängig sind. 

J. Ruhe mann (Berlin). 


H. P. Loomis, The limitations of the valne 
of nitroglycerin as a therapeutic agent. 

Med. Record 1905. 18. März. 

Eingangs dieses Vortrags erwähnt Loomis 
die Tatsache, daß der Verbrauch an Nitro¬ 
glyzerin in New York nach sorgfältigen, von 
ihm veranstalteten Erhebungen in den letzten 
zwei Jahren ständig bedeutend zugenommen 
hat. Seit der Entdeckung dieser Drogue durch 
Lauder Brun ton habe Nitroglyzerin als 
bestes Heilmittel gegen Angina pectoris und 
als blutdruckminderndes Mittel bei Arterio¬ 
sklerose gegolten, indem man ihm eine direkte 
Wirkung auf die Muskulatur der Arterien wand 
zuschrieb. Verfasser glaubt, daß diese An¬ 
schauungen sich großenteils zu Unrecht in den 
Lehrbüchern eingebürgert haben, da er niemals 
oder nur in seltenen Fällen Erfolg von der 
Anwendung gesehen hat. 

Nachdem er die Wirkungsweise des Arznei¬ 
mittels und seine Intoxikationserscheinungen 
besprochen hat, gibt er seine eigenen Beob¬ 
achtungen an Mensch und Tier wieder, und 
zwar legt er Wert auf die Ergebnisse der Blut¬ 


druckmessungen, die er dabei mit dem Riva- 
Roccischen Sphygmomanometer vorgenommen 
hat; er kommt zu folgenden Schlüssen: 

1. die gewöhnliche Dosis (V lco grain 

0,0006) ist nicht imstande, in patho¬ 
logischen Zuständen irgend einen Ein¬ 
fluß auszuüben, Vco grain = 0,0013 ist 
mindestens nötig; 

2. bedeutende Blutdruckverminderung oder 
Gefäßerweiterung wird nicht erzeugt; 

3. starke Dosen und häufige Gaben sind 
unschädlich; 

4. bei Versuchen an Hunden sieht man, 
daß die Wirkungen rasch vorübergehende 
sind; 

5. Nitroglyzerin ist nicht fähig, bei 
Brightscher Krankheit die Urinmengen 
zu vermehren; 

6. das Mittel kann sich in Fällen von 
Angina patoris, Migräne und Asthma 
in vollen, wiederholten Dosen nützlich 
erweisen, aber nicht bei Arteriosklerose, 
wenn die Arterien selbst mehr oder 
weniger verändert sind. Hierbei wendet 
Loomis mit Vorliebe Chloralbydrat an 
in Dosen von 0,3, tags und nachts vier¬ 
stündlich gegeben. 

R. Bloch (Koblenz). 


Lewln, Über die Wirkung des Bleis auf die 
Gebärmutter. Berliner klin. Wochenschrilt 
1904. Nr. 41. 

Die vom Verfasser mitgeteilten Zahlen 
reden eine deutliche Sprache bezüglich der 
deletären Wirkungen der chronischen Blei¬ 
vergiftung auf die Deszendenz. Ersehen wir 
doch aus der Statistik, daß bis zu 90% ^ er 
Schwangerschaften von Bleiarbeiterinnen oder 
von mit Bleiarbeitern verheirateten Frauen ent¬ 
weder vorzeitig enden, oder wenn ausgetragene, 
dann tote Kinder ergeben, oder daß die ge¬ 
borenen lebenden Kinder im ersten Lebens¬ 
jahre, bzw. den ersten Lebensjahren sterben; 
von den überlebenden sind die meisten als 
minderwertig zu betrachten. Gerade die Wir¬ 
kungen des Bleis auf die Deszendenz müssen 
die ernsteste Mahnung für den Gesetzgeber 
bilden, Bestimmungen zu treffen, die den mit 
Blei umgehenden Arbeiter möglichst vor Schädi¬ 
gung durch dieses Gift schützen, und vor allem 
die Frauenarbeit in Giftbetrieben mit 
hoher Gefahr gänzlich zu verbieten. 

Gotthelf Marcuse (Breslau)^ 


Berlin, Druck von W. BOxenttein. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 

von 

Prot v. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BREEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof 
CURSCHMANN (Leipzig!, Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
tBerlin), Prof. J. GAD (Prag!, Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
(Leipzig), Prof. v. JAK8CH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITA8ATO (Tokio), Prof. 
G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
Geh.-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
JURTIU8 (Rostock), Prof. v. MERING (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
(Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straßburg), Prof. v. NOORDEN 
(Frankfurt a. M-), Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
(Prag). Geh.-Rat. Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENVER8 (Berlin), Prof. ROSENSTEIN 
(Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt 8CHAPER (Berlin), Prof, 
SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof, 
v. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Sechstes Heft. 


1. SEPTEMBER 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY 0F MICHIGAN 



Preis des Jahrganges M. 12.—. 

Manuskripte, Heferate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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I. Origrlnal-Arbeiten. Seite 

I. Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. Von Professor Dr. Ohr. 

JQrgensen in Kopenhagen.309 

II. Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. Von Dr. J. Sadger in Wien- 

Gräfenberg. (Schluß).327 

III. Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung, Körpertemperatur, Puls- 

und Atmungsfrequenz durch Einwirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von Dr. M. van Oordt in St. Blasien.338 


II. Referate über Bücher und Aufbfitze. 

A. Diätetisches (Brnährungstherapie). 

Gallois, Flourens, Walter, Traitement des dyspepsies infantiles par Beau oxygenGe 352 

Diätvorscfariften und Kochrezepte zum Gebrauch für die Krankenkassenpraxis.352 

Hanke, Über die Abhängigkeit der Ernährung vom Wärmehaushalt, nach Versuchen in 


den Tropen, im gemäßigten Klima und im Hochgebirge.352 

Sobotta, Tuberkulose und Säuglingsernährung.353 

Bloch, Über Ernährungstherapie bei Syphilis.353 

B. Hydro-, B&lneo- und Klimatotherapie. 

Hozschansky, Therapie der Cholera asiatica mittelst russischer Dampfbäder .... 354 

Bachmann, Die gesundheitliche Bedeutung des Luft- und Lichtbades.354 

Williams, The therapeutic value of relaxing climates. 354 

Schein, Die Behandlung des Condyloma acuminatum mittelst Erfrierung.355 

C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

L^rentzen, Om smertende Infiltrater i Hud og Musklcr. .355 

Klapp, Mobilisierung versteifter und Streckung kontrakturierter Gelenke durch Saug¬ 
apparate .. 

Bruandet et Humbert, De la texture des Nerfs, application ä Banastomose nerveuse . 356 
Pelizaeus, Zur Technik der Jodipininjektionen.. 35(3 

D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie. 

Kwart, X-Ray Therapeutics.. 

Hose nberg, My Experience with Light Tberapy. 353 

Tuberkulosis.. 

Abbe, An excessive epithelial cancer of the glans penis treated with the Röntgen rays 357 

Be eiere, Note sur l’emploi thärapeutique des sels de radium. 357 

21 * 


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Inhalt. 


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308 


E. Serum- und Organotherapie. 


Seite 


Wolff, Über das Heufieber (Bostockscher oder Sommerkatarrh) in klinischer, ätiologischer 

und therapeutischer Beziehung.357 

Grünberger, Ein Fall von Tetanus traumaticus mit Ausgang in Heilung unter Antitoxin- 

und Blaulichtbehandlung.358 

Brown, Treatment Of Tuberculosis And Tuberkulin Inoculation.358 

HOrder und Scofield, A second case of pneumococcus endocarditis treated by anti- 

pneumococcu8-serum.358 


F. Verschiedenes. 

König, Das Karzinom. Eine klinische Studie auf Grund eigner Erfahrung.359 

Kruschilin, Närkose per rectum.359 

Kretz, Über Infektionskrankheiten im schulpflichtigen Kindesalter.359 

Ziegler, Säuglingsfürsorge.3G0 

Beitzke, Einiges über die Infektionswege bei der Lungentuberkulose.360 

Lublinski, Bemerkungen zu Vollands Aufsatz: „Die Behandlung der trockenen und ver¬ 
stopften Nase“.360 


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Original-Arbeiten 


i. 

Ober die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 

Von 

Prof. Dr. Chr. Jürgensen 

in Kopenhagen. 

II. Der ärztliche Kochkurs. 

Anläßlich eines, dem rechten Fortschritt der diätetischen Therapie, meiner 
Auffassung nach, entgegenstehenden, Circulus vitiosus habe ich vorher — vgl. diese 
Zeitschrift Bd. V1H, Heft 12 — die Notwendigkeit der Einführung eines ergiebigen, 
selbständigen, offiziell zu organisierenden, propädeutischen Unterrichtes in der 
Diätetik, innerhalb des Bahmens der allgemeinen Therapie, besonders betont 
und dort bereits, als etwas mit diesem Unterricht in Zusammenhang zu Stellendes, 
den ärztlichen Kochkurs in Kürze berührt. 

Dieser besonderen Seite des ärztlichen propädeutischen Unterrichtes in der 
allgemeinen Therapie dürfte indes eine so hohe Bedeutung beizulegen sein, daß 
eine etwas eingehendere Besprechung der Sache geboten wäre. 

Ich fühle mich zu einer solchen jetzt um so mehr veranlaßt, weil ich in der 
Lage zu sein meine, mich mit größerem Gewicht in dieser speziellen Frage aus¬ 
sprechen zu dürfen, indem ich, in dem verflossenen Winter, einen für uns ersten 
Kochkurs für Ärzte durchzuführen Gelegenheit gehabt, wobei es mir nun erstens 
um vieles deutlicher geworden, von welch hohem Wert solche Kurse in der Tat 
sind, nicht nur für positive Belehrung, sondern ganz besonders für Weckung eines 
lebhafteren Interesses an der praktischen Diätetik, und wobei ich auch meine, 
eine Form gefunden zu haben, nach welcher ein solcher Kochkurs mit Erfolg 
durchzuführen wäre. 

Bei selbiger Gelegenheit — wie schon von früher her — habe ich mir 
auch weitere Gedanken darüber gemacht, wie umfassend der ganze Apparat zu 
organisieren sein wird, durch welches der diätetische Unterricht, von dieser prak¬ 
tischen Seite her, in eine befriedigende Bahn zu leiten ist.] 

Diesbezügliches ist es nun, was ich bei dieser Gelegenheit des näheren aus- 
fuhren möchte. 

Erstmal möchte ich Bericht abgeben über den, bei meinem Kochkurs für Ärzte 
von mir ausgearbeiteten und verfolgten Plan. 

Weil die Frage von dem praktischen Unterricht des Arztes in der Kochkunst 
überhaupt, und speziell der diätetischen Kochkunst, bisher eine so wenig bearbeitete 
verblieben ist, und literarisch darüber so gut wie nichts Systematisches vorliegt, 
meine ich, mir die Mitteilung über meinen Plan in detaillierterer Form wohl er¬ 
lauben zu dürfen. Mit einer gewissen Breite, weil eben die Sache von so großer 


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310 


Chr. Jürgensen 


Breite ist. Dennoch aber so, daß ich, bei meiner Darstellung des Inhaltes der 
Koch-Lehrabende es bei Andeutungen der Hauptpunkte werde bleiben lassen müssen, 
besonders in bezug auf die theoretischen, zur allgemeinen Diätetik (Nahrungs¬ 
mittellehre) gehörenden (jedesmal bis einstündlichen) Einleitungen. 

Eine Darstellung des ganzen Lehrganges in allen Details würde ja ein ganzes 
Buch ausmachen. 

Obgleich meine diesmalige Planlegung eines Küchenunterrichtes für 
Ärzte für diätetischen Zweck nur als ein (erster) unvollkommener Versuch beurteilt 
werden darf, gebe ich mich doch der Hoffnung hin, daß auch eine so abgekürzte 
Mitteilung darüber für andre, an der Sache Interessierte resp. zu Interessierende, 
nicht ohne Wert sein möge, und zwar als Ausgangspunkt für fernere, eventuell 
weiter zu entwickelnde Nachfolge. 

Der Kurs war im ganzen auf 10 (zweistündliche) Lehrabende geplant. Die 
erste Stunde (ungefähr) für: a) den einleitenden Vortrag meinerseits bestimmt; 
die zweite für: b) eine der Einleitung genau entsprechende, exemplifizierende, 
praktische Zubereitungs-Demonstration. 

Das Ganze also für jedesmal eine Einheit ausmachend, nach einem mit 
meiner praktischen Mitarbeiterin bis auf jedes Detail genau besprochenen und 
festgestellten Programm. Zur Verfügung gestellt war mir das vorzüglich ein¬ 
gerichtete Kochschullokal der „Lehrerschule des Staates“, unter der Leitung des 
Fräulein Karen Blichers, die mir als sehr verständnisvolle, praktische Lehrerin 
zur Seite gestanden. 

I. Abend. 

a) Einleitung über gewisse, zur allgemeinsten Diätetik gehörende Grund¬ 
begriffe, wie: VerdaulichkeitsbegrifF in ganzer Breite, Bedeutung der Fein- 
verteilung resp. Verteiltheit, Ertragbarkeit, Aufenthaltsdauer der Ingesta; Mengen¬ 
verhältnisse, Verteilung auf Mahlzeiten, Mischung, — Einfachheit, Abwechs¬ 
lung; Konsistenz, Geruch, Geschmack, Wärmegrad, Echtheit resp. allgemeine 
Güte der Ware; die Art der Darreichung sehr eingehend besprochen, als ein 
diätetisch hochwichtiges Moment, Reinlichkeit, Appetitlichkeit usw. Ferner Aus¬ 
nutzbarkeit und Nährwert; Kalorienfrage, Roh werte gegen Tischfertigkeit usw. usw. 
Wonach eine allgemeine Übersicht über die Aufgaben der Küche; Grund¬ 
sätze und Grundzüge der Zubereitungslehre in bezug auf Verdaulichkeit usw.; die 
vorbereitenden Behandlungen der Küche (Reinmachen, Aufweichen, Zerteilen, 
Passieren usw.); verschiedene Arten der Wärmeeinwirkung (Kochen, Braten, 
Dämpfen, Dampfkochen, Rösten usw.); Rücksicht auf Nahrungsmittelgifte usw. 

b) Praktischer Teil: Die Demonstration der Küche; Erklärung, Verwen¬ 
dung der großen und kleinen Apparate und Utensilien (Herde mit Kohlen-, Gas¬ 
feuerung; Kochgeschirr verschiedenen Materials usw. usw.). 

II. Abend. Milch und Milchspeisen. 

a) Einleitung über Milch, hauptsächlich Kuhmilch und Derivate derselben; 
Verwendung, allgemeine Verwendbarkeit derselben; Charakteristik der verschiedenen 
chemischen Bestandteile in ihrer diätetischen Bedeutung (bei Butter: die Kunst- 
butterfrage); die „Idiosynkrasien“ gegen Milch und die anläßlich derselben ver¬ 
wendbaren Küchenmittel: Verdünnen, Alkalisieren, (Kalkwasser), Aufkochen, Fett- 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


311 


zusatz, präliminare Gerinnung, Zusammenkochen mit Mehlstoff; Mittel gegen An¬ 
steckungsgefahren usw.; Vorführung einer 

Fettkonzentrationsreihe der Milch und ihrer Derivate: 



Fett 

Eiweiß 

Kohle¬ 

hydrat 

Kalorien 

Zentrifugierte Milch . . 
Magermilch. 

0,2 

0,6 

} 3,8 

4,4 

39 

Ganze Milch. 

Dicke Milch. 

) 3,5 

3,7 

4,4 

65 

Rahm I . 

15,0 

3,0 

4,0 

168 

„ n . 

20,0 

3,0 

— 

214 

„ m. 

25,0 

3,0 

— 

260 

Butter. 

85,0 | 

0,5 

— 

767 


und einer 

Eiweißkonzentrationsreihe der Milch und ihrer Derivate. 



Eiweiß 

Fett 

Kohle¬ 

hydrat 

Kalorien 

Molke. 

0,8 

0,1 

5,0 

24 

Ganze Milch .... 
Dicke „ .... 

; j 3,7 

3,5 

4,4 

65 

Käsemilch (Quark) . . 

10,0 

11,0 1 

3,0 

1 155 

Käse, fett. 

27,0 

80,0 

| - 

390 

„ halbfett.... 

• J 35,0 

( 

— 

236 

„ mager .... 

l 4,0 

— 

180 


Diese Reihen habe ich mir in extenso mitzuteilen erlaubt, weil es mir vor¬ 
kommt, daß in der Weise eine für diätetischen Zweck besonders lehrreiche Über¬ 
sicht erreicht wird. 

b) Praktische exemplifizierende Vorführung (ganz der Einleitung 
entsprechend): Darstellung von Sauermilch (in verschiedener Weise), Quark, Butter, 
Rahmschnee usw.; von einer Reihe einfachster Milchspeisen (Getränke, Suppen) 
mit geringeren Geschmacks- und Nährwertzusätzen nach möglichst typischen Zu¬ 
bereitungsnummern. 

III. Abend. Das Ei. 

a) Theoretische Einleitung: Zusammensetzung, Nährwert, allgemeine 
diätetische Verwendung und Verwendbarkeit; nach Eigenart der natürlichen 
Komponenten: Eiweiß (flüssige Form usw.), Fett (Ole'ingehalt usw.), Extraktiv¬ 
stoffe, Salze; nach Zubereitung und kulinarischen Verwendungen verschiedenster 
Art; an der Hand des folgenden, in tabellarischer Übersichtlichkeit auf¬ 
gestellten Systems; einer systematischen Exposition, durch welche in möglichst 
amfassender Weise zur Anschauung gebracht wird, was mit dem Ei im ganzen in 
der Küche aufgestellt wird und sich aufstellen läßt. 

Für den guten Erfolg dieses Unterrichtes ist, meine ich, deutlichste Demon¬ 
stration des jeweiligen Systems ad oculos von sehr großer Bedeutung. Für 
den Zweck war daher jedes Mal eine zum Aufhängen bestimmte, genügend 
groß aufgezeichnete Wiedergabe des Systems aller kulinarischen Hauptver- 


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Cbr. Jürgensen 


Wendungen und Hauptzubereitungen des Nahrungsmittels oder der Nahrungsmittel¬ 
gruppe in Tafelform von mir hergestellt. 


flüssig 


weich 


Das Ei. 


ganz 

gequirlt — mit Zucker, 
Gewürz (Wein) usw. 
gerührt — mit do. 

mit Gelatine, Zitrone usw. 


geteilt —zum Klären 
as 1 w e 1 — a l g zu ver . 

schiedensten Speisen 
Eierschaum X 

— gerührt 

Citronfromage X 

EitceißgetränkX 
das Eigelb —wie ganzes Ei 

— als Getränk 

EierschnapsX 

EiergelecX 


(zubereitet) Eiergetränke u. dergl.XXXX usw. 
Eiersaucen 1 verschiedener Konsistenz 
„ cremes j warme, kalte, gefrorene 
(gestockte) 


— ChaudeauX 

— EiersauceX 

— Sauce hollandatseX 

— Sauce beamaiseX 

— EiercremeeüX 


Eierstich u. dergl. — zu Suppen 

— in der Form (Custard) — PfanxelX 

- in versehener Mi.ehnn e = - 

FrüchienX 

— Jeaune-mangcr X 


(Rührei u. desgl. — gewöhnlich 

— zusammengesetzt, mit Käse — Fondue ä la Brtllat 
mit Fisch, Fleisch SavarinX 

mit Gemüsen — Führet mit SpargelX 

mit Kräutern usw. usw. 

Eierpfannkuchen = Omelette (ganzes Ei angerührt usw.) 

— gewöhnlich, einfach (nur Milch, Zucker und Salz) 

— mit Zusätzen oder Einlagen, von Käse, Fleisch, 

Fisch, Brot, — BroteierpfannkuchenX 

Gemüse usw. 

Aufgelaufener Eierpfann- bei beiden dasEigelb für sich 
kuchen = Omelette soufflö mit dem übrigen angerührt, 

Auflauf (Eier-) = Soufflö zuletzt das Eiweiß als 
(in der Form gebacken) Schnee eingerührt. 

— gewöhnlich, einfach 

— mit Zusätzen und Einlagen, wie oben — Omelette souffli mit 

TomatenX 

— Eierauflauf mit 

FrüchtenX 

— gekocht — gewöhnlich — verschiedene WeisenXX 

— gebraten — pochiertX 

— gebacken SpiegeletX 

Dies ist also das System, nach welchem die „Eierküche“, nach aufgefiilirten 
Typen und Modifikationen derselben, genannt, näher beschrieben und diätetisch 
charakterisiert wurde, 

b) Die praktische Vorführung der Herstellung aller, in obiger Exposition 
mit X bezeichneten, Zubereitungen; wobei jede fertiggestellte Speise zur Kost¬ 
probe an die Teilnehmer herumgereicht wurde. (Welch letzteres natürlicher¬ 
weise recht viele Mühe macht und größeres Hilfspersonal erheischt, was gewiß 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


313 


aber fiir den guten Erfolg solcher Kochkurse von größtem Wert sein dürfte, be¬ 
sonders bei immer anzustrebender, möglichst reicher Exemplifizierung.) 


IV. Abend. Fleisch- und Fisch. 


a) Theoretische Einleitung: Allgemein diätetische Beschreibung des 
Fleisches, wie der Fleischwaren; nach Species, Alter, Haltung, Fütterung, Zusammen- 
zetzung, Fettgehalt usw. usw. Diätetische Eigenart der Bestandteile: der Eiwei߬ 
stoffe, Fettstoffe, Salze, Extraktivstoffe („Stoffwechseldekompositionsprodukte“). 
Allgemein diätetische Verwendbarkeit usw. 

Wonach allgemeines über die Fleisch- und Fisch-Küche; rohes Fleisch in der 
Diätetik; allgemeine Darstellung der verschiedenen, auf Fleisch- und Fisch zu ver¬ 
wendenden Küchenmaßnahmen; mechanischer Art: Reinmachen, Abwaschen, Zer¬ 
teilen, Klopfen, Schrapen, Hacken (Fleischmaschine), Stoßen, Passieren usw.; von 
chemischer Wirkung: systematische Beschreibung und Charakterisierung ver¬ 
schiedener Wärmeeinwirkungsweisen, erstmal verschiedener Kochweisen. (Fort¬ 
setzung am folgenden Abend.) Dies alles an der Hand der systematischen 
Exposition: 

Fleisch- und Fisch. I. 


I— geschrapt 
roh ]— gestoßen 

'— durch Sieb getrieben (passiert) 
gekocht — Kochen 1 . gewöhnliches 

2. Schnellkochen 

durch ersteres erreicht einesteils: Suppenfleisch 
anderenteils: Fleischauszug 
charakterisiert nach vier Graden: 1 . Suppe, 
2. Consommö, 3. Jus, 4. Gelee 

— besondere diätetische Fleischkochweisen: 

— über Fleischextrakte des Handels 

Suppen — klare — mit Einlagen von Kräutern, Gemüse 

— mit Makkaroni, Nudeln, Eierstich, 
Nocken usw. 

— mit Fleisch, Fisch, Thymus usw. (zer¬ 
schnitten) 

— legierte — (Ei, Mehl, Grütze usw.) 

— Coulissuppen, weiße (weiße Einbrenne) 
braune (braune Einbrenne) 
mit Einlagen, wie oben 
— Püreesuppen mit Püree von Kräutern 

— von Gemüsen 

— von Leguminosen 

— von Fleisch und Fisch 

Nachträglich besonderes über Fischsuppen — Fischkochen — 


Pferdefleisch in (maskierten) 
Kügelchen^ 

Fleisch ä la Fonssagrives X V 
FleischsuppeJcocheny^ 
Schnellkochfleisch X V 


BeefteeX 

FlaschenbouillonX usw. 
Juliennesuppey^ 


TabiocasuppeyC 


KerbelsuppeX 
Blumenkohlpüreesuppe X 
Gelbe Erbsensuppe X 
ThymuspüreesuppeX 
legierte Fischsuppe X 


b) Praktischer Teil: Vorführung der Zubereitung obiger X Beispiele. 

>) Eine eigne diätetische Zubereitung: Das rohe Fleisch wird erst rein gemacht, dann fein 
gewiegt und zuletzt ganz fein gestoßen — eventuell auch noch durchgestrichen —, kann dann 
gekocht oder gebraten, oder als Farce angemacht zur Verwendung kommen. 

*) Mit „Schnellkochen“ bezeichne ich eine Kochweise, bei der das Fleisch in scharf 
kochende Flüssigkeit eingelegt und kurze Zeit gekocht, aber eben nur durchgekocht wird (während 
beim Fleischsuppekochen das Fleischstück in kaltes Wasser eingelegt, mit demselben auf¬ 
gekocht und in 4—5—6 Stunden weiter ausgekocht wird). 


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314 


Chr. Jürgensen 


V. Abend. Fleisch- und Fisch. II. 
a) Theoretische Einleitung: Über die übrigen Wärmeeinwirkungsweisen 
— Schmoren, Dampfkochen usw. — noch folgender Exposition: 
Fleischextraktsaucen — abgerührte 

— abgebackene — weiße SauceX 

braune SauceX 

— mit Zusätzen — braune TomatensauceX 

Buttersaucen — geschmolzene einfache Buttersauce 

— mit Kräutern 

— legierte 

Rahmsauce mit Brot, Zwieback 
Ölsauce 

Butterkompositionen — kalte 
Aspicspeisen 

Saucen des Handels (Worchester- usw.). 

Übrige einfache Wärmeeinwirkungen durch 
Schmoren (Dämpfen, Braisage, Stewing) 

Kochen in Dampf 

Rösten — am Spieß 

— auf dem Rost 

— auf trockner Pfanne 
Kochen in Fett (Fritüre) — naturell 

— paniert 

Braten — im Ofen (in der Röhre) 

— in der Kasserolle 

— auf der Pfanne — naturell 

— paniert 

Dabei wurde nun die für die Diätetik hochwichtige ganze Saucen- 
frage des näheren abgehandelt, 1 ) wobei als Hauptleitmotiv hervorgehoben: 
Fleischkocherei resp. -Braterei eine diätetisch um so bessere Sache, 
je weniger Sauce (resp. Suppe) dabei herauskömmt (somit also das Rösten 
das Beste, neben dem Schnellkochen. 


Petersüien8auceX 

weiße Sauce zu OemüsenX 
do . zu Frikassee/ 

PanadensauceX 
echte MayonnaiseX 
Sauce ä la TartareX 


FriJcasseeX 
Kalbs frikandeauX 
dampfgekochtes Kalb- 
fleischX do . FlunderX 
IximmskoteletieX 
Boeuf ChateaubriandX 
engl. BoeufX 


gebrat . SchweinsrückenX 
gebrat . TaubeX 
do. in AspicX 


VI. Abend. Fleisch und Fisch. HI. 
a) Theoretische Einleitung: Beschreibung, diätetische Charakteristik der, 
auf folgender Exposition, systematisch aufgefuhrten, besonderen Zubereitungen: 


Ö 

<V 

> 

<Ü 

co 

fl 

o 

w 


Besondere Fleischzubereitungen — wie das 
Salzen von Fleisch schnell (leicht) gesalieves 

gekochtes Kalbfleisch/, 

von Fisch marinierter HeringX 

— als Zugabe zu verschiedensten Gerichten. 

Räuchern — gewöhnliches — von Fleisch 

— von Fisch 

— von Eingeweiden (Zunge usw.) 

— in verschiedenen, einfachen, 

komplizierten Speisen 

— sogenanntes Schnellräuchern. 

Marinieren (Konservieren) in Essig, Fett usw. 

_ — (Hermetik) 


l ) Und somit an dieser Stelle außer den verfetteten Fleischauszugsaucen auch ver¬ 
schiedene andre fette Saucen besprochen, was systematisch unrichtig, indem sie gewiß lieber 
anderswo einzufiihren sein werden. 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


315 


Nachträgliches über: 

Spicken — 

Aufwärmen von Fleisch — Fisch 


Besondere, zusammengesetzte Fleisch- und Fisch-Speisen: 


Fleisch- u. Fisch-Farcen — magere) einfache 1 gerührt 

— fette j kombinierte { gewiegt usw. 

Daraus herzustellen: 

Nocken — gekocht 
— gebraten 

Puddings — reine, einfache 

— zusammengesetzte 
entweder — gekocht, in der Form 

in der Randform 
— gebraten auf der Pfanne 
gebacken, in der Form 
Besondere Farceformen — 
wie: — Würste — roh, gesalzen, gekocht 
Fleischpürees — gröbere, feinere, gewiegte, passierte 
— einfache, kombinierte 


magere Ochsenfleisch farce X 
fette Ochsenfle ischfarce X 

helle Schweinefleisch farceX 
Fisch farceX 


FriJcandellen y trocken 
(diätetisch) gebratenX 

mit Gemüseeinlagen usw. 


falscher HaseX 
Pie usw. 


Fleisch- |® a .l oats 
Fisch- »Frikassees 


warm 


braun» . . , 
einfache 


I ir • , n I weiß ( kombinierte ) - J Fisch au gratin 

1 Mayonnaisen mit; kalt > ' hachierte (in SchalenJX 


[ große Braunes Ragout 

kleine (Salplc) ^. 


wozu verwendet: rohes 

gebratenes 

gekochtes 

gesalzenes 

geräuchertes 


von 

Fleisch 

(Fisch) 

Farce 


Eingeweide, Zunge, Thymus, Kalbskopf usw. 


) al 

) w 


als Nocken 
in Würsten (kleinen) 

— mit verschiedener Würze, Schwämmen usw. nsw. 

serviert: — frei 

— in Rand (Fleisch, Fischfarce, Reisrand usw.) 

— in kleinen Kasserollen 

— in eßbaren Formen — in Krustaden, Tarteletten, Pastetchen 

— in Teichhüllen (paniert) — als Pirogen,Risolles,Croquettes,Boulettes 

(festen) — als große Pasteten, Vol au vents, Tim- 
bales, Pies usw. 

b) Praktischer Teil: Vorführung der Herstellung obiger mit X bezeich¬ 
nten Speisen. 


VII. Abend. Pflanzliche Nahrungsmittel. 


a) Theoretische Einleitung über diätetische Natur und Eigenart derselben: 
nach chemischen (biologischen) Eigenschaften der Eiweißstoffe, Fette, der (hoch- 
e ignen) Kohlehydrate, Salze, Extraktstoffe; nach Verdaulichkeit, Nährwert usw.; 
“ach verschiedenen Zubereitungsweisen (besonders: vorzügliches Reinmachen, Zer- 
’cilen, Aufweichen, ganz exquisit durchzufuhrende Wärmeeinwirkung, dabei all¬ 
gemeines über den Vegetarismus in der Diätetik u. dgl.). 

Engere Einleitung über 

Pflanzliche Nahrungsmittel I: Korn — Mehl — Grütze 
n “<l entsprechender Speisen; folgender Exposition gemäß: 


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31(5 


Cbr. Jürgensen 


A. Herstellung durch Auskochen in einer Flüssigkeit. 
Allgemein wichtige Regeln: 1. präliminäres Aufweichen, 2. langwierige 
W ärmeeinwirkung. 

Höchste Bedeutung dieser Speisen für die Krankendiätetik. 

fmit versch. Zusätzen 
von Gewürz (Zucker 


1 . in ) 


Fleischauszug 
.Pflanzenauszug 
a 8 s e m Fruchtauszug 
BiermischuDg 
Weinmischung 


in Milch — abgerahmter 

— Butter- . qq 

— ganzer ^ 

— saurer 



Stärke 



Mehl 1 ) 

ao | Sappe 

s 

Grütze 1 ) 

| Brei 


Brot 



Suppe 

Brei 


warm, 

kalt 

zu 

servieren 


usw.), von Ei; mit 
Einlagen v. Nocken, 
Nudeln, Brot usw. 

Wein, Wasser 
Bier, „ 

mit { Frachtsaft und 
Milch 
Rahm 


Herstellung mit 
gewöhnl. Kochen, 
Dampfkochen, 
Dämpfen, 
Selbstkochen 


Butter 

Zucker 

Gewürz 

(Kanel) 


b) Praktischer Teil: Herstellung folgender Beispiele: 

1. SalepkaltschaleX , klassische Ftisatie'X » ReissuppeX» Hafersuppe X, BrotsuppeX, Oraham- 
mehlgrülxeXt Reisapfelgrüfxe X, gedämpfter ReisX usw.; 

2 . (in Milch) SauermilchButtermilchsuppe X, Reisbrei X» Maisbrei (von MaisflakesJX- 

Vm. Abend. 

a) Theoretische Einleitung: Erklärung und Beschreibung von Mehl- 
und Grützespeisen nach folgender systematischer Exposition: 


B. Darstellungen nach vorhergehender Bereitung eines Teiges: 

«) 

I Po /»Irnrorlr I 1 

Stärke 


Brot 

Backwerk 

Kuchen 


ß) 


Omelette od. 
Pfannkuchen u. dgl. 
Omelette soufflö 
Souffld 


aus 


7 ) Fritüre 
d)( Puddings 
I Nocken u. dgl. 


a) mitt. 

Backen 
(im Ofen) 


zu weicher Ware, 

harter (zweimal geh.), 
getrockneter (Nudeln), 
gerösteter 


Mehl 

Grütze 1 ) 

Brot 


ß ) mitt. 

Braten (auf 
der Pfanne) 

mitt. Backen — in der Form 
7 ) mitt. Kochen in Fett 
jd) mitt. f unmittelbar j im Wasser 

I Kochen l mittelbar I im Wasserbad 


mit Zusätzen von Milch, Rahm, Butter (Margarine?), Ei, Gewürz, eventuell Hebe¬ 
mitteln. 

Darstellung der ganzen Theorie und Praxis der 
a) Teigbereitung.: 

abgeknetete Teige — besonders für Brot, Backwerk, Kuchen 
ab gebackene Teige — besonders für Soufflds, Puddings, Nocken usw. 
abgerührte Teige — besonders für Nocken, Pfannkuchen usw. 
gewalzte Teige — Blätterteige 
ohne, mit Hebemitteln 

dabei das Abbacken charakterisiert als eine diätetisch ganz verwerfliche Küchen¬ 
maßnahme ; 


l ) Die Grützen als: ganze, zerteilte, gewalzte (Flakes); die Mehle: gewöhnliche, eigens 
präpariert, durchgeschlagen. 


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317 


Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


b) Teighebung — mittelst 1. passiver Mittel 

2. aktiver Mittel 

— ad passive Hebemittel — s. Mittel für Zähigkeit der Teigmasse — 

mittelst Wasser 

mittelst der Eiweißstoffe (besonders des Gluten) 
mittelst der Kohlehydrate (nicht verzuckerte) 
ganz besonders mittelst der Fette — aus den Rohstoffen 

— in Zusätzen von Milch (Rahm u. Ei) 
und pflanzlichen Fettstoffen. 

— ad aktive Hebemittel: Luft — atmosphärische 

— Wasserdämpfe 
— Alkoholdampf 
— Kohlensäureluft 

und Wärme —mit erweiterndem Einfluß auf die Luftarten (physikalisch) 

— mit dekomponierendem Einfluß auf gewisse Backpulver 

(chemisch) und Abscheidung von Kohlensäure 

— mit Einfluß auf gewisse Lebewesen; in Sauerteig, 

Hefe (biologisch: Zucker in Alkohol u. Kohlensäure) 

c) sonstige Wärmeeinflüsse — nach physikalischer I ™ , 

chemischer } ® 

— [Wärme schon während der Teigbereitung tätig] 

Wärme während des Backens — 

physikalische Wirkung: weiteres Aufweichen, 

Quellen des Eiweißes und der Kohlehydrate 
chemische Wirkung: auf die Eiweißstoffe (Koagulation usw.) 

auf das Fett (Schmelzung, Einschmelzung) 
auf die Kohlehydrate (Umbildungen in Richtung auf 
Dextrin-Zucker). 

Verschiedene Teige: 


ad a) Brotteig — in einfachster Form: nur Mehl, Wasser 

— event. auch mit Salz und Hebemittel 

— feinere Formen (noch immer „Brot“) 

mit Milch 
Rahm 

mit etwas Zucker 
Ei 

Gewürz 
-f- Hebemittel 


Orahamkakes X 
Wasser weizenbrot X 
Grahambrot fmit Hefej X 
ge wohnliches Bäckence ißbro t 


feineres Weißbrot X 
Hömcheny:' 
Zwiebäcke ]< 


Backwerkteig mit 10—25 °/ 0 Fett auf lOO 0 / 0 Mehl 1 Haferkakes , v 

Kuchenteig mit 50—75—100 % Fett auf 100 °/ 0 Mehl ( s^>!hha!seX 
Als Hauptmaßstab für die diätetische Güte dieser Teige, und dement¬ 
sprechend der daraus hervorgehenden fertigen Backware, diese Fettgradation an¬ 
gelegentlichst geltend gemacht: Je mehr Fett zu Mehl und in je innigerer Weise 
das Fett dem Mehl einverleibt wird, um so schlechter. Höchste diätetisch erlaubte 
Grenze vielleicht bei ca. 5—10°/ 0 Fett auf 100 °/ 0 Mehl anzusetzen. 

Außerhalb dieser Fettreihe stehend: 

Zuckerbrotteig = Mehl, Ei, Zucker annähernd in gleicher Menge Zuckerpläfscheny ; 

Omelette 

Souffle Reisauflauf X 

Pudding 

Nocken abgerührte Nocken •' 

abgebackcne Socken X 


ad ß) 
ad (5)| 


b) Praktischer Teil: Vorführung der bezeiclmeten Ivoch-Beispiele. 


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318 Chr. Jürgensen 

IX. Abend. Leguminosen. 

Einleitung: Chemische und biologische Charakteristik, diätetische Verwend¬ 
barkeit; eine die praktische Diätetik sehr wenig interessierende Nahrungsmittel¬ 
gruppe — unter allen Umständen höchste Ansprüche zu stellen in bezug auf 
Auswahl, Reinmachen (Schälen), Zerteilen, Aufweichen, Wärmeeinwirkung. 

(NB. künstliche Leguminosenpräparate.) 

Verwendung als Suppe (Abkochung) 

— diätetisch vornehmlich nur in Püree 

Die Gemüse 

— umfassend 1. grüne Gemüse (Sommergemüse), 

2. Wurzelgewächse, 

3. Blattkohl. 

a) Theoretische Einleitung. Allgemeine Charakteristik, chemisch usw., 
drei Hauptrücksichten in betreff der diätetischen Verwendung: 1. gute Auswahl 
und Vorbereitung, 2. rechte Wärmeeinwirkung, 3. rechte übrige Zubereitung. 

In bezug auf 1. Auswahl, drei diätetische Rangklassen: 

1. Rangklasse: die eigentlichen Gemüse (Sommergemüse), grünen Gemüse 
(die Nomenklatur hier etwas schwierig): verschiedenste Pflanzenteile; Blätter: 
Spinat, Salat, Sauerampfer; ganzer Sproß: Spargel; ganze Pflanze (über der Erde) 
Porre, Cardone, Strandkohl, Kopfsalat usw.; Blumenstand: Blumenkohl; Frucht: 
grüne Erbsen (Schoten — Inhalt), Wachsbohne, Perlbohne. Alles, wenn nur 
einigermaßen jung und spröde, zart; und schon bei mäßiger Reinigung. 

H. Rangklasse: — die Wurzelgewächse, an welche schon in bezug auf 
Auswahl, Reinmachen strengere Ansprüche zu stellen sind. 

III. Rangklasse: die Blattkohlgemüse — nach Textur und chemischer 
Eigenart (besonders des Schwefels zu gedenken). 

2. Die Wärmeeinwirkung — für alle drei Klassen sehr gut durchzufiihren, 
um so besser, je niedrigeren ursprünglichen diätetischen Ranges. Kochen in Dampf, 
dem gewöhnlich verwendeten Kochen in reichlich Wasser entschieden vorzuziehen 
— jedenfalls das Einlegen in scharf kochendes Wasser in der Regel erforderlich; 
weil sonst ein ganz widersinnig hoher Verlust an Nährstoff und Salzen zustande 
kommt. Das Kochen halbwegs in Dampf, halbwegs in Wasser: das Dämpfen, eine 
verhältnismäßig günstige Methode. Für Blattkohl jedenfalls ein exquisit gutes 
Kochen: zweimal, erst in Wasser, dann in Dampf (oder in zweimal Wasser). 

3. Die übrige Bereitung; die allgemeine Anempfehlung der Püreeform 
für Gemüse ein Mißverständnis; entschieden vorzuziehen, auf Grund höherer 
Appetenz und besserer Einspeichelung: ganze (zerschnittene) Gemüse, aber so 
gewählt und so zubereitet, daß sie im Munde leicht zu Püree werden; übrigens 
einfachstes Servieren: einfach abgekocht, naturell, Butter apart oder im letzten 
Augenblick beigegeben, nie mit fettem Medium gekocht oder verschwitzt (gebraten), 
nie in fetter, mehlpappiger, abgebackener Sauce zu geben. 

Rohes Gemüse (Salate u. dgl.): demnach kaum jemals nach strengerem 
Begriff diätetisch verwendbar, besonders scharfe Sachen wie Rettig u. dgl. 


I Linsenpüreesuppey 
vegetar. LinsenbratenX 
Püree von gelben Erbsen y 
gestobte Limabohneny 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


319 


Besonders zu nennen gewisse Kräuter, die (außer in Salat) wesentlich nur 
als Gewürz zur Verwendung kommen und auch im rohen Zustande, in der ge¬ 
ringeren Menge und in sehr fein verteilter Form (passiert) verwendbar bleiben 
können. 

Wonach weitere Erklärung der Exposition der Zubereitungsformen 

der Gemüse: 


<re kocht 
i gebacken, 
gedämpft 

QSW.) 


einzeln 


Ia. Kräuter 


Ib. grünes 
Gemüse 


© 

pH 

Pl 

0 

cn 


X 


als Ab¬ 
kochung, 
(mit 
Püree) 


klare Suppe 
legierte „ 
mit Rahm, 
Milch, 
Butter, Ei, 
Mehl, Brot 


mit Einlag. von: 
Fleisch, Fisch, 
Ei, Brot, 
Grütze, 
Nocken, 
Nudeln, 
Gemüsen (zer¬ 
schnittene) 


klare GemüsesuppeX 
legierte Selleriepüree - 

suppeX 

klare Gemüsesuppe 

mit QemüsenX 


I als 
r Püree 


jzu verschiede- 

mit do. j nen Fleisch- U. KartoffelpüreeX 
' Fischspeisen 


vermischt 


II. Wurzel¬ 
werk 


III. Blatt¬ 
kohl 


do. 

I. — III. 
roh 



N 

0 

bC 


naturell 

mit abgerükrter Butter 
in Butter geschwenkt 
gebraten 
in Gratin 
in Fritüre 

in weißer Mehlsauce gestobt 
gerührter, abgebackener) 
in Mayonnaise 


naturell 

mit Sauce angemacht (Salate). 


Kartoffeln in Dampf 

gekochtX 

rote Rüben , nat. ge - 

backenX 

Kartoffeln do. in der 
SehaleX 

Weißkohl gekocht 
r nach diätet. ArtX 
( a ^* Blumenkohl grati¬ 
nier IX 

rote Rüben in vege¬ 
tarischem SalatX 
engl. GemüseX 
MayonnaiscX 


b) Praktischer Teil: Vorführung der ZubereitungsbeispieleX. 


X. Abend. Früchte. 


a) Theoretische Einleitung: chemisch-diätetische Charakteristik, besondere 
diätetische Ansprüche bei der Zubereitung, mit Rücksicht 1. auf die besonderen 
Textmverhältnisse: genaues Reinmachen, genauestes Entfernen holziger und andrer 
nhwerverdaulicher Teile, gute Wärmeeinwirkung (allgemeinere Verwendbarkeit 
gewisser Sorten auch roh); 2. auf besondere chemische Verhältnisse, besonders 
Säure: eigne diätetische Bereitung mit doppeltkohlensaurem Natron, für even- 
todl nötige Säureabstumpfung usw.; alles an der Hand folgender Exposition: 


— (rechte Aufbewahrung) 

— naturell 

— in Getränken, Limonaden usw., auch gefroren 

— in Salaten 
gekocht — in Getränken 
gebacken)— in Suppe (Abkochung) 
gebraten) — in Saucen 

— in Kompott oder Brei (Mus) 


AnanascisX 
Bananen in ZuckerX 
ApfehcasscrX 
Kirschensuppe X 
Rhabarbers u ppe X V 
Kompott von getrockneten Pflaumen f 
mit Natron gekochtX 
gebackene AepfelX 
gebackene Bananeny ' 
gemischtes KompottX 


*) Rhabarber, obgleich eigentlich ein Gemüse, hier eingeschaltet. 


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320 


Chr. Jiirgensen 


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als Zusätze zu Creme, Kuchen, Fleischspeisen 

— in Gelee 

— glacierte 

— kandierte 

konserviert — Trocknen 

— Einmachen — naturell 

— in Zucker 

— in Essig 

— mit Alkohol 

— mit Salizyl ui 

An demselben Abend auch noch über die 

Gennßmittel. 

a) Allgemeine theoretische Einleitung; Beschreibung, Charakteristik nach 
den 3 Gruppen der Exposition: 

I. Gewürze (im engeren Sinne). Zucker, Salz (als eigne Teilgruppe besonders 
charakterisiert: zugleich Nahrungsmittel), Kanel, Vanille usw. als leichtere 
Gewürze; Senf, Essig, Pfeffer als scharfe Gewürze in ihrer besonderen 
diätetischen Unwürdigkeit usw. — besonders hervorgehoben als: ,,natür¬ 
liches Gewürz“, alles was an Geschmack-, Geruchstoffen in den gewöhn¬ 
lichen Rohnahrungsmitteln schon fertig da ist, oder so vorbereitet da ist, 
daß es durch einfachste Zubereitung (Kochen, Backen, Braten) zu voller 
Entfaltung kommt — alles letztere prinzipiell als das gesündeste und zu¬ 
gleich feinste, in der Diätetik verwendbarste Gewürz hervorzuheben. 

II. die alkaloidhaltigen Genußstoffe — Tee 

— Kaffee, KaffeegekeX 
— Kakao, Chokoladenfromage\ 

III. der alkoholischen Getränke — Biere, leichte, schwere, 

mehr, wenig, extrakthaltige 
— Weine, leichte, schwere 
— Spirituosen, verschieden starke. 

Damit war mein diesmaliger Kochkurs, gegebenen Umständen nach, zu Ende 
geführt. Für Beurteilung desselben habe ich von vornherein zu bekennen, daß 
derselbe wohl eigentlich etwas zu kurz ausgefallen. Es war aber für diesmal 
keine Zeit mehr da; ich hätte den Kurs sehr gern auf noch zwei Abende mehr 
erweitert — teils weil ich beispielsweise dem letzten Abschnitt (Genußmittel, 
Gewürz) gern einen ganzen eignen Abend gewidmet hätte; teils auch um an 
einem eignen Abend gewisse, ganz speziell-diätetische Sachen vorzuführen (Heil¬ 
getränke: Kefir, Diabetikermilch: Diabetikerküche überhaupt usw., um nur einiges 
in der Richtung zu nennen). 

Übrigens möchte ich noch einige Momente hervorheben, auf welche, hei 
Planlegung des ärztlichen Kochkurses, meiner Meinung nach ein Hauptgewicht zu 
legen sein wird (und welche ich auch in meinem Plan möglichst berücksichtigt habe). 

Ich meine erstens, daß es für wirklich voll befriedigenden Erfolg solcher 
Kochkurse eine unerläßliche Bedingung, daß dieselben innerhalb ganz selbst- 
eignen Rahmens durchgeführt werden. Dazu ist die ganze Sache an sich 
groß und breit, schwierig und eigenartig genug. 


Dattel - und RhabarbergriUxe >( 
Feigenkompotty^ 

Fruchtmus mit Rahmschnee\ 

Apfels ehrt eeX 

Ananas in Weingelee^ 




als 


Gelee 
Marmelade 
. Mus 
Kompott 


in Gläsern 
in Kruken 
in Blech 

(hermetisch) 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


321 


Auch meine ich, mit Rücksicht auf gewisse ältere, diesbezügliche Versuche 
ausdrücklich betonen zu müssen, daß nur ein Arzt der rechte Leiter solcher 
Kochkurse sein kann. 

Ferner meine ich, daß der Kurs die ganze Kochkunst umfassen soll. 
Innerhalb der Nahrungsmittellehre und der Küchenlehre wird, sowohl in bezug 
auf das Rohmaterial, wie auf die verschiedensten Küchenmaßnahmen, nicht nur 
das diätetisch Verwendbare, sondern auch das diätetisch Minderwertige, Unzulässige 
resp. Unzulässigste zu besprechen, genau zu charakterisieren und vorzuführen sein. 
Alles muß dem Arzte in gleichem Maße bekannte Sache werden; denn nur so 
kann er zu wahrem Verständnis der Sache kommen, nur so wird die rechte Unter¬ 
scheidung zwischen Gutem und Schlechtem ermöglicht sein. 

Somit wird ein solcher Kurs zu einer sehr breiten und sehr komplizierten 
Sache, wie schon aus meinen obigen Expositionen genügend ersichtlich. Es ist 
nun auch bei genauerer, angelegentlicher Durchsicht der Kochbücher in der Tat 
ganz erstaunlich, welcher Reichtum — ich möchte eher sagen: welche Überschweng¬ 
lichkeit — sich darbietet in bezug auf alles, was sich der Mensch für die Küche 
an Rohmaterial angeeignet, und wofür er die verschiedenartigsten Verwendungen 
and Ineinandermischungen erfunden hat. 

Eine solche Ineinandermischung nach verschiedensten Mischverhältnissen und 
verschiedenartigster Bearbeitung von Hauptingredienzien und Zutaten, daß die 
übersichtliche Bewältigung und rechte Systematisierung des Ganzen, bei kon¬ 
sequenter Nomenklatur, sich zu einer ungemein schwierigen Aufgabe gestaltet, 
indem es recht oft kaum zu entscheideu ist, wo das eine oder das andre — nach 
Rohmaterial (Mischung) resp. Zubereitungsart — im System unterzubringen wäre. 

Wie die bisherigen Kochbücher, die alltäglichen, sowie die (meistens nur: 
sogenannten) diätetischen, die systematische Übersicht mehr zu erschweren wie 
zu begünstigen imstande sind, darauf komme ich später zurück. 

Wiel, der bedeutende, humorvolle Diätetiker, schreibt in seinem, in seiner 
Art vorzüglichen „Diätetischen Kochbuch“: „Das wichtige Kapitel von den Suppen 
hat den Verfasser oft fuchsteufelswild gemacht.“ Ich wüßte aber nicht, weshalb 
denn eigentlich dieser Ausspruch auf das Suppenkapitel einzuschränken wäre. 
Ganz entsprechende Gefühle sind mir wahrhaftig den verschiedensten Kapiteln 
der Kochkunst gegenüber sehr allgemein aufgekommen, wo ich die Sachen mög¬ 
lichst konsequent nach Typen habe systematisieren, jede einzelne Sache auf den 
rechten Platz im System habe einführen und prägnant habe benennen wollen. 

Es dürfte als ein recht selbstverständlicher Anspruch zu bezeichnen sein, daß 
bei dem ärztlichen Kochkurs überhaupt nach einem konsequent durchzufiihrenden, 
möglichst umfassenden System der Kochkunst vorzugehen ist. Eine Selbst¬ 
verständlichkeit sehr bedenklicher Art: eben der vorliegenden, sehr großen 
Schwierigkeit dieser Aufgabe halber. 

Dementsprechend werde ich bitten dürfen, den mitgeteilten Plan meines dies¬ 
maligen Kochkurses mit Milde kritisieren zu wollen, weil er einen ersten Ver¬ 
such zu einer solchen umfassenden Systematisierung der Kochkunst darstellt. 

Mir war es nun diesmal gegeben, den Kurs unter besonders günstigen 
äußeren Umständen durchführen zu können, nämlich in einem vorzüglich ge¬ 
eigneten Schulküchenlokal, und indem uns — mir und meiner ausgezeichneten 

ZüiUchr. t diÄt u. physik. Therapie Bd. IX. Heft 6. 22 


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322 Chr. Jürgensen 

praktischen Mitarbeiterin Fräulein Bücher — übrigens ein sehr reichlich zu be- 
messendes (weil unentgeltlich tätiges) weibliches Hilfspersonal zur Verfügung 
stand — weshalb denn aber auch die praktische Speisetypenillustration (mit jedes¬ 
maligem Kostprobenumreichen) so reichhaltig werden konnte. So ungemein 
günstig werden die Umstände nicht immer, nicht überall sein können. 

Es ist aber, meine ich, auf solche möglichst reichhaltige, praktische 
Exempüfizierung nach Speisetypen (in Verbindung mit der Kostprobe) unter 
allen Umständen großes Gewicht zu legen. 


Es ist, wie ich mir zu meinen erlaube, nötig, dem ganzen propädeutischen 
Unterricht des Arztes in diätetischer Therapie eine offizielle Form zu geben; 
dementsprechend wird, meine ich, auch der Kochkurs, als notwendiger Teil 
der diätetischen Propädeutik, offiziell zu organisieren sein. Mit der bisherigen, 
höchstens als offiziös zu bezeichnenden, Durchführung solcher Kochlehrkurse (z. B. 
bei Moritz und Strauß) ist die Sache kaum in befriedigender Weise abzutun. 1 ) 

Wenn nun aber dem ärztlichen Kochkurs innerhalb des Rahmens des'ganzen 
ärztlichen Fakultätsunterrichtes Platz zu geben wäre, dürfte die Errichtung eines 
eignen diätetischen Fakultätsinstituts als ein kaum abzuweisendes 
Desiderium zu bezeichnen sein. 

In bezug auf die ganze Organisation, die Mittel, Tätigkeit, theoretische und 
praktische Bedeutung eines solchen diätetischen Instituts, mit allem, was drum 
und dran ist, habe ich mir nun einige Gedanken gemacht. 

Das Institut würde zu bestehen haben aus: 

1. einem für den besonderen Lehrzweck eingerichteten Schulküchenlokal; 

2. einem diätetischen Laboratorium; 

3. einer öffentlichen diätetischen Poliklinik; 

4. einer Ausgabeanstalt diätetischer Speisen („Krankenküche)“. 

Das Schulküchenlokal wäre als ein, mit einer vollständigen Kfichen- 

einrichtung ausgestatteter, Lehrsaal herzustellen, weil der ärztliche Kochkurs wohl 
immer nur als Vortrags- und Demonstrationskurs zu organisieren sein wird, indem für 
genügenden Unterricht des Arztes in der Küchenpraxis eine praktische Betätigung 
des Schülers am Herd mit Löffel in der Hand usw. kaum nötig sein dürfte. 

Das diätetische Laboratorium würde in einer, dem physiologischen oder 
hygienischen Laboratorien entsprechenden, für den besonderen Zweck natürlicher¬ 
weise eigens modifizierten, Gestalt einzurichten und auszustatten sein, vielleicht 
im Anschluß an ein schon bestehendes physiologisches oder hygienisches Institut, 
gewiß dann aber nur bei Bewahrung einer wesentlichen Selbständigkeit, besonders 
in bezug auf ein ganz eignes Lehrerpersonal. 

Für die Leitung des Unterrichtes in der Schulküche (bei gewisser weib¬ 
licher Beihilfe), wie für die Laboratoriumsarbeiten, wird die Gegenwart eines, für 
den ganz eigenen Zweck veranlagten, interessierten, ausgebildeten, diätetisch er¬ 
fahrenen, Ärztepersonals unerläßlich sein. 

l ) Wobei freilich die Bemerkung zu machen, daß vorläufig — so lange die Sache nicht 
offiziell organisiert — der mehr privatim initiirte Kochkurs für Ärzte vollste Berechtigung 
behält. Es bleibt auch eine offene Frage, ob der ärztliche praktische Kochkurs vielleicht in 
zweckmäßiger Weise — für Deutschland — in das „praktische Jahr“ zu verlegen wäre. 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


323 


Den jetzigen Umständen nach wird nun freilich solch ein geeignetes Lehrer¬ 
personal allgemein nicht gleich zu haben, sondern erst zu schaffen sein, haupt¬ 
sächlich auf dem Wege der Selbsterziehung. 

Die hochwichtige, sehr vielfältige, höchsteigne Aufgabe des genannten 
diätetischen Laboratoriums scheint mir auf der Hand zu liegen. In der Beziehung 
nur folgendes anzudeuten: genauere, in der mannigfaltigsten Weise variierbare 
und zu variierende Untersuchungen über Zusammensetzung, Nährwert, Verdaulich¬ 
keit, Ausnutzung usw., kurz über verschiedenste, für die diätetische Praxis 
wichtige Eigenschaften tischfertiger Speisen, im genauesten Vergleich 
mit den Rohmaterialien, nach Einfluß verschiedenster Zubereitungs¬ 
weisen (Kochen, Rösten, Braten usw.) und verschiedenster Vermischungen 
der Ingredienzien (gegenseitiger Einfluß letzterer aufeinander, Verfettung usw.). 

Es läßt sich gewiß nicht leugnen, daß uns, in bezug auf die äußerst viel¬ 
gestaltige Art und Natur des diätetischen Mittelschatzes selber, bisher eigentlich 
das meiste, streng wissenschaftlich entwickelte Wissen fehlt, so daß in bezug 
auf die diätetisch-therapeutischen Agenzien die festere, primäre Grundlage der 
diätetischen Therapie meistens noch zu schaffen sein wird. 

Erst nach exakter Durchführung einer Unmenge diesbezüglicher, bisher 
fehlender, ganz eigenartiger Laboratoriumsuntersuchungen wird die 
diätetische Therapie ihrer, jedenfalls auf dem Gebiete der internen Krankheiten, 
souveränen Aufgabe gerecht werden können. 

Zu dem, für den rechten ärztlichen Küchenunterricht, Nötigen gehört noch 
ein Ding, welches ich hier etwas näher zu besprechen habe, nämlich ein für 
diesen Zweck geeignetes diätetisches Kochlehrbuch. Geschrieben ist es bis¬ 
her noch nicht. 

Ganz wie die für diätetischen Zweck verwendbare Systematisierung und 
.Nomenklatur der Kochkunst sich als eine äußerst schwer zu bewältigende Auf¬ 
gabe darstellt, wird auch die Abfassung eines diätetischen Kochlehrbuchs für 
Arzte (eventuell gleichzeitig auch für Krankenpflege und besonders, wenn er auch 
für Laien von Nutzen sein, soll) sehr große Schwierigkeiten darbieten müssen. 

Es ist eine ganz heillose Verwirrung, die sich in der Anordnung und 
Nomenklatur der bisherigen allgemeinen Kochbücher geltend macht (mit einer 
einzigen, mir bekannten Ausnahme, wovon später). 

Die Aufgabe, an der Hand derselben in den „Geist der Kochkunst“ tiefer 
eindringen zu wollen, ist einfach zum Verzweifeln. 

An der Hand der bisherigen „diätetischen“ Kochbücher in den wahren Geist 
der diätetischen Kochkunst eindringen zu wollen, ist aber eine weit qualvollere 
Aufgabe — erstens ganz einfach, weil die Sache bisher nicht in genügend um¬ 
fassender Weise angefaßt worden ist (eine einzige, mir bekannte Ausnahme be¬ 
spreche ich später), teils auch, weil in der diätetischen Kochkunst die rechte 
Systematisierung nicht eben leichter sein kann als in der alltäglichen — was denn 
wiederum in recht hauptsächlicher Weise damit zusammenhängt, daß von einer 
wahren Wissenschaft der Materia diätetica bisher nur so schwache Anfänge da sind. 

Ich werde mir in diesem Zusammenhänge die Bemerkung wohl erlauben dürfen, 
daß ich mir durch eignes Leiden das — traurige — Recht erworben habe, persönlich 
darüber mitsprechen zu können. Seit 15 Jahren habe ich nämlich bereits mit 

22 * 


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Chr. JUrgensen 


324 


meinem Kopenhagener Verleger einen Kontrakt gehabt auf Verfassung eines 
„diätetischen Kochbuches“, habe mir daher im Verlauf der Jahre eine ganz 
bedeutende Anzahl von (dänischen, deutschen, französischen, englischen, ameri¬ 
kanischen, sowohl allgemeinen wie „diätetischen“) Kochbüchern zu eigen gemacht, 
habe dieselben auch angelegentlich durchstudiert; habe auch auf mehreren Reisen 
die Eigenheiten der Küche verschiedener Länder zu studieren gesucht, was alles 
ich nicht anführe, um mich damit breit zu machen, sondern um zu dem Zu¬ 
geständnis zu gelangen, daß ich die Arbeit 3—4 mal ganz ernstlich in Angriff 
genommen habe, aber den sich mir darbietenden Schwierigkeiten gegenüber jedes¬ 
mal ganz einfach festgerannt bin, um später einmal wieder anzufangen, und um 
endlich nun so weit gekommen zu sein, daß die Arbeit, wie ich nunmehr glauben 
darf, ohne wesentliche Unterbrechung zu Ende geführt werden wird. 

Ob gut oder schlecht, die Entscheidung der Frage werde ich andern später 
anheimzustellen haben; wie ich jetzt schon erwarten darf, auch außerhalb des 
dänischen Sprachkreises. 

Die beiden Bücher, die ich nun aus dem ganzen, mir bekannten, Berg der 
Kochbücher beiderlei Art hervorziehen möchte, sind diese: 

Dr. L. Naumann: „Systematik der Kochkunst“ mit Untertitel: „Internationales 
Kochlehrbuch für Haushaltungen“, und nebenbei: „Zur Benutzung beim Er¬ 
teilen von Unterricht, sowie zum Selbststudium; desgleichen zur Orientierung für 
Ärzte etc.“, Dresden 1886, und: 

Emma Mathes-Jaworska: „Diätetische Küche für Kranke und Gesunde“: 
nebst einem Anhang von Prof. W. Jaworski: „Über die Wirkung und Ver¬ 
wendung der Speisen am Krankenbette 1899.“ 

Diese beiden Bücher habe ich einem jeden zu angelegentlicher Kenntnis¬ 
nahme anzuempfehlen, der es wünscht für alltäglichen wie für diätetischen Zweck, 
sich in ein tieferes Verständnis der Kochkunst hineinzuarbeiten. Mir haben beide 
Bücher viele Belehrung gebracht. 

Uber Naumanns Buch wäre nun übrigens zu bemerken, daß der Haupt¬ 
titel desselben ein falscher ist. Denn das Buch enthält gar keine „Systematik“; 
nämlich gar keine motivierte Darlegung der Grundsätze oder allgemeinen Gesichts¬ 
punkte, nach denen in der Kochkunst zu systematisieren wäre, sondern ist ein 
Kochbuch, vielleicht auch, mit etwas Recht, Kochlehrbuch zu nennen, und 
zwar ein wirklich systematisch geordnetes Kochbuch. Was freilich nicht ver¬ 
bietet, auf verschiedenen Punkten, die Anordnung, auch schon allgemeinkulinarisch, 
für eine nicht ganz gelungene zu halten. Daß aber in dem Buch überhaupt an¬ 
gestrebt ist, die Mannigfaltigkeit der Speisen in logischer Weise zu gruppieren, 
so daß die Sachen möglichst an ihren rechten Platz kommen, ist den gewöhnlichen 
Kochbüchern gegenüber sehr zu loben. Ganz besonders lobenswert ist die, die 
Übersichtlichkeit sehr erleichternde, Art und Weise, nach welcher, für gewisse 
Gruppen gleichartiger Speisen, eine typische Grundform der Zubereitung — in 
eigner Nummer — angegeben ist, wonach dann die übrigen Nummern der Gruppe 
als Modifikationen des Grundtypus beschrieben sind usw. 1 ) 

') Als ein die praktische Verwendbarkeit des Buches sehr kompromittierender Umstand ist 
anzufiihrcn, daß sich nach demselben überhaupt schwerlich ohne Verwendung der. in der 
Naumannschen Fabrik hergestellten, eignen Gewürzfabrikate kochen läßt 


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Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


325 


Somit ein, für das Verständnis der allgemeinen diätetischen Kochkunst, 
viel gute Anregung und Aufklärung gehendes Buch, bleibt es für den diätetischen 
Unterrichtszweck ein unbefriedigendes; erstmal weil da in keinerlei Weise An¬ 
leitung zu finden ist für Unterscheidung von Gutem und Bösem; was nun 
auch in geringerem Grad Aufgabe gewesen. Schwerer wiegend ist der Um¬ 
stand, daß die Kochkunst für diätetischen Zweck, besonders für diätetischen 
Unterrichtszweck, nach ganz andren Gesichtspunkten zu systematisieren ist, als 
die alltägliche. 

Während das allgemeine Kochbuch hauptsächlich nach dem äußeren 
Charakter der Speisen klassifizieren darf, und muß: nach Form, Farbe, 
Geschmack, äußeren Einflüssen der Zubereitungen usw., im ganzen nach Verwendbar¬ 
keit für die verschiedenen Gänge der Mahlzeit, nach dem Inhalt aber nur 
insofern zn fragen hat, als derselbe sich in solchen, mehr äußerlichen Eigenschaften 
geltend macht, wird bei dem System des diätetischen Kochbuchs — selbst¬ 
verständlich neben solchen Momenten — doch ganz hauptsächlich der innere 
Wert zu berücksichtigen sein, nach Inhalt, Mengenverhältnissen der Komponenten, 
tieferen Einflüssen der Zubereitungsweisen, Nährwert (allgemein und speziell), Ver¬ 
daulichkeit, Ertragbarkeit usw. 

Die „diätetische Küche“ von Jaworska (Jaworski) bietet einen guten 
Abschnitt I: „Allgemeines“, und in den Abschnitten II—XX den Hauptstoff des 
Buches: die Kochrezepte. In an und für sich anerkennenswerter Weise ist jedem 
fuuelnen Abschnitt eine allgemeine diätetische Charakteristik mitgegeben, die 
freilich nicht immer ■ als eine erschöpfende oder in allem richtige zu bezeichnen 
uäre. Im Abschnitt von den „Saucen“ ist beispielsweise die Angabe, daß bei 
Zubereitung derselben für Kranke „das Mehl und die Butter gut zu rösten 
[miteinander zusammen zu rösten] ist“, ganz einfach eine diätetisch • verwerf¬ 
liche Regel. Einer großen Anzahl der einzelnen Speisenummern ist diätetische 
Einzelcharakteristik beigefügt, sehr lobenswert an und für sich, oft in zutreffen¬ 
der, teilweise aber in zweifelhaft richtiger, resp. in etwas gewagter Weise. 
Gegen die Reihenfolge der Abschnitte ist, in bezug auf diätetisches System, 
Einwand zu erheben; beispielsweise sind die Hauptgruppen der pflanzlichen 
Rohnahrungsmittel ohne gemeinsame Charakteristik geblieben, vielmehr in ganz 
unsystematischer Weise auseinandergerissen, teilweise, wie „Gemüse und Obst“ 
in fehlerhafter Weise in einem Abschnitt vereinigt. Dafür bieten Gemüse und 
Obst, nicht nnr in bezug auf ursprüngliche diätetische Eigenart, sondern auch 
in bezug auf diätetisch richtige Zubereitungweise gewiß viel zu große prinzipielle 
Unterschiede untereinander dar. Die gesonderte Aufstellung gewisser Abschnitte 
scheint mir eine systematisch verfehlte zu sein; beispielsweise bilden die „Saucen“ 
keinen, im rechten System der Kochkunst, berechtigten eignen Abschnitt, z. B. 
Fleischbrühsaucen und Fruchtsaucen unter eins, denn erstere sind einfach nur als 
modifizierte Fleischbrühsuppen aufzufassen und hinzustellen, letztere als modifizierte 
Fruchtsuppen. „Künstliche Nährpräparate“ und „Nährklistiere“ als eigne Ab¬ 
schnitte (XXI—XXII) sind sehr gut. 

Ganz eigenartig (noch nirgends so dagewesen), sehr anregend und lehrreich, 
ist der ganze folgende Abschluß des Buches, erstens der Abschnitt XXIIT mit 
systematisierender Zusammenstellung der Speisen (und Getränke) nach Saison, 


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Chr. Jürgensen, Über die Erziehung des Arztes zu diätetischer Therapie. 


Geschmacksrücksichten und besonders nach Nährwert (ganz eigenartige Einteilung 
mit durchgeführter Einführung aller Kochrezeptnummern auf gewisse „Nährstufen“). 

Endlich auch der „Anhang“ von Prof. Jaworski selber: „Über die medi¬ 
kamentöse Wirkung und Verwendung der Speisen am Krankenbette“, wo die 
Kochvorschriftnummern auf verschiedene diätetische Wirkung gruppiert werden, 
aber nach gewissen, der Pharmakologie entlehnten Einteilungen. Bedauerlich 
genug, daß unsre Pharmakologie sich bisher noch an so vielen Punkten mit 
solchen vagen, oberflächlichen, teilweise recht nichtssagenden Einteilungen (wie: 
„antidyscratica“, „haemoplastica“, „sedativa“ usw.) hat begnügen müssen. Die 
Überführung derartiger Begriffe (oder derartigen Mangels an wahrem Begriff) auf 
die Diätetik scheint mir keinen rechten Zweck zu haben und zur wahren Klärung 
der Begriffe kaum beitragen zu können; wenn auch einzelne dieser Begriffe 
für die Diätetik einen gewissen, äußerlich praktischen, symptomatischen Wert 
behalten mögen, wie z. B.: „Appententiam juvantia“, „obstruentia“, „stiptica“ 
(stopfende), „antacida“, „antifermentativa“ u. dgl. In einer weiteren Abteilung 
sind ferner die Koch vorschriftnummern in zweckmäßiger Art auf „verschiedene 
Diätformen“ („blande Diät“, „leicht verdauliche Diät“, „magere Diät“ usw.) ein¬ 
geführt; in einer letzten Abteilung in entsprechenderWeise auf „diätetische Ernährung 
bei verschiedenen Formen von Magenkrankheiten“. 

Alles in allem ein sehr bemerkenswertes Buch. 

Die Errichtung einer öffentlichen diätetischen Poliklinik scheint mir 
kein so femliegender Gedanke zu sein; eine solche Poliklinik würde den, z. B. an der 
Berliner Fakultät bereits bestehenden, eignen Polikliniken für Hydrotherapie und 
für Massage ganz entsprechen — und daß innerhalb der diätetisch-physikalischen 
Therapie die Diätetik wenigstens das gleiche Recht hätte, wie der andre Zweig, 
scheint mir nicht zweifelhaft. 

Eine solche diätetische Poliklinik würde aber erst dann besonders nützlich 
werden — nach innen, für den Versuch und die ärztliche Erziehung; nach außen 
für die rechte Durchführung der diätetischen Ordination — wenn neben derselben 
für eine diätetische Küche mit Ausgabestelle diätetischer Speisen 
gesorgt wäre; wie dem ganz entsprechend, neben der hydrotherapeutischen Kon¬ 
sultations- und Ordinationsstelle (in Berlin), für eine hydrotherapeutische Anstalt 
für Durchführung gegebener Ordination schon gesorgt ist. 

Diätetische Therapie wird in der ärztlichen Praxis überhaupt nur dann mit 
Erfolg zu treiben und weiter zu entwickeln sein, wenn leichtere Möglichkeit für 
Beschaffung wirklich diätetischer Speise geschaffen-wird. 

Anläßlich des Abschlusses des ersten Betriebsjahres der „Öffentlichen Kranken¬ 
küche“ Berlin (Brüderstraße 10) hat Frau vom Rath in dieser Zeitschrift (Bd. 1 • 
S. 539), in beherzigender Weise nach eigner Erfahrung hervorgehoben, wie „es 
selbst in einem größeren Haushalt schwierig ist, gerade die einfachsten Speisen 
sich so zu schaffen, wie sie dem kranken Menschen zuträglich sind“, und die 
Frage: „Wie können sich kleine Haushalte, arme Familien oder gar einzelstehende 
Menschen im Erkrankungsfalle zuträgliche Nahrung verschaffen?“ als eine quälende 
bezeichnet. 

Ich meine aber, daß dieselbe Frage sich als eine keineswegs weniger quälen 
darstellen muß für den Arzt, der eine, dem gegebenen Krankheitsfalle angep&ß 


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J. Sadger, Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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Diät vorschreiben möchte, in seinem diätetischen Wollen aber der Schwierigkeit 
resp. Unmöglichkeit der richtigen Beschaffung selbiger Diät gegenübergestellt ist. 

Weil aber solche „diätetische Küchen“ (es sei offizieller wie privater 
Initiation) noch ganz fehlen, oder ungenügende Verbreitung und Entwicklung er¬ 
fahren haben, wird der draußen praktizierende Arzt noch sehr allgemein in solche 
quälende Lage kommen müssen, was nun aber entschieden nicht nur eine in all- 
gemein-sozialer Beziehung sehr ungünstige Sachlage sein dürfte, aber auch eine, 
dem sehr wünschenswerten Fortschritt der diätetischen Therapie überhaupt, besonders 
der fortschreitenden Erziehung (Selbsterziehung) des praktischen Arztes auf diäte¬ 
tische Therapie, sehr hinderliche. 

Indem ich nun meinen ganzen, somit skizzierten Plan für Aufbesserung der 
Erziehung des Arztes auf diätetische Therapie möglichst günstiger Beurteilung 
übergebe, erlaube ich mir die Meinung, daß derselbe, obgleich vielfach nur an¬ 
deutungsweise gegeben, eigentlich auch, jedenfalls den Hauptpunkten nach, mit 
einer gewissen Selbstverständlichkeit für sich redet. 

Ich wäre endlich geneigt, für Deutschland, Berlin und München als die 
Plätze hervorzuheben, die, den jetzigen Entwicklungsverhältnissen nach, nicht 
nur ein Vorrecht, sondern auch eine entsprechende Vorpflicht hätten auf 
effektive Schritte für Aufbesserung der diätetisch-therapeutischen Erziehungs¬ 
verhältnisse, so oder ähnlich, wie ich es zu bezeichnen mir erlaubt habe. 


H. 

Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 

Von 

Dr. J. Sadger in Wien-Gräfenberg. 

(Schluß.) 

Ich glaube, im vorstehenden sorgfältig zusammengetragen zu haben, was 
hydriatisch seit 40 Jahren von Ärzten gegen die Pneumonie versucht ward. 
Bedenkt man die Häufigkeit jener Erkrankung, die große Zahl der Kliniker und 
Doktoren, so wird man ihre hydriatischen Bemühungen wahrhaftig nicht über¬ 
wältigend finden. Steht heute die Sache doch leider so, daß in der ungeheuren 
Mehrzahl der Fälle hydriatisch überhaupt gar nichts geschieht oder höchstens 
Umschläge. Wer dies nicht glaubt, der lese z. B. das vielgepriesene Buch von 
Aufrecht 1 ) in Nothnagels Sammlung oder gar die letzte Pneumoniedebatte auf 
dem 18. Wiesbadener Internisten-Kongreß. 2 ) Obwohl E. Aufrecht nach eigenem 
Geständnis das Wasser niemals selber verordnete, es nur gelegentlich von andern 
Ärzten anwenden sah — in welcher Weise, wird nicht angegeben —, urteilt er 

*) „Die Lungenentzündungen“. S. 134 f. 

l ) „Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin“ (18. Kongreß), Wiesbaden 1900, 
$. 31-96. 


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J. Sadger 


doch apodiktisch schroff: „Ich habe mich nicht ein einziges Mal von dem Nutzen 
der kalten Bäder überzeugen können. Bisweilen folgt eine Vermehrung des 
Hustenreizes. Glücklicherweise ist die Methode bis jetzt noch weniger 
als der Alkohol zur Verwendung gelangt.“ Und wie kläglich ist erst das 
therapeutische Resultat der großen Wiesbadener Debatte gewesen! 1 ) Da erzählte 
Koranyi, der erste Referent, er habe im Jahre 1877 aus Anlaß einer schweren 
Epidemie mit asthenischem Charakter die kalten und kühlen Bäder ausgiebig ver¬ 
wendet. „Die wohltätige Wirkung auf das Allgemeinbefinden, Temperatur, At¬ 
mung und Herzaktion läßt sich meiner Erfahrung nach nicht bezweifeln; seit jener 
Zeit ziehe ich die Bäder nur selten, hauptsächlich bei typhoiden Krankheits¬ 
erscheinungen in Gebrauch, da ich mit Chinin und den übrigen antipyretischen 
Mitteln, mit kalten Umschlägen, Waschungen und Einwicklungen alles Erreich¬ 
bare erreichen zu können glaube.“ „Alles Erreichbare“, das ist, wie wenig 
später zu lesen, 11,2 % Mortalität. „Ich finde mich mit den meisten Autoren in 
Übereinstimmung, wenn ich bei leichten oder auch normal verlaufenden, mittel- 
schweren Pneumonien eine exspektative Therapie einhalte mit lokaler Kälte¬ 
behandlung des Brustkorbs.“ Auch sein Korreferent P. K. Pel macht zuerst seine 
Verbeugung vor dem Wasser. „Als stimulierendes und erfrischendes Verfahren 
lege ich großen Wert auf regelmäßige Abwaschungen der meist heißen, trockenen 
Haut mit kaltem oder lauwarmem Wasser, dem man etwas Essig, Branntwein 
oder Eau de Cologne hinzugesetzt hat. Ich schätze eine zweckmäßige hydro¬ 
therapeutische Behandlung, d. h. den Reiz, welchen das kalte oder temperierte 
Wasser auf die Hautnerven ausübt und die hierdurch erweckten reflektorischen 
Erregungen der hochwichtigen Centren in der Medulla oblongata sehr hoch. In¬ 
dessen ist hierbei von einer Antipyrese im engeren Sinne doch keine 
Rede. Mit den für den Kranken bequemen, überall und leicht anzuwendenden 
kalten Abwaschungen erreicht man völlig seinen Zweck. Nie habe ich mich 
denn auch entschließen können, meine hustenden und kurzatmigen 
Pneumoniker in das kalte Bad zu stecken. Überhaupt gehen die klinischen 
Erfahrungen über den Nutzen der Bäder bei der Pneumonie weit auseinander. 
Nur in dem einen Punkt ist man einstimmig, daß es recht viele Kontra¬ 
indikationen gibt. Meine Meinung geht mit andern dahin, daß man lieber 
auf eine Behandlungsmethode verzichten muß, die, wenn sie ange¬ 
wendet werden kann, unnötig ist, und dort, wo sie vielleicht von Nutzen 
sein könnte, aus andern Gründen nicht angewendet werden kann und 
zweckmäßig durch ein weniger ein- und angreifendes Verfahren 
ersetzt werden kann.“ In der folgenden Debatte gab Naunyn seiner „Freude“ 
darüber Ausdruck, „wie heute ganz allgemein die Überzeugung zum Durchbrnch 
gekommen ist, daß die Pneumonie als solche der Behandlung, d. h. einer 
kupierenden Behandlung nicht zugängig sei, daß hierauf gerichtete heroische 
Mittel verwerflich seien und die Behandlung ausschließlich symptomatisch zu 
leiten sei.“ Einzig Nothnagel trat als warmer Anwalt des Wassers auf, aller¬ 
dings auch er nur für äußerste Fälle: „Ich habe den Eindruck empfangen, als ob 
wir hier viel zu wenig über die Anwendung des kalten Wassers bei der Be- 

') „Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin“ (18. Kongreß), Wiesbaden 1900, 
S. 31-96. 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


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handlang der Pneumonie gesprochen hätten. Ich kann Sie nur versichern, daß 
die Wasserprozeduren — sei es nun in Gestalt von kalten Bädern oder lauen 
Bädern, sei es in Gestalt von Übergießungen, von Einpackungen oder wie sonst — 
unter Umständen noch günstige Resultate ergeben haben, wo mit den andern 
Dingen nicht mehr viel herauszukommen schien. Deshalb möchte ich die Frage 
der Hydrotherapie nicht aus der Diskussion verschwinden sehen. Ich habe mit 
günstigem Erfolge Pneumoniker kalt gebadet, die zu den allerschwersten ge¬ 
hörten, am vierten Tage nach dem Partus, bei doppelseitiger Pneumonie; unter 
anderen Umständen wieder laue Bäder mit Abkühlung, wo trotz Digitalis die 
Sache eine bedrohliche Wendung zu nehmen schien.“ 

Wer solche merkwürdige Debatten verfolgt, dem ist’s, als wären die letzten 
zwei Jahrhunderte in der Entwicklung der Hydriatik spurlos vergangen. Denn 
schon im Jahre 1732 schrieb Hermann Boerhave vom kalten Wasser: „Hoc 
remedium non proponitur nisi in desperatis casibus.“ Dem schlichten Menschen¬ 
verstand erscheint es freilich ganz unfaßbar, warum man sich just dem Wasser 
gegenüber so spröde verhält. Denn vermag dies Mittel noch in schwersten Fällen 
deu Prozeß zum Günstigen zu wenden, um wie viel leichter, ja beinahe sicher 
in minder ernsten? Wer will übrigens bei einer Lungenentzündung ganz sicher 
Voraussagen, sie werde und müsse günstig verlaufen? Gehen ja selbst Kinder 
mit ihrem so leistungsfähigen Herzen alljährlich an croupöser Pneumonie zu¬ 
grunde, müssen also wirklich schwer krank gewesen sein. Man kann sehr häufig, 
i. B. bei Greisen, die Ansicht vertreten, es liege von vornherein Lebensgefahr 
vor. doch nie mit Bestimmtheit, ein Fall sei leicht, er könne und dürfe nicht 
zinn Tode fuhren. Wer nur ausgesprochen schwere Fälle hydriatisch angeht, in 
allen andern jedoch wartet, ob vielleicht ein langandauerndes Fieber oder böse 
Zufälle ibm die Wasseranwendung förmlich aufnötigen, der wird nicht nur 
die Statistik sehr wesentlich zum Schaden der Hydriatik fälschen — was schlie߬ 
lich ein geringeres Übel wäre —, sondern leider auch viele Kranke verlieren, die 
entschiedenes Eingreifen gleich am ersten Tage sehr gut noch hätte retten können. 
Es ist genau das nämliche Spiel, wie beim Typhus und andern Infektionskrank¬ 
heiten. Man begibt sich der zweifellos günstigen Wirkung des kalten Wassers, 
weil es vielleicht nicht notwendig sein wird. Ich würde diese Taktik begreifen, 
wenn die Wasseranwendung Schaden brächte, oder wenn man statt ihrer ein 
besseres, wirksameres Mittel wüßte. Doch das erstere wird höchstens von 
Theoretikern befurchtet, die sich niemals zu praktischer Anwendung entschlossen, 
das letztere hingegen allgemein verneint. Dem Wasser rühmen selbst jene, die 
nicht auf Jürgensen schwören, es aber doch mindestens in ihren schwersten Fällen 
versuchten, „wohltätige Wirkung auf das Allgemeinbefinden, Temperatur, Atmung 
und Herzaktion“ nach. Zum zweiten Punkt aber hat just auf jenem Internisten¬ 
kongreß Pel unzweideutig ausgesprochen: „Bis jetzt steht uns kein Mittel zur 
Verfügung, mit welchem wir den Verlauf der sogenannten croupösen Pneumonie 
abkürzen oder den Krankheitsprozeß selbst direkt günstig beeinflussen können. 
Man soll deshalb, meine ich, nicht in den Krankheitsprozeß eingreifen, damit die 
natürlichen Heilkräfte des erkrankten Organismus ungeschwächt zur Wirkung ge¬ 
langen können, d. h. je weniger der Arzt bei einer regulär verlaufenden Pneumonie 
«ingreift, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Ausgangs.“ 


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J. Sadger 


Und wenn er dann wie beschönigend fortsetzt: „Allein nicht eingreifeu 
heißt nicht, nichts tun und nur zusehen. Dem Arzte bleibt die herr¬ 
liche und wichtige Aufgabe übrig, dem Kranken die Wohltat einer gnt 
verstandenen Hygiene, den Segen einer sorgfältigen Pflege, den 
Nutzen einer zweckmäßigen Ernährung und die Linderung der meist 
quälenden Erscheinungen zuteil werden zu lassen, damit die Verhält¬ 
nisse für die natürliche Heilung sich um so günstiger gestalten,“ so 
wird man diesen gesperrt gedruckten Selbstverständlichkeiten die gebührende 
Hochachtung entgegenbringen. 

Um das bisher Gesagte zusammenzufassen, so wird heutzutage an den Kli¬ 
niken wie in privater Praxis mit vereinzelten Ausnahmen die Wasserbehandlung 
der Pneumonie entweder überhaupt gar nicht geübt — das ist der weitaus häu¬ 
figste Fall — oder doch nur in allerschwersten Fällen, wenn man sich von keiner 
andern Therapie mehr etwas verspricht. Auch in den letzteren Fällen jedoch 
greift man höchst selten von vornherein mit voller Tatkraft ein, vielmehr wird 
gemeinhin gewartet, bis es schon gar nicht mehr weiter geht. Und endlich 
besteht auch noch die Tendenz, so man schon einmal das Wasser heranzieht, 
mit möglichst geringen und wenig eingreifenden Knrprozeduren Auskommen zu 
finden, was freilich naturgemäß auch weniger wirkt. Also eine Hydriatik, die 
entweder gar nicht oder nur höchst widerwillig geübt wird, wenn überhaupt, bei¬ 
nahe immer sehr spät und in meist ungenügender Ausführung. 

Und doch scheint mir die Hydriatik berufen, in der Behandlung der Lungen¬ 
entzündung die wichtigste, entscheidende Rolle zu spielen, so man sie nur richtig 
zu nützen versteht. Vor allem möchte ich den immer wieder betonten Satz, wir 
besäßen kein Mittel, den Verlauf einer Pneumonie zu kupieren oder günstig zu 
beeinflussen, in sehr erheblichem Maß restringieren. Gern räume ich ein, daß 
wir kein spezifisches Mittel kennen, allein das ist alles, was an jenem Satze 
noch richtig ist. Auch dünkt mich das Suchen nach einem Spezifikum desto ent¬ 
behrlicher, als schon die heute bekannten Spezifika, wie Salizyl, Chinin, Eisen, 
Arsen, Quecksilber und Jod, Diphtherie-Heilserum etc. etc., so häufig versagen, 
daß das Wörtchen „spezifisch“ nur mit starker Einschränkung zutreffend ist. 
Hingegen glaube ich nach meinen Erfahrungen wie denen der erfahrensten 
Hydriater, daß durch eine entschlossene, gleich zu Anfang einsetzende 
Wasserbehandlung fast jede Pneumonie in Symptomen wie im Gesamt¬ 
verlauf außerordentlich günstig beeinflußbar ist, wofern nicht von 
vornherein schwere konstitutionelle Veränderungen eine jede Heilungs¬ 
möglichkeit ausschließen. Sie kann fast immer — ich bin mir der Trag¬ 
weite dieser Behauptung gar wohl bewußt — sehr erheblich abgekürzt, ja 
überhaupt häufig direkt kupiert, am weiteren Vorschreiten gehindert 
werden, gewinnt ein total verändertes Bild und wird des lebens¬ 
gefährlichen Charakters fast regelmäßig sehr rasch entkleidet. 

Nur zwei Bedingungen vergesse man nicht. Soll eine Kupierung oder 
mindestens eine dauernde Beschränkung des Krankheitsprozesses erzwungen 
werden, dann muß die Hydriatik gleich in den ersten 24 Stunden oder höchstens — 
was aber schon minder sicher — am zweiten Tage einsetzen können. Nach dieser 
Zeit ist ein Kupieren ausgeschlossen, allerdings durchaus nicht die günstige Be- 


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Die Wasserbehandlung der croupüsen Pneumonie. 331 

einflussung durch Wasserbehandlung. Zum zweiten heißt es, von vornherein das 
schwerste Geschütz auffahren, nicht etwa mit einigen kalten Bädern von mehreren 
Minuten Auslangen zu suchen. Für die spezielle Methodik aber geht man am 
besten direkt auf Vincenz Prießnitz zurück, dessen nun bald hundertjährige 
Vorschriften heute noch mustergültig sind. Man gebe also, wo es irgend möglich ist, 
mehrere gewechselte feuchte Einpackungen hintereinander — gewöhnlich genügen 
deren drei (Um- beziehungsweise Auspacken etwa nach 10, 20 und 30 Minuten) —, 
um die Hyperthermie vorerst zu dämpfen, auch die Perspiration der Haut an¬ 
zuregen, und lasse ein längeres kühles Halbbad von 20—18—16°, sowie zwei¬ 
stündlich gewechselte Kreuzbinden folgen. Jenes Halbbad aber währe — dies ist 
von entscheidender Wichtigkeit — niemals zu kurz. Man mache sich von vorn¬ 
herein auf mindestens halbstündige Dauer gefaßt, doch muß man es nicht selten noch 
länger ausdehnen, bis zu */ 4 , einer vollen Stunde und selbst darüber, und während 
dieser ganzen Zeit den Patienten durch mindestens zwei, noch besser drei Per¬ 
sonen am ganzen Körper, zumal an den Füßen nachdrücklichst und kräftigst 
frottieren lassen. Da im Bad eine einwandfreie Thermometrik nicht durchführbar 
ist. tut man am besten, das Vorgehen Prießnitz’ zu akzeptieren und das 
Bad so lange zu erstrecken, bis die zufühlende Hand des Arztes in der Achsel¬ 
höhle des Kranken keine höhere Temperatur mehr findet, als am übrigen Körper. 
Ich habe im Eingang und den Eingangsbeispielen die Prießnitzsche Methode 
»sauer beschrieben, auch daß er es liebte, statt des einfachen Halbbads ein 
Wechselbad zu geben. Das hat just bei den längem Halbbädern den großen 
Vorteil, daß nach dem kalten Vollbad ein temperiertes Halbbad dem Kranken 
direkt warm erscheint und deshalb weit länger fortzusetzen ist, ganz abgesehen 
von dem mächtigen tonisierenden Effekt des kurzen kalten Bades auf das Nerven¬ 
dem. Immerhin muß man mit den gegebenen Verhältnissen rechnen und 
gewöhnlich froh sein, im Hause des Kranken eine einzige bewegliche Wanne zu 
linden, die ein Halbbad ermöglicht. Zwei solcher Wannen, die zu Wechselbädern 
nötig wären, sind fast nur in Anstalten zu beschaffen. 

In allem übrigen jedoch befolge man streng Prießnitz’ Regeln. Man 
achte darauf, daß er bei fieberhaften Affektionen die kalten Vollbäder ä la 
•lürgensen und Liebermeister streng verpönte, sie höchstens als Teil eines 
Wechselbades duldete, und statt derselben stets höher temperierte Halbbäder 
wählte, daß er die Hyperthermie des Körpers nicht einmal mit diesen allein be¬ 
kämpfte, sondern ihnen fast immer feuchte gewechselte Packungen vorausschickte, 
denen erst das längere Halbbad folgte. Gibt’s doch keine andere Methode, die 
die Hyperthermie so schonend, intensiv und nachhaltig entzieht, als gewechselte 
Packungen mit einem abschließenden längeren, temperierten Halbbad. Die Laken 
zu den Wickeln sind zwar in ganz kaltes Wasser zu tauchen, dann aber immer 
aufs äußerste auszuwinden, die Füße des Kranken vor jeder Einschlagung auf 
ihre Wärme genau zu prüfen. Erscheinen dieselben kalt und cyanotisch, dann 
reibe man sie trocken oder feucht so lange, bis die Wärme wiederkehrt. Falls 
lies nichts fruchtet, schlage man die feuchten Laken schon oberhalb der Knöchel 
zurück, so daß die Füße nur in den trockenen Kotzen eingewickelt sind, eventuell 
kann sogar eine gut bedeckte Wärmeflasche oder ein heißer Ziegelstein, in der 
Praxis elegans ein Thermophor an die Sohlen gelegt werden. So unbedeutend 


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alle diese Dinge scheinen, man beachte sie genau, weil sonst der Erfolg des 
ganzen Verfahrens in Frage gestellt, ja direkt zunichte gemacht werden kann. 

Auch das Halbbad erfordert besondere Technik. Man stelle zwei Kübel 
möglichst kalten Wassers von vornherein neben die Badewanne, teils weil es gut 
ist, zu Beginn, zu Ende und etwa noch in der Mitte des Bades den Kopf und 
Nacken kalt zu überschütten, teils wegen eventueller Kollapserscheinungen, die 
durch rasche, eiskalte Überschüttungen bei kräftigster Friktion, besonders der 
Füße (s. Krankengeschichte 3) am allerbesten zu beseitigen sind. Unerläßlich 
werden die kalten Überschüttungen bei Zerebralsymptomen (Unruhe, Benommen¬ 
heit, Konvulsionen, Delirien), überhaupt bei typhoidem Charakter der Krankheit. 
Man wird in solchen Fällen nicht bloß zu Anfang, Mitte und Ende des Bades 
kalt überschütten, sondern auch noch zwischendurch mit dem Badewasser selbst 
den Kopf und Nacken wiederholt übergießen, wie im gewöhnlichen kurzen Halbbad. 
Prävalieren jedoch die Gehirnsymptome nicht, dann treten die Übergießungen 
wesentlich gegen die Frottierungen zurück. Die ganze Zeit über, da der Kranke 
im kühlen Halbbade weilt, ist er von zwei bis drei Personen (eine bis zwei an 
den Beinen, eine am Rücken) auf das allernachdrücklichste zu frottieren, oben¬ 
drein auch aufzufordern, sich selbst nach Kräften an Brust und Armen zu reiben. 
(Im Falle des Unvermögens besorgt dies dann die dritte Person, die den Rücken 
frottiert.) Diese Prozedur erscheint zusammen mit der langen Dauer schwer 
durchzuführen und kaum erträglich, ist aber beides in Wirklichkeit nicht. Da 
das Reiben besondere Technik nicht erheischt, kann man dazu jeglichen Haus¬ 
genossen brauchen, nur lasse man natürlich häufiger abwechseln, weil ein Un¬ 
geübter unablässiges Frottieren kaum länger als 7* Stunde aushält. Was aber 
den Kranken selber betrifft, so fühlt sich dieser in dem Bade um so wohler, als 
der Hustenreiz und das Seitenstechen erfahrungsgemäß schon während des Halb¬ 
bads und für längere oder kürzere Zeit nach demselben sehr wesentlich nach- 
lassen. Da sich endlich das Badewasser durch die Wärmeabgabe von der Haut 
des Kranken zu sehr temperiert, so müssen beiläufig jede Viertelstunde eine bis 
zwei Kannen ausgeschöpft und durch Zuguß von eben6ovielen, ganz kalten Wassers 
(am besten am Fußende) ersetzt werden. 

Was hat nun die lange Dauer des Bades, was das stete Frottieren für einen 
Sinn? Es ist nicht bloß der antithermische Effekt, an den man in erster Linie 
denken könnte, er ist es sogar erst in zweiter Reihe. Mir scheint, zumal bei 
rezenten Pneumonien, ein anderer Faktor um vieles bedeutsamer. Bezeichnender¬ 
weise gab Prießnitz dasselbe lange Reibehalbbad nicht bloß als fieberstillendes 
Mittel, sondern noch vielmehr als das allerintensivste Antiphlogistikum, ferner als 
Resorbens und Derivans, und zwar bei akuten Entzündungsprozessen in den 
Höhlen des Schädels, der Brust und des Bauchs, auch in den akuten Gichtattacken, 
Gehirnapoplexien, beim Croup und bei Starrkrampf. Und einer seiner erfahrensten 
Schüler, Medizinalrat Dr. Georg Pingier, schrieb schon im Jahre 1883: 1 ) „Seit 
31 Jahren behandle ich alle akut Kranken mit Wasser und habe mich namentlich 
bei Phlogosen, die schon bis zur Exsudatbildung vorgerückt waren, hundertmal 
überzeugt, daß oft schon während eines Bades die durch das Exsudat bewirkten 

') „Zur Lösung der Frage: Welches ist der kürzeste Weg zur gründlichen Heilung der 
Syphilis?“ Heidelberg, Karl Dieter. 


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Die Wasserbehandlnng der croupiisen Pneumonie. 


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Zufälle gänzlich verschwanden oder sich wesentlich minderten, oft in höchst 
überraschender Weise.“ 

Um wieder auf die Pneumonie zurückzukommen, ist das lange währende 
Reibehalbbad nicht bloß das glänzendste Antiphlogistikum, um die Temperatur 
zur Norm zu drücken und den Blutstrom von den entzündeten Teilen auf die ge¬ 
samte äußere Haut abzulenken, sondern, was vielleicht das bedeutsamste ist, es 
läßt sich in außerordentlicher Weise zur Resorption des Exsudats verwenden und 
verhütet obendrein neue Ausscheidung. Diese rein empirisch gefundene Tatsache 
ist auch theoretisch sehr wohl verständlich. Wie Leyden 1 ) und Botkin 2 ) nach¬ 
gewiesen haben, besteht im Fieber nicht bloß eine Wärme-, sondern auch eine 
starke Wasserretention, so daß im Anstieg die Haut selbst unter impermeablen 
stoffen keine Feuchtigkeit zeigt. Erst im kritischen Temperaturabfall löst sich 
jene Wasserretention, ja, es kommt ganz regelmäßig zum andern Extrem, einem 
starken Schweißausbruch. Auf der andern Seite wies schon 1863 Weyrich®) 
nach, daß durch eine selbst leichte Friktion der Haut deren Wasserverdunstung 
um mehr als 50 °/ 0 sich steigert, und schon die Prießnitzschen Badediener 
wußten, daß die trockene, spröde, brennend heiße Haut eines Fieberkranken nach 
einem einzigen längeren Reibehalbbad weich, feucht und frisch, förmlich „duftend“ 
werde, durch eine einzige Prozedur demnach die Wasserretention zu beseitigen 
sei. Wird aber die Wasserabgabe enorm gesteigert — und man kann sich vor- 
sttUen, wieviel einstündige, kräftigste Friktion der gesamten Haut da ausmachen 
wird—, dann müssen die Gewebe des Körpers den Flüssigkeitsverlust notwendig 
zu ersetzen trachten. Die bekannte Erfahrung, daß ganz apathische Fieberkranke, 
die Speise und Trank stets refüsierten, nach jedem Bade aus freien Stücken Wasser 
verlangen, erhärtet vorstehendes Raisonnement. Noch näher aber liegt, daß der 
dürstende Organismus von dorther sich Flüssigkeit verschafft, wo sie überflüssig 
ist. z. E. pathologischen Exsudaten. Auch hier lehrt jahrzehntelange Erfahrung 
der gewiegtesten Hydriater — ich erinnere an Prießnitz, Schindler und 
Pingier —, daß bei den verschiedensten krankhaften Ausscheidungen, wie Pleuritis, 
Pneumonie, Peritonitis, Pericarditis, Meningitis serosa etc. etc., oft schon nach 
•dnem einzigen längeren Halbbad akute Resorption erfolgt. Und es liegt auf der 
Hand, daß die Gewebe, welche Wasser nach außen zu abgeben müssen, keins 
übrig haben für weitere innere Exsudation. So läßt sich die empirisch gefundene 
Tatsache auch theoretisch sehr wohl erklären. 4 ) 

Nach diesen Ausführungen ergibt sich von selbst, wann eine Pneumonie 
bydriatisch anzugehen ist. Die Regel lautet einfach: Es ist eine jede Lungen¬ 
entzündung ganz ausnahmslos und ohne Einschränkung mit Wasser zu 
behandeln, und zwar sofort, gleich zu Beginn der Affektion und mit 

') „Über das Fieber/ 4 Deutsches Arch. f. klin. Med., 5. Bd., S. 273—372. 

2 ) „Medizinische Klinik Sn Demonstrationen, Vorträgen,“ 2. Heft, Berlin 1869. 

*) „Die unmerkliche Wasserverdunstung der menschlichen Haut,“ Leipzig 1863. 

*) Für Frennde hypothetischer Pneumonietoxine sei noch bemerkt, daß diese vermutlich 
durch die enorm gesteigerte Perspiration der Haut allmählich nnd gefahrlos ausgeschieden werden, 
uatt später durch eine schwere und gefährliche Krise. Von jeher legten die Hydriator be¬ 
bilderen Wert darauf, die Haut stets weich und feucht zu erhalten. Solange sic im Fieber 
trocken nnd sprßd ist, kann sie ihrer Funktion als Ausscheidungsorgan, zumal bei gesteigerten 
F>atholog sehen Anforderungen, nimmer nachkommen. 


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allem Nachdruck. Schon der eine Umstand, daß in den ersten 24 Stunden ein 
Kupieren in den meisten Fällen noch möglich, daß ferner ein jeder selbst aus¬ 
sichtslose Fall unter Wasserbehandlung bedeutende symptomatische Besserung 
aufweist, die Herztätigkeit gekräftigt, der Puls verlangsamt und voller wird, 
Hustenreiz und Seitenstechen aufhören oder doch wesentlich nachlassen, würde 
genügen, jenen Satz zum Axiom zu erheben. Ich füge als weitere Vorzüge an, 
daß die Komplikationen unter Wasserbehandlung nicht nur nicht häufiger, sondern 
gleichwie beim Typhus viel seltener werden, auch dort, wo kein Kupieren er¬ 
folgte, und daß die Erscheinungen der Allgemeininfektion, auf welche man neuer¬ 
dings das Hauptgewicht legt, meist rasch verschwinden. 

Noch ein Punkt mag hier gleich Erledigung finden: Soll man vor und nach 
den kühlen Bädern Alkohol reichen? Die Empfehlung desselben durch Theodor 
Jürgensen stammt aus einer Zeit, wo man jenem weitgehende Heilwirkungen 
zuschrieb, und war vielleicht auch nicht überflüssig bei den kalten Bädern ohne 
Friktion, wie sie Jürgensen gab. Wir aber beugen der Kollapsgefahr weit 
wirksamer vor durch kräftigste Friktion besonders der Füße, im Notfall durch 
kalte Übergießungen des Nackens (Erregung der Vasomotorencentren in der 
Medulla oblongata, siehe auch Fall 3). Für uns gibt es eigentlich nur eine ab¬ 
solute Indikation für Alkoholdarreichung: die Lungenentzündung der Potatoren. 
Bekanntlich wird ein Delirium tremens am häufigsten ausgelöst durch den Aus¬ 
bruch einer akuten Infektionskrankheit, besonders croupöser Pneumonie, sowie 
andrerseits durch akute Entziehung des gewohnten Giftes. Bei der großen Kollaps¬ 
gefahr empfiehlt es sich nicht, die erste Ursache noch durch die zweite za 
komplizieren und mit der Abstinenz just bei eminenter Lebensgefahr den Anfang 
zu machen. Dann kann es mitunter angezeigt sein, bei Greisen mit schwachem 
Herzen ein wenig Alkohol zu verordnen. Sonst aber ist er ganz überflüssig und 
ward z. B. auf dem Gräfenberge gar nie gegeben. Auch die Kombination der 
Hydrotherapie mit inneren Antipyreticis ist nicht zu empfehlen. Ermöglichen die 
letzteren nach dem treffenden- Worte Liebermeisters dem Kranken doch 
höchstens, mit nahezu normaler Temperatur zu sterben. Selbst ihren antithermischen 
Effekt erzielt man sicherer durch Wasserprozeduren, ohne die Gefahren jener 
Arzneien mitkaufen zu müssen. Ich sehe daher in der Behandlung der Pneumonie 
von jeder internen antipyretischen Medikation, auch von dem Chinin vollständig ab. 

Die bisher besprochene Abortiv- und Frühbehandlung mit Wasser ist ab¬ 
zuändern, wenn man erst später als 48 Stunden seit Beginn der Krankheit ein- 
greifen kann. Wie ich oben ausführte, ist ein Kupieren dann schon unmöglich 
und fortab unsre einzige Aufgabe, die freilich noch bedeutsam genug bleibt, die 
Symptome in toto ihres lebensgefährlichen oder quälenden Charakters zu ent¬ 
kleiden. Man tut zunächst gut, vor Anordnung einer größeren Kur sich durch 
eine probeweise Teilabreibung des ganzen Körpers zu überzeugen, daß keine 
Kollapsgefahr besteht. Zeigt die Haut nach derselben die ominöse areolar- 
cyanotische Injektion, bleibt die Peripherie trotz alles Beibens ganz, eiskalt, 
während das Körperinnere aber hochtemperiert, dann ist jede eingreifendere 
Applikation, auch das kühlere Halbbad kontraindiziert. Man muß sich begnügen, 
jene Teilabreibung allstündlich zu wiederholen, in der Zwischenzeit Stamm 
Umschläge mit eingelegtem Herzkühler zu verordnen und an die Füße Wärme- 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


335 


flaschen, einen Thermophor oder heißen Ziegelstein zu legen. Ward durch diese 
Prozeduren allmählich die Kollapsgefahr gebannt, oder fiel die Teilabreibung von 
vornherein befriedigend aus, so gehe man sofort zu den längeren Reibehalbbädern 
Aber, die ich oben beschrieben, und wiederhole dieselben stets, sowie die Temperatur 
der Achselhöhle 39° C erreicht. Nie vergesse man ferner, zweistündlich zu 
wechselnde Kreuzbinden zu geben, in welche man zweckmäßig einen Kühlschlauch 
einfügt, der, über die schmerzhafte Stelle appliziert, die pleuritischen Beschwerden 
«ehr wesentlich mildert. Es erübrigt sich wohl, die außerordentlich günstige 
Wirkung des kühlen Halbbads auf Herz und Zirkulationsorgane, Nervensystem, 
Respiration und Allgemeinbefinden nochmals zu betonen, da ich darüber soviele 
Autoren bereits zitierte. Ich will nur bemerken, daß alles, was von den kalten 
Vollbädern früher gerühmt wurde, in verstärktem Maße von den Halbbädern gilt, 
zumal wenn sie länger ausgedehnt werden. 

Wieviel man oft schon mit kleiner Hydriatik ausrichten kann, wenn sie nur 
energisch und mit zäher Konsequenz geübt wird, dafür sei hier eine sehr inter¬ 
essante Quelle genannt. Im Jahre 1863 schrieb Felix Niemeyer in der 5. Auf¬ 
lage seines bekannten Lehrbuchs: „Ich habe bei der Behandlung der Pneumonie 
eine ausgedehnte Anwendung von der Kälte gemacht und kann; dieses Verfahren, 
gestützt auf eine große Zahl sehr günstiger Resultate, empfehlen. Ich lasse in 
allen Fällen die Brust des Kranken, namentlich aber die kranke Seite mit 
Servietten bedecken, die in kaltes Wasser getaucht und dann gut ausgerungen 
sind: die Umschläge werden alle 5 Minuten wiederholt. Fast in allen Fällen 
versichern die Kranken schon nach wenigen Stunden, so unangenehm die Prozedur 
an sich ist, daß sie sich wesentlich erleichtert fühlen; der Schmerz, die Dyspnoe, 
oft auch die Pulsfrequenz ist gemäßigt, zuweilen;nimmt die Temperatur um einen 
Grad ab. Diese oft überraschende Euphorie behalten meine Franken nicht selten 
während der ganzen Dauer der Krankheit, so daß ihre äußere Erscheinung kaum 
das schwere Leiden ahnen läßt. Auch die Angehörigen der Kranken, da ihnen 
die Erleichterung nicht entgeht, unterziehen sich später meist gern dem ihnen 
anfänglich widerstrebenden Verfahren . . . Ich würde der Kälte nur eine palliative 
Wirkung zuschreiben, da ich niemals die Pneumonie durch dieselbe kupierte, 
wenn nicht durch die energische und konsequ-ente Anwendung in vielen 
Fällen unverkennbar die Dauer der Pneumonie abgekürzt und die 
Rekonvaleszenz wesentlich beschleunigt worden wäre. Ich habe in 
der Tat nur in äußerst wenigen Fällen die Pneumonie sich erst am 
siebenten Tage entscheiden gesehen, in vielen am fünften und in 
einer ungewöhnlich großen Anzahl schon, am dritten Tage. Ja, es 
ist mir wiederholt mißlungen, Kranke mit frischer Pneumonie länger 
als acht Tage im Spitale zurückzuhalten.“ Wie man sieht, hat Niemeyer 
Prießnitz’ entzündungswidrige Umschläge (siehe Krankengeschichte 2) zur 
alleinigen Kurprozedur erhoben oder, wenn man will, in etwas umständlicherer 
Form getan, was Karl Schütze mit seinen Eiswasserbrustwickeln versuchte. 

Die enorme Erfahrung des Tübinger Klinikers und seine verblüffend gün¬ 
stigen Resultate mit kleinsten Mitteln weisen uns hin, selbst dort, wo die 
äußeren Hilfsmittel fehlen, nicht Kotzen und Wanne, weder Kühlschlauch noch 
Laken zu finden sind, die Hände gleichwohl nicht in den Schoß zu legen. Sogar 


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336 J. Sadger 

in der ärmsten privaten Wirtschaft wird man Handtücher auftreiben und mit 
ihnen allstündlich Teilabreibungen machen, wird zweistündlich gewechselte Kreuz¬ 
binden anlegen und unter dieselben über die schmerzhaften Partien alle fünf 
Minuten kalte Kompressen einschieben können. Und man wird mit solchen mini¬ 
malen Prozeduren dem Kranken nicht bloß subjektiv wohltun, sondern direkt 
auch objektiv Nutzen bringen. Reichen auch die Erfolge an jene nicht heran, 
die die klassische Voll-Hydriatik erzielt, so leistet selbst diese Surrogattherapie 
noch weitaus mehr, als die übliche exspektativ-symptomatische Behandlung. 

Ich habe bisher nur die typische Pneumonie des Erwachsenen besprochen. 
Von den atypischen Formen sind besonders häufig und praktisch bedeutsam die 
Lungenentzündungen der Säufer und Greise. Bei beiden besteht hochgradige 
Kollapsgefahr, bei beiden treten die subjektiven Entzündungserscheinungen oft 
weitaus zurück gegen andre Symptome. So beherrscht z. B. bei den Potatoren 
das Delirium tremens gewöhnlich das gesamte Krankheitsbild und erheischt ge¬ 
bieterisch eine Bekämpfung. Bei ihnen wie bei den alten Leuten sind wegen der 
Herzschwäche und Kollapsgefahr die feuchten Einpackungen kontraindiziert, selbst 
in der Form der gewechselten Wickel. Hingegen wirken die kalten Über¬ 
gießungen von Kopf und Nacken ausnahmslos günstig und jenen beiden Gefahren 
vorbeugend. Bei Säufern und Greisen beginne man, um nicht von Kollaps über¬ 
rascht zu werden, mit Teilabreibungen und gehe erst dann nach günstiger 
Reaktion zu Halbbädern über. Potatoren bekommen stets fünf Minuten vor jedem 
Bade zwei Eßlöffel eines starken Weins (eventuell Milch mit Kognak oder Tee 
mit Rum), die gleiche Dosis in der Mitte des Bades und nach demselben. Sofort 
nach dem Einsteigen in die Wanne sind Kopf und Nacken mit wiederholten starken 
Güssen zu überschütten, dann der ganze Körper, besonders die Füße, kräftigst zu 
reiben. Jene kalten Überschüttungen sind alle 5 bis 10 Minuten zu wiederholen 
(nebst den gewöhnlichen Übergießungen mit dem Badewasser) und mit ihnen 
auch das Bad zu schließen. Die Temperatur des Wassers kann ruhig 18—16° 
sein, die Dauer wird nach der Wärme der Achselhöhle bestimmt, die Zahl der 
Bäder endlich kann drei bis fünf im Tage erreichen. In der Zwischenzeit immer 
feuchte Kreuzbinden mit eingelegtem Herzkühler. Bei alten Leuten ist vor allem 
die Temperatur des Wassers sehr hoch zu wählen, bis 25 0 und höchstens auf 
22° abzukühlen. Dauer des Bades 5 bis höchstens 10 Minuten, kräftigste Friktion, 
zumal der Füße, kalte Überschüttung, besonders des Nackens zu Anfang und 
Ende, eventuell auch Alkohol vor und nach dem Bade. Zahl der Bäder etwa 
zwei im Tage, eventuell noch Teilabreibungen dazwischen. Gewechselte Kreuz¬ 
binden, in dieselben zweimal pro die für je eine Stunde den Herzkühler ein¬ 
geschoben. Ganz ähnlich ist die Behandlung des sehr heruntergekommenen nnd 
hochgradig Fettleibigen. Keine feuchten Einpackungen, sondern nur Halbbäder 
mit kräftigen, kalten, wiederholten Übergießungen. Temperatur der Bäder hoch, 
24—22°, 5—10 Minuten Dauer, etwa drei- bis viermal im Tage. Zwischendurch 
Kreuzbinden und Kühlschlauch, teils auf das Herz, teils über die schmerzhaften 
Partien des Thorax. 

Ein schärferes Vorgehen wegen der begleitenden Zerebralsymptome er¬ 
heischen die asthenischen und typhösen Formen, sowie endlich die Kinder¬ 
pneumonien. In den ersteren Fällen wird man eventuell nach einer Teilabreibung 


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Die Wasserbehandlung der croupösen Pneumonie. 


337 


^wechselte Packungen mit einem nachfolgenden kühleren Halbbad wie bei den 
typischen Formen verordnen, bloß mit dem Unterschied, daß hier ein sehr aus¬ 
gedehnter Gebrauch von den kräftigen kalten Überschüttungen gemacht wird 
(etwa alle 5 Minuten neben den Übergießungen mit dem Badewasser), und daß 
die Dauer des einzelnen Halbbads wegen der geringeren Hyperthermie nicht gar 
so lange zu währen braucht. Zwischendurch dann wieder zweistündlich ge¬ 
wechselte feuchte Kreuzbinden. Wiederholung der großen Prozeduren bei neuer¬ 
lichem Auftreten der Zerebralsymptome, oder wenn die Temperatur der Achsel¬ 
höhle 39 0 C erreicht. Auch die Kinderpneumonie erhält durch die Beteiligung 
des Nervensystems ihr bezeichnendes Gepräge. Gegen diese aber wirken beinahe 
spezifisch die gewechselten Packungen und die kalten Überschüttungen von Kopf 
und Nacken, ganz abgesehen davon, daß just bei Kindern die Kupierung des 
Prozesses oder dessen Verwandlung in einen abortiven besonders häufig erzielbar 
ist. Wenn auch im allgemeinen die croupöse Pneumonie bei vorher gesund ge¬ 
wesenen Kindern eine glänzende Voraussage gibt, genügen diese Gründe bereits, 
sm selbst bei ihnen stets energisch hydriatisch vorzugehen. Ganz unerläßlich 
endlich wird die Wasserbehandlung bei den sogenannten Formen der zerebralen 
Pneumonie. Die sonst viel minder günstige Prognose wird durch jene Therapie 
zur absolut guten. Die spezielle Methodik sind abermals gewechselte Packungen 
mit Halbbad und kalten Überschüttungen, in der Zwischenzeit zwischen den 
-fotien Prozeduren Stammumschläge, bei größeren Kindern auch schon Kreuz¬ 
enden. 

Endlich noch ein Wort über die verzögerte Besolution in manchen Pneu¬ 
monien. Zunächst existiert kein besseres Mittel, um ihr vorzubeugen, als die 
Wasserbehandlung, wofür unter andern auch die Erfahrung verschiedener Autoren 
"Pricht, daß eine stehen bleibende Krise durch ein einziges Halbbad wieder in 
üang gebracht werden kann. Will die Besolution eines Exsudates nicht recht 
vonstatten gehen, dann gebe man ein- bis zweimal täglich eine feuchte Ein¬ 
packung (30—45 Minuten, bis zur Erwärmung des Lakens) mit nachfolgendem 
Halbbad (22° 5 Minuten) und dreistündlich zu wechselnden feuchten Kreuzbinden. 
Wes Verfahren, das Prießnitz in der Bekonvaleszenz mit Vorliebe anwandte, 
*ird auch hier ganz regelmäßig zum Ziele führen. Ganz unerläßlich wird die 
Hydrotherapie, wo etwa gar noch Fieber besteht oder neuerdings auftritt. Nur 
rt't man da statt der einzelnen Packung deren gewechselte und wird auch das 
Halbbad entsprechend ausdehnen, ja nötigenfalls auch die ganze Prozedur zwei-, 
■ht-imal täglich wiederholen. 


z «ltsehr. f. diät. Physik. Therapie IM. IX. Heft G. 


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338 


M. van Oordt 


III. 

Ober Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung, 
Körpertemperatur, Puls- und Atmungsfrequenz durch Ein¬ 
wirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von 

Dr. M. Tan Oordt 

in St. Blasien. 

Die nächsten oder primären Veränderungen im menschlichen Organismus 
durch Kälteeinwirkung sind, soweit sie den Wärmehaushalt, die Blutverteilung 
und den Blutdruck betreffen, weder bedingungslos anerkannt, noch auch gegen¬ 
über der Reaktion festgelegt, wenn man in diesem Begriffe die sekundäre Haut¬ 
gefäßerweiterung mit allen Folgen auf den Wärmehaushalt, die Hauttemperatur, 
die Blutverteilung und den Blutdruck zusammenfaßt. Je nachdem nun die Unter¬ 
suchungen am Zirkulationsapparate in der Lage waren, diese nächsten Ver¬ 
änderungen zu erkennen oder schon Reaktionserscheinungen zu beobachten, haben 
die einen Untersucher nach Kälteanwendungen eine Erhöhung, andere ein Sinken 
des Blutdrucks, die einen Vermehrung der Erythrozytenzahl, andere Verminderung 
und wieder andere beides gefunden. Selbst über die Temperatur des Körpers 
unter und nach Kälteapplikation bestehen eigentümlicherweise widersprechende 
Angaben, von dem Verhalten des Herzens und der Gefäße gar nicht zu reden, 
trotz der vielfach publizierten Puls- und anderen Kurven. Die eindeutigsten 
Wirkungen wurden bisher bei kurzen und intensiven feuchten Kälteapplikationen 
beobachtet, solange sie nicht unter der Schwelle der Reaktionsfähigkeit beim ein¬ 
zelnen Individuum lagen. Sie haben das Mißliche, daß mit dieser Form beim 
Menschen entweder nur lokale Eingriffe an Extremitäten oder Teilen davon 
gemacht werden können, oder daß bei der Einwirkung auf den ganzen Körper 
die Anwendung nur äußerst kurz sein kann, zu kurz jedenfalls, um das Verhalten 
des Organismus während und bald nach der Kälteeinwirkung aber noch vor der 
Reaktion festzustellen, bzw. die Mitwirkung anderer Reize auszuschließen. Um 
dieses Verhalten kennen zu lernen, bediente ich mich deshalb der Einwirkung 
kalter Luft von — 1 0 bis + 15 0 C, durchschnittlich von ca. + 7 0 C auf den 
nackten Menschen. Es ist dabei möglich, abgesehen von dem Einfluß der je¬ 
weiligen Luftfeuchtigkeit, alle Faktoren ziemlich leicht auszuschalten, welche die 
Forschung nach reiner Kälte Wirkung beeinträchtigen. Diese Faktoren sind: 
Muskelbewegung, auch das unwillkürliche Kältezittern der Muskeln, die starke 
Wärmeentziehung durch Leitung, der mechanische Hautreiz durch den Druck der 
Dusche oder die Bewegung des Wassers von differenter Temperatur, wie dies 
Grödel') neuerdings nachgewiesen hat, und schließlich auch jede Körperbewegung 


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339 


Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


zur Einleitung oder Beförderung der Reaktion beim Aufhören des Kältereizes 
•>ier beim Übergang in die Wärme, kurz alles das, was den Körper in den Stand setzt, 
«ich der Kältewirkung kräftig zu entziehen und Widerstandsäußerungen hervorruft, 
mit andern Worten: die Reaktion anbahnt. Ein besonderer Vorteil des Verfahrens 
liegt in dem ziemlich starken Kältereiz der Luft bei geringer Wärmeentziehung 
nod darum in der Möglichkeit, diesen Reiz auf längere Zeit hinaus anwenden zu 
binnen. Ein Nachteil ist es, daß man die Temperatur des Kälteträgers nicht genau 
messen und während der Applikation nicht leicht beliebig verändern kann. Im 
windstillen Luftraum befindet sich nämlich je nach der individuellen Fähigkeit der 
physikalischen Wärmeregulation und je nach dem relativen Feuchtigkeitsgrade der 
Luft die Versuchsperson in einer Temperaturhülle, die mehr oder weniger die 
mit dem Schleuderthermometer bestimmte Temperatur des nächsten Luftraums 
übersteigt und dessen relativen Feuchtigkeitsgrad meist nicht erreicht, wenigstens 
nicht bei einem Hygrometerstand von über 80 °/ 0 in der Luft, wie dies in unseren 
Agenden bei den angewendeten Lufttemperaturen häufig der Fall ist.*) 

Die Untersuchungen wurden zum Teil in einer Höhe von 50 m ü. d. M. 
Wi 750 mm Barometerstand, zum Teil in einer Höhe von ca. 800 m ü. d. M. und 
•W nun Luftdruck vorgenommen. Höhenwirkungen, die ohnehin bei diesem 
Atmosphärendruck nur gering sind, kommen wegen der völligen, zum Teil schon 
erfolgten Akklimatisierung der Untersuchten nicht in Betracht, insbesondere 
bunten die Zählungsresultate der Erythrozyten bei derselben Person dadurch 
beeinflußt werden. Die Luftexposition fand statt im Zimmer bei weit- 
Kiffneten Fenstern, dann auf einer weitoffenen Veranda, auf einem etwa 
,,s zu 3 m Höhe gegen Windbewegung abgeschlossenen Terrain von 100 qm 
Nenfläche und in einem allen atmosphärischen Einflüssen offenen, sogenannten 
boftbadepark. Auf den beiden letzten Versuchsplätzen hatten die untersuchten 
Personen eine verschieden große Bewegungsfreiheit, vom langsamen Auf- und 
Absehen an bis zu reichlicher Bewegung durch Gymnastik, Laufen und Bewegungs- 
>piele, die jedoch keine übermäßige Körperanstrengung erforderten. Die Zimmer¬ 
nd Verandaversuche wurden gleichmäßig in der Weise ausgeführt, daß die 
unbekleideten Versuchspersonen auf einem Liegestuhl solange in wollene Decken 
"ingehnllt blieben, bis eine völlig behagliche Wärme am ganzen Körper ein- 
s-treten war. Mit nur leichter, vorsichtiger Lüftung der Decken wurden in 
Zustand dann Puls, Temperatur in der Achselhöhle, Blutdruck, eventuell 
^h Atmung usw. festgestellt und gewartet, bis unter völliger Körperruhe eine 
Instanz des Befundes eingetreten war. Hierauf wurde durch Blutentnahme aus 
Fingerbeere und in einer Versuchsreihe auch aus einer Oberflächenvene der 
Ulenbeuge so rasch hintereinander als es eben glücken wollte, die Blutmischung 

* Anm. Man kann sich diese aus den physikalischen Eigenschaften der Luft und der 
Alogischen Hautfunktion abzuleitende Erscheinung sofort verdeutlichen, wenn man das empfind- 
1 Schleudertliermometer, mit dem soeben die Temperatur der Luft bestimmt wurde, in Körpcr- 
pendeln läßt und das Haar-Hygrometer der Haut nähert; ersteres steigt, letzteres fällt 
‘ Art, allerdings nur um wenige Grade. Wie man sich weiter überzeugen kann, haftet derselbe 
^ler, wenn auch in geringerem Maße, auch der Temperaturbestimmung in kühlen Bädern an, 
lr -dem die Temperatur sowohl nach der Tiefe des Wassers, als nach der Entfernung des Thcr- 
a >meters von der Haut variiert, soweit nicht lebhafte Bewegung des Wassers hinzukommt. Er 
t r ‘l aber durch die viel größere Wärmeleitung des kalten Wassers in den Hintergrund gerückt. 

23« 


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Original from 

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340 M. van Oordt 


festgestellt. Mit wenigen Handgriffen wurde nachher die Versuchsperson ganz 
bloßgelegt, so daß mit Ausnahme des Rückens und des Hinterkopfes die Luft 
überall Zutritt hatte. Die Beine wurden meistens leicht gebeugt gehalten, um 
durch eine größere Luftexposition derselben für das Anliegen des Armes, der das 
Thermometer hielt, möglichsten Ersatz zu schaffen. Im Augenblick des Aufdeckens 
■wurde die Rektaltemperatur abgelesen, wobei die Differenz zwischen Achselhöhle 
und Rektum nie über 0,2° 0, im Durchschnitt 0,11° 0 betrug. Die Thermometer 
wurden während der Dauer der Kältewirkung jeweils nach wenigen Minuten ab¬ 
gelesen, und wenn nicht besondere Temperaturschwankungen Versuchsfehler, die 
leicht eintreten können, verrieten, nach je 5 Minuten der Stand der Skala notiert. 
Der Blutdruck wurde mit Riva-Roccis Sphygmomanometer und Reckling¬ 
hausenscher Manschette am Oberarm bestimmt, wobei die Manschette in den 
Pausen entspannt an derselben Stelle des Armes liegen blieb, um Blutdruck¬ 
veränderungen durch irgendwelche Manipulationen zu vermeiden. Jede Manometer¬ 
aufzeichnung ist das Mittel aus mindestens zwei, meist jedoch aus mehreren Ab¬ 
lesungen nach kürzesten Intervallen, die nur dann anerkannt wurden, wenn die 
Differenzen der einzelnen Ablesungen sehr geringe waren. Plötzliche größere 
Differenzen, die durch eine Bewegung, oder wie sich im Laufe der Untersuchungen 
zeigte, durch psychische Erregungen bedingt sein konnten, mußten erst abklingen. 
Auch sonst wurden alle Kautelen beobachtet, die der Verwendung dieses Apparates 
angemessen sind. Bei den Zählungen der roten Blutkörperchen mit dem Thoma- 
Zeißschen Apparat wurde in den ersten Versuchen leider nur eine Auszählung 
von 100 Quadraten in einer Kammer vorgenommen, bei den Leukozyten natürlich immer 
die ganze Kammer gezählt. In einer größeren Reihe von Versuchen (Versuchs¬ 
personen M., T. und Me.) wurden jedoch aus 2 Kammern je 50, also zusammen 
100 Quadrate Erythrozyten und wenigstens 2 Kammern Leukozyten gezählt, s<>- 
daß diese Versuche an Genauigkeit den Beckerschen 2 ) nahekommen. Die 
Zählungen, sowie die Blutdruckuntersuchungen wurden an demselben Individuum 
immer von demselben Untersucher*) vollständig ausgeführt. Die Versuche bei 
den Personen M., Me und T. wurden früh morgens im nüchternen Zustand an¬ 
gestellt, eine andre Reihe der Versuche im Laufe des Vormittags (Versuchs¬ 
personen 0., W., C., S., Si.), die Versuche mit reichlicher Körperbewegung 
sämtlich im Laufe des Nachmittags, zwei bis drei Stunden nach Beendigung der 
Mittagsmahlzeit. Es ist im folgenden nur von den Ruheversuchen die Rede, in¬ 
sofern nicht ausdrücklich auf die Bewegungsversuche Bezug genommen wird. 

Die Zusammensetzung des Blutes. 

Schon von Beginn der Kältewirkung an gibt sich eine absolute und relative 
Vermehrung der Leukozyten in den Hautkapillaren mit Deutlichkeit kund. Nnr in 
zwei von 20 Einzelversuchen (s. Tab. 1, M. 3 und T. 4) übersteigt die Vermehrung 
der Leukozyten nicht die Ziffer, welche wir nach Maßgabe des vor dem Versuch 
bestehenden gegenseitigen Blutzellenverhältnisses annehmen müßten. In den IS 
anderen Fällen übertrifft sie dieselbe jedoch um mehrere, manchmal sogar um viele 

*) Zum größten Teil durch den Verfasser, zum Teil durch Herrn Dr. Wiswc, dem ich 
für diese aufopfernde Unterstützung aufrichtigen Dank schulde. Beiden Untersuchern waren 
die Methoden durch längere vorherige Anwendung geläufig. 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusainmensetzung etc. iS 41 

Prozente. Insbesondere ist in der ersten Zeit der Kältewirkung die Steigerung 
der Leukozytenmenge im Verhältnis zur sinkenden Erythrozytenzahl in denselben 
Hmtkapillaren eine ganz auffallende. Die durchschnittliche Vermehrung der 
Leukozyten bei den einzelnen Patienten liegt zwischen 11,33% und 45,32% gegen¬ 
über den Anfangswerten (s. Tab. 4). Mit Rücksicht auf das im Beginn der Unter¬ 
teilung bestehende Verhältnis zu den Erythrozyten stellt sich sogar eine relative 
Steigerung bis zu 60% ein. Es tritt also eine Dissoziation der zelligen Elemente 
im Blntstrom der Hautkapillaren auf, indem die Leukozyten in den unter Kälte- 
»irkung stehenden Hautgefäßen nicht den rein physikalischen Gesetzen gehorchen, 
denen anscheinend der Strom der Erythrozyten untersteht. Man kann von einer 
Leukozytose der Hautgefäße bei Kältewirkung reden. Dieselbe ist von Winter¬ 
nitz, 5 ) Becker, 4 ) Friedländer, 5 ) Matthes 6 ) und anderen Autoren überein¬ 
stimmend als solche beschrieben worden. 

Während jedoch Becker z. B. bis zu 122%, Vermehrung der Leukozyten 
ansreclmet, die er durch die Verwendung von kalten Duschen erzielte, ist eine 


Tabelle 1. 



U 

« 

u .. 

©O 

a. 

i a 

Luftfeuchtigkeit 
in % re *- Siltt. 

Vorperiode | 

Kältewirkung | 

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Expositions¬ 
zeit in Min. 

Erythrozyten 

Leukozyten 

Erythrozyten 

Leukozyten 

Zeitdauer 
in Min. 

Erythrozyten 

Leukozyten 

11 

8 

77 

6,072 

4100 

15 

5,944 ! 

5150 




60 

6,168 

. 4900 

M. 2 

8 

70 

6,352 

5150 

7 

5,808 

8000 




60 

6,264 

6300 

M. 3 

8,5 

85 

5,616 

7400 

8 

6,096') 

6800 




60 

6,832 

6300 

M. 4 

7 

70 

5,520 

5600 

7 

6,440') 

9000 




60 

6.800 

5700 

M. 5 

9,5 

83 

5,532 

5900 

10 

5,564») 

9000 




60 

6,452 

7800 

M. 6 

9 

78 

5,284 

5100 

7 

4,908 

5570 

15 

5,056 


40 

6,064 

4800 

M. 7 

4,5 

82 

5,384 

— 

10 

5,248 

— 

20 

6,296 

— 

20 

5,632 

_ 

. 

* 

9,5 

73 

5,940 

3800 

5 

4,748 

5600 

15 

5,620*) 


30 

6,108 

5600 

T. 1 

5 

75 


_ 

7 

5,900 

_ 

20 

5,944 

■ 

25 

6,156 

— 

T. 2 

aa 

83 

BokS 

4900 

15 

6,088 

5200 




20 

5,432 

6400 

T. 3 

1 

80 

6,432 


20 

6,829 

3800 




15 

5,936 

4400 

T. 4 

6 

83 

5,596 


10 

6,064 

4800 



■ 

20 

6,897 

4000 

r i 

8 

45 

5,396 

4900 

15 

4,584 

7500 







2 

6,5 

60 

5,812 

3400 

15 

5,740 

6500 




20 

5,476 

4100 

3 

7 

25 

— 

5600 

20 

— 

6200 




20 

— 

5800 

w. 1 

8 

61 

4,724 

4800 

30 

4,544 

6600 

1 ! 

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8 

1 53 

5,336 


20 

4,720 

5600 


1 

i 


t 


o. 2 

8 

54 

5,196 


15 

i 4,844 

7800 


1 





0. 3 

7 

60 


K 

30 

1 5,088 

5100 







0. 4 

10 

1 60 

5,828 

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20 

1 4,592 

6000 



i 


! 



12 

57 

5,168 


20 

1 4,204 

5000 





' 


Mel 

9.5 

j 80 

6,336 

7600 

15 

5,520 

9500 

! 

30 

6,768 

4800 


') Im Kältestadium tritt Cyanosc ein. — J ) Leichte Cyanose beginnend. 


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Steigerung von 60°/ 0 in meinen Versuchen die maximale. Schon hier zeigt sich 
ein Unterschied zwischen dem unkomplizierten Kältereiz einerseits und dem in 
Form eines Bades oder einer Dusche gewählten, den ich zum Teil auf die reak¬ 
tionsfordernde quantitative und qualitative Summation von Reizen bei den Bädern 
und Duschen zum Teil auf deren starke Wärmeentziehung zurückfuhren möchte; 
vielleicht ist darauf aber auch kein Gewicht zu legen, da Friedländer anderer¬ 
seits unter derselben Applikationsart eine Vermehrung der Leukozyten nur um 
ca. 15,5% fand. Nachdem Winternitz die Kälteleukozytose mit der Lösung 
von Stasen und gleichzeitiger Thermotaxis in Verbindung brachte, wnrde sie von 
anderen Autoren (Friedländer) mit einer thermotaktischen Wirkung erklärt, von 
Becker für eine Retentionsleukozytose durch Randschichtenbildung gehalten. Die 
in Tab. 2 wiedergegebenen Befunde gleichzeitiger Untersuchungen an Haut¬ 
kapillaren und zugehöriger Vene sprechen zunächst für eine Retention der Leuko¬ 
zyten in den der Kälte unterworfenen Hautkapillaren, da während der Kältedauer 
die Leukozytenmenge im Blut der Vene kleiner ist als im Kapillarblut der Finger¬ 
beere. Im Sinne einer Retention durch Kälte können auch Friedländers und 
Beckers Versuche gedeutet werden, die nach der kalten Dusche die Leukozyten 
in den Kapillaren stärker vermehrt fanden als die Erythrozyten, und umgekehrt 
in der zugehörigen Vene die Leukozyten vermindert gegenüber den Erythrozyten. 
Von den Befunden Beckers auffälligerweise verschieden ist es aber, daß in 
meinen Versuchen schon vor der Kälteapplikation die Zahl der Leukozyten in der 
Vene gewöhnlich nicht in demselben Verhältnis zur Zahl der Erythrozyten stand, 
wie das in den Kapillaren der Fingerbeere der Fall ist, sondern ebenfalls schon 
vermindert war. 

Ich möchte dieses Verhalten auf die Verschiedenheit der anscheinend diffi¬ 
zilen Versuchsbedingungen zurückführen, die bei den verschiedenen Untersuchem 
vorliegen. Wahrscheinlich hat hier schon die kurze Entblößung des aus der 
gleichmäßigen Wärme für die Blutentnahme hervorgezogenen Fingers eine Kälte¬ 
retention zustande gebracht. Nachdem festgestellt ist, daß Retention unter die 
Ursachen der Kälteleukozytose in den Hauptkapillaren zu rechnen ist, interessiert 
noch die Frage, ob diese Retention durch Strömungsveränderungen infolge vaso¬ 
motorischer Reizung (Becker) zustande kommt, oder eine direkt thermotaktische 
(Friedländer) ist. Verschiedene Gründe sprechen für die letztere Auffassung. 


Tabelle 2. 



u 

0 

+* 

s 

SP 
a° 
s * 

0 

i-3 

© +2 
M 

. 

o £ 

0 

<2-5 

<§° 

3-9 


Vorperiode 


— 

Kältewirkung 


Nachperiode 

Kapillare 

Veno 

d 

m 

n 

1 

j 

§ 

OB 

Kapillare 

Vene 

Zeitdauer in MinJ 

I Kapillare 

1 Vene 

Erythrozyten 

Leukozyten 

Erythrozyten 

Leukozyten 

fl 

© 

>* 

N 

2 

ja 

•*-» 

c 

w 

Leukozyten 

Erythrozyten 

Leukozyten 

fl 

© 

s 

o 

M 

1 

w 

Leukozyten 

Erythrozyten 

fl 

9 

C 

# 

V 

A 

1. 

8 

77 

6,072 

4100 

5,936 

4250 

15 

15,944 

5150 

5,376 

4450 

60 

6,168 

4900 

6,248 

4900 

2. 

8 

70 

6,352 

5150 

4,968 

— 

10 

5,808 

8000 

5,856 

5000 

60 

6,264 

6300 

— 

4300 

3. 

8,5 

85 

5,616 

7400 

5,624 

6050 

8 

6,096 

6800 

5,656 

6400 

60 

6,832 

6300 

— 

— 

4. 

7 

70 

5,520 

5600 

5,520 

— 

7 

1 6,440 

9000 

5,864 

6200 

60 

6,800 

5700 

— 

— 

5. 

9,5 

83 

5,532 

5900 

5,128 

4250 

10 i 

5,564 

9000 

— 

— 

60 

6,452 

7800 

— 

—• 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusamnicnsetzung etc. 343 

bleibt, wie auch aus den Cohnstein- und Zuntzsehen Resultaten 7 ) ersichtlich 
ist. die Leukozytose unter Kältefortdauer unverändert bestehen, wie verschieden 
auch die Weite der Hautgefäße in den verschiedenen Stadien der Kältewirkung 
sein möge. Ich fand sie bei blasser Haut also bei verengten Hautkapillaren, unter 
der Zyanose und bei leicht reaktiver Rötung, solange die Kälte noch einwirkte; 
dasselbe muß in den Friedländerschen Versuchen angenommen werden, während 
die meisten Untersuchungen Beckers anscheinend bereits im Reaktionsstadium 
ansgeführt sind. Auch mit dem Wegfall des atmosphärischen Kältereizes wird die 
Leukozytose nicht plötzlich ins Gegenteil verwandelt, wie dies bei den Erythro¬ 
zyten sofort mit der Veränderung der Gefäßweite der Fall ist, sondern sie sinkt 
anscheinend nur im Verhältnis zur steigenden Hauttemperatur. 

Die Frage, wie weit die Thermotaxis geht, d. h. ob nur die im Kapillarstrom 
schwimmenden Leukozyten in den durchkälteten Kapillaren liegen bleiben, oder ob 
eine Anlockung der Leukozyten im strenger thermotaktischen Sinne stattfindet, 
wird damit nicht berührt. 

Vasomotorische Einflüsse kommen jedenfalls insofern auch in Betracht, als 
unter Cyanose infolge von Verlangsamung der Blutströmung in den Kapillaren 
mehr Leukozyten liegen bleiben und bei der Reaktion unter fortdauerndem Kälte¬ 
reiz infolge der Erhöhung der Stromgeschwindigkeit weit mehr Leukozyten zu- 
jrefiihrt werden als bei verengten Kapillaren. Hierdurch scheinen mir speziell 
die hohen Vermehrungswerte von Becker bedingt zu sein. 

Noch eine andre Erscheinung ist bei den hier erwähnten Befunden merk¬ 
würdig, nämlich die allgemein niedrige Leukozytenmenge in den Hautkapillaren 
vor, während und nach den Versuchen, die den Durchschnitt der gewöhnlich 
zefandenen Menge nur knapp erreicht. Ob dies eine physiologische Erscheinung 
in der Haut des ruhenden, gleichmäßig erwärmten oder seit 10—12 Stunden 
nüchternen Körpers ist, darüber habe ich Angaben nicht finden können, muß aber 
die Annahme für möglich halten. 

Die Dauer der Leukozytose ist nicht immer gleich lang, zwar hält die Ver¬ 
mehrung der Leukozyten während der ganzen Kälteperiode an, sie sinkt aber nach 
dem Wegfall des Kältereizes auf die Körperoberfläche bald rascher, bald lang¬ 
samer ab. Bei einer mittleren Menge von 5052 Leukozyten pro emm vor dem 
Versuch war nach einer durchschnittlich 20 Minuten dauernden Kältewirkung eine 
Vermehrung von 21,5 % erreicht, die nach darauffolgender, durchschnittlich 
4ö Minuten währender Wiedererwärmung auf eine Zunahme von nur noch 5,68 °/ 0 
zurückging. Auch diese kleine, nach 45 Minuten dauernder Wiedererwärmung noch 
nachzuweisende Vermehrung der Leukozyten ist im Vergleich zum Beginn des Ver¬ 
suchs nur eine absolute, denn das Verhältnis der Leukozyten zu den in den Haut¬ 
kapillaren dann ebenfalls vermehrten Erythrozyten überschreitet nunmehr das vor 
dem Versuch bestehende gegenseitige Verhalten nicht mehr (+ 5,68 °/ 0 Leuko¬ 
zyten : + 6,56 % Erythrozyten). Die Kälteleukozytose verschwindet demnach mit 
Aufhören des Kältereizes, wie auch Friedländer und Becker bestätigen, im allge¬ 
meinen rasch. Winternitz konnte sie allerdings noch nach 2 Stunden nachweisen. 

Gerade umgekehrt wie das Verhalten der Leukozyten gegenüber dem Kältereiz 
ist das der Erythrozyten. Vor dem Versuch in der Wärme bietet das Mengen¬ 
verhältnis derselben in den Hautkapillaren und in der zugehörigen Vene keine 


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Besonderlieiten. Die Mengen sind entweder gleich oder in der Vene etwas kleiner 
als in den Hautkapillaren. Die absolute Größe der Erythrozytenmenge vor dem 
Versuch schwankt zwischen 6,2875 Mill. im Durchschnitt bei einer Person und 
4,724 Mill. als Mittelzahl bei einer andern. Dabei ist die verschiedene Höhenlage 
der Versuchsorte bedeutungslos, wohl aber beeinflußt das der Untersuchung voran¬ 
gehende Verhalten scheinbar die Erythrozytenmenge in den Hautkapillaren, indem 
der mehr oder weniger hohe Grad der behaglichen Erwärmung vor der Kälte¬ 
applikation oder ein Spaziergang von 20 Minuten in kalter Luft mit nachfolgender 
Erwärmung (s. Tab. 1, T.) die Zahl der im cmm enthaltenen Blutkörperchen 
bis auf 6’/ 2 Mill. in die Höhe treibt. Schon dieses Verhalten weist auf den Ein¬ 
fluß vasomotorischer Vorgänge hin. Um einer vermuteten Täuschung zu entgehen, 
wurden mehrmals beim Befund von anormal hohen Erythrozytenzahlen Kontroll- 
zählungen aus einer zweiten oder auch aus derselben Blutentnahme angestellt, 
die aber innerhalb der Fehlergrenzen nur die Richtigkeit der ursprünglichen 
Zählungen bestätigten. Die Ansicht, daß die der Kälteexposition vorausgehende 
Herstellung einer gleichmäßig warmen Hauttemperatur die Erythrozytenmenge in 
den erwärmten Hautkapillaren erhöht, wird noch dadurch gestützt, daß die Ery¬ 
throzytenmengen, welche einerseits in dem schon während der Vorbereitungsperiode 
der kühlen Luft ausgesetzten Kapillargebiet der Ohrhaut und andrerseits in den 
vor Kälte geschützten Fingerbeerkapillaren gefunden wurden, differieren (s. Tab. 3). 
so zwar, daß das Blut der Ohrkapillaren erythrozytenärmer ist als das der Finger¬ 
hautkapillaren. Auch dies deutet auf vasomotorische Einflüsse hin. Wir müssen 
demnach den Mittelwert der Erytlirozytenmeuge in den Hautkapillaren aus 21 Ver¬ 
suchen vor Beginn der Kältewirkung mit 5,683 Mill. gewissermaßen als Wärme¬ 
wert auffassen, der die mittlere Dichtigkeit der in den übrigen Gefäßprovinzen 
zirkulierenden roten Blutzellen übersteigt. Um jedoch gut zu deutende Kältewirkungen 
in der Haut zu erzielen — sind doch Kälte und Wärme nur von relativem Reizwert 
und wirken als Reizmittel erst dann, wenn sie im Gegensatz stehen zu einer 
möglichst differenten Temperatur oder w'enigstöns zur Temperatur, in der der 
Körper sich zeitlich befindet — und um alle Nebeneinflüsse der Bewegung, der 
wechselnden Temperatur usw. gerade wegen des in Betracht kommenden vaso¬ 
motorischen Verhaltens für die Blutverteilnng auszuschließen, mußte die Versuchs¬ 
person sich längere Zeit in absoluter Ruhe und behaglicher Wärme befunden 
haben. Außerdem erzielen wir mit dem Gefühl der behaglichen Wärme 
vor dem Versuch einen bei allen Untersuchten annähernd gleichmäßig be- 


Tabelle 3. 



Lufttemperatur 1 
in 0 C 1 

Luftfeuchtigkeit i 
in % rel. Sätt. 1 

Vorperiode 

— — 

Kältewirkung 

Nachperiode _ 

Fingerkap. | 

G T rt 
o O 

s? % 1 

s , § 

Ja | 

t - ss 

© ! 

W 1 ^ 

Ohrkap. 

s 

© 

1 

CkS 

Fingerkap. Ohrkap. 

Zeitdauer in Min. 

Fingerkap. 1 Ohrkap. 

§ 1 G o % 

ä* i * i 1 ? >* 

2 ; § 1 £ j 

Ja i M ,i 5 ^ 

b i S c * 

G 

C 

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Leukozyten 

C _ G 

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ja | J* ja 

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C* 1 : D 

1 W ^ i w 

Leukozyten 

1. 

2. 

9.5 

5.5 

80 

43 

i 1 

6,336 7600 
5,366 5060 

5,360 
5,132 1 

8800 

5600 

16 

20 

i 1 '1 

5,520 9500 1 5,400 

4,690 j 5900 5,160 

i 

'7050 
| 5200 

i 

30, 

1 i 11 

j 6,768 | 4800115,480,4200 

1 1 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusauimensctzung etc. 34ü 

•schaffenen psychischen und somatischen Zustand, der bei den subtilen Ver¬ 
änderungen unbedingt erforderlich ist. Besonders hoch ist dieser Wärmewert 
«irr Erythrozytenmenge vor dem Versuch bei der schon erwähnten Versuchs¬ 
person T., welche vorher jedesmal 20 Minuten in der Kälte gegangen war 
und durch die Wärmepackung der Vorbereitungsperiode nach der vorausgegangenen 
Bewegung in eine Art Reaktionsstadium geriet, das in den Kälteversuch hinein- 
danerte. In den Versuchen T. 3 und T. 4 ist dadurch eine völlige Verschiebung 
in der Veränderung der Blutverteilung aufgetreten, indem die Mengenwerte 
unter Kälteexposition noch hoch blieben und erst unter der künstlichen Reaktion 
(T. 2 und T. 3) den Einfluß der Kälte erkennen lassen, also kleiner sind als 
die während der Kälteexposition gefundenen Mengen. Mit dieser Annahme stimmt 
auch der vom sonstigen Verhalten der Leukozyten ganz verschiedene Befund der 
Mengenverhältnisse der Leukozyten überein, indem das Maximum der Leukozytose 
nicht wie gewöhnlich unter der Kälteexposition mit der Abnahme der Erythrozyten 
zusammenfallt, sondern erst in der Nachperiode. Im allgemeinenjedoch ist die 
Veränderung der Erythrozytenmenge in den Hautgefäßen die, daß 
während der Kälteexposition des Körpers eine Verarmung an Erythro¬ 
zyten stattfindet: In 16 von 21 Versuchen an 6 Personen wurde die 
Erythrozytenmenge durch die Kälteexposition herabgesetzt, nur in 5 Versuchen 
nahm sie zu. Diese der Regel widersprechende Zunahme findet eine besondere 
Eiklärung: 3 dieser Fälle sind einer Versuchsperson M. eigen (s. Tab. 1, M. 3, 4, 5), 
bei der die Finger zur Zeit der Blutentnahme deutlich cyanotisch waren, wo es 
also durch Erweiterung des Strombettes der peripheren Kapillaren unter Kälte¬ 
verengerung der zuführenden Arteriolen eventuell auch der ableitenden Venen zur 
Verlangsamung der Strömungsgeschwindigkeit und damit bereits zur Stase in den Haut- 
kapillaren gekommen war. Die beiden andern Ausnahmeresultate sind die eben er¬ 
wähnten Fälle T. 3 und T. 4 (Tab. 1); hier war keine deutliche C’yanose wahrnehmbar. 
Eine ganz befriedigende Erklärung für diese beiden Fälle ist für den kritischen 
Beobachter trotz der veränderten Vorbedingungen und der daraus erfolgenden 
Verschiebung der Resultate nicht gegeben und so sind sie, wie auch die Fälle 
M. 3. 4, 5, bei der Berechnung eines Durchschnittswertes für die Kältewirkung mit 
einbezogen worden. Dieser Durchschnittswert ergibt bei jeder einzelnen der 
6 Versuchspersonen auch unter Mitberechnung der Ausnahmen eine Abnahme der 
Erythrozyten unter der Kältewirkung oder direkt nach derselben, und als Mittel 
aus 21 Versuchen bei 6 Personen eine durchschnittliche Abnahme von 5 °/o 
Erythrozyten gegenüber einer gleichzeitigen mittleren Zunahme der Leukozyten 
um 21.5 °/ 0 (s. Tab. 4). Der Prozentsatz des Abnehmens ist verschieden je nach 
der Individualität des Untersuchten und nach dem Zeitpunkt, in dem man zur 
I ntersuchung gelangt. Je intensiver die Kältewirkung ist und je rascher 
nach Beginn derselben untersucht wird, um so größer ist der Prozentsatz der 
Abnahme. Untersucht man bei Fortdauer der Kältewirkung nach ca. 20 Minuten, 
so sieht man die Erythrozytenmengen in den Kapillaren allmählich der vor 
dem Versuch festgestellten gleich werden oder jedenfalls gegenüber dem ersten 
Kältebefund gesteigert, wie dies z. B. bei M. 6, 7, 8 und T. I (s. Tab. 1) der 
Fall ist. Findet man sie einige Minuten nach der Verminderung durch Kältereiz 
fast gleich groß oder größer als beim Ausgang des Versuches, so bringt die 


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Uttdisttblgende Untersuchung', 


besonders mit dem Eintritt der WieMlererwärimuig 
der Haiti durch Bedeckung des Körpers. t'asl regi lmiiüig eilte noch höhere.Zahl. 
Big Hallt sieht während der Ko.Uewirktmg blaß, nach einiger Zeit ganz Seite« 
leicht gerötet:. in einseineu Fallen Tivide aus. Konnte boui sehen anter der Küfc 
Wirkung ErTtluoz,vt> ! nTernvelinij)g v:ie in de« Fällen 5K 3, 4, 5 ts. Tab. 1) nach-.- 
''weisen, so erschien di« Haut der Extremitäten bgw- der Finger dann nicht mehr hM, 
sondern leicht iivtd lös zur ausßv#provh««tu*n Cjatwse. Nach längerer K'elewirkme 
kann also *rh.>» während'der-Kiilk* die Emhrozvtenzahl in den .HautUapüliitvii 
ansteigen aber .zo.m sllerkleinsten Teil durch vermehrtes Zusr-röm^d-des Blutes 
infolge einer scbnn unter-.-der Kä'li.ewtrkung entsetzenden Reaktion, sondern ge¬ 
wöhnlich infolge von peripherer Stase, die sich in didr C.^aoos^jäcr ^hjgftr.kuadgibtv 
Die reaktive Rötung • tritt fast ausnahmslos nach gehörigem' Zudecken -mit 
Wolldecken unter gleichzeitigem VUiirmegeffdil ziemlich rasch, *em> avrh nicht 
immer gleich stark ein. Ob man rinn im Stadium der KäldeVKrengufig der 
Kapillaren oder auch während;'S,läse, in denselben den Kältere!?; durch Umlegen 
voll Wolldecken aufgehoben .hat, so ist mit dein äußeren Zeichen der reaktive« 
Rötung ein A«selnveTleli der EryThrozvtenmengc in. den Kapillaren, bei sie« 
normal verlaufenen Versuchen stet s die Folge, nmt zwar 20, 25, 30, 40 -hiVai 
Ott .Minuten nach dem KiUteweglall. Eine Ausnahme von dieser Regel mache« 
nur drei Versuche, wovon zwei jT.,2 und T. 3, Tab. I) als abuorm verlaufene V#- 
surhe gelten müssen. deren Anlhugswerte als IteaktinHSWCrti- »Heb dem Hang in 
der Kalte ouizufassen waren, während in einem dritte« Versuche (Tab, i 2j -Äbtim 

akohoitiais vorausgegauger» war. Unter Einbeziehung auch der mit besowderr« 
VH-hälöiissen rechnenden Versuche beträgt die mittlere Steigerang nach Eiiihdt« 

T a b e 11 c 4. 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 347 

der künstlichen Reaktion 5,68% verglichen mit dem Ausgangswerte am Ende 
der Vorbereitungszeit, und 10,68% verglichen mit dem Tiefstände der Erythro¬ 
zytendichtigkeit während der Kälte. Schaltet man die unter anormalen Außen- 
bedingungen vorgenommenen Versuche T. 2, 3, 4 und C. 2 von der Berechnung der 
Mittelwerte aus, so findet sich eine Kälteabnahme der Erythrozyten sogar um 6,7 %, 
eine Reaktionszunahme gegenüber dem Schwellenwert um 10,71 % und eine mittlere 
Steigerung von 17,41% in der Reaktionszeit gegenüber dem Kältetiefstande. 

Es besteht also ein durchaus gegensätzliches Verhalten der Blutzellen¬ 
verteilung in der Körperhaut, das sich unter dem Kälteeinfluß einerseits und dem 
Kältenachlaß andrerseits ausbildet. Einen vermittelnden Übergang zwischen diesen 
Gegensätzen zeigen die Fälle, in denen bei längerer Dauer des Kältereizes Kälte¬ 
erweiterung der Hautkapillaren eingetreten ist, sei dies nun unter Beschleunigung 
der Stromgescliwindigkeit mit gleichzeitig vermehrter Zufuhr corpusculärer Elemente 
in die Kapillaren, wie es selten ist, oder unter Strömungsverlangsamnng, die mehr¬ 
mals zur Stase führte und theoretisch natürlich bei genügend langer Kältedauer 
immer führen müßte. Sowohl die Hyphämie als auch die fluxionäre und die Stauungs¬ 
hyperämie gehen zur Zeit der künstlichen Reaktion in fluxionäre Hyperämie über. 
Alle drei Zustände können der künstlichen Reaktion vorausgehen, ohne das gesetz¬ 
mäßige Verhalten der Blutverteilung während derselben irgendwie zu beeinflussen. 

Meine Auffassung, daß unter Kältereizen auf die Haut zunächst eine 
Verarmung der Hautgefäße an Erythrozyten eintritt, finde ich schon in den 
Angaben von Cohnstein nnd Zuntz 8 ), Rovighi 9 ), Murri 10 ), Loewy 11 ) vertreten 
Md auch von Friedländer (1. c.) vermutet. Die scheinbar entgegenstehenden 
Versuchsresultate von Becker (1. c.), welche in einer Erythrozytenvermehrung 
nach Kältereiz bestehen, sind meiner Ansicht nach darauf zurückzuführen, daß 
sie im Beginn oder schon nach Eintritt der Reaktion, d. h. nach bereits ein¬ 
getretener Erweiterung der Kapillaren ausgeführt sind. Auch der abnorm hohe 
Prozentsatz der Leukozytenvermehrung bei den Untersuchten Beckers im Gegen¬ 
satz zu den meinigen führte schon zur Annahme, daß seine Kälteleukozytose in 
der Zeit erhöhter Blutzufuhr zu den erweiterten Hautgefaßen beobachtet wurde; 
nach der Dauer einer Dusche von 4 Minuten, bei einer Wassertemperatur von 
16,7° R ist daran nicht zu zweifeln, wenn nicht in solchen Fällen etwa eine 
< yanose, d. h. periphere Kapillarlähmung mit gleichzeitiger Kälteverengerung der 
kleinen Arterien oder auch Venen auftritt. Auch Typhuskranke, von denen in 
Beckers Versuchen die Rede ist, werden, wenn das Bad richtig appliziert ist, 
nicht blaß sondern mit leicht geröteter Haut und herabgesetzter Temperatur aus 
dem Wasser gehoben, d. h. die vasomotorische Wärmeregulation gegenüber dem 
kalten Badewasser ist bereits durchbrochen worden und die nächstliegenden 
Kälteveränderungen in der Blutverteilung sind hier zum Teil infolge der Eigenart 
der Erkrankung, zum Teil infolge des mechanischen Reizes durch Bewegung des 
kühlen Badewassers oder den Druck der Dusche schon abgeklungen. Darin 
liegt der Gegensatz zu den Ruheversuchen mit trockener Kälte, welche über die 
primäre Kälteveränderung Aufschluß geben. Auch in den Beckerschen Tabellen 
findet sich übrigens zweimal eine Abnahme der Erythrozyten, die der Autor selbst 
bei der klaren Eindeutigkeit seiner andern Resultate als innerhalb der Fehler¬ 
grenzen liegend, betrachten möchte. Die in diesen Fällen später sich einstellende 


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Zunahme spricht, soweit diese Kritik zulässig ist, nicht dagegen, sondern dafür, 
daß der Untersucher hier zwei noch unter Kältekontraktion der Kapillaren stehende 
Fälle vor sich hat. Zu derselben Anschauung kommt Friedländer durch die 
Verschiedenheit seiner Resultate; auch er fand bei einer gewissen Dauer der Kälte 
Abnahme der Erythrozyten unter Zunahme der Leukozyten. Wo es anders ist, wie 
bei kräftiger flüchtiger Kältereizung, da ist eben die Reaktion rasch eingetreten. 

Viel erörtert ist die Ätiologie dieser durch Kältewirkung hervorgerufenen 
Veränderung der Blutzusammensetzung in den Hautkapillaren. Je nachdem 
eine Vermehrung oder Verminderung der Erythrozyten gefunden wurde, 
mußte die eine oder andere Theorie aushelfen. Dem gegenüber möchte ich 
zunächst als wichtigstes Resultat festhalten, daß die — um mich eines ge¬ 
läufigen Ausdrucks zu bedienen — „primäre Kältewirkung“ auf die Erythro¬ 
zyten in den Hautgefäßen in einer Hypoglobulie derselben beruht. Daraus 
folgt weiter, daß die beiden Arten zelliger Elemente im Blut in diametral 
entgegengesetzter Weise beeinflußt werden und damit scheiden meiner Ansicht 
nach schon die Theorien aus, welche die Veränderung des Blutes auf osmotische 
Prozesse zurückzuführen suchen, oder die Einfuhr neuer Zellenmengen in die 
Blutbahn beweisen möchten. Wenn Rzetkowsky 12 ) bei der Hautrötung nach 
Heißluftbädern in dem Blut der erweiterten Hautkapillaren Hyperglobulie und ein 
andres Mal gleiches Verhalten oder Hypoglobulie findet, so mag der Hinweis ge¬ 
stattet sein, daß in diesen letzteren Fällen vorher keine auf vasomotorischem 
Wege erzielte Stauung der Blutzellen vor der Peripherie stattgefunden zu haben 
braucht, die nun mit dem Beginn der Wärmeerweiterung der Hautkapillaren sieh 
lösen müßte. In seinen Fällen mit gleichem Verhalten der Erythrozyten kann 
unter Verminderung der Herzenergie durch den Wärmereiz bzw. durch Verteilung 
der Kapillardilatation auf viel größere Gebiete eine allgemeine Senkung des Blut¬ 
drucks eingetreten sein und damit das Druckgefälle vom Herzen nach den Haut¬ 
gefäßen hin ein gegenüber der Erweiterung nach Kältereizen erheblich kleineres 
sein. In dem Fehlen einer Blutdruckerhöhung möchte R. selbst die Ursache 
einer Hypoglobulie erblicken. An sich ist die Erhöhung des Blutdrucks nicht von 
ursächlicher Bedeutung für die Mengenverteilung der roten Blutkörperchen; diese 
Erhöhung findet sich naturgemäß im ganzen Arteriensystem und ist nach der 
peripheren Kapillarerweiterang zur Reaktionszeit geringer, als während ihrer 
Kontraktion unter der Kältewirkung (s, Tab. 5). Eine Bedeutung gewinnt die 
Erhöhung des Blutdrucks mir in Verbindung mit einer Herabsetzung des Drucks 
von seiten der Gefäßwandung in lokal begrenzten Gefäßgebieten, weil damit die 
Stromgeschwindigkeit in der Richtung auf die vom Widerstand der kontrahierten 
Gefäßwand befreiten und sich der Zirkulation der eorpusculären Elemente mein' 
und mehr öffnenden Hautkapillaren größer wird. Loewy 13 ) findet bei Abkühlung 
der Haut Hypoglobulie der roten Blutkörperchen in den peripheren Kapillaren 
bzw. in der dazu gehörigen Vene und Umkehrung dieser Erscheinung bei der 
Erwärmung. Die Gegenbehauptung, daß bei den Loewyschen Versuchen, die bei 
vermindertem Luftdruck ansgeführt sind, diese Luftdruckverminderung sich geltend 
mache, widerlegt sich von selbst durch die Tatsache, daß auch unter demselben ver¬ 
minderten Druck Schwankungen je nach Kälte und Wärme Vorkommen. Auch der 
blutverteilende und blutbildende Einfluß der Lichtstrahlen wurde schon zur Er- 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusamincnsetzung etc. 349 


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') Bei 15 Minuten Kälteexposition leichte Cyanose. — a ) Cyanose im Kältestadiura. 






350 M. van Oordt 


klärung herangezogen; er wird von Jaquet und Meier 14 ) bestritten und tritt auch in 
den Versuchen von Zuntz und Loewy 15 ) und Loewy (1. c.) nur in untergeordneter 
Weise zutage; wo dies aber der Fall ist, wirkt die Kälte unmittelbar antagonistisch. 

Auch diejenigen Autoren aber, die das Vorkommen einer Kältehypoglobulie 
anerkennen, sind sich nicht einig über die Art des Zustandekommens. 
Vergleicht man die Erythrozytenzahlen in Hautkapillaren und Vene während 
der Kältewirkung, so findet man die gleiche Menge (Tab. 2, Nr. 2) oder Ver¬ 
minderung der Erythrozyten in der Vene (Tab. 2, Nr. 1, 3, 4). Es kann also 
ein vermehrter Abfluß durch die Vene nicht die Ursache der Erythrozyten¬ 
verminderung in den Kapillaren sein. Ähnliches Verhalten fand sich ja schon 
bei der gleichen Untersuchung betreffs der Leukozyten. So bleibt nur übrig, 
bezüglich der roten Blutkörperchen an eine unter Umständen ziemlich erhebliche 
Verminderung der Zufuhr in den Hautkapillaren zu denken, wenn man nicht 
eine Filtration durch die Gefäßwand hindurch, wie dies Grawitz 16 ) tat, zur 
Erklärung einer Veränderung in der Blutmischung heranziehen will. Diese schon 
von Cohnstein und Zuntz (1. c.) mit glücklichen Experimenten bekämpfte 
Theorie ist mit dem diametralen Gegensatz der Mengenverhältnisse von Erythro¬ 
zyten und Leukozyten in den Kapillaren unter der Kältewirkung nicht gut 
vereinbar. Osmotische oder Filtrationsprozesse müßten während der Kälte¬ 
wirkung in stets gleicher Weise vor sich gehen und auch beide Arten zelliger 
Elemente gleichmäßig beeinflussen, sow r ohl während der Kälte, als in umgekehrter 
Weise während der Wiedererwärmung der Haut; diese Theorie muß außerdem 
die Voraussetzung haben, daß Kältewirkung eine Vermehrung der Erythrozyten zur 
Folge hat. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Zudem wiesen Löwy (1. c.), auch 
Friedländer (1. c.) nach, daß in den thermisch beeinflußten Gefäßen das Blut¬ 
plasma keine Veränderung aufweist, d. h. die Serumdichte konstant bleibt. Zur 
weiteren Klärung der Frage, ob eine Eindickung des Blutes durch Serumverlust 
stattfindet oder nur eine vasomotorisch bedingte Veränderung in der Verteilung 
der Erythrozyten, ist folgender Versuch heranzuziehen (s. Tab. 3). Untersucht 
man während der Ruhe in freier Luft von einer Temperatur von + 5° C bis + 9° 0 
gleichzeitig das Kapillarblut der der Kälte andauernd ausgesetzten Ohrhaut und 
der unter behaglicher Temperatur befindlichen Fingerbeere, so zeigt sich, daß, wie 
zu erwarten stand, die Blutzellenmenge in den unter verschiedener Temperatur 
gehaltenen Hantteilen verschieden ist. Es ergab sich dann im Laufe des Ver¬ 
suchs, während dessen die Rumpf- und Extremitätenhaut wechselnder Luft¬ 
temperatur und damit wechselnden Reizen auf das Vasomotorensystem unterworfen 
ist, daß die Zusammensetzung des Ohrkapillarblutes, welches während der ganzen 
Versuchsdauer unter derselben Temperatur, nämlich der Kälte, stand, konstant fast 
die gleiche blieb oder nur in geringem Grade, und zwar im umgekehrten Sinne 
schwankte, d. h. daß bei der Erythrozytenverminderung der aus der Wärme m 
die Kälte übergehenden Extremitätenhaut die Ohrhaut eine leichte Erythrozyten¬ 
vermehrung aufwies und umgekehrt bei Leukozytenstauung in den gekälteten 
Partien eine geringe Leukozytenabnahme in dem bei konstanter Temperatur 
gehaltenen Ohr zu erkennen ist. Erst nach längerer, bis zu einer Stunde dauernder 
Luftexposition des Ohres nimmt die Erythrozytenmenge im Ohrkapillarblut 
und fällt zugleich die Leukozytenzahl darin unter gleichzeitiger Zunahme dei 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 351 

T3tötnng des Ohres. Wird nun auch die Untersuchung der wiedererwärmten Finger- 
TSapillaren vorgenommen, so findet man die Erythrozyten darin noch erheblicher 
■vermehrt als in den Ohrkapillaren und man konstatiert bezüglich der Leukozyten 
«ine Abnahme. Beides ist die Folge einer reaktiven Kapillarerweiterung durch Er¬ 
wärmung der gekälteten Teile. Diese Erweiterung tritt beim Ohr weniger brüsk und 
in geringerer Stärke auf nach Maßgabe der nicht erheblichen reaktiven Kältewirkung 
anf eine Hautstelle, die leichteren Kältereizen gegenüber sich gewohnheitsgemäß 
angepaßt. hat. Die Konsequenz aus dem eben analysierten Versuch ist diese: 
Beim Erblassen der Haut oder, was dasselbe ist, bei einer Kontraktion der Haut¬ 
kapillaren, wo im Falle einer Filtration in die Gewebe eine Eindickung des 
Blutes und damit eine gleichmäßige Vennehrung der corpusculären Elemente 
stattfinden müßte, kommt statt dessen Verminderung der Erythrozytenmenge zu¬ 
stande. Nun ist aber der Abfluß von Erythrozyten in die Vene nicht vermehrt 
(s. Tab. 2), es kann also nur eine Verminderung der Zufuhr infolge Verengung des 
peripheren Strombettes die Ursache sein. Auf diese Verengung in der Peripherie 
folgt eine Verlangsamung der Stromgeschwindigkeit vor der Peripherie. Daselbst 
müßten also auch die im wesentlichen den physikalischen Strömungsgesetzen 
gehorchenden Erythrozyten ■ in größerer Menge zu finden sein. Daß sie da zu 
finden sind, zeigen aber die Untersuchungen von Cohnstein und Zuntz (L c.), 
die zuerst feststellten, daß Änderungen im Tonus der Blutgefäße erhebliche und 
schnelle Änderungen der Blutzusammensetzung bewirken können. Damit ist 
wiederum auch die Annahme einer auf direktem, thermotaktischem Wege zustande 
kommenden Leukozytose in den Hautkapillaren vereinbar. Sie nimmt trotz der 
Blntzellenvermehrung in den Kapillaren im Stadium der künstlichen Reaktion aber 
auch erst dann kontinuierlich ab, um nach etwa einer Stunde dem gleichen Ver¬ 
hältnis von Erythrozyten zu Leukozyten, wie es vor der Kälteapplikation bestand, 
Platz zu machen, m. a. W. nach Schwinden des elektiven Reizes für die Leuko¬ 
zyten unterliegen diese wieder den allgemeinen Strömungsbedingungen. 

Es ergibt sich demnach als Regel: 

1. Bezüglich der roten Blutkörperchen: Durch unkomplizierte Kältewirkung 
anf die Haut wird eine nicht unbeträchtliche Abnahme der Erytlirozytenmenge 
in den Hautkapillaren infolge deren Verengung hervorgerufen. Dieser folgt bei 
länger andauernder Kälte von einem bei jedem Individuum verschiedenen Zeit¬ 
punkt an ein Nachlassen der Verengung und damit schon eine Vermehrung der 
zelligen Elemente in den Hautkapillaren überhaupt, bis durch das Einsetzen der 
Wiedererwärmung der Haut eine weitere Herabsetzung des Tonus der Haut¬ 
kapillaren, sowie der arteriellen Hautgefäße und damit regelmäßig eine aus¬ 
giebige Vermehrung der Erythrozyten in den Hautgefäßen hervorgebracht wird. 
Diese ist noch nach einer Stunde deutlich nachweisbar. 

2. Bezüglich der weißen Blutkörperchen: Kälte bewirkt eine sofort ein¬ 

setzende Leukozytose in den Hautkapillaren, die auf thermotaktischem Wege zu¬ 
stande kommt, während der ganzen Kälteperiode anhält und mit der Wieder- 
erwärmnng der Haut kontinuierlich verschwindet, bis sie spätestens nach einer 
Stunde im normalen Verhältnis zu der später eingetretenen Vermehrung der roten 
Blutkörperchen steht, also nur noch eine absolute Vermehrung gegenüber der 
Anfangszahl darstellt. (Fortsetzung folgt.) 


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352 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetische» (Ernährungstherapie). 

Gallois, Flourcns, Walter, Traitemcnt 
des dyspepsies Infantiles par Peau oxy- 
gentfe. Bulletin gßnßral de th£rapcutiquo 1905. 
30. Januar. 

Die Verfasser haben bei Magen- und Dann¬ 
katarrhen der Säuglinge die Darreichung von 
Wasserstoffsuperoxyd versucht. Die von ihnen 
empfohlene Lösung, von welcher Brustkindern 
1—2—3 Tropfen in einem Löffel Milch vor der 
Mahlzeit, Flaschenkindern 10 Tropfen auf 100 g 
Milch in der Flasche gegeben werden sollen, 
enthält 12 Volumenprozente H a 0 2 (ist also etwa 
achtmal schwächer als das 30 Gewichtsprozente 
= 100 Volumenprozente H 2 O a enthaltende, von 
Merck in den Handel gebrachte Perhydrol). 
Das Mittel wird von den kleinen Patienten 
gern genommen; es beeinflußt zwar die Diarrhöe 
nur wenig, übt jedoch eine recht günstige 
Wirkung auf das Erbrechen aus, welches meist 
nach 24—36 Stunden völlig sistiert. Da das 
Präparat die beiden bisher als antagonistisch 
angesehenen Eigenschaften, zugleich eupeptisch 
und stark antiseptisch zu wirken, zu vereinigen 
scheint, so empfiehlt sich seine Anwendung 
besonders bei den mit Hypopepsie und abnormer 
Fermentation einhergehenden Verdauungs¬ 
störungen. Einen Ersatz der Milch durch 
Schleim- oder Teediät halten die Autoren nur 
bei den schwereren Dyspepsien für erforderlich. 

llirschel (Berlin). 

Diätvorschrlftcn und Kochrezepte zum 
Gebrauch für die Krankenkassenpraxis. 

Herausgegeben vom Verein für die freie 
Arztwahl zu Stuttgart. Ernst Heinrich 
Moritz. Stuttgart 1905. 

Mehr und mehr hat sich in den letzten Jahren 
der Gebrauch eingebürgert, den Patienten als 
Anhaltspunkt für die empfangenen Verord¬ 
nungen kurze Nachschlagezettol oder Memo¬ 
randen in Form von Rezepten in die Hand zu 
geben, unleugbar eine der wichtigsten Ma߬ 
nahmen zur Erfüllung der mündlich gegebenen 
Anleitungen. Einen Schritt weiter haben Kassen- 


i verbände und ähnliche Institutionen getan, in- 
j dem sie generelle Vorschriften ihren Mitgliedern 
j zur Verfügung stellten, und in diesem gemein¬ 
samen Vorgehen bedeutet eine weitere Etappe 
die Legalisierung derartiger diätetischer Be 
lehrung8- und Unterweisungsverfahren durch 
Ärzteverbändo. Ein geradezu mustergültiges 
Unternehmen nach dieser Richtung hin haben 
nun die Stuttgarter Kollegen im vorliegenden 
Block geschaffen, der in seiner äußeren Gestal¬ 
tung wie knappen und doch erschöpfenden 
Textdarstellung ein vorzügliches Manuale für 
die Patienten darstellt. In 28 Typen wird die 
Diät aller in Frago kommenden Entwicklungs¬ 
störungen und Affektionen behandelt, um im 
zweiten Teil in 143 Kochrezepten die wichtigsten 
Nahrungs- und Genußmittel in ihrer sach 
gemäßen Zubereitung und Herstellung zu 
skizzieren. So vereinigen sich Diätblock und 
Kochbuch zu einem Ganzen und bilden fin¬ 
den Arzt wie für den Kranken ein außer¬ 
ordentlich wertvolles Unterstützungsmittel in 
der diätetischen Behandlung. Die Ausstattung 
des Diätblockes ist eine dem auf dem Gebiete 
der Volksgesundheitspflege so verdienten Stutt¬ 
garter Vorlage entsprechend solide und prak 
tische. 

J. Marcusc (Ebenbansen bei München). 

1 

Karl Emst Ranke, Über die Abhängigkeit 
der Ernährung vom Wärmehanslialt, nach 
Versuchen in den Tropen, im gemäßigten 
Klima nnd im Hochgebirge. Münch, med. 
Wochenschr. 1905. Nr. 2. 

Verfasser kommt zu folgenden Resultaten: 
1. das kalte Außen kl ima wird durch da* 
technischen Schutzmittel gegen die Kälte meist 
in ein thermisch indifferentes, physiologisches 
Klima umgewandelt. Es erzwingt also meist 
nicht einen hohen Stoffwechsel, wohl aber 
erlaubt es ihn ohne starke Inanspruch¬ 
nahme der stets als Anstrengung 
empfundenen aktiven Wärmeregulation. 

2. Gegen das heiße Außenklima stehen uns 
bis jetzt Schutzmittel noch nicht in ausreichendem 


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Referate über Bücher nnd Aufsätze. 


353 


Maße zur Verfügung. Es ist also meist auch 
ein beißes, physiologisches Klima. Dasselbe 
fährt bei längerer Einwirkung extremer 
Hitzegrade zu einer starken Beein¬ 
trächtigung der instinktiven Nahrungs¬ 
aufnahme und damit zu Unterernährung, 
als deren Folge der sogen. Tropen¬ 
marasmus anzusehen ist. 

Mit letzterer Auffassung setzt sich Ranke 
in Widerspruch zu Rubners Ansicht, der jede 
Gefahr eines Tropenklimas, soweit sie sich 
durch Störungen der Wärmeökonomie geltend 
macht, dadurch ausschließen zu können glaubt, 
daß man helle, weite, poröse Kleidung benutzt, 
Kopf und Nacken gegen die Bestrahlung schützt, 
maßvoll Nahrung zu sich nimmt und während 
des Hochstandes der Sonne Ruhepausen in der 
Tätigkeit ein treten läßt. 

J. Ruhemann (Berlin). 

L Sobotta, Tuberkulose und Säuglings* 
eraihrnng. Zeitschrift für Tuberkulose und 
Heilstittenwesen 1904. Bd. 6, Heft 4. 

Um die für die statistische Betrachtung 
ungünstigen Fehlerquellen zu vermeiden, welche 
dureh die Verschiedenart der Erblichkeit, Kon- 
ititution, besondere Infektionsgelegenheit, 
Schädlichkeit der Ernährung und Wohnungs¬ 
verhältnisse entstehen, hat Verfasser sein 
Material durch Zusammenstellung einer größeren 
Anzahl von Familien gewonnen und bei diesen 
nach der Ernährung der Kinder im Säuglings¬ 
alter fersten Lebenshalbjahre) Ermittlungen er¬ 
hoben. Auf Grund eines so einigermaßen 
gleichmäßigen Materials von 176 Fällen erzielt 
Verfasser das Ergebnis, daß die Brustkinder 
im späteren Leben weniger durch die Tuber¬ 
kulose gefährdet sind, als ihre mit gemischter 
Nahrung oder mit Kuhmilch aufgezogenen Ge¬ 
schwister, daß die Flaschenkinder noch häufiger 
von Tuberkulose befallen werden, als die mit 
«mischter Nahrung aufgepäppelten Kinder. Es 
«heint demnach in dem Sinne der v. Behring- 
»chenTheorie die Infektionsgefahr mit derMenge 
der aufgenommenen Kuhmilch zu wachsen. 

Von den mit kuhmilchfreier Nahrung 
im ersten Lebensjahr ernährten Kindern wurden 
später 17,5% tuberkulös; von den mit Kuh¬ 
milch (ganz oder teilweise) ernährten Säug¬ 
lingen sind später 37,5% der Tuberkulose an- 
beimgefallen; die letzteren betreffend, zeigt 
**s sich: 

Von 57 Säuglingen, die neben der Mutter- 
brust (Ammenbrust) im ersten Lebensjahre auch 

Zeit*ehr. f. di*t n. phy«lk. Therapie Bd. IX. Heft 6. 


Kuhmilch erhalten hatten, blieben 37 gesund, 
wurden später 20 = 35,1 % tuberkulös. Von 
39 Kindern, die im ersten Lebensjahre mit ab¬ 
gekochter Kuhmilch ernährt waren (Flaschen¬ 
kinder), blieben 23 gesund, wurden später 16 
= 41 % tuberkulös. Interessant erscheint es, 
daß von vier mit Milchsurrogaten (Nestlö, vege¬ 
tabile Milch usw.) ernährten Säuglingen keiner 
später an Tuberkulose erkrankte. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Iwan Bloch, Über Ernährungstherapie bei 
Syphilis. Medizin. Klinik 1905. Nr. 18. 

Nicht nur die ältesten Syphilisärzte be¬ 
richten über die Erfolge von Entziehungskuren 
bei Fällen schwerer Syphilis; auch noch im 18. 
und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde dieselbe 
vielfach mit systematischen Hungerkuren erfolg¬ 
reich behandelt, und zwar besonders solche 
Fälle, die sich gegen Quecksilber renitent ver¬ 
hielten. Die Schrothsche Kur, bestehend in 
Flüssigkeitsentziehung, magerer Diät und 
mäßigem Genuß leichten Weines, wird bis aut 
den heutigen Tag in Anwendung gezogen, 
unter der Vorstellung, daß durch den gewaltigen 
Stoffwechsel die Krankheitserreger vernichtet, 
die pathologischen Wucherungen aufgesogen 
und das aufgespeicherte Quecksilber leichter 
ausgeschieden werde, v. L e y d e n und B1 a s c h k o 
erwähnen noch in den letzten Jahren die 
Schrothsche Kur bei der Behandlung der 
Syphilis. Verfasser schließt sich in dieser 
Frage der Ansicht Ricords an, daß die Ent¬ 
ziehungskur sich nur für äußerst wenige Syphi¬ 
litiker eignet; daß im Gegenteil im allgemeinen 
während und nach der Quecksilberknr auf eine 
reichliche und rationelle Ernährung das größte 
Gewicht zu legen sei. Viele Patienten ver¬ 
halten sich bezüglich ihres Körpergewichtes 
bei der Hg-Kur indifferent, eine Anzahl zeigt 
zugleich mit einer Zunahme des Hb-Gebaltes 
und einer Vermehrung der roten Blutkörperchen 
erhebliche Gewichtszunahme; aber eine dritte 
Kategorie kommt durch den Gebrauch von Hg 
körperlich und psychisch stark herunter. Für 
Fälle letzterer Art ist, wenn sie materiell 
günstig situiert sind, seit langer Zeit die Ruhe¬ 
kur mit Milchdiät im Gebrauch. Bei solchen 
Patienten aber, die während der Behandlung 
ihre anstrengende berufliche Tätigkeit nicht 
aufgeben können — und das ist die Mehrzahl —, 
sind Nährpräparate indiziert, die wegen ihrer 
konzentrierten Form und bequemeren An¬ 
wendung langen Milchkuren vorzuziehen sind. 

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354 


Verfasser hebt unter diesen Präparaten be¬ 
sonders das Sanatogen rühmend hervor, das 
wegen seiner leichten Assimilierbarkeit und 
schnellen Resorption eine sichere und rasche 
roborierende Wirkung entfaltet. In Überein¬ 
stimmung mit vielen andern Autoren räumt 
Verfasser dem Sanatogen bei den Schwäche¬ 
zuständen der Syphilitiker den ersten Platz 
ein und belegt diese seine günstigen Erfahrungen 
durch Mitteilung einiger Beobachtungen. Die 
Dosis beträgt dreimal täglich zwei Teelöffel 
bis dreimal täglich ein Eßlöffel ansteigend. 
Das Mittel wird in kaltem Wasser verrührt 
und durch etwas Salzzusatz schmackhafter 
gemacht. Im ganzen werden zu einer Kur 
etwa 400—500 g verbraucht. 

W. Alexander (Berlin). 


B. Hydro-, Balneo- und Klim&to- 
therapie. 

Rozschansky, Therapie der Cholera 
asiattca mittelst russischer Dampfbäder. 

Medicinskoje Obozrcnije 1905. T. LXIII. Nr. 7. 

Verfasser konnte gute Resultate von 
russischen Dampfbädern, die er bei Cholera¬ 
kranken angewandt hat, beobachten und 
empfiehlt sie deswegen aufs wärmste. Auf 
Grund eigener und fremder Beobachtungen 
kommt Verfasser zu folgendem Schluß: 

1. Das russische Dampfbad ist als Heil¬ 
mittel gegen Cholera symptomatisch viel mehr 
indiziert, als alle andern Mittel. 

2. Als Mittel zum Erwärmen der Cholera- 
kranken gebührt den russischen Dampfbädern 
die erste Stelle. 

8. Unter dem Einfluß des Dampfbades 
kommen die Kardinalsymptome bei Cholera 
(Diarrhöe, Erbrechen, Zuckungen) viel schneller 
zum Stillstand, als bei Anwendung anderer Mittel. 

4. Die Wiederherstellung der gestörten 
Herztätigkeit geschieht unter dem Einfluß der 
Dampfbäder, doch langsamer, als bei der 
Wirkung von heißen Bädern, dafür ist aber 
die erreichte Besserung andauernder. 

5. Die wichtigste Wirkung des russischen 
Dampfbades ist ihr Einfluß auf die Herstellung 
regelmäßiger Atmung; alle andern Mittel 
genügen dieser Indikation nicht. 

6. Die Dampfbadtherapie des typhoiden 
Stadiums der Cholera gibt anscheinend bessere 
Resultate, wie die Therapie mit heißen Bädern 
und die Mortalität bei dieser Therapie ist viel 
niedriger, als bei andern Heilmethoden. 


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| 7. Das russische Dampfbad verdient, als 

| Heilmittel gegen Cholera, weiteste Verbreitung 
unter den Einwohnern solcher Gegenden, 
welche die Seuche bedroht 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Bachmann, Die gesundheitliche Bedeutung 
des Luft- und Lichtbades. Blätter für Volks- 
gesundheitspflege 1905. 6. Heft, 5. Jahrgang. 
Seite 92. 

Eine kurze, gut geschriebene Notiz über 
den Nutzen des Luft- und Lichtbades. Die 
Haut, an der vor allem das Luftbad angreift, 
wird aus einer schlaffen, welken, leichenfarbenen 
Bedeckung zu einem wichtigen Organ, und sie 
: ist imstande, durch ihre funktionelle Mit 
! arbeit Erkältungen und schwere Erkrankungen 
zu verhüten oder zu verkürzen. Gegenüber 
der übermäßig in den Vordergrund getretenen 
! Anschauung der Infektiosität vieler Erkran 
kungen, und der Gefahr des Hineinbringens 
kleiner Lebewesen in den Körper, tritt in der 
Neuzeit die biologische Anschauung, daß die 
Menschheit durch Befolgung der Gesetze einer 
naturgemäßen Lebensweise einen natürlichen 
Schutz gegen äußere Schädlichkeiten erlangt, 
mehr in den Vordergrund. Außer der Er¬ 
nährungshygiene kommt vor allem die Wieder 
belebung des Hautorganes und die Wieder* 
gewöhnung an die natürlichen Reize der Lnft 
und des Lichtes in Frago. So verspricht sich 
der Verfasser bei der Verbreitung des Luft¬ 
bades in allen Volksklassen eine allmähliche 
„Wiedergeburt des Volkes in körperlicher und 
geistiger Beziehung“. 

I Determann (St. Blasien). 


Leonard Williams, The Iherapentic ralnc 
of relaxing clhnates. The Edinburgh Medic. 
Journ. 1905. März. 

Im Gegensätze zu dem anregenden Klim<% 
welches in beträchtlicher Höhe gefunden wird, 
sowie bei geringer Feuchtigkeit und Verdünnung 
der Luft bedeutende und plötzliche Temperatur¬ 
sprünge aufweist, zeigt sich das erschlaffende 
1 Klima in mäßiger Höhe, bei Schutz vor Wind* 
einfluß, freiem Eintreten des Sonnenscheins, 

| reichlicher Feuchtigkeit und der mit letzterer 
Hand in Hand gehenden Gleichmäßigkeit der 
Temperatur. Die differente physiologische 
| Wirkung beider Klimaarten, welche sich na* 

I türlich auch auf die Beeinflussung pathologischer 
i Zustände bezieht, wird vielfach bei der Yer- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


355 


ordnung von Luftkuren nicht genügend berück¬ 
sichtigt. Vor allem wird der Wert des er¬ 
schlaffenden Klimas oft unterschätzt. Dasselbe 
hat zunächst bei der Lungentuberkulose, für 
reiche es kein an sich passendes typisches 
Klima gibt, mehr therapeutische Bedeutung als 
das anregende Klima, ln höherem Grade kommt 
das erschlaffende Klima für das Lungen- 
emphysem in Betracht Ferner ist jenes bei 
chronischer, interstitieller und parenchymatöser 
Nierenentzündung, bei Herzaffektionen sowie 
bei den degenerativen Nervenerkrankungen, 
Tabes, primärer Seitenstrangssklerose und mul¬ 
tipler Sklerose indiziert Bei Epilepsie, Hysterie 
nnd Neurasthenie macht die Frage nach der 
Wahl des Klimas oft Schwierigkeiten, die sich 
nicht prinzipiell lösen lassen. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Schein, Die Behandlung des Condyloma 
acaminatnm mittelst Erfrierung. Wiener 
klim Wochenschrift 1905. 2. Februar. 

Der Verfasser empfiehlt warm die Be¬ 
hauung der spitzen Kondylome durch gründ¬ 
liche Vereisung der Neubildung mittelst des 
Äthylchloridsprays. Tn der Regel genügt eine 
einmalige Erfrierung. Das Kondylom stirbt 
nach einigen Tagen ab und fällt von selbst ab. 
Ito Verfahren hat sich dem Autor bisher in 
ca. 30 Fällen bewährt, nicht nur bei isolierten, 
kleinen Kondylomen, sondern auch bei stark 
eewucherten, die durch Konfluenz zu größeren 
Geschwulstbildungen geführt hatten. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
nnd Apparatbehandlnng. 

Carl Lorentzen, Om smertende Infiltrat er 
i Had og Moskler. Nordisk Tidsskrift for 
Terapi 1905. Nr. 7. 

ln einem Vortrage, gehalten in der Gesell¬ 
schaft für physikalische Therapie und Diätetik 
za Kopenhagen, verbreitet sich Lorentzen 
aber die Affektionon, die unter dem Namen 
-.Cellulitis“ und „Myositis“ von den Masseuren 
so viel diagnostiziert und erfolgreich behandelt, 
von den Ärzten dagegen meist wenig beachtet 
▼erden. Lorentzen, der zahlreiche Be¬ 
obachtungen gesammelt hat, möchte zunächst 
aor von „Infiltraten“ sprechen, da die obigen 
Kamen mehr vorwegnehmen, als man sicher 
weiß. Am häufigsten sind die Leiden bei 


Frauen. Bald handelt es sich bei den Haut¬ 
infiltrationen um zahlreiche kleine, hirsekom- 
bis erbsengroße Knötchen, bald um einzelne 
mehr flächenhafte und oft sehr ausgedehnte 
Verdichtungen. Direkter Druck ist wenig, 
Kneten und Kneifen der befallenen Hautpartien 
hingegen außerordentlich schmerzhaft Die 
wichtigsten Lokalisationen sind: Die tieferen 
Teile des Nackens, die Regio supraspinata, die 
Oberarme, dasEpigastrium, dieümbilikalgegend, 
Außenseite der Schenkel. Niemals fand der 
Verfasser sie an Händen und Füßen, selten 
an Unterarm, Brust und den Seiten des Unter¬ 
leibes. Neben den lokalen können noch diffuse 
Hautverdichtungen bestehen (Adipositas dolo¬ 
rosa). Ähnliche Infiltrationen wie in der Haut 
können sich in den Muskeln finden. Besonders 
oft werden ergriffen die Mm. cucullarcs, die 
Muskeln der reg. supraspinata, die langen 
Rückenmuskeln, die recti abdominis, Glutäcn, 
Schenkeladduktoren und Gastrocnemii. Die 
Affektionen haben nicht selten eine Reihe von 
lästigen Symptomen im Gefolge, so Kopf¬ 
schmerz, Müdigkeit, Schlaflosigkeit usw. bei 
Lokalisation im Nacken, Schmerzen in der 
Kardia und im Rücken bei der Lokalisation 
in der Rückenhaut. Die souveräne Behand¬ 
lungsmethode ist die Massage. Sie bringt 
nicht nur die örtlichen Manifestationen, sondern 
auch die Folgezuständc zum Schwinden. Warme 
Bäder können die Heilung befördern, Kälte ist 
meist schädlich. Die zweckmäßigste Diät ist 
eine reizlose, halb vegetabilische Kost. 

Böttcher (Wiesbaden). 

Klapp, Mobilisierung versteifter und 
Streckung kontrakturierter Gelenke durch 
Saugapparate. (Aus der Kgl. Chirurg. Klinik 
zu Bonn.) Münchener medizin. Wochenschr. 
Nr. 17. 

Klapp beschreibt eine Verbesserung der 
Bi ersehen Saugapparate, die in der Einfügung 
eines weiten Gummisackes besteht. Derselbe be¬ 
wirkt bei stärkerer Luftvcrdttnnung mit ziemlich 
großer, aber flächenhaft ansetzender Kraft die 
Redression der Gelenke und zwar je nach der 
Anordnung in verschiedener Richtung. Die 
Resultate, die mit diesen Apparaten bei der 
Behandlung versteifter und kontrakturierter 
Gelenke erzielt werden, sind gut und sollen 
später noch eingehend berichtet werden. 

Perl (Berlin). 

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356 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Bruandet et Kunibert, De la textore des 
nerfg, applicatlon h l’anastomose nerreuse. 
Archives G6n6rales de Mßdecine 1905. Nr. 11. 

Die Fasern eines Nervenastes entstammen 
nicht aus der gleichseitigen Hälfte dos Haupt- 
nervenstammes, sondern dessen ganzem Quer¬ 
schnitt. So ist es zu verstehen, daß die teil¬ 
weise Durchschneidung des Nervenstammes 
ohne Funktionsausfall erfolgen kann. Letztere 
Tatsache beweist, daß gewissermaßen eine 
Luxusausstattung des Nervenzweiges mit Nerven¬ 
fasern vorhanden ist Man kann diese Er¬ 
fahrung für die Nervenplastik verwerten. Es 
empfiehlt sich für diese Operation als Methode 
die Abspaltung eines Zipfels des gesunden 
Nerven und exakte Querschnittsvernähung mit 
den durchschnittenen gelähmten Nerven. Die 
Einpfropfung des letzteren in einen Schlitz des 
gesunden Nerven erscheint wenig aussichts¬ 
reich, weil keine Faserquerschnitte mit ein¬ 
ander in Berührung gebracht werden. 

Vulpius (Heidelberg). 

Pelizaeus, Zur Technik der Jodipin- 
injektionen. Deusche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 16. 

Verfasser beschreibt ein von ihm an¬ 
gegebenes Besteck, welches das zur Jodipin- 
injektion nötige Instrumentarium enthält. Eine 
Spritzo, eine Spirituslampe mit zylindrischem 
Kochgefäß zum Erwärmen des Jodipins, ein 
Thermometer, ein Kantilenbehälter und eine 100 g- 
Flasche für Jodipin sind in einem Kästchen unter¬ 
gebracht. Das Besteck soll, indem es die sonst 
umständliche Technik der Jodipininjektion ver¬ 
einfacht, dazu beitragen, der Jodipinbehandlung 
mehr als bisher Eingang in die Praxis zu ver¬ 
schaffen. Referent, der das Jodipin als Medi¬ 
kament ebenso schätzt wie der Verfasser, hat 
bisher bei zahlreichen Injektionen im Kranken¬ 
haus sowie in der Privatpraxis niemals die 
Technik als umständlich empfunden. Er be¬ 
nutzt eine gewöhnliche 10 ccm-Spritze mit 
dicker Kanüle; die Jodipinfiasche, die allerdings 
zweckmäßig einen weiteren Hals hätte als die 
jetzige Originalflasche, wird durch Einstellen 
in irgend ein Gefäß mit warmem Wasser er¬ 
wärmt; der nötige Grad der Erwärmung läßt 
sich sehr gut mit der Hand abschätzen. In¬ 
fektionen erfolgen niemals. Referent glaubt, 
daß der einzelne Arzt auch bei großer Vorliebe 
für Jodipin doch nicht so oft in die Lage 
kommt, Injektionen anzuwenden, daß sich für 


ihn die Anschaffung des nicht ganz billigen, 
aber leicht ersetzbaren Apparates verlohnt. 

W. Alexander (Berlin). 


D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

Ewart, X-Ray Therapeutics. The Edinburgh 
Medical Journal 1904. November. 

Sehr objektiv, mit einer gewissen Skepsis, 
die sehr wohltuend wirkt gegenüber dem oft 
übertriebenen Enthusiasmus der meisten „Licht* 
therapeuten“, schildert der Verfasser seine Er¬ 
fahrungen in der Röntgenbehandlung. Beim 
Lupus gibt er der Finsenbehandlung den Vor¬ 
zug und will die Röntgentherapie nur für wenige 
Fälle reserviert wissen. 

Maligne Tumoren (Karzinome,Sarkome' 
sollen nur behandelt werden, wenn sie inoperabel 
sind. 

Sehr günstig sind die Erfolge bei Ekzem, 
Sycosis und bei Leukämie. 

Nicht ganz einverstanden ist Referent mit 
der Skepsis bezüglich der Röntgenbehandlung 
des oberflächlichen Ulcus rodeus. Referent 
hat eine große Anzahl derartiger Fälle mit 
Röntgenstrahlen behandelt, von denen einige 
bereits über ein Jahr rezidivfrei sind. 

H. E. Schmidt (Berlin). 

Rosenberg, My Expertence with Light 
Therapy. Medical Record. New York 1904. 
22. Oktober. 

Der Verfasser hat günstige Erfolge mit 
der Ultraviolett-Lichtbehandlung (Bogenlampe 
mit Eisen - Kohlen - Elektroden; Stromstärke 
35 Ampere) erzielt bei Muskelneuralgien, be¬ 
sonders bei Lumbago und Pleurodynie, 
ferner bei chronischer Neuritis, bei Akne 
und Furunkulosis, bei Pleuritis und 
Bronchitis und bei Gonorrhöe. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Tuberkulosis. Monatsschrift des Internationalen 
Zentralbureaus zur Bekämpfung der Tuber 
kulose 1904. November. 

Das Heft ist dem Andenken Finsens 
gewidmet und enthält einen Nachruf von 
Lassar-Berlin, eine Schilderung von Finsens 
Leben und Schaffen von Iacobaeus-Kopen- 
hagen, eine Besprechung der von Finsen 
begründeten Methode und ihrer Resultate von 
Malcolm Morris und G. E. Dore-London, 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


357 


w\ eine Anzahl Abbildungen geheilter Lupus- 
grienten, die Forchhammer-Kopenhagen 
eingesandt hat. Den Schloß des Heftes bilden 
eine Anzahl Referate über die Lichtbehandlung 
d« Lupus und ein Gedicht von Holger 
Drachmann: „Wenn ein Held stirbt.“ 

H. E. Schmidt (Berlin). 

Abbe, An excessive epithelial cancer of the 
rluis penis treatedwith the Röntgen rays. 

The practitioners soc. of New-York 1905. 

3 . Februar. 

Abbe stellt einen Mann vor, welcher ihm 
zwei Monate vorher zur Amputatio penis 
wegen ausgedehnter Karzinomerkrankung 
der glans zugeschickt war; ein exzidiertes 
Probestück erwies sich mikroskopisch als 
Epithelial krebs; die inguinalen Lymphdrüsen 
»aren geschwollen, als A. als letzten kon¬ 
servativen Versuch die Therapie mit Röntgen- 
>trahlen begann. Die Bestrahlungen wurden 
zweimal wöchentlich je fünf Minuten durch- 
refiibrt und waren gefolgt von einer ebensolang 
dauernden Exposition von Strahlen einer Piffard- 
-aspe. Nach zweiwöchentlicher Behandlung 
warde der Tumor kleiner, es bildeten sich 
gesunde Granulationen und die Drüsen Schwel¬ 
ungen nahmen ab; jetzt, nach 13 Sitzungen 

nur noch ein kleines heilendes Ulcus vor¬ 
handen, Drüsenschwellung nicht mehr nach¬ 
weisbar. 

Die PifTardlampe ist eine Bogenlichtlampe, 
bei welcher die Kohlenelektroden durch eiserne 
Stäbe ersetzt sind, welche ein Maximum von 
ultraviolettem Licht erzeugt und deren Strahlen 
lie umgebende Luft ionisieren; sie wird neuer¬ 
dings von Kromeier (Berlin) erfolgreich gegen 
Alopecie benutzt (Ref.). 

R. Bloch (Koblenz). | 

I. A. Beclöre, Note sur Pemploi thera- 
ptitlque des sels de radinm. Journal de 
Physiotherapie 1905. Nr. 25. 

Biedere gibt eine Übersicht über den 
augenblicklichen Stand der Radiumforschung, 
insbesondere über die therapeutische Verwert¬ 
barkeit der Radiumsalzo. 

ln erster Reihe kommen für die Radium- 
bthandlung in Betracht schmerzhafte Affektionen 
tein funktionellen Charakters, bei denen er¬ 
fahrungsgemäß Radiumsalze schmerzstillend 
wirken. Bei der Beseitigung der Schmerz¬ 
haftigkeit durch die Radiumsalze spielt aller¬ 
dings die Suggestion eine nicht geringe Rolle. 


| Zweitens ist eine Reihe von Golenkerkrankungen 
desgleichen günstig auf diese Weise zu beein¬ 
flussen. 

Hauptsächlich aber empfiehlt es sich, 
Radiumsalze anzuwenden bei Affektionen von 
Haut und Schleimhäuten, besonders lupöse, 
teleangiektatische und kankroide Affektionen 
sind hier sehr geeignet. Jedenfalls sind sie 
den Röntgenstrahlen überlegen, was ihre Tiefen¬ 
wirkung anbetrifft. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 

E. Serum- und Organotherapie. 

Wolff, Über das Heufieber (Bostockscher 
oder Sommerkatarrh) in klinischer, ätio¬ 
logischer und therapeutischer Beziehung. 

Beiträge zur Klinischen Medizin. Festschrift 
H. Senator gewidmet. 

Auf Grund eingehender Untersuchungen 
mit dem Dunbarschen Serum „Pollantin“ und 
dem Weichardtschen „Graminon“ (Graminin) 
kommt der rührige Autor, einer der hervor¬ 
ragendsten jüngeren Forscher, zur folgenden 
Zusammenfassung: 

1. Wir haben im Pollantin und Graminon 
(Graminin) Präparate, welche beim Heulieber¬ 
kranken die Wirkung des Pollenendotoxins 
abzuschwächen vermögen; 

2. diese Abschwächung erfolgte gegen¬ 
über Pollenendotoxin während und außerhalb 
der eigentlichen Heufieberzeit; 

3. die Wirkung ist eine günstigere, wenn die 
Präparate vor dem Eindringen des Pollen¬ 
endotoxins prophylaktisch zur Anwendung ge¬ 
langen ; 

4. die Wirkung der Sera ist nicht etwa mit 
der eines antitoxischen in Parallele zu setzen. 
Eino befriedigende theoretische Erklärung der 
Wirkung des Serums fehlt zurzeit noch. 

Im Anschluß an diese Ausführungen, vor 
allem um den Wert der beiden vorhandenen 
Sera abzuschätzen, hat Geheimrat Senatorin 
seiner Eigenschaft als Direktor der Universitäts¬ 
poliklinik die Erlaubnis gegeben über die Frage 
eine Enquete zu veranstalten. Dr. A. Wolff 
(Berl. Klin. Wochenschr. 1905. Nr. 21. S. 662) 
bittet daher die Kollegen, ihre Heufieber¬ 
kranken oder heuficberverdächtigen 
Patienten zur Serumanwendung in die 
Universitätspoliklinik, Luisenstraße 18 
zu senden, oder sich auf andre Weise mit ihm 
in Verbindung zu setzen. 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Grünberger, Ein Fall ron Tetanus trau- 
maticus mit Ausgang in Heilung unter 
Antitoxin- und Bläulich tbehand lang. Prager 
med. Wochenschrift 1905. Nr. 18. 

Patient trat sich beim Barfußgehen eine 
Nadel in die rechte Ferse ein. Die Wunde begann 
zu eitern und nach dreitägiger Inkubations¬ 
dauer zeigten sich die ersten Tetanussymptome. 
Der weitere fieberhafte Verlauf charakterisierte 
den Fall als eine schwere Tetanusform und 
die Prognose mußte deshalb als äußerst zweifel¬ 
haft gestellt werden. Die Behandlung bestand 
in der Anwendung des Behringschen Anti¬ 
toxins, welches subkutan in 11 Dosen von je 
100 Einheiten verabfolgt wurde, und in inner¬ 
licher Darreichung von Urethan in Dosen bis 
zu 12 g. Daneben wurde Blaulichtbehandlung 
in der Weise durchgeführt, daß in dem Kranken¬ 
zimmer vermittelst blauer Fensterscheiben ein 
gedämpftes blaues Licht erzeugt wurde. Dauer 
des Krankenhausaufenthaltes zwei Monate. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 

T. Warren Brown, Treatment Of Tuber¬ 
culosis And Tuberkulin Inoculation. British 
Medical Journal 1905. Nr. 2316. 

Der Verfasser berichtet über einen cysto- 
skopisch und bakteriologisch sichergestelltcn 
Fall von ascendiercnder tuberkulöser Cystitis, 
der bei der zunächst cingeleiteten üblichen 
Behandlung keinerlei Besserung aufwies, durch 
eine systematische, mit kleinsten Dosen be¬ 
ginnende, allmählich steigende und überlängere 
Zeit fortgesetzte Tubcrkulinbchandlung jedoch 
in der günstigsten Weise beeinflußt wurde. 
Während das Allgemeinbefinden der im übrigen 
durchaus gesunden Patientin durch die im 
Anschluß an die Tuberkulininjektion auf¬ 
tretende fieberhafte Reaktion sogar zeitweise 
etwas gestört war, gingen die subjektiven 
Beschwerden (Harndrang, schmerzhafte Urin- 
entlcerung) in erheblicher Weise zurück, der 
zuvor eiterhaltige Urin wurde fast ganz klar und 
frei von Tuberkelbazillen, und dementsprechend 
war auch cystoskopisch eine bedeutende Rück¬ 
bildung der lokalen Veränderungen zu kon¬ 
statieren. Der Verfasser glaubt daher in diesem 
Fall von einer Heilung sprechen zu können — 
ob mit Recht, wird die weitere Beobachtung 
lehren müssen. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


Horder und Scofield, A second case of 
pnenmococcns endocarditis treated bj anti« 
pneumococcus-seruw* The Lancet 1905. 
20. Mai. 

Die interessante Krankengeschichte des vor¬ 
liegenden Falles ist kurz folgende: ein zehn¬ 
jähriger Junge erkrankt an Angina, zweiWocben 
darauf nach kurzer Prodromen an Polyartbrit. 
rheumat.; nach weiteren 14 Tagen wird ein 
systolisches Mitralgeräusch festgestellt. Die 
Gelenkschmerzen und das Fieber verschwinden 
völlig am 11. Tage, am 13. jedoch nener 
Temperaturanstieg, Zeichen von Verdichtung 
in der rechten Lunge und Pleuritis, am 15. Tage 
ähnliche Zeichen links, hohes Fieber (39,4 C. 
am 21. Tage Entfieberung durch Lysis; kurz 
darauf neue Temperatursteigerungen bis zum 
27. Tage: Probepunktion des rechten Pleura¬ 
sackes entleert Eiter; Rippenresektion und 
Drainage des Empyems und am 31. Tage das¬ 
selbe links. Trotzdem anhaltendes Fieber, 
Mitralgeräusch persistierend, Puls 140; am 
51. Tage Blutuntersuchung wegen Verdachtes 
auf Septikämie; diese ergibt 11600 Leukozyten 
und in Kulturen zahlreiche Pneumokokken. 
(Der Pleuraeiter enthält Pneumokokken ver¬ 
mengt mit Staphylokokken und Bact. coli 
commun.) Jetzt erst (!) setzte die Serum- 
behandlung ein; am 52., 53., 54., 58. und 59.Tage 
wurden jeweils 10 ccm von Pan es Pneumo¬ 
kokkenserum Nr. 2 subkutan eingespritzt Am 
62. Tage trat Nephritis auf, am 65. Kollaps¬ 
temperatur und tags darauf Exitus im Coma. 

Die Serumbchandlung hat also den schwer 
erschöpften Kranken nicht mehr retten können. 

Horder hat 1904 mit Garrod einen ähn¬ 
lichen, nur drei Wochen dauernden Fall ver¬ 
öffentlicht, dessen Durchsicht im Original sehr 
instruktiv ist (Lancet 1904. 4. Juni); die an¬ 
fänglich hohen (über 41° C) Temperaturen 
waren während der Serumbehandlung niedriger: 
im Sputum und Blut wurden nur Pneumokokken 
(Kapselkokken) gefunden bei starker Hyper¬ 
leukozytose. Wertvoll ist das Obduktion?- 
ergebnis: schwere Veränderungen des Endo- 
cards, hämorrhagische Infiltrationen und Ad¬ 
häsionen der Lunge und Pleura, Emboli in den 
Arter. crurales, Milzvergrößerung, Infarkte in 
Milz und Nieren; aus all den genannten Teilen 
wurden postmortal Reinkulturen von Pneumo¬ 
kokken gezüchtet, welche, 24 Stunden alt, eine 
Maus innerhalb von 24 Stunden töteten. 

R. Bloch (Koblenz). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


359 


F. Verschiedenes. 

F. Kftnlg, Das Karzinom« Eine klinische 
Stidie anf Grund eigner Erfahrung« Deut¬ 
sche medizinische Wochenschrift 1905. Nr. 19. 

In einer äußerst lesenswerten Arbeit er¬ 
örtert Verfasser die Titelfrage auf Grund seiner 
mehr als ein halbes Jahrhundert umfassenden 
klinischen Erfahrung und stellt zum Schluß 
rine Reihe von Sätzen auf, deren wichtigste 
hier kurz wiedergegeben seien: 

Das Karzinom muß für eine Zeitlang als 
rein örtliche Krankheit angesehen werden. 

Es ist unberechenbar, wie lange die Zeit¬ 
diner der örtlichen Krankheit bei dem Karzinom 
ift Daraus folgt der praktisch wichtige Satz, 
daß das Karzinom so bald wie möglich entfernt 
werden muß, so wichtig, daß bei zweifelhafter 
Diagnose, ob gutartige Geschwulst, lieber die 
Operation sofort in der Art vorgenommen 
werden soll, als handle es sich um ein Karzinom. 

Eine große Anzahl von Karzinomen ver¬ 
hält sich auch noch wie das örtliche, ist also 
heilbar, wenn nur die erreichbaren Drüsen- 
territorien erkrankt sind. 

Es gibt eine Disposition, eine Anlage zum 
Errta. a) Allgemeine Disposition gibt das Alter 
nach 40, b) spezielle Disposition gibt: 

a) Familienanlage: Sie ist vererbt vom 
Vater auf die Kinder, auch vom Großvater, 
die Kinder überspringend, auf die Enkel. Es 
ist nicht möglich, über die Häufigkeit dieser 
Disposition etwas bestimmtes zu sagen. 

f) Trauma. Es gibt eine Anzahl von 
Fällen, in welchen man das Trauma als Krebs- 
wlage machend annehmen muß. Doch muß 
direktes Trauma vorausgegangen sein. Am 
sichersten sind die Fälle,bei welchen Geschwulst 
md Bluterguß direkt der Entwicklung der Neu¬ 
bildung vorausgegangen sind. 

;•) Geschwüre, welche gereizt werden. 
Zomal jauchende Geschwüre geben geeigneten 
Boden für Krebse ab. 

4) Steigerung der funktionellen Tätigkeit 
einer Drüse gibt zuweilen Disposition zu 
Karzinom ab. 

Das Karzinom ist übertragbar im Sinne 
der Oberpflanzung (Transplantation). Dagegen 
spricht nichts dafür, daß Verimpfung ein Kar¬ 
zinom hervorrufc. Es ist nicht richtig, zum 
mindesten nicht erwiesen, daß sich die Zahl 
der Karzinomerkrankungen vermehrt hätte. 

Die Ursache des Krebses ist unbekannt. 

ist nach der Meinung des Verfassers eine 
spezifische. Ob sie parasitär ist, wissen wir nicht. 


Die sicherste Behandlung des Krebses ist 
radikale Operation. Sie macht etwa 30 % von 
Kranken gesund. Die Eigentümlichkeit des 
ruhenden Keimes macht aber, daß zuweilen 
noch nach einer Reihe von Jahren Rezidive 
auftreten. 

Die moderne, vielfach geübte Röntgenbe¬ 
handlung hat eine Anzahl kleinerer Krebse 
zur Heilung, einer Anzahl schwerer, anscheinend 
inoperabler Fälle hat sie Besserung gebracht. 
Wenn man sie anwenden will (in erster Linie 
rät König zur Radikaloperation), so mache 
man den eventuellen Versuch, einer Bestrahlung 
bei kleinen, zumal bei Hautkarzinomen; einen 
umfangreichen Versuch bei ausgedehnten, un¬ 
heilbaren, dem Messer nicht mehr zugänglichen 
Karzinomen. Fritz Loeb (München). 

Kruschilin, Närkose per rectum« Woenno 
medicinsky Journal 1904. Dezember (russisch). 

Die schon im Jahre 1847 von Pirogow 
vorgeschlagene Äthernarkose per rectum wurde 
vom Verfasser 43 mal angewandt und in der 
Mehrzahl der Fälle mit Erfolg. Der Schlaf 
tritt verhältnismäßig ruhig ein; die Narkose 
ist frei von gefährlichen Nebenwirkungen, die 
der Narkose per os eigen sind. Bei den Ope¬ 
rationen am Kopf und Halse hat die Narkose 
per rectum sehr große Vorteile, sie ist nach 
Verfassers Meinung in diesen Fällen uner¬ 
setzlich. Bei Anwesenheit von geschwürigen 
und entzündlichen Prozessen im Darm, sowie 
bei Peritonitis hält Verfasser diese Narkose 
für unbrauchbar. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 

K r e t z, Uber Infektionskrankheiten im 
schulpflichtigen Kindesalter« Zeitschrift für 
Krankenpflege 1905. April. 

Kretz geht auf die ansteckenden Krank¬ 
heiten, zu deren Ausbreitung der Schulbesuch 
besonders beizutragen vermag, im einzelnen 
ein und bespricht im Anschluß an einige all¬ 
gemeine Bemerkungen über Infektionsmodus 
und Disposition, die seitens der Schule bei 
etwaigen Epidemien zu ergreifenden, prophy¬ 
laktischen Maßnahmen. Gegen Blattern bietet 
die Vaccination einen so sicheren Schutz, daß 
seit Bestehen des Impfzwanges die Gefahr einer 
Pockenepidemie, zumal für das schulpflichtige 
Alter, nicht mehr vorliegt. Bei Scharlach und 
Diphtherie ist durch Ausschließung der Er¬ 
krankten für 6 Wochen und durch frühzeitige, 


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360 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


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hinreichend lange — mindestens für eine Dauer 
von 14 Tagen — durchgeführte, allgemeine 
Schulspeming, bei Diphtherie in Verbindung 
mit präventiven Seruminjektionen eine Kupie- 
rung der Ansteckung zu erreichen. Bei Vari¬ 
zellen, Rubeolen, Parotitis, Morbillen, Pertussis, 
Influenza hält Verfasser strenge Vorkehrungen 
seitens der Schule, vor allem eine Sperrung 
der Klassen, im allgemeinen für zwecklos, da 
die Mehrzahl dieser Infektionskrankheiten schon 
zu einer Zeit, wo sie noch gar nicht sicher 
erkannt werden können, übertragbar sind und 
da sie für normal entwickelte, von Hause aus 
gesunde Kinder wenig gefährliche Affektionen 
darstellen; hier könne man die schwierig zu 
lösende Aufgabe einer Eindämmung der Schul¬ 
epidemien gegenüber dem großen Vorteil 
zurücktreten lassen, welchen die durch Über¬ 
stehen der Infektion erworbene Immunität 
für spätere Lebensjahre gewähre. (Für die 
drei zuletzt genannten Krankheiten erscheint 
dem Referenten die Behauptung des Verfassers, 
daß sie fast ausnahmslos leicht verlaufen, doch 
zu weitgehend.) Im übrigen ist eins der wirk¬ 
samsten Hilfsmittel zur Einschränkung der An¬ 
steckungsgefahr die Isolierung der Erkrankten 
in einem Krankenhause. 

Hirschei (Berlin). 


Ziegler, Säuglingsfürsorge. Blätter für 
Volksgesundheitspflege 1905. Heft 4 5. 

Verfasser begründet in dem populär ge¬ 
schriebenen Aufsatz die Notwendigkeit einer 
verbesserten Säuglingshygiene mit der Tat¬ 
sache, daß noch immer in Deutschland 26% 
der Lebendgeborenen vor Ablauf des ersten 
Lebensjahres sterben. Als ursächliches Moment 
für diese erschreckend hohe, auch vom national¬ 
ökonomischen Standpunkt bedauerliche Säug¬ 
lingsmortalität sind zum Teil die ungünstigen 
Wohnungsverhältnisse der ärmeren Volks- 
klassen und Lues, Tuberkulose, Alkoholismus 
der Eltern heranzuziehen; das Hauptkontingent 
jedoch stellen die Verdauungsstörungen, welche 
der Abnahme des Selbststillens, der Verun¬ 
reinigung und fehlerhaften Behandlung der 
Kuhmilch in den Ställen, beim Transport und 
vor allem in den Haushaltungen, der Verab¬ 
reichung unzweckmäßiger Milchsurrogate ihre 
Entstehung verdanken. Verfasser plädiert des¬ 
halb mit Nachdruck dafür, auf eine Zunahme 
der natürlichen Ernährung, z. B. durch Ein¬ 
führung von Stillprämien hinzuwirken und eine 


bessere Fürsorge für die stillenden Mütter an¬ 
zubahnen. Von weiteren, seitens der privaten 
und öffentlichen Wohltätigkeit zu erfüllenden, 
sanitären Aufgaben nennt er Bekämpfung der 
Volkskrankbeiten (Tuberkulose, Alkoholismus 
Besserung der sozialen Verhältnisse, Beschaffung 
gesunder Arbeiterwohnungen, Förderung der 
Kenntnis von der Säuglingspflege und -ernäh- 
rung, Organisation des Haltekinderwesens, Maß- 
regeln zur Verbesserung der künstlichen Er 
nährung, Gründung der Säuglingsfürsorge die¬ 
nender Anstalten wie Krippen, Polikliniken, 
Milchktichen, Wöchnerinnenheime, Säuglings 
heime und -spitäler. Hirschei (Berlin). 


H. Beitzke, Einiges über die Infektions¬ 
wege bei der Lungentuberkulose. Berliner 

klin. Wochenschr. 1905. Nr. 3. 

Die Ergebnisse des Aufsatzes, der ein 
kritisches Referat darstellt, sich aber auch auf 
Untersuchungen im Berliner pathologischen 
Institute stützt, gipfeln darin, daß nach wie vor 
der aerogenen Infektion die größte Be¬ 
deutung in der Genese der Lungen 
Schwindsucht zukommt. Es wird auf die 
geringe Bedeutung einer germinativen Infektion 
hingewiesen, die Möglichkeit einer placentareii 
Infektion aber zugegeben. Was die von 
Behringscbe Theorie von der Rolle der infan¬ 
tilen tuberkulösen Infektion und der Säuglings 
milch als Hauptquelle für die Scbwlndsuchts- 
entstehung anlangt, so spreche nur wenig für 
sie, viel gegen sie. 

Naumann (Meran-Iieinerz). 


Lublinski, Bemerkungen zu Vollands Auf¬ 
satz : „Die Behandlung der trockenen und 
verstopften Nase.“ Therapeut. Monatssebr 
1904. November. 

Lublinski protestiert entschieden gegen 
die von V o 11 a n d den Nasenärzten ge 
machte Unterstellung, daß diese gegen jede 
Nasenverstopfung mit „Feuer und Schwert“« 11 
Felde ziehen. Die Indikationen für eine chimr- 
gische Behandlung sind im Gegenteil eng 
begrenzt; ebensowenig werden Ausspülungen 
von sachverständiger Seite zu andern als zu 
Reinigungszwecken angewendet und bei dieser 
Prozedur immer auf die Gefahr für das Ohr hin* 
gewiesen. Die von Volland vorgeschlagenen 
Behandlungsmethoden sind allbekannte und 
jedem Arzt geläufige. Freyhan (Berlin). 


Berlin, Druck von W. Bttxenstein. 


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UNIVERSfTY OF MICHIGAN 




ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE UND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 

von 

Prof. v. BABES (Bukarest), Geb.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CIRSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
(Berlin), Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Beriin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
Leipzig), Prof. v. JAKSCH (Prag). Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
G«h. Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINE8CU (Bukarest), Prof. 
1USTIUS (Rostock), Prof. v. MERINO (Halle). Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
(Greifewald), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Strafiburg), Prof. v. NOORDEN 
Fnakfurt a. M.), Hofrat Prof. NOTHNAGEL (Wien), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM 
Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENVERS (Berlin), Prof. ROSENSTEIN 
Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Generalarzt SCHAPER (Berlin), Prof. 
SCHREIBER (Königsberg), 8ir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof. 
» STRÜMPELL (Breslan), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), 
Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von 

E. VON LETDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Siebentes Heft. 


1. OKTOBER 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Preis des Jahrganges M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT 


I. Original-Arbeiten. Seite 

I. Über die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. Von 

Dr. F. Köhler, Chefarzt der Heilstätte Holsterhausen bei Werden (Ruhr). . . 365 

IL Das Dauerbad. Von Dr. Friedrich Grosse in New York.377 

m. Über Ägyptens Kurorte und Indikationen. Von Dr. H. Engel in Heluan (Ägypten) 385 
IV. Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung, Körpertemperatur, Puls- 
und Atmungsfrequenz durch Einwirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von Dr. M. van Oordt in St. Blasien (Fortsetzung).391 


n. Berichte über Kongresse und Vereine. 

YU. Internationaler Kongreß für Hydrologie, Klimatologie, Geologie und physikalische 


Therapie in Venedig vom 10.—18. Oktober 1905 . 406 

ni. Referate über Bücher und Aufsätze. 

A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Thompson, Problems in dietetics.407 

Gallois et Courcoux, Action de l’eau oxyg&nße sur le chimisme gastrique.409 

Hirtz, Opotherapie höpatique...409 

Salge, Einiges über die Klinik der Säuglingsdarmkrankheiten.409 

Blamenthal, Über Darmfäulnis bei Icterus catarrhalis.• . 409 

Obcrndörffer, Die Wirkung der Chinasäure auf den Kalkstoffwechsel des Menschen . 410 
Ma reuae. Der Nutzen des Fleischsaftes.410 


B. Hydro-, Balneo- und Klimatotherapie. 

Strasburger, Über Blutdruck, Gefäßtonus und Herzarbeit bei Wasserbädern verschiedener 

Temperatur und bei kohlensäurehaltigen Solbädern.410 

Edel, Die Wetterverhältnisse an der Nordsee in den beiden letzten Wintern.411 

Kok sch, Das Luftbad und seine Bedeutung für Großstädte und Industriezentren . . . 412 

Pelon, Les indications des eaux sulfuräes des Pyr6n6es.412 

Bordier und de Roig, Do la rösistance 61ectrique des eaux thermales de Cautercts. 

Essai d’interpretation sur leur mode d’aetion.413 

La propbylaxie du pneumothorax par la chambre pneumatique de Sauerbruch .... 413 
Sommer, Über den Einfluß verschieden temperierter Bäder und der Abreibung auf die 

Atemkurve.414 

C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

Herter, Über künstliche Atmung.414 

Siegel, Traitement du mal sous-occipital.414 

Cheever, Collapse during examination of a postpharyngeal abscess: reestablishment 
and maintenance of the circulation for four hours by means of massage of tho 

heart.414 

25 * 


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3(14 


Inhalt. 


Seite 


Boigey, La pratique des injections intraveineuses cst-cllc justifiec?.415 

Fla tau, Über einen neuen Gymnastikapparat und seine Verwendbarkeit bei Behandlung 

von Nervenleiden.415 

Sondermann, Vorschlag zur Modifikation der Quinkcschen Lumbalpunktion bei akuter 

Ccrebrospinalmeningitis.415 

D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie. 

Haret, La Radiotherapie et le cancer ulc6r6 du sein.416 

Lohn, Weitere Beobachtungen über Behandlung des Trachoms mit Radium.416 

Lesser, Zur Finsenbehandlung des Lupus.416 

Bisseri£, Le teebnique radiotherapique dans les affections cancöreuses.417 

Bergell und Braunstein, Über den Einfluß der Radiumsalze auf den fermentativen 

Eiweißabbau.417 

Joachim und Kurpjuweit, Über die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen 417 

Hirschfcid, Die Röntgentherapie der Leukämie.417 

Selig, Röntgenbehandlung einer Leucämia myelo-lionalis.417 

Werner, Zur Kenntnis und Verwertung der Rolle des Lezithins bei der biologischen 

Wirkung der Radium- und Röntgenstrahlen.417 

‘ s jtfg ren > Om Röntgenbehandling af sarkom.418 

Bordier, La Galvano-Faradiszazione e il trattamento della constipazione cronica e deir 

entero-colite muco-membranosa.418 

E. Serum- und Organotherapie. 

Bassenge und Mayer, Zur Schutzimpfung gegen Typhus.418 

Fuld, Über die Kellingsche Serum-Reaktion bei Karzinomatösen.419 

Maragliano, Über die spezifische Behandlung der Tuberkulose und eine Schutzimpfung 

gegen dieselbe. 419 

Neugebauer, Ein Beitrag zur Behandlung des Wundstarrkrampfes mit Duralinfusion . 420 

Lomer, Antithyreoidin-Moebius bei Basedowscher Krankheit mit Psychose.420 

DUrig, Ein Beitrag zur Serumbehandlung des Morb. Basedowii.420 

Lew in, Marmoreksches Antituberkuloseserum. 421 

F. Verschiedenes. 

Laquer, Trunksucht und Tcmperenz in den Vereinigten Staaten.421 

Kolb, Die Bekämpfung der Lungentuberkulose in den Gefängnissen.422 

Thom, Betrachtungen und Beiträge zur Frage der Tuberkuloseansteckung unter Eheleuten 422 

Sandow, Kraft und wie man sie erlangt.422 

Net er, Die hämorrhagischen Erkrankungen im Kindesalter.423 

Braun, Die Lokalanästhesie, ihre wissenschaftlichen Grundlagen und praktische Anwendung 423 

Tagesgeschichtlichc Notiz.424 

Berichtigung.424 


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Original - Arbeiten 


i. 

Über die Grundlagen 

zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 

Von 

Dr. F. Köhler, 

Chefarzt der Heilstätte Holsterhausen bei Werden (Ruhr). 

Ein zu therapeutischen Zwecken angewandtes Medikament in unzweifel¬ 
hafter Weise hinsichtlich des therapeutischen Nutzeffekts zu werten, ist häufig 
eine schwierige Aufgabe. Sie ist um so schwieriger, je weniger akut der Effekt 
nach Lage der Dinge einsetzen kann und je weniger begleitende, förderlich 
wirkende Nebenumstände ausgeschaltet werden können. Die Aufgabe wird ferner 
Schwierigkeiten bereiten, wenn die Krankheit selbst, gegen die man medikamentös¬ 
therapeutisch vorgeht, ein vielgestaltiges Gesicht in ihrer Manifestation, in ihrem 
ersten Ansätze wie in ihrer weiteren Entwicklung, zeigt. 

Diese sämtlichen Momente treffen für die Lungentuberkulose und die Behand¬ 
lung mit Medikamenten oder spezifisch-bakteriellen Mitteln, wie den Tuberkulin¬ 
präparaten, zu. Denn einmal ist unter Berücksichtigung der pathologisch¬ 
anatomischen Verhältnisse bei der Lungentuberkulose eine Akuität des Rückganges 
nur durch außerordentlich wirksam eingreifende Therapeutika überhaupt denkbar, 
die sich um so unwahrscheinlicher überhaupt werden finden lassen, als gleichzeitig 
ein so energisch bakterizid wirkendes Mittel, wenn es gefunden und dem Organismus 
einverleibt würde, eine Schädigung der normalen Zelle oder auch eine Intoxi¬ 
kation des gesamten Organismus bewirken würde. 

Die förderlich wirkenden Nebenumstände spielen bei der Lungentuberkulose 
eine außerordentlich wichtige Rolle, welche die Gegner des Tuberkulins immer 
wieder mit Nachdruck betonen werden. Unterliegt es doch keinem Zweifel, daß 
physikalisch-diätetische Behandlung in weitestem Ausbau gerade bei der Lungen¬ 
tuberkulose nicht wegzuleugnende Erfolge errungen hat, auf deren Nachweis sich 
die grundlegende Idee Brehmers von der Heilbarkeit der Lungentuberkulose 
aufbaute. 

Drittens ist die Schwierigkeit der richtigen Wertung des Tuberkulins in 
therapeutischer Hinsicht deshalb so groß, weil die Tuberkulose selbst in so außer¬ 
ordentlich verschiedenartiger Gestalt und Entwicklung zur Beobachtung kommt., 
und bei so verschiedenartigem Charakter hinsichtlich der vital-energetischen Leistung 
der Infektionsnoxe gegenüber der Zelle im Organismus begreiflicherweise auch «1er 


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366 


F. Köhler 


therapeutische Effekt des sich gleich bleibenden Mittels ein recht verschieden- 
artiger sein wird. 

Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte wird die Erörterung der Grund¬ 
lagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins keine 
müßige Sache sein, um so weniger, als diejenigen, welche nicht recht mit ein¬ 
stimmen wollen in die sich hier und da wieder regende Begeisterung für die 
therapeutische Anwendung des Koch sehen Mittels, sich Rechenschaft ablegen und 
anderen Rechenschaft geben müssen darüber, was sie zu einem zurückhaltenden 
Urteil bestimmt und sie im wesentlichen von der bisherigen physikalisch-diätetischen 
Heilmethode, an welche sich die gesamte Heilstättenbewegung anlehnte, nicht 
abweichen läßt. 

Wir werden uns ausschließlich mit der therapeutischen Seite der Tuber- 
knlinfrage beschäftigen, nicht der diagnostischen, und bei der Betrachtung im 
wesentlichen allgemeine Tatsachen registrieren, um auf Grund derselben den 
Standpunkt der Skepsis, den ich hinsichtlich der Beweisungen des angeblich 
weitgehenden therapeutischen Effekts des Alttuberkulins Kochs vertrete, zu be¬ 
gründen. 

Aus diesem meinem ablehnenden Verhalten gegenüber den neueren Be¬ 
strebungen, dem Tuberkulin als Therapeutikum wieder aufzuhelfen, wird sich der 
Eingeweihte naturgemäß den Rückschluß auf die konservative Anschauung vom 
relativ höchsten Werte der physikalisch-diätetischen Behandlung der 
Lungentuberkulose konstruieren, deren sachgemäßen Ausbau ich für sehr ver¬ 
dienstvoll und fruchtbar halte. Eine Begründung dieser Ansicht würde mich im 
Vorliegenden zu weit führen; vielleicht bietet sich später einmal dazu Gelegenheit. 

Damit dürfte meine Absicht, vorliegende Erörterung gerade in einer Zeit¬ 
schrift, welche der „physikalisch-diätetischen Therapie“ gewidmet ist, zu ver¬ 
öffentlichen, begründet sein. 

I. 

Das Wiederaufleben der therapeutischen Tuberkulinbestrebungen nach dem 
glänzenden Fiasko im Jahre 1891 ist nur aus verschiedenen Gründen, nicht aus 
einem einzigen Motiv heraus, verständlich. 

Einmal scheint mir der Überschwang, der in der Entfaltung der Heilstätten¬ 
bewegung in reiner Form entwickelt worden ist, gegen Ende des vergangenen 
Jahrhunderts zur Erklärung der Wiederaufnahme eines seiner Zeit veraltet und 
als unzweckmäßig gestempelten Verfahrens herangezogen werden zu müssen. Ich 
will damit nicht etwa einen Tadel aussprechen gegen die Methodik, mit der man 
vorging, als die leitenden Kräfte die Heilstättenbewegung anfachten und in Ge¬ 
stalt einer auffallend hohen Zahl von Heilstätten realisierten. Der Kampfesrul 
mußte ein schneidiger, weithin hallender sein und Hoffnungen Raum geben, die 
bei genauerer Prüfung und ruhiger Kritik späterhin niedriger gestimmt werden 
mußten. Der Idealismus um die Mitte der neunziger Jahre ist durch¬ 
aus kein phantomartiger und unpraktischer gewesen! Aber es liegt im 
innersten Wesen jedes überschwenglich aufgenommenen Begeisterungselaborats, 
daß die dauernde Behauptung der Höhe des Enthusiasmus nicht möglich ist. 
Ein Rückgang, ein Abflauen muß erfolgen, ohne daß damit der gute Kern zu¬ 
grunde geht, ja, nicht selten erfolgt eine extreme Steigerung des Rückgang- 


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Über die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 3C7 


gedankens bis zur völligen Verneinung. Das ist der Überschwang der Stimmung 
im entgegengesetzten Sinne, die eigentliche, exquisite Reaktion. 

Solche Beobachtungen sind in politischer, in nationalökonomischer, in sozialer 
and auch in naturwissenschaftlicher Beziehung etwas natürliches, menschliches. 

Da die Hoffnungen, welche die schwungvoll inszenierte Heilstättenbewegung 
vm Übermaß gesteigert hatte, nicht voll erfüllt wurden und nicht voll erfüllt 
werden konnten, büßte die reine Heilstättenbewegung an Kredit ein, und man 
ah sich nach Hilfstruppen um im Kampfe gegen die Lungentuberkulose. Es war 
io natürlich, auf die Tuberkulinbehandlung zurückzugreifen, trotz ihrer Niederlage 
1891. Die so klaren Ausführungen, welche im Ergänzungsbande des „Klinischen 
Jahrbuches“ 1891 auf Veranlassung des Kultusministeriums von den Leitern unserer 
meisten medizinischen und chirurgischen Universitätskliniken niedergelegt waren, 
waren mittlerweile etwas in Vergessenheit geraten, verblaßt, man glaubte an 
hie und da untergelaufene Unvorsichtigkeiten, dazu hatten doch manche Praktiker, 
wie Hager, Spengler, Götsch u. a. in der Stille unbekümmert mit demselben 
Tuberkulin weitergearbeitet und zum Teil eigene Modifikationen in der thera¬ 
peutischen Anwendung geschaffen. So war ein Zurückgreifen auf das Tuberkulin 
psychologisch wohl verständlich, und seit etwa 1900 schlich sich der Gedanke 
vom Werte des Tuberkulins allmählich wieder in die Geschichte der Therapie 
der Lungenschwindsucht ein. 

Die vielfachen Anregungen, die nun von verschiedenen Seiten, so von 
A. Möller, Bandelier, Petruschky u. a., ausgingen, steigerten zweifellos die 
Zahl der Einzelerfahrungen. 

Und nun muß man anerkennen: Lägen keine günstigen Einzelerfah¬ 
rungen mit der therapeutischen Tuberkulinanwendung vor, so hätte sich 
diese zweite Tuberkulinbewegung nicht etwa bis heute, 1905, behaupten können. 
Daß sie sich aber in nicht weitgehenden Kreisen allein behaupte, kann man nicht 
sagen. Die letzten Verhandlungen auf der Versammlung der Tuberkuloseärzte im 
November 1904 zu Berlin über die Tuberkulinfrage haben gelehrt, daß in manchen 
Kreisen eine nicht geringe, ich möchte dreist sagen eine übertriebene Begeisterung 
und eine Überschätzung hinsichtlich der therapeutischen Wertung des Tuberkulins 
besteht, bei der vor allen Dingen die nüchterne Kritik, die richtige Einschätzung 
pathologisch-anatomischer Grundlagen notleidet. Um so mehr erkenne ich darum 
das objektiv gehaltene Referat E. Neissers auf dieser Versammlung an, dessen 
ruhige Haltung durch die Entgegnung Löwensteins und Rappoports 1 ) und 
A. Möllers Mißbilligung erregende Bemerkung nur gewinnen konnte. 

Immerhin, die erwähnten günstigen Einzelerfahrungen, für welche ich nur 
Petruschky, 2 ) A. Möller, 3 ) Bandelier, 4 ) Kremser, 5 ) Heermann 0 ) als Ver- 

! ) Löwenstein und Kappoport, Zeitschrift f. Tuberkulose Bd. 6. Heft 6. 

*) Petruschky, Berliner Klinik. Heft 188 und verschiedene Abhandlungen. Leipzig. 
Leineweber. 

T ) A. Möller, Jahresberichte der Heilstätte Belzig, und mit Kayserling. Zeitschrift für 
rnberkulose Bd. 3. Heft 4. 

4 ) Bandelier, Beiträge zur Tuberkulose v. Brauer Bd. 2. Heft 4. 

*) Kremser, n. Versammlung der Tuberkuloseärzte. Berlin 1904. November. 

*} Heermann, Zeitschrift f. Krankenpflege 1904. 5—8. 


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368 


P. Köhler 


treter nenne, liegen tatsächlich vor, und es wird Sache der Kritik sein, ob diesen 
gegenüber nicht die Erörterung der allgemeinen Grundlagen für die Wertung 
des supponierten therapeutischen Effekts des Tuberkulins genügend Punkte geltend 
machen kann, bei deren Würdigung eine Verallgemeinerung als unberechtigt an¬ 
gesehen werden muß. 

Die Anhänger der therapeutischen Tuberkulinverwendung operieren natur¬ 
gemäß mit Statistiken. 

Aber wie steht es mit solchen Statistiken? Ein großer Gynäkologe pflegte 
zu sagen: „Die Statistik ist die Puella publica, die sich zu allem gebrauchen läßt“ 
Das ist ein witziges, scharfes, sehr richtiges Wort, gleichzeitig. Ich habe in 
einem Aufsatze über die „Bewertung der modernen Lungenheilstättenbehandlung“ 1 ) 
auf eine Reihe von Punkten aufmerksam gemacht, welche speziell für die Lungen¬ 
tuberkulose die Statistik als ein recht anfechtbares Mittel des Beweises er¬ 
scheinen läßt. 

In ausgezeichneter Weise erklärte Pickert auf der II. Versammlung der 
Tuberkuloseärzte zu Berlin im November 1904, wenn man 100 Leichtkranke mit 
einem Tuberkulin behandelt und stellt die hierbei gewonnenen Resultate den Er¬ 
folgen gegenüber, die bei der Behandlung von 100 ähnlich Leichtkranken ohne 
Tuberkulin erzielt worden sind, so werden solche vergleichenden Zahlen für niemand 
etwas Beweisendes an sich haben können, der sich von der Schwierigkeit, ja oft 
Unmöglichkeit selbst hat überzeugen können, wirklich sicher zu beurteilen, ob bei 
derartig Leichtkranken ein voller Erfolg, eine relative Heilung erzielt ist oder nicht 
Wenn nur Leichtkranke neben der üblichen hygienisch diätetischen Behandlung 
mit Tuberkulin behandelt werden, so könnte ein Gegner der Tuberkulinbehandlung 
mit derselben bona fides eine Statistik aufstellen, welche für die vollkommene 
Bedeutungslosigkeit der spezifischen Therapie spricht, wie umgekehrt der Anhänger 
dieser Behandlung einen ausschlaggebenden Einfluß der Tuberkulinbehandlung auf 
die Erfolge herausrechnen könnte. 

Darauf möchte ich also in erster Linie hinweisen, daß das Tuberkulin von 
den gegenwärtigen Anhängern nicht eine allgemeine Anwendung findet, sondern 
nur bei bestimmten Gruppen als anwendbar erkannt wird. Die Aufstellung von 
Kontraindikationen, als welche A. Möller geschwächten Gesamtzustand, leichtes 
Fieber, Herzabnormitäten, Neigung zu Blutungen, Epilepsie und Hysterie auffaßt, 
führt zu einer Beschränkung des in Betracht kommenden Materials, welche die 
Gleichwertigkeit des Materials bei Vergleichsstatistiken vollkommen aufhebt. 

Man kann mit vollem Recht erklären, daß von vornherein für die Tuberkulin¬ 
kur gar eine große Anzahl von Tuberkulösen nicht in Betracht kommt, welche 
prognostisch als ungünstig angesehen werden muß. Solche Kranke werden dann 
in die Klasse der nur für die physikalisch-diätetische Kur Reifen geschoben und 
unter diesen registriert. 

Wir haben nun für die Zwecke der Tuberkulosestatistik die Stadienein¬ 
teilung. 

Es unterscheidet sich da in einigen Punkten das Schema, welches das Reichs¬ 
gesundheitsamt aufstellte, von dem Turbans. Aber das ist im Augenblicke gleich- 


') Köhler, Münchener medizinische Wochenschrift 1903. Nr. 19, 20. 


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Über die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 


369 


gütig. Für die gesamte Tuberkulosestatistik ist es wichtig, hervorzuheben, daß in 
der Unterscheidung von I., II. und HI. Stadium kein genügender Anhaltspunkt für 
die Schwere des einzelnen Falles gegeben ist. Ein leicht Fiebernder des I. Stadiums 
der Lungentuberkulose ist unter Umständen prognostisch viel ungünstiger auf¬ 
zufassen, wie ein Kranker des EU. Stadiums mit einer gut abgekapselten Kaverne. 
Auch die Unterscheidung von „offener“ und „geschlossener“ Lungentuberkulose 
ist in vielen Fällen nicht scharf möglich. 

Ja, die Kranken, welche dem gleichen Stadium untergeordnet werden, sind 
sehr oft untereinander himmelweit verschieden, was sehr bald einleuchtet, wenn man 
dis fernere Schicksal der Kranken verfolgt. — Der trockene Prozeß eines Kranken 
im I. Stadium macht uns weit weniger Sorge, wie der frische, zur Verbreitung 
neigende Prozeß eines Kranken des gleichen Stadiums. Ein Kranker mit großer 
Kaverne, den wir zum III. Stadium rechnen müssen, kann prognostisch günstig 
liegen und arbeitsfähig sein, während ein anderer bei weit verbreiteter, stark eitrig- 
frischer Tuberkulose auf der Lagerstatt seinem baldigen Ende entgegensieht. 

Die Petruschkysche Stadieneinteilung scheint mir anatomisch-bakterio¬ 
logisch wohl motiviert, klinisch ist nicht viel mit ihr anztifangen. Petruschky 
unterscheidet nämlich drei Stadien: 

I. die Invasion in die Lymphdrüsen, 

II. die Tuberkelbildung in den Geweben, 

HI. die Ulcerationen mit Gewebszerfall und Mischinfektion. 

Das I. und n. Stadium bietet bekanntlich meist nach dieser Gestalt hin nur 
unbestimmte, oft auch gar keine klinischen Symptome. 

Aus diesen Erörterungen ergibt sich also die Unzuverlässigkeit der Statistiken, 
in denen man vergleichsweise Tuberkulinbehandelte und nur physikalisch-diätetisch 
Behandelte gegenüberstellen will. 

Will man wirklich Tuberkulinerfolge bei Phthisikern gegenüber den Resultaten, 
die bei mit der reinen physikalisch-diätetischen Behandlung bedachten Lungen¬ 
kranken erreicht wurden, im Sinne der Überlegenheit beweisen, so bedarf es in 
erster Linie der Voraussetzung, daß es sich um prognostisch gleichwertige 
Fälle auf beiden Seiten handelt. Dieser Forderung kann bei der Einschränkung 
der Tuberkulinanwendung, welche ungünstige Erfahrungen notwendig gemacht 
haben, kaum entsprochen werden. 

Dann aber ist zu fordern, daß durchschnittlich die Lebensdauer 
bei den Tuberkulinbehandelten, Gleichwertigkeit vorausgesetzt, tat¬ 
sächlich eine längere ist, als bei solchen, die nur physikalisch-diä¬ 
tetisch behandelt worden sind. Dieser Beweis ist noch nicht geliefert. 

Die Unzuverlässigkeit der bisherigen Angaben möchte ich nur durch ein 
Beispiel erläutern: 

A. Möller stellt im III. Jahresbericht der Heilstätte Belzig bei einem 
Material von 600 Fällen die Heilresultate der mit Tuberkulin kombinierten und 
der ohne Tuberkulin geübten Heilstättenbehandlung gegenüber und erzielte mit 
Ihberkulin 36,3 %, ohne Tuberkulin 10,9 °/ 0 „Heilungen“, oder bei gleichem 
Krankheitsstadium 75 °/ 0 Tuberkulinheilungen des I. Stadiums gegen 31,8 °/„ 
Heilungen ohne Tuberkulin, ferner 20°/ 0 Tuberkulinheilungen des II. Stadiums 
gegen 1,9 °/ 0 Heilungen ohne Tuberkulin. In seinem neusten Jahresbericht der 


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370 F. Köhler 


Heilanstalt Schömberg stellt Schroeder diesen 36,3 °/o besten Erfolgen von 
Möller bei kombinierter Tuberkulin-und Anstaltsbehandlung 40,6 °/ 0 beste Erfolge 
bei rein physikalisch-diätetischer Behandlung entgegen. Das Krankenmaterial 
ist nach Schroeder nicht wesentlich verschieden, eher bei Möller günstiger. 

Man sieht aus dieser Gegenüberstellung, wie verkehrt es ist, aus einer 
statistischen Berechnung der Entlassungserfolge bei Heilstättenkranken eine Heil¬ 
wirkung des Tuberkulins beweisen zu wollen. 

Ich glaube somit die Stichhaltigkeit der bisherigen vergleichsweise 
aufgestellten Statistiken für Tuberkulin-Therapie und physikalisch- 
diätetische Therapie ohne Bedenken ablehnen zu müssen. 

Fragen wir nun ernstlich: Welche Formen von Lungentuberkulose 
sind bei der therapeutischen Anwendung des Tuberkulins wirklich 
stichhaltig für die Bewertung des therapeutischen Effekts des Tuber¬ 
kulins ? 

Viele Tuberkulosen heilen ohne jede Behandlung, ja nicht selten ohne jede 
besondere Schonung des Organismus aus. Schroeder 1 ) schätzt die Spontan¬ 
heilungen auf etwa 60°/ 0 . Die torpiden, trocknen Tuberkulosen, welche dauernd 
fieberfrei verlaufen, sind unter diesen vorwiegend vertreten. Die physikalischen 
Symptome dieser Formen gehen auch bei guter Allgemeinbehandlung zurück und 
verlieren sich nach längerer Zeit. 

Schon eher sind für die Kritik des therapeutischen Effekts geeignet die 
fieberlosen Lungentuberkulosen mit feuchten Rasselgeräuschen. Aber wer wollte 
leugnen, daß auch in solchen Fällen, welche der Heilstättenbehandlung bedürft? 
sind, nach geeignetem Kurregime die Geräusche nicht selten nach wenigen Monaten 
trocken werden können, in nicht gar seltenen Fällen, oder sich auch zuweilen 
vollständig verlieren? Je ausgedehnter diese Prozesse sind, desto geringer ist 
allerdings die Wahrscheinlichkeit des Rückganges. 

Und nun kommen wir zu den fiebernden Tuberkulosefällen. 

Leicht Fiebernde verlieren häufig das Fieber nach Wechsel des Klimas. 
Das weiß jeder Heilstättenarzt und wer sich mit dem Charakter der Lungen¬ 
tuberkulose ernstlich befaßt. Die einen verlieren ihr Fieber schnell, die andern 
langsam. 

Es kann somit unmöglich die bloße Entfieberung in diesen leicht-fieberhaften 
Fällen bei Kombination der Tuberkulinbehandlung mit der Heilstättenbehandlung 
als Kriterium des therapeutischen Tuberkulineffekts gelten. 

Von hoch Fiebernden brauchen wir nicht zu sprechen, da diese von vorn¬ 
herein für Tuberkulinbehandlung nicht in Betracht kommen. Es liegen für solche 
Fälle so zahlreiche Mißerfolge mit Tuberkulinversuchen vor, daß kein gewissen¬ 
hafter Arzt versuchen wird, solche Fälle heranzuziehen. 

Welche Kriterien aber bleiben dann noch übrig? 

Ich meine, es kann nach diesen Erörterungen der Beweis für die richtige 
Wertung des therapeutischen Tuberkulineffektes nur geliefert werden 
an der beginnenden offenen Tuberkulose auf Grund einer unerwarteten 
Akuität des Rückganges sowohl hinsichtlich des Allgemeinzustandes 


') Schroeder, Zeitschr. für Tuberkulose Bd. 6. Heft 5. 


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Über die Grandlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 3^1 


«tie der pathologisch-klinischen Symptome. Erst wenn es gelingt, nach¬ 
te (reisen, daß sich die offene Tuberkulose in unerwarteter Weise zurückbildet 
und gleichzeitig eine unerwartete eklatante Hebung des Allgemeinzustandes an- 
t.ihnt. ohne Rückfall, kann die Heilwirkung des Tuberkulins als zweifellos an¬ 
genommen werden. Dabei muß eine Schädigung des Gesamtorganismus in irgend 
riuer Weise unbedingt unterbleiben. 

Von dem ersteren Effekt kann meines Erachtens bisher noch nicht gesprochen 
rr-nlen. Ich habe beobachtet, daß vielmehr gar nicht selten Leute, die vor längerer 
Z-;t einmal eine Lnngenblutung durchgemacht hatten, eine unliebsame Wieder- 
. lang dieses Ereignisses nach Anwendung des Tuberkulins, selbst in bescheidenen 
erlebten, so daß das Tuberkulin geradezu gefährlich genannt werden mußte. 
Ziae unerwartete Akuität des Rückganges habe ich niemals beobachtet. Ähnlich 
i>t es anderen, z. B. auch Joel’)-Görbersdorf, ergangen. 

Man wird hier einwenden können, der Beweis der Akuität des Rückganges 
i-t für die reine physikalisch-diätetische Heilmethode ebensowenig geliefert. 

Gewiß, es wäre übertriebener Optimismus, ohne weiteres die Universal- 
wirkung des physikalisch-diätetischen Prinzips für die Lungentuberkulose behaupten 
zs wollen. Auch bei dieser Behandlungsmethode kommt eine Akuität der Wirkung 
'•-lten zur Beobachtung. Der Rückbildungsprozeß ist auch hier ein langsamer, 
aioi doch erlebt man Überraschungen in günstigem Sinne bei Fällen, die man als 
\-riuren geglaubt, und zwar so häufig, daß man auf diese Tatsache die gesamte 
HwMttenbewegung guten Gewissens aufbauen konnte. Auch erscheint bei 
richtiger physikalisch-diätetischer Behandlung die Gefahr für den Gesamtorganismus 
ausgeschlossen. Die meisten unserer Heilstättenpatienten gewinnen an Gewicht, 
>> verspüren eine Hebung des Appetits und der gesamten Leistungsfähigkeit, 
Eriche den Ausdruck bildet einer Zunahme der gesamten Energie des Organismus 

einer gesteigerten Widerstandskraft gegenüber der Infektionsnoxe. 

Das aber kann man oft von dem Tuberkulin nicht sagen. Nicht selten leidet 
1-r Appetit, die Verdauung, und Gewichtsabnahme stellt sich ein, so daß z. B. 
IMIer ausdrücklich den guten Allgemeinzustand als unbedingte Voraussetzung 
ftr eine zn unternehmende Tuberkulinkur festlegte. 

Ferner aber lehren die Tuberkuliuerfahrnngen, daß trotz langer Tuberkulin- 
eliandlung gar nicht selten Rückfälle auftreten. In dieser Beziehung ist die 
Taberkulintherapie der physikalisch-diätetischen durchaus nicht überlegen. Selbst 
T , n beachtenswerten Anhängern der Tuberkulinbehandlung wird offen und mit 
riecht erklärt, daß es bis jetzt nicht gelungen sei, durch Tuberkulin- 
■iimunität eine Immunität gegen Tuberkulose zu setzen. Ob eine Immu¬ 
nität gegen Tuberkulin gleichbedeutend sei mit einer Immunität gegen gewisse 
tndogene Gifte des Tuberkelbazillus, wie Löwenstein und Rappoport 2 ) an¬ 
nehmen, ist noch nicht bewiesen. 

Die Immunisierung ist demnach höchstens eine partielle, während das Ideal 
'iner Immunisierung, wie Koch selbst sagt, stets sein wird, den tierischen resp. 
Menschlichen Körper nicht nur gegen eine einzige der Schädlichkeiten, welche die 


') Joel, IL Versammlung der Tnberkuloseärzte 1904. 

*) Löwenstein und Rappoport, Zeitschrift für Tuberkulose Bd. 5. Heft 6. 


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372 F. Köhler 


pathologischen Mikroorganismen mit sich bringen, zu schützen, sondern gegen alle, 
Diese Verhältnisse spielen auch bei der Tuberkulose eine große Rolle. 

Trotz absoluter Unempfindlichkeit gegenüber dem Tuberkulin, welche in den 
meisten Fällen leicht durch äußerst langsame Steigerung erreicht werden kann, 
kann der tuberkulöse Prozeß im Innern des Organismus unbeschadet weiter 
bestehen und auch durch physikalisch nachweisbare Symptome sich dartmi 
A. Fränkel 1 ) berichtet von einem Kranken, bei dem nach Beendigung der 
Tuberkulinkur eine Zungentuberkulose auftrat, die trotz weiterer TuberkuMui 
um sich griff. 

Diese Dinge sind natürlich fiir die Wertung des therapeutischen Effektes de; 
Tuberkulins von ausschlaggebender Bedeutung. 

Wir werden uns somit noch kurz mit den biologischen und pathologisch 
anatomischen Grundlagen zu beschäftigen haben. 

n. 

Bei der supponierten therapeutischen Wirkung des Tuberkulins handelt 
es sich keinenfalls um ein Verhältnis zwischen Tuberkelbazillen und Tuberkulin 
im Sinne von Toxin und Antitoxin. Es sind somit keine Grundlagen für den 
therapeutischen Effekt vorhanden, wie wir sie in der Serumtherapie vorfinden 
Das Tuberkulin ist kein direktes Heilmittel, kein Gegengift, das beton! 
auch Petruschky. 2 ) Vielmehr kann höchstens angenommen werden, daß das 
Tuberkulin Toxine entfaltet, gegen welche der menschliche Körper erst die Gegen¬ 
gifte erzeugen soll. Es wird also der Organismus selbst erst zu einer Arbeit 
herangezogen, die eine gewisse Energie des Organismus voraussetzt. Ob diese 
Energie der einzelne Organismus besitzt, hängt von der Individualität ab. 

Das Tuberkulin tötet auch nicht die Tuberkelbazillen. Mit Recht verlangte 
Dettweiler 3 ) von einer spezifischen Wirkung: Tötung der Bazillen und 
eine Immunisierung des Lungengewebes. Davon kann indessen nicht die 
Rede sein. 

Die Wirkung des Tuberkulins ist vielmehr eine eigenartige, vor allen Dinge» 
höchstens nur eine indirekte. 

Schon 1891 wurde auf dem Kongreß für innere Medizin von Ziegler 4 ) die 
pathologisch-anatomischen Veränderungen, welche im Organismus nach 
der Einverleibung des Tuberkulins auftreten, eingehend erörtert. Fast scheint 
es mir, als ob diese ausgezeichnete Darlegung Zieglers in neuerer Zeit ignoriert 
zu werden pflegt, leider zu Unrecht! 

Ziegler legte dar, daß die Kochschen Injektionen Entzündungen hervor- 
rufen in der Umgebung des Tuberkels oder zwischen den Tuberkeln. Das Tuber¬ 
kulin kann nur da wirken, wo das Blut hingelangt. Da nun der Tuberkel immer 
gefaßlos ist, so kann von einem Einfluß nur auf das vaskularisierte Gewebe in 
der Umgebung des Tuberkels die Rede sein. Es findet eine stärkere Durch¬ 
feuchtung des Gewebes durch den Exsudationsprozeß, zuweilen auch Abscheidnng 

! ) A. Fränkel, Pathologie und Therapie der Lungenkrankheiten. 

a ) Petruschky, Berliner Klinik 1904. Heft 188. 

3 ) Dettweiler, Kongreß f. innere Medizin 1891. Wiesbaden. Bergmann. 

4 ) Ziegler, ibidem. 


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Cber die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 373 

von Fibrin und Ansammlung von Leukocyten statt. Beim Menschen tritt also das 
primäre nekrotische Absterben des tuberkulösen Gewebes nicht ein, wie man anfangs 
glaubte, auch ist aus der Nekrose des Gewebes ebensowenig ein Hemmnis für die 
Entwicklung der Tuberkelbazillen abzuleiten. Vielmehr spielt die hämorrhagische 
Entzündung in dem Prozesse die Hauptrolle, 

Nun aber ist es außerordentlich wichtig und für die gesamte Beurteilung 
der Tuberkulin Wirkung charakteristisch: Die Entzündung ist außerordentlich 
verschieden, — je nach der Dosis, den örtlichen Verhältnissen und 
iidividuellen Eigenheiten. 

Man findet ferner, wie Ziegler hervorhebt und worin er bisher auch nicht 
riderlegt worden ist, bei Obduktionen mit Tuberkulin Injizierter nie¬ 
mals alle Tuberkelherde verändert, sondern stets nur relativ wenige, 
und es gelingt oft nur mit Mühe oder auch gar nicht, Veränderungen nach- 
zaweisen, welche mit Sicherheit als Tuberkulinwirkung erkannt werden können. 

Demnach müssen wir annehmen, daß im tuberkulösen Organismus besonders 
disponierte Stellen Vorkommen, welche, akuten Tuberkulin-Entzündungen zugänglich 
sind, während andere sich völlig refraktär verhalten. 

Unter welchen Voraussetzungen nun die tuberkulösen Stellen zur ersteren oder 
zur zweiten Kategorie gehören'werden, ist uns nicht bekannt. 

Ferner läßt sich aus den pathologisch-anatomischen Befunden auch entnehmen, 
daß der Entzündung des perituberkulösen Gewebes nicht immer Veränderungen 
in den Tuberkeln nachfolgen, daß dieselbe vielmehr sehr oft vorbeigeht, ohne 
irgendwelche Veränderungen in den Tuberkeln zu hinterlassen. 

Die Einschmelzung und Resorption des Tuberkels ist nur möglich, 
renn der Tuberkel schließlich so weit zerfällt, daß seine Bestandteile in die 
Säftemasse aufgenommen werden. Die Einkapselung ist möglich dadurch, daß in 
der Umgebung eine hyperplastische Hypertrophie des Bindegewebes sich einstellt. 
Auf diese Weise ist natürlich eine Lokalheilung denkbar, wenngleich wir nicht 
vergessen dürfen, daß das Schicksal der zerfallenden Tuberkelmassen im Orga¬ 
nismus, wenn sie in die Saftbahnen aufgenommen werden, uns nicht ohnes weiteres 
übersehbar ist. Eine glatte Ausscheidung ist wohl denkbar, ebenso wie eine 
Metastase an einem Orte innerhalb der Lunge oder einem anderen Organ oder 
Gelenk etc. 

Die Prozesse nun, welche in der Umgebung des Tuberkels infolge der In¬ 
jektionen sich abspielen, sind nicht Vorgänge, die etwas ganz Besonderes 
darbieten und im Verlaufe der durch Tuberkulin nicht beeinflußten 
Tuberkulose fehlen. Es kommen vielmehr auch sonst solche Entzündungs¬ 
prozesse in der Umgebung des Tuberkels vor, und auch die weiteren Veränderungen, 
welche sich an die Injektion anschließen, entsprechen im allgemeinen denjenigen, 
die man auch bei Nichtinjizierten beobachtet. 

Allerdings ist bemerkenswert, daß wahrscheinlich die Neigung zur Kalkein¬ 
lagerung bei der bindegewebigen Vernarbung bei Tuberkulinbehandelten zurücktritt. 

Wenigstens sah Petruschky 1 ) bei zahlreichen Sektionen von Tuberkulösen, 
welche im Koch sehen Institut zeitweise mit Tuberkulin behandelt worden waren, 


') Petruschky, Über Heilstätten-und Tuberkulinbehandlung. Leipzig 1901. Leineweber. 


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374 F. Köhler 


in keinem einzigen Falle Verkalkungen. Auch eine unter Tuberkulinbehandlnnj 
geheilte Lunge eines Phthisikers aus vorgeschrittenem Stadium, der an schwere 
Mischinfektion der anderen Lunge ziemlich spät nach der ersten Tuberkulin 
behandlung starb, wird in der Präparatensammlnng des Kochschen Instituts aul 
bewahrt. Diese interessante Lunge zeigt eine große Anzahl größerer und kleinere 
Höhlen, die mit einem glatten, schleimhautähnlichen Gewebe ausgekleidet sind, 
Zwischen denselben befindet sich kaum noch normales Lungengewebe, dagegei 
überall dichtes, festes Bindegewebe, ohne eine Spur von Kalkeinlage. 

Gehen wir nunmehr den Prozessen nach der Tuberkulineinwirkung weite 
nach, so kann also einmal die Entzündung des perituberkulösen Gewebes ohm 
weitere Folgen für den Tuberkel selbst vorübergehen, und von einer therapeu 
tischen Wirkung ist nicht die Rede. Oder aber es findet eine Einschmelzuns 
des Tuberkels statt, auf Grund deren eine Aufnahme der zerfallenden Bestandteil« 
in die Säftemasse oder eine Ausstoßung nach außen erfolgt. Von ersterer haben 
wir bereits gesprochen. Die Ausstoßung nach außen ist natürlich als günstiges 
Ereignis zu betrachten, zumal nach derselben eine Heilung des Defekts durch 
Wundheilung zu erwarten steht. 

Diese Ausstoßung ist aber natürlich nur an Orten möglich, die an der Ober¬ 
fläche gelegen sind oder an dieselbe angrenzen, in der Haut, in den Schleim¬ 
häuten, in der Lunge, vorausgesetzt, daß der Herd mit den Bronchien in Ver¬ 
bindung steht oder im Verlaufe der Erweichung in die Bronchien einbricht. Sie 
ist unmöglich, sobald es sich um tief liegende Herde handelt. In diesem Falle 
könnte höchstens nur die Resorption oder die Einkapselung eine Heilung herbei¬ 
führen. 

Günstig liegen somit die Verhältnisse für die Ausstoßung besonder? 
beim Darme. Die Wunde kann sich alsdann reinigen und darnach heilen. Man 
sollte indessen nicht vergessen, daß örtliche Heilungen, insbesondere bei Dann¬ 
geschwüren, auch ohne Tuberkulin Vorkommen. 

Daß sich der Tuberkel selbst in gesundes Gewebe umwandelt, ist nicht wahr¬ 
scheinlich, weil die Tuberkelbazillen durch das Tuberkulin ja nicht getötet werden. 
So lange aber in den Tuberkeln Tuberkelbazillen liegen, ist nicht zu erwarten, 
daß im Innern die zelligen Elemente des Tuberkels eine andere Entwicklungs- 
richtung einschlagen (Ziegler). 

Unberechenbar liegen die Verhältnisse nach den in der Literatur nieder¬ 
gelegten Erfahrungen bei der Drüsentuberkulose. 

Wenn Koch für die Drüsen des Meerschweinchens hervorliebt, daß dieselben 
sich bei vorheriger Schwellung verkleinern und der Prozeß zum Stillstände kommt, 
so finden sich für die Tuberkulinwirkung auf die Drüsentuberkulose der Kinder 
in der Literatur, namentlich in dem Ergänzungsbande des „Klinischen Jahrbuches 1- 
1891, verschiedene Angaben verschiedener Autoren, nach denen eine Anschwellung 
von einzelnen Drüsen, gleichzeitig mit Schmerzhaftwerden derselben unter dem 
Einfluß des Tuberkulins eintritt. Nur sehr vereinzelt waren hiergegen die Beob¬ 
achtungen einer vorübergehenden oder auch andauernden Verkleinerung. 

Fassen wir zusammen, so scheint es mir unwiderleglich, daß es mit 
der direkten Heilwirkung des Tuberkulins auf den Organismus höchst 
unsicher steht. 


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Über die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des Tuberkulins. 375 


Auf die Gefahren, welche die pathologisch-anatomischen Veränderungen 
bewirken können, will ich in diesem Zusammenhänge nur sehr kurz eingehen. 

Die Verbreitung der zerfallenden Gewebsbestandteile, also die eventuelle 
sekundäre Wirkung der perituberkulösen Entzündung, auf dem Blutwege muß un¬ 
bedingt in den Bereich der Möglichkeit gezogen werden, insbesondere wenn die 
Erweichungsherde in der Nähe von venösen Gefäßen liegen, wie z. B. bei den 
Bronchialdrüsen. 

Es ist ferner denkbar, daß der Erweichungsherd in eine Höhle hineinbricht, 
l B. in die Pleura und in das Perikard. Auf diese Weise kann in diesen Häuten 
fine Verbreitung der Tuberkelbazillen entstehen. Bei einem Einbrüche der bazillen- 
ialtigen Zerfallsmassen in die Bronchien besteht die Gefahr der Aspiration in 
bisher freie Teile des Bespirationsapparats oder des Verschluckens und der Ver¬ 
schleppung auf die Schleimhaut des Darmkanals. 

Es ist allerdings hervorzuheben, daß keinenfalls jeder verschleppte Tuberkel¬ 
bazillus einen metastatischen Tuberkel bildet, ebensowenig wie jeder aspirierte 
Tnberkelbazillus eine Lungentuberkulose hervorruft. Die Gesetze der Bazillen- 
lissemination sind sehr dunkel, vor allen Dingen wissen wir kaum etwas von den 
Bedingungen, unter denen eine solche geschehen muß. Wir kennen auch nicht 
•iie Bedingungen, unter denen der Tuberkelbazillus im Organismus zugrunde 
?ehen muß. 

Trotzdem ist aber die Möglichkeit der Neuinfektion auf metastatischem 
Wege unzweifelhaft vorhanden. 

Es verträgt sich nicht mit den tatsächlichen pathologisch-anatomischen Be¬ 
obachtungen und der Mechanik der pathologischen Physiologie, die Möglichkeit 
der Miliartuberkulose nach Tuberkulininjektionen völlig zu leugnen und dieselbe 
als „Märchen“ zu bezeichnen. Es liegen vielmehr für das Vorkommen solcher 
Ereignisse die pathologisch-anatomischen Vorbedingungen vor, als auch die tat¬ 
sächliche Beobachtung. Ich erinnere nur an die zwei Fälle von Miliartuberkulose 
bei Kindern, welche Heubner auf der I. Versammlung der Tuberkuloseärzte zu 
Berlin 1903 erwähnte. Auch kürzlich ist mir ein gleicher Fall bekannt geworden 
bei einer jungen Frau, welche in Davos mit Tuberkulin behandelt wurde. 

Auch ist möglich, daß schon der bloße Entzündungszustand für den 
Organismus schädliche Folgen haben kann. 

Das gilt insbesondere für die reine Tuberkulose der serösen Häute des 
Gehirn- und Rückenmarkkanales. Durch die Steigerung von Entzündungs- 
mständen in dem vou so starren Wandungen umgebenen Raume entstehen Druck- 
trhöhungen, die bedenkliche Folgen zeitigen. Auch scheint gerade hier eine be¬ 
sondere Neigung zu miliarer Verbreitung zu bestehen. 

Kommen wir nunmehr zu dem Grundsätze zurück, daß unter der Einverleibung 
des Tuberkulins nur die normale Reduktion des pathologisch veränderten Organis¬ 
mus vor sich gehen kann, allerdings in gesteigerter Intensität und Raschheit 
• Ziegler), so wird es ausschlaggebend sein, ob der kranke Organismus diese 
Steigerung der Prozesse noch zu vertragen imstande ist oder nicht. 

Das wird auch besonders bei der Darmtuberkulose wichtig sein. 

Es kann bei derselben die Möglichkeit der inneren Perforation nicht von 
der Hand gewiesen werden, mit nachfolgender Peritonitis. 


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376 F. Köhler, Über die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts etc. 

Hierher gehört der Fall B. Fränkels, 1 ) bei dem bei einer N.B. klinisch 
latenten Darmtuberkulose am 24. Tage der Behandlung (12 Injektionen bis 1 ctgr) 
eine Perforation stattfand und tödliche Peritonitis herbeifuhrte. 

Damit wollen wir das Kapital abschließen. Ob man die Intensität durdi 
sehr verringerte Dosen abschwächen kann, ist meines Erachtens durchaus noch 
nicht erwiesen. Selbst bei kleinsten Dosen reagieren manche Tuberkulöse auf¬ 
fallend stark, und sogar bei solchen, welche längere Zeit kleinste Dosen gut ver¬ 
tragen haben, sehen wir oft uns ganz unerklärliche plötzliche Fiebersteigerungen 
auftreten, die nach unserem bisherigen Wissen meist wohl nur auf gesteigerte 
Resorption, bzw. gesteigerte Entzündung zurückgeführt werden können. 

* * 

* 

Die Grundlagen zur Wertung des therapeutischen Effekts des 
Tuberkulins scheinen mir somit noch recht schwankende zu sein. Um wirklich 
wissenschaftlich gesicherte Resultate zu behaupten, bedürfen wir durch¬ 
aus anderer Basis, als wir bisher für das Tuberkulin, Statistik und pathologische 
Anatomie, geliefert haben. Ich unterschätze gewiß nicht die Erfahrung des 
einzelnen und bin weit davon entfernt, demjenigen, welcher den therapeutischen 
Effekt im einzelnen Falle guten Gewissens behaupten zu können meint, das Recht 
und die Bonität der Einzelerfahrung zu bestreiten, aber von einer Verallge¬ 
meinerung darf noch nicht die Rede sein, wie es doch notwendig ist, wenn 
wir wirklich werten wollen im Sinne einer universalen Bedeutung für die 
moderne Therapie. Nüchterne Kritik hat der Wissenschaft der Naturbeob¬ 
achtung noch nie geschadet, der Wert geht aber noch weiter. Es handelt sich 
um das Ziel, der Menschheit durch fest gegründete Therapie wirklich universell 
zu nützen und sie vor Gefahren zu behüten. Diesem Ziele steht die Tuberkuliu- 
therapie noch recht fern. 

Meine Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf das Alttuberkulin, 
aber es liegen auch keine zwingenden Gründe vor, sie für die andern Tuberkuline 
nicht gelten zu lassen. 

Ich habe ferner mit Absicht vermieden, vergleichsweise die physikalisch¬ 
diätetische Therapie in ihrer Einwirkung zu beleuchten. Ich bin mir, mit den 
meisten Beobachtern wohl bewußt, daß auch diese noch nicht das Ideal der 
Therapie der Tuberkulose darstellt. Ich halte es aber für erforderlich, den über¬ 
schätzenden Lobpreisungen der Tuberkulinanhänger entgegenzutreten, an der 
Hand des Nachweises der Unzulänglichkeit der bisherigen Statistiken 
und der pathologisch-anatomischen Verhältnisse. 

Noch sind wir nicht auf dem Wege der wirklich idealen Therapie der Lungen¬ 
tuberkulose, dessen wollen wir uns bewußt bleiben und festlegen, daß es noch der 
gründlichen Forscherarbeit bedarf, um hier wirklich zu schaffen und zu heilen! 

') Klinisches Jahrb. Ergänzungsbd. 1891. 


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Friedrich Grosse, Das Dauerbad. 


377 


II. 

Das Dauerbad. 

Von 

Dr. Friedrich Grosse 

in New York. 

Unter einem permanenten warmen Vollbad versteht man ein Bad, in dem 
w Kranke, bis zum Halse eingetaucht, viele Stunden, Tage, Wochen, Monate 
oJ selbst Jahre verharrt, welches er nur verläßt zwecks Befriedigung seiner 
lirdiirfnisse. Man spricht daher auch von einem „Wasserbett“. Insofern der 
Warmblüter eine derart lange Zeit im Wasser nur aushalten kann, wenn es warm 
>t. erscheint das Hinzufiigen von „warm“ überflüssig, so daß man kurz von einem 
Immanenten, oder besser von einem Dauerbade sprechen kann. 

Es gehört seiner Temperatur nach zu den neutralen oder indifferenten Bädern, 
•k k solchen, welche die Körperwärme innerhalb der üblichen Badezeit von 15 
3 30 Minuten nicht wesentlich ändern. Die Grade liegen zwischen 34,8 und 
>U f, C nach Wiek, während andre, wie Kisch, 1 ) rund 35—37° sagen. Ist die 
• ’auer des Bades länger als eine halbe Stunde, so spricht man von einem pro- 
ngierten oder protrahierten Bade. Eine genaue Grenze zwischen diesem und 

Dauerbade zu ziehen, dürfte unmöglich und auch sinnlos sein, wiewohl es 
iwheliegt. daß die physiologischen Wirkungen bei längerer Dauer doch verschieden 
'-in müssen. 

Soweit einwandfreie Quellen zurückgehen, scheint Hebra der erste gewesen 
m sein, der den Mut hatte, den Menschen dermaßen lange dem nassen Element 
■ Muvertrauen. In den 70er Jahren machte Rieß 15 ) ausgedehnte Versuche mit 
[•luselben, und seitdem ist es vielerorts und bei allen möglichen Krankheiten zur 
Anwendung gekommen. Obwohl die Ergebnisse meist gut und oftmals glänzend 
*aren. ja vielfach an das Wunderbare grenzten, denn man nahm seine Zuflucht 
n demselben wohl nur, wenn andre Behandlungsmethoden nahezu oder gänzlich 
Hoffnungslos waren, ist doch im großen ganzen auffallend wenig vom Dauerbad 
^kannt. 

Die Technik ist einfach. Sie ergibt sich zur Genüge aus dem bereits 
Erwähnten und den folgenden Darstellungen. Auch ist sie in der Literatur der 
Hydrotherapie einwandfrei wiedergegeben, so daß bezüglich der vielen Einzelheiten 
auf letztere verwiesen werden muß. 

Anders aber verhält es sich mit der Physiologie des Dauerbades. Selbst 
die gediegenen Lehrbücher der Hydrotherapie beschränken sich einmütig auf die 
Wiedergabe der älteren Anschauungen, w r enn sie das Dauerbad neben dem pro¬ 
longierten überhaupt erwähnen. Die Ergebnisse der Forschung der letzten 

£eiUehr. f. diät u. physik. Therapie Brt. IX. Heft 7. 2G 



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378 Friedrich Grosso 


20 Jahre werden fast gänzlich übergangen. Nach Baruch 2 ) und Kellogg 2 ) z. B.. 
welche diese Badeform wenigstens selbständig behandeln, sind die Einwirkungen 
ausschließlich „negativ“, sie wirken lediglich durch Fernhaltung der Reize der 
Außenwelt beruhigend auf das ganze Nervensystem ein. Dabei wird vielfach in¬ 
folge der Arbeiten Heymanns und Krebs’ in den 70er Jahren angenommen 
daß die Reizbarkeit der Nerven durch Imbibition der Endigungen in der Ham 
herabgesetzt sei. Kellogg vermutet noch „bemerkenswerte und wichtige Ein¬ 
wirkungen“, aber was er anführt, gibt kein klares Bild oder ist heute direkt un¬ 
haltbar. Viel eingehender und neueren Ergebnissen rechnungtragend sind die 
Ausführungen Kischs, aber auch sie sind nicht einwandfrei und vollständig. 
Der Wirrwan- ist bei dem Dauerbade allerdings entschuldbar. Es werden einfach 
die Anschauungen über das indifferente Bad im gebräuchlichen Sinne auf das 
Dauerbad übertragen, da die meisten Arbeiten nicht erkennen lassen, wo jenes 
aufhört und dieses anfängt. Immerhin sind die Angaben in der Literatur, welchf 
sich klar und deutlich mit Bädern von mindestens 6—8 ständiger Dauer befassen, 
nach und nach so zahlreich geworden, daß sich wohl der Versuch lohnt, das Zu¬ 
sammengehörige zusammenzustellen. Dabei zeigt schon eine oberflächliche Be¬ 
trachtung der außerordentlich interessanten Krankengeschichten, daß die alte 
Physiologie vollkommen unzulänglich sein muß. Es mögen daher die Berichte 
zuvor nach einheitlichen Gesichtspunkten gruppiert werden. Eine Vergleichung 
derselben mit experimentellen Arbeiten wird dann vielleicht Licht in das Wie des 
physiologischen Geschehens bringen. 

Die erste Gruppe umfaßt Erkrankungen der Haut. Diese waren es, welche 
Hebra seit etwa 1862 zuerst mit dem Dauerbade behandelte. Durch die günstige 
Einwirkung warmer und indifferenter Teilbäder veranlaßt, gab er Vollbäder da. 
wo es sich nicht nur um Erkrankungen einzelner Extremitäten handelte, sondern 
um einen großen Teil der Körperoberfläche. Er ließ die Kranken immer länger 
im Bade, so daß sie bald 24 Stunden darin verharrten. Nur zögernd, aber durch 
die guten Erfolge ermutigt, verlängerte Hebra dann mit der Zeit die Dauer auf 
2—6 Tage, weiter auf 1—9 Monate, und schließlich hielt er sie so lange im 
Wasserbett, als der Fall es wünschenswert erscheinen ließ. Nachteilige Einwirkungen 
wurden nie beobachtet. Nur quoll nach 4—5 Tagen die dicke Epidermis der 
Fußsohlen in unangenehmer Weise auf, und hoben sich dann die schwieligen Partien 
unter Schmerzen ab, doch wurden die Beschwerden durch einfaches Anstemmen 
der Sohlen an ein Gummikissen gelindert. Öfter traten auch juckende, papulöse 
Ekzeme nach 8—14 Tagen auf, welche unter Einreibungen mit 01. Rusci bald 
wieder verschwanden. 

Hebra jr. 12 ) gab 1877 einen ausführlichen Bericht über 203 Kranken¬ 
geschichten aus einem Materiale von einigen 500 Fällen. Darunter waren 127 Ver¬ 
brennungen schwerster Art, von denen 71 starben und 58 genasen. Die durch 
die Verbrennung hervorgerufene Zersetzung des Blutes mit ihren Folgen wurde 
natürlich durch das Bad nicht behoben, wohl aber wurden die übrigen Erscheinungen 
in überraschender Weise günstig beeinflußt. Die Schmerzen schwanden derart 
schnell, daß z. B. ein Mann nicht glauben wollte, daß sein Rücken ebenso schwer 
verbrüht war, wie die ihm sichtbare Vorderseite. Wundinfektionen, wie Lymphan- 
goitis, Rose und Pyämie, ■wurden vermieden, Ätzungen nur sehr selten nötig; die 


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Das Dauerbad. 


379 


Eiterung war gering, die Überhäutung ging schnell von statten, und die Narben 
waren schöner als sonst. Unter 15 Fällen von Pemphigus war 9mal der Vulgaris 
vertreten und 6mal der Foliaceus. Jene wurden geheilt, diese starben natürlich, 
aber das Leben wurde verlängert und die Leiden wesentlich gelindert. Bei einem 
Falle von zusammenfließenden Pocken mit Lungenentzündung kompliziert, kam 
das Bad vom 5.—17. Tage in Anwendung: das Fieber war mäßig, das Eiterfieber 
mir angedeutet, die Narben wider Erwarten gut. Gangränöse Bubonen waren 
•2$nial vertreten, wovon 25 geheilt wurden. Es heißt bei diesen: „Ist die Gewebs- 
cekrose nicht größer als der Handteller, so bemerkt man schon nach 48 Stunden 
ein Heben der Kräfte, das Fieber schwindet, Schlaf und Appetit stellten sich ein 
and mit ihnen die Bedingungen der Möglichkeit der Heilung“. Drei phage- 
dinische Schanker kamen zur Abheilung. Weiter werden erwähnt große, hart¬ 
näckige syphilitische Geschwüre, Phlegmonen, Gangrän der Haut und des Unter- 
hautzellgewehes. Alle diese Fälle, welche ins Wasserbett kamen, waren schwere 
and hatten anderen Behandlungsmethoden getrotzt. Ähnliche günstige Resultate 
sind in der Folge immer wieder berichtet, und werden außerdem noch Druck¬ 
geschwüre, inveterierte Psoriasis und Ekzeme erwähnt. Auch Rieß behandelte 
den Dekubitus bei schweren Rückenmarkskranken mit dem Wasserbett; und dabei 
machte er in über 100 Fällen die unerwartete Beobachtung, daß auch die Grund- 
leiden sich auffällig besserten. 

Damit kommen wir zur zweiten Gruppe, welche Erkrankungen des gesamten 
Nervensystems umfaßt. Und zwar sind es bei Hirn und Rückenmark zunächst 
iie chronischen Affektionen des Parenchyms sowohl wie die verschiedenen Menin¬ 
gitiden. Bei allen diesen Leiden wurden örtliche und exzentrische Schmerzen 
gestillt, Spasmen und Kontrakturen behoben; auch Lähmungen verschiedenster Art 
and Ataxien wurden besser. Obwohl ich keinen Fall von tabetischen Krisen er¬ 
wähnt finde, glaube ich unter Berücksichtigung aller Umstände, daß sie im Dauer¬ 
nde ihre Schrecken verlieren würden. Ferner gehören hierher Aufregungszustände 
und Delirien. Das Wasserbett ist wohl das idealste Schlafmittel. Auch die 
Extravasate bei Apoplexien und bei den verschiedenen Formen der Meningitis, 
sowie manche Hirntumoren sind mit einem Resultate gebadet worden, wie man 
os mit andern Mitteln wohl kaum erzielen dürfte. Hier ist es in erster Linie die 
Auflösung der Schwarten und ganz gewiß auch die Resorption flüssiger Exsudate, 
welche den Verlauf günstiger gestalten, wehn auch die Fernhaltung äußerer Reize 
and die daraus folgende ideale Ruhe des Organes mit ins Gewicht fallen mögen. 
Erwähnt muß auch werden, daß nach Rose auch die epidemische Genickstarre 
l*s$ere Erfolge gibt, als von andern Behandlungsmethoden bisher bekannt ge¬ 
worden sind. Weiterhin kommen für das Dauerbad in Betracht anatomische 
»Schädigungen der Nerven, z. B. schwere, hartnäckige Ischias. Und schließlich 
müssen noch funktionelle Neurosen erwähnt werden. Unter letzteren wurden 
schwere Hysterien und Hyperästhesien gebadet, Brochu 3 ) berichtet einen Fall 
'von akuter Chorea, „eine jener schweren Formen, welche sonst gewöhnlich zum 
Tode fuhren“. Als besonders interessant möchte ich noch Legendre zitieren, der 
bei Hyperchlorhydrie prolongierte Bäder empfahl. 

Als dritte Gruppe schließen sich hier die Geisteskrankheiten an. Bleuer 4 ) 
empfiehlt das Bad bei akuten Psychosen, einschließlich Melancholie. Desgleichen 

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380 Friedrich Grosse 


loben es Kräpelin, Alzheimer und Sander. Ausführliche Mitteilungen liegen 
vor aus der Heidelberger Klinik von Beyer, 5 ) Alter 17 ) und von Wurth, 16 ) nach 
denen Fälle mit Dekubitus, Phlegmonen und Verletzungen, weiter solche, welche 
unrein oder aufgeregt sind, sich entkleiden oder zerreißen, und schließlich auch 
Alkoholiker und Epileptiker gebadet werden. Bei manischer Erregung wirkt das 
Bad fast mit absoluter Sicherheit. Während der Regel ist es erst recht angezeigt. 
Von besonderem allgemeinen Interesse in diesen Schilderungen sind die Angaben, 
daß dabei eine dauernde Vermehrung des Wartepersonales nicht nötig ist, daß 
vielmehr die Bäder eine bedeutende Erleichterung für dasselbe waren. Trotz der 
großen Zahl Aufgeregter kamen keine größeren Schwierigkeiten vor, die Kranken 
blieben viel eher im Bade, als man erwartet hatte. Die Ausgaben für zerstörte 
und verschmierte Wäsche, Handschuhe usw. waren beträchtlich geringer. Beide 
Mitteilungen sehen im Dauerbade eines der besten psychiatrischen Beruhigungs¬ 
mittel. „Es macht den größten Teil der Zellen und Isolierzimmer entbehr¬ 
lich“, kurz, sie „erblicken in demselben eine wesentliche Bereicherung der 
Psychiatrie“. In letzter Zeit sind auch in der Neu Yorker Irrenanstalt Versuche 
gemacht worden, deren Ergebnisse den obigen Ausführungen in jeder Hinsicht 
entsprechen. 

Als vierte Gruppe von Krankheiten, bei denen das Bad indiziert ist, führe 
ich beginnende Entzündung und Exsudate aller Art auf. Um Resorption solcher 
handelte es sich bereits bei einer Reihe schon vorher angeführter Übel. Hierher 
zählen nun die oft bewunderungswürdigen Ergebnisse bei rheumatischen und 
gichtischen Ablagerungen, bezüglich derer ich außer auf die schönen Erfolge 
Hüters und Roses auf die jahrzehntelange Erfahrung in Bad Leuk verwehe. 
Weiter berichtet die Literatur von Pericarditis, Beckenexsudaten, Verstauchungen. 
Quetschungen und Brüchen. Ganz besonders auffällig ist auch die überein¬ 
stimmend gepriesene Aufsaugung von Wasseransammlungen jeglichen Ursprunges: 
es wurden nach achtstündigen Bädern bis zu 1500 g an Gewicht verloren, 
und Abnahmen des Umfanges hydropischer Bäuche von 0 cm nach einem Bade 
registriert. 

Endlich wären als fünfte und letzte Gruppe akute Infektionskrankheiten 
anzureihen. Es mag aber gleich hier vorweggenommen werden, daß diese Gruppe 
nicht in jeder Beziehung zu den bisher in Rede stehenden Bädern paßt, welche 
strikt indifferent sein sollen, insofern, als die Bäder in dieser Gruppe meist nicht 
unbeträchtlich kühler gegeben werden, nämlich bis zu 31° C herab, so daß sie 
in mancher Hinsicht eher zu den wärmeentziehenden Badeformen zu zählen 
wären. Die besten Beobachtungen stammen wieder von Rieß, der über ein 
Material von fast 1000 Typhusfallen verfügt. In bezug auf die Einzelheiten 
mag auf die Schriften dieses Forschers verwiesen werden, sowie auch aut 
die klare Behandlung der Frage im Baruchschen Lehrbuche. Immerhin mögen 
aber wenigstens die Schlüsse aus jenen Arbeiten hier Platz finden. Das Dauerbad 
ist nach denselben 

1. angenehmer für den Kranken und 

2. auch in solchen Fällen anwendbar, die sich nicht für das Brandsche 
Bad eignen, 


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381 


Das Dauerbad. 


3. es beeinflußt Fieber, nervöse Erscheinungen, Diurese usw. schnell und 
wirksam, 

4. es kürzt die Krankheitsdauer deutlich ab und 

5. verursacht geringere Schwierigkeiten in bezug auf die gesamte Kranken¬ 
pflege. 

Außer dem Typhus wurde das Dauerbad noch versucht und gelobt bei 
schweren Masern, Scharlach und beim Erisypel (A. Rose). Des nämlichen Autors 
Beobachtungen bei der epidemischen Genickstarre waren schon in der zweiten 
Gruppe berührt worden. Letzthin meldet schließlich noch Perdijo äußerst 
einstige Erfolge bei Tetanus. 6 ) 

Nach dieser Aufstellung ist also die Anwendung des Wasserbettes eine 
außerordentlich vielseitige. Dasselbe erscheint noch bedeutungsvoller, wenn wir 
ins vergegenwärtigen, daß, wenn wir von den systematischen Versuchen Rieß' 
and den Berichten aus den Irrenanstalten absehen, wohl nur die schwersten Fälle 
ihrer Art so behandelt wurden, die meist für andre Methoden ganz außer Frage 
kamen oder bis dahin resistent geblieben waren. 

Wie schon oben bemerkt, zeigt schon eine oberflächliche Betrachtung, daß 
die bisher gegebene Physiologie des Dauerbades nicht vollständig sein kann. 
Penn was kann die Fernhaltung der peripheren Reize bei Wassersucht, bei In¬ 
fektionen und Wundheilungen wirken? Es müssen also ganz ohne Zweifel noch 
andere Einflüsse mächtiger Art vorhanden sein. 

In der Tat hat auch Kossowsky 7 ) bereits darauf aufmerksam gemacht, daß 
schon das indifferente Bad von 34—33° und 15—20 Minuten Dauer nicht nur 
die periphere, sondern auch die Höhlentemperatur beim Menschen nachweisbar, 
wenn auch nicht beträchtlich herabsetze, und Stifler 10 ) erbrachte den Nach¬ 
weis, daß auch bei indifferenten Süßwasserbädern typische Veränderungen 
des Blutdrucks, der Größe und Frequenz des Blutkreislaufs und der Atmung 
einträten. 

Nach Landois (Physiologie) beträgt die Hauttemperatur des Menschen 
31—34 (35)° C, nach Oehler 33,5—35°. Rieß legt den thermischen Indifferenz¬ 
punkt der Bader, bei dem also weder Wärmezuführung noch -entziehung statt¬ 
finden soll, zwischen 34—35°, während Wiek ihm eine größere Breite, 34,8 bis 
30.4 0 gibt, und Liebermeister nennt sogar Bäder von 35—37° neutral. Im 
allgemeinen richtet man sich zwar praktisch, nach dem Gefühl des Badenden, aber 
in der Regel dürfte man 35° als mittlere Wärme annehmen. Nach dem letzt¬ 
genannten Forscher ist bei 24—35 0 und 15—25 Minuten Dauer der Wärmeverlust 
im Bade der nämliche wie in der Luft und Kleidung. Diese Temperatur mag 
also die Körperwärme nicht oder nicht wesentlich beeinflussen bei der Dauer des 
gewöhnlichen indifferenten Bades, aber es darf doch trotz Ermangelung direkter 
Versuche angenommen werden, daß bei längerer Dauer eine Erhöhung der Abgabe 
eintritt. Kisch weist mit Recht auf Schüllers Kaninchenexperimente hin, bei 
denen beim Eintauchen in ein indifferentes Bad im ersten Augenblick eine kurze 
Erweiterung der Piagefäße eintrat, die jedoch rasch einer Zusammenziehung Platz 
machte, wobei das Hirn einsank. Nach diesem Versuch ist also die Oberfläche 
blutreicher, wofür ja auch die einfache Erwägung spricht, daß das Bad doch 
immerhin etwa 2 0 wärmer ist als die Haut, mithin doch das Blut mehr zu letzterer 


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382 


Friedrich Grosse 


ableiten muß. Da nun das Blut entschieden wärmer ist als das Bad, muß bei 
dem erhöhten Blutreichtum der Peripherie die Wärmeabgabe erhöht sein. Mag 
diese auch noch so gering sein und im neutralen Bade nicht in Betracht kommen, 
beim Dauerbade muß eine mächtige Summierung des Wärmeverlustes eintreten. 
Das paßt ja auch zu den Beobachtungen aller, daß Fieber stets nachlassen, auch 
wenn das Bad nicht die tiefen Temperaturen von Rieß hat. Bei diesen selbst 
hat die Herabsetzung aber erst recht nie in Frage gestanden und muß das 
Rieß sehe Bad als eine besondere Form von wärmeentziehenden Wasserappli¬ 
kationen aufgefaßt werden, die man doch eigentlich nicht mehr indifferent nennen 
kann. Da die Entziehung sehr langsam und unter Vermeidung jeglichen Haut¬ 
reizes vor sich geht, eine reaktive Erwärmung mithin nicht eintreten kann, ist 
sogar anzunehmen, daß der Verlust viel größer ist als bei andern wärmeentziehenden 
Prozeduren. 

Es dürfte sich also empfehlen, dieses Bad von 31° C und einer Dauer bis 
zu 12 Stunden von dem Dauerbade zu trennen und es vielleicht entsprechend dem 
Ziemßenschen und Brandschen Bade das Rießsche oder protrahierte laue 
Bad zu nennen und es neben andren wärmeentziehenden Wasseranwendungen 
gesopdert zu besprechen. 

Vermehrter Wärmeverlust ist aber gleichbedeutend mit gesteigertem Stoff¬ 
wechsel. Und zwar betrifft dieser nicht nur die stickstofffreien Körper, sondern 
bei wirksamer Erniedrigung der Körperwärme auch die Eiweißstoffe. Dabei wird 
nach Löpine, Flavard und Formanek nicht nur das Nahrungseiweiß berührt, 
sondern auch das des Körpers selbst; in Übereinstimmung damit hat auch Rieß 
die N-ausscheidung direkt vermehrt gefunden. 

Früher glaubte man, daß die Haattätigkeit im Bade aufhöre, ja, man nahm 
sogar eine Hautresorption im Wasser an: Anschauungen, die heute nicht aufrecht 
erhalten werden können. Je wärmer und blutreicher die Haut, desto tätiger ist sie. 
Die Wasserdampfabgabe erreicht ihr Maximum bei 32° mit etwa 1500 g in 
24 Stunden, darüber tritt Schweiß ein. Daß dies auch für das Wasserbad gilt, 
hat Rieß wohl einwandfrei bewiesen. Denn erstens beobachtete er starke 
Gewichtsverluste und unbestreitbare Abnahme von bestehendem Hydrops — selbst 
bei Verminderung der Harnmenge. Zweitens stellten Rieß und Willemin eine 
Zunahme der Chloride im Badewasser fest, welche die Prozentverhältnisse des 
Schweißes überstiegen; dazu paßt auch Kellers Abnahme der Chlor- und Phosphor¬ 
verbindungen im Harn. „Die schnellere Wegführung der in den Schweißdrüsen 
stehenden Flüssigkeit bei der Mazeration und Erweichung der obersten Haut¬ 
schicht und dem Abstoßen der älteren Epidermislagen führt nach den Gesetzen 
der Diffusion eine vermehrte Transsudation von /der Tiefe nach der Ober¬ 
fläche herbei“ (Kisch). Endlich muß auch die C0 2 -Abgabe von der Haut 
vermehrt sein, weil die Haut im Bade wärmer und der hindernden Horndecke 
beraubt wird. 

Auch die chemische Beschaffenheit deS Blutes dürfte • im Dauerbade eine 
Änderung erfahren. Die Arbeiten Poehls, Senators, Kuthis und Strassers 8 ) 
machen es höchstwahrscheinlich, daß jede vermehrte C0 2 -Ausscheidung das Blut 
alkalischer macht durch Umwandlung neutraler und saurer Phosphate in basische. 
Da Blutalkaleszenz und mikrobizide Eigenschaften des Serums parallel gehen 


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Das Dauerbad. 


383 


iCalabrese 9 ), können wir auch in dieser Hinsicht einen Einfluß auf Infektionen 
vermuten. 

Übrigens muß nach den obigen Ausführungen die alte Annahme von 
Heymann und Krebs fallen, daß durch Wasserdurchtränkung der Endkölbchen 
in der Hant die Reizbarkeit der Nerven herabgesetzt werde. Denn es findet 
nicht nur keine Aufnahme von Wasser seitens der Haut statt, auch keine 
Retention derselben, sondern alle Untersuchungen deuten, wie wir sahen, auf eine 
vermehrte Ausscheidung hin. Übrigens bleibt auch ohne diese Imbibition die Ruhig¬ 
stellung der nervösen Zentralorgane durch Wegfall der Hautreize bestehen. 

Nur bei diesen theoretischen Erwägungen sind die am Krankenbett gemachten 
Beobachtungen erklärlich, welche alle samt und sonders auf eine mächtige 
Steigerung des Stoffwechsels hinweisen. Nur so können wir die Beseitigung von 
Ablagerungen bei Gicht, chronischem Rheumatismus, bei Apoplexien, bei serösen 
Exsudaten, bei den meningitischen Schwarten usw. verstehen. 

Das oben erwähnte Schüller sehe Experiment läßt auch die günstigen Ein¬ 
flüsse des Dauerbades auf das Fieber als Gesamterscheinung erklärlich erscheinen, 
wenn wir uns Naunyns Anschauung anschließen, daß nicht die Temperatur allein 
oder eine Änderung in Atmung und Blutdruck die Störungen hervorrufen, sondern 
die Veränderungen der Kreislaufsgeschwindigkeit und der Blut Verteilung, womit 
übereinstimmend Breitenstein ja eine Anhäufung der roten Blutkörperchen 
in der Leber nach künstlicher Überhitzung konstatierte. Das Bad wirkt eben 
unstreitig’ regulierend auf den Kreislauf ein, im Sinne einer Strömung zur Haut. 
Dadurch werden einerseits etwaige Kongestionen in den inneren Organen und 
nicht zu weit vorgeschrittene Entzündungsherde schneller durchblutet und dadurch 
behoben, und andrerseits findet eine gesteigerte Transsudation bei etwaigen Haut¬ 
affektionen statt, welche Material zur Bildung neuer Gewebselemente liefert. Ein 
vermehrter Neubau wird auch durch die feuchte Wärme des Bades begünstigt, 
zumal obendrein noch schädliche Wundprodukte ■ sofort und gründlich weggewaschen 
werden. Daß die Bedingungen für Heilung von Hautaffektionen tatsächlich die 
besten sind, bestätigen auch zwei experimentelle Arbeiten. Penzo 11 ) fand in 
Bizzozeros Laboratorium als Zeichen schnelleren Wachstums unter feuchter 
Wärme eine enorme Häufung von Mitosen gegenüber dem nicht behandelten Ohre 
von Kaninchen. Und Schäffer 13 ) kam zu ähnlichen Resultaten bei andern 
Versuchen. Er zog mit Karbol, Sublimat und Bakterienaufschwemmungen durch- 
tränkte Fäden durch Haut und Unterhautzellgewebe und fand, daß bei feuchter 
Wärme die Leukozytenansammlung gänzlich fehlte und nur eine bedeutende 
Erweiterung der Blut- und Lymphgefäße eintrat mit vermehrter Durchtränkung 
der Gewebe, während bei Kälte (Eisbeutel) diese Erscheinungen nicht zustande 
kamen. 

Beide Untersuchungen finden ihre Bestätigung in den Veröffentlichungen von 
Lugenbeck, 1855 14 ), Stromeyer, Esmarch, Schede, Rose, Reclus, 
Hamilton, Fraser, Hodges usw. über die beschleunigte Heilung von Affektionen 
der Extremitäten durch warme prolongierte Teilbäder, welche ihrerseits wieder 
die Erfolge des Dauerbades verständlich machen. 

Zum Schluß dürfen wir wohl die Wirkung des Dauerbades dahin zusammen¬ 
fassen, daß es 


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Friedrich Grosse, Das Dauerbad. 

1. beruhigend auf das Zentralnervensystem einwirkt; 

2. den Kreislauf ändert im Sinne einer Entlastung der inneren Organe und 
Ableitung nach der Haut; 

3. die Ernährungs- und Heilungsvorgänge in der Haut begünstigt; 

4. die Wärmeabgabe erhöht und 

5. den Stoffwechsel mächtig beschleunigt. 

Reiche klinische Erfahrung und experimentelle Untersuchungen lassen di* 
Behauptung berechtigt erscheinen, daß das Dauerbad ein außerordentlich wirk¬ 
samer Heilbehelf ist, welcher, wenn er auch anscheinend in mancher Beziehung 
umständlich ist, doch noch gute Erfolge erwarten läßt, wo andre bequemere Heil¬ 
methoden im Stiche ließen. Nach alledem dürfte es wünschenswert sein, wenn 
das Dauerbad eine größere Berücksichtigung fände. 

Quellenangaben: 

>) Eulenburgs Realenzyklopädie: unter „Bad il . 

s ) Baruch, S.: Hydrotherapy; Kellogg, J. H.: Hydrotherapy. 

3 ) Blätter Für klinische Hydrotherapie, 1901, 278. 

4 ) „ „ „ 1902, 278. 

5 ) „ „ „ 1899, 224. 

6 ) „ ,, „ „ 1899, 252. 

') 1904, 131. 

s ) ., „ .. „ 1896, 108. 

9 ) ,. ,. ,. 1896, 100. 

,n ) Berlin. Baineolog. Kongreß 1893. 

u ) Moleschotts Untersuchungen etc. 1894, lieft 2, S. 107. 

,s ) Wien. Medizinische Wochenschrift 1877, Nr. 36—39. 

■ 3 ) „ ,. „ 1902, Nr. 10. 

“) Deutsche Klinik 1855, 409-419. 

,5 ) Archiv flir klinische Medizin 1889/90, 173. 

,6 ) Allgemeine Zeitschrift flir Psychiatrie etc., Bd. 57, Heft 5. 

,7 ) Zentralblatt für Nervenheilkunde etc. 1903, III. 



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H. Engel, Über Ägyptens Kurorte und Indikationen. 


385 


III. 

Über Ägyptens Kurorte und Indikationen. 

Von 

Dr. H. Engel 

in Hcluan (Ägypten). 

Der heute recht verbreiteten Ansicht, daß der Klimatologie die Bedeutung 
einer medizinisch verwertbaren Wissenschaft nur in geringem Grade zukomme, 
kann nur dadurch begegnet werden, daß man die Klimatotherapie mehr, als bisher 
geschehen, auf wirklich wissenschaftlich-positiven Boden zu stellen sucht. Vor 
allem muß das durch exaktere Indikationsstellung für die einzelnen klimatischen 
Gebiete geschehen. Bei diesem Bestreben dürfen nur gewissenhafte empi¬ 
rische Deduktion, von jeglicher Subjektivität gereinigt und einzig und allein 
gestützt auf jahrelange Beobachtungszeit und großes Material, in zweiter Linie 
enr ernstwissenschaftliche Induktion durch genaue Erforschung der jedes 
Oma bestimmenden Einzelfaktoren als vollgültige Beweismittel angesehen werden. 

Wenn z. B. die Erfahrung lehrt, daß in Ägypten angesiedelte Nubier und Sudan¬ 
neger einen unverhältnismäßig größeren Prozentsatz an Tuberkulose-Mortalität 
stellen als die Eingeborenen und vor allem europäische Eingewanderte, so darf das 
gelten als eine empirische Tatsache von medizinischer Bedeutung: Sind wir auch 
heute von der früheren abergläubisch-mystischen Anschauung einer ganz spezifischen 
Heilkraft besonderer Klimata gegen Lungentuberkulose weit entfernt, so muß doch 
in obigem ein Fingerzeig dafür gesehen werden, daß der Aufenthaltswechsel von 
Norden nach Süden und umgekehrt für den Ausbruch und Verlauf der Tuberkulose 
nicht ohne Bedeutung sein kann. Das Warum ist noch nicht klar gefunden; die 
Tatsache aber bleibt bestehen und daraus darf man auch mit ruhigem Gewissen als 
Indikation Ägyptens den dauernden Aufenthalt der durch Tuberkulose-Disposition 
bedrohten oder im Sinne einer beginnenden Spitzenaffektion noch als Prophylaktiker 
zu bezeichnenden „lungenschwachen“ Europäer ableiten. Daß dieser dauernde 
Aufenthalt leider bei vielen — nicht bei allen — in einen dauernden Winter¬ 
aufenthalt eingeschränkt werden muß, liegt auf einem andern Gebiet, ebenso wie 
die Krage, ob aus der obigen Tatsache eine Berechtigung für den Aufenthalt 
weit vorgeschrittener Kranker oder eine solche für nur einmaligen Kuraufenthalt 
als Indikation aufgestellt werden darf (s. u.). 

Der induktive Weg zur Erforschung klimatotherapeutischer Wissenschaft 
wird neuerdings eifrig beschritten. So bedeutet der vor kurzem erfolgte definitive 
Nachweis der Blutkörperchenvermehrung im Hochgebirge einen wichtigen Markstein 
auf diesem Wege (K. Bürker). Der Einfluß des Hochgebirges auf den Stoff¬ 
wechselumsatz ist ebenfalls wissenschaftlich erwiesen (A. Jaquet). Die fast 


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38(5 


II. Kogel 

absolute Keimfreiheit der Meeresluft (B. Fischer) und der Wüstenluft (H. Engel) 
ist durch exakte Experimente festgelegt. Auf die enorme bakterizide Kraft der 
Wüstensonne ist vor kurzem die Aufmerksamkeit gelenkt worden (H. Engel). 
Das sind alles Tatsachen, die den Begriff der Klimatotherapie auf unanfechtbar 
sichere Basis stellen. 

Daß die Meteorologie ein bedeutsames Wort in der Behandlung vieler 
Krankheiten mitzureden hat, sei an einem Beispiel, unter vielen anderen, durch 
den Hinweis auf den enormen Einfluß des trockenen, warmen Klimas aal 
Nieren-, Rheumatismus- und Gichtkranke angedeutet, ohne daß wir damit den 
Boden positiver Wissenschaft verlassen. In der ägyptischen Bevölkerung ist 
der akute und chronische Gelenkrheumatismus mit allen seinen Folgen so gut 
wie unbekannt, und wenn man auch vielleicht entgegnen mag, daß daraus 
allein eine Indikation für Rheumatiker noch nicht abgeleitet werden darf, weil 
diese die Krankheit schon in sich tragen, so muß darauf erwidert werden, daß 
gerade bei dieser Krankheit, wie bei vielen anderen, die Vermeidung der 
wiederholten und fortgesetzten Schädigung, als welche in diesem Falle doch 
sicher die feuchte Kälte angesehen werden muß, der Bedeutung einer direkten 
Therapie gleichkommt. 

Ebenso steht der therapeutische Wert des trockenen Klimas für Nephritiker 
auf recht festen Füßen. Nicht bloß die Erfahrung, die in ständiger Wiederholung 
die absolute Abhängigkeit des Wohlbefindens der Nierenkranken, der Ab- und 
Zunahme ihrer Eiweißausscheidung vom steigenden oder fallenden Hygro- und 
Thermometer erkennt, sondern auch klinische Versuche haben das gelehrt. Die 
Forderung extrarenaler Wasserabfuhr im Sinne einer Erleichterung der Nieren- 
funktion und Verhütung urämischer Zustände (Fürbringer) ist ein bei Nephritis 
durchaus feststehender, therapeutischer Begriff. Nun, dieser in Europa in Form 
von Schwitzbädern, Pilokarpininjektionen etc. künstlich dnrchgeführte Modus gerendi 
stellt in Ägyptens trockenem, windbewegtem Wüstenklima einen natürlichen 
Heilfaktor dar. Genaue klinische Untersuchung haben mir bei Nierenkranken 
ergeben, daß die Urinausscheidung hinter der Flüssigkeitsaufnahme, namentlich in 
der wärmeren Jahreszeit, quantitativ um mehr als zwei Drittel zurück bleibt. Es 
muß also durch die Haut eine wesentliche Sekretion von Flüssigkeit erfolgen — 
eine Diaphorese, die noch den Vorzug hat, wirklich insensibel, d. h. ohne wesent¬ 
liche Belästigung durch Schweißbildung zu sein. Daß das bei Nephritis, welcher 
Form auch immer, nicht ohne Einfluß sein kann, zumal durch die Haut nicht 
bloß Wasser, sondern auch Salze und die Endprodukte des Stoffwechsels aus¬ 
geschieden werden (Strauß, Kövczi), liegt auf der Hand und findet in lang¬ 
jähriger Erfahrung ägyptischer Ärzte seine Bestätigung. Als wesentlicher Gesichts¬ 
punkt muß dabei allerdings, und zwar nicht bloß für die chronische Nephritis, 
sondern für alle chronischen Leiden, festgehalten werden, daß ein chronischer 
Feind nur mit den Waffen der Zeit bekämpft werden kann, und daß es, je länger 
ein Schaden besteht, um so schwerer fällt, ihn zu beseitigen: Manche schwer ein¬ 
setzende und verlaufende Nephritis kann durch sofortigen Kurbesuch Ägyptens 
in günstige Bahnen gelenkt werden, und ein womöglich jahrelanger Aufenthalt 
oder gar eine definitive Ansiedlung kann dort vielen Nephritikern das Leben 
retten oder wenigstens verlängern. 


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Über Ägyptens Kurorte und Indikationen. 


387 


Das ägyptische Sommerklima ist für Nephritiker und Rheumatiker mit 
ihrem enormen Bedürfnis nach Wärme und Trockenheit durchaus erträglich. Das 
relative Feuchtigkeitsminimum erreicht im Juni die erstaunliche Tiefe von 22%, dabei 
and gerade deshalb ist die Tageshitze mit 35° C im Mittel, die Nachttemperatur 
mit 20° Minimum durchaus erträglich. Selbverständlich darf kein starres Schema 
aufgestellt werden: Starke Beteiligung des Cor wird eine Kontraindikation für den 
Sommeraufenthalt auch bei Nephritis abgeben. Bei Tuberkulösen muß wegen 
größerer Beteiligung der konstitutionellen, nervösen und hämatopoetischen Faktoren 
die Auswahl noch vorsichtiger getroffen werden und wird nur selten positiv aus- 
fallen dürfen, bei Neigung zu Fieber stets negativ. Aber bei Nephritis liegt das 
theoretische Ideal eines ständigen ägyptischen Aufenthalts der praktischen Durch- 
mhrbarkeit sehr nahe. Es leben denn auch zahlreiche Nierenkranke mit großem 
gesundheitlichen Erfolg dauernd in Ägypten und finden dabei ihren Lebensunterhalt. 
Für reiche Nierenkranke würde der Versuch, zwischen Assuan im Winter und 
Heia an im Sommer hin- und herzuwechseln, wahrscheinlich ein sehr günstiges 
Resultat ergeben (s. u.). Die Möglichkeit liegt vor, weil im Sommer im Kurorte 
Heluan einige Hotels vollen Betrieb aufrechterhalten. Ramleh bei Alexandria, 
der Sommerbadeplatz der besseren eingeborenen Kreise, kommt seiner Feuchtigkeit 
wegen für Kranke nicht in Betracht. 

Doch in erster Linie wird Ägypten stets als Winteraufenthalt für Kranke 
in Frage kommen. Den folgenden Mitteilungen über das ägyptische Winterklima 
nnd seine Indikationen möchte ich aber im Anschluß an obiges vorausschicken, 
ditü der Glaube, man dürfe nicht länger als bis Ende März und nicht früher als 
Mitte November in Ägypten sein, irrig ist. Es mag das für neurasthenische 
Lungenkranke und für Herzkranke zutreffen, aber sicher nicht für Nephritis-, 
Rheumatismus- und Gichtkranke ohne Herzkomplikationen oder eventueller, bei 
diesen Kranken seltener Idiosynkrasie gegen Wärme. Die Temperaturen sind 
von Mitte Oktober an sehr erträglich, und der Monat April leistet bei Nephritis 
oft vorzügliches. Die um diese Zeit gefürchteten sog. Chamsine (Südwinde, 
verbunden mit Staubsturm aus der Wüste) haben in den letzten Jahren sehr 
an Intensität verloren (Becker), wie überhaupt das ägyptische Frühjahrs¬ 
und Sommerklima neuerdings eine Annäherung an europäische Verhältnisse auf¬ 
weist (Fr. Engel). 

Die Eigentümlichkeiten des ägyptischen Winterklimas lassen sich in 
folgende Schlagworte zusammenfassen: Sehr niedriger Feuchtigkeitsgehalt, 
Reinheit der Luft, intensive Insolation, lange Tage, geringe Be¬ 
wölkung, sommerliche Tagestemperaturen bei starkem nächtlichen 
Temperaturabfall. Alle diese Punkte lassen sich durch zahlreiche, über Jahre 
ausgedehnte, meteorologische und bakteriologische Veröffentlichungen verschiedener 
kompetenter Beobachter (Reil, Peters, Sandwith, Leigh Canney, Page 
May, Fr. Engel, H. Engel u. a.) belegen. Natürlich treffen diese Angaben, 
namentlich in ihren ersten beiden Punkten, am meisten für die eigentliche 
Wüste zu. Die Hygiene der ägyptischen Städte, wie Alexandria, Cairo und 
auch des früher als Kurort geltenden Luxor (es liegt mitten in staubigem Kultur¬ 
land) ist recht mangelhaft. Und im Kampf mit chronischen Krankheiten gilt 
es. die Hygiene in den Vordergrund ärztlichen Könnens zu stellen, die .,Kultur“ 


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388 


H. Engel 

der „Natur“ richtig anzupassen, aus der Kultur alle schädlichen Auswüchse aus- 
zumerzen, welche den Lebensbedingungen der Kranken zuwiderlaufen. Für diese 
konzentriert sich daher der weite Begriff Ägyptens und seiner Wüste in den 
beiden Namen: Helnan und Assuan. Sie bieten die notwendigen hygienischen und 
sanitären Forderungen bei völligem Komfort in guten, z. T. erstklassigen Hotels 
und Pensionen. In letzter Zeit ist in Heluan sogar ein nach modernen Prinzipien 
gebautes Sanatorium errichtet worden, welches unter ärztlicher Leitung steht. 
Die Preise sind allerdings in den besseren Häusern sehr hoch (12—18 M. pro Tagt. 
Aber es findet sich, wenigstens in Heluan, auch für Minderbemittelte die Gelegen¬ 
heit, sich nach der Decke zu strecken, ohne daß sich durch solche Unterkunft 
(mit 8—10 M. pro Tag) die Aussicht auf guten Kurerfolg verringert. Die Rücksicht 
auf „Nierendiät“ ist allen Hoteliers in diesen Kurorten in Fleisch und Blut über¬ 
gegangen. Lungenkranke finden allerdings die für sie so nötige kräftige Ernährung 
am besten in teuren Häusern. Milch kann in Heluan aus gut geleiteten Meiereien 
Cairos in vorzüglicher Qualität bezogen werden. 

In letzter Zeit ist Assuan mehr und mehr der Kurort Ägyptens geworden. 
Seine malerische Lage übt auf die Touristenwelt einen großen Reiz aus. Erst 
seit einigen Jahren ist es kultureller Bequemlichkeit erschlossen, und naturgemäß 
hält der Fremdenstrom mit der Kultur gleichen Schritt — dem Neuen nach! 
Für Kranke aber hat Heluan den entschiedenen Vorzug größerer Ruhe. 
Es ist ein ernstes Bad, und Kranke, die es in diesem Sinne nehmen, 
werden es zu schätzen wissen. Auch ist es von Cairo aus in V' 2 Stunde 
zu erreichen, Assuan erst in 20 Stunden einer heißen und staubigen 
Eisenbahnfahrt, und wenn auch für viele Kranke das Gute erst i« 
Ägypten liegt, in Ägypten selbst angekommen, ist es für manchen 
Patienten doch von Bedeutung, daß das Gute dann nahe liegt. Au< 
demselben Grunde ist der weite Wasserweg nach Assuan auf Nildampfern und 
Segelbooten, zugleich des Nebels und der kalten Feuchtigkeit wegen, ein ent¬ 
schiedenes Risiko. 

In klimatischer Beziehung stehen Heluan und Assuan sich ungefähr gleich. 
Im Monat Januar, dem „kältesten“ Monat Ägyptens, beträgt die mittlere Temperatur 
Heluans + 13°, die Assuans + 15,5° C. Die Minimaltemperatur ist in Heluan mit 
+ 8° geringer als in Assuan mit + 7,4° C. (Diese und folgende Daten Fr. Engel* 
beruhen auf lOjähriger Beobachtung.) Die mittlere relative Feuchtigkeit beträgt 
in Heluan im Januar 58%, in Assuan 56,3%, ein bedeutungsloser Unterschied! 
In Assuan fallen im ganzen Jahr nur wenige Tropfen Regen; in Heluan beträgt 
die Regenmenge im regenreichsten Monat auch nur 8,2 mm. Die Windstärke ist 
in Assuan, welches zwischen zwei den Nil einfassenden Bergrücken liegt, entschieden 
größer bei Nord- und Südwind als in Heluan. Ein Pro für Assuan ist in der 
längeren Sonnenscheindauer enthalten (mittl. tägl. in Assuan 10 54 St., in Heluan 
7 18 St.). Für Heluan und seine Wüste liegen noch folgende wissenschaftliche 
Ergebnisse vor: Die bakterizide Kraft der Sonne ist imstande, virulente Tuberkel¬ 
bazillen innerhalb höchstens 6 Stundeu eines Tages zu töten. (In Denver, einem 
amerikanischen Kurort, braucht die Sonne 30 Stunden, die sich auf 2 Monate ver¬ 
teilen.) Der Keimgehalt der Wüstenluft ist minimal, durchschnittlich nur 28 Keime 
pro 100 Liter Luft (H. Engel). 


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389 


Über Ägyptens Kurorte und Indikationen. 

Ein wesentlicher Unterschied beider Kurorte besteht nach dem Gesagten, 
namentlich in klimatischer Hinsicht, im Winter nicht. Nur im Interesse einer 
Arbeitsteilung sei betont, daß tur Assuan die Monate Dezember und Januar, für 
Heluan die Monate November, Februar, März und April die günstigsten sind. 

In folgender Indikationsaufstellung für Ägyptens Kurorte sei nur das bis 
jetzt absolut und positiv Feststehende und das Bedeutsame kurz zu- 
sammengefaßt. 

An erster Stelle steht die Nephritis. Die Begründung hierfür ist schon 
iben gegeben. Vor allen Dingen gelingt es oft, solche Nephritiden, die nach 
Infektions- und Intoxikationskrankheiten, wie Scharlach, Diphtheritis, Influenza, 
Quecksilbervergiftung etc., ganz akut eingesetzt haben und in chronische inter¬ 
stitielle oder subakute parenchymatöse Formen überzugehen drohen, durch eine 
sofortige Kur zur Abheilung zu bringen. Die genuine Schrumpfniere wird, wie 
gesagt, nur durch oft wiederholten oder langjährigen Aufenthalt günstig beeinflußt. 
Syphilitische Nephritiker sollten nur Heluan als Kurort ins Auge fassen, der dort 
vorhandenen, vorzüglich wirksamen Schwefelbäder wegen. Diese scheinen über¬ 
haupt den bei Nephritis so viel erprobten Kohlensäurebädern in ihrer Reiz Wirkung 
audie Haut sehr nahezukommen. 

Chronischer Gelenk- und Muskelrheumatismus und Gicht werden 
ia nicht zu vorgeschrittenen Fällen stets gebessert. Sand- und Sonnenbäder, die 
jj in der Wüste stets fertig zu haben sind, und die Heluanbäder, eventuell 
i»mbiniert mit Massage im Bad, stellen ein vorzügliches Adjuvans dar. Starke 
Beteiligung des Cor (inkompensierte Herzfehler!) ist hier sowohl wie bei der 
nephritischen Herzschwäche eine Kontraindikation, verbietet ja auch schon die 
Reisestrapazeu, die, wenn auch im Zeitalter des Verkehrs geringer geworden (von 
Berlin bis Cairo nur 5 Tage!), doch bei gebrechlichen und aufgeregten 
Kranken sehr schädlich wirken können. 

Herzkranke leichten Grades finden in der anregenden, erfrischenden 
Luft der Wüste und durch Vermeidung der europäischen Winterschädlichkeiten 
wesentliche Vorteile. Emphysen, chronischer Bronchialkatarrh, Asthma 
auf cardialer Basis — und auch idiopathischer Natur — werden durch die reine 
Luft der Wüste sehr günstig beeinflußt. Bei größerer Hitze sinkt der Blutdruck, 
wie sich mir in vielen Fällen mit dem Gärtner sehen Tonometer ergeben hat. 
Oh darin ein Vorteil oder Nachteil für Herzkranke gesehen werden soll, hängt 
von der noch unbeantworteten Vorfrage ab, ob die Ursache hierfür peripher (Er¬ 
weiterung der Hautkapillaren) oder zentral (schwächere Herzaktion) zu suchen 
ist. Herzkranke mit sehr niedrigem Blutdruck dürfen jedenfalls ihren Aufenthalt 
nicht in die heiße Zeit ausdehnen (s. o.). 

Von den Lungenkranken passen nur die Formen reiner chronischer 
Tuberkulose ohne Komplikationen nach Ägypten. Kontinuierliches Fieber, Darm¬ 
tuberkulose sind absolute Kontraindikationen. Auch offene Kehlkopftuberkulose 
wird durch gelegentlichen Staub, der ja allerdings in der Wüste nahezu aseptisch 
ist. aber immerhin mechanisch reizen kann, eventuell geschädigt. Die unkompli¬ 
zierte Lungentuberkulose, namentlich die offene mit starker Sekretion und 
Cavemenbildung, kommt in nicht zu vorgeschrittenen Stadien und namentlich durch 
wiederholten Aufenthalt (s. o.) oft zum Stillstand. Das ägyptische Winterklima 


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390 H. Engel, Über Ägyptens Kurorte und Indikationen 

hat keinen verweichlichenden, Stoffwechsel hemmenden Effekt wie z. B. das gleich¬ 
mäßig warme der Canarischen Inseln und Madeiras. Es wirkt im ganzen durch 
seine Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht anregend und erfrischend, ohne 
dabei die gefürchteten Gefahren der Erkältung in sich zu tragen, weil die große 
Trockenheit der Luft der Kälte ihre schädigende Wirkung nimmt. Die Tuberkulose 
ist ja auch keine Erkältungskrankheit, wenn man sie nicht künstlich dazu macht. 
Freie, frische Luft ist die beste Arznei, und nirgends kann man sie mehr finden, 
als in den langen, sonnigen Tagen des ägyptischen Winters. Die bei Lungen¬ 
kranken so leicht alterierte Psyche findet im ägyptischen Wunderland mit seiner 
großen Vergangenheit und bunten Gegenwart die günstigste Anregung, und nirgends 
wird das für diese Kranke so nötige Dolce far niente so sehr zum inneren geistigen 
Tun, als unter dem phantastischen Zeichen der geheimnisvollen Sphinx. — Zur 
Aufsaugung alter Exsudate und pleuritischer Schwarten können in geeigneten Fällen 
Heluans Bäder, deren resorbierende Wirkung auch bei anderen Erkrankungen 
(chron. Endo-, Peri- und Parametritiden, chron. Prostatitis, chron. Arthritiden 
[s. o.] etc.) erprobt ist, in vorsichtiger Weise angewandt werden. — In alledem 
liegen entschiedene Vorteile vor den Kurmitteln europäischer Kurorte für Lungen¬ 
kranke. 

Auch für Rekonvaleszenten jeder Art, für welche das gern verordnet 
„changing“ des englischen Arztes so wichtig ist, ist Ägypten ein geeigneter Platz. 
Die Gefahren der Ansteckung irgendwelcher Art sind nirgends so klein, als in 
der sonnigen, freien Wüste (s. o.). 

Eine spezielle Indikation Heluans ist die Syphilis aller Stadien. Die 
Kombination von Quecksilberkuren mit dem Gebrauch von Heluans Schwefel¬ 
thermen, den stärksten der Erde, hat in hunderten von Fällen sekundäre und 
tertiäre Symptome zum Schwinden gebracht, und ist diese Bedeutung Heluans 
durchaus nicht bekannt genug. 

Bringt diese kurze Erörterung dem Eingeweihten auch nicht viel Neues, so 
trägt sie vielleicht doch dazu bei, die Bedeutung des Klimas, speziell des ägyp¬ 
tischen, in helleres Licht zu rücken. 


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M. van Oordt, Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusamniensetzung etc. 391 


IV. 

Ober Veränderungen von Blutdruck, Blutzusamniensetzung, 
Körpertemperatur, Puls- und Atmungsfrequenz durch Ein¬ 
wirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von 

Dr. H. yan Oordt in St. Blasien. 

(Fortsetzung.) 

Einfluß auf den Blutdruck. 

Berücksichtigen wir auch hier zunächst nur solche Resultate, welche wegen 
des verschiedenen Verhaltens des Blutdrucks bei verschiedener Körperstellung 
•Marey, Ekgren, 17 ) Sahli 87 ) nur bei absoluter Ruhelage gewonnen sind, so hat 
in 22 von 25 Einzelversuchen bei 5 Personen der Einfluß der Kälte auf die 
unbedeckte Haut eine Erhöhung des Blutdrucks bewirkt. Die Erhöhung ist nicht 
e/ne nur momentan (Ren6 Verhoogen 18 ) durch den Kältechok bedingte und 
deshalb ganz kurz dauernde, sondern sie tritt da, wo sie durch eine Serie von 
Messungen hindurch verfolgt wird, als eine kontinuierliche Steigerung des Blut¬ 
drucks auf und erreicht in einzelnen Fällen den Höchststand erst nach längerer 
Kältewirkung. Die Druckmessungen konnten nur in geringem Maße durch Frösteln, 
geringe Aktion der willkürlichen und unwillkürlichen Muskulatur oder geistige 
Anspannung (Moritz, 19 ) Kornfeld, 20 ) welche trotz der nötigen Vorsicht bei dem 
einen oder andern Untersuchten vorkamen, beeinträchtigt werden. Wo dies einmal 
geschah, zeigte das Manometer eine sofortige, aber vorübergehende Steigerung, 
die nicht aufgezeichnet wurde. In den 2 Fällen M. 4 u. 0.6 (s. Tab. 5) ist der 
Blntdrnck gleichgeblieben. Möglicherweise hatte aber da vor der ersten in der 
Kälte vorgenommenen Messung, die in den genannten 2 Fällen erst nach 
10 Minuten erfolgen konnte, schon ein höherer Wert bestanden, denn manchmal 
wurden die höchsten Blutdruckwerte schon nach 5 bis 7 Minuten Kältedauer 
erreicht, und es machte sich nach dieser Zeit ein langsamer Abfall bemerkbar, 
der jedoch bei keinem der Versuche, mit Ausnahme der eben erwähnten, bis zum 
Anfangswert zurückging. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei 0. 8 (s. Tab. 5), 
wo man sogar erst nach 15 Minuten Kältewirkung zur Messung kam. Aus 
unbekannten äußeren Gründen liegen aber gerade bei 0. 6 und 0. 8 die Blutdruck- 
werte vor der Kältewirkung schon außergewöhnlich hoch, nämlich 126 und 127 mm 
gegenüber dem sonst höchsten, im Vorbereitungsstadium gefundenen Wert von 
118,5 mm und fast 15 mm über dem Durchschnitt der Blutdruckhöhen nach dem 
Vorbereitungsstadium dieser Versuchsperson, so daß möglicherweise die Kälte¬ 
wirkung auf das schon unter erhöhter Spannung stehende Gefäßsystem nicht mehr 
sich geltend machen konnte. Man kann also wohl von einer fast ausnahmslosen 


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392 M. van Oordt 


Steigerung des Blutdrucks während der Kälteperiode sprechen, um so mehr, als die 
Durchschnittszahlen aller Versuche bei jeder einzelnen Person trotz dieser wenigen 
gegenteiligen Resultate eine Steigerung des Blutdrucks erkennen lassen (s. Tab. 7). 
Die durchschnittliche Steigerung betrug bei einer Kälteexposition von 15 bis 
25 Minuten 11,76 mm. Winternitz 21 ) und 0. Müller 22 ) fanden bei kühlen 
Duschen Steigerungen bis zu 20 mm, andere, wie Tschlenoff 23 ), nur minimale 
Steigerungen. Das hängt augenscheinlich von der Summation und der Kombination 
der Hautreize, sowie vom Zeitpunkt der Untersuchung ab. 

Mit dem Wegfall des Kältereizes sinkt der Blutdruck regelmäßig, gewöhnlich 
jedoch ohne selbst in Messungen nach 50 und 60 Minuten von diesem Zeitpunkt 
an wieder auf den Stand vor der Kälteeinwirkung gefallen zu sein. Eine weitere 
Steigerung des Blutdrucks in der Periode der Wiedererwärmung wird nicht be¬ 
obachtet, sondern die Hg-Säule fällt sofort nach Beginn der Wiedererwärmnn? 
ziemlich rasch auf eine gewisse Höhe und nimmt dann meistens kontinuierlich, 
wenn auch langsam ab. Nur in einzelnen Fällen erfahrt sie nochmals eine kleine 
Erhebung, die jedoch nie mehr die Höhe der Kältesteigerung erreicht. Die zeitlich 
geordneten Mittelwerte aus sämtlichen Versuchen sind in Tab. 8 zusammengestellt. 
Bei einem mittleren Schwellenwert von 111,72 mm Hg ergab sich ein Mittelwert 
aller maximalen Steigerungen durch Kälte nach verschieden langer Exposition 
von 11,76 mm, d. h. von ca. 10%. Nach einer durchschnittlichen Dauer der künst¬ 
lichen Reaktion von 40 Minuten ist noch eine Steigerung im Mittelwerte von 2\, 
nachweisbar (s. Tab. 7 und 8). 

Mit dem Steigen und Fallen des Blutdrucks scheinen nun folgende 
Eigenheiten der Resultate ursächlich eng verbunden zu sein. Mit dem Steigen 
des Blutdrucks geht eine Kontraktion der Hautgefäße einher, und beim Nach¬ 
lassen dieses Kontraktionszustandes in der Peripherie kommt eine Senkung 
des Blutdrucks zustande. Aber während unter der Wiedererwärmung eine 
völlige Entspannung der Kapillaren mit ihren Folgen für die oben beschriebene 
Blutverteilung und den später zu besprechenden Wärmehaushalt eingetreten und 
damit zugleich ein ätiologisches Moment für die Drucksteigerung, nämlich der er¬ 
höhte Widerstand seitens der Gefäße der Oberfläche gefallen ist, ist der Blutdruck 
im allgemeinen noch nicht auf seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Es liegt nahe, 
den Grund für diese persistierende Erhöhung des Blutdrucks in einem erhöhten 
Eigentonus der großen Gefäße bzw. in einer Vermehrung der Herzkraft zu suchen 
und der Nachdauer einer reflektorisch durch Kältereiz von der Haut aus erhöhten 
Leistung des Herzens zuzuschreiben. Kann nun zwar für die Kälteperiode selbst 
die Blutdrucksteigerung aus den doppelten Gründen der Erhöhung des Gefäßtonns 
und der reflektorisch gesteigerten Herzenergie leicht verständlich gemacht werden, 
so scheiden doch infolge der Wiedererwärmung der Haut diese beiden Faktoren 
nacheinander aus. Eventuell ist aber noch ein dritter Faktor für einige Zeit 
von Belang, nämlich das Rückfluten kälteren Blutes aus der abgekühlten Ober¬ 
fläche, die mehr und mehr wieder in den Stromkreis einbezogen wird, in das 
Körperinnere und damit auch in das Herz oder zu denjenigen Reizstellen im 
Nervensystem, w r elche unter thermischer Anregung eine Blutdruckerhöhung aiis- 
lösen können. Die Aktionsbreite dieses Faktors entzieht sich allerdings in den 
vorliegenden Versuchen völlig der direkten Messung. Während der Kälteperiode 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


393 


spricht dieser Faktor aus dem Grunde nicht mit, weil hier, wie unten gezeigt 
werden soll, etwas wärmeres Blut im Innern des Körpers zirkuliert, als vor dem 
Versuch. Für die Nachperiode kann er nicht ohne weiteres geleugnet werden, 
wenngleich eine Wirkung geringer Temperaturschwankungen des Blutes auf den 
Blutdruck ohne gleichzeitigen sensorischen Wärmereiz anscheinend ausgeschlossen 
ist, wie die Versuche von Stefani, 24 ) Winkler, 25 ) Goltz und Ewald 26 ) erkennen 
lassen. Als bedeutend vermag ich ihn für die Blutdruckerhöhung jedenfalls nicht 
einzuschätzen, da auch in einigen der vorliegenden Versuche bei sehr geringem 
Temperaturabfall des Körperinnem trotz deutlicher Gefäßerweiterung der Ober- 
iäche in der Nachperiode der Blutdruck erhöht bleibt. Auch über die Wirkung 
der Wärmeentziehung auf die Herzkraft ohne gleichzeitigen reflektorischen Reiz 
wissen wir nur wenig. Die Beobachtungen von Langendorf, 27 ) Athanasiu und 
Varvallo, 23 ) die ich nach Matthes (1. c. S. 35) zitiere, zeigen, daß das Herz 
den Temperaturschwankungen des durchströmenden Blutes gegenüber sich inner¬ 
halb weiter Grenzen anpassen kann. Immerhin kann es noch fraglich bleiben, 
ob Temperaturerniedrigung des Blutes auf dem Wege der Herzbeeinflussung blut¬ 
druckverändernd wirken kann. 

Auch die unter leichter Bewegung aufgenommene Versuchsreihe (s. Tab. 9) 
wtigte im Sinne einer Steigerung nahezu dieselbe Manometerkurve, da auch hier 
fe Messungen erst ausgeführt wurden, wenn nach Ablauf der Bewegung eine 
iaierlich wahrnehmbare Beruhigung des Körpers eingetreten und ein Stillstand 
d? Quecksilbersäule nach den durch die Bewegung hervorgerufenen Schwankungen 
in der Steigerung erfolgt war. Aus den Untersuchungen von Moritz (1. c.) wissen 
«ir zudem, daß durch leichte Körperarbeit überhaupt nur vorübergehende Druck- 
Weigerungen erzielt werden. Die dabei gefundenen Werte sind also mit der 
notigen Vorsicht wohl mit den in den Kälteruheversuchen erhobenen vergleichbar, 
nnd bestätigen bezüglich der Kältewirkung auf den Blutdruck deren Richtigkeit. 

Dagegen ist zwischen dem Verhalten des Blutdrucks unter Einwirkung kalter 
Luft mit nachfolgendem Wegfall der Kälte und demjenigen nach Applikation kalter 
Bäder und kalter Duschen ein Unterschied festzustellen. Der Blutdruck nach ab- 
kühlenden Bädern und Duschen fällt nach einer allerdings größeren Steigerung rasch 
wieder zur normalen Höhe ab, wie dies die Versuche Hegglins 29 ) und 0. Müllers (l.c.) 
^igen. Möglicherweise liegt nun die Ursache dieser rascheren Herabsetzung zum 
Teil in dem Einfluß der stärkeren Wärmeentziehung durch kühle Bäder auf den 
Tonus der großen Gefäße oder auf die Herzkraft. Die Wärmeentziehung kann 
*hon nach 3 Minuten unter völlig ruhigem Verhalten bis zu mehreren Graden C 
™ der Achselhöhle und im Rektum betragen, es ist dies jedoch, wie z. B. 
"internitz (1. c.), Liebermeister, 30 ) Jürgensen 31 ) u. a. durch Temperatur- 
messungen in und nach kühlen Bädern zeigten, durchaus nicht immer der Fall. 
Bti Fiebernden sinkt der Blutdruck im Laufe der Nachwirkung kühler Bäder 
'zitiert nach Matthes 1. c. S. 40 und 41). Es hat dabei allerdings eine stärkere 
" ärmeentziehung, die bei Typhuskranken sich oft auf mehrere Grade ausdehnt, 
'tattgefunden; man hat aber bei der Bewertung des Einflusses dieser Wärme- 
Entziehung auf den sinkenden Blutdruck nicht nur diese selbst, sondern auch die 
drnckherabsetzende Erweiterung der Hautkapillaren und gerade in diesen Fällen 
noch den pathologischen Zustand, in dem Herz und Nervensystem sich befinden, 

Zeittchr. f. <jüu. n. phytik. Therapie Bd. IX. Heft 7. 27 


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zu berücksichtigen. Auch für die Herabsetzung des Blutdrucks in diesen Fällen 
ist die Bedeutung der Temperaturherabsetzung also eine recht problematische, so 
daß man die Hauptursache für das differente Verhalten des Blutdrucks in die 
verschieden intensive Erweiterung der Hautkapillaren verlegen wird. Um so mehr 
kommen in den vorliegenden Versuchen nur die Veränderungen des Gefäßtonus 
und der durch sensorischen Reflex des Hautreizes angeregten Herzenergie in 
Betracht. 

Bei der Besprechung der Ätiologie der Drucksteigerung glaubt Mattlies 
(1. c. S. 43) die Wirkung der beiden Faktoren: Herzenergie und Gefäßtonus, 
nicht trennen zu können, solange die Blutdrucksteigerung allein bekannt ist. Das 
trifft zu, wenn wir eine einfache Gleichung mit zwei Unbekannten vor uns haben. 
Nun scheint mir aber eine Unbekannte, nämlich die Spannung der Gefäßwand, 
aus der Gleichung zu verschwinden. Bei Betrachtung der Kurven, welche sämtliche 
am ruhenden Menschen gleichzeitig aufgenommenen Mittelwerte "von Blutdruck und 
Temperatur in 3 Gruppen, nämlich: 

1. vom nüchternen Menschen (Tab. 12a); 2. von der tätig gewesenen Ver¬ 
suchsperson (Tab. 12b); 3. von allen Untersuchten (Tab. 12 c) wiedergeben, sieht 
man, daß mit Aufhören des Kältereizes sich sofort der Temperaturausgleich an¬ 
bahnt, indem die Innentemperatur rasch sinkt, um sich langsam wieder zur früheren 
Höhe zu erheben. Wir wissen außerdem, daß sich die Hautkapillaren erweitern 
und mit den vor denselben gestauten Erythrozyten anfüllen sowie langsam ihre 
Leukozyten hergeben. Während es aber der Hautgefäßerweiterung gelingt, die 
im Kälteruheversuch mangels andrer Reize nur durch die Kälte auf vasomotorischem 
Wege zu verändernde Blutverteilung und Temperaturverschiebung ins Gegenteil 
von dem unter der Kapillarverengung bestehenden Zustand zu verwandeln, kann 
sie das beim Blutdruck nicht. Er sinkt mit dem Wegfall des Kältereizes bis 
wenige Millimeter über seinen Schwellenwert infolge der plötzlich entlasteten Gefä߬ 
wandungen, steigt wieder etwas an und hält sich dann fast gleichmäßig im Verlauf 
einer Stunde 4—6 mm über diesem Schwellenwerte. Nun wäre es noch möglich, 
daß dem Dastre- und Moratschen 32 ) Gesetz zufolge auch ein Hautreiz wie die 
Kälte an der Oberfläche und in den tiefen Schichten des Körpers kompensatorisch 
entgegengesetzte Spannungsverhältnisse der Gefäßwände hervorruft. Es wäre 
dann aber schon im Kältestadium nur eine vorübergehende Blutdrucksteigerung 
mit raschem Ausgleich erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall und auch auf andrem 
Wege erhalten w T ir keine Stütze für die Annahme, daß unter einem Kältereiz 
wie dem vorliegenden, ein solches**Verhalten eintritt. Zwar wissen wir ans den 
Versuchen mit lokalen Kältereizen (Matthes 1. c.,*) Lommel, 33 ) A. Martin. 34 ) 
Pick 35 ) u. a.), daß auf fortgesetzten Kältereiz hin sich die Gefäße der Oberfläche 
und Tiefe verschieden verhalten können, indem bei Erweiterung der Hautkapillaren 
eine Verengerung der tieferen Gefäße eintritt. Man hat darin aber kein reflek¬ 
torisch antagonistisches Verhalten zu erblicken, sondern nur eine Ausdehnung der 
Reizwirkung auf die Tiefe, nachdem in der Oberfläche bereits eine Kältelähmung 
eingetreten ist. Wertheimer 36 ) fand sogar bei Kälteeinwirkungen auf die Haut 
neben der Kontraktion der Hautgefäße vermehrte Eigenspannung der Gefäß- 


•) Anm.: 8. d. vergleichende Zusammenstellung der Befunde hei Matthes 1. c. S. 2 $—ß 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


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wand in der Femoralarterie und in den Nierengefäßen. Man wird also beim 
Eintritt der peripheren Gefäßerschlaffung unter erhöhtem Blutdruck nicht mit 
t-iner Erhöhung des Tonus in andern Gefäßprovinzen zu rechnen haben, und so 
dürfte zum mindesten die Blutdrucksteigerung in der Höhe des Wertes, wie er 
rieh nach dem Kältewegfall bei Erweiterung der Gefäße präsentiert, dem zweiten 
Faktor, nämlich der Erhöhung der Herzenergie ausschließlich Vorbehalten bleiben. 

Dnter meinen Versuchen sind 4 (Tab. 5, M. 4. 6. 7. 8.), bei welchen eine 
' yanose der Extremitäten eine Verlangsamung der Blutströmung in den erweiterten 
Gefäßen der Peripherie verrät. Nur in einem Fall aber sinkt der Blutdruck zur 
Zeit der Stase in unbedeutender Weise, d. h. um 1—3 mm, bei den andern 
3 Versuchen bleibt der Blutdruck ein ebenso unverändert hoher wie bei den 
übrigen Versuchen am gleichen Individuum. Dabei mag unentschieden bleiben, ob 
diese Stase durch Kälteverengung zuführender Arterien allein in der Weise ent¬ 
steht, daß in den erweiterten, bereits durch Kälte gelähmten, zugehörigen Kapillaren 
eine Verlangsamung der Strömung stattfindet, oder ob eine Kälteverengung der Venen 
aiitwirkt. Man kann zur Erklärung des hohen Blutdrucks bei Cyanose eine weitere 
Erhöhung des allgemeinen Gefäßtonus nicht annehmen; jedenfalls aber tritt eine 
Herabsetzung des Gefäßtonus nur in den Kapillaren der Haut peripher vom Sitz 
der Verengung ein, und soweit diese den Blutdruck herabzusetzen imstande wäre, 
wirkt die Verengerung der zuführenden Gefäße kompensierend. Zugleich mit der 
' yanose sehen wir als Zeichen der Stauung die Erythrozytenzahl in den er¬ 
weiterten Hautkapillaren ansteigen. Noch größer wird nun die Erythrozyten¬ 
menge in sämtlichen vier Fällen bei Eintritt der künstlichen Reaktion, d. h. bei 
reichlicher Durchblutung der Haut unter Verschwinden der Cyanose nach dem 
Wegfall des Kältereizes. Der Blutdruck ist dabei gegenüber der cyanotischen 
Periode gesunken, steht aber während der künstlichen Reaktion auch hier noch 
um mehrere Millimeter höher als vor Beginn des Versuchs. Wir haben also noch 
weitere Herabsetzung der Eigenspannung der Gefäßwand in den Hautgefäßen, 
weil vermehrtes Zuströmen der Erythrozyten in die Peripherie nur auf einem 
Nachlaß des Gefäßwiderstandes daselbst, d. h. in einer weiteren Herabsetzung des 
Tonus der Hautgefäße beruhen kann; die Erythrozyten werden durch die Druck- 
Verminderung in der Peripherie sozusagen angesaugt. Wenn dabei dann die 
Stase verschwindet, d. h. die Blutgeschwindigkeit erhöht wird, so muß der in den 
kleineren, oder auch größeren zuführenden Gefäßen herrschende Druck auf das 
erweiterte Kapillargebiet wirken können. Damit ist aber eine Aufhebung der 
'erengung dieser Gefäße, also Herstellung des normalen oder sogar herabgesetzten 
Tonus in denselben notwendigerweise verbunden. Trotzdem bleibt der Blutdruck 
den großen Gefäßen noch um ein gewisses Maß erhöht. Diese Erhöhung kann 
Dar durch eine Vis a tergo, eine erhöhte Tätigkeit von seiten des Herzens bedingt 
Werden. Mit dem Ausschluß andrer Möglichkeiten führen also die hier wieder- 
ß’egebenen Versuche zur gleichen Anschauung wie die plethysmographischen und 
die Experimentalversuche der Baschschen Schule (zit. v. Matthes 1. c. S. 46), 
nämlich daß Kältereiz die Herzenergie während der Kälteanwendung steigert. Wie 
lv ir sehen, überdauert diese Steigerung auch die Anwendung selbst noch um eine 
** beträchtliche Zeit. Die Annahme dieser Erklärung führt denn auch zu einer 
a '»dren Auffassung des Begriffs der Reaktion, als wie sie Winternitz gegeben 

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hat. Die Reaktion nach unkomplizierter Kälteanwendung ist ein 
Produkt der peripheren Gefäßerschlaffung bei normalem oder herab¬ 
gesetztem Tonus der zuführenden Gefäße, aber unter gleichzeitig 
gesteigertem Blutdruck durch die vom Kältereiz angeregte, mächtigere 
Herzarbeit. 

Noch aus einem weiteren Versuch möchte ich für die Zeit der Reaktion die 
Notwendigkeit des Überwiegens der Herzkraft über den Tonus in den Hautgefäßen 
entnehmen. Ich untersuchte bei einem Individuum ohne Herzfehler, aber mit 
wenig leistungsfähigem Herzen den Gang der Temperatur und des Blutdrucks 
(s. Tab. 10). Während der ganzen Zeit der Kälteeinwirkung war der Untersuchte 
blaß und nicht cyanotisch bei mäßig gesteigertem Blutdruck. Gegen Schluß der 
25 Minuten dauernden Kälteperiode trat unter zunehmender starker Senkung des 
Blutdrucks leichteste Rötung der Haut ein, die während der Wiedererwärmung 
blieb, bzw. einen leicht lividen Farbenton annahm. Trotzdem fröstelte von Anfang 
der Kältewirkung an der Untersuchte dauernd, fühlte sich am ganzen Vormittag 
unwohl und hatte unangenehme Sensationen in der Herzgegend. Es ist als« 
äußerlich eine scheinbare Reaktion eingetreten durch Afflux von Blut in das, wie 
das Verhalten des Blutdrucks und die Inspektion zeigt, schon während der Kälte¬ 
wirkung sich entspannende Hautgefäßsystem. Wie der weitere Verlauf der sinken¬ 
den Blutdruckkurve, das Temperaturphänomen und das Fortbestehen der Blut- 
füllung der Haut durchblicken lassen, hat diese Entspannung in der Peripherie 
während der künstlichen Reaktion noch zugenommen, aber zu einer klinisch 
richtigen Reaktion kam es nicht, denn das Herz konnte auf die Dauer nicht m 
einer erhöhten Leistung veranlaßt werden. Mit der Erweiterung und Blutföllung 
der Kapillaren in der Haut sank deshalb der Blutdruck in den großen Gefäßen 
unter die vor dem Versuch gefundene normale Höhe unter Verschlechterung des 
subjektiven Befindens. 

Das Verhalten des Blutdrucks ist das geschilderte insoweit, als der Kältereiz 
allein die Ursache von Veränderungen in der Zirkulation ist und auch da noch, 
wo eine leichte Bewegung eventuell den Blutdruck vorübergehend steigern könnte. 
In beiden Fällen sind die Differenzen im Sinne einer Steigerung nahezu dieselben, 
nämlich 11,76 mm bei unkompliziertem Kältereiz und 11,97 mm bei Kältereiz unter 
leichtester Bewegung (s. Tab. 9). Auch die Veränderungen der Körpertemperatur 
sind nahezu dieselben. 

Ganz anders verhält sich der Blutdruck bei Verbindung des Kältereizes mit 
ausgiebiger anhaltender Bewegung, die doch Blutdruck und Temperatur an sich 
schon erheblich zu steigern imstande ist. Das Mittel der maximalen Steigerungen 
ist hier nicht so hoch, nämlich nur 8,51 mm, und die Innenwärme des Körpers 
ist zugleich herabgesetzt trotz wärmeproduzierender und blutdrucksteigernder 
Bewegung (s. Tab. 11 und 14). Der Grund dafür ist in einer Durchbrechung der 
physikalischen Regulation gelegen; wir finden die Haut mehr oder weniger gerötet, 
also die Hautgefäße erweitert. Zugleich ist infolge der Körperbewegung ei» e 
Erweiterung der Muskelgefäße eingetreten und demnach der Gefäßtonus in weiten 
Gebieten herabgesetzt. Die trotzdem vorhandene Steigerung des Blutdrucks muß 
also wohl auf Rechnung der gesteigerten Herzfunktion zu setzen sein. Anch 
Kornfeld 20 ) sah bei hoher Drucksteigernng infolge angestrengter Arbeit sofort mit 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammenaetzung etc. 


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Einsetzen einer Erweiterung der Hautgefäße und mit Schweißausbruch ein Fallen 
des Blutdrucks eintreten. Ich führe diese Fälle nur an, um zu zeigen, wie groß 
der Gegensatz zwischen unkompliziertem Kältereiz und der Wirkung verschiedener 
Reize in Verbindung mit dem Kältereiz sich gestalten kann. Zwischen diesen 
beiden Extremen liegen die verschiedenen Kälteanwendungen, welche wir mit 
kalten Halb- und Vollbädern, Duschen usw. zu geben gewohnt sind. 

Man wird deshalb die bei einer Versuchsweise gewonnenen Resultate nur 
mit Vorsicht auf die andern übertragen können und jedenfalls nicht von der 
Kältewirkung als solcher bei diesen Prozeduren sprechen dürfen. Das muß auch 
bei der therapeutischen Verwendung von Kältereizen berücksichtigt werden. 

Der Wärmehaushalt. 

Bei den drei Versuchsgruppen, die sich äußerlich voneinander unterscheiden 
j* nachdem die Kältewirkung in völlig ruhiger Körperlage, bei mäßiger oder bei 
ausgiebiger Körperbewegung einsetzte, sind die Produktion von Wärme durch will¬ 
kürliche und unwillkürliche Muskelbewegung uud die Menge der durch Strahlung, 
Verdunstung und Leitung zu Verlust gehenden Wärme, die beiden Faktoren, 
welche den in den drei Gruppen verschiedenen Wärmehaushalt bedingen. Die 
Resultate bei den Ruheversuchen (s. Tab. ö) sind mit wenig Ausnahmen so aus¬ 
gefallen, daß während der Kälteexposition von nicht zu langer Dauer die Temperatur 
im Körperinnern, und zwar in Achselhöhle und Rektum anstieg (s. Tab. 6), nach¬ 
dem manchmal eine sehr geringe Abnahme der Temperatur für Minuten oder auch 
nur für Bruchteile von Minuten vorausgegangen war. Außer diesem Verhalten 
der Temperatur konnte es bei ein und derselben Versuchsperson auch Vorkommen, 
daß sich die Temperatur zunächst nicht änderte, um dann nach einiger Zeit in 
dem einen Versuch langsam zu fallen und in einem andern Versuch anzusteigen. 
Es kann also schon bei demselben Individuum ein wechselndes Verhalten im 
Wärmehaushalt gegenüber der Kältewirkung vorliegen, auch wenn, wie das gerade 
bei den Ruheversuchen der Fall war, nur eine verhältnismäßig geringe Differenz 
der Luftkälte oder der Luftfeuchtigkeit vorlag, so daß im wesentlichen eine 
wechselnde Empfindlichkeit des Nervensystems in Betracht zu kommen scheint. 
In zwei Versuchen endlich (M. 4, M. 8) wurde auch ein Sinken der Temperatur 
konstatiert, allerdings erst nach 10 bzw. 18 Minuten langer Kältewirkung, d. h. nach 
einem Zeitraum, in dem man nach Analogie der andern Versuche an derselben Ver¬ 
suchsperson durch frühzeitigere Messungen eine Steigerung bzw. noch eine längere 
Konstanz der Temperatur hätte nachweisen können. Im allgemeinen erfolgte erst 
nach 15 und noch mehr Minuten ein langsames Sinken der Temperatur, die aber nur 
in einzelnen Fällen unter die anfängliche Messung fiel. Auch unter Hinzurechnung 
dieser Versuche war der mittlere Rückgang der Temperatur nach ihrer Steigerung 
selbst nach längerer Kälteexposition so unerheblich, daß die mittlere Höhe aller 
Messungen am Ende einer Kälteperiode, die sich auf 20—25 Minuten erstreckte, 
die Mittelhöhe der ersten Messungen am Ende des Vorbereitungsstadiums über¬ 
stieg. Die höchste Steigerung der Innentemperatur während der Luftexposition 
beträgt 0,7° C (s. Tab. 5, T. 1). Die mittlere Maximalerhöhung bei den einzelnen 
Personen liegt zwischen 0,1° C und 0,5° C bei dem Kältereiz einer Lufttemperatur, 
die im Mittel 7,5° C betrug, und bei einem Feuchtigkeitsgrad dieser Luft von 


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66%; sie 'ist. hei 26 Verwehe# äh tlinf Rerähneu 0,29° 0 während einn (F 
2» .Minuten dähmide« Kältewirkuög. Ei» stärkerer Temperatursturz, 0,4° R. bc» 
anscheinend übemiißijg .langer 'KiUtewirk’ttng von SO Minuten ist: mir in eilim 
Fall erbebet» worden Dy Täh, ;>. M, 4). Der W&meverlnst. au der Kärpernberflädie 
ist scdion eftf gewesen. . daß • 4ift- £örper mittelst der physikäfädwji. 

Regitlation alieitii seinen. Wiirmehaushftit nickt atelir bestreiten konnte, oder, wuS 
vvalirselieiriUelier ist, die physikalische Regulation begann tnfoigw einer Tuilt*- 
lälnöuhg der Oeiuihs *t ho» m versagen, wie die gleichzeitige yenfotne des. ßl« r - 
drucks andeatet. Ich habe »tiege Jiessang bei der kiuvenmäbjggßIpr^itmgjkv 
mittleren Temperstlni-stänges' nur. ahgedeutet du die; Werte der andern AVrMelie i»>d! 
vor dem Versage« der ghystkalfsclieit KegnW-iön anfgenommeu Sind (s. Tab. W 
Einen markanten D’egt'nsUf* zur stmgemle» Tendenz der iimeut.eiuper-'tüi' 
des Körpers ttnter dßr K^lteekpoatiun zeigt der \V%metiatiSkMl: rtside Wegßli 
des Kältvreizes bei sorgfältiger Einhüllung des ruheudeu Körpers nt w«U**n*. 
Deeken. Dirv inneötempenittsr des Körpere In Achselhöhle und Msstdurm biuu; 
-sofort an zu sinken und fallt öfters verhältmsmaUig erheb!icii uruec die vor slciii 
Versuch bestehende Inneufmperanu- des .Organist»»«*. Sie ermoht selbst »sid» 
einer Wiedererwämung von 60 Mintitejj Dauer mir in den 
einigeniftle knapp die Röhe dev vor der Ivftliewirkuiig 
teuipemtntc Regelmäßig bleibt innerhalb der angegebenen MogdeiaiTWimiumg?^- 
von einer Stande die JuneBteinperatur ßgfbr als während der Xdltgd&ugtv uitii i« 
lp : Einzelversuchen auch als "in .der 

bereitiingszeit. Der. mittlere. Temiiwö.tia-ablall .midi der Kälfe.pe.rioib;. »mli%t.i• 
mW de?'.STfehiperatur, die dem Versuch zugrunde lag, ist 0,18° C> D*s.y$1tte.l D. 
SeliWftnkuua zwischen der mittleren Teniperatmerhebimg in der Kälfepei oiiie iM; 
.kr ..mittleren.- '•Herabsetzung 1 während der . $ta?UpeD»de beträgt 0,4? s> d<-< ’> 
k;«meu in einzelnen Fällen Temperaturstürze von 0,8’* l*.. in eine»» Fall ts, Tat. 

T, 2) von 1.1:^ D in der Mächperiode vor. Hie MgD ( Ri#dt gebeit; die *Fcmpe»iw 

!'.■ l< f 11»‘ «>. 




VWr\)(ir}Qt\h 





399 


Über Veränderungen von Blutdruck, Blutznsainmensetzung etc. 

der Achselhöhle wieder, aber genau so wie diese verhält sich die Rektaltemperatur, 
welche bei einer Person in 10 Einzelserien zugleich mit der Achseltemperatur an 
verglichenen Thermometern abgelesen wurde (s. Tab. 6). Es hat sich dabei gezeigt, 
laß die Differenzen der beiden Temperaturserien nahezu konstant sind, so daß wir 
also in dem Stand der Axillartemperatur keinen von zufälligen äußeren Einflüssen 
direkt abhängigen Befund zu erblicken haben, sondern die Achseltemperatur in 
den vorliegenden Versuchen als Innentemperatur des Körpers auffassen können, 
l'ie Differenz zwischen den Temperaturen an beiden Messungsstellen beträgt am 
Ende der Vorbereitungszeit direkt vor der Kälteexposition gewöhnlich 0,1° C. 
Sahli 37 ) gibt 0,2° C Erhöhung der Rektaltemperatur über die Axillartemperatur 
an. Auch im Rektum zeigte sich also eine dem Gang der Axillartemperatur 
ähnliche kleine Steigerung der Temperatur in der Kälteperiode, und ein Abfall 
während der Nachperiode. Die Zahlenmittel sind: 

vor der Kälte nach der Kälte nach Kältewegfall 
Achselhöhle. . . . 36,8 36,81 36,39» C, 

Rektum. 36,91 36,94 36,57 0 C. 

Nur bei längerer Kältedauer machen sich kleine Unterschiede von diesem 
Verhalten bemerkbar, denn während in der ersten Viertelstunde unter dem Einfluß 
ler Kälte, ebenso wie in der Vorbereitungsperiode, sich die Temperaturen von 
Achselhöhle und Rektum in demselben Abstand bewegen, 

0,11° C vor der Kältewirkung, 

0,09° C nach 5 Minuten Kältewirkung, 

0,11» C „ 10 „ 

0,11 »C „ 15 „ 

ist die Rektaltemperatur nach 20 Minuten Kältewirkung um 0,13» C, 

„ 30 „ „ „ 0,20» C 

and nach einer Wiedererwärmung von 60 ,, „ 0,18» C 

höher als die Axillartemperatur. Man ersieht aus dem tiefer werdenden Stand der 
Axillartemperatur bei längerer Kältedauer, wie der Temperaturabfall von der Haut 
aus kontinuierlich gegen das Zentrum vordrängt, ohne daß darum das physikalische 
kegulationsvermögen schon zu versagen braucht. Andrerseits scheint es, als ob 


Tabelle 7. 


■ 

d 


Vorperiode 

Kälte 

Wirkung 

Nach] 

Periode 


£ 

.SP = 

^=5 ° 

d 

q a 


Mittleres 

Maximum 

Differenz gegen 
die Vorperiode 

Mittleres 

Minimum 

Differenz gegen 
die Vorperiode 


2.2 

ja 

5 

-.2 

© 

^ Um 

£ 

Mittler 

Körpertei 

»- 5 
o «- 
rz T 3 

2 13 

|s 

Blutdruck 

8.5 
§ s 

H 

Blutdruck 

Tempe¬ 

ratur 

Blutdruck 

Tempe¬ 

ratur 

Blutdruck 

M. 

7,4 

1 75 % 

36,8 

115,1 

36,81 

126,0 , 

+ 0,01 

+ 10,9 

36,39 

i 

119,8 

-0,41 

+ 4,7 

T 

7,9 

: 80% 

36,26 

117,0 

36,61 

137,5 1 

+ 0,35 

+ 20,5 

35,9» 

121,5 

-0,31 

+ 4,5 

\\\ 

8 

1 61% 

36,8 

950 

37,2 

1040 

+ 0,4 

+ 9,0 

36,5 

96,0 ;j — 0,3 

+ 1.0 

C. 

7 

| 50% 

36,6 

114,5 

37,1 

127 , 5 ; 

+ 0,5 

+ 13,0 

36,83 

115,5 

+ 0,23 

+ 1,0 

0. 

8,75 

| 57% 

36,27 

117,0 

36,53 

122,4 

+ 0,26 

+ 5,4 

36,17 

116,6 I -0,1 

-0,4 

Mittel¬ 

werte 


1 

i 

36,56 

111,72 

36 85 

123,48 

+ 

o 

lg 

+ 11,76 

36,38 

113,88 

- 0,18 

+ 2,16 


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400 


M. van Oordt 


in der Nachperiode infolge des sich geltend machenden Blutgefühls (Bier) in den 
der Kälte entronnenen Hautkapillaren die Zirkulation und damit der Temperatur¬ 
ausgleich zwischen den innersten und äußersten Körperschichten sich in lebhafterem 
Grade vollziehen, als in den weder den Temperaturreizen noch Funktionsreizen 
unterworfen gewesenen mittleren Schichten, die vorwiegend die ruhende Muskulatur 
umfassen und auch die Achselhöhlentemperatur bestimmen. Dieselben stehen also 
unter geringerer Blutversorgung, und die Temperatur in ihnen sinkt etwas mehr 
oder steigt auch langsamer an als in den tieferen Körperschichten, denen sie sich 
in ihrem Verhalten vor dem Kälteversuch anschließen. Die Differenzen sind im 
übrigen so klein, daß der Vergleich zwischen der mittleren Herabsetzung der 
Axillartemperatur um 0,47° C und der mittleren Rektaltemperatur um 0,42° C nur 
die Richtigkeit der auf die Messungen in der Achselhöhle bezogenen Resultate 
bestätigt. 

Die zunächst paradox erscheinende Erhöhung der Körper-Innentemperatur bei 
Entblößung und Kältewirkung kann entweder durch Wärmeproduktion bedingt sein, 
oder durch eine Veränderung der Zirkulationsbedingungen an der Körperoberfläche 
und in der Tiefe. In letzterem Sinne sprechen schon Winternitzsche Beob¬ 
achtungen mit (1. c.), die ein Steigen der Temperatur der Axilla und ein Sinken 
der Temperatur der Hand bei dazwischen liegender lokaler Kälteapplikation zeigen: 
auch Liebermeister 30 ) fand während kalter, kurzer Bäder keine Temperatur¬ 
herabsetzung während des Bades, öfters dagegen eine leichte Erhöhung. Eine 
Veränderung der Wärmeproduktion liegt sicher nur im geringsten Maße vor, denn 
der Körper liegt in möglichster Ruhe; Atmung und Pulsfrequenz sind verlangsamt: 
zwar tritt hier und da bei starkem Frösteln unwillkürliches Muskelzittern auf. 
doch dürfte die damit verbundene Wärmeproduktion nicht imstande sein, die 
massenhaft ausströmende Wärme zu ersetzen, wenn nicht die physikalische Wärme¬ 
regulation an der Oberfläche der Haut im weitesten Maße einsetzte und damit die 
Wärmeabgabe vermindern würde. Rubner 38 ) sah mit dem Ablegen des letzten 
Kleidungsstückes einen förmlichen Sturz der Hauttemperatur eintreten und um¬ 
gekehrt beim Wiederauflegen des ersten Kleidungsstückes die stärkste Erwärmung 
auftreten. Der Vorgang der physikalischen Regulation muß also sehr rasch vor 
sich gehen. Er gibt sich schon durch die Inspektion kund, indem die Haut 
blässer und blutärmer wird, wofür wir die Kontraktion der Hautgefäße verant¬ 
wortlich machen. Einen weiteren Einblick in die Zirkulationsveränderung der 
Haut tun wir mit der Beobachtung der Erythrozytenverarmung in den ober¬ 
flächlichen Kapillaren. Es zirkuliert also weniger Blut in der Haut, die Haut¬ 
funktionen sind herabgesetzt, und sie strahlt weniger Wärme aus. Auch der 
Verlust von Wärme an die umgebende Luft durch Leitung und Verdunstung, 
welcher von der Wärmekapazität und dem Wassergehalt der umgebenden Luft 
einerseits, andrerseits von der Temperatur und der Feuchtigkeit der Hautoberfläche 
abhängt, kann nur ein geringer sein, da die physikalische Regulation auch auf diese 
Möglichkeiten eines Temperaturausgleichs aus denselben Gründen beschränkend 
einwirkt. Die physikalische Regulation ist nun nicht nur imstande, bei gleich¬ 
bleibender oder sogar verringerter Wärmeproduktion des ruhenden Körpers die 
Abgabe einzuschränken, sondern sogar noch zu einer leichten Wärmestauung im 
Innern des Körpers zu führen; so z. B. verhielt sich bei einem Kälteluftbad von 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


401 


-0.5° C und 83°/ 0 relativer Feuchtigkeit der Luft in absoluter Körperruhe bei 
riner Dauer von 20 Minuten die Temperatur wie folgt: 


vor 

nach 

; nach j 

nach 

«iem Versuch 

5 Minuten 

I 15 Minuten 1 

20 Minuten 

36,25 

36,5 

36,6 j 

36,45 


nach 10 Minuten I nach 20 Minuten 
Wieder- ! Wieder¬ 
erwärmung 35,5 ! erwärmung 36,7 


Tabelle 8. 


Luftexposition Nachperiode 


-*-v-*-s 






3 

0 



















— 










— 




j 

v 














1 

\ 


1 

\ 














/ 

\ 


1 

\ 














/ 

\ 

* 


1 

' 


\ 













/ 





\ 

1 













i 




• 

\ 

i • 

► - s 

1 

-rH 











— 



m 


/ 

• 

\ 


> 

Y 

% 

% 

i 

• 

• 







- - 


—. 

F • 



r 

i 

• 

|| 


\ 

% 

• 

• 

* 

• 

• 

• 

• 

• 









• 


* 

i 


r 

• 

»• 

Ü 


» 

• 

• 

* 

• 

• 

• 

• 

• 

• 









i 


i 

• 


i 

• 

■ 

fl 

II 

1 


• 

t 

• 

• 

• 

• 

• 

• 

• 

• 









i 

1 

• 


l 

• 

i 

1 

1 

1 


• 

• 

• 

• 

• 










s 

f 


1 

• 

t 

1 

1 

ft 

4 



• 

• 

_1 




• 

• 

• 






□ 

f 


t 

• 

\ 


/ 

f 


_ 

\ 

• 

• 

I 

• 

• 

• 

• 


- 1 


^- 





1 



• 

i 





jv 

> 



















































- i 






























Jede Abscisse eines Quadrates = 5 Minuten. 

„ Ordinate „ „ = 1 Herzkontraktion. 


= 01 0 C 

V M »» V - 

„ „ „ „ =2 mm Hg Blutdruck. 

Blutdruck —— Temperatur Puls —— 


Werfen wir dagegen einen Blick auf die Tabellen 11 und 14, wo die Versucks- 
anordnung so liegt, daß Einwirkung kühler Luft bei sonst etwa gleichen 
Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen mit ausgiebiger Bewegung im Freien 
verknüpft ist, so sehen wir, daß dabei mit Rötung der Haut, rascher Verdunstung 
ind reichlicher Abgabe von Wärme an die ständig am Körper vorüberstreichende 
kalte Luft die physikalische Regulation aufgehoben ist, und trotz starker Wärme- 
produktion in den Muskeln enorme Wärmeverluste in die bewegte umgebende 
Luft stattfinden. Dieselben sind so groß, daß sich sogar von vornherein ein 
Defizit ergibt, welches im Mittel bei jeder einzelnen von 4 Versuchspersonen 


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402 


M. van Oordt 


zwischen 0,2° C und 0,3° 0 schwankt und als Mittel von 22 Versuchen an diesen 
4 Personen 0,26° C beträgt. Wie schon angedeutet, sind in dieser Yersuchs- 
gruppe auch die Zirkulationsverhältnisse analog dem Wärmehaushalt des Körpers 
durchweg verändert. Die Haut wird mehr oder weniger blutreich, der Blutdruck 
steigt zunächst noch durch die anhaltende Muskelarbeit trotz der peripheren 
Erweiterung, die Temperatur in der Achselhöhle sinkt aber infolge der vermehrtet 
Abgabe rasch, um erst nach längerer Bewegung wieder anzusteigen, ohne jedoch 
den anfänglichen Temperaturstand zu erreichen. Von der 30. Minute an, wahr¬ 
scheinlich wohl mit Eintreten der Erschöpfung, sinkt die Temperatur nochmals, 
ebenso auch der Blutdruck. Reinboth 39 ) beobachtete eine ähnliche Temperatnr- 
umkehr bei in kaltes Wasser getauchten Kaninchen; die Tiere wurden stärker 
abgekühlt, w’enn sie im Wasser lebhafte Bewegungen ausführten. 

In einer dritten Versuchsserie (s. Tab. 9) ist mit dem kalten Luftbad nur 
geringe Bewegung, vor allem nur wenig lokomotorische Aktion verknüpft; dabei 
wird durch Leitung und Verdunstung ein kleines Wärmequantum entzogen, das 
wohl durch die Wärmebildung infolge der leichten Muskelaktion wieder ersetzt 
wird. Die physikalische Regulation ist aber vorhanden und im Verein mit der 
Wärmebildung imstande, die Körpertemperatur im Durchschnitt um 0,3° C zu steigern. 
Unter den 5 Versuchspersonen in dieser Gruppe zeigte nur eine (s. Tab. 9, W) ein 
von den übrigen ganz abweichendes Verhalten, indem hier schon die Temperatur 
nach leichter Bewegung sank, und zwar um 0,35° C im Mittel von acht Einzel¬ 
versuchen, während dieselbe Person in der Ruhe eine Steigerung von 0,4° C durch 
die Kältewirkung allein aufwies. Die Steigerung der Wärmebildung durch die 
leichte Muskeltätigkeit ist also nicht imstande gewesen, das hier vorliegende 
Versagen der physikalischen Regulation zu kompensieren und den sofort ein¬ 
tretenden Wärmeverlust zu verhüten. Der Untersuchte fröstelte öfter und empfand 
selbst, daß er der Kälte nicht gewachsen war, während ein anderer Untersuchter 0 . 
unter denselben Bedingungen seine innere Wärme um 0,2—3° C bei einer aller¬ 
dings um 5 Minuten kürzeren Kälteexposition, ohne nennenswerte Kälte zu 
empfinden, steigerte. Nasaroff 40 ), dann Durig und Lode 41 ) zeigten, daß 
bei kalten Bädern eine Erziehung zur längeren Wirkung der physikalischen 
Regulation, also zur Wärmeretention mit der Zeit stattfinden kann, und daß in 
darauf bezüglichen Tierversuchen junge, schwache Tiere diese Anpassung nicht 
besitzen. Dieses Regulationsvermögen ist auch bei meinen Versuchspersonen nicht 
gleich intensiv ausgebildet; es scheint, wie an anderer Stelle ausgeführt werden 
soll, weil mir Zahlenbelege bis jetzt fehlen, bis zu einem gewissen Grade erworben 
werden zu können. In der die Mittelzahlen enthaltenden Kurventabelle 13 wurden 
die Versuche W. nicht berücksichtigt, da die Versuchsperson zur Zeit der Versuche 
der Kälte gegenüber nicht genügend widerstandsfähig erschien, und ihr ganzes Ver¬ 
halten von dem der andern Versuchspersonen ab wich. Aus einem Vergleich der 
Ruhekurve (s. Tab. 8) und der bei leichter Bewegung aufgenommenen (s. Tab. 13) 
geht demnach hervor, daß bei gleichen äußeren Verhältnissen und nur wenig ver¬ 
schieden großer Produktion von Verbrennungswärme die physikalische Regulation, 
d. h. die Verminderung der Wärmeabgabe durch Strahlung, Leitung und Ver¬ 
dunstung, ausschlaggebend ist für die Erhaltung der Innentemperatur des Körpers- 
Auch w’enn, wie in der Gruppe mit starker Muskelbewegung, die physikalische 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blut Zusammensetzung etc. 


403 


Regulation in bezug auf Wärmeretention insuffizient wird, oder, was wahrschein¬ 
licher ist, die physikalische Regulation in diesem Fall den Körper von einer zunächst 
überschüssig gebildeten Wärme befreit, so ist es anscheinend der chemischen 
Regulation durch gesteigerte Verbrennung doch nicht möglich, diese Wärme- 
irrluste bei Einwirkung kalter Außentemperatur auf den nackten Körper längere 
Zeit zu kompensieren. Wir haben also in der physikalischen Regulation ein 

Tabelle 9. 




Lufttemperatur 
in ü C 

Luftfeuchtigkeit 
rel. in % 

j Vorperiode 

| Kälteexposition 

| Differenz 

Axillar- 

temperatur 

Blutdruck 

Dauer der 
Kältewirkung 
in Minuten 

Axillar- 

temperatur 

Blutdruck 

Axillar¬ 

temperatur 

Blutdruck 


0. 1 



36,1 

116 

16 

36,5 

131 




2 

12,5 

83,7 

35,8 

120 

15 

36,5 

127 




3 



36,0 

114 

15 

36,7 

127 



4 

14,5 

79,0 

35,9 

125 

25 

36,5 

130 



5 

8,7 


36,4 

107 

15 

36,9 

127 



6 


83,3 

36,1 

124 

30 

36,4 

130 



I 7 

2,5 


35,9 

110 

20 

36,4 

127 



8 



36,2 

112 

10 

36,5 

134 



9 


83,0 

36,1 

115 

20 

35,8 

124 



10 

KW!» 

83,3 

36,0 

108 

15 

36,1 

126 




11 

9,5 

82,7 

35,7 

116 

10 

— 

123 




12 



35,7 

118 

20 

35,9 

124 




13 

BEI 


35,4 

108 

15 

36,2 

126 



Mittel werte . . 

0. 

9,8 

82,7 

36,05 

114,9 

17,3 

36,37 

127,4 

+0,32 

+ 12,5 

B. 1 

10,4 

95,0 

36,3 

130 

30 

36,7 

153 



' o 

8,0 

83,7 

36,45 

142 

30 

37,0 

142 



Mittelwerte . . 

B. 

9,2 

89,4 

36,38 

136 

30 

36,85 

147,5 

+0,47 

+11,5 


S. 1 

6,7 

87,0 

35,6 

103 

15 

37,1 

129 




2 

8,5 

69 3 

36,7 

102 

15 

36,5 

105 




3 

7,5 

92,3 

35.8 

110 

20 

36,2 

121 



Mittelwerte . . 

s. 

7,6 

830 

36,0 

105 

16,7 

36,6 

118,3 

+0,6 

+13,3 


Sch. 1 

5,0 

92,3 

35,6 

115 

15 

35,8 

126 




2 

11,6 

79,7 

35,9 

120 

25 

36,7 | 

129 



Mittelwerte . . 

Sch. 

8,3 

86,0 

35,75 

117,5 

20 

36,25 

127,5 

+0,5 

+10,0 

I W.l 

6,0 

86,3 

36,7 

97 

15 

36,6 

102 



2 

10,0 

83,3 

36,6 

96 

30 

36,7 

104 



3 

8,5 

91,0 

36,6. 

97 

30 

36,0 

115 



4 

4,0 

90,7 

37,0 

94 

45 

36,4 

102 



5 

9,0 

83,0 

3G,5 

100 

10 

35,8 

110 

1 


i 6 

10,0 

83,0 

36,5 

102 

15 

362 

119 




7 

15,0 

83,0 

36,6 

96 

20 

36,2 

117 




8 

11,0 

85,0 

36,3 

99 

15 

36,3 

112 



Mittelwerte . . 

w. 

9,2 

85,7 

36,6 

97,6 

22,5 | 

36,25 

110,1 

-0,35 ; 

+12,5 

Mittelwerte aus sämtlich 

en Versuchen . 

36,16 

114,19 

| 36,46 

126,16 

+0,30 

+11,97 


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Original fro-m 

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404 


M. van Oordt 


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Tabelle 10. 


2 

© © 




ft 

s 

© 

5 

6 0 C 


.SFo- 

3.2 

S- 
© © 

fc J4 

75 


Luftexposition 


Nachperiode 


Zeitdauer 

Blutdruck 

Körpertemp. 


108 

36,9 


2 | 3 
110 , 120 | 


5 I 10 
118 115 


15 

115 


20 

115 


25 

114 


30 

111 


5 

108! 


10 

104 


(37,037,0 37,l!37,1137,15:374537,15*37,15|87,l!87,05 
KiUteexposition 


15 

101 


20 

101 


|36,95|36,9; 


251 10 
101100 
36,W 


Nachperiode 



■ 


■ 


m 

a 

■ 

■ 

■ 

m 

n 

■ 

■ 




■ 

■H 

■ 

■ 

n 

■ 

■ 



m 

■ 

n 


ii 


ggg 



m 

1 

■ 

B|i 

mi 


ii 

R 

22 



m 


■ 

■H 

IR 


■ 



m 

S 

■ 

■ 

■ 

m 

■ 

i 



B 

■ 

■ 

s 

a 

m 

■ 

m 



■ 

fl 


■B 

■ 

m 

■ 

m 



■ 

N 

■ 

■ 

■ 

s 

m 

■ 

■ 



■ 

■ 

fl 

■ 

n 

fl 

■ 

■ 




■ 


K 

2 

a 

i 


■ ' » Blutdruck. .. Temperatur. 

Jede Abscisse eines Quadrates = 5 Minuten. 

„ Ordinate „ „ = 0,1 C 

und = 2 mm Blutdruck. 


mächtiges Mittel, onsern Wärmebestand 
auch im unbekleideten Zustand auf eine 
gewisse Zeitdauer hinaus zu wahren. 

Es ist selbstverständlich, daß dieser 
Satz zunächst nur unter den genannten 
Versuchsbedingungen Geltung hat, und 
daß bei einer andern Lage dieser Be¬ 
dingungen, wie z. B. bei sehr großer 
Kälte oder bei größerer oder sehr ge¬ 
ringer Trockenheit der Luft, wie dies 
z. B. in den Pictetschen 42 ) Kälte¬ 
türmen der Fall ist, d. h. bei ver¬ 
mehrter oder verminderter Wärme¬ 
kapazität der Luft und anderem Kälte¬ 
reiz, andere Resultate erzielt werden 
können. Auch von der Dauer der 
Kälteeinwirkung hängt das physi¬ 
kalische Regulationsvermögen ab; so 
finden sich schon unter den vorliegenden 
Versuchen einige, bei denen unter einer Kältewirkung, welche 20, 30 oder 
40 Minuten dauerte, die Innentemperatur des Körpers rasch absank. 

Mit demselben Vorgang der physikalischen Regulation erklärt sich auch die 
Verminderung der Innentemperatur des ruhenden Körpers bei Wiederbedeckung. 
Nach kalten Bädern wird sie von Jürgensen 43 ) und Winternitz 44 ) beobachtet, 
„durch Versagen der physikalischen Reaktion“, besonders wenn der Körper kräftig 
frottiert wurde. In unseren Versuchen wird durch den Wegfall des Kältereizes 
die in der Richtung der Wärmeretention wirkende physikalische Regulation plötzlich 
in entgegengesetzte Bahnen gelenkt. Es findet sofort ein lebhafteres Zuströmen 
des warmen Innenblutes in die Oberfläche des Körpers statt, wo es sich mit dem 
stark abgekühlten Blut der Peripherie mischt, so daß schon dadurch in kurzer Frist 
eine Herabsetzung der Temperatur des Gesamtblutes verursacht wird. Wie unter 
der Kälteexposition eine Beschränkung der Blutzirkulation in der Haut und eine 
Erythrozytenverarmung mit einer Verminderung der Wärmeabgabe einherging, so 
geht aber auch jetzt die Wiedererwärmung der Haut und damit ein Wieder¬ 
auftreten der Wärmeabgabe mit der Zunahme der Zirkulation und der Vermehrung 
der Erythrozyten in der Haut Hand in Hand. Bestand unter dem Kältereiz eine 
tlberkompensation der physikalischen Regulation in der Richtung einer Wärme- 


Gck igle 


Original fro-m 

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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


405 


retention, so fand infolge des plötzlichen Reizwechsels eine Überkompensation in 
Wärmeabgabe statt. Aus den Versuchen geht hervor, daß die Zeit, welche 
kr Körper bis zu dem Höchststände der geschilderten Temperaturveränderungen 
v rancht, ebenso wie die Dauer der Temperaturschwankungen selbst, welche durch 
iie Einwirkung kühler Luft auf den nackten Körper im Körper-Innem hervor- 
irrbracht werden, eine verhältnismäßig lange, die Intensität dieser Schwankungen 
jedoch eine geringfügige, im Vergleich zu denen bei Kaltwasseranwendungen, ist. 
Aach darauf wäre bei der therapeutischen Verwendung Bezug zu nehmen. 


Tabelle 11. 




Lufttemperatur 

in 

Luftfeuchtigkeit 
in % re l- 

Vorperiode 

Luftexposition 

Differenz | 




Axillar¬ 

temperatur 

Blutdruck 

ö 

tu .2 

T3 ao 

- S. 

§ * 

2 ® 

Q fl 

Axillar¬ 

temperatur 

Blutdruck 

Axillar¬ 

temperatur 

Blutdruck 


0.1 

7,0 

95,0 

36,2 

126 

20 

35,5 

125 





2 

10,0 

83,0 

36,9 

125 

20 

36,4 

124 





3 

8,0 

86,0 

86,3 

119 

25 

36,3 

120 





4 

6,0 

84,0 

36,3 

117 

20 

36,0 

128 





5 

4,5 

100,0 

36,1 

117 

20 

35,8 

127 



bei Regen 


6 

6,0 

92,0 

36,2 

113 

15 

35,7 

128 



bei Nebel 

Mittelwerte 

0. 

6,9 


36,33 

119,5 

20 

35,95 

125,33 

-0,38 




Ml. 1 



36,1 


10 

36,6 

120 



«ehr starke Beweg. 


2 

5,0 


36,6 


10 

35,9 

119 



Nebel und Wind 


3 



36,2 


10 

35,6 

121 



starke Bewegung 

Mittelwerte 

Hl. 

5,7 

90,0 

36,3 

108 

10 

36,03 

120 

— 0,27 

+ 11,2 



H. 1 

7,0 

84,0 

37,4 

108 

30 

36,8 

120 





2 

6,0 

84,7 

37,1 

114 

35 

36 0 

117 





1 3 

7,0 

86,0 

36,4 

110 

30 

36,7 

112 





4 

6,0 

84,0 

36,8 

113 

30 

37,0 

123 





5 

4,5 

100,0 

36,8 

118 

30 

37,2 

128 





i 6 

6,0 

92,0 

37,1 

120 

30 

36,8 

124 





1 ^ 

4,0 

85,0 

36,6 

117 

30 

36,6 

120 




Mittelwerte 

| H. 

i 

5,8 

87,9 

36,9 

114 

30,7 

36,7 

120,6 

-0,2 

+ 6,6 



W. 1 

5,0 

85,0 

36,7 

112 

10 

36,4 

120 





1 2 

9,5 

82,7 

— 

109 

10 

— 

116 





1 3 

6,0 

84,0 

36,0 

110 

20 

36,3 

126 





4 

4,5 

100,0 

36,3 

108 

20 

— 

135 



sehr starke Beweg. 


1 5 

6,0 

95,0 

36,1 

111 

25 

36,1 

120 





1 6 

7,0 

95,0 

36,9 

118 

20 

36,4 

113 




Mittelwerte 1 W. 

6,3 

90,3 

36,4 

111,3 

17,5 

36,2 

j 121,7 


1+10,4 


Mittelwerte ans sämtlichen Vcr- 





! 




«neben 

. . . 

• • 

. . . 

36,48 

113,2 


36,22 

! 121,71 

— 0,26 + 8,51 



(Schluß folgt) 


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406 


Berichte über Kongresse und Vereine. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


VII. Internationaler Kongreß für Hydrologie, Klimatologie, Geologie 
und physikalische Therapie in Venedig vom 10.—18. Oktober 1905. 

Ehrenvorsitzender: Se. Exzellenz der Unterrichtsminister von Italien. 

Präsident: Prof. A. de Giovanni (Padua). 

Das permanente Kongreßbureau unter der Leitung des Prof. A. Kobin, Mitglieds der 
Akademie de MEdicine in Paris etc. etc., wird von den hervorragendsten Vertretern der physi¬ 
kalischen Therapie Europas gebildet. Die Vorträge werden vor Eröffnung des Kongresses 
gedruckt an die Mitglieder verteilt werden. Auf den französischen und italienischen Eisen 
bahnen und den bezüglichen Schiffen haben die Kongreßmitglieder 50% Fahrpreisermäßigung. 

Mitgliedskarten: 20 Frs., für Damen 10 Frs. 

Mit dem Kongreß ist eine Ausstellung verbunden. Diesbezügliche Anfragen sind zn 
richten an: M. Adrien Damiani, Venedig, S. Polo Palais Keppler. 

Angemeldete Vorträge: 

A. Hydrologie. 

1. Dr. Felix Bernard: De l’Etat actuel de nos connaissances sur les phEnoraEnes attri- 
buables ä Taction radiothErapique des eaux minerales. 2. Prof. Nasini c Prof. Barduzzi: $uli ! 
azione radioterapica dello acque minerali. 3. Prof. Barduzzi et Fedeli: Le acque minerali 
naturali in confronto delle artificiali nella terapia idro-minerale. 4. Prof. A. Fasano: Importanw 
dell' insegnamento ufficiale deir idrologia e terapia fisica e necessitä della istituzione di cattedre 
universitarie. 5. Prof. Baistrocchi: Sulla esportazione delle acque per bagni e sulla riforni.i 
delle leggi minerarie. 6. Dr. Frank Baraduc et Felix Bernard: L’entero-colyte muco 
membraneuse observEe aux eaux minerales. 7. Dr. Senac Lagrange: Des cspeces bronclii 
tiques en olles-memes et dans leurs complications. 8. Dr. Forras: L’action des eaux sulfureuse* 
degEnErEes sur la eure des affcctions cutanEes. 9. Dr. Marcel in Ca zaux: Le traitement hydro 
mineral des catarrhes bronchiques non bacillaires. 10. Prof. Albertoni: Dcposito dell* acqna 
neir organismo. 11. Prof. Vinai, Dr. Canova, Dr. Burgonzio, Dr. Jorio: L’azione dell 
idroterapia sulla sensibilitä cutanea. 12. Dr. F. Oreffice et Prof. M. Luzzatto: Le basi 
scientifiche del trattamento idro-minerale della nevrastenia. 

B. Klimatologie. 

13. Dr. G. Lancry: Des jardins ouvriers, de leur action hygiEnique et de leurs effet? 
prophylactiques sur la tuberculose. 14. Prof. Liebreich: La fonction de la peau et rinfluence 
du climat sur eile. 15. Dr. Jorissenne: Sur Tappropriation des Sanatoriums, des höpitaux et 
des Etablissements hopitaliers en gEnEral en Egard aux phenomEnes atmosphEriques. 10. Tu 
bestimmt: Napoli stazione idrologica e climatica estiva ed invernale in rapporto a quelle di 
oltre Alpi. 

C. Geologie. 

17. Prof. Pagliani: Sülle origini della composizione chimica e delle proprietä fisiehe delle 
acque minerali c termali in base alle odierne cognizioni geologiche. 18. Prof. A. Gautier: 
La genEse des eaux minErales. 

D. Therapie physique. 

19. Prot. Galeazzi: La terapia fisica moderna delle deformitä del tronco. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


407 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


JL Diätetisches (Ernährungstherapie). 

W.GilmatkThompgon, Problems indietetics. 

Medical Record 1904. 10. Dezember. 

Thompson möchte das Augenmerk der 
Praktiker auf die nicht seltenen Fälle richten, 
Lj welchen wir Ärzte ins Dilemma kommen, 
tri ein und derselben Krankheit zweierlei oft 
crimdverschiedene Diätformen verordnen zu 
uiEssen. Er beleuchtet dies an verschiedenen 
trkrankungen. zunächst bei Typhus; hier ver¬ 
legt z. B. der ulzerierte Darm auf der einen 
>cite rein flüssige, event. Milchkost, während 
\ r ausgehungerte Körper streng mehr kompakte 
Nskung fordert, um den Kräfteverfall anfzu- 
’kn. Es ist falsch zu glauben, daß die in 
10% der Typhuserkrankungen auftreten- 
'kn „Ruckfälle“ meist in der zu früh oder zu 
ßtensiv dargereichten, mehr oder minder kon¬ 
sistenten Nahrung zu suchen sind, im Gegen- 
r "il hat der Autor durch Bekämpfung der 
•trübenden Inanition mit Eiweiß, Milchzucker, 
"ningensaft und halbfester Nahrung selbst 
W noch nicht völlig entfieberten Patienten 
recht gute Erfolge gehabt: Darmblutungen 
braen bei Fieberfreien vor, welche nichts als 
Milch erhalten und niemals den Kopf vom 
Kissen erhoben hatten. Thompson möchte vor 
allem als Maßstab für die Ernährungsweise des 
Typhösen nicht allein die Thermometerskala 
genommen wissen, sondern die Beschaffenheit 
der Verdauung und den allgemeinen Zustand, 
tas Aussehen der Zunge, der Stühle, der 
Facies“ und die Eßlust. 

Bei der deformierenden Arthritis 
iassen uns theoretische Erwägungen in der 
biätfrage insofern im Stich, als die Ätiologie 
•fieser Erkrankung völlig dunkel ist; aber, sei 
sie eine Trophoneurose, eine Infektion oder 
tine Spinalläsion, nach Verfassers Erfahrungen 
i*t die bestmögliche allgemeine Ernährung am 
^atze, ähnlich wie bei Phthise oder chronischer 
^psis, also die Darreichung von Fetten, Butter, 
s ahne, Eiern, Ölen, Knochenmark, Schinken, zur 
Bekämpfung der Anämie reichliche Fleisch- 
k°»t (!), also volle animalische Nahrung mit 
Fettüberschuß. Die gewöhnliche Speisenfolge 


am Tage soll durch zwei bis drei Sondermahl- 
zeiten ergänzt werden, bei welchen Milch und 
Eier, nahrhafte Fleischbrühe, belegte Brötchen 
usw. zu nehmen sind. Bei solchem Vorgehen 
kommt man freilich, zumal bei Personen, welche 
wenig Bewegung haben können, ins Gehege 
mit der Verdauung und muß die schwere Kost 
leichter zu assimilieren suchen durch Dar¬ 
reichung von Bittermitteln vor den Mahlzoiten 
oder Salzsäure mit nux vomica nach dem 
Essen und Beförderung der Darmentleerung 
durch ausgiebigen Gebrauch von Catharticis 
und Wasserzufuhr in großen Mengen. 

Die Nierenentzündung und ihre diäte¬ 
tische Behandlung gibt uns gute Gelegenheit, 
den Widerstreit zwischen Theorie und Praxis 
zu beobachten; wenn der Autor erklärt, es sei 
eine merkwürdige Tatsache bei der Nephritis, 
ebenso wie hei Diabetes, daß gerade die 
organische Substanz, welche im Übermaße aus¬ 
geschieden wird, bei energischer Verftitterung 
in der Nahrung — Albumen hier, Zucker 
dort — dem Organismus den meisten Schaden 
bringt, so sagt er uns allerdings eine uralte 
Tatsache, allein es gibt doch Fälle, in denen 
diese Stoffe durchaus nicht entbehrlich sind! 
Von der akuten Nephritis abgesehen, fordern 
drei Formen ein Ahgchen von der theoretischen 
Richtschnur; erstens diejenige mit dem Haupt- 
sympton der mäßigen Albuminurie von langer 
Dauer; solchen Patienten erlaubt Thompson 
den spärlichen Genuß von rotem Fleisch, 
höchstens einmal täglich, welches nur hei Zu¬ 
nahme von Albumen, der Quantität und des 
spezifischen Gewichtes für 14 Tage verboten 
wird; sie essen Schinkenspeck, Geflügel, Eier, 
Fisch und kleine Mengen Beefsteak, Roastbeef, 
Hammel, jeden zweiten Tag; sie nehmen sofort 
ah und fühlen sich krank, wenn ihnen nur 
Vegetabilien und Milch gestattet werden. 

In die zweite Gruppe gehören Nephritiker, 
welche durch ihr Leiden und vielleicht auch 
begleitende Arteriosklerose sehr schwach und 
anämisch geworden sind; solche Kranke mit 
parenchymatösen Veränderungen des Nieren¬ 
gewebes, mit Dyspnoe und Cyanose, mit Ana- 
1 sarka und Pleuraexsudat, mit spärlichem, 5—7% 


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Original from 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



408 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Eiweiß enthaltenden Urin können meist bei ' 
vegetabilischer Ernährung nicht lange aus- j 
halten, sie sollen reichlich Wasser (Vichy) I 
trinken, Eier, Geflügel, Schinken essen. Eine | 
wichtige Frage ist die nach der Menge der I 
täglichen Flüssigkeitszufuhr; sie muß sich in j 
erster Linie nach der Menge der Ausscheidung ! 
richten und meist herabgedrückt werden, je¬ 
doch nicht länger als 48 Stunden — meist 
wird man nicht unter 1500 ccm gehen dürfen. 

Endlich: Welche Diät soll einem Patienten 
verordnet werden, dessen Nephritis Fleisch ver¬ 
bietet, dessen komplizierender Diabetes diese 
Nahrung in erster Linie verlangt, oder dessen 
begleitende Magenverstimmung oder Phthise 
hauptsächlich animalische Kost fordert, oder 
dessen Endocarditis die meist übliche Milch¬ 
diät wegen der Flüssigkeitsüberladung ver¬ 
bietet? Antwort: Gemischte Kost, streng indi¬ 
viduell je nach komplizierendem Übel unter 
häufiger Kontrolle der Stühle, des Urins, des 
Körpergewichtes und der Beschaffenheit des 
Blutes. 

Bezüglich der Auslassungen über Diabetes 
können wir uns kurz fassen. Thompson hat 
in zahlreichen „Glutenen“ und anderen Ersatz¬ 
mitteln des ln- und Auslandes meist Stärke 
oder Zucker oder beides gefunden und hält 
sie für unzuverlässig; zweckmäßig ist, den 
Diabetikern ein- bis zweimal täglich eine oder 
zwei dünne Scheiben durchgeröstetes Brot oder 
eine kleine gebackene Kartoffel zu gestatten; 
mehr Liberalität als früher erscheint am Platze. 
Im übrigen bringt Verfasser nichts Neues; er 
legt viel Wert (neben Proteiden) auf die Fette, 
wie V 4 Pfd. Butter, Sahne mit Wasser verdünnt, 
Va Liter täglich, Öle in Salaten, Sardinen, Oliven, 
Nüsse, Speck, fetten Schinken, Mark, Käse, 
fette Fische. 

Unter der Bezeichnung Lithämia faßt 
Verfasser mit Andern einen Symptomenkomplex 
zusammen, welcher als Krankheitsbild bei uns 
vorwiegend in den Großstädten zu finden ist: 
Männer mittleren Alters mit meist intensiver 
längerer Bureautätigkeit oder von schwerem 
Daseinskampf oder Schicksalsschlägen heim¬ 
gesucht, klagen über Kopfschmerz, Agrypnie, 
Schwindel, Reizbarkeit, Erschlaffung, „Ner¬ 
vosität“, Obstipation, weisen kleinen, harten 
Puls und spärlichen, stickstoflfreichen Urin 
auf. Die Behandlung dieser Zustände ist 
einfach; man entzieht ihnen das Fleisch, welches 
sie meist sehr reichlich genossen haben, läßt 
sie acht bis zehn Tage vegetarisch leben und 
tüchtig Wasser trinken, vor(!) der Hauptmahl¬ 


zeit V, Stunde liegend ruhen, langsam essen 
und kleine Spaziergänge machen. 

„Lithämia“ ist, wenn auch längst nicht 
immer, eine Vorstufe oder ein kausales Moment 
(Autointoxikation?) zur Arteriosklerose. 
Sie verlangt ähnliche Therapie; besonders 
spielt dabei die Catbarsis und Diuresis eine 
wichtige medikamentöse Rolle — wie mancher 
hat es da nötig, häufig zwischen der Arbeit 
Wasser zu trinken statt schlechten Bieres 
und miserablen Schnapses; bei Herzdilatation 
oder Myocarditis ist die Flüssigkeitsznfhhr 
einzuschränken, was bei komplizierender Ne¬ 
phritis wiederum kontraindiziert ist; hier gilt 
also streng individualisieren! 

Die Gicht, die alte, von Sydcnhatn, 
findet Thompson in seinem Lande immer 
seltener und durchaus nicht nur bei der vor¬ 
nehmen Welt, sondern meist bei den arbeiten 
den Klassen, unter denen der Verbrauch billiger 
Schnäpse wohl einen vorwiegenderen ätiolo 
gischen Faktor ausmacht als die Qualität ihrer 
Nahrung. Für die diätetische Behandlung des 
akuten Gichtanfalles empfiehlt Verfasser Milch 
und Vichy; zur Prophylaxe und Behandlung 
leichter und chronischer Fälle rät er zu folgen¬ 
dem Vorgehen: Einschränkung der Gesamt- 
nahmng, Vermehrung der Wasserznfuhr, Weg 
lassen von Zucker, Süßem, Alkohol, endlich 
Beschränkung des roten Fleisches auf ein 
Minimum. „Scotch“ (Whiskey) hat nur Nach 
teile. 

Für die Behandlung des „Rheumatismus" 
gilt fast dasselbe wie für die Gicht: bei akuten 
Attacken Milch, sonst Enthaltung von Fleisch 
und Süßigkeiten. Jedoch — schon ätiologisch 
betrachtet — hinkt die Gleichstellung und da¬ 
mit scheitert auch der unmittelbare Versuch 
der diätetischen Bekämpfung, zumal da wir diese 
Krankheit als eine Infektion ansehen müssen: 
die Lebenshygiene wird da meist mit ent 
scheiden. 

Referent hat den trefflichen Ausführungen 
Thompsons, in welchen klare Methodik ge¬ 
legen ist, wenig binzuzufttgen; er hat bei der 
Betrachtung des Typhus zwei Dinge vermißt: 
einmal den Standpunkt des Verfassers betreffs 
des Alkohols, und dann erklärende Momente 
für die Verschiedenheit in der Häufigkeit und 
Heftigkeit der Rezidive; bei einer großen Epi¬ 
demie in Essen (Ruhr) im Jahre 1900 würden 
wir die meisten Patienten bei einem Vorgeben 
nach Thompson an raschesten und schwersten 
Rezidiven verloren haben. Sollten da nicht 
die bakteriologischen Befunde auch zur Ih;it* 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


409 


frage mit heran gezogen werden (Paratyphus, 
Rae. intermedius, Grünbaum etc.)? 

Genaue Regulierung der Diabetesdiät ver 
Lingt meines Erachtens auch nicht nur Unter- 
>cehung auf Saccharum, sondern meist auch 
Azetessigsäure, Azeton, Oxybuttersäure usw. 

R. Bloch (Koblenz). 


P. Gallois ei Courcoux, Action de l’eau 
oxygdn^e sur le chimisme gastrique. 
Bulletin general de Thärapeutiquo 1905. 
Heft 1. 

Die Verfasser, die schon früher Erfahrungen 
darüber gesammelt haben, daß sauerstoffhaltiges 
Wasser das Erbrechen von Schwangeren und 
Tuberkulösen günstig beeinflußt, unternahmen 
in einem Hunde mit künstlicher Magenfistel 
Versuche über die Wirkung O-haltigen Wassers, 
asf die Sekretion des Magensaftes angestellt. 
Sie fanden dabei gegenüber der Wirkung ge¬ 
wöhnlichen Wassers: 1. eine Vermehrung der 
viustität des Magensaftes; 2. eine erhebliche 
Yffuebrung der freien Salzsäure; 3. eine Ver¬ 
eidung' der peptonisierenden Kraft des Magen¬ 
saftes. R. Friedlaender (Wiesbaden). 


Edg.Hirtz, Opotherapie hdpalique. Bulletin 
de la Soci6t6 de Thärapeutique 1904. Nr. 11. 

Vortragender hat zwei Fälle von alkoho¬ 
lischer Lebercirrhose, die durch inneren Gebrauch 
'on roher Schweineleber zugleich mit Milch¬ 
diät behandelt w urden, vorgestellt. Der erste 
fall sei seit 18 Monaten ohne Rezidiv geheilt. 
Der zweite Fall wird als in rascher Besserung 
begriffen vorgestellt 

Frankenhäuser (Berlin). 


Stlge, Einiges über die Klinik der Sänglingg- 
darakrankheiten. Berliner klin. Wochenschr. 
1905. Nr. 5. 

Seit er-Solingen spricht in einem Buch 
die Ansicht aus, daß man ans einer Unter¬ 
suchung der Säuglingsfäces ersehen könne, 
welches Schicksal die einzelnen Nährstoffe im 
Darme des Säuglings erfahren. Diese Stuhl- 
antersnehungen würden dann genügen, um ein 
therapeutisches Handeln zu ermöglichen, ohne 
öftere Untersuchung des Kindes. Hiergegen 
sendet sich Salge mit Recht, da das Befolgen 
eine« solchen Schemas niemals zum denkenden 
Arzt mache. Es genügt nicht, festzustellen, ob 

Zcitjchr. t dllL u. physik. Therapie Bd. IX. Heft 7. 


das Kind Eiweiß, Fett oder Kohlehydrat un¬ 
vollständig verdaut und resorbiert, sondern es 
ist doch recht wesentlich, sich mit den Folgen 
der Überfütterung oder Unterernährung für den 
Gesamtorganismus zu beschäftigen und seine er¬ 
nährungstherapeutischen Konsequenzen daraus 
zu ziehen. Hierher gehört vor allem das chro¬ 
nische Ekzem so vieler Kinder, sowie die 
Tetanie. Die einfachste Therapie zur Entfernung 
des pathologisch veränderten Darminhalts ist 
folgende: Man läßt das Kind ein bis zwei Tage' 
hungern eventuell mit Kalomel. Es folgt dann 
zwei bis drei Tage lang eine Milchdiät, und dann 
wird mit Milchverdünnungen, Buttermilch,Liebig- 
suppe etc. begonnen. Damit kommt man in 
den meisten Fällen aus. Man muß eben bei 
akutenVerdauungsstörungen fettreiche Gemische 
vermeiden und die notwendige Kalorienzahl 
mit Kohlehydraten decken. Diese Grundsätze 
gelten nicht nur für die einfache Dyspepsie, 
sondern ebenso für den schweren Enterokatarrh 
des Säuglings, bei dem neben der Insuffizienz 
der Fettverdaunng das Allgemeinbefinden und 
die Gefahr des Kollapses im Vordergrund stehen. 
Es ist heute nicht mehr angängig, die Atrophie 
des Säuglings als eine Erkrankung des Darms 
zu erklären, und man muß deswegen vor allem 
verlangen, daß das kranke Kind, nicht der 
kranke Stuhl behandelt wird. 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


F. Blumenthal, Uber Darmf&ulnis bei 
Icterus catarrhalls. Berliner klin. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 5. 

Seit den Untersuchungen von Baumann 
gilt die Menge der Ätherschwefelsäuren im 
! Harn als ein Maßstab für die Intensität der 
Dannfäulnis. Man hat aber dagegen einge¬ 
wandt, daß durch diese Methode nicht die 
Summe sämtlicher im Darm gebildeter aroma¬ 
tischer Produkte, soweit sie in den Harn über¬ 
gehen, bestimmt wurde, da ja ein Teil derselben 
als Glykuronsäure im Harn erscheint. 

Man erhält aber auch unrichtige Resultate, 
wenn man statt dessen ein einzelnes aroma¬ 
tisches Produkt, z. B. das Indikan, quantitativ 
bestimmt. Es kann nämlich, wie in dem Falle 
Blumenthals, das Phenol vikariierend an 
Stelle des Indols treten. 

Bei der Darmfäulnis werden aber nicht 
nur aromatische Produkte gebildet, sondern 
auch insbesondere Säuren, und zwar kann 
man sich aus der Menge der flüchtigen Fett¬ 
säuren im Ham orientieren über die Säure- 

28 


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Original fro-rn 

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410 Referate über Bücher Und Aufsätze. 


bildung im Darm. Man muß also als Maßstab 
der Darmfäulnis nicht nur Indikan oder Phenol 
und die Ätherschwefelsäuren bestimmen, sondern 
auch die flüchtigen Fettsäuren, um sich zu 
vergewissern, ob nicht an Stelle der Bildung 
von aromatischen Produkten im Darmkanal im 
wesentlichen eine saure Gärung stattgefunden 
hat. Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


Oberndörffer, Die Wirkung der China- 
säure auf den Kalkstoffirechsel des 
Menschen. Berliner klinische Wochen¬ 
schrift 1904. Nr. 41. 

Die Versuche des Verfassers, die er an 
sich selbst angestellt hat, ergaben das Resultat, 
daß durch Einführung von 15 g Chinasäure 
pro die die Kalkausfuhr wesentlich vermehrt 
wird, und zwar sowohl im Harn, als im Kot; 
die Zunahme des Harnkalkes betrug ca. 73%, 
die des Kotkalkes 30%. Von der aus¬ 
geschiedenen Kalkmengc waren ca. 4% im 
Harn, ca. 96% im Kot enthalten. Die Haupt¬ 
menge des Kalkes, wenigstens des Kotkalkes, 
hat den Körper wahrscheinlich als chinasaures 
Salz verlassen. 

Der Mineralstoffwechsel ist bekanntlich 
eines der schwierigsten Kapitel der ganzen 
Stoffwecbscllohre. Da unsre diesbezüglichen 
Kenntnisse dementsprechend noch sehr gering 
sind, ist obiger Beitrag dankbar zu begrüßen; 
ob er auch für die ärztliche Praxis, speziell 
für die Behandlung der Arteriosklerose, einen 
Wert hat, müssen weitere Untersuchungen 
lehren. Gotthelf Marcuse (Breslau). 


Juliau Marcuse, Der Nutzen des Fleisch¬ 
saftes« Die Heilkunde 1905. Nr. 2. 

Im Haushalt des erschöpften oder krankhaft 
affizierten Organismus nehmen diejenigen ani¬ 
malischen Eiweißverbindungen die gewichtigste 
Stelle ein, die neben einem wesentlichen Ei¬ 
weißgehalt auch über anregende Basen verfügen. 
Hierzu gehört in erster Reihe der Fleischsaft 
Puro. Sein Gehalt an koagnlierbarem Eiweiß 
beträgt 21,23% an Fleischbasen 19,16%. 
Indiziert ist Puro vor allen Dingen bei idio¬ 
pathischen Anämien und bei Chlorose, bei 
malignen Kachexien, tuberkulösen Affektionen, 
weiterhin den mannigfachen Erkrankungen des 
Magens und Darmes, die mit Anorexie, Er¬ 
brechen und ausgesprochener Dyspepsie einher- 
gohen, Anämien nach schweren Blutverlusten, 
allen Zuständen und Stadien derRekonvalescenz. 


Gck igle 


Die gewöhnliche Darreichungsform des Puro 
(auf Brot gestrichen oder in Milch, Bouillon, 
Wein verrührt, oder als Zusatz von Suppen 
Fleisch und Gemüsen) hat nach dem Vorschlag 
von Werner eine Erweiterung dadurch erfahren, 
daß dieser Autor in allen Fällen, wo ändert. 
Nahrung nicht vertragen oder ausgebrochei 
zu werden pflegt, mit Fleischsaft übergossm 
Eisstückchen zur Einverleibung empfahl. Dieses 
primitive Verfahren ist die Grundlage eines 
Rezeptes für die Bereitung von Fleischsaft 
gefrorenem geworden, das nach der Meinung de* 
Verfassers geeignet erscheint, in einer Reiht 
von speziell dyspeptischen Affektionen als Er 
frischungs- wde Nährpräparat gereicht zu werden. 
Verfasser hat es auf folgende Weise herstellen 
lassen: */* Pfd. Zucker w'ird in % Liter Wasser 
aufgelöst und die fein abgeschnittene gell* 
Schale einer hellen Zitrone zugesetzt, woraut 
man das Ganze eine Stunde ziehen läßt. Dann 
wird die Lösung durch ein feines Haarsieb ge- 
trieben und durch ev. Zusatz von Wasser aut 
10° gebracht. Nachdem die Hälfte eines Fläsch 
chens Puro (=125 g) hinzugerührt ist, läßt 
man das Ganze in der Eismaschine gefrieren. 
Besonders in der Behandlung des Erbrechten 
hat Verfasser hiermit beachtenswerte Erfolgt 
erzielt. Er bezeichnet das Puro als ein Nähr¬ 
mittel xaz tsoyjiv. 

Fritz L o e b (München \ 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato* 
therapie. 

Str&sburger, Über Blutdruck, GefiStonas 
und Herzarbeit bei Wasserbädern ver¬ 
schiedener Temperatur und bei kohlen* 
säurehaltigen Solbädern. Deutsches Archiv 
für klinische Medizin. Bd. 82. 

Die Kurve des systolischen Blutdrucks 
während des einfachen Wasserbades zeigt im 
Prinzip einen dreiteiligen Typus: Ansteigen- 
Senkung—Ansteigen. Es sind aber nicht immer 
alle drei Phasen ausgebildet. Am konstantesten 
ist die mittlere Senkung. Nach dem Bade 
erfolgt stets ein Fallen des Druckes, in der 
Regel bis unter das Ausgangsniveau. 
der Druck zu Schluß des Bades schon unter 
diesem, so bleibt er hier schon einige Zeit. 
Je kälter das Bad, um so ausgesprochener die 
Anfangsstoigerung, je heißer, um so aus¬ 
gesprochener die Schlußsteigerung des Blut¬ 
druckes. Bei heißen Bädern (über 40° ( 
befindet sich während des Bades der Druck 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


411 


dauernd über dem Ausgangsniveau. Bei wannen 
Bädern (bis 40° C) pflegt der Blutdnick, ab¬ 
gesehen davon, daß die Anfangssteigerung 
rering ist oder fehlt, im ganzen tiefer zu sinken 
als bei kalten Bädern. Die Kurven des systo¬ 
lischen Blutdruckes bei Bädern nicht weit 
oberhalb des Indifferenzpunktes können aber 
denen von Bädern nicht weit unterhalb dieses 
Punktes zum Verwechseln ähnlich sehen. Bäder 
deich oberhalb des Indifferenzpunktes scheinen 
auf den Blutdruck regulierend zu wirken. Der 
Indifferenzpunkt für den Blutdruck befand sich 
in den Versuchen des Verfassers bei 34° und 
; V 1 . Der Indifferenzpunkt für die Pulsfrequenz 
rmfaöte bei einfachen Wasserbädem die Tem¬ 
peraturen 34°, 35° und 36° C. Unterhalb 
dieses Punktes findet man Pulsverlangsamung, 
oberhalb Beschleunigung. Der diastolische 
Bruck bewegt sich gleichsinnig mit dem systo¬ 
lischen, geht ihm aber keineswegs völlig 
Virallel. Aus dem Verhalten des Blutdruck- 
^'»tienten und aus seinem Vergleich mit dem 
systolischen Druck ergibt sich, daß bei ein¬ 
ten Wasserbädern, deren Temperatur unter- 
ulh 40° C liegt, der Verlauf der Blutdruck- 
kurve ganz vorwiegend durch das Verhalten 
^ Gefäß-Tonus bestimmt wird. Insbesondere 
i?t bei kalten Bädern der primäre Druckanstieg 
Folge der Gefäßkontraktion, das darauffolgende 
Linken Folge der Gefäß er Weiterung (Reaktion). 
Friert der Patient, so bleibt infolge von Gefä߬ 
kontraktion der Druck erhöht* resp. steigt 
wieder an. Der Druckanstieg gegen Schluß 
heißer Bäder (über 40 0 C) ist Folge vermehrter 
Herzarbeit Die Herzarbeit ist bei Wasser- 
bädern über 40° C stark vermehrt, unterhalb 
dieser Temperatur bis zum Indifferenzpunkt 
«wöhnüch etwas erhöht, unterhalb des In- 
mfferenzpnnktes in der Regel etwas herab¬ 
gesetzt. 

Die Kurve des systolischen Blutdrucks bei 
koblensäurehaltigen Solbädern unter- 
Mieidet sich nicht prinzipiell von der bei ein¬ 
fachen Bädern und wird hauptsächlich durch 
die Temperatur des Bades bestimmt. Der Puls 
wird eventuell während des Bades weniger, 
nach dem Bade stärker verlangsamt als bei 
einfachen Bädern von der entsprechenden 
Temperatur. Die kohlensäurehaltigen Solbäder 
regen das Herz während des Bades unter Ver¬ 
mehrung des Schlagvolumens zu größerer Arbeit 
am eine Eigenschaft, die die einfachen kühlen 
Bäder in der Regel nicht besitzen. 

Aus diesen Sätzen ergeben sich folgende 
klinische Folgerungen: Heiße Bäder stellen in 


jeder Beziehung erhebliche Mehrforderungen 
an das Herz. Es gilt dies wahrscheinlich be¬ 
sonders von denen, die zur Erhöhung der 
Körpertemperatur führen. Kühle Bäder bedeuten 
für das Herz zugleich eine Übung und Schonung. 
Bei kohlensäurehaltigen Solbädern machen 
sich diese beiden Faktoren in anderer, günsti¬ 
gerer Weise geltend als bei einfachen Wasser¬ 
bädern. Insbesondere greift bei kohlensäure- 
haltigen Solbädern die Anregung zur Übung 
am Herzen selbst an, ähnlich einer vorüber¬ 
gehenden Digitaliswirkung. Dabei geht übrigens 
letztere mit Gefäß-Verengerung, erstere mit 
Gefäß-Erweiterung einher. 

Man kann sagen: kohlensäurehaltige Sol¬ 
bäder üben das Herz unter erleichterten scho¬ 
nenden Bedingungen. Alle angeführten Resul¬ 
tate sind durch Versuche an gesunden Per¬ 
sonen gewonnen und beziehen sich streng 
genommen zunächst nur auf diese. 

Forchheimer (Wtirzburg). 


M. Edel, Die Wetterrerh&ltnisse an der 

Nordsee in den beiden letzten Wintern. 

Therap. Monatsh. 1905. Heft 2. 

Der günstige Einfluß des Nordseeklimas 
auf Rachitis, Skrofulöse, Tuberkulose der 
Knochen und Gelenke zeigt sich erst in seiner 
vollkommenen Wirkung, wenn bei den Kuren 
auch die Wintermonate ausgenutzt werden. 
Winterkuren an der Nordsee finden weiterhin 
eine Indikation für diejenigen, welche erst im 
Herbst oder Beginn des Winters Pleuritis oder 
Pneumonie durchgemacht haben, bei chro¬ 
nischem Bronchialkatarrh, bei Asthma, bei dem 
im Herbst und Winter Verschlimmerungen ein¬ 
zutreten pflegen, unter Umständen auch für 
Anämische, Chlorotische und Neurastheniker. 

Verfasser zeigt an Kurven, die die Tempe¬ 
ratur der Winter 1902/3 und 1903/4 betreffen, 
und auf Grund von lOjähriger Beobachtung der 
Lufttemperatur, welche auch im Mittel der 
kalten Monate stets über 0° C bleibt, daß der 
Winter auf den Nordseeinseln spät anfängt und 
dann milder als in Wiesbaden und bedeutend 
wärmer als in Berlin ist. Der somit mögliche 
ausgedehnte Aufenthalt in freier Luft wird auch 
durch das Vorherrschen der südlichen und west¬ 
lichen Winde bei relativem Mangel an Ostwind 
gewährleistet. Nimmt man den ungünstigen 
März aus, vor dessen Beginn demnach Ver¬ 
fasser die Kur zu beendigen vorschlägt, so 
liegt weder in der Temperatur noch in den 
Windverhältnissen ein Hindernis für die über- 

28 * 


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412 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Winterung an der Nordsee zu therapeutischen 
Zwecken. Wünschenswert wären nach unsrer 
Ansicht Mitteilungen über die Verhältnisse der 
Sonnenscheindauer. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Koksch; Bas Luftbad und seine Bedeutung 

für Großstädte und Industriezentren« 

Leipzig. Verlag von A. Strauch. 

Eine gutgeschriebene Werbeschrift für das 
Luftbad, die zwar etwas starken Enthusiasmus 
hervortreten läßt, im großen und ganzen jedoch 
auf physiologischem Boden steht. Nachdem 
die physikalischen Eigenschaften der Luft unter 
den verschiedensten Feuchtigkeit«-, Temperatur- 
und Luftbewegungsverhältnissen besprochen 
sind, geht Verfasser auf die physiologischen 
Wirkungen des Luftbades auf den Körper ein. 
Sein Hauptargument für die günstige Wirkung 
des Luftbades besteht darin, daß bei ent¬ 
kleidetem Körper die Nerven der Haut und der 
Sinnesorgane in einem großen Ausdehnungs¬ 
gebiet gereizt, und infolgedessen die Körper¬ 
funktionen in sehr gleichmäßiger, allgemeiner 
Weise angeregt werden können, während ein 
örtlich starker Reiz bei geschütztem übrigen 
Körper oft ernste Störungen infolge über¬ 
mäßiger Reizwirkung auf eine Gegend hervor¬ 
ruft. Beispiele für diese letztere Erscheinung 
sind das Auftreten einer Fazialislähmung bei Ein¬ 
wirkung eines feinen Luftzuges auf den Nacken 
oder das Gesicht, die Zirkulationsstörungen an 
Händen und Füßen (Gefäßkrampf etc.) bei Ein¬ 
wirkung der Kälte auf diese Teile, das Auf¬ 
treten von krampfhaftem Zusammenziehen der 
Gesichtsmuskulatur bei Einwirkung kalten 
Windes, Erkältungen nach Durchnässungen 
der Füße etc. Dadurch, daß die Reize auf die 
ganze Hautoberfläche wirken, kann es zu 
lokalen Störungen nicht so leicht kommen, 
weil dieselben ausgeglichen werden durch eine 
Menge von Reflexen auf die Herz- und Gefä߬ 
tätigkeit, die Blutverteilung, die Muskeltätigkeit, 
den Stoffwechsel, die Wärmebilanz. Die Be¬ 
tonung der Einschaltung der Haut in den Kreis 
der Naturreize bewirkt also eine allgemeine 
Steigerung der Lebenstätigkeit unserer Organe. 
Im Luftbade ist der Mensch viel mehr ein 
Reflexindividuum, als im bekleideten Zustande. 
Mit großer Leichtigkeit werden Muskel¬ 
bewegungen ausgeführt, die mit bekleidetem 
Körper in dieser Schnelligkeit und Elastizität 
kaum möglich wären. Dieselben verstärken 
dann alle jene Allgemeinwirkungen. Eine 


weitere Wirkung des auf die ganze Hant- 
oberfläche ausgeübten Reizes ist nach Ansicht 
des Verfassers die reflektorisch bedingte Feucht¬ 
erhaltung der Schleimhäute, wodurch ein mäch¬ 
tiger Schutz gegen Erkältungsgefahr nicht 
bloß im Luftbade selbst, sondern noch lange 
hinterher erzielt wird. Daß damit bei regel¬ 
mäßigem und zwar auch im Winter genommenen 
Luftbade die Erkältungsgefahr vermindert 
wird, ist wohl erklärlich. Nicht zu vernach¬ 
lässigen bei der Beurteilung der Wirkung dabei 
sind die besonders im Winter intensiv vor¬ 
genommenen starken Körperbewegungen. Die 
Haut funktioniert im Luftbade als vollkommenes 
Sinnesorgan, und sie wird infolge einer ständigen 
Ausbildung aus einer atrophischen, blassen, 
blutleeren, leichenfarbenen Umhüllung mit der 
Zeit zu einem rosigen, blutgefüllten, gesund 
aussehenden und prall gespannten Organ. Da¬ 
durch werden natürlich die auf sie eindringenden 
Reize wohl gerade so gut empfunden. Aber 
die Reize klingen schneller ab, sie hinter¬ 
lassen im Körper keine schädlichen Fern- 
Wirkungen. 

Alle diese Ausführungen des Verfassers 
bedürfen natürlich noch einer genauen, experi¬ 
mentellen Begründung. Immerhin ist es wahr¬ 
scheinlich, daß es sich so verhält, wie voraus¬ 
gesetzt. Verfasser macht dann noch weitere 
Schlüsse aus den genannten Wirkungen des 
Luftbades. Dadurch, daß der Mensch sich 
wieder der Natur nähert, soll er auch in 
ethischer und ästhetischer Hinsicht sich heben, 
seine Individualität soll mehr hervortreten, aus 
dem Stuben- und Aktenmensch wird wieder 
ein natürliches, freies, gewissermaßen instinktiv 
fühlendes und handelndes Reflexindividunm. 
Schon bei Kindern soll man doshalb in aus¬ 
gedehnter Weise das Luftbad in Anwendung 
bringen. Auch auf die Lebensweise, Ge¬ 
wöhnung an natürliche Ernährung, an die Ver¬ 
meidung von Reizmitteln etc. soll es günstig 
wirken. 

Det ermann (Freiburg-St. Blasien). 


Pelon 9 Les indications des eaux sulfurees 
des Pyrändes. Journal des Praticiena. 1905. 
29. April. 

Die beispiellos reichen und vielartigen 
Schwefelquellen der Pyrenäen werden vom Ver¬ 
fasser in vier von einander recht verschiedene 
Typen eingeteilt: 

1. die „eaux polysulfuräes“, welche als er¬ 
regend gelten müssen; 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


413 


2. die „eaux sulfit^es“ und „hyposulfitäes“, 
welche beruhigend wirken; 

3. die „eaux sulfhydriqu^es“, welche so¬ 
gleich Schwefelwasserstoff an die Luft 
abgeben, und für die Erkrankungen der 
Respirationsorgane in Betracht kommen. 

4. die „eaux blanchissantes“, welche freien 
Schwefel in Emulsion enthalten. 

Die Indikationen für alle diese Quellen 
sind: Syphilis, Rheumatismus, Arthritisformen, 
skrophulös-tuberkulöse Diathese, Ernährungs¬ 
störungen bei Kindern und jungen Leuten; 
ferner Gelenkerkrankungen, Neuralgien, Er¬ 
krankungen der Haut, der Respirationsorgane, 
der Geschlechtsorgane. Der Erfolg der Schwefel¬ 
bäder bei Syphilis entsteht nach Verfasser 
durch ihre anregende tonische Wirkung, durch 
die reinigende Wirkung auf oberflächliche Er¬ 
scheinungsformen der Syphilis, durch die er¬ 
leichterte Ausscheidung des gegebenen Queck¬ 
silbers und die Erhöhung der Widerstands¬ 
fähigkeit des Organismus gegen dasselbe. Bei 
Hautkrankheiten: Seborrhöe, Ekzeme, Acne 
r«saeea, Urticaria, juckenden Dermatosen, 
Psoriasis etc. kommen besonders die „eaux 
blanchissantes“ in Betracht Bei chronischem 
Schnupfen, Ozaena, Syphilis der Nase, 
adenoiden Vegetationen, Hypertrophie der 
Muscheln, chronischer Laryngitis und Bron¬ 
chitis, Asthma, Emphysem, soll sich außer den 
Schwefelbädern die Einatmung des Schwefel¬ 
wasserstoffes als nützlich erweisen. 

Determann (St. Blasien). 


H. Bordier und H. Julia de Rolg, De la 
rlsistance dlectrique des eaux thermales de 
Caiterets. Essai d’lnterpretatioii sur leur 
mode d’aetion. Annales d’Hydrologie et de 
Climatologie mädicales. Tom. IX, Nr. 11—12. 

Die Verfasser untersuchten die elek¬ 
trische Leitfähigkeit der schwefelhaltigen 
Mineralquellen des Pyrenäenbades Cauterets 
and kamen dabei zu folgenden interessanten 
Resultaten: Die Leitfähigkeit, die proportional 
i*t dem Salzgehalte der verschiedenen Quellen, 
nimmt vom Moment der Entnahme des Wassers 
aus der Quelle an zu, und zwar in ziemlich 
erheblichem Maße. Diese Zunahme geht unter 
Zutritt der Luft viel schneller vor sich, als bei 
unter Luftabschluß entnommenen Proben; sie 
beruht im wesentlichen darauf, daß die im 
Mineralwasser enthaltenen Schwefelkalium¬ 
witt sich unter Sauerstoffaufnahme in unter- 
sehwefligsaure, schwefligsaure und später auch 


in schwefelsaure Salze verwandeln. Die gleich¬ 
zeitig vorhandenen Eisensalze sowie sogenannte 
Sulfobakterien, die sich in diesen Schwefel¬ 
wässern finden, spielen vermutlich die Rolle 
von Katalysatoren bei diesem Oxydations¬ 
prozeß. 

Die therapeutische Wirkung der Quellen 
von Cauterets erklären nun die Verfasser damit, 
daß bei einer Trink- oder Inhalationskur die 
auf den Schleimhäuten fortwährend sich bil¬ 
denden unterschwefligsauren und schweflig¬ 
sauren Salze im Status nascendi das be¬ 
sonders wirksame Agens darstellen. Deshalb 
büßt auch das in Flaschen aufbewahrte 
Mineralwasser an Heilwirkung erheblich ein; 
denn die Verfasser fanden nach dreimonatlicher 
Aufbewahrung, auch wo dieselbe unter strengem 
Luftabschluß stattgefunden hatte, eine sehr 
bedeutende Zunahme der Leitfähigkeit. Sie 
schließen daraus, daß nunmehr das Wasser 
zu arm an Sulfiden ist, um noch Material für 
die therapeutisch wirksamen Dissoziationsvor¬ 
gänge liefern zu können; und in der Tat konnte 
konstatiert werden, daß solches, mehrere Monate 
altes Wasser, sich selbst überlassen, seine 
Leitfähigkeit fast nicht mehr zu ändern 
vermag. Daraus folgern die Verfasser, daß 
eine Kur an Ort und Stelle nur dann einiger¬ 
maßen durch die Verwendung von versandtem 
Mineralwasser zu ersetzen ist, wenn dasselbe 
in frischem Zustande bald nach der Entnahme 
verbraucht wird. A. Laqueur (Berlin). 


La prophylaxie du pneumothorax par la 
chambre pneumatique de Sauerbruch. 

Congrös franQais de Chirurgie. 17. Session. 
Le bullötin medical 1904. Nr. 88. 

Die Sauerbruch sehe Methode und der 
von ihm konstruierte Kasten bildeten den 
Gegenstand einer sehr lebhaften Diskussion 
auf dem jüngsten französischen Chirurgen¬ 
kongreß. Nachdem Mayer (Brüssel) ihn ein¬ 
gehend beschrieben und seine Anwendung fixiert 
hatte, sprachen sich eine Reihe von Rednern 
mehr oder minder gegen den Gebrauch des¬ 
selben aus; einmal wurde betont, daß man an 
sich nicht zu sehr über den chirurgischen 
Pneumothorax zu erschrecken brauche, weiter¬ 
hin daß, wenn er auch theoretisch sehr inter¬ 
essant sei, man seinen praktischen Nutzen be¬ 
zweifle, und daß er überhaupt nur in Betracht 
kommen könne bei Eröffnung beider Pleura¬ 
höhlen. Hallion (Paris) betonte besonders 
unter allgemeiner Zustimmung, daß man die 


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414 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Chancen der Infektion sehr vermindern würde, 
wenn man nach der Eröffnung die respira¬ 
torischen Bewegungen herabzusetzen vermöge. 
Hierzu wäre das beste Mittel die Einatmung 
von Sauerstoff. 

J. Märcuse (Ebenhausen b. München). 


F« Sommer, Uber den Einfluß verschieden 
temperierter Bäder und der Abreibung 
auf die Atemkurve« Zeitschrift für experi¬ 
mentelle Pathologie und Therapie. Bd. 1. 

Mit Hilfe des Oehmkeschen Turgographen, 
der in seinem wesentlichen Prinzip einen Puls¬ 
schreiber darstellt, hat Autor die Atmungs¬ 
phasen in toto, wie die Dauer eines Inspiriums 
und Exspiriums festzustellen und ihre Beein¬ 
flussung durch hydrotherapeutische Prozeduren 
näher zu bestimmen gesucht. Bäder von 39° C 
ergaben eine minimale Verlangsamung der 
Atmung, doch war das Resultat kein konstantes, 
indem die Inspiration bald beschleunigt, bald 
verlangsamt war. Der Einfluß des Bades auf 
die Tiefe der Respiration zeigte ebenfalls keine 
übereinstimmenden Resultate, die Versuchs¬ 
individuen atmeten im Bade bald etwas tiefer, 
bald wesentlich seichter. In einem kühlen Bad 
von 25° C tritt eine Verlangsamung der Atmung 
ein, die Tiefe der Respiration nahm jedesmal 
ab. Was nun den Einfluß der Abreibung auf 
die Kiirve anbetraf, so war derselbe unter 
Umständen ein sehr starker, doch ungleich bei 
den verschiedenen Temperaturen des Bades. 
Die Geschwindigkeit der Respiration wurde im 
39°-Bad durch die Abreibung verlangsamt, 
ebenso auch im Bad von 34°, am deutlichsten 
trat dies in dem Bad von 25° hervor. Das 
Inspirium selbst wurde nach der Abreibung 
jedesmal wesentlich verlängert. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 


t\ Gymnastik, Massage, Orthopädie 
und Apparatbehandlung. 

Herter, Uber künstliche Atmung« Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. Nr. 20. 

Keine der bisher vorgeschlagenen Methoden 
genügt, wie Herter zunächst zeigt, allen An¬ 
sprüchen. Man kommt zum Ziel, indem man 
aus allen Vorschlägen das Beste heraussueht 
und zu einer Methode vereinigt. — Vor Beginn 
der eigentlichen Atembewegungen muß unter 
allen Umständen die Zunge gesichert werden, 
indem ein zu Häupten kniender Helfer sie 


zwischen den Fingern hält. Zwei andre knien 
seitwärts und führen die von Silvester be¬ 
schriebenen Armbewegungen aus, mit der Ab 
weichung, daß sie zum Zweck der Ausatmung 
den Brustkasten nicht von den Seiten, sondern 
mehr von vorn zusammendrücken. Zur Unter 
Stützung übt ein Vierter, rittlings kniend, das 
Howardsche Verfahren, d. h. die Kompression 
an den Rippenbögen, aus. Sind nur drei Helfer 
vorhanden, so muß der letztgenannte mit einer 
Hand die Zunge halten, mit der andern den 
Thorax komprimieren. Sind nur zwei zur Stelle, 
so bleibt es für den einen bei der letztgenannten 
Vorschrift, während der andere, zu Hänpten 
kniend, allein die Armbewegungen ausführt 
Ein Helfer allein muß sich auf Halten der 
Zunge und Kompression des Thorax be¬ 
schränken. Die Zahl der Atembewegungen sei 
etw r a 15 in der Minute. 

Leo Zuntz (Berlin). 


Siegel, Traitement du mal sous-occipital. 

Archives gändrales de m£dicine 1905. Nr. 15. 

Für die Behandlung der Entzündung an 
den obersten Halswirbeln zieht Verfasser deD 
unabnehmbaren Gipsverband in Form einer 
„Minerva“ allen andern Methoden vor. Brr 
Verband bezieht den Rumpf in großer Aus¬ 
dehnung mit ein und wirkt nicht nur fixierend 
sondern auch extendierend auf die Halswirbel- 
säule. Genügend lange Durchführung der Ver¬ 
bandbehandlung ist notwendig, die Pflege des 
Allgemeinzustandes — Seebad, Sanatorium, 
Freiluftbehandlung etc. —- höchst wichtig. 

Vulpius (Heidelberg). 


Cheever, Collapse during ex&min&tion of 
a postpharyngeal abscess: reestablishment 
and maintenance of the circulation for four 
hours by means of massage of the he&rt 

Boston med. and Chirurg. Journ. 1905. 5. Jan., 
ref. aus The Lancet 1905. 28. Januar. 

Cheever berichtet über einen bemerkens¬ 
werten Fall von Wiederherstellung der Zirku¬ 
lation und vierstündiger Unterhaltung derselben 
durch Herzmassage. Ein dreijähriges Kind 
wurde wegen Hals- und Schluckschmerzen in 
einem Hospital untersucht; wegen Retro¬ 
pharyngealabszesses sollte sofort ohne Narkose, 
anscheinend per os, operiert werden. Kurz nach 
Einführung von Mundsperrer und Sealpeil, vor 
Ausführung der Inzision, tritt Respirations¬ 
und Zirkulationslähmung ein; die Operation 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


415 


wird rasch vollzogen und sofort äußero Herz¬ 
massage (60 Kompressionen in der Minute über 
dritten bis fünften linken Rippenknorpeln) aus- 
reführt, dabei künstliche Atmung unterhalten, 
Luft durch Katheter in die Trachea geblasen, 
♦ benso Sauerstoff, Brandy und Strychnos ins 
Herz injiziert, die Beine gewickelt, Vs Liter 
Kochsalzlösung in die Vena cephalica infundiert, 
dann Adrenalin-Solution in den Muscul pectoral. 
injiziert und die Tracheotomie vollzogen. Der 
Tod war nach 4 1 /* Stunden in Totenstarre der 
Heine nachweisbar, aber bis dahin war bei 
jedesmaliger Herzkompression die Pulswelle 
fühlbar, in der Zwischenpause jedoch nicht. 

Das besondere des Falles liegt in der 
Tatsache, daß die Automatic des Herzens nicht 
wiederhergestellt werden konnte; daß aber ver¬ 
mittelst der mechanischen Herzkompressionen 
«las Blut in das Gefäßsystem gepumpt wurde, 
erscheint Ref. ebenso wie dem Berichterstatter 
«ler ^Lancet“ zweifelhaft. 

R. Bloch (Koblenz). 


1. Bolgey, La pratlqne des injeetions 
iitrtveinenses est-elle justiftee? Archives 
generales de mädecine 1905. Nr. 17. 

Intravenöse Injektionen von wässerigen 
Lösungen verursachen eine Zerstörung der ! 
Illutelemente, die sich durch eine brüske 
Trennung des Hämoglobins und des Stromas 
äußert. Dagegen hatKlikowicz eine Lösung 
von Natrium sulfuricum (1 g auf 100 g Blut) 
intravenös eingespritzt und nach drei Minuten 
keine Spur davon mehr gefunden. Daraus er¬ 
gibt sich, daß dieso „physiologische Lösung 14 
ine — vorläufig noch dunkle — Umwandlung 
seitens des Blutes erfährt und dadurch assimilier¬ 
bar geworden ist. Man kann kein Medikament 
in den Organismus einführen, ohne daß es erst 
une Umwandlung durchmacht, die unseren 
kotigen Untersuchungsmethoden noch un- 
tugänglich ist, aber jedenfalls die wichtigste 
Phase der Absorption darstellt. Es ist daher 
weh nicht ratsam, um eine möglichst schnelle 
Absorption zu erzielen, den intravenösen Weg 
n wählen, sondern die intrazelluläre Injektion. 
Nor ein physiologisches Serum kann man ohne 
Schaden intravenös einverleiben. Die intra¬ 
zelluläre Injektion wird am besten an der 
äußeren vorderen Partie des Schenkels gemacht 
»nd das Medikament in das Muskelgewebe 
* utleert, das den Femurknochen direkt umgibt. 

Forchheimer (Würzburg). 


G. Flatau, Über einen nenen Gymnastik* 
apparat und seine Verwendbarkeit bet 
Behandlung von Nervenleiden. Medizin. 
Klinik 1905. Nr. 27. 

Verfasser hebt die Vorzüge des von G. 
Müller konstruierten Apparates „Autogyranast“ 
gegenüber allen bisherigen Gymnastikapparaten 
hervor und geht des Näheren auf seine An¬ 
wendungsformen und seine Indikationen ein. 
Der Aufsatz deckt sich zum Teil mit dem 
Inhalt der ausführlichen Gebrauchsanweisung, 
die jedem Apparat beigegeben wird; auch die 
Abbildungen sind dieser entnommen. A1 q 
H auptvorzug des Apparates wird mit Recht 
der Umstand betrachtet, daß er überall und zu 
jeder Zeit leicht verwendbar ist; denn er wird 
nicht, wie sonst üblich, am Fußboden oder an 
der Wand befestigt, sondern hat seine Stütz¬ 
punkte an einem um den Leib befestigten 
Gurt. Er ist leicht transportabel, leicht anleg- 
bar und anscheinend haltbar. Referent kann 
sich aus eigener Erfahrung der empfehlenden 
Kritik Flataus durchaus anschließen. Es ist 
zu wünschen, daß der zweckmäßige Apparat 
weiteste Verbreitung findet. Vielleicht wäre 
noch eine Herabsetzung des freilich nicht sehr 
hohen Preises (15 M.) in dieser Richtung förder¬ 
lich. (Fabrikant: Wilh. Anhalt, Kolberg). 

W. Alexander (Berlin). 

Sonderwann, Vorschlag zur Modifikation 
der Quinkeschen Lumbalpunktion bei 
akuter Cerebrospinalmeningitis. Medizin. 
Klinik 1905. Nr. 25. 

Verfasser hat vor wenigen Monaten ein 
Verfahren zur Behandlung von Gelenkeiterungen 
empfohlen, darin bestehend, daß eine Dauer¬ 
kanüle mit doppeltem Ansatz in das betreffende 
Gelenk eingelegt wird, durch die man jederzeit 
ohne Belästigung des Patienten eine Durch¬ 
spülung des Gelenkes vornehmen kann. (Siehe 
Referat im Maiheft dieser Zeitschrift.) Das¬ 
selbe Prinzip versucht er jetzt auf den Dural¬ 
sack in Anwendung zu bringen. Eine 2 mm 
starke Kanüle wird nach dem Einstechen mit 
einem doppelten Ansatz versehen und liegen 
gelassen (!), so daß man nach Belieben Spinal* 
flüssigkeit ablassen und Kochsalzlösung durch- 
sptilen kann ohne Belästigung des Patienten. 
Verfasser verschweigt, ob er schon einen Fall 
mit diesem Verfahren behandelt hat und mit 
welchem Erfolg. Referent ist der Ansicht, daß 
jeder, der mit der Spinalpunktion Bescheid 


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416 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


weiß, diesen Vorschlag nicht ernst nehmen 
kann, hält es aber für geboten, den weniger 
auf diesem Gebiete Erfahrenen dringend vor 
derartigen Versuchen zu warnen. Dem kleinen 
Vorteil, daß man dem Patienten die wieder¬ 
holte Punktion erspart, stehen eine Reihe 
großer Gefahren gegenüber, die das Verfahren 
von vornherein als am grünen Tisch entstanden 
kennzeichnen. Die Gefahr der Infektion wird 
vom Verfasser unterschätzt; wenn sie auch 
nur einmal vorkäme, so hätte sie doch eine 
andere Bedeutung als eine Infektion bei der 
Gelenkspülung des Verfassers. Wie soll ferner 
der (nebenbei gewöhnlich unruhige und bett¬ 
nässende) Patient liegen, wenn die Kanüle auch 
„nur für wenige Tage“ stecken bleibt? Sollte 
sie nicht gelegentlich abbrechen? Eine wirk¬ 
same Ausspülnng des Duralsackes, wie sie sich 
Verfasser vorzustellen scheint, ist nicht mög¬ 
lich, wohl aber wäre bei einem derartigen 
Versuch die unberechenbare Drucksteigerung 
höchst gefährlich. Es erübrigt sich, weitere 
Argumente gegen dieses Verfahren beizubringen, 
zu dessen Nachprüfung sich wohl niemand 
bereitfinden wird. 

W. Alexander (Berlin). 


D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

Har et, La Radiotherapie et le cancer niedre 
du sein. Journal de Physiotherapie 1905. 
Nr. 25. 

Verfasser behandelte mit Radiumstrahlcn 
ein ulzeriertes Mammakarzinom; die ulzerierte 
Partie war fast handtellergroß mit dicken ver¬ 
härteten Rändern; die Geschwulstfläche war 
höckerig, blutend, der Tumor selbst von der 
Größe einer Mandarine war sehr hart. Die 
Wirkung der Radiumbestrahlung war folgende: 
bei einmal wöchentlicher Bestrahlung Aufhören 
der Blutung nach drei Sitzungen, Nachlassen 
der Schmerzen bei der fünften, bei der neunten 
beginnt die Vernarbung von der Peripherie I 
nach dem Zentrum zu. Nach der sechzehnten 
Sitzung ist die Vernarbung vollständig. Die 
Schmerzen haben ganz aufgehört. Das Narben¬ 
gewebe ist rötlich, weich und hängt mit den 
tieferen Partien nicht zusammen. Der darunter¬ 
gelegene Tumor ist verschwunden. Aber die 
durch die MediaBtinaldrüsen bedingten Kom¬ 
pressionserscheinungen sind fortgeschritten. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Golm, Weitere Beobachtungen über Be¬ 
handlung des Trachoms mit Radium. 

Berliner klin. Wochenschr. 1905. Nr. 8. 

In sieben Fällen von Trachom resp. Folli- 
kular-Katarrh hat Verfasser Bestrahlungen mit 
Radium (1 mg), welches in einem Glasröhr¬ 
chen von 3 cm Länge und 2 mm Durchmesser 
eingeschmolzen wird, angewandt und erzielte 
schnell und schmerzlos Verschwinden der 
Körner. Niemals ist auch nur die kleinste 
Schädigung des Auges oder Sehvermögens 
vorgekommen. Die Anwendung geschieht so, 
daß die Körner einige Minuten mit dem 
Radium-Glasröhrchen berührt werden. Dio 
Nachwirkung in der Rückbildung der Binde¬ 
hautfollikel findet am zweiten und dritten Tage 
nach der Bestrahlung statt 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Lesser, Zur Finsenbehandlung des Lupus. 

Berl. klin. Wochenschrift 1905. Nr. 4. 

Lesser versucht die Bedeutung und den 
Wert der Finsenbehandlung des Lupus klar¬ 
zustellen und erörtert zwei hier in Betracht 
kommende Fragen: 1. wird durch die Finsen¬ 
behandlung eine vollständige Heilung des Lupus 
erreicht und 2. inwieweit ist das Erreichen 
dieser Heilung mit einem guten kosmetischen 
Effekt verbunden? Als einzig wirklich sicheres 
Mittel der Erkenntnis, ob eine definitive Heilung 
eingetreten ist, nimmt Lesser das jahrelang 
dauernde Ausbleiben von Rezidiven an. Nach 
i der Finsenbehandlung bleiben Rezidive zum 
mindesten länger aus, als nach der Mehrzahl 
der anderen Behandlungsmethoden. Ferner 
gibt keine der bisherigen Behandlungsmethoden 
des Lupus (Exzision, Ätzung, Heißluft-, Tuber¬ 
kulin-, Röntgenbehandlung) ein auch nur an¬ 
nähernd so gutes kosmetisches Resultat, wie 
die Finsenbehandlung. Die auffallend günstige 
Narbenbildung dabei ist nach Lesser so zu 
erklären, daß die Lichtstrahlen durchaus elektiv 
wirken; sie zerstören nur das Kranke und 
führen im gesunden Gewebe zu Entzündungs¬ 
erscheinungen, aber nicht zu Nekrosen. Auch 
die Finsenbehandlung hat nach Lessers 
Meinung ihre Grenzen: Fälle mit ausgedehnten 
Schleimhautaffektionen und mit sehr starken 
Narbenbildungen setzen der Finsenbehandlung 
den größten Widerstand entgegen. Unter 
gewissen Umständen empfiehlt Lesser eine 
Kombination der Lichtbehandlung mit anderen 
Methoden. Auch die Behandlung mit Röntgen- 


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strahlen, die allein angewandt beim Lupus gar 
nicht zu guten Resultaten führt, kann man als 
Unterstützungsmittel in einzelnen Fällen ver¬ 
werten. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Bisserl 6, Le technique radiotherapique 
dan8 les affections cancdreuses. Le .Pro- 
gr6s Mödical 1905. 11. Februar. 

B. gibt eine Anweisung für die zweck¬ 
mäßigste Einrichtung des Röntgenapparats, 
speziell für die Behandlung des Karzinoms. 
Die Einzelheiten der Konstruktion des Apparats 
müssen im Original eingesehen werden. Der 
Erfolg der Behandlung hängt zum Teil von 
der angegebenen Vervollkommnung des Appa¬ 
rats ab. A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


P. Bergell and A. Braunstein, Über den 
önflal der Radinmsalze anf den fermen¬ 
tativen Eiweißabbau. Medizinische Klinik 
1905. Nr. 13. 

Verfasser haben neue Versuche angestellt 
über den Einfluß von Radiumsalzen auf Fermente, 
and zwar speziell auf die eiweißspaltenden 
Fermente. Die Versuchsanordnung ist inso¬ 
fern weitergehend, als die der bisherigen ein¬ 
schlägigen Arbeiten, da Verfasser nicht nur 
den Einfluß der Radiumstrahlung, sondern auch 
den Einfluß von Radiumsalz in Lösung und 
ganz speziell der Radiumemanation prüften. 
Bei letzteren handelt es sich um den Einfluß 
aller drei Arten von Strahlen, welche den 
Radiumsalzen eigen sind. Die Prüfung des 
Mechanismus der tryptischen Fermentwirkung 
war insofern genau bestimmt, als es sich um 
Messung des abgespaltenen Tyrosin aus Pep¬ 
tonen handelte. Der Mechanismus der Wirkung 
dieses Fermentes ist bekanntlich insofern auf¬ 
geklärt, als eine Peptidbindung des Tyrosin 
hydrolytisch gespalten wird. Das Ergebnis 
der Untersuchungen war, daß die Bestrahlung 
mit Radiumbromid die Fermentwirkung hindert, 
wie bereits früher von anderer Seite be- 
hanptet war; der Zusatz des Radiumsalze und 
Radiumemanation enthaltenden Wassers be¬ 
fördert die Wirkung. Die Unterschiede sind so 
groß, daß das durch Radium aktivierte Ferment 
auch künstliche Peptide angreift, welche das 
Ferment allein nicht spalten kann. Die Ge¬ 
winnung der Radiumemanation beim Abdestil- 
lieren geschieht durch fraktionierte Kühlung 


mit Wasser und flüssiger Luft in getrennten 
Vorlagen, eine neue Versuchsanordnung. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Joachim und Kurpjuweit, Uber die Be¬ 
handlung der Leukämie mit Röntgen¬ 
strahlen. Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1904. 1. Dezember. 

Die Verfasser berichten sehr ausführlich 
über zwei Fälle von Leukämie, die sie mit 
glänzendem Erfolge mit Röntgenstrahlen be¬ 
handelt haben. Die Beobachtung der Kranken 
ist noch zu kurz, um ein definitives Urteil zu 
fällen. H. E. Schmidt (Berlin). 


Hirschfeld, Die Röntgentherapie der 
Leukämie. Wiener klinisch-therapeutische 
Wochenschrift 1904. 27. November. 

Die Arbeit bietet eine Zusammenstellung 
sämtlicher bisher publizierter Fälle von Leu¬ 
kämie, die mit Röntgenbestrahlung behandelt 
wurden. H. E. Schmidt (Berlin). 


Selig, Röntgenbehandlung einer Leucämla 
myelo-lienalls. Prager medizinische Wochen¬ 
schrift 1904. 22. Dezember. 

Glänzender Erfolg: Rückgang des Milz¬ 
tumors, Besserung des Blutbefundes und 
Allgemeinbefindens. Wegen einer Röntgen- 
dermatitis mußte die Behandlung abgebrochen 
werden. Von wirklicher Heilung kann man 
bis jetzt noch nicht sprechen. Die von Senn, 
Ahrens und andern mitgeteilten Fälle ver¬ 
liefen schließlich letal. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Werner, Zur Kenntnis und Verwertung der 
Rolle des Lezithins bei der biologischen 
Wirkung der Radium- und Röntgenstrahlen. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1905. 
12. Januar. 

Der Verfasser hat in einer früheren 
Publikation (Zentralblatt für Chirurgie Nr. 43, 
1904) über seine Versuche berichtet, die direkte 
Bestrahlung der Haut durch intrakutane In¬ 
jektionen des mit Radium bestrahlten und dadurch 
„aktivierten“ Lezithins zu imitieren. 

Er hat jetzt die „Aktivierung“ des Lezithins 
auch durch Röntgenbestrahlung erzielt. 


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418 


Die Beobachtung, daß die Radium- und 
Röntgenbestrahlung die Zersetzbarkeit des 
Lezithins erhöht, läßt die Hypothese zu, daß 
gerade die entstehenden Zerfallsprodukte durch 
Intoxikation zum Untergänge der Gewebezellen 
führen. 

Therapeutische Versuche am Menschen, die 
ja (z. B. bei malignen Tumoren) Von gar nicht 
abzuschätzender Bedeutung sein können, liegen 
bisher noch nicht vor. 

H. E. Schmidt (Berlin). 

Tage Sjögren, Om Röntgenbehandlung af 
Sarkom. Hygiea 1904. Nr. 10. 

Nach einer kurzen Übersicht über die von 
Krogius, Colley und Crysospates ver¬ 
öffentlichten Fälle, in denen es gelungen war, 
Sarkomgeschwülste durch Röntgenbestrahlung 
zum Schwinden zu bringen, berichtet der Ver¬ 
fasser über drei eigene Erfahrungen. Bei einem 
48 jährigen Manne wurde ein pigmentiertes 
Spindelzellensarkom des Nasenflügels in dreißig 
Sitzungen vollkommen beseitigt. Vier Monate 
danach zeigte nur eine leicht atrophische 
Hautpartie die Stelle an> wo es gesessen hatte. 
Eine Geschwulst gleichen Charakters und 
gleichen Sitzes bei einer 22jährigen Frau schwand 
in 35 Sitzungen bis auf geringe Reste. Die 
Behandlung war zurzeit der Publikation noch 
nicht beendet. Während in diesen beiden 
Fällen eine operative Beseitigung der Tumoren 
leicht gewesen wäre, handelte es sich im 
dritten Falle um das zweite Rezidiv eines 
Rundzellensarkoms des Oberarmes, bei dem 
nur noch die Exarticulatio brachii in Frage 
kam. Diese wurde verweigert. Nachdem dann 
der Arm an der Innenseite drei Wochen, an der 
Außenseite vier Wochen mit Röntgenstrahlen 
behandelt war, fand sich nur noch geschrumpftes 
Narbeogewebe in der Achselhöhle, und die 
Beweglichkeit des Armes war fast normal 
geworden. Böttcher (Wiesbaden). 


H. Bordier, La Galyano-Faradiszazione eil 
trattamento deUa constipazione cronica 
e dell’ entero-colite muco-membranosa. 

Annali di elettricitä medica e terapia fisica 
1905. Nr. 2. 

In einem diagnostisch nicht ganz klaren 
Fall von chronischer Obstipation, ferner in 
zwei Fällen von Schleimkolik erzielte das ge¬ 
nannte Verfahren glänzende Erfolge. Verfasser 


verwendet Elektroden von 550 bzw. 450 qcm 
Fläche; der positive Pol wird auf die Bauch¬ 
wand gesetzt. Die angewandte Stromstärke 
betrug 70—150 M.-A.. der Rollen abstand % de» 
Induktionsapparates je nach der Stromstärke 
0—45 mm. Es wurden Rollen mit sehr dünnem 
Draht verwandt, um einen möglichst hoch¬ 
gespannten Strom zu erzielen. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


E. Serum- und Organotherapie. 

R. Bassenge und Martin Mayer, Zur 
Schutzimpfung gegen Typhus. Aus dem 

Laboratorium der Hydrotherapeutischen An¬ 
stalt der Universität in Berlin (Leiter: Geh. 
Medizinalrat Prof. Dr. Brieger) und dem 
Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten 
in Hamburg (Leiter: Physikus Dr. Nochti 
Deutsche Medizinische Wochenschrift 1905. 
Nr. 18. 

Der Bericht über aktive Immunisierung 
gegen Typhus aus der Medizinalabteilung des 
preußischen Kriegsministeriums stellt als An¬ 
forderungen an ein brauchbares Impfverfahren 
gegen Typhus folgende Punkte auf: 1. Ein¬ 
fachheit und Geringfügigkeit des Eingriffs bei 
Ausführung der Impfung, 2. möglichst gering¬ 
fügige, keinesfalls länger andauernde Gesund¬ 
heitsstörungen im Gefolge der Impfung, 3. eine 
Steigerung der Schutzstoff-Ansammlung im 
Körper des Geimpften von solcher Größe und 
Andauer, daß zum mindesten eine Herab¬ 
setzung der Erkrankung und Sterbegefahr un¬ 
zweifelhaft W'erde. Auf Grund der früher von 
Brieger und Mayer veröffentlichten Methoden, 
lebenden Bakterien durch Schütteln im destil¬ 
lierten Wasser wirksame Substanzen zu ent¬ 
ziehen, gelang es den Verfassern, aus Typhus¬ 
bazillen keimfreie Filtrate zu erhalten, deren 
Injektion im menschlichen Körper die Bildung 
von Schutzstoffen gegen Typhusinfektion her¬ 
vorruft. Der gewonnene Impfstoff ist klar, 
gelblich, etwas opaleszierend und frei von 
Suspensionen, ermöglicht daher die Kontrolle 
der Reinheit selbst durch Laien. Der Impf¬ 
stoff ist haltbar und genau dosierbar. Die 
durch Injektion des Impfstoffes hervorgerufenc 
lokale und allgemeine Reaktion ist auf ein 
absolut erträgliches Maß beschränkt, wohl 
wesentlich dadurch, daß fremde Beimengungen 
(Nährbodenreste und Zellmembranen) nicht 
darin enthalten sind, wie in den Baktcricn- 


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Suspensionen. Eine einmalige subkutane ,* In¬ 
jektion des Impfstoffes, dessen Dosis durch 
ftärkere Konzentration jetzt auf 2 ccm herab¬ 
gesetzt werden konnte, ruft die Bildung bak- 
leriolytiseher Stoffe in hohem Maße hervor; 
r.oeh nach längerer Zeit (sechs Monate) konnten 
-ulche Stoffe nachgewiesen werden. 

Forchheimer (Würzburg). 


Ernst Fuld, Über die Kellingsche Serum- 

Beaktion bei Karzinomatösen. Berliner klin. 

Wochenschrift 1905. Nr. 18. 

Im vorigen Jahre hat Kelling eine neue 
Theorie über die Ätiologie maligner Tumoren 
ruifgestellt. Danach soll das Karzinom aus der 
atypischen Entwicklung von fremdartlichem cm- 
hnonalem Gewebe hervorgehen, das in einen 
Nihstanzverlust des befallenen Organismus 
implantiert wurde. Der Karzinomatösc bilde 
ond beherberge in seinem Blutserum ein gegen 
•las Körpereiweiß seines Parasyten spezifisches 
Präzipitin. Hieraus will Kelling sogar beim 
Mangel anderer Symptome dio Existenz von 
Tumoren mit solcher Sicherheit feststellen, daß 
r unbedenklich zur Operation schreitet. Fuld 
bat nun in 16 Fällen von Karzinom, unter denen 
höchstens zwei eine unsichere Diagnose zu- 
liHäen, Kellings Angaben nachgeprttft. Er 
hat jedoch die Existenz der von Kelling als 
charakteristisch für das Serum Krebskranker 
umgebenen Reaktion in keinem Falle mit 
Bestimmtheit, höchstens in einem Falle an¬ 
deutungsweise konstatieren können. Man 
*ird also die von Kelling beschriebenen 
Tällungs - Erscheinungen zu diagnostischen 
/wecken noch nicht verwerten dürfen. 

Forchheimer (Würzburg). 


E« laragliano, Uber die spezifische Be¬ 
handlung der Tuberkulose und eine Schutz- 
iapfung gegen dieselbe. Zeitschr. f. Tuber¬ 
kulose und Heilstättenwesen 1905. Bd 7. 
Heft 2. 

Verfasser injizierte bei Pferden, Kühen und 
Kalbern ein wässeriges Extrakt giftiger, aber 
Abgetöteter Tuberkelbazillen in Verbindung 
mit einem Filtrat junger Tuberkelbazillen- 
knlturen und erhielt ein an antituberkulösen 
^chutzstoffen reiches Serum, welches ein 
Agglutinationsvermögen von 1:2000 besaß 
und mehr als 1000 Antitoxineinheiten pro 
Kubikzentimeter repräsentierte. Schätzungs¬ 


weise wurden in Italien und außerhalb des¬ 
selben im ganzen etwa 20000 Tuberkulöse 
mit dem Maraglianoschen Serum behandelt 
Von 2899 notierten Fällen wurden unter 250 
mit umschriebener fieberhafter Tuberkulose 
38% geheilt, 49% waren auf dem Wege der 
Besserung; ferner wurden von 938 Fällen um¬ 
schriebener fieberhafter Tuberkulose 18% ge¬ 
heilt und 54% gebessert. Unter 665 Fällen 
mit tuberkulöser diffuser Bronchopneumonie 
ohne Mischinfektionen heilten 14%, wurden 
43% gebessert; von 332 Fällen diffuser Broncho¬ 
pneumonie mit Mischinfektionen genasen noch 
9%, und 36% wurden gebessert. Von 712 
Fällen mit Kavernenerscheinungen wurden 
noch 6% geheilt, und 40% zeigten sich ge¬ 
bessert. 

Unter all diesen Kranken waren in Summa 
2396 fieberhafte Kranke, und das Fieber ver¬ 
schwand in 1111 Fällen, d. h. in 46%. Nach 
der persönlichen Erfahrung Maraglianos 
dauern einige Heilungen jetzt sieben und 
neun Jahre an. 

Bezüglich der Immunisierung der Tiere 
gegen Tuberkulose hält Maragliano den 
Beweis für geliefert, daß die antituberkulösen 
Schutzstoffe auch durch die Verdauungsorgane 
resorbiert werden und den damit genährten 
Tieren eino Resistenz gegen die tuberkulöse 
Infektion verleihen. Auch die Milch der gegen 
Tuberkulose immunisierten Kühe enthält Schutz¬ 
stoffe und verschafft den mit jener gefütterten 
Tieren immunisierende Eigenschaften. 

Für die Immunisierung des Menschen ist die 
intravenöse Injektion lebender, abgeschwächter 
Tuberkelbazillen etwa nach dem Mo eil ersehen 
Vorgehen zur Erzielung einer aktiven Immu¬ 
nität gefährlich und nicht notwendig, da die 
passive Immunisierung Genügendes leistet; 
denn wenn man das von immunisierten Tieren 
gewonnene Serum injiziert, so findet man, daß 
das antitoxische Vermögen des menschlichen 
Blutserums 1000 Immunitätsoinheiten pro Kubik¬ 
zentimeter erreicht und überschreitet, das Agglu¬ 
tinationsvermögen Ziffern von 80—100 erlangt. 
Auch spricht die bis zu zehn Jahren anhaltende 
Ausheilung Tuberkulöser, die mit therapeu¬ 
tischen Scruminjektioncn behandelt wurden, 
dafür, daß auf diese Weise eine so lange 
dauernde Immunität erzielt werden kann; denn 
sonst wäre doch eine Reinfektion denkbar ge¬ 
wesen. 

Analog den bei Tieren gewonnenen Er¬ 
fahrungen, kann man auch hei dem erwachsenen 
Menschen und nicht nur bei Kindern Agglu- 


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tinine und Antitoxine auf dem gastrischen 
Wege in die Blutbahn bringen und die Bildung 
andrer Agglutinine hervorrufen, wobei immu¬ 
nisierende Eigenschaften nicht nur durch Ein¬ 
führung der Schutzstoffe, sondern auch durch 
per os einverleibte, in geeigneter Weise prä¬ 
parierte Blutkoagula immunisierter Tiere, Milch 
und vielleicht auch durch das Fleisch immu¬ 
nisierter Tiere erzielt werden können. 

Eine weitere Methode, nämlich die der 
gemischten Immunisierung, besteht darin, daß 
nach Injektionen mit einem an Antikörpern 
wie Antitoxinen reichen Serum, welche einen 
Tag über den andern 20 Tage lang vorgenoramen 
werden, in einer zweiten Periode das gleiche 
Serum mit mazeriertem Bazillenextrakt in pro¬ 
gressiv wachsender Quantität, in einer dritten 
Periode das Extrakt allein injiziert wird. 

Den Ausgangspunkt für ein weiteres Im¬ 
munitätsverfahren siehtMaragliano in derHer- 
vorrufung eines durch Impfung abgestorbener 
Bazillenkörper bedingten peripherischen tuber¬ 
kulösen Herdes, dessen Erzeugung und Ab¬ 
heilung spezifisch immunisierende Schutzstoffe 
in dem Organismus entstehen läßt, ebenso wie 
das Ausbleiben tuberkulöser Affektionen bei 
Menschen, die einmal eine tuberkulöse Affektion 
überwunden haben, dafür spricht, daß das Auf¬ 
treten tuberkulöser Herderscheinungen immu¬ 
nisierende Dauerstoffe produzieren kann; freilich 
ist unserer Meinung nach die so entstehende 
aktive Immunität nicht immer sehr ausgeprägt; 
denn sonst würden ja, da schließlich die Tuber¬ 
kulose meist mit einem kleinen Herde beginnt, 
die Ausbreitung und Rezidivierung des tuber¬ 
kulösen Prozesses seltener sein, als es in Wirk¬ 
lichkeit der Fall ist. 

J. Ru he mann (Berlin^. 

Neugebauer, Ein Beitrag zur Behandlung 

des Wundstarrkrampfes mit Duralinfusion. 

Wiener klinische Wochenschrift 1905. Nr. 18. 

Bericht über drei Fälle, von denen zwei 
genasen. In den beiden ersten geheilten Fällen 
zeigten sich jedesmal nach 13 tägiger Inkubation 
die ersten Tetanussymptome. Tags darauf 
wurde mit der Duralinfusion begonnen, und 
zwar fanden die Einspritzungen am liegenden 
Patienten in die Lendenwirbelsäule statt, unter 
jedesmaliger Chloroformnarkose, um das sonst 
bei diesem Eingriff erneute Eintreten von 
Krämpfen zu verhindern. Im ersten Fall wurden 
im ganzen sechs Injektionen von je 100 A. E. 
Behringschen Serums verabfolgt, worauf die 


Krämpfe dauernd verschwanden. Fieber be- 
stand nur im Anfang. Im zweiten, ganz fieber¬ 
losen Fall wurden 16 mal je 50 A. E. ein¬ 
gespritzt. Der dritte Kranke, mit 16tägiger 
Inkubationsdauer, starb trotz fieberlosen Ver¬ 
laufs und dreimaliger Injektion von je 100 A.E. 
Verfasser begründet die durale Methode mit 
dem von v. Leyden und Blumenthal ge 
führten Nachweis von der Verankerung des 
Giftes im Zentralnervensystem und Liquor 
cerebrospinalis, und will dadurch das Gift ao 
Ort und Stelle angreifen. Auf das Ablassen 
von Liquor cerebrospinalis legt er keinen Wert 
zumal öfters überhaupt nur tropfenweises Aus¬ 
fließen beobachtet wird. Üble Folgen konnte 
er nie beobachten. Laser (Wiesbaden). 


Lomer, Antithyreoidin-Moebius bei Basedow« 
scher Krankheit mit Psychose* 

Dürig, Ein Beitrag zur Serumheh&ndlung 
des Morb. Basedow!!. Münchener mediziu. 
Wochenschrift 1905. Nr. 18. 

Bei der Patientin Lomers bestand seit 
Jahren Demenz, als ziemlich akut die Er¬ 
scheinungen eines Morbus Basedow einsetzten, 
bei dem namentlich die Herzsymptome sehr 
ausgesprochen waren. Das Moebiussche (Merck 
sehe) Serum wurde per os in steigenden Dosen 
bis zu 3X4.0 täglich gegeben. Der Puls wurde 
unter seiner Darreichung in der Ruhe lang¬ 
samer und kräftiger, die Irritabilität des Her¬ 
zens blieb bestehen. Tremor und Exopbthalums 
wurden günstig beeinflußt. Nach Aussetzen 
des Mittels kehrten sehr schnell alle Symptome 
in alter Stärke zurück. Das Mittel hat also in 
diesem Falle eine Dauerwirkung nicht gehabt. 
Bich aber als vortreffliches Symptomatikum 
erwiesen. — Dagegen wurde in Dürigs Fall 
ein eklatanter Dauererfolg erzielt. Es handelte 
sich um eine Patientin mit ausgesprochenem 
Basedow", bei der alle andern therapeutischen 
Hilfsmittel völlig versagt hatten. Durchschnitt¬ 
lich wurden dreimal täglich 40 Tropfen Seruui 
gegeben — kleinere Dosen erwiesen sich als 
wirkungslos. Bei sehr lange fortgesetzten hohen 
Dosen traten Vergiftungssymptome auf, die an 
die Erscheinungen des Myxödem erinnerten, 
nach Aussetzen der Medikation aber bald 
schwanden. Im übrigen aber war der Erfolg 
ein vorzüglicher und besteht nach Aussetzen 
des Mittels schon seit */* Jahr. Der Puls hält 
sich zwischen 75 und 85. Die Herzpalpitationen, 
Tremor sind verschwunden. Die Symptome 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


421 


von Moebius, Graefe und Stellwag sind nicht 
mehr konstatierbar, die Struma minimal, die 
Ernährung sehr gut. Leo Zuntz (Berlin). 


Im Aufträge der Kgl. Schwedischen Medi¬ 
zinaldirektion zu Stockholm hat Lewin die Be¬ 
reitung des Mannorekschen Antituberkulose- 
strums, sowie die mit diesem Mittel bisher 
erreichten Resultate studiert. Er hat in Paris 
einerseits Tierexperimente angestellt, um den 
präventiven und kurativen Wert des Serums 
in erproben. Andrerseits hat der Verfasser 
Erfahrungen gesammelt über die praktischen 
Resultate, zu welchen man mit dem Serum 
gelangt ist. Dazu hat Verfasser in Paris die 
mit dem Serum behandelten Fälle untersucht. 
Er hat aber außerdem noch Exkursionen an¬ 
gestellt, um an verschiedenen Orten möglichst 
viele mit dem Serum behandelte Kranke zu 
sehen und die Meinung der Fachmänner aus 
ihrem eigenen Mund zu hören. So war Ver¬ 
fasser in London bei Latham und Peurose, 
in Dijon bei Dubard, in Leysin bei Jaquerod, 
in Chermont bei Veilard, in Montana bei 
Stephan i. Auf Grund des klinischen Materials, 
rie der Tierexperimente, kommt der Verfasser 
zu den Schlüssen, daß das Marmoreksche 
Serum zwar nicht alle Fälle von Phthise zu 
heilen vermöge. Da das Serum aber niemals 
Schaden bringt, so müsse es Gegenstand einer 
eingehenden klinischen Prüfung werden. Ver¬ 
schiedene schwedische Forscher haben sich 
'iazu bereit erklärt. 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


F. Verschiedenes. 

Uquer, Trunksucht und Temperenz in den 
Tereinigten Staaten. J. F. Bergmann. Wies¬ 
baden 1905. 

Auf Studienreisen in einer Reihe amerika¬ 
nischer Städte hat Laquer alles wesentliche 
Material über die Frage des Alkoholismus 
zusammengetragen und bringt eine erstaunliche 
Fülle von sehr verschieden gearteten Angaben 
teils nach amtlichen Quellen, teils nach eigener 
Beobachtung. Letzterer Umstand, der der 
Arbeit ihren Reiz verleiht, hat noch einen großen 
Vorteil: es sind nicht trockene Statistiken, denen 
man die betreffenden Ergebnisse entnimmt, 
sondern subjektive und daher zuverlässige Ein¬ 
drücke, die der Autor hier bietet. Der Inhalt 
des Buches ist im Rahmen eines Referates 
auch nicht annähernd zu erschöpfen, und was im 


einzelnen an Tabellen, Berichten, Literatur etc. 
hier geboten wird, muß im Original eingeseben 
werden. Arzt, Volkswirt, Politiker werden in 
gleicher Weise Belehrung und Anregung in der 
sorgfältigen Arbeit finden. 

Die wesentlichen Ergebnisse sind etwa 
folgende: Religion, Schule, Gesetzgebung, 
Erziehung wirken zusammen, als Lebensmaxime 
den Satz aufzustellen: sei nüchtern, mäßig, 
arbeitsam, demütig. Unter den mannigfachen 
Sekten sind es: namentlich die Methodisten, 
die* den Alkoholgenuß perhorreszieren. Dazu 
kommt die Ubiquität des Sports und namentlich, 
daß im Gegensatz zur englischen Frau die 
Amerikanerin stets nüchtern und enthaltsam 
ist. Zweitens verhindert die Schankgesetz¬ 
gebung, die teils staatlich, teils von den Lokal¬ 
behörden erlassen ist, sowohl übermäßige Pro¬ 
duktion, Billigkeit sowie namentlich allzu¬ 
reichliche Ausschankgelegenheit des Alkohols. 
Die Bier- und Weinlokale sowie auch nament¬ 
lich der Gastwirtsstand erfreuen sich keiner 
besonderen Wertschätzung; das namentlich in 
Deutschland beliebte Kneipenleben existiert 
fast nicht, wenn es nicht, wie in manchen 
Großstädten, durch Auswanderer eingeführt 
wird. Genauere, sowohl physiologische wie 
sozial-ökonomische Untersuchungen verdankt 
man dem Chemiker Prof. Atwater, der die 
Normen für eine rationelle Erledigung der 
Alkohol- wie namentlich der Temperenzfrage 
aufgestellt hat. 

Dessen sowie die eigenen Erfahrungen 
zugrunde legend, empfiehlt Laquer für unsere 
Verhältnisse vor allem folgende Maßnahmen zur 
Bekämpfung des übermäßigen Alkobolgenusses. 
Man sollte allgemein von den Amerikanern die 
Trinksitten lernen und die dabei geübte 
Mäßigkeit nachahmen; die Gesellschaft selbst 
muß für Abschaffung des Trinkzwanges ein- 
treten, die übertriebenen Anforderungen an 
Trinklust einstellen und zunächst in den 
gebildeten Kreisen für Mäßigkeit sorgen. An¬ 
gefangen müßte damit bereits in den Schulen 
werden, woselbst regelmäßig Bedeutung und 
Gefahr des Alkoholgenusses demonstriert werden 
muß. Schließlich muß die Gesetzgebung durch 
hohe Besteuerung aller Alkoholika, Erschwerung 
der Konzession, Förderung gemeinnütziger 
Vereinigungen sowie Einsetzung ständiger 
Überwachungskommissionen ihrerseits dazu 
beitragen, diese für die Volkswohlfahrt so 
wichtige Frage von Grund aus zu erledigen. 

Mamlock (Berlin). 


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422 Referate über Bücher und Aufsätze. 


Karl Kolb, Die Bekämpfung der Lungen¬ 
tuberkulose in den Gefängnissen. Zeit¬ 
schrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen 
1905. Bd 7. Heft 2. 

Abgesehen von der Tatsache, daß in den 
Gefängnissen die Hälfte oder mehr aller Todes¬ 
fälle durch Tuberkulose hervorgerufen wird, 
gewinnt die in jenen anwachsende Häufigkeit 
der Schwindsuchtserkrankungen auch für die 
freie Bevölkerung eine unangenehme Bedeutung. 
Es werden nämlich im Deutschen Reiche durch¬ 
schnittlich pro Jahr etwa 1500 Gefangene ent¬ 
lassen, die in der Haft ihre Tuberkulose er¬ 
worben haben und die Ansteckung in ihren 
Kreisen verbreiten können. In jener Zahl sind 
diejenigen nicht eingerechnet, welche auch 
ohne die Gefangenschaft erkrankt w'ären. Zieht 
man weiterhin in Betracht, welche Infektionen 
durch Militäreffekten, sonstige Fabrikate und 
Gebrauchsgegenstände aus den Gefängnissen 
herrühren können, so sieht man, daß die All¬ 
gemeinheit ein großes Interesse daran hat, die 
Gefahr der Verbreitung der Gefängnistuber¬ 
kulose zu beseitigen und die Integrität der 
Gefängnisinsassen erhalten zu sehen. 

Für die Entstehung der Gefängnistuber¬ 
kulose spielt neben dem Tuberkelbazillus, 
dessen schwankende Virulenz an sich vielfach 
die wechselnde Intensität und Extensität der 
Erkrankungen erklärt, die Disposition eine be¬ 
deutende Rolle. Hier sind die tiefen seelischen 
Schmerzen durch die Freiheitsberaubung, die 
überfüllten Räume mit ihrer schlechten Luft, 
mangelhafte Ernährung, strenge Arbeit, un¬ 
genügende Bowegung im Freien, unzureichende 
Kleidung, harte Strafen usw. von präpara- 
torisohem Einflüsse. 

Vorbedingungen für die Bekämpfung der 
Tuberkulose sind Aufstellungen möglichst über¬ 
einstimmender statistischer Angaben, Verminde¬ 
rung der Freiheitsstrafen und Handhabung der 
hygienischen Maßnahmen unter ärztlicher 
Leitung. Die Eigenart der Gefängnisverhält¬ 
nisse bedingt energische Isolierung Kranker und 
Suspekter, sowie durchgreifende Desinfektions¬ 
maßregeln. Allgemeine hygienische Vorschriften 
betreffen die Lage und den Bau der Gefäng¬ 
nisse, die Temperaturregulierung, die Kleidung, 
Kost, Arbeit, Bewegung im Freien, Gymnastik, 
Hautpflege, Strafen. Bei der Behandlung Tuber¬ 
kulöser hat man die Wahl zwischen Tuber¬ 
kuloseabteilungen größerer Gefängnisse und 
eigenen selbständigen Sanatorien für Gefangene. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Waldemar Thom, Betrachtungen and Bei¬ 
träge zur Frage der Tnberkuloseangteckung 
unter Eheleuten. Zeitschr. für Tuberkulose 
und Heilstättenwesen 1905. Bd. 7. Heft 1. 

Verfasser konnte an der Hand eines großen 
1 Materials, welches der Lungenheilanstalt 
Hohenhonnef a. Rh. entstammt, unter 402 Ehen, 
deren einer Partner tuberkulös ist, nur zwöli 
Fälle ausfindig machen, bei denen eine tuber 
kulöse Infektion von einem Gatten auf den 
andern höchst wahrscheinlich w r ar, also bei 
rund 3 %. Nahm man unter den zwölf Faller, 
nur diejenigen als absolut charakteristisch an. 
bei denen bisher noch kein Fall von Phthise 
in der Familie vorgekommen war, so blieben 
nur acht Fälle übrig, so daß also etwa *2 ', 
Übertragungen resultierten. Unter den zwölf 
infizierten Ehegatten wurde viermal der Mann, 
siebenmal die Frau angesteckt, was für eine 
größere Gefährdung der letzteren spricht. Trotz 
vorgeschrittener und jahrelanger Erkrankung 
eines Ehepartners, trotz ständigen intimen Zu¬ 
sammenseins und aufreibender Pflege ist das 
Ausbleiben der Infektion im ehelichen Leben 
die Regel. J. Ruhemann (Berlin). 


E. Sando w, Kraft und wie man sie erlangt. 

Berlin 1905. Verlag Kraft und Schönheit 

Zu keiner Zeit ist als Gegengewicht gegen 
die zersetzenden Einflüsse des wirtschaftlichen 
Lebens die Kultur des Körpers so in den 
Vordergrund getreten, wie in der gegen¬ 
wärtigen, wo der Sport im allgemeinen 
geradezu eine elementare Bedeutung im Kampfe 
um Kraft und Gesundheit erlangt hat. Unter 
diesen mannigfachen Formen und Arten des 
Sports hat vor allem die Zimmergvmnastik eine 
Verbreitung gefunden, wie w^ohl kaum je zuvor, 
und sie verdankt dies in erster Reiho dem 
planmäßigen, zielbewußten Vorgehen eines 
Mannes, dessen Name weithin bekannt ist, 
Eugen Sandow. Sein System der Muskel¬ 
kräftigung durch bestimmte Übungen an den 
von ihm konstruierten Apparaten — Gummi- 
zügen, Hanteln etc. — hat eine ungeheure Ver¬ 
breitung in aller Herren Ländern gefunden und 
beherrscht w'ohl auf dem Gebiete der Zimmer¬ 
gymnastik die Nachfrage. Die damit erzielten 
Erfolge sind in der Tat überraschend, und 
wenn irgendwo, bo hat hier die rationelle 
Empirie eines Pfadfinders, wie es Sandow 
ist, glänzende Triumphe gefeiert. Dies hat ihn 
veranlaßt, sein System der Körperkultur in 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


423 


einer größeren Abhandlung niederzulegen die 
erstmalig ins Deutsche übersetzt ist; die 
Originalarbeit erschien in englischer Sprache. 
Wenn auch exakt-wissenschaftliche Unterlagen 
ihm fehlen und manche Miszellen sich in den 
Text einmischen, so ist das Büchlein doch 
außerordentlich lesenswert, zeigt es doch, wie 
man mit Energie und zielbewußtem Vorgehen 
kinen Körper beeinflussen und zu einem Träger 
antiker Formen umgestalten kann. Und in 
«liesem Sinne verdient es weiteste Verbreitung. 

J. Marcuse (Ebenhausen bei München). 


Set er, Die hämorrhagischen Erkrankungen 
in Kindesalter« Würzburger Abhandlungen 
aas dem Gesamtgebiet der praktischen 
Medizin Bd. 5. Heft 4. 

Von den in der vorliegenden Arbeit ge¬ 
schilderten hämorrhagischen Diathesen des 
Kiudesalters eignet sich zur Besprechung im 
Kähmen dieser Zeitschrift nur die Barlowsche 
Krankheit. Verfasser sieht in derselben eine 
von der Rachitis unabhängige, skorbutartige 
Affektion des Säuglingsalters, eine mehr oder 
weniger chronische Vergiftung; sie wird fast 
ausnahmslos nur bei Flaschenkindern beobachtet 
and hat ihre wahrscheinlichste Ursache in der 
ausschließlichen und fortgesetzten Ernährung 
mit zu stark erhitzter Kuhmilch oder mit Milch- 
Surrogaten, wobei jedoch auch die Annahme 
einer individuell verschiedenen Disposition zur 
Erkrankung am Säuglingsskorbut nicht ganz 
zu umgehen ist. Bezüglich der klinischen 
Erscheinungen ist beachtenswert, daß Häma¬ 
turie das erste und auch einzige Symptom der 
Erkrankung bilden kann. Die meisten Fälle 
heilen rasch, wenn die bekannten diätetischen 
Maßnahmen —Darreichung von pasteurisierter 
f *ler besser noch von roher Milch, von Frucht¬ 
säften, frisch ausgepreßtem Fleischsaft, bei etwas 
älteren Kindern Beigabe von Kompott und 
Gemusepüree — rechtzeitig zur Anwendung ge¬ 
langen. 

Neben derBarlo w sehen Krankheit erfahren 
auch die Hämophilie, die Purpuraerkrankungen 
tmd die Melaena eine gewandte, bei aller Knapp¬ 
heit erschöpfende Darstellung in dem kurzen 
Aufsatz, welcher, entsprechend der Tendenz der 
ürzburger Abhandlungen, sich in erster Reihe 
an den Praktiker wendet und als anregende 
Lektüre bestens empfohlen werden kann. 

Hirse hei (Berlin). 


H. Braun, Die Lokalanästhesie, ihre wissen¬ 
schaftlichen Grundlagen und praktische 
Anwendung. Ein Hand- und Lehrbuch mit 
127 Abbildungen. Leipzig 1905. Verlag von 
Job. Ambr. Barth. 

Wenn man von den uralten, wenig erfolg¬ 
reichen Versuchen, eine Lokalanästhesie durch 
Nervenkompression, Kälte und andere physi¬ 
kalische Faktoren zu erzielen, absieht, beginnt 
die Berechtigung, von der Lokalanästhesie als 
einer Methode, die ihren Namen mit Recht 
trägt, zu sprechen erst mit der Einführung des 
Kokains in die Medizin (1884). Erstaunlich ist 
der Umfang der Literatur, die in 20 Jahren 
entstand und die Physiologie, die Indikationen, 
die Technik und das Instrumentarium der Lokal¬ 
anästhesie bearbeitete. Eine Anzahl guter 
Monographien und Lehrbücher mußte dem ärzt¬ 
lichen Publikum die Orientierung auf diesem 
für den Einzelnen bald nicht mehr überseh¬ 
baren Gebiete vermitteln und tat es mit dem 
Erfolge, daß heute wohl jeder Praktiker die 
Lokalanästhesie anwendet. Aber der Fort¬ 
schritt vollzog sich in dieser wichtigen Kunst 
so schnell, daß selbst die größeren Arbeiten 
aus den letzten Jahren (Dumont, Schleich, 
Reclus u. a.) schon der Ergänzung bedurften. 
Braun, selbst seit Jahren als rühriger Forscher 
auf dem Gebiet der Lokalanästhesie bekannt, 
vereinigte die bisherigen Erfahrungen anderer 
Autoren mit den Ergebnissen seiner zahlreichen 
Einzelabhandlungen und physiologischen Studien 
zu einem Werke, das in der Tat jede Methode 
berücksichtigend, ihr in sachlicher Kritik den 
gebührenden Platz in der Therapie anweist und 
ihre Vor- und Nachteile anderen Methoden 
gegenüber in überzeugender Weise zur An¬ 
schauung bringt. Sowohl im physiologischen 
Teil des Buches als auch in der speziellen 
Operationslebre finden wir immer wieder den 
Standpunkt Brauns vertreten, daß keine 
Methode der Lokalanästhesie für alle Fälle 
paßt, sondern daß die Wahl der Methode sich 
nach der Art des Gewebes, der Dauer der 
Operation, dem psychischen Verhalten des 
Kranken und anderen stets variablen Faktoren 
zu richten bat, woraus ohne weiteres bervor- 
geht, daß der, der Lokalanästhesie mit Nutzen 
treiben will, alle Methoden kennen muß und 
nicht auf eine schwören darf. In dieser weise 
abwägenden Erkenntnis zollt der Autor auch 
dem großen Verdienste Schleiche die ge¬ 
bührende Anerkennung, wenn er auch noch 
jetzt, nachdem der bekannte Federkrieg zwischen 


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Tagesgeschichtliche Notiz. — Berichtigung. 


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Braun und Heinze einerseits und Schleich 
andererseits in ruhigere Bahnen gelenkt ist, 
in vielen theoretischen und praktischen Fragen 
auf seinem divergierenden Standpunkt verharrt. 

Die Bedeutung des Werkes gebietet, auf 
den reichen Inhalt etwas ausführlicher ein¬ 
zugehen. Nachdem im ersten Kapitel eine 
kurze Geschichte der Lokalanästhesie gegeben 
ist, bringt das zweite Kapitel physiologische 
Bemerkungen über Sensibilität und Schmerz. Im 
dritten und vierten Kapitel wird die schmerz¬ 
stillende Wirkung der Nervenkompression, der 
Anämie und der Kälte besprochen. Das fünfte 
bis siebente Kapitel handelt von den örtlich 
anästhesierenden Arzneimitteln und ihrer 
Wirkungsweise; alle Medikamente vom Kokain 
bis zum Stovain und Anästhesin sind berück¬ 
sichtigt. Im achten Kapitel über die Hilfs¬ 
mittel der Lokalanästhesie (Suprarenin) befindet 
sich der Autor auf seinem ureigensten Arbeits¬ 
gebiet; dieser Abschnitt ist auch der zweifel¬ 
los best gelungene des Buches. Im neunten 
und zehnten Kapitel werden die verschiedenen 
Methoden, ihre Indikation und Kontraindikation 
sowie die Technik im allgemeinen besprochen. 
Hier ist besonders der Abschnitt über Medullar- 
anäBthesie als vortrefflich hervorzuheben. Das 
11. bis 17. Kapitel enthält eine spezielle „auf 
die Lokalanästhesie zugeschnittene Operations¬ 
lehre“. Mit einer großen Anzahl vorzüglicher 


Abbildungen ausgestattet, ist dieser Abschnitt 
geeignet, dem Praktiker als Nachschlagewerk 
zu dienen, wenn er sich im speziellen Falk 
in aller Kürze über die geeignetste Methode 
der Lokalanästhesie orientieren und sich ihre 
Technik ins Gedächtnis zurückrufen will. Auch 
die Vertreter der Spezialfächer (Ohren-, Augen-, 
Nasen-, Zahnheilkunde) finden hier reichlich 
Belehrung und Anregung. 

Das von dem Verlag von Joh. Ambr. 
Barth in der gewohnt musterhaften Weise aus¬ 
gestattete Werk muß aber nicht nur vom 
Chirurgen gelesen werden, auch der Praktiker, 
der seltener die Lokalanästhesie anzuwenden 
Gelegenheit hat, wird ebenso wie der Neuro¬ 
loge, Internist und Pharmakologe manches neue 
aus dem Buche lernen können; er wird fxir 
manche ihm längst geläufige Erfahrung eine 
interessante theoretische Begründung finden, 
die selbst bei abweichendem Standpunkt Be¬ 
achtung verdient. Bei der durchweg geläufigen 
und anregenden Schreibweise des Verfassers 
gestaltet sich die Lektüre des Buches, trotz 
der stellenweise unumgänglichen, detaillierten 
Schilderung technischer Einzelheiten zu einem 
Vergnügen. 

Das Braun sehe Werk wird auf lange Zeit 
unter den Arbeiten über Lokalanästhesie den 
ersten Platz einnehmen. 

W. Alexander (Berlin). 


Tagesgeschichtliche Notiz. 


Vielfachen Wünschen ihrer Kundschaft entsprechend, hat die Firma Reiniger, Gebbort 
& Schall, elektrotechnische Fabrik in Erlangen, nun auch in Köln a. Rh., Kamekestraße 19, 
eine Filiale errichtet, mit welcher nicht nur ein Musterlager der gangbarsten elektro-medizinischen, 
Vibrations-, Röntgen- und Lichtheil-Apparate, sondern auch eine Reparaturwerkstatt und Akku- 
mulatoren-Ladestation verbunden ist. Der Bezirk dieser neuen Filiale umfaßt vornehmlich Rhein¬ 
land, Westfalen, Hannover, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Waldeck-Pyrmont, Oldenburg- 
Birkenfeld und den oberhalb des Maines gelegenen Teil der Provinz Hessen-Nassau. 


Berichtigung. 

In seinem verdienstvollen Aufsatze: „Über die biologische Wirkung der wechselnden magnetischen Felder“ idiese 
Zeitschrift 1905. Juni. S. 130) sagt Colombo: „Frankenhäuser ...... u. a. publizierten verschiedene Statistiken 

über Heiluugen. Alle diese Autoren bestehen auf dem beruhigenden Effekt des elektro-maguetischen Feldes“ usw. 

Ich lege Wert darauf, festzustellen, daß diese Äußerung des hochgeehrten Herrn Verfassers, soweit sic mich 
betrifft, auf einem Irrtum beruht. Ich habe niemals kasuistische Beiträge zu dieser Frage veröffentlicht und mich niemsls 
über den therapeutischen Wert der wechselnden magnetischen Felder In dieser oder in ähnlicher Weise geäußert In 
meiner einzigen Veröffentlichung über diesen Gegenstand (diese Zeitschrift 1902/03. Bd. 6. Heft 1) habe ich vielmehr 
mein Bedenken gegen ein verfrühtes Urteil in dieser Richtung ausgesprochen. F. Krankenhäuser (Berlin). 

Berlin, Druck von W. Büxenstein. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE OND PHYSIKALISCHE 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 

von 

Prof. v. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BREEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CUK8CHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prot A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER 
(Berlin), Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
(Leipzig). Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg), 
Geb.-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARENESCU (Bukarest), Prof. 
MABTIUS (Rostock), Prof. v. MERING (Halle). Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
(Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Straßbnrg), Prof. v. NOORDEN 
(Frankfurt a. M.), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM (Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), 
Geh.-Rat Prof. v. RENVERS (Berlin), Prof. R08EN8TEIN (Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), 
Prot 8AHLI (Bern), Prof. SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. 
SENATOR (Berlin), Prof. v. 8TRUMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. 
WINTERNITZ (Wien), Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


REDIGIERT 

von 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 


Neunter Band (1905/1906). — Achtes Heft. 


1. NOVEMBER 1905. 


LEIPZIG 

VERLAG VON GEORG THIEME 
Rabensteinplatz 2 
1905. 


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Preis des Jahrgangs M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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• INHALT 


L Original-Arbeiten. seit« 

I. Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder Patent Stanger. 

Von Dr. 0. Buß in Bremen.429 

IL Ein Fall von Schüttellähmung durch Übungstherapie gebessert. Aus der Klinik für 
Nervenkrankheiten der St. Wladimir-Universität zu Kiew. (Direktor: Professor 

M. N. Lapinsky). Von Assistenzarzt Dr. W. Lasarew.445 

IIL Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung, Körpertemperatur, Puls- 
und Atmungsfrequenz durch Einwirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von Dr. M. van Oordt in St. Blasien (Schluß).448 

IV. Der sinusoidale Wechselstrom in der Gynäkologie. Aus der Anstalt für physikalische 

Heilmethoden in Karlsruhe. Von Dr. H. Pauli in Karlsruhe. (Mit 2 Abbildungen) 459 


II. Referate über Bücher und Aufsätze. 

A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Mathien et Roux, LTnanition chez les Dyspeptiques et les nerveux S6m6iologic et 


Traitement.462 

Läufer, Utilisation des matteres grasses chez les tuberculeux. ... 463 

Schmidt, Die Behandlung der habituellen Obstipation.464 

Neter, Die chronische Stuhlverstopfung im Kindesalter und ihre Behandlung.464 

Terrien, Le rögime alimentaire dans les gastro-entäritcs chroniques du nourrisson . . 465 

Stransky, Über Malzpräparate als Nähr- und Heilmittelvehikel.465 

v. Jak sch, Ein Beitrag zur Kenntnis des pathologischen Stoffwechsels. Versammlung 

deutscher Naturforscher und Ärzte.465 

Bartel, Die Infektionswege bei der Fütterungstuberkulose.466 

B. Hydro-, Balneo- und Kümatotherapie. 

Szilägyi, Eine neue Methode des Prießnitz-Umschlages.466 

Groedel n, Die physiologische Wirkung der Solbäder.466 

Ruhemann, Beziehungen des Sonnenscheins zu der Saisonepidemie des Winters 1904/05 467 
Wybaur, Du ntecanisme de l’action des bains carbo-gazeux ferrugineux (bains de Spa) 

chez les malades atteints de troubles cardio-vasculaires.467 

V erd alle, Action de l’arsenic des eaux chlorures sodiques arsenicales sur le diaböte . 467 
Schöcking, Die Kombination von Solbade- und Stahlkuren bei anämischen skrofulösen 

Kindern.467 

Juliusberg, Gefrierbehandlung bei Hautkrankheiten.468 

Boas, Karlsbad oder Kissingen?.468 

Deutsche Schiffssanatorien.468 

Brat, Über einen neuen Sauerstoffatmungsapparat.469 

C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

Hammer, Über die Heilung der Astasie-Abasie.469 

Frenkel, Grundsätze der Übungstherapie bei Tabes.469 

Müller, Der Autogymnaat im Dienste der Krankenpflege.470 

29* 


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Inhalt 


428 


Seite 

de Renzi, Die moderne Behandlung der Herzleiden.470 

Laqueur, Ober den Einfluß der Bierschen Stauung auf die bakterizide Kraft des Blutes 470 

Bum, Die Massage der Prostata.471 

v. Hacker, Weitere Beiträge zur Fremdkörperentfernung mittelst der Ösophagoskopie . 471 

D. Elektro-, Lickt- und Röntgentherapie« 

Swidersky, Über die Behandlung der habituellen Obstipation mit Strömen hohen 


Druckes und häufigen Wechsels.471 

Delherm, L’61ectricit6 agent r66ducateur dans Thysterie.472 

Denis Courtade, Des pollakiuries d’origine neurasthänique et de leur traitement ölectrique 472 

Hanke, Elektrizität in der Therapie der Augenkrankheiten.472 

Lange, Die Bedeutung des Röntgenbildes für die Orthopädie.472 

Schleip und Hildebrand, Beitrag zur Behandlung der myeloiden Leukämie mit Röntgen¬ 
strahlen .473 

Dessauer, Zur Frage der therapeutischen Dosierung der Röntgenstrahlen.473 

Hoffmann und Schulz, Zur Wirkungsweise des röntgenbestrahlten Lecithins auf den 

tierischen Organismus.474 

Mitteilungen aus Finsens Medicinske Lysinstitut.474 

Aubertin und Beaujard, Action comparö des rayons de Röntgen sur le sang dans les 

leucämies my61og6ne et lymphatique.474 

Danlos, Quelques considerations sur le traitement des dermatoses par le radium ... 474 

E. Serum- und Organotherapie« 

Piorkowski, Weitere Mitteilung Uber Syphilisimpfung am Pferde.475 

Reunert, Über die durch Tuberkulose bedingten pseudoleukämischen Erkrankungen und 

ihre Behandlung mit Neutuberkulin.475 

Barlocco, Immunisierung gegen die Tuberkulose.475 

Paderi, Über die Wirkung einiger oxydierenden Stoffe auf das Tetanusgift.476 

Wilms, Serumbehandlung des Milzbrandes.476 

Grenet, Les traitements actuellcs du Tetanos.476 

F« Verschiedenes. 

Müller, Die physikalische Therapie im Lichte der Naturwissenschaft.477 

Schilling, Die Erkrankungen des Wurmfortsatzes.477 

Pollatschek, Die therapeutischen Leistungen des Jahres 1904. Ein Handbuch für 

praktische Ärzte.478 

Weber, Gegenwärtiger Stand der Forschung über die Beziehungen zwischen menschlicher 

und Tiertuberkulose.478 

Wagener, Über die Häufigkeit der primären Darmtuberkulose in Berlin.479 

Hagen, Eumydrin als Atropinersatz.479 

Bloch, Thigenol in der Praxis des Landarztes.479 


III. Therapeutische Neuheiten. 

Ein einfacher Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. Nach Mitteilungen von Privat¬ 
dozent Dr. H. Winternitz aus der medizinischen Universitätsklinik zu Halle 
(Direktor Prof. Dr. v. Mehring).480 


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Original-Arbeiten, 


i. 

Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen 
Lohtanninbäder Patent Stanger. 

Von 

Dr. 0. Baß in Bremen. 1 ) 

Während die Verwendung der Elektrizität aut gewerblichem, technischem 
und industriellen Gebiete in den letzten Dezennien einen immer größer werdenden 
Umfang angenommen hat, ist die Verwendung der Elektrizität zu Heilzwecken 
nur wenig vorgeschritten. Die hydroelektrischen Bäder, von denen man anfangs 
so viel erhofft hatte, sind immer mehr außer Gebrauch gekommen. Das mono¬ 
polare und dipolare Bad sind wohl kaum noch irgendwo in Benutzung, ebenso hat 
sich das bipolare Bad von Gärtner nicht einbärgern können. Neuerdings hat 
man die sinusoidalen Wechselstrombäder gegen Herzstörungen und das Schnee- 
sche Vierzellenbad gegen eine große Anzahl von Krankheiten als wirksam empfohlen. 

Von den sinusoidalen Wechselstrombädern sagt Prof. Hoffmann 2 ) folgendes: 

Die meisten der Patienten, die ich gesehen habe, welche mit solchen Bädern 
behandelt waren, waren überhaupt nicht herzkrank. Die wirklichen Herzkranken 
zeigten keine wesentliche Besserung, die sie nicht der Lebensweise ohne besondere 
Therapie allein auch verdanken können. 

Bei allen diesen Bädern wurde und wird noch gewöhnliches Wasser benutzt, 
welches jedoch den Strom schlecht leitet. Gut leitend wird ein Bad erst durch 
einen Zusatz von löslichen Salzen, Säuren und Basen, die man auch Elektrolyte 
nennt, da sie der elektrolytischen Zerlegung fähig sind. Die Bestandteile, in die 
ein Elektrolyt zerlegt wird, werden bekanntlich Ionen genannt, und diese sind 
es, welche als Träger des elektrischen Stromes fungieren. 

Seit einigen Jahren ist nun in mehreren Städten ein von einem Laien, dem 
Gerbermeister J. J. Stanger in Ulm a. D., verbessertes elektrisches Bad — er 
nennt es „elektrisches Lohtanninbad“ — eingeführt worden, welches statt des 
einfachen Wassers eine Lohbrtthe als Badeflüssigkeit enthält. Stanger will 
durch die Anwendflng dieses Bades sich selbst und manche andere leidende 
Menschen von gichtischen Schmerzen und Beschwerden, gegen die sich alle 
anderen angewandten Mittel als unwirksam erwiesen hatten, befreit haben. 

') Nach einem im Ärztlichen Verein zu Bremen gehaltenen Vortrage. 

*) Hoffmann, Die Behandlung der Herzinsuffizienz. Deutsche medizinische Wochenschrift 
1905. Nr. 18. 


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430 


0. Buß 


Die Behandlung der Gicht mittelst des konstanten Stromes und der elek¬ 
trischen Bäder ist ja schon öfter versucht und angepriesen, so z. B. von dem 
französischen Arzte Guillon, welcher den elektrischen Strom auch als Transport¬ 
mittel für ein besonderes Medikament, das Lithium, benutzte. Die Besultate sollen 
gute gewesen sein, doch hat man längere Zeit nichts mehr davon gehört, daß 
diese Methode sich eingebürgert hätte. 

Später hat Begg 1 ) Kataphorese und elektrische Osmose für Fälle von 
subakuter und chronischer Gicht und für alle Formen von Arthritis, speziell der 
rheumatischen Arthritis, empfohlen, solange es sich bei ihr noch um eine weiche, 
gelatinöse Schwellung der Synovialis handelt. Sie vermindert den Blutandrang, 
wirkt schmerzlindernd und befördert die Resorption von Exsudaten. 

Die Wirkung des konstanten Stromes auf entzündliche Exsudate hat kürzlich 
noch Margaret A. Cleaves 2 ) geprüft, und zwar außer anderen, bei exsudativen 
Entzündungen der Gelenke und Sehnenscheiden, gichtischer, rheumatischer und 
septischer Natur, bei Beckenexsudaten etc. 

Während durch den faradischen Strom krankhaftes Gewebe erweicht wird, 
wird, wo immer Exsudatmassen bestehen, welche Höhlen einnehmen, Schleimhäute 
infiltrieren, Gelenkoberflächen verbinden oder Sehnenscheiden festheften, ihre 
Resorption mit vollständiger oder annähernder Wiederherstellung der Funktion 
schmerzlos und prompt erreicht durch die Anwendung der konstanten elektro¬ 
motorischen Kraft, wenn andere Maßnahmen ohne Erfolg sind. 

Dr. W. Kühn in Leipzig erklärt,*daß er bei großen Gichtknoten an Finger- 
und Fußgelenken Elektrizität mit gutem Erfolge angewendet habe. Er gab starke 
faradische Wasserbäder, abwechselnd während desselben Bades mit konstantem 
Strom. Er glaubt, daß die gute Wirkung in erster Linie eine katalytische ist, 
wie sich dieselbe besonders in bezug auf Kapillar- und Lymphgefäße durch rasche 
Fortbewegung der Säfte und Anregung des lokalen Stoffwechsels in den behandelten 
Teilen zu erkennen gibt. Außer den elektrolytischen und kataphorischen Wirkungen 
finden aber nach seiner Meinung noch Einwirkungen auf die trophischen Nerven statt. 

Dr. med. Bircher in Zürich, der ärztliche Leiter des Zentralbades daselbst, 
der sich sehr anerkennend über das Stangersche Bad äußert, gibt an, daß der 
Salzgehalt — oder wie man wissenschaftlich sagt — die molekulare Konzentration 
der Lohbrühe eine um 20 mal größere elektrische Leitung als diejenige des 
Leitungswassers ermöglicht. Da außerdem noch andere günstige Berichte über 
die gute Wirkung des elektrischen Lohtanninbades Vorlagen, übernahm ich, um 
die Sache mal zu prüfen, die ärztliche Leitung und Aufsicht des hier neu ein- 
gefiihrten Bades. 

Ich stehe nicht auf dem Standpunkte, daß man eine Erfindung oder Ver¬ 
besserung auf medizinischem Gebiete, welche zufällig von einem Laien gemacht 
worden ist, von vornherein ignorieren und verwerfen soll, und befinde mich mit 
dieser Anschauung in guter Gesellschaft. 

Prof. Krauß, der Nachfolger Gerhardts, hat erst kürzlich in seiner Antritts¬ 
rede gesagt: „Sind wir nicht alle Eklektiker?“, d. h. wir nehmen das Gute, wo 


l ) Begg, Cataphorcsis in the treatement of gout. Ref. Zentralbl. f. klin. Med. 1903. Nr. 40. 
-j Magaret A. Cleaves, Med. News 1905. 29. April. 


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Einige Beobacbtnngen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder etc. 431 


wir es finden. Er sagt weiter: „Entdeckungen können auch Laien machen, und 
Galvanis Laboratoriumsdiener war es, welcher die Zuckungen der Froschschenkel 
beobachtete, die, an einem Eupferdraht aufgehängt, zeitweise mit einem eisernen 
Gitter in Berührung kamen. Galvani aber verfolgte die Beobachtung weiter, 
studierte sie und entdeckte die von ihm sogenannte „tierische Elektrizität“ oder 
den nach ihm benannten Galvanismus. 

Was nun speziell die Behandlung der Gicht anlangt — bei dieser Krankheit 
wurde die Wirksamkeit der elektrischen Lohtanninbäder zuerst ganz per Zufall 
entdeckt —, so hat Minkowski noch in letzter Zeit sein Urteil dahin abgegeben, 
daß nur wenige Tatsachen durch die zahlreichen Untersuchungen über die Patho¬ 
genese der Gicht so sichergestellt sind, daß sie unseren Erwägungen bei der 
Behandlung dieser rätselhaften Krankheit zugrunde gelegt werden können. Nach 
wie vor müssen wir uns von rein empirischen Beobachtungen leiten lassen. Es 
ist noch ein zweites Moment, welches mich veranlaßt hat, der Prüfung der 
elektrischen Lohtanninbäder näherzutreten, das ist die immer mehr sich bahn¬ 
brechende Überzeugung, daß die physikalischen Heilfaktoren durch Einwirkung 
thermischer und sonstiger Reize auf die Nervenendigungen in der Haut, sei es 
durch Fortleitung, sei es durch Reflex, einen großen Einfluß auf die gesamten 
Innervationsvorgänge ausüben, und daß so die Oxydation in den Geweben und 
der gesamte Stoffwechsel beeinflußt werden können. 

Beschreibung: Das Bad wird verabfolgt in einer Holzbadewanne, deren Kopf¬ 
ende breit und deren Fußende schmäler ist. Auf den Längsseiten der Badewanne 
läuft eine Längsschiene, eine sog. Sammelschiene, an der je zehn Elektroden ver¬ 
schiebbar, drehbar, ein- und ausschaltbar befestigt sind. Jede Elektrode, etwa 
10 cm breit und 40 cm lang, kann für sich verschoben bzw. dem Körper genähert 
oder entfernt ev. auch gedreht werden. Auch kann jede Elektrode für sich ganz 
herau8genommen werden. Durch das Verschieben der Elektroden wird der Strom 
an den betreffenden Körperstellen bei Annäherung verstärkt und bei Entfernung 
abgeschwächt. Die Elektroden selbst bestehen aus Graphit und sind an ihren 
Anhängestellen in Metall gefaßt, das aber nicht mit der Badeflüssigkeit in Be¬ 
rührung kommt, so daß das Bad völlig frei von metallischen Bestandteilen bleibt. 
Der Strom kann in beliebiger Richtung durch das Bad gesandt werden, meistens 
findet aber nur eine quere Durchleitnng statt. Der Strom tritt an einer der 
Längsschienen ein, verteilt sich auf die zehn Elektroden, geht durch die Flüssig¬ 
keit ev. durch den dazwischen gelagerten menschlichen Körper nach den zehn 
Elektroden der anderen Seite. Der elektrische Strom ist Gleichstrom von 110 Volt 
Spannung, der dem städtischen Elektrizitätswerk entnommen und vermittelst aus¬ 
wechselbarer Vorschaltswiderstände auf die für das Bad nötige Spannung von 
10—30 Volt reduziert wird. Dann geht der Strom durch den Rheostaten, durch 
welchen er in feinen Abstufungen reguliert werden kann, je nachdem der Patient 
fiel oder wenig Strom erhalten soll. Eine weitere Regulierung der Stromstärke 
wird an den einzelnen Körperstellen erreicht durch Annähern oder Entfernen der 
Elektroden an resp. von dem Körper. Dann geht der Strom durch den Ampöre- 
®eter, letzterer liegt im Hauptschluß; vom Ampöremeter geht der eine Pol nach 
der einen Sammelschiene und der andere Pol nach der anderen, während der 
Voltmeter im Nebenschluß liegt, d. h. seine Abzweigung vor dem Stromwender 


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gelegen ist. Jedes Bad hat einen besonderen Stromwender, wodurch die Bichtung 
des Stromes im Bade geändert werden kann. Jedes Bad hat eine doppelpolige 
Zweigsicherung, d. h. eine Vorrichtung, welche, wenn der Strom eine gewisse 
Stärke überschreitet, automatisch die Zuleitung des Stromes unterbricht. Dadurch 
ist es ausgeschlossen, daß jemals ein stärkerer Strom durch das Bad gehen kann 
als vertragen wird. 

Der Badeextrakt, welcher in einer Menge von 5 kg dem Bade zugesetzt wird, 
ist eine braune, sirupartige Masse. Dieselbe besteht aus verschiedenen Arten von 
Gerbstoffen, gewonnen aus der Rinde von Fichten, Eichen, Quebracho, Kastanien 
und Myrobalanen. Die Myrobalanen gehören zur Familie der Euphorbiaceen und 
wachsen in Ostindien. Der Gehalt des Badeextraktes an reiner Gerbsäure schwankt 
zwischen 24 und 30 °/ 0 . Nachdem derselbe mit ca. 70 °/ 0 heißem Wasser aufgelöst 
und mit ca. 400 Liter Wasser verdünnt worden ist, enthält die Badeflüssigkeit 
noch 0,3 °/ 0 Gerbsäure. Um ein solches Bad aus Eichen- oder Fichtenlohe her¬ 
zustellen, müßten ca. 70 kg Lohe ausgekocht und mit dem Badewasser vermischt 
werden. Das Bad wird in einer Temperatur von 27—30° R verabfolgt, je nach¬ 
dem der Patient warm oder weniger warm zu baden wünscht und je nach der 
Krankheit, welche beeinflußt werden soll. Die Dauer des einzelnen Bades beträgt 
20—30 Minuten; mehr als drei, höchstens vier Bäder in einer Woche werden 
nicht verabfolgt. 

Außer dieser Anwendungsform der Bäder werden nun noch Teilbäder gegeben 
auf einem eigens dazu konstruierten Holzstuhl, und zwar für beide Unterarme und 
Hände oder für beide Unterschenkel oder für alle vier Extremitäten. Der Stuhl 
hat sehr breite Armlehnen, auf denen längliche Holzbadewannen stehen. Am 
Boden der Holzbadewannen liegt eine den ganzen Boden bedeckende, etwas um¬ 
wickelte Graphitelektrode, welche mit der elektrischen Leitung verbunden ist. 
Werden nur Annbäder gegeben, so muß der elektrische Strom, um von einem 
Arm zum anderen zu gelangen, durch den Körper gehen, ebenso wenn alle vier 
Extremitäten in die Holzbadewannen eintauchen. Sind nur beide Unterschenkel 
eingetaucht, so muß der Strom durch die Oberschenkel und den unteren Teil des 
Rumpfes gehen. Bei dieser Anwendungsform wird ein besonderer Einschaltungs¬ 
apparat benutzt und die Strommenge wird nach Milliamperes gemessen. 

Eine dritte Anwendungsform der elektrischen Lohtanninbäder, die eigentlich 
immer mit einem Vollbade zusammen verabreicht wird, ist die der elektrischen 
Begießung, Bestrahlung oder Dusche. Der Apparat, welcher dazu verwendet 
wird, besteht: 

a) aus einer Zentrifugalpumpe, deren innere, von der Flüssigkeit bespülten 
Teile aus Rotguß oder Komposition sind (welche von den Säuren nicht 
angegriffen werden); dieselbe liefert einen vollständig gleichmäßigen, nicht 
pulsierenden Flüssigkeitsstrahl; 

b) aus einem Saugschlauch, durch welchen die in der Badewanne fertig ge¬ 
mischte und temperierte Flüssigkeit vom Boden der Wanne entnommen wird; 

c) aus einem Druckschlauch an dessen Ende im Innern desselben (also nach 
außen durch Gummischlauch isoliert) die röhrenförmige Elektrode an¬ 
gebracht, welche den von der Pumpe gelieferten und dem Körper zu¬ 
zuführenden Flüssigkeitsstrahl mit Elektrizität ladet; 


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Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder etc. 433 


d) aas einem Elektromotor Vio HP, welcher mit der Zentrifugalpumpe direkt 
gekuppelt und auf gemeinschaftlicher Grundplatte vereinigt ist; durch 
einen Anlaßwiderstand kann der Gang des Motors und also der Pumpe 
aufs feinste reguliert werden, wodurch man einen Flüssigkeitsstrahl von 
mehr oder weniger Druck resp. Dichtigkeit erhält. 

Der Strom wird dem Flüssigkeitsstrahl durch die im Schlauch befindliche 
röhrenförmige Elektrode mitgeteilt, welche mit dem einen Pol der Stromquelle 
elektrisch verbunden ist, währenddem beliebige oder sämtliche Elektroden des 
Bades mit dem anderen Pol verbunden werden. Der Strom muß also (kann keinen 
anderen Weg wählen) von der Schlauchelektrode durch den Flüssigkeitsstrahl und 
mit demselben da auf den Körper übergehen, wo die Applikation gewünscht wird, 
währenddem er durch das Bad, d. h. die in demselben befindliche Flüssigkeit und 
Elektroden aus dem Körper wieder abgeleitet wird. Je nach der Örtlichkeit der 
Applikation liegt, sitzt oder steht der Patient in der Wanne. Es ist nur darauf 
zu achten, daß die Applikationsstelle immer über dem Flüssigkeitsspiegel ist, da 
sonst der Körperteil nicht mehr als Zwischenglied zwischen Strahl und Bad 
geschaltet wäre und der Strom, ohne durch den Körper (teil) gehen zu müssen, 
vom Strahl direkt auf die Badeflüssigkeit übergehen könnte. Durch einen im 
Stromkreis vorgesehenen Polwender kann die Richtung des Stromes nach Wunsch 
gewechselt werden, so daß also der Strom durch das Bad in den Körper eintritt 
ml durch den Strahl aus demselben entnommen wird. 

Die Stromstärke bzw. Dichte wird durch Annäherung oder Entfernung des 
schlauchendes bzw. der darin befindlichen Elektrode reguliert. Je näher man 
damit der Applikationsstelle kommt, desto stärker, und je mehr man sich entfernt, 
desto schwächer wird der Strom, da der elektrische Widerstand mit der Länge 
des Strahles zunimrat und umgekehrt abnimmt. Man hat es also vollständig in 
der Hand, dadurch die Stromstärke zu regulieren, außerdem die Applikationsstelle 
zu wechseln oder zu umkreisen, zu umspülen etc. Zu dieser Anwendungsform wird 
mit dem ganzen, zum nachfolgenden Vollbad bestimmten Extrakt nur etwa ein 
Itättel der Flüssigkeit (wie zum Vollbad) angemischt; die Flüssigkeit ist also 
dreimal mehr konzentriert und leitet deshalb auch den Strom viel besser, so daß 
die Stromdichte an der Applikationsstelle eine beträchtliche ist; auch ist die 
Flüssigkeit bei der Bestrahlung bedeutend wärmer anwendbar als beim Vollbad. 

Im übrigen spielt sich der gleiche Prozeß wie bei den Bädern, nur viel 
intensiver ab. 

Die Wirkung ist deshalb natürlich eine sehr intensive, da der Strom auf eine 
Heine (den Durchmesser des Strahles betragende) Stelle konzentriert bzw. 
lokalisiert ist. 

Bericht: In dem verflossenen Jahre sind annähernd 5000 Bäder verabfolgt 
Worden. Schon daraus läßt sich ersehen, daß das Bad nicht wirkungslos ist, 
denn beinahe alle Patienten kamen auf Empfehlungen solcher, die das Bad bereits 
gebraucht und Besserung resp. Heilung erzielt hatten; auch hätten sich bei dem 
immerhin ziemlich hohen Preise der Bäder, wenn kein Erfolg zu konstatieren 
gewesen wäre, wohl viele abhalten lassen. Die guten Einwirkungen der Bäder, die 
mb weiter unten näher beschreiben werde, sind nun — und das möchte ich be¬ 
sonders hervorheben — erzielt in erster Linie durch Anwendung der Vollbäder. 


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Man hat ja das elektrische Vollbad mit den zwei Elektroden als unwirksam ver¬ 
lassen, wahrscheinlich deshalb unwirksam, weil der elektrische Strom lieber an 
dem elektrischen Körper entlang als hindurch ging. 

Diese Neigung des elektrischen Stromes scheint mir nun bei Anwendung der 
40—50 cm langen und 10 cm breiten Graphitelektroden, von denen an jeder 
'Längsseite des Bades zehn Stück hängen, vereitelt zu sein, denn ich muß saget 
daß unsere Resultate absolut nicht zurückstehen gegenüber denjenigen, welche 
die verschiedenen Autoren bei Anwendung des Sehne eschen Vierzellenbades 
gesehen haben. 

Daß es nicht bloß Stromschleifen sind, die bei Anwendung des Vollbades 
durch den Körper gehen, möchte ich auch noch deshalb annehmen, weil man an 
den Seitenflächen des Körpers in einigen Fällen Verbrennungsstellen, sehen konnte, 
z. B. bei solchen Patienten, welche dort erhebliche Herabsetzung des Gefühls 
darboten (peripherische Neuritis, Beri-Beri etc.). Endlich spürt man, wie ich selbst 
beobachtet habe, wenn man im Vollbade bis zum Munde eingetaucht ist, ein ganz 
eigentümlich adstringierendes Gefühl im Munde, was man nicht gut schildern 
kann, sondern selbst empfunden haben muß. Ausgeschlossen ist selbstredend, daß 
von der Badeflüssigkeit etwas in den Mund gelangt war; auch ist der oben 
geschilderte Geschmack ein ganz anderer. 

Beim Abschluß dieser Arbeit finde ich eine Arbeit von Zimmermann, 1 ) 
in der er folgendes als erwiesen hinstellt: 

1. Der parallel mit dem flüssigen Leiter geschaltete Körper bietet eine 
geringere Summe von Widerständen als die durch ihn verdrängte Wassersäule. 
2. Der Leitungswiderstand des Wassers sinkt mit zunehmender Temperatur und 
steigt mit sinkender. 3. Selbst geringe Beimengungen von Salz setzen den 
Leitungswiderstand des Wassers stark herab. 4. Zur Verwendung der sog. 
Kataphorese ist das Zwei- bis Drei- und Vierzellenbad gut zu verwenden; indessen 
wird man bei entsprechender Dosierung des Stromes und mit großen, in 
der Wanne in jeder Richtung verschiebbaren Elektroden dasselbe erreichen 
können. Insbesondere ist durch Zerteilung der Elektroden in mehrfache große 
Plattenelektroden auch eine quere Durchströmung des Körpers möglich, und 
man kann so erreichen, daß der Körper überall in annähernd gleicher Dichte und 
zu gleicher Zeit vom Strom durchflossen yird. 

Das ist die Einrichtung des Stangerschen Bades. Über die Erfolge werde 
ich jetzt berichten. 

Die größte Anzahl der Patienten, welche das Bad aufsuchten, litten au 
Gicht und Rheumatismus, sowohl in akuter wie chronischer Form. 

Bei akutem Gelenkrheumatismus ist es mir nur in drei Fällen ans der eignen 
Praxis gelungen, Versuche mit den Bädern anzustellen. 

Es handelte sich nm zwei Erwachsene und einen Knaben, welche bereits mehrere 
Male an akutem Gelenkrheumatismus erkrankt gewesen waren, und zwar von einigen 
Wochen bis mehreren Monaten. In allen drei Fällen erkrankten mehrere Gelenke nach¬ 
einander; die Patienten fieberten und waren bettlägerig. Medikamente wurden nicht 
gegeben. Die Patienten wurden zum Bade gefahren und ins Bad getragen. Alle drei 

•) Zimin ermann, Über hydroelektrische Behandlung der Herzfunktionsstörnngen. Münch, 
■med. Wochenschrift 1905. Nr. 12. 


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Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder etc. 435 


Fälle wurden nach 3—5 Bädern in 8—10 Tagen völlig schmerz- und fieberfrei. Der 
Knabe z. B. hatte schmerzhafte Anschwellungen in Hand-, Fuß- und Kniegelenken; er 
hatte eine alte Endocarditis von einer früheren Attacke her. Er konnte sich nicht 
wegen und fieberte bis 39°. Nach drei Bädern, welche innerhalb fünf Tagen gegeben 
wurden, stand er auf, und neun Tage nach Beginn der Erkrankung ging er wieder zur 
Schule. Das Herz zeigte dieses Mal keine Beteiligung. 

Ich bedaure, bisher noch keine Gelegenheit gehabt zu haben, in dieser Hin¬ 
ächt weitere Versuche anzustellen; jedenfalls wird man nach dem Verlauf, welchen 
diese drei Fälle genommen haben, dazu berechtigt sein. Bei Abschluß der Arbeit 
kommt noch ein vierter Fall zur Behandlung. 

Br., 49 Jahre, Lohndiener. Von sechs Wochen akuter Gelenkrheumatismus zuerst in 
beiden Füßen, dann in den Knien und etwas in der linken Schulter. Patient lag einen 
Monat lang im Krankenhaus, von wo er vor vier Tagen entlassen wurde. Am Tage 
darauf, drei Tage vor Beginn der Behandlung mit den elektrischen Lohtanninbädern, er¬ 
krankte er wieder mit starker Anschwellung und großer Schmerzhaftigkeit im linken 
Knie und mit Schmerzen im linken Fuß. Das linke Kniegelenk ist stark geschwollen, 
fühlt sich heiß an, ist bei Berührung empfindlich, und Patient vermag sich nur mühsam 
za bewegen. 

Nach dem ersten Bade schwoll das Knie noch etwas mehr an und war sehr 
empfindlich, das nahm aber nach dem zweiten Bade schnell ab, und nach dem dritten 
Bade innerhalb acht Tagen war das linke Knie frei und ohne Schmerz beweglich. 
Nach vier Bädern fühlt sich Patient völlig wohl und kann das Bein gebrauchen wie 
*in gesundes. 

Ganz unendlich zahlreich vertreten waren nun die Patienten mit chronischem 
Rheumatismus der Gelenke, Muskeln, Sehnenscheiden etc., welche Hilfe suchten. 
Ich lasse mich hier nicht auf eine Klassifizierung der verschiedenen Formen des 
ironischen Gelenkrheumatismus ein. Ich kann jedenfalls sagen, daß subakute 
Fälle und auch chronische, welche nicht zu sehr veraltet waren, gute Resultate 
erzielten. Fast alle Patienten waren mit den Erfolgen zufrieden. Wie das bei 
allen Heilmethoden und bei der verschiedenen Auffassung der Patienten ist, lobten 
viele den Erfolg ganz außerordentlich, andere hätten gern noch mehr erreicht. 
In einzelnen Fällen wurden nahezu völlig steife Gelenke wieder beweglich. Sobald 
Besserung gemerkt wurde, ließ ich mit Massage und Bewegung nachhelfen, obwohl 
vorher beides ohne Erfolg angewandt war. In vielen Fällen, z. B. bei Land¬ 
bewohnern, war Anwendung der Massage und regelmäßiger passiver Bewegung 
nicht möglich; trotzdem waren die Resultate gut, stellenweise sehr gut zu nennen. 

Es sei mir erlaubt, zur Illustrierung einige Fälle kurz anzufiihren. 

1. Herr M., 33 Jahre alt, Lageraufseher, ist vor vier Jahren 22 Wochen an Gelenk¬ 
rheumatismus krank gewesen. Klagt jetzt über Schmerzen in Fuß-, Hand- und Knie¬ 
gelenken. Objektiv bestehen starke, schmerzhafte Verdickung im linken Mittelfiiß, 
^hmerzen und Anschwellung im linken Knie- und rechten Fußgelenk; zeitweise sind auch 

linke Handgelenk und einige Fingergelenke beteiligt. Während neun Wochen ist die 
Behandlung mittelst Umschlägen, mit Schwitzen, mit Aspirin, mit Jodvasogen ohne jeden 
Erfolg. Dagegen tritt nach Anwendung der elektrischen Lohtanninbäder schnelle 
Besserung ein, und nach 18 Bädern ist Patient bis auf Steifigkeit im linken Ringfinger- 
?elenk völlig geheilt und jetzt auch ein Jahr lang geblieben. 

2. Frau M., 32 Jahre alt, Kaufmannsfrau, hat vor acht Jahren Gelenkrheumatismus 
? e habt. War später in Nenndorf und Oeynhausen, um die zurückgebliebenen Schwellungen 

Steifigkeiten zu beseitigen. Daselbst etwas Besserung. Vor zwei Monaten wieder 
^lenkschmerzen, dann vor sechs Wochen Entbindung, im Anschluß daran schnelle Ver- 


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schlimmerung, Schwellung und Schmerzhaftigkeit in beiden Knien. Objektiv: In beiden 
Hand- und vielen Fingergelenken chronische deformierende Gelenkentzündung, Verdickung 
und Schmerzhaftigkeit in beiden Kniegelenken. Kann nur mit Unterstützung und mit 
Stöcken und Krücken gehen. Nach sechs elektrischen Lohtanninbädern geht sie allein die 
Treppe hinab, nach 18 Bädern ganz erhebliche Besserung. Patientin erklärt, daß sie nach 
diesen Bädern einen ganz bedeutend größeren Erfolg gehabt habe als nach den Bädern 
in Nenndorf und Oeynhausen. 

3. Frau Fr. H., 38 Jahre alt, Landwirtsfrau. Seit 3 / 4 Jahr Gelenkrheumatismus mit 
Schmerzen in Knie-, Fuß- und Handgelenken, im Rücken und in der Brust, hat sieben 
Monate lang immerzu im Bett gelegen, ärztliche Behandlung war ohne Erfolg, sie benutzte 
dann Fichtennadelbäder, worauf etwas Linderung eintrat. Objektiv besteht beginnende 
defonnierende Entzündung in beiden Hand- und schmerzhafte Verdickung und Steifigkeit 
in beiden Knie-, Fuß- und Hüftgelenken. Patientin kann weder allein stehen noch 
gehen, sie mußte ins Bad getragen werden, ebenso konnte sie nichts anfassen, sondern 
mußte gefüttert und angekleidet werden. Die Hände standen gekrümmt, volar flektiert, 
zeigten beginnende Deformierung und Steifigkeit. 

Innerhalb vier Wochen erhielt Patientin 15 Bäder mit dem Erfolge, daß sie allein 
gehen, stehen und sich allein anziehen kann. 

4. Frau S., 31 Jahre alt, Beamtenfrau. Vor sechs Jahren zuerst nach einer Ent¬ 
bindung akuter Gelenkrheumatismus im rechten Handgelenk und in beiden Schultergelenken, 
war fünf Monate lang krank, davon zwei Monate im Krankenhaus. Wurde daselbst mit 
Einpackungen zum Schwitzen und mit Seesalzbädern behandelt, es wurde etwas Besserung 
erzielt, doch traten bald nach der Entlassung von neuem Schmerzen und Anschwellungen 
in beiden Fußgelenken auf und Patientin wurde wieder bettlägerig für etwa drei Wochen. 
Von dieser Zeit an sind die Schmerzen und Anschwellungen nie ganz verschwunden, 
manchmal war sie mal 8—14 Tage frei, aber dann setzte es wieder ein. 

Im März 1905 wieder stärkere Anschwellung und Schmerzhaftigkeit im linken 
Knie; ärztliche Behandlung, obwohl alle möglichen Mittel versucht wurden, war ohne Erfolg. 

Objektiv: Chronische deformierende Entzündung in beiden Hand- und vielen Finger¬ 
gelenken, beide Handgelenke sind steif und unbeweglich, das linke Knie ist stark 
geschwollen und sehr schmerzhaft, das linke Fußgelenk ist völlig steif. Nach 13 Bädern, 
in sieben Wochen verabfolgt, ganz bedeutende Besserung. Patientin erklärt wörtlich: 
„Nichts hat mir in allen Jahren so gut geholfen wie die Bäder, die haben mir „unge¬ 
heuer gut“ getan. Ich mache wieder alle Hausarbeit; mein linkes Handgelenk ist wieder 
beweglich geworden und mein ganzes Allgemeinbefinden hat sich gehoben. Meine Beine, 
die früher stets so schwer waren, sind mir wieder so leicht geworden.“ 

Bei den sehr veralteten Fällen von chronischem Gelenkrheumatismus, bei der 
senilen Form, sowie bei der Arthritis deformans waren die Resultate selbst¬ 
verständlich gering. Hier und da wurde angegeben, daß die Beweglichkeit an¬ 
scheinend sich gebessert habe und daß die Schmerzen in den Gelenken nicht 
mehr so heftig seien. 

Ein Hauptfeld der Behandlung mittelst der elektrischen Lohtanninbäder 
scheint mir die akute und chronische Gicht zu sein. Es ist bekannt, daß manche 
akute Gichterkrankungen auch schnell wieder verschwinden, und ich bin weit 
entfernt, in allen akuten Fällen von nicht zu großer Intensität die schnelle 
Besserung nur den Bädern zuzuschreiben; aber es sind auch viele Patienten 
dagewesen, die ihre hartnäckigen Gichterkrankungen von 2—3 Monaten mehr 
als einmal durchgemacht hatten und davor großen Respekt hatten. Eine ganz 
erhebliche Anzahl solcher Patienten war durch den Gebrauch der Bäder ganz 
außerordentlich befriedigt. Eine schnelle Abschwellung der geschwollenen Glieder, 
baldiges Schmerzfreiwerden und Zunahme der Beweglichkeit wurden schon nach 


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4—5 Bädern in den meisten Fällen konstatiert. Es ist ja nicht immer leicht, 
chronische Gicht und chronischen Gelenkrheumatismus zu unterscheiden, und vieles 
vird nach meiner Ansicht als chronischer Gelenkrheumatismus angesehen, was 
Gicht ist. Ich habe mehrere wohlhabende Landleute aus der Umgegend Bremens 
and auch Patienten aus der Stadt gesehen, die wegen Rheumatismus behandelt 
waren und auch deswegen baden wollten, sicher aber die Zeichen der Gicht 
hatten, so Harnsäureablagerungen in den Ohrmuscheln und chronisch verdickte 
Großzehengelenke, in denen auch einzelne Attacken aufgetreten waren. 

Bei vielen Gichtkranken, die die Bäder gebrauchten, beobachtete man nun 
folgendes: 1. wies der Urin, der bis dahin klar gewesen war, ein starkes Sedi¬ 
ment harnsaurer Salze auf. Das Ausfallen eines Sedimentum lateritium ist immer 
ein Beweis, daß dem betreffenden Harne ein höherer Gehalt an Harnsäure zu¬ 
kommt; 2. traten in vielen Fällen die sogenannten Reaktionen in bis dahin noch 
freien oder nur wenig geschwollenen Gelenken schmerzhaft auf. Diese Eigen¬ 
tümlichkeit haben die Bäder mit allen wirksamen Bädern, wie Neundorf, Oeyn¬ 
hausen, Nauheim etc., gemeinsam, woraus wiederum hervorgeht, daß sie nicht 
indifferent sind oder die Wirkung vielleicht eine eingebildete, suggestive ist. 
Diese Reaktionen haben Ärzte sogar nach Fangobehandlung gichtischer Gelenke 
auftreten sehen, ebenso wie nach Schlamm- oder Moorbädern. — Es ist selbst¬ 
verständlich, daß dem Urin der Gichtkranken eine besondere Aufmerksamkeit 
geschenkt wurde, und zwar hauptsächlich hinsichtlich des Gehalts an Harnsäure. 
Die Harnsäure ist ja nun mal ein Stoffwechselprodukt, welches uns bei der Gicht 
besonders interessiert. Ich habe eine große Menge Harnsäurebestimmungen durch 
die beeidigten Handelschemiker den verstorbenen Herren Dr. Schönjahn und 
Dr. Mitseherlich machen lassen; dabei ist natürlich mancherlei zu beachten. 
Die Harnsäureausscheidung bei der Gicht schwankt. Wie man zurzeit annimmt, 
ist sie vor dem Anfall vermindert, steigt im Anfall, um nachher wieder zu fallen. 
Sodann ist es wichtig, daß er nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode 
untersucht wird. Das ist geschehen. Es zeigte sich nun ziemlich konstant, daß 
nach Gebrauch mehrerer Bäder mit dem Abschwellen der Gelenke und dem Ein¬ 
tritt der Besserung auch eine vermehrte Harnsäureausscheidung einherging. Die 
Harnsänremenge, welche bei Beginn der Kur 0,34, 0,38, 0,40, 0,43 in 1500 ccm 
Harn betrug, stieg nach Gebrauch von 4—6 Bädern auf 0,77, 0,81, 0,86, 0,98. 
Ja, es sind sogar Harne untersucht, in denen nahezu die dreifache Ausscheidung 
von Harnsäure stattfand gegenüber der zu Beginn der Kur. So wurden Mengen 
von 1,12, 1,34, 1,48 gefunden. Diese Untersuchungen und Beobachtungen sind 
ganz unabhängig von mir, auch von anderen Ärzten gemacht worden. Die ver¬ 
mehrte Harnsäureausscheidung nach Gebrauch der Bäder ist wohl als durch Re¬ 
sorption krankhafter Ablagerungen herbeigefuhrt anzusehen. Bei Fällen von 
fibrösem Rheumatismus und bei Arthritis deformans fehlte sie vollständig. 

Was nun die oben geschilderten Reaktionen betrifft, so hat man es nach 
einiger Übung ziemlich in der Hand, dieselben zu vermeiden, wenn man gleich 
za Beginn nicht zu oft, nicht zu heiß, nicht zu lange und mit nur mäßiger 
Stromstärke baden läßt. Es ist wie bei den Schlammbädern, von denen 
Lavielle sagt, daß man damit sehr leicht Gichtanfälle hervorrufen kann. Das¬ 
selbe bestätigt Winckler, welcher Badearzt in Nenndorf ist und Schlammbäder- 


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kuren gegen die Gicht empfiehlt. Er sagt: „Eine zweite Unbequemlichkeit der 
Schlammbäder besteht darin, daß sie zeitweise vermehrte Schmerzen in gichtischen 
und neue Schmerzen in gichtig gewesenen Körperteilen hervorrufen können. Diese 
durch Aufsaugung von Krankheitsprodukten hervorgerufene Erscheinung, die die 
Geduld der Kranken auf eine harte Probe stellt, wird von dem Arzte als eine 
sichere Garantie des Gelingens der Kur begrüßt.“ Es ist selbstverständlich, daß 
diese unliebsamen Verschlimmerungen manche Patienten abschrecken, ja daß sogar 
Ärzte, denen dieser geschilderte, auch bei anderen Bädern vorkommende Vorgang, 
nicht bekannt zu sein scheint, dem Patienten raten, von den Bädern Abstand zu 
nehmen. Diejenigen Patienten, welche ruhig in gewissen Intervallen weiter 
badeten und in der Kontrolle des Arztes blieben, haben dann auch ohne Ausnahme 
nachher gute Resultate erzielt. 

Wie Magnus Levy, der ein ausführliches Buch über die Gicht geschrieben 
hat, sagt, ist es nicht angebracht, den Wert eines Gichtmittels ausschließlich 
nach seiner Wirkung auf die Harnsäure zu beurteilen. Die Größe der Harnsäure¬ 
ausscheidung ist bei den verschiedenen Gichtikern ebenso individuell verschieden 
wie bei Gesunden. Die Hauptsache über den Wert eines Gichtmittels ist und 
bleibt der Erfolg, und ich glaube nicht, daß sich dieser bei Gebrauch der Bäder 
ableugnen läßt. 

Wer Gichtiker gesehen hat, die 8—10—12 Wochen lang von immer sich 
wiederholenden Attacken heimgesucht wurden und die ganze Zeit mit schmerz¬ 
haften Anschwellungen verschiedener Gelenke zu Haus gelegen hatten, die mm 
steif und unsicher, teils an Stöcken und Krücken, teils getragen das Bad auf¬ 
suchten, um nach 3—4, höchstens 5 Bädern ganz erheblich gebessert wieder frei 
umher zu gehen, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier wirtlich 
ein Mittel gefunden ist, welches auf gichtische, akute und subakute Ausschei¬ 
dungen von hervorragender, günstiger Einwirkung ist. 

Ich habe in einem Zeitraum von l 1 /« Jahren hier sehr viele Gichtiker ge¬ 
sehen, die das Bad benutzt haben, aber es ist mir nicht ein einziger in Er¬ 
innerung, der mit der Wirkung des Bades nicht zufrieden gewesen wäre. 

Einige Kollegen haben geglaubt, so lange nicht Tannin in dem Urin der 
Badenden nachgewiesen sei, könne man nicht von einer Einwirkung der Bäder 
sprechen, und deshalb dürfe man dieselben den Patienten auch nicht eher 
empfehlen. 

Ich für meine Person bin der Ansicht, daß bei allen unseren therapeutischen 
Maßnahmen in erster Linie der Erfolg entscheidet und der läßt sich, wie oben 
geschildert, nicht leugnen. Aber auch der Übergang von Tannin in den Ham 
der Badenden ist nachgewiesen. Der verstorbene Handelschemiker Dr. Schön¬ 
jahn hat in mehreren Urinen von Patienten, die einige Bäder genommen hatten, 
eine geringe Tanninreaktion gefunden. Wenn man auch den elektrischen Zellen¬ 
bädern den Erfolg bei Behandlung von gichtischen und rheumatischen Er¬ 
krankungen absolut nicht bestreiten will, so scheint es doch, daß die Verwendung 
der Lohbrühe nach Meinung aller Ärzte, welche die Wirkungsweise der elektrischen 
Lohtanninbäder beobachtet haben, eine ganz erhebliche Verbesserung darstellt. 

Wenn darüber, wie sie im Innern des Körpers wirken, vorläufig noch nichts 
Näheres bekannt ist, so müssen wir uns damit trösten, daß über die Wirkungs- 


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Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder etc. 439 


reise z. B. der Solbäder and der kohlensauren Bäder Zuverlässiges ebensowenig 
bekannt ist; trotzdem wenden wir sie an, weil sie den Patienten gut bekommen. 

Wie Gerbsäuren auf totes tierisches Gewebe wirken, ist ja bekannt. Die 
iierbsäure geht eine wasserunlösliche Verbindung mit den leimhaltigen Geweben 
ein, das ist die chemische Wirkung, und physikalisch wirkt sie, indem sie die 
Bindegewebsfaser umhüllen und ein Zusammenkleben derselben verhindern. Ob 
es möglich sein wird, zu ergründen, wie die Bäder auf lebendes, krankhaft ver¬ 
ludertes Gewebe wirken, kann niemand sagen, da es bis heute nicht mal gelungen 
ist, die Einwirkung der anderen, vielfach benutzten heilkräftigen Bäder zu er¬ 
kennen. 

In seiner Arbeit über die physiologische Wirkung der Solbäder sagt Dr. 
Grödelll 1 ), Nauheim, zum Schluß: „Das Gesamtresultat meiner wie aller früheren 
Untersuchungen ist, wie wir sehen, kein befriedigendes. Positives ist wenig zu¬ 
tage gefördert worden und das Negative hat nur insofern Wert, als wir wissen, 
wo wir den Angriffspunkt nicht zu suchen haben. Oft sind auch die Widersprüche 
so groß, daß wir die Resultate nicht verwerten können. So müssen wir immer 
wieder von neuem an die Arbeit gehen, bis endlich das Dunkel, das über dem 
Wesen der von keinem erfahrenen Arzte angezweifelten therapeutischen Wirkung 
4er Solbäder schwebt, gelüftet ist.“ — 

Ganz ähnlich verhält es sich mit den Schlammbädern; sie werden in Europa 
neileicht seit 150 Jahren angewandt, in Nenndorf seit etwa 100 Jahren. Die 
Benutzung der Schlammbäder hat in den letzten zehn Jahren ungeheuer zu¬ 
genommen, trotzdem ist die Frage, wie dieselben wirken, noch keineswegs ge¬ 
klärt und wissenschaftlich festgestellt. Dr. Axel Winckler 2 ) sagt in seiner 
letzten Arbeit „Uber die praktischen Erfahrungen mit Schlammbädern“, daß der 
alte Streit, ob mineralische und gasförmige Stoffe aus den Bädern durch die Haut 
resorbiert werden, noch immer andauere, und sucht dann seinerseits nach einer 
Erklärung für die Wirkung der Schlammbäder, die er als ein riesiges Kataplasma 
bezeichnet. Er sagt dann wörtlich: „Wie die Kataplasmen, so sind auch die 
Schlammanwendungen nicht von der Wissenschaft ersonnen, sondern vom Instinkt 
gefunden worden.“ 

Man weiß heute nur, daß sie wirken. 

Wenn somit Ärzte sagen, daß den elektrischen Lohtanninbädem bis jetzt 
die wissenschaftliche Grundlage fehlt, so teilen die Bäder dasselbe Geschick mit 
den allseitig angewandten Sol-, Schlamm- und kohlensauren Bädern. Zeigt sich 
nun aber, daß die elektrischen Lohtanninbäder bei Behandlung verschiedener 
Krankheiten einen unbestreitbaren Erfolg anfzuweisen haben, so sind sie ebenso 
eiistenzberechtigt, wie die oben genannten Bäder. 

Was die sonstige Anwendung der Bäder bei anderen Krankheiten anlangt, 
so sah ich sehr gute Erfolge bei Muskelrheumatismus, Hexenschuß etc., sowie 
auch bei Ischias. Bei Muskelrheumatismus waren die Beschwerden oft nach einem 
Bade verschwunden. Ich konnte dies an mehreren Patienten und an mir selbst 
beobachten. Ich litt im letzten Winter so heftig an einem Hexenschuß, daß ich 

') Dr. Grödel II, Nauheim, Berliner klin. Wochenschrift 1905. Nr. 11. 

*) Dr. Axel Winckler, Zeitschrift ftir diätetische und physikalische Therapie Bd. VIII. 
Heft 12, S. 654. 


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mich kaum erheben und mich nicht gerade richten konnte. Nach einem einzigen 
Bade konnte ich mich am anderen Tage wie sonst bewegen und mich sogar 
großen körperlichen Anstrengungen unterziehen. 

Bei Fällen von frischer Ischias wurde durch einige Bäder erhebliche 
Besserung erzielt, und viele Patienten waren sehr dankbar. In Fällen von 
chronischer Ischias trat die Einwirkung nicht so markant hervor, denn die 
Patienten gingen in solchen Fällen, wo sie schon sehr viel versucht hatten, nicht 
immer mit der nötigen Konsequenz an den Gebrauch der Bäder heran. Es kt 
ja auch nicht immer leicht, die Ätiologie einer hartnäckigen Ischias festzustellen, 
und gerade hier gibt es Fälle, die jeder ärztlichen Behandlung monatelang 
trotzen. Immerhin sind in mehreren Fällen von chronischer Ischias sehr schöne 
Erfolge durch den Gebrauch der Bäder erzielt worden. Ich begann immer mit 
mäßigen Strommengen, um dann allmählich zu stärkeren überzugehen. 

Wechselnde Erfolge sah ich bei Neuralgien, wie das wohl nicht anders zu 
erwarten ist. Bei Nervenschmerzen auf rheumatischer und gichtischer Basis sind 
die Erfolge gut. Ich selbst litt einige Zeit an einer Neuralgie im linken Ober¬ 
arm, nach meiner Ansicht auf rheumatischer Basis, die mich mehrere Nächte nicht 
schlafen ließ. Der Arm war so empfindlich, daß ich leisen Zugwind unangenehm 
verspürte und des Nachts sofort aufwachte, wenn die Bettdecke von der Schulter 
herabgeglitten war. Nach vier Bädern war ich die Schmerzen, welche 14 Tage 
bestanden hatten, dauernd los. 

Die Neuralgien auf nervöser oder hysterischer Basis wurden teils günstig, 
teils weniger, teils gar nicht beeinflußt, wie das wohl nicht anders zu erwarten 
ist, da hier die Suggestion die Hauptrolle spielt. Ich habe nur geringe Strom¬ 
stärken, in einigen Fällen sogar ganz minimale angewandt. Solchen Patienten, 
welche ganz begeistert von den Erfolgen waren, standen selbstredend andere 
gegenüber, die keinen Erfolg erzielt hatten. Das wird wohl auch immer so bleiben. 
— Daß die Bäder vermittelst der Elektrizität auf periphere Nervenlähmung günstig 
einwirken können, wird wohl niemand bestreiten. Ich sah einige Fälle von peri¬ 
pherer Lähmung einzelner Muskeln, z. B. Deltoideus-Lähmungen, die bereits 
monatelang bestanden hatten und gegen die bisher manches, auch Elektrizität, 
d. h. faradischer Strom, ohne Erfolg angewandt war. Es wurde auffällig schnelle 
Besserung beobachtet, so daß die Patienten, welche bereits geglaubt hatten, daß 
sie die volle Gebrauchsfähigkeit ihres Armes nicht wieder erlangen würden, über¬ 
glücklich und dankbar waren. Ich erwähne nur nebenbei, daß auch Lähmungen 
hysterischen Ursprungs, die bis dahin jeder Behandlung getrotzt batten, völlig 
beseitigt wurden, so Monoparesen bei Halberwachsenen und Kindern mit erheb¬ 
licher Atrophie durch Nichtgebrauch. — 

Zwei Beobachtungen, die zuerst von Patienten gemacht wurden, waren fol¬ 
gende: Es wurde berichtet, daß nach Gebrauch von 8—12 Bädern die lästigen 
Hämorrhoidalknoten völlig geschrumpft und verschwunden seien; dies ist später 
von mehreren anderen Badegästen bestätigt worden. 

In einem anderen Falle berichtete ein Patient, ein angesehener hiesiger 
Kaufmann, welcher, an Diabetes leidend, seinen Urin regelmäßig untersuchen ließ, 
daß nach Gebrauch von sechs Bädern der Zuckergehalt seines Urins um Vio % a ’ J ' 
genommen habe, ohne daß er seine Diät irgendwie geändert habe. Dies ist auch 


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Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lobtanninbäder etc. 441 


weiterhin geprüft worden und hat sich in mehreren Fällen als richtig erwiesen, 
wie auch von einem anderen Kollegen hier dasselbe beobachtet worden ist. Ich 
selbst habe zwei Patienten gesehen, die bei feststehender Diät an geringer Zucker¬ 
ausscheidung leidend, nach Gebrauch von etwa sechs Bädern ihre Zucker- 
ausscheidung bis jetzt (6—8 Monate lang) verloren haben. Bei einer jungen Frau 
von 28 Jahren hingegen mit Diabetes und Zuckerausscheidung von 6 % und dar¬ 
über hatten die Bäder keinen Einfluß auf die Zuckerausscheidung. Auf jeden 
Fall muß dies wie noch manches andere genauer nachgeprüft werden. — Eine 
wichtige Indikation zur Verabfolgung der Bäder stellen nach meiner Erfahrung 
die nach Knochenbrüchen und Kontusionen oder nach langandauernden Verbänden 
mrückbleibenden Steifigkeiten und Gelenkschwellungen dar, ebenso die Geleuk- 
versteifungen nach septischen Entzündungen. 

Meiner Überzeugung nach gibt es bisher kein Mittel, welches zurück¬ 
gebliebene Gelenkschwellungen, Steifigkeiten und Schmerzhaftigkeit bei Be¬ 
wegung so schnell beseitigt wie diese Bäder. Deshalb glaube ich auch, daß 
Dach eingehender Prüfung der Bäder viele Ärzte sich entschließen werden, diese 
in den Krankenhäusern einzuführen. 

Es gibt eine Gruppe der sogenannten Berufskrankheiten, von denen haupt¬ 
sächlich die Männer der arbeitenden Stände befallen werden, die chronischen 
Erkrankungen der Muskulatur der Sehnenscheiden und der Gelenke auf trau¬ 
matischer und rheumatischer Basis. Wie schon von ärztlicher Seite hervorgehoben 
worden ist, ist gegen diese Leiden die Balneotherapie eines der besten Mittel, 
wenn sie rechtzeitig angewandt wird. Hier können ohne Zweifel die elektrischen 
Lohtanninbäder noch unendlich viel Gutes stiften, wenn die Fälle frisch zur Be¬ 
handlung kommen. Selbst hochgradige Periostitis nach Eiterung und Operation 
am Knochen, die schon länger bestand, ging schnell zurück. 

Die vorhin erwähnte angebliche schrumpfende Einwirkung der Bäder auf 
erweiterte Hämorrhoidalvenen veranlaßte mich, einige Versuche bei Frauen zu 
machen, welche teils an erweiterten Venen der unteren Extremitäten litten, teils 
durch Schenkelvenenthrombose mangelhafte Zirkulationsverhältnisse an der be¬ 
treffenden unteren Extremität hatten. 

Man hat schon früher von der Gerbsäure angenommen, daß sie verengend 
auf die Gefäße einwirke. In unseren Fällen hat sich tatsächlich eine gute 
Einwirkung der Bäder auf derartige Prozesse gezeigt. Die Frauen, welche ihre 
I nterschenkel wickeln mußten oder Gummistrümpfe trugen und über Kälte und 
Schwere in den Beinen klagten, hatten nach mehreren Bädern diese unangenehme 
Empfindung verloren und konnten nach relativ kurzer Zeit die Gummistrümpfe 
fortlassen. Gewiß hätten sich die Zirkulationsverhältnisse auch so gebessert, aber 
fs machte doch den Eindruck, daß nach Gebrauch der Bäder ganz andere Fort¬ 
schritte in dieser Hinsicht erzielt wurden. 

Bei der heutigen Anschauung über die Berechtigung der konservativen Be¬ 
handlung des Weichteil-Fungus der Gelenke bei Kindern habe ich auch hier die 
Anwendung der Bäder versucht, zumal die Fälle sehr frühzeitig in meine Be¬ 
handlung kamen. Ein achtzehnjähriger junger Mann erreichte nach 10—12 Bädern 
sichtliche Besserung, so daß er zum Bade gehen konnte, während er vorher die 
Straßenbahn benutzen mußte. Er entzog sich nachher der Behandlung, kam nach 

Zeitscbr. t diit. xl phy»ik. Therapie Bd. IX. Heft 8. 30 


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einiger Zeit ohne Verschlimmerung zu zeigen, ins Krankenhaus, wurde mit 
Jodoformglyzerin injiziert, wurde stetig schlechter, lag monatelang in Verbänden 
und wurde endlich amputiert. 

Wenn dieser Patient, trotzdem sein krankes Knie nicht absolut ruhig 
gestellt werden konnte, weil er das Bad aufsuchen mußte, keine Ver¬ 
schlimmerung, sondern sogar etwas Besserung zeigte, so darf man wohl hoffen, 
daß die Anwendung der Bäder im Krankenhause vielleicht ein viel günstigeres 
Resultat ergeben hätten bei Ruhigstellung der Extremität und eventuell mit 
Bierscher Stauung kombiniert. 

Die heutige Behandlung dieser Leiden ist der vor 20 Jahren üblichen 
geradezu entgegengesetzt. Damals rechnete man es jedem Arzte als eine große 
Unterlassungssünde an, der ein Kind mit Fungus nicht möglichst bald operierte. 
Heute wird nur ein etwa vorhandener Abszeß inzidiert, aber sonst nichts operiert , 
man sucht den entzündlichen Prozeß durch Ruhigstellung, durch Stauung günstig 
zu beeinflussen und sucht das Allgemeinbefinden zu heben, Freiluftkur, See¬ 
aufenthalt etc. 

Wenn man nun sieht, daß die elektrischen Lohtanninbäder entzündliche 
Gelenkveränderungen gichtischer und rheumatischer Art günstig beeinflussen, 
weshalb soll man da nicht mal einen Versuch bei lungöser Gelenkentzündung 
machen, zumal diese Entzündungen allen bisherigen Behandlungsmethoden 
mindestens monate-, sogar jahrelang getrotzt haben. 

Ich sah einen tuberkulösen Knaben mit Caries am Jochbein und einer 
fungösen Periostitis am Unterarm; das betr. Ellenbogengelenk war in Mitleiden¬ 
schaft gezogen, schmerzhaft kontrahiert und unbeweglich. Ich machte auf die 
fungösen Partien zwei Einschnitte und kratzte, soweit es ging, aus und ließ 
dann ca. 18 Bäder nehmen. Der tuberkulöse Prozeß heilte aus und das 
Ellenbogengelenk wurde völlig frei und beweglich und war es auch noch nach 
acht Monaten. 

Eine andere Beobachtung, welche ich zu machen Gelegenheit hatte, möchte 
ich noch erwähnen, das ist die häufige Albuminurie bei chronischen Gichtikern 
und Rheumatikern, die mir nie so oft aufgefallen ist wie bei den Patienten, 
welche die Bäder gebrauchen wollten. Man kann diese Albuminurien in die be¬ 
kannten 3 Gruppen einteilen: 1. in Albuminurien, wo die mikroskopische Unter¬ 
suchung des Urins keinen Befund ergibt; 2. in Albuminurien, wo der Urin 
mikroskopisch Nierenelemente enthält, der Eiweißgehalt meist etwas größer ist. 
als in der 1. Gruppe, wo jedoch sonstige klinische Erscheinungen fehlen; 3. in 
Albuminurien, wo auch klinische Erscheinungen die bestehende Nierenentzündung 
anzeigen. 

Ich kann nun nicht sagen, daß diese Patienten schlechte Kuren gemacht 
haben; was aber auffiel, war, daß sie sehr langsame Fortschritte machten, d. h. 
daß ihre geschwollenen, schmerzhaften und steifen Gelenke viel langsamer frei 
wurden als bei den Patienten ohne Albuminurie. Dies ist wohl auch erklärlich. 
Jede Nephritis führt mehr oder weniger zur Retention harnfahiger Substanzen, 
es ist das die sogenannte Niereninsuffizienz. Der Gichtiker, welcher Nephritis hat. 
leidet an Retention von Hambestandteilen und an einer größeren Menge von 
Harnsäure im Blut und in den Geweben. Die insuffiziente Niere ist aber nicht 


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Einige Beobachtungen nach Gebranch der elektrischen Lohtanninbäder etc. 443 


imstande, eine größere Menge von Harnsäure, die, wie ich annehme, durch die 
Bäder in den krankhaften Ablagerungen zur Resorption gebracht wird, auszu¬ 
scheiden. Die Gicht gehört, wie die chronische Bleivergiftung und der chronische 
Alkoholismus, zu denjenigen Krankheiten, in deren Gefolge nicht selten indurative 
Nierenentzündung auftritt. Daß es bei der Gicht die Harnsäure ist, deren an¬ 
dauernd vermehrtes Passieren der Niere die Albuminurie und ev. die Nephritis 
hervorruft, darf man deshalb annehmen, weil ich bei einigen Gichtikern, deren 
Urin vor der Badekur kein Eiweiß enthielt, nach mehreren Bädern, als sich ver¬ 
mehrte Harnsäureerscheinung einstellte, Albuminurie vorfand; jedoch enthielt der 
Urin keine Formelemente und dieselbe verschwand bald wieder. 

Ein Unkundiger kann diese Beobachtung, die ebenfalls bei Schlammbädern 
gemacht ist, natürlich zuungunsten des Bades deuten. 

Viele Ärzte, welche vorurteilsfrei die Bäder für sich gebrauchten oder den 
Erfolg der Bäder an ihren Patienten beobachteten, gestanden gern die vorzüg¬ 
liche Wirkung derselben ein; in einigen Fällen waren sie geradezu erstaunt über 
die hervorgerufenen Veränderungen. 

Wenn von Ärzten in leitender Stellung erklärt wurde, daß diese Bäder am 
besten in einem Krankenhaus zur Anwendung kämen, so will ich dem absolut 
nicht widersprechen; ich glaube sogar, daß dort die Bäder erst ihre vielseitige 
Brauchbarkeit am ehesten dartun werden. Aber man muß auch berücksichtigen, 
laß viele Patienten mit ihren kleineren Gebrechen keineswegs gesonnen sind, 
deshalb ein Krankenhaus aufzusuchen, und sich freuen, wenn sie in einer Privat- 
badeanstalt ohne erhebliche Berufsstörung die Bäder benutzen können. 

Untersuchungen über die Wirkung der Bäder auf den Blutdruck habe ich 
nicht gemacht. 

Wenn man berücksichtigt, daß rein psychische Vorgänge Veränderungen des 
Blutdruckes und der Pulsfrequenz hervorrufen können, so wird man den Resultaten 
dieser Untersuchungen mit großer Vorsicht begegnen. Professor Hoffmann sagt 
überdies: „Was hat der Kranke davon, wenn sein Blutdruck für einige Stunden 
steigt?“ So viel habe ich feststellen können, daß einige Patienten mit leichter 
Kompensationsstörung und beschleunigter Herztätigkeit die Bäder gut vertrugen 
und daß die Pulsfrequenz im Bade nach kurzer Zeit um sechs bis acht Schläge 
in der Minute abnahm. 

Irgend eine nachteilige Wirkung der Bäder habe ich nicht wahrgenommen. 
Wenn man mit geringer Stromstärke beginnt, wird man immer hören, daß die 
Bäder sehr angenehm empfunden werden. Man fühlt sich nach dem Bade ge¬ 
hoben, erfrischt, gekräftigt. Die Haut ist turgeszierend und gerötet, manchmal 
intensiv. Jedenfalls wird eine starke Anregung der Blutzirkulation durch Hyper- 
ämisierung der Haut erzielt, wodurch wiederum eine Entlastung der inneren 
Organe zustande kommt. Es wird auf diese Weise die Perspiration angeregt, 
sowie eine Steigerung des Stoffwechsels herbeigeführt. Ich glaube auch, daß die 
Bäder ein gutes Stimulans für das gesamte Nervensystem sind, füge jedoch hinzu, 
daß bei Hysterischen minimale Strommengen genügen. 

Die einzige Unannehmlichkeit, welche die Bäder anfangs bei einigen Patienten 
hatten, war die, daß sie ein juckendes Erythem hervorriefen. Dies scheint jetzt 
durch eine bessere Mischung der verschiedenen Gerbsäure-Arten beseitigt zu sein. 

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444 0. Buß, Einige Beobachtungen nach Gebrauch der elektrischen Lohtanninbäder. 


Zum Schluß möchte ich den Ärzten, welche von vornherein, ohne jede 
Prüfung, sich den Bädern gegenüber ablehnend verhalten haben, die Worte in 
Erinnerung bringen, welche Prof. Bnmm in Berlin in seiner Antrittsrede ge¬ 
sprochen hat. Er sagt: „In der praktischen Medizin bedeutet Können alles, 
Wissen ohne Können nichts. Der Kranke ruft in dem Arzt vor allem den Helfer 
in der Not; alles, was wissenschaftlich vielleicht vom höchsten Interesse ist, kommt 
für den Kranken erst in zweiter Linie in Betracht. Und dieses Bedürfnis, Hilfe 
zu bekommen, ist bei aUen Menschen so groß, daß selbst Gebildete sich an 
Naturärzte, Pfuscher und andere Heilbeflissene wenden, obwohl ihnen der Ver¬ 
stand sagt, daß ein Helfen ohne Wissen nicht weit reichen kann.“ Und Dr. 
Breiger (Berlin) sagt in seiner Arbeit zur Bekämpfung der Kurpfuscherei: „War 
es doch in erster Linie die ablehnende Haltung der ärztlichen Welt den physi¬ 
kalischen Heilmitteln gegenüber, welche die Kurpfuscher und Laienärzte erst 
existenzfähig machte. Massage, Gymnastik, Hydrotherapie wurden vor Jahreu 
genau so scharf bekämpft wie heute die Luft- und Lichttherapie.“ — 

Ich wiederhole, was ich im Anfang meiner Arbeit gesagt habe: Wir müssen 
das Gute nehmen, wo wir es finden. Unsere erste Aufgabe ist es, der leidenden 
Menschheit zu helfen, und das Ausschlaggebende bleibt die Beobachtung am 
kranken Menschen. Ich zitiere die Worte, welche Fr er ich s 1882 auf dem 
Kongreß für innere Medizin sprach: „Die Grundlage unserer Forschung, der 
eigentliche Boden unserer Erkenntnis ist und bleibt für immer die Beobachtung 
am kranken Menschen; sie entscheidet in letzter Instanz die Fragen, welche uns 
entgegentreten.“ — 


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W. Lasarew, Ein Fall von Schüttellähmung durch Übungstherapie gebessert. 445 


II. 

Ein Fall von Schüttellähmung durch Übungstherapie 

gebessert. 

Aus der Klinik für Nervenkrankheiten der St. Wladimir-Universität zu Kiew. 

(Direktor: Professor M. N. Lapinsky.) 

Von 

Assistenzarzt Dr. W. Lasarew. 

Die Schüttellähmung gehört in therapeutischer Hinsicht zu den hoffnungs¬ 
losesten Krankheiten; die Aufgabe des Arztes hat sich, nach Hirts Meinung, hier 
lediglich auf das „nil nocere“ zu beschränken, denn, wie Oppenheim sagt: „der 
Ant kann viel schaden und wenig nützen“. Und in der Tat schon allein die 
Fälle der gegen dieses Leiden vorgeschlagenen therapeutischen Mittel spricht 
beredt von unserer Ohnmacht. Seit den Zeiten Charcots, der das flyoscyamin 
'rann empfahl und sich von ihm großen Erfolg versprach, löst eine ganze Reihe 
von narkotischen Mitteln (Hyoscin Erb, Duboisin Mendel und in allerjüngster 
Zeit Scopolamin) in schneller Aufeinanderfolge einander ab, immer wieder neue 
Hoffnungen erweckend, die dann doch wieder fehlschlagen. Ein ebenso negatives 
Resultat ergab die physikalische Therapie in allen ihren Disziplinen, durch welche 
mau bemüht war, den beklagenswerten Zustand der an Paralysis agitans Leidenden 
zu mildern. Von den mechanischen Methoden wurden angewandt: Massage, 
passive Gymnastik, Vibrationsmassage des Schädels und Charcots fauteuil 
trepidant. Von elektrotherapeutischen Methoden kamen Anodengalvanisation der 
hypertonischen Muskeln, Kathodengalvanisation und Faradisation ihrer Antagonisten, 
Zwei- und Vierzellenbäder zur Anwendung. Auch die Hydrotherapie mit ihren 
mannigfaltigen Prozeduren wurde zur Heilung der Schüttellähmung herangezogen. 
Der einzige Erfolg, den man dank der Anwendung aller hier aufgezählten Mittel 
und Heilmethoden zu verzeichnen hatte, bestand in Verringerung des Zitterns, 
und auch das — nur in zeitweiliger; es ließ sich keinerlei Einwirkung auf die 
übrigen Krankheitserscheinungen feststellen, wenn wir nicht den Umstand berück¬ 
sichtigen wollen, daß die Patienten unter dem suggestiven Einfluß aller durch¬ 
gemachten Prozeduren wieder mehr Mut faßten und ihnen ihre Krankheit in etwas 
weniger trübem Lichte erschien. 

Im Jahre 1904 erschien in dieser Zeitschrift (Bd. 7, Heft 12) eine überaus 
interessante Arbeit von Dr. R. Friedländer, in der derselbe davon Mitteilung 
machte, daß es ihm in mehreren Fällen von Schüttellähmung gelungen sei, eine 
bedeutende Besserung durch methodische Bewegungsübungen zu erzielen. Fried¬ 
länder wandte passive Gymnastik im Bereich der hypertonischen Muskeln und 


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W. Lasarew 


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aktive im Gebiet ihrer Antagonisten an. Daneben wurden auch komplizierte 
Bewegungsübungen in Anwendung gebracht, die Kranken übten sich im Gehen 
mit gestrecktem Rücken, im regelrechten Abwickeln des Fußes, im Unterdrücken 
des Händezitterns usw. Bekanntlich bildet sich bei Schüttellähmung in der Muskel¬ 
sphäre Rigidität heraus, die einen ganz bestimmten Typus annimmt (Beuge- und 
Strecktypus), es gelingt jedoch aktiv, mit Hilfe von Willensanspannung die Rigidität 
auf einige Zeit zu überwinden; dasselbe läßt sich auch vom Tremor sagen: so hört 
z. B. bei intendierten Bewegungen die Hand gewöhnlich auf zu zittern. Indem 
wir den Kranken dazu nötigen, eine gewisse Bewegung in einer der bestehenden 
Rigidität entgegenwirkenden Richtung auszuführen, zwingen wir ihn, erregende 
Impulse zu solchen Muskelgruppen zu senden, die außerhalb der vom Kranken 
für gewöhnlich in Anspruch genommenen Muskelgruppen liegen; parallel hierzu 
werden auch hemmende Impulse zu den Antagonisten gesandt, welche sich im 
Zustande der Hypertonie befinden, da, wie Sherringtons Untersuchungen gezeigt 
haben, die die Agonisten erregenden Impulse und die die Antagonisten hemmenden 
an einem und demselben Punkte der Rinde entstehen. Dadurch, daß wir den 
Patienten systematisch in der Ausführung zielbewußter Bewegungen üben, rufen 
wir neue Innervationen hervor und paralysieren die bestehenden, welch letztere 
eigentlich eben auch bei Paralysis agitans die Gesamtheit der Grundsymptome 
(Gehstörungen, Propulsio usw.) des Leidens hervorrufen. Diese Behandlungs¬ 
methode, die gleichzeitig eine Übungs- und Hemmungstherapie darstellt und als 
ein leiblicher Bruder der so gut bewährten kompensatorischen Übungstherapie 
bezeichnet werden dürfte, hat vollberechtigten Anspruch, rationell genannt zu werden, 
weil sich dieselbe sozusagen gegen die Wurzel des Übels richtet. 

Die Krankengeschichte in meinem Falle war folgende: 

W., 43 Jahre alt, Beamter der Landpolizei, wurde am 13. November 1904 an¬ 
genommen. Er klagt über Zittern der Hände (besonders der rechten), reißende und 
ziehende Schmerzen im Rücken, Brennen und blitzartige Schmerzen im linken Bein und 
Gürtelgefühl in der Lumbalgegend. Stammt aus gesunder Familie; hatte mit 16 Jahren 
das Sumpffieber, vor 6 Jahren Syphilis. Seit 1899 begannen sich Beschwerden bei Be¬ 
wegungen des linken Armes und Beines bemerkbar zu machen. Im Jahre 1901 wurden 
diese Beschwerden stärker; er begann mit leiser Stimme zu sprechen. Seit 1902 ver¬ 
schlimmerte sich der Zustand merklich: das Gehen verursachte ihm sichtliche Beschwerden, 
er wurde von Unbeteiligten für betrunken gehalten, der Kopf begann auf den Kumpt 
herabzusinken; es trat bei der Arbeit Zittern in der linken Hand auf, sodann anck in 
der rechten. Der Oberkörper wurde bedeutend mehr vornübergebeugt, Stehen und Gehen 
begann Schwierigkeiten zu machen; der Kranke fiel öfters nach vorn, vorzugsweise aut 
die linke Körperseite. Das Zittern wurde stärker, seine Rede sehr leise. Er hat seine 
Syphilis gehörig kuriert (Einreibungskuren, Einspritzungen, suchte dreimal den Kaukasus 
auf). Es besteht ausgesprochener Beugetypus der Paralyse. Der Kopf ist auf den 
Rumpf herabgebeugt, der seinerseits vornübergebeugt erscheint; die Beine sind in den 
Knien, die Arme in den Ellenbogen-, die Finger in den Metacarpo-Phalangealgelenken 
flektiert; die Interphalangealgelenke sind gestreckt (Schreibehand), die willkürlichen 
Bewegungen bedeutend geschwächt und verlangsamt. Passive Bewegungen sind erschwert 
im Bereiche der Schulter-, Ellenbogen-, Radiocarpal-, Finger-, Hüft-, Knie- und Fu߬ 
artikulationen (überall sind die Erscheinungen der Rigidität schärfer auf der linken Seite 
ausgeprägt), sowie in den Halsartikulationen der Wirbelsäule. Zittern der Hände 
besteht nur bei willkürlichen Bewegungen und hört auf, sobald das Ziel der Bewegung' 
erreicht ist. Die Zitterbewegung hat eine geringe Amplitude mit einer Frequenz von 
5—6 in der Sekunde und wird bei Gemütsbewegung Btärker. Sensibilität und Beflwe 


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Ein Fall von Schüttellähmung durch Übungstherapie gebessert. 


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unverändert. Gesichtsfeld nicht eingeengt. Die Erregbarkeit der Muskeln und Nerven 
lierabgemindert; Degenerationsreaktion fehlt. Die Stimme ist leise, kaum hörbar, die 
Sprache eintönig. Handschrift zitterig. Gang spastisch-paretisch (linkes Bein). Pro- 
pnlsio und lateropulsio (nach links). Bei der Behandlung kamen dreierlei Bewegungs¬ 
aiten zur Anwendung: passive, aktive und aktiv-passive. Die passiven Bewegungen 
«urden hauptsächlich in solcher Richtung ausgeführt, daß sie der bestehenden Steifigkeit 
^ntgegenwirkten. Die Bewegungen gingen von einer Maschine (von Knocke & Dreßler) 
oder von der Hand des Masseurs aus. Aktive Bewegungen führte der Kranke systematisch 
nach den einzelnen Muskelgruppen (Flexion, Extension, Rotation, Supination usw.) aus, 
anbei besondere Aufmerksamkeit darauf verwandt wurde, daß die Amplitude der Bewegung 
möglichst groß sei und auf solche Weise die in der einen oder anderen Muskelmasse 
bestehende Rigidität aktiv überwunden wurde. Zu den am meisten komplizierten Be¬ 
wegungen gehören die Gehübungen, vor deren Beginn jedesmal der Kranke in die richtige 
Stellung gebracht wurde (Geraderichtung des Rumpfes, Streckung der Beine in den Knie¬ 
gelenken usw.). Um der Rigidität in den Interphalangealgelenken entgegenzuwirken, 
rollte der Kranke eine dem Frenke Ischen Kegelapparat ähnliche Kugel zwischen den 
Händen. Unter dem Namen aktiv-passive Bewegungen verstehe ich solche, die vom 
Kranken auf Kommando ausgeführt wurden, während gleichzeitig eine andere Person auch 
eine Bewegung mit der Extremität des Patienten — also eine für den letzteren passive — 
vornahm. Diese Bewegungen sind besonders nützlich im Beginn der Behandlung: dadurch 
daß wir dem Kranken das Ausfuhren der Bewegung erleichtern, machen wir ihm die 
Möglichkeit der Ausführung einer gegebenen Bewegung vollkommen einleuchtend und 
'tärken seine Energie. Was das Zittern selbst anbelangt, so ließ ich den Kranken im 
'Ansatz zu Friedländer keine Übungen zur Unterdrückung desselben vornehmen, und 
zwar sowohl aus dem Grunde, weil der Tremor im klinischen Bilde dieses Falles in den 
Hintergrund trat, als auch deshalb, weil meiner Meinung nach der Tremor bei Paralysis 
adtans einen paralytischen Charakter trägt und mit dem Schwinden der Grundsymptome 
der Krankheit (Rigidität usw.) von selbst nachlassen muß. Alle angeführten Bewegungen 
«nrden mehrere Mal täglich ausgeführt, doch niemals bis zur Ermüdung des Patienten. 
Das Resultat war folgendes: Der Kranke, der bei seiner Aufnahme stündlich bei Ver¬ 
änderung seiner Lage, beim Essen, Trinken u. dgl. fremde Hilfe in Anspruch nehmen 
mußte, geht jetzt frei umher, erhebt sich mit Leichtigkeit von seinem Platze, macht 
plötzlich auf Kommando Halt und Kehrt. Propulsio und lateropulsio sind verschwunden. 
Parese des linken Beines sehr schwach ausgesprochen. Steifigkeit in den rechten 
Extremitäten nicht vorhanden; in der linken Körperhälfte ist in den Ellenbogen- und 
Knieflexoren, sowie in den Metacarpo-phalangeal- und Interphalangeal-Artikulationen noch 
schwache Rigidität vorhanden. Der Tremor der rechten Hand hat so weit nachgelassen, 
daß der Kranke beim Trinken nichts von der Flüssigkeit verschüttet; in der linken Hand 
ist derselbe noch in etwas höherem Grade vorhanden. Die Stimme ist laut: Patient 
singt ausdrucksvoll. Der Habitus des Kranken ist verändert: der Kopf ist nach hinten 
?eriickt, die Arme sind im Ellenbogengelenk gestreckt, an der rechten Hand ist keine 
>chreibehand mehr zu sehen, an der linken ist sie noch angedeutet. Die Knie sind 
gestreckt. 


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M. van Oordt 


III. 

Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung, 
Körpertemperatur, Puls- und Atmungsfrequenz durch Ein¬ 
wirkung kühler Luft auf den nackten Menschen. 

Von 

Dr. M. ran Oordt in St. Blasien. 

(Schluß.) 

Einwirkung auf Pulsfrequenz und Atmung. 

Daß sowohl Pulsfrequenz als Atmungsfrequenz auch unter dem Kältereiz 
einer niedrig temperierten Luft bei reichlicher Bewegung des nackten Körpers 
sich steigern würden, war vorauszusehen. Fast das Gegenteil findet während der 
Kälteeinwirkung unter völliger Körperruhe statt, wenn auch hier das Prinzip 
befolgt wurde, die Zählungen erst nach Abklingen des momentanen Kältechoks 
bzw. nach völliger Beruhigung vorzunehmen. Bei einigen der Untersuchten blieb 
die Pulsfrequenz zunächst dieselbe, bei einem steigerte sich dieselbe im Mittel 
um ca. drei Schläge pro Minute in einer längeren Versuchsreihe, bei zwei weiteren 
ging sie ziemlich erheblich herab. Mit der Wiedererwärmung neigte das Mittel 
der Pulszahlen aller Untersuchten zu einem dauernden Tiefstand in ganz bemerkens¬ 
werter Weise (s. Tab. 8). Die durchschnittlichen Frequenzziffern sind: 

67,2 vor der Kälte, 

66 gegen Ende der Kälteeinwirkung bei völliger Ruhe, 

61,8 im Laufe der Wiedererwärmung bei völliger Ruhe. 

Noch ausgesprochener als hier wird eine Abnahme der Pulsfrequenz fast 
übereinstimmend von andern Untersuchern beobachtet. Sie kommt in der Zusammen¬ 
fassung meiner Versuche weniger zum Ausdruck während der Kälteperiode, als 
beim Wegfall der Kälte, wenn mit Erweiterung des peripheren Strombettes eine 
Wiedererwärmung der Körperoberfläche unter gleichzeitiger Herabsetzung der 
Körpertemperatur und des Blutdrucks vor sich geht. Es läßt sich immerhin 
darüber streiten, ob die mit der Dauer des Versuchs in gleichem Maße zunehmende 
Dauer der psychischen und somatischen Beruhigung die Differenz in der Puls¬ 
frequenz zuwege gebracht hat. Bis zu einem gewissen Grade liegt diese Möglichkeit 
vor, wenigstens da, wo die dem Kälteversuch vorausgegangene Ruhezeit nur 
15 bis 20 Minuten betrug und bei den Stichproben kleine negative Schwankungen 
der Frequenz dem Beobachter entgehen konnten. Um festzustellen, inwieweit 
diese Annahme gegenüber andren Motiven Berechtigung verdient, wurden in einer 
Reihe von Versuchen gleichzeitg Temperatur, Puls und Blutdruck in regelmäßigen 
Zeitabständen gemessen. Die Versuche gliedern sich in zwei Gruppen. Bei der 
einen Gruppe (s. Tab. 12b) war eine absolute Ruhelage von nur 15 bis 30 Minuten 


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im Laufe des Vormittags vorausgegangen, nachdem die Personen vorher schon in 
hrem Beruf als Ärzte im Hause tätig gewesen waren. Hier steht die Pulsfrequenz 
nach der Kältewirkung durchschnittlich auf derselben Höhe wie vor derselben, um 
erst während der Wiedererwärmung bald rasch, bald langsam zu sinken. Bei der 
andren Gruppe (s. Tab. 12a) der Nüchternversuche schließen sich die Zählungen 
direkt an die Nachtruhe an, oder an eine etwa einstündige Ruhelage in den Woll- 


Tabelle 12 a. 

Luftexposition Nachperiode 







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■ ' Blutdruck. Körpertemperatur. —— Pulsfrequenz. 

Jede Abscisse eines Quadrates = 5 Minuten. 

„ Ordinate „ „ = 0,1 0 C. 

„ „ „ „ = 2 mm Blutdruck. 

„ „ „ „ =2 Herzkontraktionen. 

decken. Die Pulsfrequenz sinkt hier sofort schon während der Kälte, um mit 
Eintritt des Kältewegfalles ebenso wie in der ersten Gruppe einen dauernden 
Tiefstand zu erreichen, der sich in der etwa eine Stunde dauernden Nachperiode 
der Wiedererwärmung in der Ruhe langsam hebt. Eine Differenz im Verhalten 
des Pulses bei den beiden Gruppen besteht also entschieden und ebenso in dem 
des Blutdrucks. Blutdruck und Pulsfrequenz lassen bei näherer Beobachtung in 
den Vormittagsversuchen erheblich größere Schwankungen nach beiden Richtungen 
hin erkennen, als in den Nüchternversuchen. Da nun zur Aufnahme beider Versuchs¬ 
reihen erst geschritten wurde, nachdem wenigstens 5 bis 10 Minuten lang die 
Pulsfrequenz und der Blutdruck in der Wärmehülle als absolut gleichbleibend 


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450 


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konstatiert waren, und da ferner die gröberen Schwankungen bei den Vormittags- 
versuchen sich erst und auch ausschließlich in der Kälteperiode bemerkbar machten, 
so ist die Annahme, daß erst zeitlich mit dem Wegfall des Kältereizes eine zur 
Geltendmachung des Kältereizes genügende Beruhigung eingetreten sei, von der 
Hand zu weisen. Gegen diese Annahme spricht auch die fast übereinstimmende 
absolute Höhe der Pulszahlen vor dem Versuch. Sie war bei den Nüchternversuchen 
im Mittel 66, bei den Vormittagsversuchen 63 pro Minute. Wir haben also in 
beiden Gruppen ausschließlich Kältewirkung vor uns, die jedoch bei den Vormittags¬ 
versuchen anscheinend infolge der vor- 


T abeile 12b. 

Luftexpositien Nachperiode. 


ausgegangenen Arbeit und Bewegung 
in der Art modifiziert wird, daß eine 
größere sensorische Reizbarkeit des 
Zirkulationssystems zurückgeblieben ist. 
die sich in gleichzeitigen Schwankungen 
des Blutdrucks und der Pulsfrequenz 
kundgibt. Im großen und ganzen ist 
die Tendenz des Verhaltens allerdings 
ähnlich wie bei den Nüchternversuchen. 
Mat hat demnach mit dem Einfluß einer 
längeren Ruhezeit zu rechnen, aber 
nur im Hinblick auf eine möglichst 
gleichmäßig einzustellende sensorische 
Erregbarkeit des Zirkulationsapparates. 

Aus diesem Grunde sind die 
Nüchternwerte für eine Kältewirkung 
vorbildlicher, und es wird sich em¬ 
pfehlen bei Anstellung weiterer Ver¬ 
suche in dieser Hinsicht mehr wie 
bisher auf Tageszeit und Herzzustand 
Rücksicht zu nehmen. Zu unserer 
Hauptfrage nach dem generellen Ver¬ 
halten der Pulsfrequenz zurückkehrend, 
zeigt uns die Kurve der Nüchternwerte, 
ebenso wie diejenige, welche diese sämt¬ 
lichen gleichzeitig gemachten Fest¬ 
stellungen berücksichtigt (s. Tab. 12 c), daß erstens der Kältereiz die Herz¬ 
aktion im allgemeinen, besonders aber im Gegensatz zur generellen Steigerung 
des Blutdrucks und der Innentemperatur des Körpers während der Kälte¬ 
periode etwas verlangsamt. Daraus geht ohne weiteres hervor, daß diese 
Verlangsamung nicht von einer vielleicht zwar vermuteten, aber nicht vor¬ 
handenen Abkühlung des Blutes abhängt, wie dies in den schon zitierten Ver¬ 
suchen von Langendorf, Athanasiu und Carvallo der Fall ist, sondern auf 
reflektorischem Wege zustande kommt. Aber immerhin könnte die in der Nach¬ 
periode auftretende geringe Abkühlung des gesamten Blutes diesen Effekt haben. 
Dafür könnte auch die Beobachtung sprechen, daß der Eintritt der Wieder¬ 
erwärmung der Peripherie keine markante Änderung in der Hinsicht bedingt, daß 



—— Pulsfrequenz. 

Jede Abseisse eines Quadrates = 5 Minuten. 

„ Ordinate „ „ =0,1° C. 

„ „ „ „ =2 mm Blutdruck. 

„ „ „ ,, = 2 Herzkontrakt 


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451 


nun, wie man erwarten sollte, mit dem Wegfall des Kältereizes die Pulsfrequenz 
wieder ansteigen würde. Sie sinkt sogar noch etwas mehr und steigt dann sehr 
langsam und ohne wesentliche Schwankungen wieder an, erreicht aber nach einer 
Stunde noch nicht die vor dem Versuch eingehaltene Höhe. Auch unter der Nach¬ 
wirkung kühler Duschen findet 0. Müller (1. c.), daß die Pulsfrequenz erst nach 
einiger Zeit wieder zur früheren Höhe ansteigt, aber doch in einer steileren Anstiegs- 

Tabelle 12c. 


Luftexposition. Nachperiode. 



Ordinate „ „ = 0,1 C. 

„ „ „ =2 mm Blutdruck. 

„ „ „ =2 Herzkontraktionen. 


kurve als wie es in den vorliegenden Ruheversuchen zum Ausdruck kommt. Da allen 
hier verwendeten Versuchsanordnungen die Herabsetzung der Körpertemperatur 
in der Nachperiode (s. Tab. 12a, b, c) eigentümlich ist, liegt die Möglichkeit immer¬ 
hin vor, für diese Zeit nach Analogie der oben zitierten Versuche von Langen- 
dorf auch in der Zufuhr kühleren Blutes eine Ursache für die Verlangsamung 
der Herzaktion zu erblicken, die wir für die Fortdauer der Blutdrucksteigerung 
verneinen mußten. Für die Zeit der Kälteexposition bietet also der sensorische 
Kältereiz auf das Herz entweder direkt oder in Verbindung mit der Steigerung 
des Blutdrucks die einzig mögliche Art des Zustandekommens einer Pulsverlang- 
samung. In der Nachperiode fällt der Kältereiz von der Peripherie her wenigstens 


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nach einiger Zeit fort, wenn auch eine gewisse Fortdauer der Reizwirkung, die 
sich schon im erhöhten Stand des Blutdrucks kundgibt, zweifellos vorhanden ist 
Es müßte aber erst der Beweis erbracht werden, daß Pulsfrequenz und Blutdruck 
sich gegenseitig bedingen oder ausschließlich an denselben Reiz gebunden sind, 
um die a priori nicht wahrscheinliche Beeinflussung der Pulsfrequenz durch die ge¬ 
ringe Herabsetzung der Körpertemperatur auszuschließen. Die Erfahrung, daß 
nach kühlen Bädern und besonders nach Duschen die Körpertemperatur meist 
länger und tiefer herabgesetzt ist, die Pulsfrequenz jedoch rascher wieder ansteigt 
als in meinen Versuchen, läßt sich mit der vermuteten Temperaturwirkung auf die 
Pulsfrequenz nicht in Einklang bringen; hingegen koinzidiert dieser raschere An¬ 
stieg der Pulsfrequenz mit der baldigst eintretenden Senkung des Blutdrucks nnd 
dem rascheren Verschwinden eines Kältereflexreizes von der Haut her, wie es die 
intensivere reaktive Blutfüllung nach Kaltwasserprozeduren mit sich bringt. 

In meinen Versuchen ist zwischen dem Stande der Innentemperatur des 
Körpers und der jeweiligen Geschwindigkeit der Herzaktion während der Zeit der 
Kältewirkung ein Antagonismus erkennbar. Aber auch in der letzten Phase des 
Versuchs während der Wiedererwärmung der Peripherie macht sich kein so deutlicher 
Parallelismus bemerkbar als derjenige, welcher zwischen den Schwankungen von 
Blutdruck und Pulsfrequenz besteht, wenn erst einmal eine gewisse Zeit nach dem 
Beginn der Kälteexposition die Wirkung auf Pulsfrequenz und Blutdruck ersichtlich 
geworden ist, d. h. der Blutdruck höher und die Pulsfrequenz tiefer steht 
(s. Tab. 12a, b, c). Der gut erkennbare Parallelismus zwischen den beiden letzteren 
kommt allerdings beim Auftreten der Schwankungen in der Weise zum Ausdruck, 
daß gewöhnlich die Steigerung der Pulsfrequenz der Blutdrucksteigerung voraus¬ 
geht. Winternitz 45 ) hat die Veränderung des Blutdrucks, soweit sie vom 
Herzen ausgehe und nicht auf den Gefaßtonus zurückzuführen sei, auf eine 
Frequenz der Schlagfolge zurückgeführt und für die Erhöhung bzw. Erniedrigung 
der Pulsfrequenz in Fällen von lokaler thermischer Reizung gezeigt, daß diese 
auf reflektorischem Wege zustande kommen muß. Martin 46 ) veranschlagt zwar 
den Einfluß der Pulsfrequenz auf den Blutdruck geringer, erkennt aber auch ihren 
reflektorischen Charakter an. Dasselbe lassen die Versuche der Baschschen 
Schule und Pospischils 47 ) Befunde bei der Kältebeeinflussung der Herzgegend 
erkennen. Auch Frank 48 ) findet einen Einfluß der Häufigkeit des Herzschlages 
auf den Blutdruck. In allen diesen Fällen ist eine Herabsetzung der Körper¬ 
temperatur ausgeschlossen, und es bleibt also nur der reflektorische Kältereiz. 

Mit der durch vasomotorische Einflüsse bedingten Blutdrückerhöhung hat die 
Verlangsamung der Herzaktion in unsrem Fall natürlich nichts zu tun, da sie im 
Stadium des erhöhten wie des herabgesetzten Tonus vorhanden ist. Es existiert 
aber auch, wie wir oben gesehen haben, eine ganz deutliche, auf reflektorischem 
Wege durch die Herztätigkeit zustande kommende Blutdruckerhöhung, und man 
könnte nun die Verlangsamung der Herzaktion mit der kräftigeren Herzkontraktion 
in ähnlicher Weise in Verbindung bringen, wie das durch Herztonika geschieht 
und sie damit ihres primären Charakters berauben. Dem widersprechen aber 
durchaus die Befunde bei heißen Bädern, welche Blutdruck und Pulsfrequenz auf 
dem Wege der reflektorischen Herzreizung zu gewissen Zeiten ganz erheblich zu 
steigern vermögen. Wo also auf reflektorischem Wege durch entgegengesetzte 


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453 


thermische Reize der Blutdruck in gleicher, die Pulsfrequenz in gegenteiliger 
Weise beeinflußt wird, da muß von einer ursächlichen Bedeutung des Blutdrucks 
für die Höhe der Pulsfrequenz abgesehen werden, und es bleibt nur übrig, eine 
primäre, kältereflektorische Beeinflussung, sowohl der Schlagfolge als der Schlag¬ 
intensität des Herzens anzunehmen, die zunächst voneinander unabhängig sind. 
Eine beiläufige thermische Depressorreizung durch den etwas abgekühlten Blut¬ 
strom ist damit allerdings nicht gerade ausgeschlossen, doch nur gering ein- 
mschätzen. 

Die reflektorische Steigerung der Schlagintensität an sich schon bewirkt mit 
Bestimmtheit ganz unabhängig von andern Faktoren bei gleichbleibendem Gefäß- 
tonns eine Erhöhung des Blutdrucks. Die reflektorische Herabsetzung der Puls¬ 
frequenz wiederum ist geeignet, den Blutdruck zu senken. Als Resultat dieser 
in kompensatorischer Richtung beeinflußten Herztätigkeit zeigt sich bei den Ruhe¬ 
versuchen eine gewisse gleichmäßige und nicht zu starke Steigerung des Blut¬ 
drucks. Wo der Blutdruck dann aber wieder sekundären Schwankungen unter¬ 
worfen ist, da tritt allerdings der oben beschriebene Parallelismus von Blutdruck 
und Pulsfrequenz zutage, indem eine zeitlich nebenhergehende bzw. etwas vor¬ 
auseilende Schwankung in der Häufigkeit der Schlagfolge auf die Höhe des 
Blutdrucks bestimmend einwirkt. Diese Schwankungen zeigen sich auch nur in 
Verbindung miteinander und im wesentlichen nur bei den Vormittagsversuchen, 
wo wir eine gewisse Labilität der Pulsfrequenz als Ausdruck einer größeren 
Reizbarkeit des Herzens, sei es auf sensorischem oder auf psychischem Wege, 
haben annehmen dürfen. 

Aus der durch den primär antagonistischen Reizeffekt eintretenden Differenz 
zwischen den absoluten Höhen des Blutdrucks und der Pulsfrequenz durch Kälte- 
wirknng hat man schon ein Herzphänomen konstruieren zu dürfen geglaubt, das 
sich mit dem durch Digitalis hervorgerufenen vergleichen ließe. Zwar ähnelt 
z. B. die Kurve der Ruheversuche (s. Tab. 12 a) äußerlich einer Digitaliskurve, 
bei der mit steigernder Herzenergie sinkende Pulzfrequenz verbunden ist. Einen 
weiteren, rein hypothetischen Analogieschluß für die Therapie daraus zu entnehmen, 
wie das von andrer Seite getan wurde, ist aber schon deshalb nicht angängig, 
da nur beim kräftigen, gesunden Menschen unter allgemeinem Kältereiz sich Blut¬ 
drucksteigerung mit Pulsverlangsamung kombiniert, während ein weniger leistungs¬ 
fähiges Herz auf allgemeinen Kältereiz in der Ruhe, wie in Tab. 10 gezeigt ist, 
mit einer stärkeren Herabsetzung des Blutdrucks als der Temperatur und der 
Pulsfrequenz reagiert, und eine mehrstündige Minderwertigkeit der Herzfunktion 
die Folge ist. 

Die Respirationsfrequenz in meinen Versuchen ist 13 pro Minute in der 
Vorbereitungszeit, 11, 25 während der Kälteexposition und 16 in der Nachperiode 
bei einer im Vorbereitungsstadium allerdings geringen Anzahl von Einzelversuchen. 
Da aber bekanntlich die Atmungsfrequenz schon durch geringste psychische Reize 
zu beeinflussen ist, vermag ich diesem Befund, der ohnedies nur in Verbindung 
mit Gaswechselbestimmungen tiefere Bedeutung hat, keinen Wert beizulegen. Es 
liegen über die Bedeutung der Kältereize für die Respirationsfrequenz schon 
genaue Versuche mit kalten Bädern von Löwy 49 ) vor, deren Resultate mit den 
von Winternitz und auch hier gefundenen übereinstimmen. Regelmäßig war die 


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Atmung während der Kälteperiode vertieft, und damit allein läßt sich eine seltenere 
Respiration schon erklären. Eine weitere Frage ist die, ob die Steigerung der 
Atmungsfrequenz bei Wärmeapplikation mit der hier im Stadium der künstlichen 
Reaktion gefundenen zu vergleichen ist. Bei Wärmeapplikation am menschlichen 
Organismus steigen die Körpertemperatur und die Atmungsfrequenz, während in 
meinen Versuchen bei der Wiedererwärmung der Körperoberfläche seine Gesamt¬ 
temperatur unter gleichzeitigem Ansteigen der Atmungsfrequenz langsam fällt. 
Beiden Temperatureinwirkungen gemeinsam ist also nur der von der Peripherie 
reflektorisch vermittelte Wärmereiz auf das Respirationszentrum. Ich möchte 
deshalb, wie für die Herz Wirkung, so auch für die Veränderungen der Respiration 
der zentralen Reflexerregung durch den thermischen Hautreiz größere Bedeutung 
beilegen als einer zentralen Einwirkung seitens der durch das Blut übertragenen 
Temperaturänderung. 

Eine Zwischenstufe zwischen den Versuchen unter absoluter Ruhe und denen 
bei ausgiebiger Bewegung stellen diejenigen dar, in denen die Untersuchten sich 
durch Auf- und Abgehen und sehr leichte Gymnastik in Bewegung erhielten 
(s. Tab. 13). Dabei beobachtete ich in einer größeren .Reihe von Versuchen 
während der Kältewirkung regelmäßig eine geringe Steigerung von Puls- und 
Atmungsfrequenz, ebenso ist Blutdrqck- und Innentemperatur gesteigert. Die dies¬ 
bezüglichen Befunde nach der Wiedererwärmung können leider wegen der mit 
dem Ankleiden nach dem Luftbade verbundenen reichlichen Bewegung nicht zum 
Vergleich herangezogen werden. Während in dieser Versuchsanordnung also Blut¬ 
druck und Wärmehaushalt noch Kältewerte zeigen, gerät die Puls- und Atmungs¬ 
frequenz bereits in Abhängigkeit von der Muskelarbeit, sowie von psychischen 
Einflüssen, und leitet damit den ganz veränderten Ausfall der Ergebnisse ein, der 
sich auf allen besprochenen Gebieten durch die Einwirkung von Kältereizen in 
Verbindung mit mechanischem Hautreiz und reichlicher Bewegung bemerkbar 
macht (s. Tab. 14). 

Die Ergebnisse der Untersuchungen und die Anschauungen über 
Kälteeinwirkung, welche sie veranlassen, sind in folgenden Sätzen 
zusammengefaßt: 

Der Einfluß eines mit mäßiger Wänneentziehung verbundenen Kältereizes 
auf einen großen Teil der Hautoberfläche des gesunden Menschen gibt sich in 
einheitlicher und kontinuierlicher Weise ohne plötzliche Reaktionserscheinungen 
kund in der Zusammensetzung des Blutes, in der Blutverteilung, dem Blutdruck, 
in der Körpertemperatur, in der Puls- und Atmungsfrequenz. 

Der Einfluß auf die Blutverteilung und -Zusammensetzung äußert sich zunächst 
in einer Anämisierung der Haut durch Verengung der Hautkapillaren, in einer 
Abnahme der Erythrozyten in denselben und in einer gleichzeitig in ihnen auf¬ 
tretenden Vermehrung der Leukozyten, in einer peripheren Kälteleukozytose. 
Diese Veränderung der Zusammensetzung ist eine lokale Dissoziation der zelligen 
Elemente des Blutes ohne Veränderung ihrer absoluten Mengen in der Zusammen¬ 
setzung des gesamten Blutes und ist die Folge der Verengung der betreffenden Haut¬ 
gefäße sowie des gleichzeitig erfolgenden thermischen Reizes für die Leukozyten. 
Bei Fortdauer der Kältewirkung folgt dem Kontraktionszustand eine Erweiterung, 
dem Gefäßreiz eine Gefaßlähmung. Je nachdem nun aber die Stromgeschwindigkeit 


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Ober Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


455 


in den Kapillaren infolge gleichzeitiger Kälteverengung zuftthrender Arterien ver¬ 
langsamt bzw. bei einem normalen Tonus derselben normal oder unter Erweiterung 
derselben beschleunigt ist, tritt Cyanose bzw. leichtere oder stärkere Rötung der 
Haut — letztere als Reaktion bekannt — ein. Das Verhalten der Hautgefäße 
unter K&lteeinwirkung ist beim herzgesunden Individuum unabhängig von dem in 
den großen Gefäßen herrschenden Blutdruck. Es wird bestimmt durch individuelle 
Verschiedenheit, durch Art, Intensität und Dauer des Kältereizes. 


Tabelle 13. 
Kälteexposition. 



= 5 Minuten, 

Jede Ordinate eines Quadrates 

— 1 Herzkontraktion •—•—• 
Jede Ordinate eines Quadrates 

- 0,1° C . 

Jede Ordinate eines Quadrates 

-= 2 mm Hg Blutdruck — 
Jede Ordinate eines Quadrates 
-^=1 Respiration 


Tabelle 14. 
Luftexposition. 






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■ Blutdruck. 

... Axillartemperatur. 

Jede Abscisse eines Quadrates 
= 5 Minuten. 

Jede Ordinate eines Quadrates 
= 0,1 0 C. 

Jede Ordinate eines Quadrates 
= 2 mm Blutdruck. 


Blutdruck und Temperatur des Körper-Innern steigen von Beginn der Kälte¬ 
wirkung an, um erst nach Erreichung eines individuell verschieden hohen und 
zeitlich verschiedenen Maximums langsam oder rascher wieder zu sinken. Das 
Steigen der Innentemperatur des Körpers ist mit einem Sinken der Hauttemperatur 
verbunden. Dieses ist durch die verminderte Zirkulation an der Körperoberfläche 
verursacht, welche ihrerseits auf der Verengung des peripheren Strombettes beruht. 
Die Temperaturerhöhung ist also eine Wärmeaufspeicherung infolge kräftigen 
Funktionierens der physikalischen Wärmeregulation durch die Haut. 


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U. van Oordt 


Die Steigerung des Blutdrucks ist ein Produkt aus der Kälteverengung der 
Hautgefäße, des Tonus der zufuhrenden Arterien, der kältereflektorisch gesteigerten 
Herzenergie und der relativen Häufigkeit der kältereflektorisch herabgesetzten 
Pulszahl. Die qualitative Bedeutung sowie die Mächtigkeit des einzelnen Faktors 
ist aber von Fall zu Fall verschieden, deshalb kann der Blutdruck je nach dem 
Vorherrschen oder Ausscheiden eines derselben wie z. B. bei Lähmung der Haut- 
kapillaren, sowohl bei der Rötung als bei der Zyanose der Haut eine Zeitlang 
derselbe bleiben, wie bei der vorausgehenden Blässe oder infolge dieser Lähmung 
bis zu einem gewissen Grade sinken. Den größten und dauerndsten Einfluß übt 
die reflektorische Steigerung der Herzenergie aus. 

Puls- und Atmungsfrequenz nehmen in geringem Maße ab. 

Solange nicht infolge einer zu lange dauernden Kältewirkung der Kältereiz 
sich mit einer Schädigung des Körpers verbindet, treten die eben geschilderten 
Veränderungen auf. 

Nach dem Wegfall des Kältereizes vor Eintritt der Kältelähmung der Haut* 
gefäße und bei Fortdauer der Körperruhe (künstliche Reaktion) ändert sich die 
Blutverteilung in dem Sinne, daß die Menge der Erythrozyten in der Peripherie 
über die in der Vorbereitungszeit gefundene Menge hinaus rasch zunimmt, die 
der Leukozyten abnimmt. Letzteres erfolgt durch Schwinden des thermotaktischen 
Reizes, ersteres weil infolge der Erweiterung der Hautkapillaren und der peripheren 
Arterien eine reichliche Durchblutung der Peripherie eintritt. Diese Veränderung 
ist wenigstens noch eine Stunde nach Wegfall des Kältereizes nachweisbar. 

Die Körpertemperatur sinkt nach Wegfall des Kältereizes sofort unter den 
Anfangswert, um allmählich die normale Höhe, die vor Beginn der Versuche bestand, 
wieder zu erreichen. Die Temperaturherabsetzung ist durch die Erweiterung des 
peripheren durchkälteten Strombettes, das wieder ganz in die Zirkulation ein¬ 
bezogen wird, bedingt, indem einerseits kühles Blut der Oberfläche in größerem 
Maße dem allgemeinen Kreislauf zugeführt wird, andererseits mit Durchbrechung 
der physikalischen Regulation zunächst größere Wärmeverluste eintreteu. Der 
Blutdruck sinkt nur in dem Grade, als es durch den Nachlaß der Kontraktion der 
Hautgefäße und der zur Haut führenden Arterien bedingt ist, und bleibt wegen 
Steigerung der Herzenergie auch nach Aufhören der Kältewirkung noch über 
seinem Anfangsniveau stehen. Der Ausgleich ist meist nach einer Stunde noch 
nicht erfolgt. 

Die Herzaktion bleibt auch nach Wegfall des Kältereizes noch eine Zeitlang 
verlangsamt. Die Atmungsfrequenz steigt nach Aufhören der Kältewirkung wieder 
langsam an. 

Die klinisch postulierte und auch experimentell hervorzurufende „Reaktion" 
nach Kältereizen, welche in dem oben zitierten Satz (Matthes 1. c.) ihren Ans¬ 
druck findet: „Das Auftreten der sekundären Hautgefäßerweiterung mit allen 
Folgen auf den Wärmehaushalt, Hauttemperatur, Blutverteilung, Nervensystem etc." 
kann sein: 

1. die bei einer großen Anzahl Individuen zeitlich verschieden eintretende, 
aber dauernde Folge eines Kältereizes, wenn dem Auftreten dieser Erscheinung 
ein Wegfall des Kältereizes folgt, sonst ist sie gewöhnlich nur ein rasch vorüber¬ 
gehendes Stadium im Verlauf der Kältewirkung; 


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Über Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


457 


2. die Folge vom Wegfall des Kältereizes unter meist gleichzeitig und in 
verschiedenem Grade einsetzender Mitwirkung von Druck, Bewegung, Hautreizen 
and der Eigenart der Versuchsperson. 

Sie besteht in einer passiven, durch Erschlaffung verursachten Erweiterung 
der Hautkapillaren bei normaler oder größerer Weite der zur Haut führenden 
Arterien unter normalem oder erhöhtem Blutdruck infolge der kältereflektorisch 
gesteigerten Herzenergie. Der Schwerpunkt für das Gelingen der Reaktion ist in 
tos Verhalten dieser Arterien und des Herzens zu verlegen. 

Für die gütige Erlaubnis, einen Teil der Versuche im städtischen Kranken¬ 
baase zu Frankfurt a. M. ausführen zu dürfen, bin ich Herrn Professor v. Noorden 
zu bestem Danke verpflichtet. 

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458 M. van Oordt. Chor Veränderungen von Blutdruck, Blutzusammensetzung etc. 


21 ) Winternitz, Die Hydrotherapie auf physiologischer und klinischer Grundlage 1890. Bd.l. 
M ) O. Müller, Über den Einfluß von Bädern, Duschen etc. Deutsches Arch. f. klin. 
Medizin 1902. Bd. 74. 

2S ) Tschlenoff, Über die Beeinflussung des Blutdrucks etc. Zeitschrift fiir diätetische 
und physikalische Therapie 1894. Bd. 1. Heft 3 und 4. 

**) Stcfani, Sur l’action vasomotrice r6flcxe de la tempdrature. Arch. ital. de biol. 1895. 
Bd. 24. 

35 ) Winkler, Studium über die Beeinflussung der Hautgefäße durch thermische Reize. 
Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften 1902. Wien. Bd. 3. Abt III. Juni: 
zit. b. Martin, Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie Bd. 7. S. 421. 

**) Goltz und Ewald (zit b. Martin 1. c., S. 421, Beiträge zur Lehre über den Einfluß 
thermischer Anwendung. Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie Bd. 7. Heft 8. 
S. 422), Der Hund mit verkürztem Rückenmark. Pflügers Arch. 1896. Bd. 63. 

a7 ) Langendorf, Über den Einfluß von Kälte und Wärme auf das Herz des Warmblüters. 
Pflügers Arch. f. Physiolog. S. 325. 

38 ) Atbanasiu und Carvallo, L’action des hautes temp6ratures sur le coeur in vivo. 
Arch. d. Physiol. 1897. Bd. 9. Tom. 5. S. 789. 

w ) Hegglin, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung der Duschen. Zeitschrift 
f. klin. Medizin 1894. Bd. 26. 

:w ) Liebermeister, Müllers Archiv 1860. S. 520. 

3l ) Jürgensen, Deutsches Arch. f. klin. Medizin 1868. Bd. 1. 

3/ ) Mo rat, 1. c. S. 30. 

33 ) Lommel, Über den Tonus der großen Gefäße und über das Verhalten der peripher 
gelegenen Gefäßgebicte bei lokalen Wasserprozeduren. Arch. f. klin. Medizin 1903. S. 182. 

34 ) Martin, Beiträgo zur Lehro über den Einfluß thermischer Anwendungen auf «las 
Blutgefäßsystem. Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie Bd. 7. Heft 9. 

35 ) F. Pick, Über den Einfluß mechanischer und thermischer Anwendung auf den Blut 
ström und Gefäßtonus. Zeitschr. f. Heilkunde 1903. Bd. 24. Heft 2. 

Wertheimer, Influenee de la r6frig6ration de la peau sur la circulation au rein. Arcb. 
de physiol. 1894. Ser. 5. Tom. 6. S. 308. 

37 ) Sahli, Klinische Untersuchungsmethoden 1902. 

38 ) Rubner, Thermische Studien über die Bekleidung des Menschen. Arch. f. Hygieue 
Bd. 23. S. 133 u. a. 

39 ) lteineboth, Arch. f. klin. Medizin Bd. 62. Heft 1 und 2, und Zentralblättcr f. innen 1 
Medizin 1900. Bd. 21. S. 78. 

40 ) Nasaroff, Virchows Archiv Bd. 90. 

41 ) Durig und Lode, Ergebnisse einiger Respirationsversuche nach wiederholten kalten 
Bädern. Arch. f. Hygiene 1901. Bd. 39. S. 46 u. M. uied. Wochenschr. 1900. 

4 -) Pictot, zit. b. Chossat und Cond6s. Jouni. de medecine de Paris 1897. 

4:{ ) Jürgensen, 1. c. 

44 ) Winternitz, 1. c., s. a. Virchows Arch. Bd. 54. 

45 ) Derselbe, I. c. 

46 ) Martin, 1. c. S. 495 u. f. 

47 ) Pospichil, Zur hydriatischen und mechanischen Therapie der Herzkrankheiten. 
Blätter f. klin. Hydrotherapie 1891, 1894/95. 

48 ) O. Frank, Einfluß der Häufigkeit des Herzschlages auf den Blutdruck. Zeitschrift 
für Biol. 1904. 

49 ) A. Löwy, Über den Einfluß der Abkühlung auf den Gaswechsel des Menschen. 
Pflügers Arch. 1889/90 Bd. 46. 


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H. Pauli, Der sinusoidalc Wechselstrom in der Gynäkologie. 


459 


IV. 

Der sinusoidale Wechselstrom in der Gynäkologie. 

Ans der Anstalt für physikalische Heilmethoden in Karlsruhe. 

Von 

Dr. H. Panll 

in Karlsruhe. 

Nachdem ich mich am eigenen Leibe von der mächtigen Einwirkung des 
sinnsoidalen Wechselstromes auf das vergrößerte Herz während einer dreiwöchigen 
Kor auf Schloß Marbach überzeugt hatte, führte ich die Smith-Hornungsche 
Methode der Herzbehandlung auch in der hiesigen Anstalt für physikalische Heil¬ 
methoden ein. 

Bei der Behandlung von herzkranken Frauen machte ich dabei die Be¬ 
obachtung, daß fast durchweg während der Behandlung, oft schon nach einigen 
Bädern eine deutliche Ändernug in der Menstruationstätigkeit sich zeigte. Diese 
Änderung bestand fast immer in einer Verminderung der Blutabsonderung. Ja, 
bei einigen Frauen, die an ausgesprochenen Menorrhagien litten, trat im Ver¬ 
laufe der Behandlung vollständige Heilung dieses Zustandes, d. li. Rückkehr der 
menstruellen Blutung zur Norm, ein. 

Diese Tatsache veranlaßte mich, den sinusoidalen Wechselstrom in einer 
besonderen, dem weiblichen Becken angepaßten Form zur Verwendung zu bringen. 
Es mußte m. E. die Wirksamkeit des sinusoidalen Wechselstromes auf das weib¬ 
liche Becken eine erhöhte sein, wenn ich ihn auf das Becken konzentrierte, statt 
ihn. wie bei den Smith-Hornungschen Vollbädern, den ganzen Körper passieren 
zu lassen. 

Ich konstruierte zu dem Zwecke eine Sitzbadewanne, die ich mit drei 
Elektroden versah, um im Bedarfsfälle auch dreiphasigen Wechselstrom (Dreh¬ 
strom) zur Verwendung zu bringen. Unsere Anstalt verfügt nur über den ge¬ 
wöhnlichen einphasigen sinusoidalen Wechselstrom, der für unsere Zwecke auch 
vollständig ausreicht. 

Die Ausführung der Wanne hat die Firma Reiniger, Uebbert £ Schall 
in gewohnter vorzüglicher Weise besorgt. 

Figur 31 stellt die aus Holz gearbeitete. Wanne in gebrauchsfertigem Zustande 
dar. Die Elektroden sind dabei nicht sichtbar, sie sind verdeckt durch die am 
Boden und an der Rückenseite der Wanne zur Bequemlichkeit des Patienten an¬ 
gebrachten Holzgitter und durch die vordere Wannenwand. Die Wanne steht auf 
isolierenden Füßen und ist daher gegen Erdschluß gesichert. 

Die Verbindung mit der Zentrale wird durch das oberhalb der Wanne sicht¬ 
bare Schaltbrett hergestellt, dasselbe, welches wir auch zu unseren sinusoidalen 
iSmith-Hornungschen) Vollbädern benutzen. 

•51* 


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F«tc- 3>- Dieses SehaJtbrett, welches uns ■ebeufäiis 

vonder Finna Kehliger, Gebbert .v Schall 
4 tti Krlaogerr geliefert ward«, ent half eine v*.i?. 

- Toir angegebene 3i{«fdißkfttlün. die eine wesem 

liehe ''Verbilligung gegenüber den ?5raif> 
v Hornung-scheu SobäUbret.tem. durstellt. 

• A1. Sg Hnruutig setzt «hmh rineo rotierend«! 

»jNEÄiä WeciiselfitrodirTraDsfomer die PeriödcßzMil kt 

Zentrale (gewöhnlich 2400--3000 t auf $00 k 
4Mgygygjgj$. iöfiO herab in der Annahme, daß .durch M 

häufige» lAdweehsel eia lästiges .lacken;Jini 
Brennen auf der Han? ä«s Patienten kv'" 
geriften werde. Von diesem >ucke» .vmd Breano: 
habe ich roieh aber trotz xaiilr4»cl^et\Vej^|if) 
V.:l 1 j 1 K H| . . nicht überzeugen -können’, desv;egen hak M 

^f«(e!i!!!l!|j!! den We<;hselstrom-Trfcnsfo.nm;i einlacli w.r 

yf: , |iW) «fl V gelassen. Und ich iiiastatjer«'. . dflUGufisw« 

/ ! 11 II ' I® NVeidmcdstrouiMder mit höhet“ PeHätteiirtM 

SyAg:' t j|:' il| jjf durchaus dieselbe. Iknptmdung auf der Haut- 
’v% 4 ' & \jwi‘ hereinTiikrs, wie die Snmb-Hor it.TjßgsfM' 

. | f. ' U ich. nie M'lütij geengt, seihst in Mrtik’t 

Die Anordnung der Elektrode» in 
'üadewatme wird durch die Figur di ' 
o FuiliHit, weit he die Wantie nach KnOetmc: 
der leicht herausnehmbare» Holzgittc! aus 4«. 
Vogelperspektive gesehen darsteilt. 

T.)'ie; Elektrode H befindet sieb dem Hkkti 
des Patienten gegentiher, d. li. an der ftiirkiuneiiseite, die Elektrode A üntHkJI- 
des Afters*, d. h. aut dem Boden, die Klektrodg tjj dem Gemtate gegenüber. d„ ii. e. 

d'uU •Vordetioneiiseite der Wanne. Zwk-k’: 
l’iy. Xi. den Elektrode» A und G befindet sieh im Bdto 

| u AiiritojBföffoaiip, 

® , nun die PMektrhiien ’-flSri» jSfc 

so Hießt der »inusoidale ■Wechstelstroffl zwiscl# 
Küeik «iid Vorderseite der Warnt* ji.nd innti 
die Hegend des klemeij und ^:di>eö Beckk 
|l|f| dessen üiugmäitmig- passiemn 

Schalte ich die Elektrode»Kk'A ,(fikk 
waijd ituri Boden der Wanne)ein,. so fliikt kf 
■Strom zwischen iliickem resp„ Kratzgegetid n»4 
After resp. PertneuiB. Die dritte SChalMnk’ 
möglichkeit besteht darin, dait ick den Stroin 
swtsehvn den Elektroden 0 und A Öieiku las«;' 
Üfläüii werden Vagina, Douglas, Kekiutn wA: 
ArutK.. besonders in den Stromkreis eiiihe./:.• 




Der sinusoidale Wechselstrom in der Gynäkologie. 461 

Durch diese Mannigfaltigkeit ist es möglich, das große und kleine Becken 
in allen Richtungen vom Wechselströme durchfließen zu lassen. 

Die Versuche, die ich mit dieser Sitzbadewanne machte, bezogen sich zuerst 
nnr auf Menorrhagien der verschiedensten Ursachen. Ich will die Kranken¬ 
geschichten der einzelnen Patientinnen hier nicht alle Vorbringen, sondern mich 
kurz auf die resümierende Bemerkung beschränken, daß fast in allen Fällen wesent¬ 
liche Besserung, meistens sogar restitutio in integrum erreicht wurde, soweit die 
Blutung dabei in Betracht kommt. 

Das veranlaßte mich, die Indikationsgrenzen zu erweitern. Ich zog nach 
und nach Myomblutungen, Coecygodynie, Retroversio und Retroflexio Uteri, 
Hämorrhoiden, eitrige Adnextumoren, chronisch entzündliche Beckenprozesse aller 
Art in die Behandlung ein, fast durchweg mit gutem Erfolge. 

Bei Retroflexio mobilis et fixata konnte ich eine Lageveränderuug des Uterus 
in keinem Falle erzielen, dagegen fast durchweg Beseitigung oder wesentliche 
Besserung der Kreuzschmerzen. 

Auch bei eitriger Oophoritis, von der ich bis jetzt nur das chronische 
Radium behandelt habe, wurde eine Änderung des objektiven Befundes nicht er¬ 
reicht, dagegen fast stets eine Besserung der subjektiven Beschwerden. 

Bei Retroversio gelang es in einigen Fällen sogar, den Uterus in die normale 
stelhmg' zu bringen. Coecygodynie ohne Veränderungen im Becken wurde fast 
immer in sehr kurzer Zeit geheilt, ebenso der Varix ani. Bei Myomblutungen 
bürten die Blutungen in kurzer Zeit auf. In den meisten Fällen zeigte sich die 
Besserung schon nach dem ersten bis dritten Bade. 

Chronische Para- und Perimetritis zeigten selbst nach kurzer Behandlung 
fast stets deutliche Besserungen im subjektiven Befinden. 

Endometritis und Metritis wurde auch bezüglich des objektiven Befundes in 
einigen Fällen zur Heilung gebracht, in denen die sonst üblichen Methoden inkl. 
'■urettage versagt hatten. 

Ich lasse die Bäder täglich nehmen und dabei durch die Wärterin ver¬ 
mittelst eines Itheostaten (siehe das Schaltbrett in Fig. 31) die Elektrizität an- 
und abschwellen. Auch in Marbach bedient man sich bekanntlich der Schwel¬ 
ungen. Nur lasse ich dieselben nicht durch einen Automaten, wie in Marbach, 
sondern dem Empfinden jedes Patienten besonders angepaßt, durch die Wärterin 
besorgen. 

Die Handhabung der Wanne ist einfach. An jede Dreh- und Wechselstrom¬ 
zentrale kann sie durch ein einfaches Schaltbrett, wie ich es oben geschildert, 
angeschlossen werden. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Mathieu et Roux, L’In&nition eher, les 
Dyspeptiques et les uerveux Semefologie 
et Traitement. Paris. Gauthiers-Villars. 

Die Verfasser weisen darauf hin, daß 
während früher bei Funktionsstörungen des 
Verdauungskanals eine Beseitigung der Schädi¬ 
gung wesentlich durch Einschränken der Er¬ 
nährung erzielt wurde, durch Untersuchungen 
von vorwiegend deutschen Autoren und durch 
die grundlegenden therapeutischen Arbeiten von 
Wcir-Mitchcll und Playfair eine Änderung 
der Ernährung eingeleitet wurde, indem man 
unter gleichzeitiger Schonung die Ernährung 
möglichst zu heben sucht Die ungenügende 
Ernährung gerade bei Dyspeptischen und Ner¬ 
vösen ruft oft eine weitere Steigerung der Be¬ 
schwerden hervor, während einfache Regelung 
des diätetischen Regimes unter Erhöhung der 
Assimilationsfähigkeit der Nahrung und gleich¬ 
zeitiger moralischer Unterstützung dio Krank¬ 
heit beseitigt. Dyspeptisehe und neuropathische 
Zustände können parallel gehen. In den meisten 
Fällen aber besteht neuropathische Prädis¬ 
position. Die neuropathischen Dyspeptiker sind 
einzuteilen in Leute: 

1. die nicht essen können, 

2. die nicht zu essen wagen, 

3. die nicht essen wollen, 

4. die aus irgend einem Grunde wähnen 
genügend zu essen, 

5. welche bei genügender Nahrungszufuhr 
die Nahrung nicht verdauen odor assi¬ 
milieren. 

Seltener sind Kranke, die ohne neuropa¬ 
thische Belastung allein durch übermäßigen 
Verbrauch ihrer Nervenkraft und eine zufällige 
lokale Störung zur Inanition kommen. Im 
Gegensatz zu den Hysterischen schränkt der 
Neurastheniker seine Ernährung ein, weil er 
bemerkt, daß im Laufe der Verdauung unan¬ 
genehme Erscheinungen auftreten. Sympto¬ 
matisch wichtig Ist, daß solche Ncurasthenische 
alles essen, was man ihnen vorschreibt, wenn 
nur die Quantität nicht zu groß ist. Eine Reihe 


subjektiver Erscheinungen, Schwindel, indiffe¬ 
rente Natur der Schmerzen, Ausstrahlung und 
Vielseitigkeit derselben, das Übergreifen aut 
andere wechselnde neue Kapitel durch Auto- 
Suggestion charakterisiert diese Art Diu 
klinischen Formen sind abhängig vom Grade 
der verschiedenen Kombinationen des neuro¬ 
pathischen Zustandes, der Belastung, den Ge¬ 
legenheitsursachen und der lokalen Störungen. 
Folgende Formen gruppieren sich in progno- 
stischer und therapeutischer Hinsicht. 

1. Leichte Neurasthenie mit wenig aus 
geprägten Störungen und mit vorübergehender 
Insuffizienz der Ernährung. Hyperästhesie und 
funktionelle Störungon des Magens und des 
Darms sind dabei selten vorwiegend. 

Bei einer 2. Gruppe schwer Neurastheniseher 
findet sich erbliche Belastung, die Verdauung? 
Störungen sind wenig ausgeprägt, die Inanitioc 
ist jedoch hartnäckiger, öfters werden die- 
Kranken von Phobieen geplagt und reagieren 
leicht auf geringe Schädigungen psychischer 
und materieller Art. Schon nach einigen Tagen 
kann man die Ernährung steigern und mit 
Gewichtszunahme eine Besserung konstatieren. 

In der 3. Gruppe finden sich Kranke mit 
schwerer erblicher Neurasthenie und ausge¬ 
prägten subjektiven lokalen Erscheinungen im 
Magen und Darm. Die Ernährung ist bei be¬ 
trächtlicher Abmagerung sehr eingeschränkt, 
dazu kommen Schmerzen bei der Ernährung. 
Voreingenommenheiten, schwere Störungen des 
Appetits, Störungen auf moralischem und auch 
intellektuellem Gebiet Beschwerden in anderen 
Organprovinzen gesellen sich hinzu. 

Bei der 4. Gruppe wird das ausgesprochen 
ncurasthenische Krankheitsbild durch Verände¬ 
rungen in den Verdauungsorganen, Atonic des 
Magens, allgemeine Enteroptose, lebhafte oft 
abnorme Sensationen im Verdauungskana! 
kompliziert. 

In der 5., hartnäckigsten und intensivsten 
Form kommen zu den obengenannten Er¬ 
scheinungen noch Störungen der Darmver 
dauung, Kolitiden, chronische Diarrhöen usu. 
Die allgemeine Abmagerung führt zu Verände 
rungen in den verschiedensten Organprovinzen. 


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463 


insbesondere der Leber. Im Gegensatz zu 
diesen Formen steht die Inanition der Hyste¬ 
rischen, bei der die Verdauungsstörungen den 
allgemeinen Charakter hysterischer Anfälle 
tragen, so z. B. unbezwingbares Erbrechen, 
Anschluß der Erscheinungen an psychische 
Emotionen, denen eine reelle Basis fehlt. Die 
Verfasser unterscheiden eine hysterische primäre 
Anorexie und Unterernährung als Folge von 
hysterischem Erbrechen. Die Kranken sind 
hijjendlichc Individuen, welche auf körper¬ 
lichem oder psychischem Gebiet Stigmata auf¬ 
weisen. Charakteristisch ist, daß oft bis zu 
völligem Kräfteverlust die Stimmung nicht be¬ 
einflußt wird, wie dies bei den Neurasthenischcn 
gerade der Fall ist. Die 2. Gruppe der Unter¬ 
ernährten infolge hysterischen Erbrechens ist 
auf organische Ursachen zu untersuchen. 
Meist ist die Diagnose jedoch leicht, da das 
Erbrechen ohne Prodrome auftritt und etwaige 
Schmerzerscheinungen sich nicht an die be¬ 
kannten Lokalisationen bei organischen Leiden 
iahen. 

Die Inanition bei Geisteskranken 
Müßt eine große Zahl von Anorexien, be- 
■•»mlcre der Melancholiker und Hypochonder. 
Neben psychopathischen Erscheinungen be¬ 
obachtet man Temperaturherabsetzung, Foetor 
tx ore, Fieber, atonische Zustände, vor allem 
Erfolglosigkeit der Therapie, vielleicht wegen 
tiefer liegender Störungen der Resorption und 
Assimilation. Beachtenswert ist noch das 
Verbinden ängstlicher Ideen, z. B. mit dem 
^chlnckgeräusch usw. Die Ätiologie der 
Inanition fällt oft mit der Diagnose und Pro¬ 
gnose zusammen. Organische Ursachen müssen 
natürlich ausgeschlossen werden. Dann suche 
man zu erforschen, zu welcher Gruppe der 
Neurasthenischcn, der Hysterischen oder Geistes¬ 
kranken der Betreffende gehört. Wichtig ist 

die inneren Organe auf ihren Ernährungs¬ 
zustand zu untersuchen, die Zusammensetzung 
des Urins zu ermitteln, die Dauer der Krank¬ 
beit festzustellen, auf fixe Ideen und Phobien 
iu prüfen, vor allem aber zu untersuchen, ob 
der Kranke die Fundamentalgesetze der Er¬ 
nährung überhaupt kennt. Ein ausgezeichneter 
Prüfstein für die Prognose ist die Isolierung. 
Wo dabei, wie z. B. bei den Weir-Mitchell- 
und Playfair-Kuren sich die Ernährung bessert, 
kann im allgemeinen eine günstige Prognose 
gestellt werden. Die Behandlung besteht darin, 
«laß man den Kranken zum Gegenstand einer 
genauen psychologischen Beobachtung macht, 
zunächst die Hyperästhesie bekämpft und unter 


Anwendung der allgemeinen Diätregeln die 
Ernährung forciert. Veränderung der Um¬ 
gebung, die Zuflucht zu inneren und äußeren 
Beruhigungsmitteln, inneren Medikationen, die 
allerdings manchmal auf suggestivem Wege 
wirken, können erwünscht sein, ebenso Hydro¬ 
therapie und Massage. Kausalindikationen sind 
in dem Verhalten der Umgebung, der Be¬ 
schäftigung des Kranken und der psychischen 
Schädigung gegeben. In leichteren Fällen ge¬ 
nügt eine Belehrung über die Ursachen der 
Unterernährung neben einer leichten Über¬ 
wachung um Besserung einzuleiten. Bei den 
hereditär Belasteten mit fortgesetzter Unter¬ 
ernährung kann der Ernst der Erkrankung an 
der Schwierigkeit gemessen werden, die sich 
einer Überzeugung des Kranken von einer ver¬ 
nünftigen Lebensweise entgegensetzt. Hier ist 
Wechsel des Milieus oft von ausschlaggebender 
Bedeutung. Bei den Hysterischen hat die 
Isolierkur die besten Erfolge und Autorität ist 
einer rationellen Belehrung vorzuziehen. Bei 
der Behandlung der Unterernährung der 
degenerierten Pseudo-Dyspeptischen nützt oft 
weder Autorität noch Belehrung noch Isolierung, 
und Rückfälle schwerster Art sind an der 
Tagesordnung. Gelobt werden häufige Pur¬ 
gationen, wohl im wesentlichen der Theorie 
von den Auto-Intoxikationen zu Liebe. In 
den zahlreichen dem etwas weitschweifig 
geschriebenen Buch eingefügten Kranken¬ 
geschichten wird ein wertvolles Material 
typischer Fälle dom Praktiker vorgeführt. 

van Oordt (St. Blasien). 

Rend Läufer, Utillsation des matteres 
grasses chez les tuberculeux. Le bulletin 
ntedical 1904. Nr. 87. 

Der deutlichste und konstanteste Einfluß 
der Fette bei Tuberkulösen wie Gesunden be¬ 
steht in einer Retention und Ersparnis an 
stickstoffhaltigen Stoffen. Verfasser hat kon¬ 
statiert, daß, wenn man Tuberkulösen Fett in 
verschiedenen Formen in steigender Menge 
gibt, die Kurve der totalen Elimination des 
Stickstoffes anfangs niedriger wird, dann aber 
stationär bleibt. Er gab einer Reihe von Tuber¬ 
kulösen Fett in Dosen von 150 bis 200 g pro 
Tag in Form von Butter, Lebertran etc., einer 
andern Reibe Dosen von 100 bis 150 g. Bei 
der ersteren Kategorie stieg die Gewichtskurve 
rapid und sehr bemerkenswert, dann erreichte 
sie ihr Plateau und blieb stationär; endlich 
sank Bie, einige Male sogar unter das ursprüng- 


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464 


liehe Gewicht, und zwar war dies eine Folge 
von Verdauungsstörungen, entweder weil die 
Kranken den Appetit verloren oder infolge 
eines Fehlers der Nutzbarmachung des Fettes. 
Dasselbe zeigte sich in den Fäces, ohne trans¬ 
formiert zu sein. Bei der zweiten Kategorie 
(mäßige Dosen Fett) erhob sich die Kurve des 
Gewichts langsam, aber mit kontinuierlich fort¬ 
schreitender Tendenz, so daß als Endeffekt 
eine Gewichtszunahme zu konstatieren war. 
Verfasser zieht hieraus den Schluß, daß eine 
Dosis von 100 bis höchstens 150 g Fett für 
den Nutzwert die ersprießlichste ist. 

J. Marcuse (Mannheim). 

A. Schmidt, Die Behandlung der habituellen 
Obstipation. Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 8. 

Die Behandlung der chronischen Obsti¬ 
pation, der atonischen sowohl wie der spasti¬ 
schen, besteht in diätetischen Maßnahmen, 
mechanischen Behandlungsmethoden, Einläufen, 
Abführmitteln und in psychischen resp. erzieh¬ 
lichen Einflüssen. Die diätetische Behandlung 
geht von der Erfahrungstatsache aus, daß die 
Verarbeitung der Speisen im Darmkanal chro¬ 
nisch Obstipierter vollständiger und besser 
geschieht als gewöhnlich; infolgedessen bleibt 
den Mikroorganismen wenig Gelegenheit zu 
Zersetzungen; die natürlichen Reize für die 
Peristaltik, die Gärungs- und Fäulnisprodukte 
fallen fort. Daher ist es indiziert, möglichst 
schwer verdauliche, schlackenreiche Speisen 
einzuführen, bzw. solche, welche reich an 
Spaltungsprodukten sind. Zu den ersten ge¬ 
hören zellulosereiches Brot, Gemüse, Früchte 
etc., zu den letzteren saure Salate, Buttermilch, 
gewisse Fette. Eine Vorbedingung für ihre 
Anwendung ist das Fehlen aller Reiz- resp. 
Entzündungserscheinungen im ganzen Bereich 
des Verdauungskanals. Die mechanische Be¬ 
handlung umfaßt die Massage des Leibes, die 
Faradisation des Abdomens und des Mastdarms, 
die hydrotherapeutischen Prozeduren und die 
gymnastischen Übungen. Die mannigfachsten 
Anwendungen gibt speziell die Hydrotherapie: 
hier wirken warrnG Umschläge, Alkohol¬ 
packungen und wanne Sitzbäder beruhigend, 
der kalte Umschlag ev. mit der Winternitz- 
schen Modifikation und laue Duschen (?? Der 
Referent) erfrischend, kalte Sitzbäder und 
schottische Duschen reizend. Die Gymnastik 
endlich paßt nur für eine beschränkte Anzahl 
von Fällen, die streng individualisiert werden 


müssen. Was die Einläufe anbetrifft, so ist 
man in jüngster Zeit von ihrem umfassenden 
Gebrauch zurückgekommen, einmal weil man 
erkannt hat, daß sie nicht bis zur Valv. Bauhini 
Vordringen, weiter weil durch ihre häufige, zu 
kalte oder chemisch zu differente Anwendung 
Katarrhe erzeugt werden können. Eine Ans- 
nähme hiervon machen nur die Öleinläufe, die 
in ihrer mild-reizenden Wirkung besonders bei 
spastischer Obstipation am Platze sind. Die 
medikamentöse Therapie ist nur als eine symp¬ 
tomatische anzusehen und dementsprechend 
nur in Ausnahmefällen anzuwenden. Ist man 
gezwungen, systematische Kuren vorzunehmen, 
so empfiehlt sich bei jüngeren Leuten mit 
sitzender Beschäftigung, unzweckmäßiger Le¬ 
bensweise u. dgl. ein Aufenthalt in Karls¬ 
bad, Homburg, Kissingen in Verbindung mit 
hydrotherapeutischen Prozeduren, Gymnastik 
und reichlicher Bewegung. Ältere Fälle ato- 
nischer Obstipation eignen sich nicht für der¬ 
artige Trinkkuren; hier wird man versuchen, 
durch Kombination diätetischer Maßnahmen mit 
Elektrizität und Massage des Leibes die Stuhl 
entleerung in Gang zu bringen. Für alle 
deutlich spastischen Formen kommt in erster 
Linie eine Ruhekur mit Diät, Öleinläufen und 
späterer Massage in Betracht. Schwerere Fälle 
eignen sich für eine systematische Ölkur nach 
Ebstein. J. Marcuse (Mannheim). 

Neter, Die chronische SiuhlTerslopfung im 
Kindesalter und ihre Behandlung. Würz 
burger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet 
der praktischen Medizin Bd. 4. Heft 12. 

Wie Verfasser mit Recht hervorhebt, kommt 
der Prophylaxe resp. der frühzeitigen und kon¬ 
sequenten Behandlung der kindlichen Stuhl* 
trägheit eine große Bedeutung mit Rücksicht 
auf die Häufigkeit der chronischen Obstipation 
in der Pubertät und im späteren Alter zu. 
Schon aus diesem Grunde verdient die vor¬ 
liegende Arbeit allgemeines Interesse, welche 
eine übersichtliche Darstellung dieses häufigen, 
in der Praxis vielfach unterschätzten und ver¬ 
nachlässigten und auch in den meisten pädi- 
atrischen Lehrbüchern ziemlich summarisch ab¬ 
gehandelten Leidens gibt und mit Ätiologie, 
Symptomatologie und Therapie desselben sich 
eingehend beschäftigt 

Neter erörtert zunächst die verschiedenen 
Ursachen der Obstipation bei Brust- und Flaschen¬ 
kindern, unter denen Überfütterung durch *u 
häufiges Darreichen der Brust oder Flasche 


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465 


ebenso in Betracht kommt wie unzureichende 
Quantität und qualitative Veränderungeu der 
Muttermilch, vorzeitiges Vollmilchregime, Zu- I 
satz von Mehlen schon in den ersten Lebens- 1 
monaten etc. Zur Beseitigung des Leidens 
gibt er je nach der Ursache der Obstipation 
wechselnde, wertvolle, diätetische und. hygie¬ 
nische Vorschriften: Regelung der Mahlzeiten, 
Ammenwechsel oder Beinahrung, Ersatz der 
Vollmilch durch Milchwassermischungen, Dar¬ 
reichung von Sahne oder Süßrahmbutter, ferner 
Bauchmassage, Beseitigung etwaiger Anal- 
fissuren. Auch die durch angeborene Kolon- | 
dilatation herbeigeführte Stuhlverstopfung | 
(Hirschsprungsche Krankheit) und die auf 
einer zu guten Assimilation der Nahrung be¬ 
ruhende, das Gedeihen der betreffenden Säug¬ 
linge nicht beeinträchtigende, scheinbare Ob¬ 
stipation der Brustkinder finden Erwähnung. 

Die jenseits des Säuglingsalters beob¬ 
achtete, habituelle Stuhlverstopfung ist meist 
auf zu reichlichen Milchkonsum, sowie auf die 
einseitige Darreichung der noch immer irrtüm¬ 
licherweise als „kräftige Kost“ geltenden 
Nahrungsmittel Milch, Fleisch und Eier zurtick- 
mführen; Verfasser wendet sich energisch 
gegen den unter dem Einfluß des obigen 
Schlagwortes noch weit verbreiteten Schema¬ 
tismus in der Kinderernährung und plädiert 
dafür, schon vom Beginn des zweiten Lebens¬ 
jahres an den Speisezettel durch Beigabe von 
Amylaceen (Schrotbrot, Kleienbrot), Gemüsen, 
Kompots, Fruclitsäften abwechselungsreicher zu 
gestalten. Bei älteren Kindern sind auch die 
Gewöhnung a.n regelmäßiges Aufsuchen des 
Klosetts und die Sorge für ausgiebige Bewegung 
im Freien beachtenswerte therapeutische Fak¬ 
toren. Die medikamentöse Behandlung soll bei 
allen Formen der Obstipation gegenüber den 
genannten diätetischen und allgemeinhygie- 
nischen Maßnahmen zurücktreten. 

Die kleine, fließend geschriebene Ab¬ 
handlung kann als anregende und belehrende 
Lektüre bestens empfohlen werden. 

Hirschei (Berlin). 


Terrlen, Le rdgime alimentalre dang les i 
gastro-entdrites chronlques du nourrisson« 

Journal des praticiens 1905. 18. Februar. 

Bei chronischer Gastroenteritis künstlich 
ernährter Säuglinge rät Verfasser in jedem 
Falle zunächst Übergang zur Brustnahrung zu 
versuchen; schlägt dieser Versuch fehl oder j 
ist er nicht durchzuführen, so gibt er bis zu 


dem Zeitpunkte, wo die Assimilation fett¬ 
haltiger Nahrung wieder erwartet und deshalb 
Kuhmilch versuchsweise gereicht werden kann, 
die von Mdry empfohlene Gemüsebouillon mit 
Mehlzusatz, Buttermilch oder Keil ersehe Malz¬ 
suppe. Beschreibung der Zusammensetzung und 
der Herstellungsweise der letztgenannten Prä¬ 
parate. Hirschel (Berlin). 


M. Stransky, Über Malzpräparate als Nähr¬ 
und HeilmittelvehlkeL Medizinische Blätter 
1904. Nr. 50. 

Der Verfasser empfiehlt einige neue Malz¬ 
präparate, die vor den bisherigen vor allem 
den Vorzug größeren Eiweißgehaltes und des 
Gehaltes an Diastase in wirksamer Form haben 
sollen. Ferner wird die Anwesenheit von mit 
Phosphor kombinierten Eiweißkörpern, den 
NucleTnsäuren, als besonders wertvoll be¬ 
zeichnet. Die guten Erfahrungen, die mit dem 
Diastasin oder Kandol genannten Präparat 
gemacht wurden, betrafen besonders Kinder 
und stillende Frauen, „denen es den Konsum 
des Bieres entbehrlich macht“. (!) Die be¬ 
treffende Fabrik bringt außerdem das Diastasin 
in Kombination mit einer ganzen Anzahl von 
Arzneimitteln in den Handel und stellt ferner 
noch einen kohlensäurehaltigen Malzextrakt, 
Maltzym, sowie Kandol-Kakao und Kandol- 
Schokolade her. Wer also Bedürfnis nach 
neuon Nährstoffen und Nähr-Arzneimitteln hat, 
der findet hier sicherlich alles, was er sucht. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


t. Jaksch, Ein Beitrag zur Kenntnis des 
pathologischen Stoffwechsels« Versammlung 
deutscher Naturforscher und Xrzte. Monats¬ 
berichte für Urologie Bd. 8. Heft 11. 

Jaksch hat bei neueren Untersuchungen 
über die Verteilung der stickstoffhaltigen Sub¬ 
stanzen im Harn des kranken Menschen den 
Nachweis liefern können, daß nicht, wie man 
bisher geglaubt hat, in allen Fällen* der] Harn¬ 
stoff das Hauptprodukt der Stickstoffaus¬ 
scheidung ist, sondern in einer Reihe von 
Krankheiten ein Stickstoffrest auftritt, der die 
Eigenschaft hat, wie der Harnstoff durch 
Phosphor-Wolframsäure nicht fällbar zu sein, 
und der doch nicht Harnstoff ist Er bedeutet 
vielmehr Amidosäuren. Diese treten in mehr 
oder minder großer Menge auf: 1. bei Nieren¬ 
krankheiten, 2. bei Phosphorvergiftung, 3. bei 
Diabetes insipidus, 4. in geringem Grade auch 


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466 Referate über Bücher und Aufsätze. 


bei Diabetes mellitus, und 5. bei Typhus ab¬ 
dominalis. Hier bestebon 20—25 % des an 
sich schon vermehrten Gosamtstickstoffes im 
Harn aus Amidosäuren oder Allantoin. 

Forchheimer (Würzburg). 


Jul. Bartel, Die Infektionswege bei der 
Ftttterongstnberkulose. Aus dem patho¬ 
logisch - anatomischen Institut (Professor 
A. Weichsolbaum in Wien). Wiener klin. 
Wochenschrift 1905. Nr. 7. 

Dieser Beitrag zu der immer noch im 
Brennpunkte des Interesses stehenden Frage 
über die Infektionswege der Tuberkulose ist 
nur ein Abschnitt aus einer größeren Studie. 
Die hier vorliegende Arbeit, welche sich auf 
29 Tierversuche —* an 24 Kaninchen und 5 Meer¬ 
schweinchen — stützt, hatte folgende Ergeb¬ 
nisse: 

1. Tuberkelbazillen in Kulturaufschwem¬ 
mung in geringen Mengen in das leere Maul 
der Versuchstiere getropft führten zu einer all¬ 
gemeinen Lymphdrüsentuberkulose: der Hals-, 
der Bronchial- und Mesentcrialdrüscn. Dabei 
fanden sich auch Veränderungen an Lunge, 
Leber und Milz, doch blieben die in Betracht 
kommenden Schleimhäute anscheinend un¬ 
verändert. 

2. Wenn der Nahrung der Versuchstiere 
Tuberkelbazillen in Kulturaufschwemmung bei¬ 
gemengt waren, so fanden sich Zeichen einer 
Bazilleninvasion am regionären lymphatischen 
Gewebe sowohl der oberen wie der tieferen 
Wege des Digestionstraktes; dabei waren die 
Mesenterialdrüsen häutiger betroffen, als das 
lymphatische Gewebe der Mund- und Rachen¬ 
schleimhaut und der Halslymphdrüsen. 

3. Waren Tuberkelbazillen in tuberkulösen 
Organstückchen der Nahrung beigemengt, so 
trat die Beteiligung der Halsdrüsen erheblich 
gegen den Befund an den Mesenteriallymph- 
drüsen zurück. — Makroskopisch erschienen 
die Schleimhäute des Verdauungskanals un¬ 
verändert, mikroskopisch dagegen fanden sich 
in dem lymphatischen Gewebe Epitheloidzellen- 
tubcrkel, Ricscnzellen, meist auch Tuberkel¬ 
bazillen. Wo die Bazilleninvasion aber mikro¬ 
skopisch nicht nachweisbar war, gelang ihrNach« 
weis oft durch Verimpfung der lymphatischen 
Geweb8gruppcn des gefütterten Tieres auf Meer¬ 
schweinchen oder durch die Kultur. 

Gelegentlich waren bei Fütterung mit der 
Nahrung beigefügten Tuberkelbazillcu auch die 


Bronchiallymphdrüsen, aber nicht vor der 
dritten Woche, mitbefallen. Autor hält es nach 
den Vorsichtsmaßregeln bei Ansstellung der Ver¬ 
suche ftlr ausgeschlossen, daß eine Aspiration 
erfolgt sei, sondern denkt an eine Infektion 
von den lymphatischen Apparaten des Ver¬ 
dauungskanals aus. 

Hinsichtlich einer Tuberkuioseverhütung 
wird die Aufmerksamkeit gleichmäßig auf alle 
möglichen Eintrittspforten gelenkt, die v. Beh- 
ringsche Überzeugung als „zum mindesten 
beachtenswert“ bezeichnet. 

Naumann (Meran-Reinerz). 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

Szildgyi, Eine neue Methode des Prieftnitx- 
Umschlagcs. Magyar Orvosok Lapja 1904. 
Nr. 10. 

Verfasser empfiehlt anstatt der umständ¬ 
lichen Kreuzbinden ein giletartiges Kleidungs¬ 
stück aus vierfach geschichteter Leinwand zu 
verfertigen, welches in der Mamillarlinie zu 
knöpfen wäre, darüber käme ein zweites Gilet 
aus zweischichtiger Leinwand, zwischen beiden 
Schichten Guttapercha oder anderer wasser 
dichter Stoff, um die Verdunstung und die 
Durchnässung des Bettes zu verhindern. Der 
Vorteil dieser Prießnitzbinde wäre der, daß 
sie von den Kranken selbst angelegt werden 
kann, nicht abrutscht und ihrem Zwecke voll 
kommen entspricht. J. Hönig (Budapest). 


Groedel II, Die physiologische Wirkung 
der Solbäder. Berliner klinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 11. 

Verfasser gelangt bei sorgsamer An 
wendung aller Vorsichtsmaßregeln zu dem 
Schluß, daß Chlornatrium-, Chlorkalium- und 
Chlorkalziumbädcr sich in der Wirkung auf 
den gesunden Körper nicht von einander 
unterscheiden und keinen wesentlich anderen 
Effekt ausüben als entsprechende Silßwasser- 
bäder, wenigstens in bezug auf Körperwärme, 
Atem- und Pulsfrequenz, höchstens, daß man 
kleinere oder größere Blutdruckschwankimgen 
boobachten kann. Die empirisch gefundene 
Wirkung der Solbäder ist demnach noch nicht 
zu erklären. Laser (Wiesbaden). 


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4(57 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Kuhemtnn, Beziehungen des Sonnenscheins 
zi der Saisonepidemie des Winters 1904 05* 

Berliner klinische Wochenschrift 1905. Nr. 11. 

Verfasser will die Influenza von den 
gewöhnlichen Katarrhalfiebern auf dem Wege 
des Bazillennachweises scharf getrennt wissen. 
Dann zeigt sich, daß der weitaus größere Teil 
der Erkältungskrankheiten des letzten Winters 
nicht zur Influenza zu rechnen war und auf 
das trübe Wetter während des vierten Quartals 
1904 sich zurückfuhren läßt, während die aus¬ 
giebige Sonnenscheindauer des vorangehenden 
Sommers die Influenzabazillen so geschädigt 
bat, daß sie im W'intcr verhältnismäßig w enige 
Erkrankungen veranlaßtcn. 

Laser (Wiesbaden). 

B* Wjrbaur, Du möcanisnie de l’action des 
bains carbo-gazeux ferrugineux (bains de 
Spa) chez les malades atteints de troubles 
cardio • Tasculalres. Communication pr6- 
sentäe au Congrös fran^ais de Mädecino 1904. 
Paris, 24.-27. Oktober. Journal mödical de 
Bruxelles 1901. 17. November. 

Das kohlensäurehaltige Bad wirkt aus¬ 
schließlich durch Erregung der Haut; da es 
am Beginn keinen Chok hervorruft, können 
wir es bei Herzkranken anwenden. Es bringt 
den Blutdruck zur Norm zurück; es kräftigt 
den Puls, vorausgesetzt, daß der Herzmuskel 
nicht zu sehr degeneriert ist. Bei Kranken 
mit schwacher Herzaktion steigt der Blutdruck 
nach jedem Bad und hält sich schließlich auf 
der erreichten Höhe. Die Pulsfrequenz sinkt 
nach einem Koblensäurebad und kehrt allmäh¬ 
lich zur Norm zurück. Der Rhythmus des Herz¬ 
schlags reguliert sich. Wenn die Herzstörungen 
nervösen Ursprungs sind, sind die durch An¬ 
wendung der Kohlensäurebäder erzielten Re¬ 
sultate oft noch deutlicher. Der Verfasser hat 
seine Beobachtungen mit der sehr stark kohlen¬ 
säurehaltigen Marie-Henriette-Quelle in Spa 
angestellt. Forchheimer (Würzburg). 


Verdalle, Action de Parsenic des eaux 
chlorures sodiques arsenicales sur le 
diab&te. Archives gänörales de Medecine 
1905. Nr. 23. 

Der Verfasser charakterisiert zunächst die 
beiden von Gilbert aufgestellten Typen dos 
,'anhepatischen“ und „hyperhepatischen“ Dia¬ 


betes. Der anhepatischen Form, bei der die 
Leber den vom Verdauungskanal zugeführten 
Zucker unverändert passieren läßt, gehören im 
allgemeinen die leichteren Fällo an. Thera¬ 
peutisch sind die Alkalien als „Zellerreger“ am 
Platze. Die hyperhepatische Form zeigt meist 
schwere Symptome, Neigung zu Komplikationen. 
Hier sind diejenigen Heilmittel indiziert, welche 
die Tätigkeit der Zellen einschränken, wie: 
Arsenik, Opium, Antipyrin, Brompräparate. 
Gerade dieser schwere „hyperhepatischo“ 
Diabetes ist es, bei dem nach den Erfahrungen 
des Verfassers überaus günstige Resultate mit 
den alkalisch-muriatischen Arsenikwässom in 
la Bourboule erzielt werden. Als Beispiel 
werden 40 Journalauszüge mitgeteilt, die meisten 
mit kurzer tabellarischer Übersicht über die 
Zucker- und Harnstoffausscheidung während 
des Kuraufenthaltes. Die günstige Wirkung 
äußerte sich in Abnahme des Zuckers, oft bis 
zum völligen Schwinden und in Regulierung 
der Stickstoffausscheidung, die zu normalen 
Verhältnissen zurückkehrto. Dabei hob sich 
das Allgemeinbefinden, der Kräftezustand 
w uchs, alle Funktionen, oft auch die sexuellen, 
hoben sich. Die Besserung war von längerem 
Bestände, kam zuweilen völliger Heilung gleich. 
Sie trat in Fällen ein, wo die Alkalien voll¬ 
kommen versagt hatten. Auch, wo kein deut¬ 
licher Erfolg zu erzielen war, wurde wenigstens 
nie eine Verschlimmerung beobachtet. 

Böttcher (Wiesbaden). 

Schücking, Die Kombination von Solbade- 
nnd Stahlknren bei anämischen skrofu¬ 
lösen Kindern. Archiv für Kinderheilkunde. 
Bd. 38. Heft 3/4. 

Von der Beobachtung ausgehend, daß ans¬ 
gesprochene Skrofulöse bei Kindern fast immer 
mit einer chronischen Anämie einhergeht, 
empfiehlt Verfasser die gleichzeitige Be¬ 
kämpfung der Skrofulöse und der Anämie durch 
Solbäder und Stahlbrunnenkuren. Die Insassen 
des von ihm geleiteten Helencnkinderheims zu 
Pyrmont erhalten neben reichlicher, aus Milch 
und Milchspeisen, Brot, Fleisch, Gemüse und 
Obst bestehender Kost jeden zweiten Tag ein 
Bad von halbstündiger Dauer und 3,2% Sole¬ 
gehalt mit nachfolgender kurzer Dusche von 
15—18° C warmem, gewöhnlichem Wasser und 
trinken zweimal täglich jo 1 f 4 1 Stahlbrunnen. 
Eine auf zehnjährige Untersuchungen sicli 
stützende Berechnung zeigte, daß während 
einer im allgemeinen vier- bis secbswöcheut- 


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468 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


liehen Kurdauer die kleinen Patienten um I 
durchschnittlich 3'/ s Pfund = 6%% des Körper- ! 
gewichts schwerer wurden, und neuerdings 
durchgeführte Kontrollwägungen ergaben, daß 
diese Gewichtszunahmen noch wochenlang nach 
der Entlassung trotz wieder eingetretener 
ungünstiger Ernährungsverhältnisse bestehen 
blieben; mittelst Hämoglobinbestimmungen ließ 
sich gleichzeitig eine erhebliche Besserung der 
Blutbeschaffenheit konstatieren. Verfasser legt 
dieser erfolgreichen Behandlung der anämischen 
skrofulösen Kinder einen hohen Wert für die 
Prophylaxe der Tuberkulose bei. 

Hirschei (Berlin). 

Juliusberg, Gefrierbehandlung bei Haut¬ 
krankheiten. Berliner klin. Wochenschrift 
1905. Nr. 10. 

Die ältere Methode, Hautkrankheiten mit 
Kälte unter Benutzung der sogenannten Alcyl- 
( hloride zu behandeln, modifizierte Julius- 
berg dahin, daß er Kohlensäure anwandte. 
Sic wird mit einem besonders konstruierten 
Spray etwa 30 bis 60 Sekunden lang aut die 
Haut gebracht, wonach anfänglich Hyperämie, 
seröse Transsudation und später entzündliche 
Rötung, Blasenbildung, sowie Abhebung der 
oberen Hautschicht eintreten. Behandelt wurde 
Ulcus cruris, Ulzerationen verschiedener Pro- 1 
venienz, sowie Lupus erythematodes. Bei 
letzterem bewährte sieh die Behandlung, nicht 
dagegen bei Psoriasis undKankroid; bei Akne 
wurden außerdem heiße Spiritusverbände an¬ 
gewandt, wobei, ebenso wie bei sykotischen 
Prozessen, die Erfolge nicht schlecht waren. 
Dauerresultate liefert diese Methode allein nicht. 

Kombination der Kältebehandlung mit nach¬ 
träglicher Ätzung durch Acid. hydrochloricum 
crudum empfiehlt sich besonders, wo eine 
tiefergehende Wirkung erforderlich ist, nament¬ 
lich bei tuberkulösen Affektionen der Haut. ! 

Mamlock (Berlin). 


Boas, Karlsbad oder Kissingen? Deutsche 
medizinische Wochenschrift 1905. Nr. 20. 

Die beiden Bäder sind als Vertreter der 
sulfatischen und der Kochsalzquellen genannt. 
— Trotz aller chemischen und Stofifwechsel- 
untersuchungen ist die Indikationsstellung für 
Trinkkuren im wesentlichen eine empirische. 
Von Magenkrankheiten eignen sich alle Zu¬ 
stände mit Hyperchlorhvdrie, soweit sie nicht 


auf nervöser Basis beruht, in welchem Falle 
Trinkkuren überhaupt zwecklos sind, besser für 
sulfidische Quellen und zw*ar warme, wie z. B. 
Karlsbad. Ebenso eignet sich dieses für Nach¬ 
kuren bei Ulcus ventriculi. Alle mit Salzsäure¬ 
mangel einhergehenden Erkrankungen gehören 
in die Kochsalzbäder. Motilitätsstörungen 
werden ebensowenig günstig durch Trinkkuren 
beeinflußt wie nervöse; bei Mischformen ist 
die Indikationsstellung meist sehr schwierig. 
— Alle heißen Quellen, in erster Linie die 
sulfatischen, aber auch die Kochsalzquellen, 
wirken, in kleinen Dosen genommen, hemmend 
auf die Peristaltik, sind also bei Darmkatarrhen 
indiziert. Umgekehrt wirken die kalten Quellen 
und zwar die Glaubersalzquellen stärker als die 
Kochsalzquellen, anregend auf die Peristaltik, 
sind also bei Obstipation angezeigt, ebenso bei 
Hämorrhoidariern, bei denen auch noch die 
täglichen Bäder günstig wirken. Bei den 
Residuen einer akuten Perityphlitis wirken 
Moor- und Solbäder, unterstützt durch eine 
Trinkkur oft günstig; bei den wirklichen rezidi¬ 
vierenden Formen von Perityphlitis sind dagegen 
Badekuren kaum je von Erfolg. 

Leo Zuntz (Berlin). 


Deutsche Schiffssanatorien. Herausgegefcc 
von dem Verein zur Begründung deutscher 
Schiffssanatorien. Berlin 1904. Aug. Scherl 

Der Gedanke, Schiffssanatorien zu schaffen 
welche komfortabel eingerichtet, allen An¬ 
forderungen der Hygiene entsprechen, in schiffs¬ 
technischer Beziehung auf der Höhe stehen und 
das für die Ausführung physikalischer Therapie 
notwendige Rüstzeug besitzen, findet an sich und 
in sich seine Berechtigung, für die von Berg¬ 
mann, v. Leyden, von den Steinen an 
erkennend eintreten. Es werden fraglos bei 
dem längeren Aufenthalt auf der See eine Reihe 
heilsamer Effekte ausgeübt, die durch keine 
andere klimatische Beeinflussung erzielt w erden. 

Wird es sich bei der Besetzung der Sana 
torien, deren Einrichtung und Bau detailliert 
beschrieben wird, vorwiegend um Rekonvales¬ 
zenten und Erholungsbedürftige handeln, so 
kommen doch auch Neurastheniker, bestimmte 
| Herzkranke, konstitutionell Leidende (Gicht. 

Skrofulöse), Tropenkranke usw. in Betracht 
j Auch manche Frauenleiden würden eine In 
| dikation für den Schiffsaufenthalt geben, 
welcher nach meiner Meinung besonders auch 
für chronische Katarrhe der Luftwege in Frage 
käme. Gemütskranke sind von solchen Sec 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


469 


reisen auszuschlioßen, ebenso naturgemäß alle 
an ansteckenden Krankheiten Leidende, wobei 
vor allem an ansgesprochen Tuberkulöse zu 
denken ist J. Ruhe mann (Berlin). 

H. Brat, Über einen nenen Sauerstoff- 

atmungsapparat. Deutsche medizinische 

Wochenschrift 1905. Nr. 15. 

Nachdem Brat schon vor vier Jahren 
darauf hingewiesen hat, daß bei der Sauer- 
stoffatmung durch eine Maske die Ausatmung 
durch Druckbelastung der Innenoberfläche der 
Longen erschwert werde und man deshalb 
während des Exspiriums die Masko lüften 
müsse, hat er jetzt einen Apparat konstruiert, 
mit dem es möglich ist, bei der Einatmung 
Sauerstoff unter einem bestimmten positiven 
Druck zuzuführen, während die Ausatmung durch 
Herstellung negativen Druckes unter der Maske 
erleichtert wird. Der Sauerstoff wird unter 
genau regulierbarem Druck aus einer Sauer- 
itoffbombe unter die das Gesicht luftdicht um¬ 
fassende Maske geleitet, der negative Druck 
beim Exspirium wird dadurch hergestcllt, daß 
infolge Umstellung eines Dreiwegshahnes der 
Raum hinter der Maske mit einer kontinuioilich 
wirkenden Vakuumpumpe (Wasserstrahlpumpe 
(‘der flüssige Kohlensäure) in Verbindung 
gebracht wird. Der Apparat ist deshalb zur 
Sauerstoffatmung bei dyspnoischen Zuständen 
und Vergiftungen nicht nur rationeller als die 
bisherige Methode der Saucrstoffzufuhr, sondern 
- was die Hauptsache ist —: Versuche an 
Leichen von Mensch und Tier haben ergeben, 
daß man mit dem Apparat eine künstliche 
Sauerstoffatmung beliebig lange Zeit unter¬ 
halten kann. 

Die Bedeutung desselben liegt also vor¬ 
nehmlich darin, daß auch beim Fehlen jeder 
aktiven Atmung eine passive künstliche Atmung 
mit gleichzeitiger Sauerstoffzufuhr ermöglicht 
ist. Danach hält Brat seinen Apparat vor¬ 
nehmlich für Rettungszwecke geeignet, außer¬ 
dem dürfte er in der Therapie noch für die 
aktive pneumatische Methode von Bedeutung 
sein. Sowohl der positive wie der negative 
Druck lassen sich durch eine Stellschraube 
leicht regulieren, so daß eine Gefährdung des 
Lungengewebes ausgeschlossen sein soll. 

W. Alexander (Berlin). 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
und Apparatbehandlung. 

Hammer, Über die Heilung der Astasie- 
Abasie. Therapie der Gegenwart 1905. 
Heft 4. 

Verfasser hat fünf Fälle von hysterischer 
Astasie-Abasie behandelt mit einer Art Isolier- 
kur, verbunden mit einer systematischen Übung 
der gebinderten Bewegungen. Erstere werden 
innerhalb des Krankensaals vermittelst spanischer 
Wände erzielt, so daß Patient seine Nacbbaren 
nicht sieht, auch nicht von ihnen beobachtet 
werden kann, aber wohl dieselben, resp. ihre 
Unterhaltung hört, wodurch sein Verlangen 
nach Genesung gesteigert werden soll. Außer 
einer reichlichen Ernährung, besonders mit 
Milch, werden nun zweckmäßige passive und 
aktive Bewegungen zunächst im Liegen vor¬ 
genommen. Zuerst Fußbewegungen, Beugen 
der unteren Extremitäten im Knie, gewisse 
Lagerungen mit gebeugtem Knie, Spreizen der 
Schenkel von einander im Liegen, Heben und 
Seitwärtsführen der gestreckten unteren Ex¬ 
tremitäten im Liegen, endlich Aufsitzen mit auf 
der Brust gekreuzten Armen. Wenn diese 
Bewegungen gut eingeübt sind, werden sie 
mit Widerstand ausgeführt. Dann kann man 
allmählich den Übergang Anden zum Aufstehen 
vom Stuhl, Stehen auf den Zehenspitzen, Knie¬ 
beugen, endlich kommt das Gehen in den ver¬ 
schiedensten Tempis und Formen, sowie das 
Treppensteigen. Die Erfolge dieser haupt¬ 
sächlich suggestiv wirkenden Übungsgymnastik 
sind nach Mitteilungeu der Krankengeschichten 
ganz hervorragende. Alle fünf Patienten ge¬ 
wannen ihren normalen Gang wieder. 

Petermann (St. Blasien'). 

Frenkel, Grundsätze der Übungstberapie 
bei Tabes. (Vortrag, gehalten in der Medizin. 
Klinik zu Tübingen, gelegentlich des Fort¬ 
bildungskursus für praktische Ärzte.) Berl. 
klin. Wochenschrift 1905. 5. Juni. 

Frenkel gibt eine gedrängte Übersicht 
der Grundsätze und Erfahrungen seiner Übungs- 
therapic. Er analysiert zuerst das Wesen der 
Ataxie, w'obei er zur befriedigenden Erklärung 
aller Erscheinungen der Ataxie die Therapie 
Goldschefdcrs dahin ergänzt, daß nicht nur 
die Störung der Gelcnksensibilität der Sehnen 
etc., sondern vor allem die Störung der Sensi¬ 
bilität der Muskelsubstanz herangezogen werden 


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470 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


muß. Frenkel gibt dann sein Verfahren zur 
diagnostischen Feststellung der verschiedenen 
Grade und Formen der Ataxie an: Die Prüfungen 
im Stehen, Liegen, Gehen, Treppensteigen etc. 
mit offenen und geschlossenen Augen. Die 
Tatsache, daß ein Tabeskranker durch Übung 
eine inkoordinierte Bewegung in eine normale 
koordinierte verwandeln kann, wird so von 
Frenkel gedeutet, daß die Zentralorgane 
durch die Wiederholung lernen, sich mit einem 
geringeren als dem normalen Maße von Sensi¬ 
bilität zu begnügen. Zur Vornahme einer 
rationellen Übungstherapie ist die detaillierte 
Kenntnis der Gesetze normaler Bewegungen 
nötig; gerade die Berücksichtigung aller Be¬ 
wegungen, welche zur Erhaltung des Gleich¬ 
gewichts dienen, also die Rumpfbewegungen 
müssen in allen einzelnen Phasen gekannt 
werden. Eine Aufhebung der Rumpf bew^egungen 
durch Laufbarren, Stützen unter den Achseln 
etc. hält Frenkel für die Einübung des Gehens 
für zwecklos. Die Kunst der Übungstherapie 
besteht besonders darin, die Grenze der Leistungs¬ 
fähigkeit des Normalen festzustcllen und durch 
langsames Fortschreiten von leichten zu schweren 
Aufgaben die Kranken bis zu dieser Grenze zu 
bringen. Dio Beobachtung der Pulsfrequenz 
ist dabei von Wichtigkeit. Man soll warten 
mit einigen Übungen, bis dieselbe wieder zur 
Norm zurückgekehrt ist. Auch ist das bei 
Tabikern häufig fehlende Ermüdungsgefühl zu 
berücksichtigen. Auf die einzelnen Übungen 
wird nicht eingegangen; jedoch kann sich ein 
jeder aus der Lektüre des kurzen, aber inhalts¬ 
reichen Aufsatzes genaue Kenntnis der Prin¬ 
zipien für die Übungsbehandlung der Tabiker 
verschaffen. Determann (St. Blasien). 

G. Müller, Der Autogymnngt im Dienste 
der Krankenpflege. Zeitschrift für Kranken¬ 
pflege 1905. Juli. 

Unter der Fülle heilgymnastischcr Apparate 
stellt der von G. Müller angegebene Auto- 
gymnast einen besonders praktischen dar, zumal 
er auch einer dringenden Indikation genügt, 
was ja nicht von allen Apparaten, die erfunden 
werden, behauptet werden kann. 

Von der Betrachtung ausgehend, daß jede 
wie auch geartete Krankheit, die längere Zeit 
dauert, zu Störungen des Bcw'egnngsapparates, 
sowie auch z. T. der mechanischen Tätigkeit 
innerer Organe führt, schlägt Müller folgendes 
vor: Ein elastischer Gurt, der durch Steigbügel 
an den Füßen, durch einen Taillenrieraen in 


| den Hüften befestigt ist und Handgriffe für 
: die Hände hat, soll im geeigneten Stadium des 
1 Krankheitsfalles durch den Patienten zu Übungs- 1 
bewegungen benutzt werden. Der Apparat | 
gestattet bei größter Einfachheit jede nur denk- 
! bare Bewegung, und ist so imstande, die | 

| Funktionsfähigkeit des Bewegnngsapparatö j 
! beizeiten wiederherzustellen. Der Beschreiben!; | 
§ sind erläuternde Abbildungen beigegeben. , 
| M am lock (Berlin;. 


de Renzi, Die moderne Behandlung der 
Herzleiden. Berliner klinische Wochen 
schrift 1905. Nr. 11. 

Klinischer Vortrag über die bekannte 
Wirkung der örtelkur und schwedischen 
Gymnastik bei Herzleiden. 

Laser (Wiesbaden). 


A. Laqueur, Über den Einfluß der Bierschen 
Stauung auf die bakterizide Kraft des 
Blutes. Zeitschrift für experimentelle Patho¬ 
logie und Therapie Bd. 1. 

Veifasser hat eine Reihe von bakteriziden 
Reagensglasversuchen angestellt, die von Blut 
stammten, das vor Anlegung der Stauungsbinde 
und nach einer gewissen Dauer der Stauung 
noch während die Binde lag, dem Körper ent 
i nommen war. Als zuzusetzend* Bakterien 
I arten verwandte er Mengen von Bakterium coli 
i und von vibrio Metschnikoff. Die gewonnenen 
Resultate zeigten, daß sehr große Unterschiede 
in der bakteriziden Kraft des Blutserums vor 
. und nach der Stauung nicht zu konstatieren 
waren; auch die Vermehrung der Leukozytenzabl 
war nur eine sehr geringe. Am konstantesten 
fand sich die relative Zunahme der bakteriziden 
Kraft des Blutes bei sehr energischer, ein bis 
zweistündiger Stauung ausgeprägt, weniger 
regelmäßig war sie bei längerer Stauung aus¬ 
gesprochen; auch hier nur bei intensiverer 
Anwendung. Was die hämolytische Eigenschaft 
des Blutserums als Maßstab für die Größe 
seiner Schutzkräfte anbetrifft, so ergaben die 
I diesbezüglichen Untersuchungen Laqucurs 
| ebenfalls kein positives Resultat. Als praktische 
i Schlüsse für die therapeutische Anw endung der 
Bierschen Stauung zieht Autor folgende: Die 
Erhöhung der bakteriziden Kraft des Blutes 
ist, wie dies auch Bier ausdrücklich betont 
hat, nicht das allein oder überhaupt wesentlich 
wirksame Moment, hier kommen eine Reihe 
von Faktoren gleichzeitig in Betracht, unter 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


denen die Stromverlangsamung (Stauungsödem 
mit erhöhter bakterizider Kraft der Ödem¬ 
flüssigkeit. Konzentration der Stoffwechsel- 
Produkte der Bakterien in loco morbi) eine 
bedeutsame Rolle spielt. Richtig ist weiterhin 
der Nachweis, daß eine kurze, sehr energische 
Stauung das Blut eher im Sinne einer Er¬ 
höhung der bakteriziden Kräfte zu beeinflussen 
vermag als eine vielstündige, weniger intensive 
Hyperämie. J. Marcuse (Mannheim). 


A. Bum, Die Massage der Prostata. Zentral¬ 
blatt für physikalische Therapie und Unfall¬ 
heilkunde 1904. Heft 1. 

Die rektale Prostatamassago — nur von 
dieser ist hier die Rede — hat die Aufgabe, 
die atonischen Drüsengängc durch mechanische 
Reizung zu befähigen, sich des entzündlichen 
Sekretes zu entledigen, welches bei ganz be¬ 
stimmten pathologischen Zuständen der Prostata 
in den Drftscnräumcn stagniert. Damit ist die 
Indikation der Prostatamassage auf die chro¬ 
nische Prostatitis beschränkt. Weder die sub¬ 
akute Form noch die reine Prostatahypertrophie 
sind dieser Behandlung zu unterwerfen. Die 
Technik bedarf vor allem der Übung, des plan¬ 
vollen Vorgehens, jede ungeübte Hand und 
Anwendung wird als Effekt nur Reizzustände 
henrorrufen. Die Massage ist in Rückenlage 
des Patienten vorzunehmen, der Zeigefinger 
wird mit nach oben gerichteter Volarfläche in 
den Anus möglichst hoch eingeführt und mit 
der Endphalange werden zarte Zirkelreibungen, 
Glättungen und Erschütterungen der Drüse 
vorgenommen. Diese Manipulationen müssen 
zarC gelenkig und vorsichtig tastend vollführt 
werden. J. Marcuse (Mannheim). 

v. Hacker, Weitere Beiträge zur Fremd- 
körperentfernung mittelst der Ösophago¬ 
skopie. Deutsche medizinische Wochenschrift 
1905. Nr. 39. 

Während der Wert der Ösophagoskopie im 
allgemeinen noch von vielen Autoren gering 
angeschlagen wird, kann wohl jetzt schon sich 
niemand mehr gegen ihre ungeheure Bedeutung 
für die Fremdkörperentfernung aus der Speise¬ 
röhre verschließen, nachdem in der vor einigen 
Monaten erschienenen Monographie von Stark 
70 Fälle zusammengestellt wurden, in denen 
die Extraktion von Fremdkörpern im Ösopliago- 
»kop glatt gelang und zur Heilung führte, 
v. Hacker, einer der eifrigsten und erfahrensten 


471 


Ösophagoskopiker, auf den von den bisher 
publizierten Fällen allein 26 entfallen, berichtet 
über 12 neue Fälle, die er mit Erfolg behandelt 
hat. Unter diesen wurde viermal ein Knochen¬ 
stück, einmal ein Messingknopf, einmal ein 
Zweihellersttick aus dem normalen Ösophagus 
entfernt. Fünfmal mußten Fleischstücke, ein¬ 
mal ein Pflaumenkern extrahiert werden, die in 
oder über einer Stenose sitzengeblieben waren. 
Alle Fälle wurden geheilt. In einer weiteren 
Anzahl von Fällen konnte das Vorhandensein 
vermuteter Fremdkörper ausgeschlossen oder 
leichte Verletzungen der Ösophagusschleim¬ 
haut ösophagoskopisch festgestellt werden, 
v. Hacker verwendet bei Kindern meist leichte 
Narkose, bei Erwachsenen nur ausnahmsweise, 
gewöhnlich 10 % Kokainisierung des Rachens. 
Im allgemeinen wird vor Einführung des Tubus 
mit der Fremdkörpersonde sondiert, mit der 
man bei festen Fremdkörpern stets eindeutige 
Resultate erzielt. Zweimal kam v. Hacker 
mit dem Tubus in den Larynx anstatt in den 
Ösophagus; er glaubt, daß es sich in solchen 
Fällen um einen Muskelkrampf am Eingang der 
Speiseröhre handelt. Zur Besichtigung der 
bekanntlich am schwersten zu untersuchenden 
retrolaryngealen Ösophaguspartie empfiehlt 
v. Hacker den Killi an sehen Röhrenspatel 
und das Abziehen des Kehlkopfes von der 
Wirbelsäule durch einen Assistenten. Er 
spricht am Schluß den Wunsch aus, daß sich 
gerade die Chirurgen, sowie man heutzutage 
die Beherrschung der Zystoskopie bei ihnen 
voraussetzto, sich auch mit der Ösophagoskopie 
bekannt machen mögen, weil gerade sie in der 
Lage sind, beim Versagen der Ösophagoskopie 
oder zur Nachbehandlung eitriger Prozesse 
nach Fremdkörperverletzungen die chirurgische 
Behandlung anzuschließen. 

W. Alexander (Berlin). 

D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

S. O. S widersky, Über die Behandlung der 
habituellen Obstipation mit Strömen hohen 
Druckes und häufigen Wechsels. Russische 
medizinische Rundschau 1904. 2.Jahrg. Nr. 11. 

Verfasser empfiehlt die Anwendung der 
stärksten Entladungen des Ondinschen Reso¬ 
nators bei einer Funkenstrecke von 2—8 cm 
5—8 minutenlang direkt auf das Rektum ver¬ 
mittelst eines 30 cm langen Nickelzylinders. 

Krankenhäuser (Berlin). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


472 


Delherm, L’electricitd agent rddducateur 
dans l’hjsterie. Archivea g6n6rales de 
M6decine 1905. Nr. 1. 

Die systematische Anwendung der Elektri¬ 
zität bei den verschiedensten hysterischen Zu¬ 
ständen wird von Delherm warm empfohlen, 
indem er gleichzeitig ins einzelne gehende 
Vorschriften über die Formen der Anwendung 
der Elektrizität gibt Es sind nicht wesentlich 
neuere Dinge, die er bringt, denn es ist be¬ 
kannt, daß hysterische Lähmungen und Kon¬ 
trakturen nsw. elektrischer Behandlung zu¬ 
gänglich sind. Wertvoll sind seine genauen 
Angaben der von ihm vielfach erprobten Modi¬ 
fikationen bei der Behandlung hysterisch- 
nervöser Zustände im Bereich sensibler Nerven 
und namentlich innerer Organe. Delherm 
selbst verkennt bei all seinen Erfolgen nicht 
den Einfluß, den Suggestion und Geschicklich¬ 
keit und Verständnis des Arztes gerade bei 
der Behandlung der in Rede stehenden 
Affektionen ausiiben. Mamlock (Berlin). 


M. Denis Court ade, Des pollakluries 
d’origine neurasthenique et de leur 
traitement electrfque. Le Bulletin m&dical 
. 1905. Nr. 27. 

Court ade stellt drei Formen der Polla- 
kiuries bei Neurasthenikern auf: 1. Vermehrte 
Reizbarkeit der Blase, häufig im Gefolge einer 
geringen Läsion, die bei Gesunden unbemerkt 
verläuft; 2. Schwäche des Sphinkter internus; 
3. Pollakiurie rein nervöser Natur. Er lobt 
vor allem die statische Elektrizität, sowohl für 
die Allgemeinbehandlung, als auch für An¬ 
wendung am Unterleib, bei Sphinkterschwäche 
wendet er lokale Behandlung an. 

Laser (Wiesbaden). 

V. Hanke, Elektrizität iu der Therapie der 
Aiigenkrankheiten. Wochenschrift für The¬ 
rapie und Hygiene des Auges 1904. Nr. 49. 

Abgesehen von der Anwendung der Elek¬ 
trizität bei Lähmungen, Hysterie etc. nach den 
Regeln der internen Medizin und Neurologie 
und abgesehen von der galvanischen Akupunktur 
derAngiome nach den Grundsätzen der Chirurgie, 
wobei es auf die elektrolytische Wirkung an¬ 
kommt, empfiehlt Hanke die Elektrizität in 
folgenden Fällen: Zur elektrolytischen Epilation 
von Cilien bei Friktiasis und Distiktiasis, weiter¬ 
hin in der Aufhellung von Hornhautnarben, 


wobei die mit der Kathode verbundene Knopf¬ 
elektrode nach Kokainisierung auf die Hornhaut 
aufgelegt wird. Mit Nutzen wdrd besondere 
der faradische Strom zur Stillung von Schmerzen 
bei Iritis, Iridozyklitis, Skleritis und Episkleritis 
verwendet, wobei entweder die Hand de? 
Arztes, der sich in den Stromkreis einschalta 
oder die Reußsehe Elektrode in Anwendung 
kommt. Gute Erfolge erzielt man auch durch 
dieselbe Anwendungsweise bei der mit Conjunc¬ 
tivitis eczematosa verbundenen Lichtscheu. 
Schließlich wird auf die Anwendung speziell 
des galvanischen Stromes bei der Behandlung 
von Skleritiden und Episkleritiden hingewiesen. 

J. Marcuse (Mannheim). 

Lange, Die Bedentnng des Röntgenbildes 
für die Orthopädie. Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 17 und 18. 

Erst durch Einführung des Blenden 
Verfahrens in die Röntgentechnik kann man 
gute Bilder von den Erkrankungen des Hüft¬ 
gelenks und Beckens erhalten, die doch den 
Orthopäden in therapeutischer Beziehung am 
meisten interessieren. Bei tuberkulösen Knochen 
und Gelenkerkrankungen gibt das Röntgenbild 
der Therapie die Richtung an. Zur Kontrolle mol 
stets das gesunde Gelenk mit photographiert 
werden. Man sieht dann die Diaphysen ns- 
deutlich, die Epiphysen und die Gelenkspalte 
verwischt. Das erklärt sich aus dem tuber¬ 
kulösen Knochenherd und dem Kalksalzmangel 
in allen Gelenkpartien. Über die Schwere 
dieser Verhältnisse hat uns erst das Röntgen¬ 
bild aufgeklärt, so daß hochgradiger Kalksalz- 
Schwund an den Gelenkenden zur Diagnose 
Tuberkulose berechtigt. Mit der nachweisbaren 
Zunahme der Kalksalze bessern sich auch die 
klinischen Erscheinungen. Das Röntgenbild 
erklärt es auch, daß wir den kalksalzarmen 
Knochen und das Gelenk durch Verbände oder 
Apparate entlasten müssen. Auch die Dauer 
der Entlastung wird durch das Röntgenbild an¬ 
gegeben und durch die Änderung im Kalkgehalt 
bestimmt. Durch die gewonnene Sicherheit 
wird das Schicksal der meisten Patienten ent 
scheidend beeinflußt. Aus den Röntgenbildern 
kann man sehen, daß selbst bei starker Zerstö¬ 
rung des Gelenkes bei genügender Geduld doch 
noch brauchbare Gelenke entstehen können. 
Das Röntgenbild zeigt uns, daß bei schweren 
Koxitisfällen das Becken in erheblicher Aus¬ 
dehnung miterkrankt ist. In solchen Fällen 
hätte eine Resektion des Kopfes allein keinen 


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Heferate über Bücher and Aufsätze. 


473 


Sinn, wenn man konsequent vorgehen wollte. 
Man müßte dann nicht selten das halbe Becken 
opfern — aber nicht im Interesse des Patienten. 
Das Röntgenbild weist uns also den Weg der 
konservativen Behandlung. Auch bei den steifen 
Gelenken als Folge der Gelenktuberkulose 
können wir erkennen, ob eine Kontraktur oder 
eine knöcherne Ankylose vorliegt und die 
Therapie danach einrichten. 

Bei der angeborenen Hüftverrenkung zeigt 
das Röntgenbild, daß der Kopf nach der Geburt 
nnd im 1. Lebensjahre in der Pfanne steht und 
infolge abnormer Flachheit der Pfanne bei Geh- 
versnchen nach hinten und oben gleitet, so 
daß hier eigentlich nur von flacher Pfanne zu 
sprechen ist Bei der unblutigen Einrenkung 
xeigte das Röntgenbild nur selten ideale Heilung, 
meist war das Bild von dem vor der Operation 
aufgenommenen kaum verschieden. Das lag 
an dem Herausgleiten des Kopfes aus der 
Pfanne im Gipsverbande. Nur durch die 
Kapselspannnng, die bei extremer Abduktions- 
tiellung des Beines eintritt, wird der Kopf in 
der Pfanne festgehalten. Mit dieser Methode 
erzielte Xareth unter Kontrolle des Röntgen¬ 
bildes 70% vollständige, 15% unvollständige 
Repositionen und 15% Reluxationen. Bei der 
ultraphysiologischen Abduktionsstellung steht 
der Kopf infolge der Außenrotation vielfach 
ziemlich oberflächlich in der Pfanne. Daraus 
erklären Bich zahlreiche Mißerfolge. Innen¬ 
rotation drängt den Kopf energisch in die 
Pfanne; sie läßt sich jedoch nur bei mäßiger 
Abduktion (120°) erreichen. Dabei wird der 
Kopf nur durch enges Anmodellieren des Ver¬ 
bandes an den Trochanter in der Pfanne fest¬ 
gehalten. An 43 Fällen ergab das Röntgen¬ 
bild 86,5 % volle, 4,5 % unvollständige Repo¬ 
sitionen und 9 % Reluxationen nach Abnahme 
des Verbandes. Die Gefahr eines späteren 
Herausgleitens des Kopfes aus der Pfanne 
scheint gering zu sein und läßt sich durch An¬ 
legen eines Beckenringes noch einschränken. 
So verdanken wir die Entwicklung der Methode 
dem Röntgenbilde. 

Die Bedeutung der Röntgenbilder für die 
Behandlung von Frakturen zeigt sich in der 
Erkennung früher schwer oder gar nicht er¬ 
kennbaren Knochenbrüche, der Metatarsal- 
brüche, der Calcaneusfrakturen, Fingerfrakturen, 
Fissuren usw. Interessant sind auch die Bilder 
von 8chenkelhalsbrüchen bei Kindern. Das 
Röntgogramm zeigt uns oft die schlechte 
Stellung der geheilten Frakturenden. Man muß, 
am gute Resultate zu erzielen, 1. die ge- 

Ztitachr. 1 diit u. phjtlk. Theipire Bd. IX. Heft & 


brochenen Enden distrahieren und einen 
Gips- oder Schienenverband anlegen, 2. ohne 
sachverständige Assistenz arbeiten können, 
3. die Verbände abnehmbar machen, um eine 
Kontrolle durch die Röntgenstrahlen zu er¬ 
möglichen. Die Verbände sollen leicht sein. 
Unter Extension wird z. B. bei einem Ober- 
schenkelbruch ein Verband aus Zelluloidstahl- 
draht angelegt, in dessen Sohle der exten¬ 
dierende Verband aus Filzstreifen, die mit Zink¬ 
leim und einer Binde befestigt sind, befestigt 
wird. Das Bein schwebt in dem Verband nnd 
stützt sich mit dem Tuber ischii auf. Der 
Apparat wird durch Schnürung geschlossen. 
Zeigt das Röntgenbild noch eine Abweichung, 
so wird sie durch ©ingefügto Filzkissen kor¬ 
rigiert In diesem Verbände kann der Patient 
herumgehen, wenn das Röntgenbild eine gute 
Stellung der Fragmente zeigt Der Wert dieser 
Methode für ältere Leute mit Knochenbrüchen 
ist klar; ebenso bei Gelenktuberkulose, bei 
der ein langes Krankenlager das Grundleiden 
ungünstig beeinflußt hätte. 

Alles in allem: der Röntgenmethode ver¬ 
dankt die Orthopädie ihre schnelle Entwicklung 
von einem Handwerk zu einer vollwertigen 
Wissenschaft Perl (Berlin). 


Schleip und Hildebrand, Beitrag zur 
Behandlung der myeloiden Leukämie mit 
Röntgenstrahlen. Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1905. 28. Februar. 

Die Verfasser fügen den zahlreichen, durch 
die Röntgenbestrahlung günstig beeinflußten 
Fällen einen neuen hinzu; auch in diesem trat 
Besserung des Allgemeinbefindens, des Blut¬ 
befundes und Verkleinerung der Milz ein. Ob 
es sich bei der Röntgenbehandlung um eine 
symptomatische oder ätiologische Therapie 
handelt, ist zurzeit noch nicht zu entscheiden. 
Bemerkenswert sind in diesem Falle die Durch¬ 
fälle, welche möglicherweise auch eine Folge¬ 
erscheinung der Röntgenbestrahlung waren. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Dessauer, Zur Frage der therapeutischen 
Dosierung der Böntgenstrahlen« Münch, 
med. Wochenschrift 1905. 28. Februar. 

Der Verfasser wendet sich gegen den von 
Alban Köhler gemachten Vorschlag: die Er¬ 
wärmung der Glaswand einer Röntgenröhre zur 
Dosierung bei der therapeutischen Anwendung 
der Röntgenstrahlen zu benutzen. Köhler 

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474 


ßeferate über Bücher and. Aufsätze. 


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nimmt an: je mehr Kathoden strahlen auf die 
Antikathode aufprallen, desto stärker die Er¬ 
wärmung der Antikathode und damit der Glas¬ 
wand, desto größer auch die Menge der er¬ 
zeugten Röntgenstrahlen. Nun hängt aber die 
Erwärmung der Antikathode nicht nur von dem 
Aufprall der Kathodenstrahlen, sondern auch 
von der Schließungsinduktion ab, so daß die 
angenommene Proportionalität zwischen Er¬ 
wärmung und X-Strahlen-Emission tatsächlich 
nicht besteht. H. E. Schmidt (Berlin). 

Hoffmann und Schulz, Zur Wirkungsweise 
des röntgenbestrahlten Lecithins auf den 
tierischen Organismus* Wiener klinische 
Wochenschrift 1905. 2. Februar. 

Werner in Heidelberg und später Exner 
in Wien haben gezeigt, daß durch die intra¬ 
kutane Injektion von Lecithin, welches den 
Radium* oder den Röntgenstrahlen ausgesetzt 
und dadurch „aktiviert“ war, Veränderungen 
hervorgerufen werden, welche den durch direkte 
Bestrahlung erzeugten sehr ähnlich sind. Das 
Lecithin wird durch die Bestrahlung zersetzt, 
resp. seine Zersetzbarkeit wird befördert, und 
das so veränderte Lecithin bewirkt im Gegen¬ 
satz zum unbestrahlten bei intrakutaner Injektion 
schwere Ulzerationen der Tierhaut Die Ver¬ 
fasser haben nun älteres und frisches Lecithin 
den Röntgenstrahlen ausgesetzt, und zwar 
letzteres ungefähr sechsmal so intensiv bestrahlt 
wie das erstere. Trotzdem wirkte das ältere, 
am schwächsten bestrahlte Lecithin weitaus 
am stärksten, während das frische erst nach 
längerem Stehen wirksam wurde. Es scheint 
demnach, daß ältere, in Zersetzung befindliche 
Präparate intensiver auf die Bestrahlung rea¬ 
gieren, also stärker „aktiviert“ werden. Nach 
Ansicht des Referenten ist die Möglichkeit 
nicht ganz von der Hand zu weisen, daß 
lediglich die durch die Zersetzung des Lecithins 
entstehende Toxine die genannten Hautver¬ 
änderungen hervorrufen, daß diese also nicht 
durch die „Aktivierung“ des Lecithins zu er¬ 
klären sind. Für diese Annahme spricht auch 
die Beobachtung der Verfasser, welche bei 
Injektionen von Lecithin in das Hodenparenchym 
von Ratten mikroskopisch eine schwere inter¬ 
stitielle Orchitis mit Nekrose und Atrophie des 
Kanälchenepithels fanden, sowohl wenn sie 
bestrahltes, als auch wenn sie unbestraftes 
Lecithin injiziert hatten. Eine gewisse Skepsis 
scheint bei all den bisher vorliegenden Ver¬ 
suchen, die ja praktisch-therapeutisch lediglich 


bei tiefer sitzenden Tumoren Bedeutung hätten, 
noch sehr am Platze zu sein. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Mitteilungen aus Finsens Medictnske Lyg- 
Institut. Deutsche Ausgabe. Heft 9. Jena 
1905. Gustav Fischer. 

Das 235 Seiten starke Heft enthält außer 
einem Nachruf für Finsen eine Reihe experi¬ 
menteller Arbeiten von Busck, Bie, Bang, 
Dreyer und Jansen und Schmidt-Nielsen, 
welche sich auf die bakterizide Wirknng des 
Lichtes, den Einfluß des Lichtes auf tierische 
Gewebe, auf die desinfizierende Wirkung des 
Wasserstoffsuperoxyds, auf die Pathogenese des 
Buchweizen-Exanthems und auf die Wirkung 
konzentrierten elektrischen Lichtes und der 
Radiumstrahlen auf Chymosin (ein Enzym) be¬ 
ziehen. Auf Einzelheiten der ja weniger 
praktisch als theoretisch interessanten Studien 
kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen 
werden. H. E. Schmidt (Berlin). 


Aubertlii undBeaujard, Action comparee 
des rayons de Röntgen sur le sang dans 
les leuedmies mydlogene et lymphaüqae. 
Semaine mddicale 1905. 1. Februar. 

Die Verfasser haben einen Fall von mye¬ 
logener und einen Fall von lymphatischer 
Leukämie mit gleichen (?) Röntgenbestrahlungen 
behandelt. Nur im zweiten Falle bestand Milz* 
Vergrößerung. In beiden Fällen wurde nur die 
Milz bestrahlt Im ersten Falle trat erst eine 
Zunahme, dann nur eine unwesentliche Abnahme 
der Leukozyten ein, im zweiten Falle eine 
ständig zunehmende bedeutende Verringerung 
der Leukozytenzahl. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Danlos, Quelques considerations sur le 
traitement des dermatoses par le rtdiiuu. 
Joum. de Physiothdrap. 1905. Nr. 27. 

Verfasser verwendet jetzt nach Versuchen 
mit verschiedenen Radiumkapseln einen von 
Curie erfundenen kleinen Apparat Derselbe 
besteht aus einer metallenen Scheibe, auf 
welcher die radioaktive Substanz durch einen 
durchsichtigen, wasserundurchlässigen Lack 
festgehalten wird. Die Scheibe ist mittelst 
eines Scharniers an einem Stiel beweglich. 
Verfasser behandelt mit langen, durch größere 
Zeiträume getrennten Sitzungen, meint aber, 


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Referate über Bücher and Aufcätze. 


475 


daß auch der Erfolg von kurzen, oft wieder¬ 
holten Applikationen geprüft werden müßte. 
Verfasser sah gute Resultate bei Lupus. Die 
entstehende glatte weiße Narbe scheint durch 
das Radium eine Immunität zu erhalten, die 
sie auf Jahre gegen Rezidive schützt. Dies 
ist nicht der Fall beim Lupus erythematosus; 
hier scheinen die Röntgenstrahlen besseres zu 
leisten. Was das Hautepitheliom betrifft, so 
wh Verfasser da Erfolge, wo man auch mit 
den alten Behandlungsmethoden (Ätzmitteln) 
zom Ziel gekommen wäre. Bei fortgeschrittenen 
Kankroiden seien die Röntgenstrahlen so wirk¬ 
sam, daß man nichts anderes zu versuchen 
braneht Auch bei Naeri vasculosi bewährte 
sieh das Radium. Ohne Erfolg war es bei 
Psoriasis. Zur Epilation eignet sich das 
Radiom nicht. Da bei der angewandten Um¬ 
hüllung die a-Strahlen ganz, die /?- und 
/•Strahlen zum großen Teil verloren gehen, 
so hat Verfasser versucht, das Radium in 
dichtem Seidenstoff eingeschlossen anzuwenden; 
das Verfahren scheint andere Resultate zu er¬ 
sten, muß aber noch weiter geprüft werden. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


E. Serum- und Organotherapie. 

PUrkowskl, Weitere Mitteilung über Sy- 
philisinpfangr am Pferde. Deutsche mediz. 
Wochenschrift 1905. Nr. 23. 

Verfasser, der, wie bereits publiziert (s. 
Bert. klin. Wochenschr. 1904, Nr. 51), durch 
Injektion von Blut syphilitischer Menschen in 
die Jugularvene eines Pferdes bei diesem einen 
diffusen papulösen Ausschlag erzeugt hatte, 
übertrug das Jugularvenenblut des infizierten 
Tieres in Dosen von je 10 ccm, welche in 
kurzen Zwischenräumen, im ganzen sechsmal 
appliziert wurden, auf ein anderes gesundes 
Pferd. Auch hier machten sich nach den 
ersten drei bis vier Wochen einige vereinzelte, 
über den ganzen Körper verteilte Effioreszenzen 
bemerkbar. Nach sechs Wochen schwollen 
die Submaxillardrtisen erheblich an. Nach sechs 
Wochen erfolgte ein Schub kleiner, linsengroßer 
Erhabenheiten symmetrisch auf beiden Seiten 
von den Ohren den Hals herunter bis zum 
Brustbein, und nach neun Wochen waren inner¬ 
halb von zwei bis vier Tagen Rücken und 
beide Hinterschenkel mit einer großen Menge 
von Papeln übersät, die dieselbe Größe und 
dasselbe Aussehen wie bei dem ersten Pferde 
zeigten. Das zweite Tier blieb munter. Die 


Temperaturen hielten sich in normalen Grenzen. 
Alle mit Kaninchen angestellten Versuche, bei 
denen sowohl Injektionen mit dem Blute 
syphilitischer Patienten, als auch mit Blut des 
zweiten Pferdes in die Ohrvene vorgenommen 
wurden, ließen nach vier Wochen Effioreszenzen 
entstehen, denen Schwellung der Axillar- und 
Inguinaldrüsen nachfolgte. 

J. Ruhemann (Berlin). 

0. Bennert, Über die durch Tuberkulose 
bedingten pseudoleukämischen Erkran¬ 
kungen und ihre Behandlung mit Neu- 
tnberknlin. Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 23. 

Bei einem achtjährigen Knaben, welcher 
das Bild der Leukämie zeigte, entwickelte sich 
schleichend auf dem linken Auge eine Iris¬ 
tuberkulose, welche fast zu totaler vorderer 
Synechie führte; auf der Regenbogenhaut fanden 
sich neben vier kleinen grauen miliaren Knötchen 
vier gelbliche bzw. graue größere Prominenzen, 
die von einem dichten Gefäßnetze umsponnen 
waren. Unter Behandlung mit Neutuberkulin, 
von dem innerhalb sechs Monaten über 60 mg 
injiziert wurden, heilte nicht nur die Angen¬ 
affektion, wobei die knotigen Neubildungen 
völlig verschwanden und eine Sehschärfe = 8 /s 
erzielt wurde, sondern es gingen die Milz- und 
Drüsenschwellungen zurück. Daraus wird jeden¬ 
falls die tuberkulöse Natur des pseudoleukä¬ 
mischen Zustandes zur Evidenz, wobei es nur 
fraglich ist, ob die Gewebeveränderungen durch 
die Tuberkelbazillen selbst herbeigeführt sind, 
oder ob für die Schwellungen im Bereiche des 
lymphatischen Apparates abgeschwächte Toxine 
verantwortlich gemacht werden können. Die 
Beobachtung lehrt, daß bei den Erkrankungen 
ähnlicher Art, wo die Differentialdiagnose 
zwischen echter Pseudoleukämie und Tuber¬ 
kulose unüberwindliche Schwierigkeiten be¬ 
reitet, eine Behandlung mit Neutuberkulin zu 
versuchen ist J. Ruhemann (Berlin). 

A. Barlocco, Immunisierung gegen die 
Tuberkulose. Annali deir Istitnto Maragliano 
1904. Nr. 3. 

Verfasser veröffentlicht drei Versuchsreihen 
an Kaninchen. In der ersten wurden mehrmals 
je 0,02 g der Emulsion von abgetöteten Tuberkel¬ 
bazillen intravenös eingespritzt, bis zu 0,5 g 
innerhalb 85—70 Tagen. In der zweiten Reihe 

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478 


Referate Aber Bücher und Aufsätze. 


worden alle vier Tage 0,1 g, steigend bis 1 g, 
injiziert; in der dritten täglich 0,01 g bis zur 
Gesamtmenge von 0,3 g. Bei den vier Tieren 
der ersten Reihe stieg das Agglutinations- 
vermögen (geprüft nach Arloing-Coarmont) 
ganz bedeutend an and sie vertrugen am Ende 
der Kur die intravenöse Injektion einer fUr die 
Kontrolltiere absolut tödlichen Bazillenmenge. 
Die Tiere der zweiten Reihe gingen sämtlich 
an Tuberkulose zugrunde; das Serum aggluti- 
nierte auch hier ziemlich stark. Die Resultate 
der dritten Reihe entsprachen ziemlich denen 
der ersten. E. Oberndörffer (Berlin). 

C. Paderl, Über die Wirkung einiger 
oxydierenden Stoffe auf das Tetanusgift« 
Archivio di Farmacologia sperimentale etc. 
1905. Februar. 

Die Versuche wurden mit Ozon, Kalium¬ 
permanganat und Natriumpersulfat angestellt 
Ozon übte, wenn es mit der Giftlösung zusammen¬ 
gebracht wurde, eine energische zerstörende 
Wirkung, so daß Tiere große Dosen des „ozoni- 
sierten“ Giftes anstandslos vertrugen. Dagegen 
konnten vergiftete Tiere durch Einatmen ozon¬ 
haltiger Luft nicht gerettet werden, da das Ozon 
im Tierkörper andere oxydable Substanzen an¬ 
greift und das Toxin somit nicht unschädlich 
machen kann. Ozonhaltige Luft ist außerdem 
sehr gefährlich; die Kontrolltiere starben 
sämtlich an Pneumonien. Kaliumpermanganat 
zerstört in vitro gleichfalls das Toxin; wird es 
dem vergifteten Tier nachträglich eingespritzt, 
so bleibt es aus den gleichen Gründen wie das 
Ozon wirkungslos. Natriumpersulfat beeinflußt 
das Gift überhaupt nicht. 

E. Oberndörffer (Berlin). 

Wilms, Sernmbehandlnng des Milzbrandes« 

Münch, medizin. Wochenschrift 1905. Nr. 23. 

Verfasser berichtet über zwei schwere 
Milzbrandfälle aus der Leipziger Klinik, die 
mit dem von Prof. Sobernheim in Halle 
angegebenen Serum behandelt wurden. Es 
wurden mehrmals, an aufeinanderfolgenden 
Tagen, 20 ccm des Serums intravenös in die 
Vena mediana injiziert. Beide Fälle kamen 
zur Heilung. Eine Schädigung durch die 
intravenöse Injektion war nicht nachweisbar. 

Mitteilungen, auch über einzelne Fälle von 
Serumbehandlung des Milzbrandes, sind er¬ 
wünscht, da die einschlägige deutsche Literatur 
eine höchst dürftige ist Die Italiener be¬ 


obachteten schon seit längerer Zeit günstige 
Erfolge bei dieser Therapie. Die Arbeiten 
der Italiener und Sobernheims haben auch 
den Einfluß des Serums beim Tier, speziell zum 
Zwecke der prophylaktischen Immunisierung, 
experimentell sicher nachgewiesen. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 


H. Grenet, Les traitements actuelles du 
Tetanos« Arch. gän. de Mädicine 1905. Nr. 16. 

Grenet teilt ein: 

1. in Präventivbehandlung, die durch 
Desinfektion des tetanigenen Ortes und Serum¬ 
injektionen zu geschehen hat. Eine direkte 
Einwirkung soll das Bedecken der verdächtigen 
Wunde mit antitetanischem Serum in Pulverform 
haben. Subkutane Injektionen von 10 ccm 
sind alle 8 Tage zu erneuern; 

2. in Behandlung der konstatierten 
Erkrankung. Dieselbe ist: 

a) eine chirurgische, wobei Amputation 
beim Sitz des Herdes an den Enden der Ex¬ 
tremitäten in Betracht kommt. Zugleich findet 
antitetanisches Serum in Pulverform Ver¬ 
wendung; 

b) die symptomatische Behandlung besteht 
in der Darreichung von Chloral vom erster 
Auftreten der Kontrakturen an, zunächst 4-6 g 
jedoch öfters auf 8—12 g pro Tag ansteigend 
und auch in Verbindung mit Brom in reich 
licher Flüssigkeitsmenge empfehlenswert; sub¬ 
kutane Injektionen von 20 °/ 0 Lösung sind 
besonders in kritischen Momenten zu wählen. 
Chloroforminhalationen und heiße Bäder sind 
ebenfalls von äußerster Wichtigkeit. Die Bäder 
sollen zunächst heiß, dann lau gegeben werden, 
darauf sollen kühle Einpackungen folgen; 

c) die Kurativbehandlung ist die Sero¬ 
therapie mittelst Injektionen. Intracere¬ 
bralinjektionen nach Roux und Boreil 
hatten befriedigende Resultate. Die motorische 
Region des Gehirns ist dabei zu meiden. 
Die intravertebrale Injektion stützt sich 
auf die Tatsache, daß bekanntlich das Mark 
mehr wie das Hirn vom Tetanustoxin angegriffen 
wird. So empfiehlt Sicard Lnmbalinjek- 
tionen von 2—5 ccm in mehrtägiger Behand¬ 
lung. Große Erfolge sind damit nicht erzielt 
worden. Paranervöse Injektionen ent¬ 
sprechen der Annahme, daß das Toxin den 
Nerven entlang zum Zentralorgan aufsteigt 
Die Injektion wird dabei im Niveau der großen 
Nervenstämme wiederholt. Die Epidural' 
injektion wird in der Nähe des SakralpJe* us 


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appliziert und soll da eine antitoxische Barriere 
bilden; 10—20 ccm kommen zur Verwendung. 
Die Erfolge sind verschieden. Die intra¬ 
venöse Injektion hat besonders vor Eintritt 
der Kontrakturen gute Resultate ergeben. In 
experimentellen Fällen nach Eintritt der Kon¬ 
trakturen haben sich Lumbal inj ektionen am 
wirksamsten gezeigt. Am wirksamsten wird 
san bei bereits erfolgtem Ausbruch der Krank- 
beit mit subkutanen Injektionen mehrmals am 
Tage in großen Dosen beginnen und bei Sitz 
des Herdes an den oberen Extremitäten para- 
Bervöse Injektionen, an den unteren Ex¬ 
tremitäten Epiduralinjektionen hinzufügen. Die 
Baeellische Methode der subkutanen Injektion 
von Karbolsäure wirkt mildernd auf den toxi¬ 
schen Reflex im Rückenmark. Man injiziert 
mehrmals täglich 15—20 ccm einer 2—3 % 
wässerigen Lösung und mildert die Schmerzen 
der Injektion durch Kampfer- und Glyzerin¬ 
beimischung. Über die Organtherapie nach 
Wassermann und Takake stehen die Urteile 
noch aus. Der präventive Wert der Sero¬ 
therapie ist nicht zu bezweifeln, ebensowenig 
der symptomatische Erfolg des Chlorals. In 
therapeutischer Beziehung ist bis jetzt die Sero¬ 
therapie der Methode von Bacelli nicht über¬ 
legen. van Oordt (St. Blasien). 


F. Verschiedenes. 

W. IAller, Die physikalische Therapie im 
lickte der Naturwissenschaft. Jena 1904. 
Gustav Fischer. 

In außerordentlich anregender Form, die 
getragen ist von einem vielseitigen Wissen, 
weht der Verfasser in vorliegender, sehr gründ¬ 
licher Arbeit den Zusammenhang zwischen der 
physikalischen Therapie und der Natur wissen- 
•chaft als der Grundlage aller biologischen 
Bestrebungen zu finden und ihre Wesenheit 
als konsequente Folge ersterer zu fixieren. 
Pathologische Physiologie und energetische 
Anschauungsweise sind die in unserer Zeit zum 
Durchbruch gelangten großen Prinzipien, die 
den gesamten Organismus in die durch die 
Krankheit gesetzte Veränderung einbeziehen. 
Sie bauen sich auf der Lehre vom Reiz und 
der Reaktion der Zelle auf. Und diese Förde¬ 
rang der positiven Reize wie die Abschwächung 
der negativen ist wesentliche Aufgabe der 
physikalisch-diätetischen Therapie. Das große 
therapeutische Prinzip, das bei allen Ma߬ 
nahmen, mögen sie Luft, Licht, Wasser, Elektri¬ 


zität oder dergleichen heißen, leitet, ist der 
der Übung (Anregung) und Schonung. Die 
Applikationsstelle, von der aus man direkt, in¬ 
direkt oder reflektorisch auf die Funktion des 
Gesamtorganismus und einzelner Organe wirkt, 
ist das Hautorgan und das Muskelsystem 
(vielleicht auch das periphere Nervensystem). 
Bedeutung, Beschaffenheit und Rolle der Haut 
im Bestand des Organismus werden eingehend 
besprochen, und als Effekt der physikalischen 
Maßnahmen folgende Erscheinungen festge- 
stellt: Steigerung der intrazellulären Synthese, 
Spaltung und Oxydation, Veränderung der 
morphologischen und chemischen Blutzusammen¬ 
setzung, Erhöhung der Alkaleszenz, Leuko¬ 
zytose, Erythrozytose, Erhöhung der Aus¬ 
scheidung intermediärer Stoffwechselprodukte 
und Toxine etc. Verfasser läßt nun die 
einzelnen Heilfaktoren der physikalischen 
Therapie in ihrer physiologischen Wirkung der 
Reihe nach Revue passieren, um am Schluß 
ihre auf wissenschaftlichen Gesetzen basierende 
Stellung zu betonen und der Serumtherapie 
als mindestens ebenbürtig zur Seite zu stellen. 
Gerade aber dies verlangt zu ihrer erfolgreichen 
und physiologisch begründeten Anwendung 
reiches Wissen und Erfahrung, und daher kann 
sie nur in den Händen wissenschaftlich ge¬ 
bildeter Ärzte, die Forschung und Therapie 
beherrschen, ihren Platz finden. Diese kurze 
Inhaltsskizzierung möge genügen, um zur 
Lektüre dieser bedeutsamen Publikation an¬ 
zuregen. J. Marcuse (Mannheim). 


F. Schilling, Die Erkrankungen des Wurm¬ 
fortsatzes. Würzburger Abhandlungen aus 
dem Gesamtgebiet der praktischen Medizin 
Bd. V. Heft 2/3. Würzburg 1904. A. Stübers 
Verlag. 

Die Appendicitis steht seit einer Reihe 
von Jahren im Vordergrund des wissenschaft¬ 
lichen Interesses, nicht bloß deshalb weil un¬ 
leugbar das Vorkommen dieser Affektion in 
der gegenwärtigen Zeitepoche sich gegenüber 
früheren wesentlich gehäuft hat, sondern auch 
vor allem deshalb, weil sie zum strittigen Objekt 
der inneren Medizin wie der Chirurgie geworden 
ist. Und da beide sie als ihre Domäne be¬ 
trachten, kehrt ihr Bild nahezu auf allen Kon¬ 
gressen der letzten Jahre wieder und wird zum 
Gegenstand heißester Bemühungen von beiden 
Seiten. Eine Darstellung des Krankheitsbildes, 
der ätiologischen wie therapeutischen Momente 
ist daher mehr wie aktuell, und die vorliegende 


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478 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Arbeit von Schilling darf aus diesen Gründen 
auf weitgehendstes Interesse rechnen. Die 
Darstellung ist eine knappe und exakte, viel 
Überflüssiges ist kaum zu finden; der Leser 
erhält ein abgerundetes Bild von der Frage. 
In der Therapie vertritt der Verfasser den 
Standpunkt des Internisten: Dem Chirurgen 
fallen die Abszesse, die diffuse Peritonitis und 
alle gangränösen Formen zu; zur diffusen Peri¬ 
tonitis ist auch vor allem die fortschreitende 
oder progrediente zu rechnen, deren frühzeitige 
Diagnostizierung unter chiurgischem Eingreifen 
Lebensrettung bringen kann. Die Erfolge 
chirurgischen Eingreifens sind in allen eben 
erwähnten Indikationen um so günstiger, je 
früher der Chirurg die geeigneten Fälle über¬ 
wiesen erhält. Mit einer Erörterung der erst¬ 
operativen Behandlung und der in Frage kom¬ 
menden chirurgischen Methodik und Technik 
bei obigen Eingriffen schließt die lesenswerte 
Abhandlung. J. Marcuse (Mannheim). 

Arnold Pollatschek, Die therapeutischen 
Leistungen des Jahres 1904. Ein Hand¬ 
buch für praktische Xrzte. 16. Jahrgang. 
Wiesbaden. J. F. Bergmann. 

Der vorliegende 16. Jahrgang des rühmlich 
bekannten Werkes bringt auf 350 Seiten aus 
der im Jahre 1904 erschienenen therapeutischen 
Literatur das, was für den allgemeinen Prak¬ 
tiker zu wissen notwendig ist. Auch den wich¬ 
tigsten Resultaten bakteriologischer Forschung 
ist insofern Rechnung getragen, als sie die 
Prophylaxis der Krankheiten stützen oder die 
moderne Therapie beeinflussen. Ein nach ver¬ 
schiedenen Gesichtspunkten angelegtes drei¬ 
faches Register erleichtert die Handhabung des 
Buches und macht es für den vielbeschäftigten 
Praktiker zu einem wertvollen Nachschlagewerk. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 


Weber, Gegenwärtiger Stand der Forschung 
über die Beziehungen zwischen mensch¬ 
licher und Tiertuberkulose. Bericht über 
die II. Versammlung der Tuberkulose-Ärzte. 
Berlin 1904. 24. bis 26. November. Heraus¬ 
gegeben von Oberstabsarzt a. D. Dr. Nietn er. 
Berlin 1905. S. 5—21. 

Die großangelegten, im Reichsgesundheits¬ 
amte ausgeführten Untersuchungen, welche sich 
auf 56 verschiedene Fälle von Tuberkulose des 
Menschen und 20 Fälle von Tuberkulose des 
Rindes und Schweines bezogen, ergaben deut- I 


liehe Unterschiede zwischen den Tuberkel¬ 
bazillenstämmen, auf Grund deren ihre Trennung 
m einen Typus humanus und Typus bovinus 
durchaus gerechtfertigt ist Die Differenzen 
beziehen sich auf die morphologischen, kul¬ 
turellen und tierpathogenen Eigenschaften. 

Die Bazillen des Typus humanus sind zarte, 
schlanke, häufig etwas gekrümmte, unter sieb 
meist gleichmäßig gestaltete und den Farbstoff 
gleichmäßig aufnehmende Stäbchen, diejenigen 
des Typus bovinus repräsentieren sich als dicke 
und plumpe, unregelmäßig gestaltete, den Farb¬ 
stoff ungleichmäßig aufnehmende Stäbchen; 
häufig sieht man gekörnte, an einem Ende 
knöpf förmig angeschwollene Formen; dort er¬ 
gibt sich ein gleichmäßiges Bild, während bei 
dem bovinen Typus ein gewisser Pleomor- 
phismus vorherrscht. Diese Unterschiede gelten 
nur für Tuberkelbazillen, die unter genau den 
gleichen Versuchsbedingungen auf Glyzerin¬ 
bouillon frisch gezüchtet worden sind. 

Besonders deutlich differiert sich das 
Wachsen der in Glyzerinbouillon kultivierten 
beiden Typen, wobei niemals der Ertrag einer 
Kultur des Typus bovinus so üppig erscheint 
wie der einer solchen des Typus humanus. 

Hinsichtlich der Erzeugung von wirklicher 
Tuberkulose bei Kaninchen und insbesondere 
bei Rindern ergaben Bazillen des Typus bovinus 
durchgehends vollkommene Erfolge, während 
sich Kulturen des Typus humanus als negativ 
wirksam erwiesen, und zwar wurden Impf¬ 
versuche, Fütterungen und Inhalierungen mit 
beiden Kulturstämmen in überzeugender Weise 
vorgenommen. 

Bezüglich der tierischen Deglutitionstuber- 
kulose, die durch Bazillen des Typus bovinus 
entstand, ist es bemerkenswert, daß letztere 
sowohl von den oberen Teilen des Verdauungs¬ 
kanals als auch vom Darme aus eindringen; 
die Retropharyngeal- und Mesenterialdrüsen 
sind beim Rinde diejenigen Drüsen, welche bei 
Ftttterungstuberkulose zuerst befallen werden. 
Ferner verläuft letztere bei jungen, 4—8 Wochen 
alten Kälbern viel rascher als bei älteren Tieren. 

Demnach sind die Bazillen des Typns 
bovinus die Erreger der Tuberkulose des Kindes 
und Schweines, die Bazillen des Typus humanus 
die Erreger der Tuberkulose des Menschen. 

Wenn unter 56 Fällen menschlicher Tuber¬ 
kulose in sechs Fällen Bazillen des Typu* 
bovinus gefunden wurden, so bezog sich dieses 
Ergebnis auf Kinder von l s / 4 —AVj Jahren, bei 
denen primäre Darm- und Mesenterialtuber¬ 
kulosen vorhanden waren; wo, wie in einem 


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479 


Falle, anders lokalisierte Tuberkulosen, z. B. der 
Pleura und der Milz, bestanden, da ließen sich 
(aus der Milz) auch Bazillen des Typus humanus 
züchten. 

Außer diesem Kinde ließ sich eine Mischung 
beider Typen bei einer 30jährigen Frau mit 
schwerer ulzeröser Darmtuberkulose aus einer 
Mesenterialdrüse kultivieren, und zwar auf dem 
Umwege über den Meerschweinchenkörper. 

Mit Sicherheit geht aus den Untersuchungen 
nnr hervor, daß die Bazillen des Typus bovinus 
tuberkulöse Veränderungen an dem Darm und 
in den Mesenterialdrüsen hervorrufen können, 
besonders in den ersten Lebensjahren. Ob sie 
beim Menschen eine allgemeine, zum Tode 
führende Tuberkulose zu erzeugen imstande 
lind, bleibt noch zu erweisen. Somit ist in 
den Bazillen des Typus humanus die Haupt¬ 
gefahr für den Menschen zu suchen; somit stellt 
der tuberkulöse Mensch die einzige Quelle für 
die Bazillen des Typus humanus dar, und die 
Maßnahmen gegen die Weiterverbreitung der 
Tuberkulose haben bei jenem in erster Linie 
einzusetzen. 

Auf Grund des Befundes von beiden Typen 
in einem Organismus (bei der 30jährigen Frau) 
erklärt sich Verfasser gegen die Umwandlungs- 
and Aiipassungstheorie, zumal sich unter einer 
»o großen Anzahl von Kulturen keine Über¬ 
gangskulturen finden ließen und Kulturen des 
Typus humanus, welche vier- bzw. fünfmal 
durch den Ziegenkörper und solche, welche drei¬ 
mal durch den Rinderkörper geschickt waren, 
weder in morphologischer noch tierpathogener 
Beziehung ihren Charakter verloren. Was die 
Kaltblütertuberkelbazillen betrifft, so sind letz¬ 
tere nicht durch Umwandlung aus eingeimpften 
Tuberkelbazillen zu erzeugen, sondern Stollen 
einen eignen Typus von Saprophyten dar, 
welche Kaltblüter aus den umgebenden Medien 
in sich aufnehmen. J. Ruhemann (Berlin). 


0. Wagener, Uber die Häufigkeit der pri¬ 
mären Darmtuberkulose in Berlin. Berliner 
klinische Wochenschrift 1905. Nr. 5. 

Wagener hat unter 410 Sektionen 20 Fälle 
gefunden, bei denen eine primäre Infektion des 
Körpers mit Tuberkelbazillen durch den Darm 
angenommen werden mußte. Er teilt seine 
Fälle ein in 1. eine isolierte tuberkulöse 
Affektion des Darmes obne makro- oder mikro¬ 
skopisch nachweisbare Veränderungen der 
Mesenterialdrüsen (IFall); 2. eine isolierte Er¬ 


krankung der Mesenterialdrüsen (13 Fälle, 
darunter sechsmal mit dem Nachweis von 
Tuberkelbazillen); 3. tuberkulöse Geschwüre 
im Darm mit gleichzeitiger Erkrankung der 
entsprechenden Mesenterialdrüsen (2 Fälle). In 
zwei Fällen konnte Wagener ferner nach- 
weisen, daß eine sichere, primäre Doppel¬ 
infektion des Körpers vom Darm aus statt¬ 
gefunden hatte. 

Wageners Zahlen 4,9% Air die Gesamt¬ 
heit seiner Sektionen, 16,4 % für das Alter von 
1—13 Jahren stimmen sehr überein mit den 
Zahlen, die Wagener aus Kiel veröffentlichen 
konnte: 4,7% bzw. 21,1%. 

Wagener zieht den Schluß, daß auch in 
Berlin eine primäre Infektion durch den Darm 
häufig vorkommt — auf dem Sektionstisch. 
Es können aber auch nach sicheren Be¬ 
obachtungen primäre Darm- und Mesenterial¬ 
drüsenerkrankungen aus einem Schlummer- 
Stadium plötzlich auffiackern und in kurzer Zeit 
zum Tode des Individuums führen. 

Fritz Rosenfeld (Stuttgart). 


Hagen, Eumydriu als Atropineroatz. Die 

Heilkunde 1905. Januar. 

Die Wirkung des Eumydrin, des salpeter¬ 
sauren Methylatropin, ist der des Atropin sehr 
ähnlich. Es versagt selten, wenn auch der 
Effekt milder ist als der des Atropins. Je 
nachdem das Mittel intern oder subkutan appli¬ 
ziert wird, ist der Erfolg schwächer oder stärker; 
Nebenwirkungen fehlen ebensowenig wie bei 
Atropingebrauch. Da auch die Dosierung des 
Mittels dem Arzt in ziemlich weiten Grenzen 
Spielraum läßt, so ist es als ein willkommenes 
Surrogat des Atropins zu betrachten. 

Freyhan (Berlin). 


Bloch, Tbigenol in der Praxis des Land¬ 
arztes. Die Heilkunde 1904. Dezember. 

Das Thigenol, eine konzentrierte Lösung 
der Natriumvorbindung der Sulfosäure, ist völlig 
geruch- und geschmacklos. Das Indikations¬ 
gebiet des Mittels ist ein sehr weites; ins¬ 
besondere ist es infolge seiner überaus be¬ 
quemen und leichten Applikationsweise in Form 
einer einfachen Einpinselung für die dermato¬ 
logische Praxis sehr geeignet Der Verfasser 
hat das Thigenol mit Erfolg bei verschiedenen 
Formen des Ekzems, hei der Sebonrhoea capitis 
und beim Erysipel verwandt 

Freyhan (Berlin). 


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Thmp$utiscbe Neuheiten, 


Therapeutische Neuheiten 


Ein einfacher Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. 

Nach Mittelhingen von Privatdozcnt Dr. LL WSnternitz ans der medizinischen Cnkersitäb 
kVinlk zu Halle (Direktor Prof. Pr. v. Mehring). 

Zur Änwemduug <ter allgemeinen Faradisation. der Galvanisation und Vörvemiinig 
itmnscddaler Ströme ist ein In*dnummtermm konatroiert worden, da* dnöu der biäW 

benutzten 2 Zeilen, ä Zellen und 4 Zsilcnbäder darsteUüü soll Die Versuche niit Am* uM Fuß* 
bäiiero HcdJtvn ergeben haben, daB diu Zufcitanfr eines starken elektrischen Stromes xuiu R0rpf< 
mOgligh iat f wcii Ak> den Körper umgehenden NVa&sermasseii des Teültades eteje hejju^re fiter- 
leitnüg des Stromes möglich maeiMrso Diese Annahme wäre theoretisch denkbar, ;i*t jedoch bei 
; < ‘ t v ' ’ < ■ V riäh;e?er-.prüfüug Ms oicHt'Ät4ehhaädgfeit- 

* • ' gestellt Wenn auch bei AnvvsnduDg voji 

f^jH» Tdlbädom die Größe der Oberfläche, dir 

den..Simtü zuleitet, .bedeutender'ht ah 
hei A n w£ndtmg v on Elefctrodiä, W wurde 


• ) J rt K Mitecrn Um m bequemer Weise dk* 

■ Stfomzufett trag möglich zu machen, in 

. ••: v «Üb Tisch konstruiert wurden, der riw 

hodenplatte und eine verstellbare Tte'ih- 
ß liehe besitzt, aid dun ei» je swei f$j? : 
elcktroderi, bezüglich zwei Artuelekirndöii 
stehen.' Der Tisch ist auf Köllen beweglich und wird vor den Patienten, der auf einem Stuhl ribb 
gesteßp ‘Ein Üniß ob alter gestattet es f * jeder Elpktrcrd« dcu positiven oder negativen Pol suwn 
fährt'n und eine »eüebige Anzahl von Elektroden au einem Pol m IcMrahiKioc^ö. Zum ß«wV& 
des Ihetrntneotariums kami jeder galvanische und fawlisehe Apparat benutzt werdeo, der die 
;,v- -ickr.io-tliUTapetÜiathoTi Bdiundluhg c/fonl&rlic.keD Stromstärken neteit The Größe dei 
Elektroden Hißt cMtn Stromstärken bis zu -5 >t|ll|^(«p4^ dMreh den Ktfrpthr «u. schicken« Werde«' 
zwej Elektroden /auJc eumtii Pol rcreihi^ kaoi» Üiü Strodbt^kfke l$ifr adf 4 Ö tria 50 Milhnnjpete 
gesteigert' • Werden.' Out durchfeuchtete und Ausrei<;hemi. gtnßp; K&fctnttteh ihr Hand und Fuß ^ 

’ #0 "feänmsii, tößf sich nukdur^rftächettförmige Etektrodtm erreichen, 

dure-h d.t dir ganze Hand- rmd Fußdlicho überdeckt hi. Leichte Beweglichkeit des Apparates i»a'*to 
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Berlin* llruck r<>n >V. iUlxoii&tcm. 







ZEITSCHRIFT 

FÜR 

DIÄTETISCHE «. PHYSIKALISCHE 

THERAPIE 


Unter Mitwirkung 

von 

Prof. v. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BREEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CUR8CHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat [Prof. FÜRBRINGER 
fltorün), Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN 
(Leipzig), Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), Prof. KITASATO (Tokio), Prof. 
0. ltLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg); 
Geh.-Rat Prof. LIEBREICH (Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prof. MARINES CU (Bukarest), Prof. 
MARTIU8 (Rostock), Prof. v. MERENG (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Geh.-Rat Prof. MOSLER 
(Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Strafiburg), Prof. v. NOORDEN 
(Frankfurt a. M.), Prof. PEL (Amsterdam), Prof. A. PRIBRAM (Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), 
Geh.-Rat Prof. y. REN VERS (Berlin), Prof. ROSENSTEIN (Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), 
Prof. 8AHLI (Bern), Prof. SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. 
SENATOR (Berlin), Prof. v. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. 
WINTERNITZ (Wien), Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin) 

herausgegeben 

von 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 

Redaktion: 

Dr. W. ALEXANDER, Berlin NW., Flensburgerstraßo 19a. 


Neunter Band (1905/1906). — Neuntes Heft. 

1. DEZEMBER 1905. 


LEIPZIG 1905 

Verlag von GEORG THIEME, Rabensteinplatz 2. 


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Preis des Jahrgangs M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in da« 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT 


I. Original-Arbeiten. * seit« 

I. Der I. Kongreß für Physikotberapie in Lüttich vom 12. bis 15. August 1905. Von 

E. v. Leyden.485 

II. Über Ischiasbehandlung mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. Aus der 
hydrotherapeutischen Anstalt der Universität Berlin. (Leiter: Geh. Med.-Rat 


Professor Dr. Brieger.) Von Dr. med. Ernst Sommer, Winterthur (Schweiz) 488 

III. Über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. Kritische Bemerkungen 

zur Aufklärung. Aus der Ernst Ludwigs-Heilanstalt zu Darmstadt. Von Dr. 

M. Erahn.497 

IV. Der Massageunterricht an der Universität Berlin. Vortrag, gehalten auf dem Inter¬ 

nationalen Kongreß für Physikotherapie zu Lüttich 1905. Von Prof. J. Zablu- 

dowski, Leiter der Universitäts-Massageanstalt in Berlin.508 

V. Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in der Skoliosen-Therapie. Vortrag 
ffor den Internationalen Kongreß für Physikotherapie zu Lüttich 1905. Von 
Sanitätsrat Dr. A. Schanz in Dresden.512 

II. Berichte über Kongresse und Vereine. 

Bericht über den I. Internationalen Kongreß für Physikotherapie in Lüttich am 12. bis 

15. August 1905. Von Dr. W. Alexander.517 

III. Referate über Bücher und Aufsätze. 

A* Diätetisches (Brnährungstherapie). 

(ians, Die balneologisch-diätetische Behandlung der chronischen Diarrhöe.523 

Kolisch, Beiträge zur Diabetesdiät. I. Quantitative Nahrungseinschränkung ..... 523 
v. Jaksch, Weitere Mitteilungen über die Verteilung der stickstoffhaltigen Substanzen 

im Harne des kranken Menschen.524 

Terrien, Traitcment des Dyspepsies du premier äge.524 

StrauS, Beiträge zur Frage der gastrointestinalen Autointoxikationen.525 

Mathieu, La colite muco-membraneuse et son traitement.526 

GI ax, Die Säuerlinge als diätetisches Getränk für Gesunde und Kranke.526 

Ibrahim, Die angeborene Pylorusstenose im Säuglingsalter.527 

So 11 mann and Hofmann, Chloride and water-excretion in typhoid fever, with copious 

diuresis.?.528 

Szana, Über die Ursachen der Überernährung und Unterernährung der Kinder über zwei 

Jahren.528 

B. Hydro-, B&lneo- und Klimatotherapie. 

Aron, Die Aussichten der Sauerstoff-Inhalationen nach den neuesten physiologischen 

Untersuchungen.529 

Courant, Über die Vereisung spitzer Kondylome mittelst Äthylchlorid.529 

Romberg, Die Behandlung der Arteriosklerose.529 

Abderhalden, Der Einfluß des Höhenklimas auf die Zusammensetzung des Blutes . . 530 

Brieger und Laqueur, Moderne Hydrotherapie.530 

Marie, L’eau de mer dans le traitement des maladies mentales et nerveuses.531 

Heitz, Du retour des sensibilitös profondes et spöcialement de la sensibilitä osseuse 
chez les tabetiques par l’action des bains carbo-gazeux. Importance de cette 

notion dans le traitement de l’ataxie.531 

Wybauw, Le bain carbo-gazeux consid6r6 comme un procädä hydrothörapique .... 531 

Krönig, Zur Wasserbehandlung des Typhus abdominalis.532 

33* 


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484 


Inhalt. 


Seite 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlnng. 

Grün ert, Die Bedeutung der Lumbalpunktion für die Ohrenheilkunde.532 

Geißler, Über die Bedeutung und den Wert der Arbeitsbehandlung Nervenkranker . . 532 

Heimann, Gartenarbeit als Heilmittel.533 

Säbileau, Corps ätranger des bronches, extraction sous bronchoscopie.533 

Kuhn, Apparate zur Herstellung jeder Art von Extension.533 

Glücksmann, Die traumatischen Erkrankungen der oberen Speisewege und ihre Be¬ 
handlung .534 

Müller, Ein neuer Detorsionstisch zur Behandlung der Skoliose.535 

Fürbringer, Über Zyklotherapie der sexuellen Neurasthenie.535 

Kromayer, Die Heilung der Akne durch ein neues narbenloses Operationsverfahren: das 

Stanzen.535 

Kraft und Schönheit.535 

D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie. 

Bordier und Bonnenfant, Die Einwirkung vielfach unterbrochener galvanischer Ströme 

auf die Entwicklung und Ernährung von Tieren.536 

Aschoff, Das Vorkommen von Radium in den Kreuznacher Solquellen.536 

Bering, Über Verbesserungen der Finsen-Reynlampe nebst Bemerkungen über Lupus¬ 
behandlung .536 

Steiner, Erfahrungen bei Behandlung mit elektrischem Licht unter besonderer Berück¬ 
sichtigung einer neuen Lichtsalbenbehandlung bei Hautkrankheiten.536 

Cleveland, Malignant disease of the fundus uteri, treated by X-Rays trough the ab¬ 
dominal wall: recovery.537 

Rodhe, Ett fall af leukämi med framgäng behandladt med Röntgenstr&lar.537 

v. Poe hl und v. Tarchanoff, Die Kombination der Radiotherapie mit der Organotherapie 533 

Leonard, Recent advances in the technique of Roentgen-ray therapie.538 

Riesenfeld, Vom Radiumgehalt der Heilquellen und Moorerden.538 

Golubinin, Ein Fall von therapeutischer Anwendung der Röntgenstrahlen bei Morbus 

Addisonii.538 

E. Serum- und Organotherapie. 

Maynard und Bushnell, General Staphylococcic Infection, treatment by Antistaphylo- 

coccic Serum and Hetol. Death.539 

Lewin, Le sörum antituberculeux de Marmorek. 539 

Rochard, Über die Behandlung des Erysipels mit Hilfe von Rekonvaleszentenserum . . 539 

Choupin, Opotherapie ränale.*.539 

Alexander, Zur Behandlung des Morbus Basedowii mit Antithyreoidin Möbius . . . .510 
Gaylord, Karvey, Clowes and Baeslack, F. Vff Preliminory Report on the presence 
of an immune from Cancer (Adeno-Carcinoma, Jensen) and the Effect of This 
Immune Semm upon Growing Tumors in Mice Infeiled with the same Material 540 
Kaufmann, Organotherapie der Nephritis.541 

F. Verschiedenes. 

Maas, Die Entwicklung der Sprache des Kindes und ihre Störungen.542 

Westenhoeffer, Pathologische Anatomie und Infektionsweg bei der Genickstarre . . 542 
Kirchner, Über die gegenwärtige Epidemie der Genickstarre und ihre Bekämpfung . . 542 

Grawitz, Beobachtungen über die diesjährigen Fälle von Genickstarre.542 

Woodruff, Alkohol in the tropics.543 

Marcinowski, Im Kampf um gesunde Nerven.544 

Marcinowski, Nervosität und Weltanschauung.544 

Schiele, Die subkutane Verwendung von alkoholischer Kochsalzlösung.544 

Elsaesser, Über die sogenannten Bergmannskrankheiten.544 


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Original - Arbeiten, 


i. 

Der I. Kongreß ffir Physikotherapie in Lüttich vom 
12. bis 15. August 1905. 

Von 

E. v. Leyden. 

„Le congiö« de Pbyaiotb6r&pie de Liöge eat 
un 6r6nement, dont rtmportance ne peut öcbap per 
• k peraonne. Si lea agents pbyalquea aont ddjb 

appllquda au mädecine depuis fort longtempa par 
des empiriqnes, la m^deoine ne commen^a k lea 
appliquer d une fapon mötbodlque que depnia peu 
de tompa.“ (Koulndjy.) 

Als wir im Jahre 1898 diese Zeitschrift für diätetische und physikalische 
Therapie begründeten, kamen wir nach unserer Überzeugung einem dringenden 
Bedürfnisse nach. Die einzelnen Zweige der physikalischen Therapie hatten sich 
zwar schon seit langer Zeit entwickelt und waren in der ärztlichen Praxis vielfach 
mit Erfolg zur Anwendung gekommen. Ja einzelne Zweige wie die Elektro¬ 
therapie hatten das Ansehen wissenschaftlicher Therapie gewonnen. Indessen 
andere Zweige standen zurück, sie wurden von den Vertretern der medizinischen 
Wissenschaft nicht als gleichwertig anerkannt und wurden nur in geringem Um¬ 
fange und nur mit Widerstreben herbeigezogen. Ich erinnere an die Hydrotherapie, 
welche erst durch die geniale Energie eines Bauern die Widerstände des Vorurteils 
überwand, und dann von dem großen Publikum mit Beifall und Enthusiasmus 
anfgenommen wurde. Erst langsam fand sie Anerkennung und Aufnahme in die 
Therapie der wissenschaftlichen Klinik. Und ebenso erging es der gymnastischen 
Therapie. Während die Gymnastik im Unterricht der Jugend nicht fehlen durfte, 
machte sie sich langsam geltend, um in die Therapie Einlaß zu finden. Schrebers 
Zimmergymnastik machte den Anfang, die schwedische Heilgymnastik erfocht den 
Sieg. Ähnlich ging es mit der Massage. 

Die klassische Medizin hat in früheren Zeiten keineswegs die Gymnastik 
preisgegeben. Hervorragende Kliniker, wie Boerhave, Sydenham, Stokes 
hatten sie herangezogen und in der Praxis angewandt. 

Die wissenschaftliche Entwicklung der medizinischen Klinik und der An¬ 
schluß des klinischen Unterrichts an die großen, damals aber noch sehr unvoll¬ 
kommen ausgestatteten Krankenhäuser führte dazu, fast alle Heilmittel aus der 
Apotheke zu beziehen. Das Ansehen, welches sich schon die Chemie der Araber in 
der wissenschaftlichen Therapie erworben hatte, stieg immer mehr, namentlich seit 
Paracelsus entwickelte sich das Bestreben, für jede Krankheit ein besonderes 


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E. v. Leyden 


Heilmittel zu gewinnen, ein Arcanum, ein spezifisches Heilmittel. Die fort¬ 
schreitende Entwicklung der Chemie und Pharmakologie beherrschte die Therapie, 
und wer wollte verkennen, welche großen, überraschenden, ja oft wunderbaren 
Heilerfolge auf diesem Wege erreicht worden sind. 

Indessen es kam auch eine Zeit der herben Kritik in der zweiten Wiener 
Schule. Selbst der große Diagnostiker Skoda sagte: „Wir können eine Krankheit 
diagnostizieren, beschreiben und begreifen, aber wir sollen nicht wähnen, sie durch 
irgend welche Mittel heilen zu können.“ Solche Angriffe haben der Heilmittel¬ 
lehre kaum geschadet, sie hat sich in der Neuzeit, entsprechend dem großen Fort¬ 
schritte der Chemie, glänzend entwickelt. Allein neben ihr, man kann sagen 
in aller Stille, traten die mechanischen und physikalischen Heilmethoden in den 
Vordergrund. Die Wissenschaft wollte sie lange zurückweisen, indessen in die 
alltägliche Praxis drangen sie immer mehr ein, sie rühmten sich großer Erfolge 
und gewannen nach und nach eine wissenschaftliche Grundlage. Die interne Klinik 
konnte sie nicht mehr ab weisen: sie wurden in die Therapie der wissenschaft¬ 
lichen Klinik aufgenommen. 

Aus diesen Verhältnissen nahmen wir (Goldscheider und ich) Veranlassung, 
die Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie zu begründen; der erste 
Band erschien im Jahre 1898. Bald darauf im Jahre 1901/02 ist das große 
Handbuch der physikalischen Therapie in zwei Bänden erschienen: in dieser Fest¬ 
schrift 1 ) waren die bisherigen Leistungen der physikalischen Therapie ihrer Be¬ 
deutung nach ausführlich und grundlegend dargelegt. In den nun folgenden 
Bänden der Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie haben wir die 
Bedeutung der physikalischen Heilmethoden und auch der Ernährungstherapie vor¬ 
geführt und ihre Unentbehrlichkeit für die Praxis und für den klinischen Unterricht 
dargelegt. In der Tat fand die Physikotherapie Eingang in den klinischen Unterricht 
und ich selbst habe in Verbindung mit der I. medizinischen Klinik seit dem Jahre 
1900 einen gymnastischen Saal eingerichtet, in welchem nicht nur die Kranken der 
medizinischen Klinik, sondern auch poliklinische Patienten durch den klinischen 
Assistenten Herrn Dr. Paul Lazarus die entsprechende und im ganzen sehr erfolg¬ 
reiche Behandlung fanden. In den letzten Jahren haben diese Heilmethoden sich 
noch vervollkommnet und an Umfang und Erfolg erheblich gewonnen. Die von 
Herrn Prof. Winternitz vervollkommnete Hydrotherapie ist zu großem Ansehen 
gekommen, ebenso die Elektrotherapie; sehr gehoben hat sich die gymnastische 
Therapie (schwedische Gymnastik, Zandersche Institute), die Apparatotkerapie, 
die Übungstherapie etc., die Terrainkuren, die Massage. Zuletzt ist die Luft- und 
Lichttherapie hinzugekommen und last not least wurde die Röntgen- und Radium¬ 
therapie vervollständigt. Die beiden letzten haben durch ihre wunderbaren Er¬ 
scheinungen und Wirkungen besonderen Anklang gefunden. Im Jahre 1905 wurde 
in Berlin ein Kongreß für Röntgenphotographie und -therapie organisiert und 
unter zahlreicher Beteiligung mit bestem Erfolg durchgeführt. In diesem Sommer, 
im August, wurde nun in Lüttich der internationale Kongreß für Physikotherapie 
zusammenberufen, mit welchem die wissenschaftliche Gleichstellung der physika- 


') Festschrift zum 70. Geburtstage. Von Dr. A. Goldscheider und Dr. P. Jacob. 
Leipzig 1901/02. 


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Der I. Kongreß für Physikotherapie in Lüttich am 12. bis 15. August 1905. 487 


lischen and chemischen Therapie endgültig entschieden sein dürfte. Die Begründer 
derselben haben vollkommen Hecht, von diesem Kongreß zu sagen, daß er „eine 
neue Epoche der Physikotherapie kennzeichnet“. Wenn wir auch nicht verhehlen 
können, daß die Organisation dieses Kongresses manches zu wünschen übrig ließ, 
so wollen wir doch seine Berechtigung und seinen Erfolg keineswegs in Abrede 
stellen. Die Zusammenberufung des Kongresses war so spät bekannt geworden 
und fiel wenigstens für uns in eine so ungünstige Zeit (kurz vor den Universitäts¬ 
ferien), daß wir Deutschen nur in sehr geringer Anzahl erscheinen konnten, viel 
weniger als wir es sonst gewünscht hätten. Unsere bisherigen Leistungen auf 
diesem Felde hätten wohl Anspruch darauf gehabt, uns mehr zu berücksichtigen. 
Ich kann nicht umhin, hier darauf hinzuweisen, daß die meisten Zweige der 
physikalischen Therapie in Deutschland begonnen und entwickelt sind: ich weise 
hin auf die Hydrotherapie und Elektrotherapie, die Bäderbehandlung und endlich 
darauf, daß auch die Lichttherapie (Finsen-, Röntgen-, auch die Radiumtherapie) 
zum Teil in Deutschland begründet oder doch wesentlich gefördert wurden. 

Der jedenfalls interessante Bericht über die Leistungen des Kongresses in 
Lüttich wird nachher folgen, in möglichster Vollständigkeit, doch auch in mög¬ 
lichster Kürze. 

Es sei ausdrücklich bemerkt, wie es auch Herr Dr. Rivi&re auf dem Kongreß 
zu Lüttich hervorgehoben hat, daß die Physikotherapie keineswegs die chemische 
Medikation ausschließt, sich im Gegenteil vollständig mit ihr verbinden wolle. Ihr 
Vorteil ist, daß sie nicht nötig hat den Magen zu beschweren und daß sie die 
Furcht vor giftigen Medikamenten vermeidet. Allein einen anderen, viel wichtigeren 
Vorteil und Erfolg hat die Physikotherapie dadurch, daß sie direkt vom Arzte 
angewandt wird und daß hiermit eine längere und intimere Beziehung des Arztes 
zum Kranken gegeben ist. Er reicht nun dem Kranken nicht nur ein Rezept, welches 
der Apotheker anfertigt und hinschickt. Der Arzt selbst wendet die physikalischen 
Heilmethoden an und der Kranke empfängt seine Besserung und die Wohltaten 
der Behandlung direkt von den Händen des Arztes: ohne Zweifel wird hierdurch 
die Einwirkung des Arztes wohltätiger und eindrucksvoller werden. 


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Ernst Sommer 


n. 

Ober Ischiasbehandlung 

mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. 

Aus der hydrotherapeutischen Anstalt der Universität Berlin. 

(Leiter: Geh. Med.-Rat Professor Dr. Brieger.) 

Von 

Dr. med. Ernst Sommer, 

Winterthur (Schweiz). 

Im folgenden soll die Behandlungsmethode des näheren auseinandergesetzt 
und an Beispielen erläutert werden, die an der Berliner hydrotherapeutischen 
Universitätsanstalt bei Ischiaskranken angewandt wird. Wenn auch schon vieles 
über die Ischiasbehandlung, speziell auch über die physikalische Therapie der¬ 
selben publiziert worden ist, so glaube ich, daß es doch nicht ohne Interesse ist, 
unsere an Hand eines großen Materials (504 Fälle, von denen 333 Männer, 
171 Frauen betreffen) gewonnenen Erfahrungen hier mitzuteilen. Es soll damit 
zugleich gezeigt werden, daß mit verhältnismäßig sehr einfachen Mitteln sich bei 
diesem oft so hartnäckigen Leiden, sofern diese Mittel nur systematisch and 
konsequent angewandt werden, noch die besten Erfolge erzielen lassen; natürlich 
kommen dabei vorwiegend die Fälle in Betracht, in denen die Ischias als primäre 
Krankheit auftritt und nicht nur die sekundäre Folge eines anderweitigen Grand¬ 
leidens (Tumoren, Tuberkulose, Tabes, Diabetes etc.) ist. 

Unsere, d. h. die von Geheimrat Brieger inaugurierte physikalische 
Behandlungsmethode der Ischias — Bewegungsbäder kombinier t mit 
nachfolgenden Massageprozeduren — ist hauptsächlich eine beruhigende. 
Sie ist besonders von Erfolg gekrönt bei primärer idiopathischer Ischias, 
aber auch bei sekundären Fällen läßt sie kaum im Stich, vorausgesetzt, daß 
die Patienten genügend lange in Behandlung bleiben. 

Betrachten wir nun in erster Linie die schweren Formen genuiner 
Ischias. Die bei uns übliche Briegersche Therapie der schweren Fälle 
primärer Ischias ist sukzessive folgende. In der ersten Zeit hält der Patient 
möglichste körperliche und geistige Ruhe inne, und wenn es der Beruf und die 
Umstände auch nur einigermaßen erlauben, soll er in absoluter Ruhe zu Bett 
liegen. Versuchsweise erhält er erregende Umschläge: es sind das die üblichen 
Umschläge der Winternitzschen Schule. Ein in kaltes Wasser getauchtes 
und gut ausgewundenes Tuch wird, bis zur Hüfte hinauf, um das kranke Bein 
gewickelt, mit einem Stück Flanelltuch bedeckt und bleibt nun über Nacht liegen. 
Diese Prozedur allein, verbunden mit der so wohltätigen allgemeinen Ruhe, ist 
für viele Fälle ausreichend. 


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Über Iechiasbehandlung mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. 489 

Nun gibt es aber eine ganze Reihe Ischiaskranker, welche die Kälte einfach 
nicht ertragen können. In solchen Fällen haben sich uns dann oft genug die 
fencht-heißen Umschläge entweder in Gestalt der sog. Dampfkompressen 
oder der von Diehl genauer beschriebenen Umschläge bewährt. Dampf¬ 
kompresse ist eigentlich eine überflüssige Bezeichnung für Umschläge, die in 
der Weise hergestellt zu werden pflegen, daß Leintücher in möglichst heißes 
Wasser eingetaucht, ausgewunden und mit Flanell bedeckt auf die schmerzhaften 
Teile appliziert werden. Ein Wechsel derselben ist sofort vorzunehmen, sobald 
die Umschläge kalt zu werden beginnen. Man appliziert solche heißen Kompressen 
in schwereren Fällen zwei- bis dreimal täglich je J / 2 —1 Stunde lang. Unter den 
Viehischen Umschlägen versteht man Watteumschläge aus gewöhnlicher 
Schneiderwatte, die, mit möglichst heißem Wasser getränkt, mit einem Kochlöffel 
tüchtig ausgedrückt und auf die kranken Stellen aufgelegt werden. Darüber kommt 
mm eiu impermeables Tuch, Guttaperchapapier, Billrothbatist usw., so daß ungeiähr 
zwei bis drei Querfinger breit die heiße Wattekompresse davon überragt wird. 
Um einen guten Abschluß herbeizufuhren und die Haut zu schützen, wird die 
nicht von der Watte eingenommene Hautpartie mit Lanolin oder Vaselin oder 
einer Mischung beider zu gleichen Teilen eingerieben; auf diese Weise wird ein 
luftdichter Verschluß geschaffen; durch darüber gebundene Lein- oder Flanelltücher 
kann dieser Umschlag festgehalten werden. Ein solcher Watteverband bleibt in 
dtf Regel zwölf Stunden lang (die Nacht über) liegen, um dann je nach Bedarf 
erneuert zu werden. 

Wieder gibt es ganz vereinzelte an Ischias leidende Kranke, welche das 
Wasser überhaupt nicht gut vertragen können. Bei solchen gegen Wasser¬ 
anwendungen empfindlichen Patienten empfiehlt es sich, die Umschläge nur 
längs des Verlaufes des N. ischiadicus zu applizieren, so daß die anderen 
Teile des Beines von der Nässe nicht getroffen werden. In jenen Fällen, wo 
Wasser und selbst die Salzwedelschen Alkoholumschläge, die sich in 
manchen Fällen auch ganz gut bewähren, absolut nicht vertragen werden, muß 
man za trockenen Umschlägen greifen, und zwar wird dann der kranke Körper¬ 
teil einfach in Watte oder Flanell eingewickelt. 

Neben diesen Umschlägen, die sowohl auf der Station (d. h. im Kranken¬ 
bans auf der stationären Abteilung) der hydrotherapeutischen Anstalt, wie auch 
bei der poliklinischen Klientele — bei dieser als häusliche Medikation — verordnet 
und angewendet werden, bestehen speziell bei der Ischiasbehandlung noch folgende 
Forschriften und Verordnungen. Auf der stationären Abteilung, von der aus 
der Transport der Kranken nach dem Badepavillon mit Schwierigkeiten verbunden 
ist. beschränkt sich die Behandlung, solange die Patienten nicht gehfähig sind, 
auf Vollbäder, in denen systematische und methodische Bewegungen 
'orgenommen werden. Und zwar werden im warmen Vollbad von 37—40° C 
«st passive, dann aktive und später auch Widerstandsbewegungen aus- 
gefnhrt: Beinheben, Beinrotation und schließlich Rumpfdrehen, Heben und 
Senken im Kreuz in der Rückenlage, sowie insbesondere mit nach unten gewandter 
Vorderseite des Körpers, wobei die Hände und die Fußspitzen als Stützpunkte dienen; 
die Beine bleiben dabei möglichst gestreckt, die Bewegungen werden ausgeführt 
bis zur Grenze der erträglichen Schmerzhaftigkeit. Besonderes Gewicht legen 


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Ernst Sommer 


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wir dabei auf den Umstand, daß die Kreuzbeingegend, das „Kreuz“, möglichst 
nach dem Bade oder noch in demselben „durchgedrückt“ wird, in der ersten 
Zeit nur für wenige Momente und ohne erhebliche Muskelanstrengung, sowie mit 
einer mehr oder weniger gründlichen Pause nach jeder Bewegung, bis die Emp¬ 
findlichkeit der Nerven wieder nachgelassen hat. Die Dauer eines Bades »11 
anfänglich 10 Minuten, später 20 Minuten betragen und kann schließlich bis aut 
3 / 4 Stunden ausgedehnt werden, wobei man gut tut, zum Schlüsse auch die 
Temperatur des Badewassers durch Hinzufließenlassen von kaltem Wasser bis 
auf 25° C und selbst noch darunter herabzusetzen, um eine Erkältung zu ver¬ 
hüten und gleichzeitig allmählich eine Abhärtung des Körpers herbeizuführen. 
Falls während des Verweilens im Bad an gewissen Stellen die Empfindlichkeit 
exzessiv werden sollte, so empfiehlt es sich, diese Teile im Wasser selbst zu 
vibrieren, und zwar dadurch, daß man den Zeigefinger auf die empfindliche Stelle 
bringt und nun vom Schultergelenk aus, senkrecht auf die schmerzhaften Teile, 
mehr oder weniger starke manuelle Vibrationsmassage appliziert. Es wirkt 
diese Vibration häufig ähnlich wie ein Narkotikum und beruhigt im allgemeinen 
rasch. Die Bequemlichkeit dieser Methode läßt dieselbe auch für die häus¬ 
liche Krankenpflege sehr wohl verwertbar erscheinen. 

Nach Ablauf der lebhaftesten, subjektiven Erscheinungen, unter keinen 
Umständen in den allerersten Tagen, kommt zum Bewegungsbad als weitere 
Heilpotenz, unmittelbar nach dem Bade resp. nach dem Abtrocknen, die 
Massage und zwar am besten die rein manuelle. Erst wendet man leichte 
Streichungen oder Drückungen an, dann die typische Mezgersche Massage, 
wie sie z. B. von Hoffa in seinem Lehrbuch geschildert wird. In dem Maße 
nun, wie die Besserung fortschreitet, werden neben Streichungen Durchwalknng 
der Beinmuskulatur und der Glutaei, intensivere Vibration der Druckpunkte 
des N. ischiadicus und längs der Wirbelsäule vorgenommen. Darauf folgt die 
Massage in Form des Tapotement und vor allen Dingen die sog. Dehnung 
des N. ischiadicus nach Lasögue, selbstverständlich unter allen Kautelen, 
die dahin zielen, den Schenkelkopf vor traumatischen, unerwünschten Einwirkungen 
zu bewahren. Bei Patienten mit Tabes, Diabetes, bei alten Leuten etc,, ist 
dieser Handgriff natürlich nicht zulässig. Bemerkenswert ist der Umstand, 
daß diese Prozedur schon dann oft genug im Bade mit Vorteil anzuwenden ist. 
wenn der Patient außerhalb des Bades selbst auf geringfügige Dehnung des 
Beines sofort mit großen Schmerzen reagiert. Die Methode besteht darin, daß 
der Arzt seine eine Hand auf die Patella des Kranken auf legt und mit der an¬ 
deren das kranke Bein an der Ferse faßt; während der Patient mit geöffnetem 
Mund tief respiriert, hebt der Arzt dessen Bein Vorsichtig', in 'der Axe desselben, 
an der Ferse in die Höhe. In dem Augenblick, wo der Patient heftigen Schmerz 
äußert, wird das Bein wieder auf die Unterlage zurückgebracht und eventuell die 
schmerzhafte Stelle zur Beruhigung vibriert. Diese letztere Übung wird täglich, 
anfänglich einmal, später 2—3 mal 1 und noch öfter am Tage wiederholt, wobei 
man die Streckung des Beines in den einzelnen Sitzungen 2—3 mal und selbst 
noch mehrmals wiederholt. Im weiteren Verlauf der Behandlung gehen wir dann 
zu schwierigeren gymnastischen Übungen über: Seitwärtsschwingen des kranken 
sowie auch insbesondere des gesunden gestreckten Beines in immer rascherem 


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Cber Ischiasbehandlang mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. 491 


Tempo, wobei darauf zu achten ist, daß das stehenbleibende Bein ebenfalls stets 
gestreckt bleibt; mit in Hüfte und Knie gebeugtem, gesundem Bein auf einen Stuhl 
treten und Rumpfbeugen usw. Der Hauptzweck all dieser Übungen ist die Er¬ 
reichung einer direkten oder indirekten leichten passiven Dehnung des 
kranken Nerven. Wenn auch die Massage zu Beginn ihrer Anwendung gelegentlich 
etwas schmerzhaft empfunden zu werden pflegt, so wird sie doch im allgemeinen 
in direktem Anschluß an ein Bewegungsbad entschieden besser vertragen. Ich 
betone wiederholt ausdrücklich, daß Massage als primäre Behandlungs¬ 
methode im Initialstadium der Ischias sich nach unseren reichen Erfahrungen 
nicht empfiehlt. Gerade nnsere schwersten und hartnäckigsten Ischias¬ 
fälle waren solche, bei denen gleich vom ersten Augenblick der Krankheit an 
mit der Anwendung der Massage begonnen wurde. 

Neben diesen geschilderten Prozeduren ist besonders auf ausgiebige tägliche 
Mtihlentleerung zu achten, um auf diese Weise unangenehmen Kompressions¬ 
erscheinungen seitens des N. ischiadicus oder Kreislaufstörungen etc. vorzubeugen. 

Die ambulante Behandlung poliklinischer Patienten kommt zur Anwendung 
bei denjenigen Ischiaskranken, welche wegen ihres Leidens selbst die Poliklinik 
'ler hydrotherapeutischen Anstalt aufsuchen oder von anderen Anstalten oder 
Ärzten zugewiesen werden. Aus verschiedenen Gründen konnten dieselben in 
'irr weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle keine Aufnahme auf der Station 
hnden, müssen sich aber doch periodisch zur ärztlichen Kontrolle beim poliklinischen 
Arzt einfinden. Zwar steht natürlich auch die Behandlung im Badepavillon unter 
permanenter ärztlicher Aufsicht, aber bei dem großen Betrieb ist es auch für die 
Arzte, die zusammen hier ihren „Dienst“ verrichten, einfach unmöglich, jeden 
Patienten täglich oder bei seinem jedesmaligen Erscheinen zur Bäderapplikation, 
während der Badezeit noch einzeln genau zu untersuchen. In das Badehaus 
batten sich auch diejenigen Patienten der stationären Abteilung, nach Anweisung 
ihrer Ärzte, zu begeben, welche gehfähig sind oder bei denen die Natur ihres 
Leidens eine Änderung des bisherigen Heilplanes ratsam erscheinen läßt, falls dabei 
Prozeduren nötig sind (schottische Dusche, Dampfstrahl, Lichtbäder usw.), welche 
wegen der baulichen Einrichtung nur im Badepavillon verabreicht werden können 
nnd endlich auch diejenigen, die von der Station zur poliklinischen Nachbehandlung 
entlassen wurden. Auch bei dieser poliklinischen Behandlung werden im 
Anfang häufig Vollbäder mit leichten Bewegungen appliziert und hernach, nach 
Ablauf der akutesten Erscheinungen, Massage angeschlossen, jeweils genau dosiert 
und dem einzelnen Fall individualisierend angepaßt. Mit der fortschreitenden 
Hesserung tritt nun, mit der nötigen Vorsicht, in den Plan der Heilmittel die 
sogenannte schottische Dusche, 1 ) 2 ) d. h. alternierende Anwendung von 
Dampfstrahl und Kaltwasserstrahl. Bei einer größeren Zahl von poli¬ 
klinischen Patienten wird von vornherein schon und auch bei solchen 
Kranken der stationären Krankenhansabteilung, die man, ohne ihnen heftige 
Schmerzen zu verursachen, in den Badepavillon tragen kann, diese schottische 
Dusche vom ersten Augenblick der Behandlung an, nach dem Vorschlag von 
Winternitz’), angewendet. Diese schottische Dusche ist ein mächtiges 

') Winternftz, Blätter für klinische Hydrotherapie 1892. 

*) Buxbaum, Blätter ftlr klinische Hydrotherapie 1894. S. 68. 


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Erregungsmittel, aber speziell der kalte Strahl wird in vielen Fällen 
schlecht ertragen. Besonders aus diesem Grunde hat es sich oft als nicht 
angängig erwiesen, bei akuten oder schweren chronischen Ischiasfällen die 
schottische Dusche gleich zu Beginn der Behandlung in Funktion treten zu lassen; 
in solchen Fällen beginne man stets mit den beruhigenderen, einfachsten nnd am 
wenigsten angreifenden Prozeduren, den warmen Vollbädern. Die Winterniti- 
sehe Schule vertritt die Ansicht, daß in den Fällen von Ischias, in denen die 
schottische Dusche gänzlich versagt, eine Komplikation vorliegt. Einen schlagenden 
Beweis dafür, daß dies in manchen Fällen zutrifft, liefert Brieger. 1 ) 

Den heißen Dampfstrahl, der die Wärme tiefer in den Körper hinein¬ 
leitet, als das heiße Wasser es zn tun vermag, läßt man anfänglich eine, später 
bis zu drei Minuten auf die einzelnen empfindlichen Körperpartien, also haupt¬ 
sächlich auf die kranke Gesäßseite und die Rückseite des kranken Beines, ein¬ 
wirken. Sofort hernach wird ein kalter Strahl von 5—10, hernach 30 bis 
40 Sekunden Dauer auf die gleichen Partien verabfolgt und dieses Wechselspiel 
wiederholt sich drei-, später vier- bis sechsmal. Zum Schlüsse der einzelnen 
Sitzung wird über den ganzen Körper des Patienten erst eine kurze, warme 
Fächerdusche, schließlich eine, nur wenige Sekunden dauernde, kalte Fächer¬ 
dusche hinweggefuhrt. Die Kombination verschiedener Prozeduren trägt 
in erhöhtem Maße auch dazu bei, die Ischiadiker allmählich abzuhärten und 
dadurch nach Möglichkeit vor Rezidiven zu bewahren. Da nun das Personal 
im Badehaus im Verhältnis zu dem großen Betrieb häufig genug unzulänglich 
erscheint, um jedem Patienten die manuelle Massage angedeihen zu lassen, so 
wird, besonders bei denjenigen Patienten, welche der Rekonvaleszenz entgegen- 
gehen, die Vibrationsmassage mittelst des Vibrationsmotors mit elektrischem 
Antrieb benutzt, welche bei vorsichtigem Gebrauch auch ganz gute Resultate 
zeigt, niemals aber die massierende Hand ganz zu ersetzen vermag. 

Zur Unterstützung dieser im Badehaus vorgenommenen Kur muß auch der 
poliklinisch behandelte Patient in gleicher Weise, wie früher (auf der stationären 
Abteilung) angegeben, zu Hause erregende, oder wenn diese nicht vertragen 
werden sollten, andere Umschläge vornehmen nach Maßgabe der weiter oben 
gemachten Angaben. Bemerkt sei ferner noch, daß von sonstigen Methoden 
die Behandlung mit dem konstanten Strom sich oft als Unterstützungsmittel 
der Hydrotherapie und Mechanotherapie bei Ischias uns gut bewährt hat. 

Wichtig erscheint mir der Umstand, nach Abschluß der Behandlung, den 
Leuten die nötigen Aufklärungen mit Verhaltungsmaßregeln mitzugeben, 
die sich aus der hauptsächlichen Ätiologie von selbst ergeben. Besonders sind 
Erkältungen zu meiden, auf die man im großen und ganzen viel zu wenig 
achtet und die doch nach unseren Erfahrungen, häufig genug sowohl das Leiden 
selbst verursachen und verlängern, als auch zu Rezidiven Veranlassung geben. 
Dazu gehört auch das Sitzen auf harten und, was noch wenig bekannt zu sein 
scheint, auf mit Leder überzogenen Sitzen. Gerade das letztere Moment hat 
von uns in einer ganzen Reihe von beobachteten Ischiasfällen als Ursache von 
Verschlimmerung des Leidens nachgewiesen werden können: die Abkühlung vermag 


') Brieger, Charite-Annalen 1901. — Brieger, Berliner klin. Wochenschrift 1902. Nr. 18. 


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Cber Ischiasbehandlung mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. 493 


mit Leichtigkeit die Haut zu durchdringen! In die gleiche Kategorie gehört auch 
das Vermeiden zugiger Aborte etc. 

Mit dieser geschilderten Behandlungsmethode ist der größte Teil der dieser 
Abhandlung zugrunde liegenden Ischiasfälle, soweit sie auf rheumatischer Grund¬ 
lage beruhen, geheilt, zum allermindesten aber erheblich gebessert worden. Die Zahl 
der Heilungen ist allerdings schwer in Prozenten auszudrücken, sie schwankt 
zwischen 80 und 90%. Eine genaue zahlenmäßige Angabe der Heilungeu läßt 
sich aus dem Grunde nicht wohl wiedergeben, weil eben eine genaue Kontrolle 
sich bei der ambulanten Behandlung nur äußerst schwer durchfuhren läßt. Denn 
die große Mehrzahl der Patienten verläßt die Anstalt resp. scheidet aus der poli¬ 
klinischen Behandlung aus, sobald sie sich auch nur einigermaßen arbeitsfähig 
tuhlt und läßt später nichts mehr von sich hören. Die Patienten zeigen sich fast 
durchweg sehr anhänglich; hätte sich ihr Leiden nach der Entlassung verschlimmert, 
so dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß die Mehrzahl derselben 
unsere Anstalt wieder würde aufgesucht haben, wir können also ihr Leiden als 
geheilt betrachten oder doch wenigstens als sehr gebessert. 

Mißerfolge zeigen sich wohl am ehesten bei Komplikationen; nach unseren 
Erfahrungen relativ oft bei Neurasthenie im Gefolge der Ischias. Aber selbst • 
bei Komplikationen konnten wir auf die geschilderte Weise eine gewisse palliative 
Erleichterung schaffen, soweit es eben die anatomische Natur des Hauptleidens 
zaließ. Will man aber bei einem so hartnäckigen Leiden, wie es die Ischias 
leider nur zu oft darstellt, Erfolge erzielen, so muß man, wie oft bei physikalischen 
Heilmethoden, auf •eine unter Umständen lange dauernde Behandlungszeit sich 
gefaßt machen und sich auch dann nicht von einer gelegentlich eintretenden Ver¬ 
schlimmerung während dieser Zeit der Weiterbehandlung abschrecken lassen. 

Denn auch das steht jedenfalls fest, soweit wir bis jetzt unsere Patienten im 
Auge behalten konnten, daß der Prozentsatz der Rezidive, die sich nach 
anderen Behandlungsmethoden einstellen, nach unseren Erfahrungen entschieden 
zurücktritt und daß diese Rezidive, gleichgültig, welche Methode der Behandlung 
vorausgegangen war, nach unserer hier geschilderten Behandlungsart sich rasch 
besserten. 

Daß auch erst nach Verfluß längerer Zeit, nachdem alle anderen Behandlungs¬ 
methoden umsonst waren angewendet worden, Heilung eintreten kann, dafür 
mag uns folgender Fall als lehrreiches Beispiel dienen. Ein Herr, durch die Art 
seiner Berufstätigkeit allen Strapazen der Witterung ausgesetzt, war wegen einer 
Ischias, an der er seit Jahren litt, im Begriff, seinen Abschied einzureichen, weil 
die in den letzten zwei Jahren gebrauchte ärztliche Behandlung, in Badeorten 
Md zu Hause, mit Medikamenten und physikalisch-therapeutischen Eingriffen etc., 
ohne irgend welchen Erfolg geblieben waren, so daß er den schweren Anforderungen 
seines Dienstes nicht mehr zu genügen vermochte. Nach viermonatiger Behand¬ 
lung mittelst der hier geschilderten Methode wurde komplette Heilung erzielt: 
stundenlanges Reiten oder Gehen auf hügeligem Terrain usw. vermag er bei jedem 
Wetter ohne jegliche Beschwerde zu ertragen! Wir erwähnen diesen Fall aus¬ 
drücklich, weil anfänglich auch bei unserer Behandlung in den ersten Wochen der 
Kur schmerzhafte Rezidive eintraten, dann aber bei der methodisch durchgefuhrten 
und sorgfältig überwachten Behandlung schrittweise die Genesung sich vollzog. 


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Ernst Sommer 


Um die Anwendungsweise der geschilderten Methode noch besser dem Leser 
vor Angen zu führen, lasse ich einige einschlägige Krankengeschichten folgen: 1 ) 

I. Fall. Frau Sch., 54 Jahre alt. Aufgenommen am 9. Dezember 1901 auf die 
stationäre Abteilung. Die früher stets gesunde Patientin erkrankte vor zwei Jahren 
ohne bekannte Veranlassung an Reißen in den Beinen, das sich bald hauptsächlich auf 
das linke* Bein lokalisierte. Sie wurde von verschiedenen Ärzten lange Zeit hindurch 
mit Einreibungen und Elektrisieren behandelt, jedoch ohne Erfolg. Im Herbst 1901 
verschlimmerte sich der Zustand so, daß Patientin seit dem 18. Oktober nicht mehr 
arbeiten konnte und sich am 25. November auf eine innere Station der Charite (I. med. 
Klinik) aufnehmen ließ. Da sich unter der dortigen Behandlung (Faradisation, Natr. 
salicyl., später Natr. jodat.) der Zustand der Kranken nicht besserte, so wurde sie am 
9. Dezember 1901 nach der hydrotherapeutischen Abteilung verlegt. 

Status. Äußerst korpulente Frau (97,1 kg), innere Organe gesund. An der 
Rückseite des linken Oberschenkels sind die typischen Ischiadikuspunkte auf Druck 
äußerst schmerzhaft. Ebenso besteht starke Druckempfindlichkeit an der Außenseite 
des linken Unterschenkels (Peroneusgebiet). Die Streckung des linken Knies bei gleich¬ 
zeitig gebeugter Hüfte ist w f egen hochgradiger Schmerzen nicht ausführbar, ebensowenig 
die Beugung des linken Oberschenkels im Hüftgelenk bei gleichzeitig gestrecktem Knie. 
Patientin kann nur unter großen Schmerzen und von beiden Seiten unterstützt, mühsam 
einige Schritte gehen. 

Therapie. Dampfkompressen auf die linke Hüfte, täglich eine Stunde, 2mal. 
Nachts erregende Umschläge. Außerdem am 

II. Dezember schottische Dusche mit nachfolgender Massage. 

12. Dezember. Vollbad 37°, 10 Minuten Dauer mit Bewegungen und Massage. 

13. Dezember. Patientin, die bei ihrer Aufnahme wegen der starken Ischias¬ 
schmerzen nachts nicht schlafen konnte, schläft jetzt gut; die Schmerzen haben deutlich 
nachgelassen. Schottische Dusche mit Massage. 

14. Dezember. Schottische Dusche mit Massage. 

15. Dezember. Schlaf gut, weiterer Nachlaß der Schmerzen, heute, Sonntag, um 
Dampfkompressen. 

16. Dezember. Vollbad 39°, 15 Minuten mit Bewegungen und Massage. 

17. Dezember. Schottische Dusche. 

18. Dezember. Patientin hat nur noch wenig Schmerzen (nach 4mal schottischen 
Duschen und zwei Vollbädern). Die Druckempfindlichkeit der Ischiadikuspuukte ist 
fast völlig geschwunden; die passive Streckung des linken Beines ist wieder ausführbar, 
da fast schmerzlos. Patientin kann wieder auf der linken Seite liegen und sitzen, was 
vorher unmöglich w r ar und kann vor allem auch wieder etwas gehen. Schottische 
Dusche mit Massage. 

19. Dezember. Vollbad 40°, 15 Minuten mit Massage. 

20. Dezember. Vollbad 40°, 15 Minuten mit Bewegungen und Massage. 

21. Dezember. Schottische Dusche. 

22. Dezember. Entlassung. 

Patientin erhielt also im ganzen 6mal schottische Duschen, vier heiße Voll¬ 
bäder mit Bewegungen und nachfolgender Massage. Die Druckschmerzhaftigkeit 
der Ischiadikuspunkte ist völlig geschwunden. Schmerzen bei Streckung des linken Knies 
bei gleichzeitig gebeugter Hüfte sind noch in ganz unbedeutendem Maß vorhanden, da¬ 
gegen sind die Schmerzen bei Beugung des gestreckten Beines im Hüftgelenk völlig 
geschwunden. Patientin kann jetzt in gerader Haltung, ohne Schmerzen und 
ohne Unterstützung gehen; spontane Schmerzen sind nicht mehr in nennenswertem 
Maß vorhanden, der Schlaf ist durch die Schmerzen nicht mehr gestört. Patientin wird 
auf ihren Wunsch entlassen. 


J ) Bricger, Über Ischiasbehandlung. Berliner klinische Wochenschrift 1902. Nr. 1& 

S. 400. 


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Über Isehiasbehandlung mittelst physikalisch-therapeutischer Heilmethoden. 495 


Poliklinische Patienten. 

2. Fall. Sch., 54 Jahre, Eisenbahnschaffner. Aufgenommen am 16. November 1901. 
Klagt seit 3 / 4 Jahren über Kreuzschmerzen, die seit voriger Woche besonders stark ge¬ 
worden sind. Vorhergehende Behandlung mit Jodpinselung war erfolglos gewesen. Die 
Tntersnchnng ergibt typische Ischias sinistra. 

Therapie. Zuerst zweimal wöchentlich Lichtbäder und Massage. Am 4. Dezember 
war schon erhebliche Besserung eingetreten, jedoch waren die Druckpunkte des linken 
khiadikns noch in starkem Maß druckempfindlich. Es wurden daher dreimal wöchentlich 
schottische Strahlen verordnet, mit dem Erfolg, daß bereits am 30. Dezember eine sehr 
bedeutende Besserung eingetreten war, die Schmerzen erheblich nachgelassen hatten, und 
auch objektiv die Druckschmerzhaftigkeit der Ischiadikuspunkte ganz verschwunden war. 

3. Fall. Frau B., 40 Jahre. Klagt seit vielen Jahren über heftige Schmerzen 
im Kreuz und im linken Bein. War bisher mit Elektrisieren ohne Erfolg behandelt 
wurden. Aufnahme am 16. November. Befund: Typische Ischias sinistra. Therapie: 
viermal wöchentlich schottische Dusche und nachfolgende Massage. 

11. Januar. Bedeutender Nachlaß der Schmerzen. 

7. Februar. Schmerzen fast völlig geschwunden. Die Druckschmerzhaftigkeit 
des Nervus ischiadicus in der Gesäßgegend, die früher sehr hochgradig war, ist jetzt 
nicht mehr vorhanden, ebenso sind die früher heftigen Schmerzen bei Streckung des 
linken Beines völlig geschwunden. 

4. Fall. B., 36 Jahre, Maurer. Aufgenommen am 13. März 1901. Behandlung 
ca elf Wochen. Patient klagt seit 3 / 4 Jahren über heftige Schmerzen im rechten Bein 
und in der rechten Hüfte und ist deshalb seit dieser Zeit arbeitsunfähig. Die Unter¬ 
gang ergibt typische Symptome einer Ischias dextra. Therapie: Schottische Dusche 

Massage zweimal wöchentlich. 

2. April. Wesentliche Besserung, Schmerzen zum großen Teil schon zurückgegangen. 

20. April. Patient hat beim Gehen überhaupt keine Schmerzen mehr, nur das 
Böcken fällt ihm noch schwer. Die spontanen Schmerzen sind fast gar nicht mehr vor¬ 
handen. Von jetzt ab nur noch einmal wöchentlich schottische Strahlen. 

31. Mai. Patient arbeitet wieder seit vier Wochen, ist völlig frei von Beschwerden. 
All* Bewegungen, auch das Bücken, sind leicht und gänzlich schmerzlos ausführbar, 
hi* Druckempfindlichkeit der Ischiadikuspunkte ist gänzlich geschwunden. 

5. Fall. Z., 53 Jahre, Modelltischler. Aufgenommen am 9. August 1901, klagt 
einigen Tagen über starke Schmerzen im linken Bein, die besonders des Nachts 

heftig auftretem und den Schlaf hindern. Er führt sein Leiden auf das viele Stehen 
zurück. Es findet sich die typische Druckschmerzhaftigkeit links: Ischias sinistra. 
Therapie: Warme Einpackung des Beines zu Hause, ebenfalls zu Hause jeden 
dritten Tag Schwitzen in trockener Packung. 

23. August. Erhebliche Besserung, keine Druckschmerzhaftigkeit mehr, nur noch 
leichte Ermüdbarkeit des linken Beines. Verordnung: Dampfstrahl; Massage dreimal 
wöchentlich in der Anstalt. 

12. September. Es bestehen keine Schmerzen mehr, weder in der Ruhe, noch beim 
Gehen oder Treppensteigen; ebenso ist die Druckschmerzhaftigkeit der Ischiadikuspunkte 
völlig geschwunden. Appetit und Schlaf gut. Patient wird geheilt entlassen. 

22. Februar 1902. Patient hat keine ischiadischen Beschwerden mehr, fühlt sich 
völlig gesund. 

6. Fall. Frau P., 57 Jahre. Aufgenommen am 2. Juli 1902. Seit einem Jahre 
heftige Schmerzen im linken Bein. Bisher angeblich mit Elektrisieren behandelt. Es 
*Men sich links die typischen Druckpunkte: Ischias sinistra. Therapie: Schottische 
Stahlen zweimal wöchentlich. Zu Hause Dampfkompressen. 

2. Oktober. Bedeutende Besserung. Noch zweimal wöchentlich heiße Vollbäder von 
nüt Bewegungen und Massage. 

13. November. Ischiassymptome fast ganz geschw unden, nur hier und da noch 
leichtes Ziehen im linken Bein. 


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496 Ernst Sommer, Über Iscbiasbehandlung etc. 

7. Fall. L., Postschaffner, 35 Jahre, Ischiaß dextra. Ätiologie: Erkältung. 
Drei Monate lang, wöchentlich dreimal, in einer Lichtheilanßt&lt ohne Erfolg behandelt. 
Seit Anfang Mai im hiesigen Institut in Behandlung. Beim Patienten hat sich bereits 
eine Skoliose infolge Ischias entwickelt. Patient hat große Schmerzen bei Beugung und 
Streckung des rechten Beines, er ist gänzlich dienstunfähig. 

Im Mai und Juni wurde Patient zweimal wöchentlich mit roten Lichtbädern and 
nachfolgenden wechselwarmen Duschen behandelt. Da indes nur geringe Besserung eintet, 
so wurde Mitte Juli eine andere Behandlungsmethode eingeführt. Patient erhielt jetzt 
wöchentlich zweimal Lichtbäder und zweimal Vollbäder 38° C 15 Minuten, sog. Bewegungs¬ 
bäder und wurde nach dieser Prozedur massiert. Seit dieser Zeit trat eine wesentliche 
Besserung ein. Während des Monats August verschwanden die Schmerzen im rechten 
Bein vollständig und die Bewegungen des rechten Beines verursachten keine Schmerzen 
mehr. Die Skoliose verschwand auch allmählich. Anfangs September wurde die Besserung 
vollständig und Patient erwerbsfähig entlassen. 

8. Fall. Frau G., 31 Jahre, Ischias duplex. Ursache angeblich Erkältung. 
Kein Zucker, kein Eiweiß. Seit ca. 2Va Jahren krank. Behandlung bisher ohne Erfolg, 
so auch die zuletzt zwei Monate lang in einer Massageanstalt täglich durchgefiihrte 
Massage. Dieselbe verursachte nur große Schmerzen und Patientin fühlte sich nachher 
unsäglich matt und geschwächt. Seit Anfang September in unserer Anstalt in Behandlung. 
Starke Skoliose. Nächtlicher Schlaf wegen starker Schmerzen oft unterbrochen. Nur 
mit Mühe und Not konnte sie zehn Minuten lang mit Hilfe eines Stockes im Zimmer hin- 
und hergehen. Außer typischen Druckpunkten in beiden Ischiasbezirken war auch die 
Lumbalgegend äußerst empfindlich spontan und auf Druck. Patientin wurde wöchentlich 
viermal behandelt. Da Lichtbäder und Duschen nicht vertragen wurden, erhielt Patientin 
nur Bewegungsbäder von 38° C, 15 Minuten Dauer, mit nachfolgender Massage. All¬ 
mählich trat Besserung ein, so daß Patientin Ende Januar gänzlich geheilt entlassen 
werden konnte. Die Skoliose war verschwunden, ebenso die schmerzhaften Druckpunkte, 
die aber auf ganz starken Druck noch leicht empfindlich sind. Patientin konnte ohne 
jede Beschwerden stundenlang marschieren. 

Solcher Fälle ließen sich aus dem reichhaltigen Material unserer Kasuistik 
eine große Anzahl auffuhren. Viele von den in der Anstalt behandelten Ischias- 
kranken sind schon anderweitig mit allen möglichen Agentien behandelt worden 
und angesichts der auch bei fast verzweifelten Fällen recht häufig eintretenden 
Besserungen und Heilungen wird sogar der Skeptiker die Vortrefflichkeit der 
Briegerschen Methode zugestehen müssen. 

Was die Folgezustände von Ischiaserkrankung betrifft, so sei bemerkt, 
daß die bei schweren Ischiasfallen manchmal zurückbleibenden Skoliosen und 
die abnormen Sensibilitätserscheinungen, Parästhesien an verschiedenen Gliedern. 
Gefühl von Verkürzung des Beines, von unangenehmer Spannung etc. oft sehr 
lästige Beschwerden verursachen. Bei den Skoliosen bewährten sich uns am 
besten methodische, besonders aktive Turnübungen; oft ist auch, nachdem 
die Ischias unter Umständen schon lange geschwunden, eine orthopädische 
Skoliosen-Nachbehandlung notwendig. Die Parästhesien werden am besten 
durch Massage beeinflußt: leichte und längere Zeit fortgesetzte Streichmassage, 
ohne tief einzudrücken, auch Abreibungen, erst mit trockenen, dann mit etwa? 
Spiritus leicht getränkten Flanellappen; nach der feuchten Abreibung folgen dann 
noch einige trockene Reibungen. Auch bei hartnäckigen Fällen hat sich uns 
diese Behandlung vorteilhaft bewährt. 

Selbstverständlich ist die geschilderte Methode kein Allheilmittel, keine 
Panacee, aber jedenfalls führt sie bei Anwendung der nötigen Geduld und genügend 


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M. Erahn, Übor einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. 


497 


langer, zweckmäßiger Fortsetzung immer zum Ziel; immer natürlich unter der 
Voraussetzung, daß sie methodisch ausgeführt werde und keine sonstigen, kompli¬ 
zierenden Grundleiden vorliegen. Jeder Schematismus soll verbannt werden; indi¬ 
vidualisierend müssen wir Vorgehen und uns immer bewußt bleiben, daß der „Fall“ 
ein denkender und fühlender Mensch ist! Aber gerade das Einfache der Methode 
mag vielleicht manchen an ihrer Wirksamkeit zweifeln lassen, der da meint oder 
gewohnt ist, nur mit dem nötigen „Pomp“ oder möglichst ausgiebiger, medika¬ 
mentöser Therapie auszukommen; unser Vorgehen ist ein Beweis für die Richtigkeit 
des alten Wortes: Simplex veri sigillum. 

Am Schlüsse meiner Abhandlung angelangt, erfülle ich nur eine freudige 
Pflicht, wenn ich meinem hochgeehrten Lehrer, Herrn Geh. Medizinalrat 
Prof. Dr. L. Brieger, meinen herzlichsten Dank ausspreche, einmal für 
die gütige Überlassung des außerordentlich reichhaltigen Materials 
der seiner Leitung unterstellten Anstalt und sodann ganz besonders 
anch für die freundliche Aufnahme, die ich Jahr für Jahr, wenn meine 
Studienreisen mich nach Berlin führen, allzeit bei ihm gefunden habe. 


III. 

Über einen einfachen Ersatz des elektrischen 
Vierzellenbades. 

Kritische Bemerkungen zur Aufklärung. 

Aus der Ernst Ludwigs-Heilanstalt zu Darmstadt. 

Von 

Dr. M. Kralin. 

In Xr. 38, Jahrgang 52 der „Münchener medizinischen Wochenschrift“ be¬ 
schreibt Herr Privatdozent Dr. H. Winternitz zu Halle a. S. einen einfachen 
Krsatz des sogenannten elektrischen Vierzellenbades (nach Dr. C. E. Schnöe), 
der nach seinen Angaben von der Firma W. E. Hirschmann zu Berlin in 
kompendiöser, jederzeit gebrauchsfertiger Form ausgearbeitet ist. 

Winternitz hat die vier Wannen des Schnöeschen Instrumentariums 
durch vier große Plattenelektroden (entsprechend geformte, mit einer dicken, gut 
durchnäßten Flanellage beschickte Metallplatten) ersetzt, die auf einem mit einer 
einfachen Schaltvorrichtung versehenen Tisch bzw. auf dessen Fußbrett an¬ 
gebracht sind. Dieser muß seinerseits natürlich zur Ausführung der allgemeinen 
Hektrisation mit einer Stromquelle verbunden werden, als welche jeder beliebige 
galvanische und faradische Apparat genügt, vorausgesetzt, daß derselbe eine aus¬ 
reichende Stromstärke liefert. 

Wenn jemand auf irgend einem Gebiete einen neuen Apparat angibt und 
empfiehlt oder auch nur die Vereinfachung eines schon bestehenden Apparates 

ZeiNchr. t. diät. n. physik. Therapie IM. IX. Heft B. M 


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498 M. Krahn 


vorschlägt, so ist man wohl berechtigt anzunehmen, daß das neue Instrumentarium 
den schon bestehenden gegenüber gewisse Vorzüge aufweist, zum mindesten aber 
ihnen ebenbürtig sei. Dieses dnrchaus berechtigte Verlangen muß man auch wohl 
an den neuen Winternitzschen Apparat stellen. 

Winternitz sucht in seinem Artikel denn auch nachzuweiseu, daß sein 
Apparat dem Schnöeschen Vierzellenbade in jeder Hinsicht ebenbürtig und gleich¬ 
wertig sei in Handhabung, Anwendungsweise und Wirkung, und sogar noch 
gewisse Vorzüge vor demselben voraus habe. Er sei preiswerter, vermeide das 
Monopol, welches das Vierzellenbad als Methode angeblich für sich beansprucht, sei 
dadurch dem allgemeinen ärztlichen Gebrauch zugänglicher und geeignet, das 
elektrische Vierzellenbad seines besonderen Nimbus zu berauben. 

Leider kann ich die Beweisführung von Herrn Dr. Winternitz als stich¬ 
haltig nicht anerkennen. Seine Behauptungen widersprechen in jeder Beziehung 
den Erfahrungen, die wir seit einer längeren Reihe von Jahren — die hiesige 
Anstalt war wohl die erste, welche versuchsweise ein Vierzellenbad aufgestellt 
hat — mit der Anwendung desselben gemacht haben. 

I. Schon die einfache Beschreibung der Konstruktion des Winternitzschen 
Apparates und seiner Wirkung läßt eine Reihe von Mängeln erkennen, die zwar 
durch die sogenannte Vereinfachung entschuldbar sind, in ihrer Gesamtheit jedoch 
einen Rückschritt bedeuten. 

1. In Beantwortung der bei Vergleich der beiden Instrumentarien wichtigsten 
Frage, ob die Plattenelektroden in bezug auf die verwendbare Stromstärke das 
gleiche wie die Zellenelektroden leisten, und zwar namentlich im Hinblick auf 
'die Empfindlichkeit der Patienten, stellt Winternitz die Behauptung auf, dal 
„es vollkommen gleichgültig sei, ob das Wasser in den Fuß- bzw. Armwanner. 
5 oder 50 cm hoch stehe, und kommt im Verfolg dieser Anschauung zu d« 
Annahme, daß eine Elektrode, welche die Fußsohle aufnimmt“ (also der von ihm 
in Vorschlag gebrachten Plattenelektrode entspricht) „genau die gleichen Er¬ 
scheinungen (?) auslösen wird wie ein Fußbad“ (!?). 

Bei der Beweisführung, auf Grund deren Winternitz zu dieser Hypothese 
gelangt, passiert ihm aber leider ein offenkundiger Trugschluß. Auf der einen 
Seite nämlich gibt Winternitz zu, daß „der ganze Teil der Extremität, welcher 
in das Wasser eintaucht, als Elektrode fungiert und somit der Strom auch bei 
großer Intensität doch mit einer relativ geringen Dichte an der Elektrode in den 
Körper ei nt ritt“, während er auf der anderen Seite betont, daß die „Verhält¬ 
nisse sich sofort dort ändern, wo die Extremität das Wasser verläßt (?), da sieh 
an dieser Stelle der Querschnitt, den der Strom passieren muß, plötzlich um 
ein vielfaches verengt, und der Strom nun gezwungen ist, in ein schmales Bett 
eingezwängt, seinen Weg in den Körper zu nehmen“. 

Der Fehler bei dieser Deduktion ist wohl leicht zu ersehen. Denn Herr 
Winternitz stellt ohne weiteres diesen Querschnitt der Extremität, „den der 
Strom passieren muß“, gleich der Hautfläche, durch welche derselbe bei An¬ 
wendung seines Apparates ein tritt. Er übersieht also vollkommen, daß es sich 
an dem erwähnten Querschnitt der Extremitäten nicht mehr um eihe Eintritts¬ 
stelle des Stroms in den Körper handelt, wie bei den auf die Plattenelektroden 
aufgedrückten Hand- und Fußflächen, sondern schon um eine Stelle des Pas- 


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Über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. 


sierens, and daß also der Strom an dieser Stelle für die Empfindlichkeit des 
Patienten überhaupt nicht mehr in Betracht kommt. — Diese Art der Beweis¬ 
führung muß uns um so eigentümlicher berühren, als Winternitz selbst kurz 
vorher von einem Passieren dieses Extremitätenquerschnitts durch den Strom ge¬ 
sprochen hat. 

Daß es nicht irrelevant ist, ob das Wasser in den Wannen nur 5 oder 
50 cm hoch steht, bzw. ob es sich nur um angefeuchtete Plattenelektroden 
handelt, das lehrt allein schon ein einfacher praktischer Versuch. Ein jeder, der 
einmal ein elektrisches Vierzellenbad genommen hat, weiß, daß beim Einschleichen 
des elektrischen Stroms derselbe in den Armen mit den viel kleineren Berührungs¬ 
flächen infolge seiner entsprechend größeren Dichtigkeit weit eher gespürt wird, 
als in den Beinen mit ihren viel größeren Oberflächen. — Oder — hebt man beispiels¬ 
weise während der Elektrisation im Vierzellenbade bei einer kaum sich fühlbar 
machenden Stromstärke eine der eingetauchten Extremitäten langsam aus dem 
Wasser, vermindert also die Elektrodenfläche an dem betreffenden Gliede, so wird 
man sofort den Strom in immer zunehmender, häufig bis zur lästigen Empfindung 
sich steigernder Stärke spüren, auch wenn schließlich nur die Handinnenfläche 
bzw. die Fußsohle auf dem Wasser aufliegen. 

Was nun die Frage der Hautsensibilität anlangt, — wohlverstanden nicht 
ftwa die Empfindlichkeit bei Applikation verschieden großer Elektrodenflächen, 
sondern die verschiedene Empfindlichkeit bestimmter Hautflächen gegenüber dem 
elektrischen Strom, die Winternitz im Interesse seines Apparates besonders be¬ 
tonen zu müssen vermeint, — so hat uns die langjährige praktische Erfahrung 
an der Hand von Tausenden von Applikationen gezeigt, daß eine derartige Diffe¬ 
renz, wie er sie zwischen Beuge- und Streckseite der Extremitäten gegenüber 
dem elektrischen Strom annimmt, für die Wannenelektrisation (im elektrischen 
Vierzellenbade) sicherlich nicht besteht. Wenn über Schmerzempfindung bei 
größerer Stromstärke überhaupt geklagt wurde, so handelte es sich meist nur um 
ihres Epithels beraubte Hautpartien. Da nun an den Fußsohlen und den Hand¬ 
innenflächen die Schweißdrüsen viel reichlicher verteilt sind als auf den Streck- 
seiten und infolge der hierdurch bedingten Maceration der Haut, besonders im 
Sommer, man an den ersteren sehr viel eher nicht intakte Hautstellen als an 
den letzteren antreffen wird, — von den Schädigungen, die durch die natur¬ 
gemäß größere Abnutzung der Beugeflächen bei der täglichen Arbeit entstehen, 
ganz abgesehen —, so dürfte schon aus diesem Grunde die Benutzung lediglich 
von Handinnenflächen und Fußsohlen zur allgemeinen Elektrisation nicht gerade 
sehr glücklich gewählt sein. 

Übrigens ersehe ich aus der dem Artikel beigegebenen Abbildung, daß außer 
den Handinnenflächen auch die Handwurzeln und die daran angrenzenden Haut¬ 
flächen der Beugeseite des Vorderarms auf die Plattenelektroden mit aufzulegen 
sind und gerade das Eintreten des Stroms in diese hat Winternitz mit dafür 
verantwortlich gemacht, daß die Schmerzhaftigkeit im Armbade im allgemeinen 
größer sei als bei Benutzung seiner Plattenelektroden. 

Ferner will es mir nicht einleuchten, daß bei reizbarer Haut im Vierzellen¬ 
bade sogar eine viel intensivere Schmerzempfindung ausgelöst werden soll als auf 
'l*n Plattenelektroden. Das Verhalten der einzelnen Patienten im Hinblick auf 

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M. Kratin 


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ihre Empfindlichkeit gegenüber dem elektrischen Strom ist natürlich ein individuell 
außerordentlich verschiedenes, eine Erfahrung, die nicht nur wir, sondern auch 
andere beim elektrischen Vierzellenbade gemacht haben, aber ebenso auch bei 
Gebrauch der gewöhnlichen Plattenelektroden. So sind uns in unserer lang¬ 
jährigen Praxis bei der Anwendung des Vierzellenbades Fälle vorgekommen, bei 
denen noch nicht einmal 3 Milliampere vertragen wurden, während andere 
Patienten selbst 25 Milliampere und darüber ohne Beschwerden aushielten. Ein 
gleiches Verhalten haben wir aber auch bei Benutzung von Plattenelektroden, 
natürlich unter entsprechender Reduktion der Stromintensität, reichlich zu beob¬ 
achten Gelegenheit gehabt. Da es sich nun sowohl beim Winternitzschen 
Apparate wie auch beim elektrischen Vierzellenbade nur um den elektrischen 
Strom als solchen handelt, dem gegenüber sich der eine empfindlicher verhält 
wie der andere, so kann von einem Unterschied beider Verfahren in dieser Hin¬ 
sicht wohl nicht die Rede sein. 

2. Was den Hautwiderstand gegenüber dem in den Körper eintretenden 
elektrischen Strom anlangt, so ist ohne weiteres klar, daß derselbe bei so guter 
Durchfeuchtung der Haut, wie sie im warmen Wasserbade erfolgt, ein ungleich 
geringerer sein muß als beim Auflegen der Hautflächen auf selbst gut durch¬ 
feuchtete Plattenelektroden. 

Wenn Winternitz in dieser Beziehung behauptet, daß bei Verwendung 
seiner Plattenelektroden der Hautwiderstand in vollkommen ausreichender Weise 
überwunden ist, und den Beweis darin zu finden glaubt, daß die Stromstärke beim 
Sistieren in der Zuführung von Strom nicht weiter anwächst, so halte ich diese 
Notierung einer längst bekannten Tatsache für äußerst überflüssig und durchaus 
nicht geeignet, seinen Elektrisationsapparat in einem besonderen Lichte erscheine! 
zu lassen. Es ist doch kein experimenteller Beweis für die Güte von den 
Winternitzschen Elektroden, wenn schließlich auch bei ihnen durch genügende 
Befeuchtung allmählich der Hautwiderstand überwunden wird. Daß dieses bei 
kleineren Elektroden nicht mit der gleichen Schnelligkeit erfolgt, liegt doch 
auf der Hand, da bei ihnen die Durchfeuchtung der Haut weniger rasch zu er¬ 
reichen ist. 

Wenn aber Herr Winternitz, worauf es ihm doch allein ankommen muß, 
einen Vergleich in dem Überwinden des Hautwiderstandes bei Anwendung seines 
Apparates und des Vierzellenbades hätte anstellen wollen, so durfte er sich nicht 
allein auf die Angaben des Milliampäremeters beschränken, sondern hätte auch 
Widerstandsberechnungen anstellen müssen, die bekanntermaßen nur unter gleich¬ 
zeitiger Berücksichtigung des Voltmessers, der an jedem guten Elektrisations- 
apparate vorhanden sein sollte, möglich sind. 

3. Sodann stellt Winternitz die Behauptung auf, daß „bei Anwendung der 
Fußplattenelektroden“ und mutatis mutandis auch der Handelektroden „der ganze 
Fuß in annähernd gleicher Stärke vom Strom durchflossen wird, die Wirkung des 
Stromes sich mithin gleichmäßig fast auf den ganzen Fuß erstreckt, während im 
Bad (?) die Stromwirkung für den eingetauchten Teil geringer ist und erst an den 
Austrittstellen der Extremitäten (?) eine Verstärkung erfährt“. 

Hier macht sich Herr Winternitz des gleichen Trugschlusses schnldig, 
dessen ich ihn schon oben überführen mußte. Daß bei so großen Elektroden, wie 


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Über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vicrzellcnbadcs. 501 


wir sie im Vierzellenbade anwenden, der Strom schon nach Eintritt in den 
Körper und damit auch an dem im Wasserniveau liegenden Querschnitt der ein¬ 
getauchten Extremitäten an Dichte zunehmen muß, ist doch selbstverständlich und 
kann nach den physikalischen Grundbegriffen auch gar nicht anders der Fall sein. 
Hieran wird auch der Winternitzsche Apparat nichts ändern. Auch hier sind 
die Berührungsflächen mit den Elektroden größer wie oberhalb derselben gelegene 
Querschnitte der Extremitäten, z. B. die Knöchelgegend im Vergleich zur 
Fußsohle und das Ellenbogengelenk im Vergleich zur Handinnenfläche und zur 
benachbarten Beugeseite des Vorderarmes; ergo muß an diesen Stellen doch auch 
notgedrungenerweise eine Verdichtung des auf den Fuß usw. angeblich gleich¬ 
mäßig verteilten elektrischen Stromes stattfinden. 

4. Eine allgemeine Elektrisation nimmt im Durchschnitt wenigstens 10 bis 
15 Minuten in Anspruch. Es ist mir nun mindestens fraglich, ob ein Patient, 
besonders ein nervöser, imstande ist, so lange seine Hand- und Fußflächen gleich¬ 
mäßig auf die Plattenelektroden aufzudrücken; denn Winternitz gibt selbst zu, 
daß sie nicht zu lose aufgelegt werden dürfen und daß nur die Stärke des 
Druckes irrelevant sei. Es bedarf doch wohl ziemlicher Anstrengung, während 
einer immerhin beträchtlichen Zeit ruhig dazusitzen, und bedeutet eine recht 
barte, für einen Nervösen kaum mögliche Zumutung. Lüftet aber ein Patient, um 
>ifh diesen quälenden Zwang zu erleichtern, die Hände oder Füße, so ist der 
'■trom auf die verkleinerten Berührungsflächen angewiesen und muß in seiner 
vorher unempfindlichen Stärke durch Zunehmen der Stromdichte schmerzauslösend 
wirken. 

Dazu käme dann noch das durch die Anstrengung des langen Ruhigsitzens 
bedingte Steifigkeitsgefühl in den Gliedern, so daß eine derartige Anwendungsweise 
des elektrischen Stroms wohl kaum als Annehmlichkeit von den Patienten 
empfunden werden dürfte. 

Im elektrischen Vierzellenbade dagegen sind derartige kleine Bequemlichkeits¬ 
bewegungen, die das lange Ruhigsitzen erträglich machen, bei den großen 
Elektrodenflächen und dem naturgemäßen Anschmiegen des Wassers an den eiu- 
getauchten Körperteil ganz belanglos. Überhaupt ist ja an sich schon die Haltung 
beim Vierzellenbade eine viel zwanglosere als bei Anwendung des Winternitz- 
schen Apparates, bei dem Handinnenflächen und Fußsohlen gleichmäßig auf die 
Elektroden aofgedrückt werden müssen. 

Infolgedessen dürfte der letztere namentlich auch bei Kindern kaum in An¬ 
wendung gebracht werden können, eben weil bei ihnen ein so langes Ruhigsitzen 
sich erst recht nicht durchführen läßt. Ein Gleiches trifft zu ftir alle Kranken, 
«He mit Mnskelzuckungen, gröberem Tremor (z. B. Chorea, Paralysis agitans usw.) 
behaftet sind. Ganz ausgeschlossen aber ist die Behandlung solcher Patienten 
mit dem Winternitzschen Apparat, welche an Kontrakturen (nach Hemiplegien, 
infolge Muskelspasmen irgendwelcher Art usw.) oder an Stellungsanomalien in¬ 
folge von Verletzungen usw. leiden, überhaupt in allen den Erkrankungsfallen, 
wo es unmöglich ist, Fußsohlen und Handinnenflächen gleichmäßig flach aufzulegen. 
Im elektrischen Vierzellenbade aber lassen sich alle diese Fälle bequem und ohne 
nennenswerte Schwierigkeiten behandeln, und gerade die erwähnten Nerven¬ 
erkrankungen sowie die Folgezustände nach Verletzungen und Operationen stellen 


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M. Krahn 


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ein Hauptkontingent für die Anwendung des elektrischen Stromes. (Hoffa, 
Lossen.) 

5. Weiterhin ist die Elektrisation im Vierzellenbade hygienisch viel zweck¬ 
mäßiger und einwandfreier als die Benutzung von Plattenelektroden. — Zu jeder 
Elektrisation müssen beim Vierzellenbade die Wannen mit frischem Wasser gefällt 
werden; außerdem ist durch Herstellung derselben aus Porzellan und neuerdings 
auch aus Glas dafür gesorgt, daß sie immer leicht in tadellos sauberem Zustande 
gehalten werden können. 

Ein Gleiches kann man von der Flanellbedeckung — überdies noch polari¬ 
sierbarer — Metallplatten nicht sagen, in und auf der von dem verdunstenden 
Wasser manche Bestandteile bzw. von der direkt mit ihr in Berührung gebrachten 
Körperhaut infolge der Feuchtigkeit sich ablösende Epidermisschuppen, Schweiß, 
Fett oder makroskopisch nicht sichtbarer Schmutz Zurückbleiben. Es ist gerade 
kein sehr beruhigender Gedanke, von einer so ausgestatteten Elektrode die von 
einem Vorgänger zurückgelassenen Deposita teils durch das lange Andrücken von 
Fußsohlen und Handinnenflächen, teils auch durch kataphorische Wirkung mit- 
nehmen zu müssen. — Um den Elektroden aber ein appetitlicheres Äußere zu geben, 
wird man an und für sich auch schon recht oft zur Erneuerung des Überzuges ge¬ 
nötigt sein, was ja bei den gewöhnlichen Plattenelektroden sich schon recht lästig 
geltend macht, ebenso wie die leicht auf tretende Oxydation der Metallflächen, welche 
zu einer ungleichmäßigen Verteilung des einzufübrenden Stroms Anlaß gibt. 

6. Im Schn6eschen Instrumentarium betätigt der galvanische Strom nach¬ 
gewiesenermaßen auch seine kataphorische Wirkung, die nur bei Anwendung 
so großer Elektrodenflächen, wie sie das Vierzellenbad uns bietet, sich in ans¬ 
gedehnter Weise zu therapeutischen Zwecken heranziehen läßt. 

Es ist hierunter die Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit und des hydro¬ 
dynamischen Druckes zu verstehen, welche ein galvanischer Strom hervorruft, 
wenn er den Hauptstamm einer Arterie in der Richtung des Blutstromes durch¬ 
läuft, eine Tatsache, die Zickel experimentell begründet hat und die auch wir in 
der Praxis häufig zu beobachten Gelegenheit hatten. Daß diese kataphorische 
Wirkung bei der Behandlung vieler pathologischer Zustände von nicht zu unter¬ 
schätzender Bedeutung ist, liegt wohl auf der Hand. 

7. Eine Medikament-Kataphorese ist gleichfalls im elektrischen Vierzellen¬ 
bade möglich. — Dieselbe ist zuerst experimentell für dieses sichergestellt von 
Dr. Gerlach im Institut für Chemie und Hygiene zu Wiesbaden, dessen Resul¬ 
tate später von Dr. A. Schn6e (einem Sohn des Karlsbader Badearztes) und 
Dr. Lippert auf der Klinik des Professors Dr. Pribram zu Prag durch eine 
Reihe Vöü Kontröllversuchen bestätigt wurden. 

Diese Medikament-Kataphorese, über welche vorläufig allerdings die Akten 
noch nicht geschlossen sind, die aber wissenschaftlich wie praktisch heutzutage 
alle Berücksichtigung verdient, ist bei dem Winternitzschen Instrumentarium 
natürlich absolut ausgeschlossen. 1 

8. Will man beim Elektrisieren gute Erfolge erreichen, so ist es unbedingt 
erforderlich, daß man mit den Methoden der Anwendung des elektrischen Stroms 
vertraut ist und streng zu individualisieren versteht. Ein Stümper wird auch 
mit dem besten Instrumentarium keine Erfolge erzielen. Andererseits bedarf man 


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Über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellenbados. 503 


aber auch eines mit Milliamperemeter und Präzisions-Voltmesser ausgestatteten, 
eine exakte Dosierung zulassenden, technisch möglichst vollkommenen Apparates. 
Zwei derartige Apparate für faradischen und galvanischen Strom sind aber 
mindestens unbedingt erforderlich, wenn man die Winternitzsche Konstruktion 
in Gebrauch nehmen will. 

Die Schaltschränke, welche nach den Angaben Schnees in kompendiöser 
and übersichtlicher Form für sein elektrisches Vierzellenbad heute konstruiert 
werden, gestatten aber, neben der Applikation des faradischen und galvanischen 
Stroms sowie der Kombination dieser beiden auch noch unter anderem den drei¬ 
phasigen Wechselstrom verabfolgen zu können, stellen jetzt also in der Tat ein 
ideales Instrumentarium dar, nachdem Kurelia die erste Anregung zu dieser voll¬ 
kommeneren Ausgestaltung gegeben hat. 

Auf die Möglichkeit, einen derartig kompletten Schaltschrank, wie ihn die 
Firmen Reiniger, Gebbert und Schall in Erlangen und Sanitas in Berlin 
heute liefern, ohne große Unkosten auch zur Verabfolgung hydro-elektrischer Bäder 
benutzen zu können, sei nur vorübergehend hingewiesen. Denn heutzutage spielt 
die Applikation des dreiphasigen Wechselstroms, sei es im elektrischen Vierzellen- 
l adtv sei. es im Vollbade, bei der Behandlung vieler Herzkrankheiten anerkannter¬ 
maßen eine ganz hervorragende Rolle. Ich möchte jedoch nur nebenbei noch 
darauf hinweisen, daß beide Verfahren, sinusoidale Elektrisation im Vierzellenbade 
imd Wechselstromvollbad, physiologisch und infolgedessen auch therapeutisch nicht 
vollkommen äquivalent sein können. Im ersten Fall passiert der Strom wirklich das 
Körperinnere, während im letzten Fall nur die Körperoberfläche von Stromschleifen 
durchdrungen wird und gleichzeitig der Patient der Nebenwirkung eines Vollbades 
ausgesetzt ist, so daß man also, im Besitz eines Schneeschen Instrumentariums, je 
nach Lage des Falles bald zu dieser, bald zu jener Applikation sich wenden kann. 

II. Der Versuch des Herrn Winternitz, einen vollwertigen Ersatz für das 
elektrische Vierzellenbad zu schaffen, ist somit meines Erachtens nicht geglückt, 
so anerkennenswert auch das Bestreben ist, dem praktischen wie dem Spezialarzte 
die Beschaffung eines billigeren Instrumentariums zu ermöglichen. 

Aus mehrfach wiederholten Äußerungen von Herrn Winternitz geht aber 
auch noch hervor, daß er mit seiner Konstruktion dem leider heute sich breit- 
machenden und schon von Kurelia in seinem Artikel „Elektrotherapie und 
Wirtschaft“ (Zeitschr. f. Elektrotherapie und physikalische Heilmethoden, V. Jahrg.) 
gerügten Lizenz- und Monopolisierungsverführen mancher Firmen entgegen¬ 
treten will. 

Ob dieses dadurch erreicht wird, daß man durch eine andere Firma einen 
billigeren, aber weniger guten Apparat hersteilen läßt, dessen Konstruktion sich 
diese im eigenen Interesse doch auch wieder durch D. R. G. M. Vorbehalten hat, 
möchte ich denn doch bezweifeln. 

Ein Arzt sollte sich überhaupt nicht mit der Verwertung von Erfindungen 
auf rein technischem oder therapeutischem Gebiete abgeben, wie es seitens des 
Herrn Dr. C. E. Schnee mit seinem elektrischen Vierzellenbade geschehen ist. — 
Hin derartiges Vorgehen schadet nicht nur gewöhnlich der Sache, es entwürdigt 
auch unseren Stand. Es ist schon traurig genug, wenn Geschäftsfirmen und 
Fabrikanten zur Anpreisung ihrer Waren, wie es heute gang und gäbe ist, so- 


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M. Krabn 


genannte Autoren ins Feld fuhren und deren Erfahrungen reklamenhaft ausnutzen, 
vielfach unter recht mangelhafter, einseitiger Wiedergabe ihrer Forschungsergeb¬ 
nisse. Eine wirklich gute Sache empfiehlt sich schon von selbst. — Noch be¬ 
trübender ist es allerdings, wenn der Arzt selbst als Erfinder, einerlei ms 
welchen Motiven, Reklame für seine eigenen Ideen macht. — Der Arzt sollte 
wahrhaftig auf einer höheren Warte stehen und seinen idealen Beruf nicht mit 
dem sehr realen Wirken eines Geschäftsmannes verquicken. Wir kämpfen doch sonst 
immer und immer wieder dagegen, unter die Gewerbetreibenden gerechnet zu 
werden; aber was nutzt das alles, wenn exempla plus docent quam verba? 

Leider hat sich auch Herr Dr. Schnee von einem derartigen im Interesse 
der Sache recht bedauerlichen Fehler nicht ferngehalten. Die Folgen eines 
solchen Vorgehens, dessen Motive nicht gar so weit ab vom Wege zu suchen sein 
dürften, konnten denn auch nicht ausbleiben. — Der Umstand, daß der „Erfinder 1 
infolgedessen genötigt war, selbst in ausgedehntester Weise Reklame zu machen 
bezw. eine solche zn inaugurieren, schon allein um die nicht unerheblichen Un¬ 
kosten (für Patentschutz in den verschiedenen Ländern, für Vorversuche usw.) zu 
decken, die Art und Weise, wie dieses geschah, die Schmückung einzelner 
Reklamebroschüren mit seinem Bildnis usw., waren allerdings wohl, wie ich gerne 
zugeben will, geeignet, die Vermutung wachzurufen, daß es sich dabei um Mono¬ 
polisierungsbestrebungen handele. 

Diesem Gedankengange aber zu folgen, d. h. nun wirklich in dem elektrischen 
Vierzellenbade das „Monopol einer Methode“ bezw. „die Patentierung eines Heil¬ 
verfahrens“ zu sehen, ist zu absurd, als daß ein wissenschaftlich denkender Arzt 
solches einfach als Tatsache hinnehmen könnte. 

Denn Herr Dr. Schnee kann doch unmöglich behaupten wollen, daß erden 
elektrischen Strom und somit einen neuen Heilfaktor erfunden habe. Sein 
Verdienst ist lediglich, ein Instrumentarium geschaffen zu haben, das die allgemeine 
Elektrisation in einer bequemeren und wesentlich wirksameren Form gestattet als 
nach den bisher üblichen Methoden. Daß auch früher bereits in bescheidenem 
Maße derartige Elektrisationen durch Hineinstellen von Elektroden in Wasser¬ 
schalen improvisiert worden sind, dürfte nichts neues sein und ist auch wohl dem 
Kollegen Schnee bekannt gewesen. Nicht nur Weisflog und Edison, die 
Winternitz anführt, sondern sicher mancher praktische Arzt hat sich in ähn¬ 
licher Weise zu helfen gesucht, ohne durch eine Publikation viel Aufhebens davon 
zu machen. Das tut aber dem Schneeschen Apparat keinerlei Abbruch; denn sein 
Vorzug liegt eben in der Ausarbeitung und Verbesserung dieser Improvisationen zn 
einem in jeder Beziehung technisch vollkommenen Instrumentarium. 

Ein weiterer Umstand, der das elektrische Vierzellenbad in den erwähnten 
Verdacht und damit bei manchen in Mißkredit gebracht haben mag, ist wohl 
noch darin zu sehen, daß Herr Dr. C. E. Schnee in leicht begreiflichem Erfinder¬ 
stolz und selbstverständlich auch in der Hoffnung, seinen Apparat möglichst ver¬ 
breitet zu sehen, hinsichtlich der behaupteten Vielseitigkeit von dessen Wirkung 
und Anwendungsweise weit über das Ziel hinausgeschossen hat. Er hat in seiner 
Begeisterung nach dem Grundsätze: post hoc, ergo propter hoc, namentlich bei 
Internen Krankheiten, wie ich gleichfalls sehr gerne auch nach meinen persön¬ 
lichen Erfahrungen in Karlsbad selbst zugeben will, vielfach Erfolge zu sehen 


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über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellenbades. 


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geglaubt, die wohl auch ohne Anwendung des elektrischen Stroms im Vierzellen¬ 
bade eingetreten wären und die ihm nach der bisherigen Kenntnis seiner Wir¬ 
kungen auch nicht gut zugeschrieben werden können. Die Beobachtungen und 
Erfahrungen Schnees mit dem elektrischen Vierzellenbade sind eben nicht 
objektiv genug, und seine Publikationen können deshalb einer ernsten Kritik 
keineswegs immer standhalten. 

Es sind das freilich Erfahrungen, die man "auch sonst bei Prüfung anderer 
Heilfaktoren reichlich zu machen Gelegenheit hat. Ich erinnere in dieser Be¬ 
ziehung nur an die zahlreichen Arzneimittel, die von chemischen Fabriken auf 
den Markt geworfen wurden, die auch ihre begeisterten Lobredner selbst aus 
l'niversitätskliniken fanden und bestimmt sein sollten, andere altbewährte Mittel 
bei gewissen Krankheiten vollkommen zu verdrängen und die heutzutage entweder 
ganz von der Bildfläche verschwunden sind oder in der Arzneibehandlung doch 
nur noch ein recht bescheidenes Dasein fristen. 

Irren ist eben menschlich und bei einem begeisterten und dazu auch noch 
pekuniär beteiligten „Erfinder“ um so eher verständlich, wenn auch deshalb noch 
nicht entschuldbar. — Schließlich kann man aber auch ein derartig fehlerhaftes 
und unwissenschaftliches Vorgehen eines Einzelnen nicht dem Apparate als 
solchem anrechnen, dessen technische Vollkommenheit niemand in Abrede stellen 
kun; und soweit ich die einschlägige Literatur überblicke, ist auch niemand 
Herrn Dr. Schnee auf der beschrittenen Bahn gefolgt. — 

Es hat mich deshalb sehr wundergenommen, daß Winternitz in seiner 
Arbeit sich immer nur gegen Dr. Schnöe und dessen sicherlich zu weit gehende, 
anfechtbare Anschauungen über die Wirkungsweise und die Erfolge der Elek¬ 
trisation mit seinem Apparat wendet, aber von den zum Teil recht ausführlichen, 
bisher erschienenen Arbeiten anderer Autoren über das Vierzellenbad gar keine 
Notiz nimmt. Ich erwähne nur diejenigen von v. Noorden, Lossen, Hoffa, 
Eulenburg usw. 

Bei der Lektüre dieser Arbeiten kann unmöglich jemand den Eindruck ge¬ 
winnen, daß in den ärztlichen Kreisen, in welchen das elektrische Vierzellenbad 
zuerst Aufnahme gefunden hat, von einem neuen, bisher unbekannten „Heil¬ 
verfahren“ oder von einer speziellen Methode auch nur je die Rede war, und 
daß man in demselben eine Panacöe gegen alle möglichen Leiden erblickt hat. 
Es ist immer und immer wieder darauf hingewiesen worden, daß es sich nur um 
ein neues, sehr zweckmäßig konstruiertes und technisch vollkommenes Instrumen¬ 
tarium zur Anwendung des elektrischen Stromes handle, und daß eine gleiche 
Exaktheit der Dosierung bei einer gleichzeitig so großen Modifikationsmöglichkeit 
<ter einzelnen Anwandimgsweisen mit keinem der bisherigen Apparate zu erreichen 
sei. Das ist aber auch alles. 

Lediglich aus dem Umstande jedoch, daß die Herstellung des elektrischen 
Vierzellenbades patentiert ist, etwa den Vorwurf der Monopolisierung eines Heil¬ 
verfahrens herleiten zu wollen, ist völlig absurd. Denn da es sich- ja gar nicht 
um ein neues Heilverfahren, wie ich auseinandersetzte, handelt, sondern nur um 
einen neuen Apparat zur allgemeinen Elektrisation bzw. zur Vornahme der 
Elektrisation -überhaupt, so ist die Frage, ob ein solches im Vierzellenbade patentiert 
sei, vollkommen gegenstandslos. 


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M. Krahn 


Übrigens kann und muß es uns Ärzten ganz gleichgültig sein, welche 
Firma den betreffenden Apparat herstellt. Selbstredend reflektieren wir auf eine 
richtige, wissenschaftliche und technisch möglichst vollkommene Konstruktion, auf 
praktische, für den Gebrauch bequeme Anordnung und auf einen angemessenen 
Preis, welch letzteren wir aber leider niemals werden beeinflussen können. 

Wenn Herr Winternitz seinem Apparat das Horoskop stellt, daß er ge¬ 
eignet sei, das elektrische Vierzellenbad seines besonderen Nimbus zu berauben, 
so befindet er sich in einem groben Irrtum. Denn das elektrische Vierzellenbad 
hat einen solchen Nimbus nie besessen, wie aus den Arbeiten der oben erwähnten 
Autoren zur Genüge hervorgeht, die doch maßgebender sind, wie die über¬ 
schwenglichen Reklamen pekuniär beteiligter Geschäftskreise. Demnach kann die 
Vorstellung von einem angeblichen Nimbus, der das elektrische Vierzellenbad 
umkleiden soll, nur bei jemand Platz greifen, der nicht genügend praktisch 
mit demselben gearbeitet hat und sich nur auf derartige Reklamen verläßt, 
und das dürfte bei wissenschaftlichen Erörterungen doch eigentlich nicht Vor¬ 
kommen. 

Außer- diesen beiden im allgemeinen gegen das elektrische Vierzellenbad 
erhobenen Beschuldigungen glaubt Winternitz auch noch im einzelnen an dem¬ 
selben Ausstände machen zu müssen, die zwar längst von anderen erklärt und 
richtig gestellt sind, auf die ich aber infolge der Ignorierung der früheren Arbeiten 
kurz einzugehen gezwungen bin. 

Was zunächst die sogenannten 50 möglichen „Badeweisen“ anlangt, so sollen 
dieselben absolut nicht einen besonderen Vorzug des elektrischen Vierzellenbade> 
darstellen, uud es ist auch nie behauptet worden, daß die SchaltvorrichtM? 
welche sie ermöglicht, eine ganz neue Erfindung sei; eine derartige Annahme 
zeugt nur von einer Unkenntnis des Wesens und der Konstruktion des Vierzeilern 
bades. Lossen hat im Band I, Heft 6 der „Krankenpflege“, sowie im „Archiv 
für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie“, Band II, Heft 3 wiederholt 
darauf hingewiesen, daß und wie sich die Zahl der Applikationsformen noch weit 
mehr variieren läßt. Die Figuren, welche von Schnee der Beschreibung seines 
Vierzellenbades beigegeben sind, stellen lediglich Schemata der Hauptrichtungen 
des elektrischen Stroms zur oberflächlichen Orientierung vor. — Schnee selbst 
hat mir gegenüber wenigstens wiederholt darauf hingewiesen, daß bei Verordnung 
der Schaltungen nicht schematisch, sondern stets streng individualisierend vor¬ 
zugehen sei. 

Herr Winternitz sagt deshalb den Kennern absolut nichts Neues mit seiner 
Behauptung, daß „die 50 verschiedenen, theoretisch denkbaren Stromrichtungen 
keinen praktischen Wert haben, und daß wir beque* mit .einigen Schaltungen das 
Auslangen finden werden“; und wenn er fortfahrt, daß „das elektrische Vierzellen¬ 
bad eine Methode der allgemeinen Elektrisation darstellt, bei der wir uns sowohl 
für Anode als auch für Kathode großer, indifferenter Elektroden bedienen“, so 
wird ihm das niemand bestreiten, aber auch niemand daraus eine geheimnisvolle 
Wirkung desselben herleiten wollen. - 

Daß die Einwirkung auf bestimmte innere Organe sich im elektrischen Vier¬ 
zellenbade trotz aller Schaltungen nur in sehr bescheidenem Maße beherrschen 
läßt, will ich Herrn Dr. Winternitz gerne zugeben; auch hat dieses außer 


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Über einen einfachen Ersatz des elektrischen Vierzellonbades. 507 

Herrn Dr. Schnee selber bei Anwendung der allgemeinen Elektrisation noch 
niemand meines Wissens bisher behauptet. 

Übrigens hat Lossen (1. c.) gezeigt, in welch einfacher Weise es durch 
Hinzunahme einer großen, dem zu behandelnden Organe möglichst nahe auf¬ 
zusetzenden Plattenelektrode möglich ist, die Stromrichtung im Vierzellenbade 
unter einen gewissen Zwang zu bringen, um auch eventuell lokale Wirkungen zu 
erzielen. — Daß sich auch auf diese Weise elektro-diagnostische Untersuchungen 
sehr bequem und exakt im Vierzellenbade ausführen lassen, ist in den zitierten 
Arbeiten Lossens ebenfalls hervorgehoben und sei hier nur nebenher noch erwähnt. 

Was schließlich den Vergleich des elektrischen Vierzellenbades mit den 
hydro-elektrischen Bädern anlangt, besonders im Hinblick auf die angeblichen 
Vorzüge, die es gegenüber denselben haben soll, so ist auch dieser Punkt in der 
einschlägigen Literatur schon längst erörtert. Ferner ist auch schon vor 
Winternitz auf die sehr unglücklich gewählte Bezeichnung „Vierzellenbad“ und 
..Badeweisen“ hingewiesen worden, die bei ungenügender Kenntnis des Wesens 
des Schn6eschen Instrumentariums zu einem derartigen unzutreffenden Vergleich 
Anlaß geben könnten. Beide Ausdrücke haben sich aber leider nun einmal ein¬ 
gebürgert. In Fachkreisen wird man übrigens von einem „Elektrisationsverfahren“ 
im sogenannten Vierzellenbade sprechen, ein Ausdruck, der den tatsächlichen 
Verhältnissen durchaus Rechnung trägt. 

Überhaupt ist ein Vergleich des elektrischen Vierzellenbades mit den hydro¬ 
elektrischen Bädern, nur weil beide den Namen „Bad“ führen, wissenschaftlich 
ein Unding, da, wie ich bereits oben (I, 8) für den sinusoidalen Strom näher aus- 
geführt habe, die Bedingungen für die physiologische und demnach auch thera¬ 
peutische Wirkung in beiden grundaus verschieden sind, was natürlich auch für 
die anderen Stromarten in gleicher Weise zutrifft. 

Mit vorstehenden Bemerkungen habe ich selbstredend eine Polemik gegen 
den Winternitzschen Apparat an und für sich nicht beabsichtigt. Ich hätte 
mich auch niemals zu diesen Ausführungen entschlossen, wenn Winternitz sich 
lediglich darauf beschränkt hätte, einen Apparat zur Vornahme der allgemeinen 
Elektrisation für den Praktiker zu beschreiben. So aber erhebt derselbe, um 
.‘eine Konstruktion in hellerem Lichte erscheinen zu lassen, Vorwürfe gegen das 
elektrische Vierzellenbad, die nicht unbeantwortet bleiben durften, und stellt seinen 
Apparat in Handhabung, Anwendungsweise und Wirkung dem Schnee sehen 
Instrumentarium gegenüber mindestens als ebenbürtig wenn nicht sogar als über¬ 
legen hin. 

Da der Artikel von Winternitz demnach geeignet ist, in den Kreisen der 
praktischen Ärzte,, »deneni.es natürlich nur schwer möglich ist, sich in dieser Be¬ 
ziehung ein kompetentes Urteil zu bilden, unzutreffende Vorstellungen von dem 
elektrischen Vierzellenbade und von seinem Verhältnis zu der empfohlenen Verein¬ 
fachung zu erwecken, so hielt ich es vom Standpunkte der Gerechtigkeit aus für 
meine Pflicht, einer derartigen Irreführung entgegenzutreten und dem Vierzellen¬ 
bade, das die neue Konkurrenz keineswegs zu fürchten braucht, den ihm gebührenden 
Platz in der Elektrotherapie zu sichern. 


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J. Zabludowski 


IV. 

Der Massageunterricht an der Universität Berlin. 

Vortrag, gehalten auf dem Internationalen Kongreß für Physikotherapie 

zu Lüttich 1905. 

Von 

Prof. J. Zabludowski, 

Leiter der Umversitäts-Massageanstalt in Berlin. 

Soviel mir bekannt ist, existiert ein etatsmäßiger Lehrstuhl speziell für 
Massagetherapie an einer europäischen Universität nicht, außer an der Berliner 
Universität. Eine solche Universitätslehrstätte ist in Berlin im Jahre 1900 
errichtet worden, und wurde ich mit der Leitung der Anstalt betraut. Ich hatte 
bei der Ausbildung dieses Lehrfaches als Spezialgegenstand keine Vorbilder, und 
will ich Sie mit der Art, wie ich den Unterricht leite und wie sich überhaupt 
die genannte Massageanstalt Berlin entwickelt, bekannt machen. 

Die Anstalt verfolgt den Zweck: 

1. Studierenden der Medizin die Möglichkeit zu geben, die Massagetherapie 
und besonders deren Technik im Laufe eines Semesters zu erlernen; 

2. Ärzten, welche die Massage praktisch ausüben wollen, die Technik bei¬ 
zubringen, Hand in Hand mit der physiologischen Begründung jeder einzelnen 
Prozedur an Gesunden und an Kranken, hierdurch sie auch mit den speziellen 
Indikationen vertraut zu machen; 

3. Ärzten, die zwar nicht beabsichtigen, die Massage selbst regelmäßig 
auszuüben, aber mit dem Wesen der Massagetherapie näher bekannt werden wollen, 
gleichzeitig auch gelegentlich die Massage am Krankenbette ausüben wollen, dazu 
Gelegenheit zu geben; 

4. ein geeignetes Hilfspersonal, sowohl für die von mir geleitete Anstalt 
selbst auszubilden, als auch für andere Heilanstalten, welche mit der unsrigen 
durch Überweisung von Kranken in Verbindung stehen oder welche sich an die 
Anstalt zu diesem Zwecke wenden. 

Die Anstalt befindet sich auf dem Grundstück der Königlichen Charite, des 
großen Krankenhauses, an dem die Studierenden der Medizin ihre klinischen 
Studien machen. Diese Lage kommt dem Institute ganz. besonders zu gute. Der 
Studierende kann die Anstalt ohne Zeitversäumnis erreichen. Ich habe die Vor¬ 
lesungen für die Studierenden zweimal wöchentlich angesetzt: im Winter von 
8—9 und im Sommer von 7 1 / 2 —8’/ 2 Uhr. Es ist dadurch ein Zusammenfallen 
mit den Stunden der Hauptfächer vermieden worden. 

Die Ärzte, welche die Massage erlernen wollen, um systematische Massageknren 
durchführen zu können, beteiligen sich an Monatskursen, die sich lOmal im Jahr* 
wiederholen, beginnend am 1. jedesMonats, 4 mal wöchentlich ä lV 2 Stunden, einZykln? 
von 16 Vorlesungen. Nach Belieben arbeiten sie auch in den auf die -Vorlesungen 


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Der Magsageunterricht an der Universität Berlin. 


509 


folgenden Standen, nachdem sie die in der Anstalt angewandten Hauptprozednren 
eingeübt haben, in der mit der Anstalt verbundenen Poliklinik für Massagetherapie. 

Der Aufforderung des Zentral-Komitees für das ärztliche Fortbildnngswesen 
in Preußen alljährlich folgend, habe ich in dem einen Jahre im Winter- und im 
andern im Sommerhalbjahr Demonstrationskurse, ausschließlich für Ärzte der Stadt 
Berlin und der nächsten Umgebung, gehalten: 10—12 Vorlesungen ä l , / 2 Stunden, 
einmal wöchentlich in der Zeit von 1 ! / 2 —3. Die sich an diesen Kursen be¬ 
teiligenden Ärzte waren meist in der Praxis stehende Herren, viele darunter 
Vertrauensärzte der verschiedenen Krankenkassen und Versicherungsgesellschaften. 
Ihr Ziel war, einen Einblick zu bekommen, in welcher Weise von spezialistischer 
Seite ihre Kranken behandelt werden können und welche Resultate von solcher 
Behandlung zu erwarten sind. Es wurde eine Zeit für die Vorlesungen bestimmt, 
welche am wenigsten störend für den in der Stadt praktizierenden Arzt sein könnte. 

Das Hilfspersonal, das in gewissem Sinne für die neue Tätigkeit miterzogen 
werden mußte, mußte nicht weniger als 2 Monate täglich in der Anstalt arbeiten, 
und zwar den ganzen Vormittag. Außerdem erhielt das Personal auch in den 
Xachmittagsstunden Unterricht in den Elementen der Anatomie, Physiologie, Patho¬ 
logie und in der Anlegung einfacher Verbände. Der Unterricht wurde durch 
Vorweisung von Skeletten, Präparaten aus Papiermache, Atlanten usw. unterstützt. 
Während des ersten Monats wurde die Zeit dieser Schüler vollständig durch 
die Arbeit in der Anstalt ausgefüllt. Im zweiten Monate konnten diejenigen 
Schüler, welche die Krankenpflege, eventl. Massage schon früher anderen Orts 
aasgeübt hatten, somit für den betreffenden Beruf mehr vorgebildet waren, auch 
zum Besuch der hydrotherapeutischen Anstalt, in demselben Monat, im Einverständnis 
mit dem betreffenden Leiter, zugelassen werden. Sie wurden täglich um ungefähr 
- Stunden früher als die anderen der Arbeit in der Massageanstalt enthoben. Sie 
verrichteten in der Hydrotherapeutischen Anstalt Bademeisterdienste. Die Arbeit 
in der Hydrotherapeutischen Anstalt behufs Ausbildung zum Bademeister erstreckte 
Mch auf 2—3 Monate. Wir unterstützten nach Möglichkeit, im Einverständnis 
mit dem Leiter der Hydrotherapeutischen Anstalt, die Ausbildung des Hilfs¬ 
personals auch in den hydrotherapeutischen Prozeduren. Wir förderten dadurch 
ganz besonders das Fortkommen unserer Schüler. Von verschiedenen Besitzern 
von Sanatorien ergehen an uns sehr häufig Gesuche um die Empfehlung von bei 
uns ausgebildeten Masseuren, welche gleichzeitig in hydrotherapeutischen Prozeduren 
Bescheid wissen. Die Nachfrage nach in dieser Art ausgebildeten Personen ist 
so groß, daß wir bis jetzt nicht allen Gesuchen entsprechen konnten. 

Die Erweiterung der Aufgaben der Universitätsmassageanstalt auf die Aus¬ 
bildung von Laien in der Massage trug wesentlich zum Gedeihen und zur Ent¬ 
wicklung der Anstalt bei. Die Anstalt, als Universitätsinstitut, ist naturgemäß 
eine Lehranstalt für Mediziner, aber die Ausdehnung der Tätigkeit der Anstalt 
anf die Ausbildung von Laien in der Massage in größerem Maße ist für den 
Fortbestand der Anstalt unumgänglich. Ich verstehe die Massage in ihrem weiteren 
Sinne, somit die eigentlichen Massageprozeduren in engster Verbindung mit 
Bewegungsübungen — Heilgymnastik —. Die Zahl der Fälle, in denen wir 
von Bewegungsübungen Abstand nehmen, ist gering, und zwar schon deswegen, 
weil wir doch mit unseren Kuren gewöhnlich auf eine Steigerung der Bewegungs- 


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.1. Zabludowski 


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fähigkeit mit Bezug auf die Größe der Exkursion, Stärke und Geschicklichkeit 
bei der Ausführung hinarbeiten. Wenn wir von solchen Bewegungsübungen Ab¬ 
stand nehmen, so geschieht dies eigentlich nur für eine bestimmte Spanne Zeit, 
bis wir über einen Irritationsznstand hinwegkommen. Für die Massageprozednren. 
mit Ausnahme der Vibrationen, haben wir bis jetzt keinen richtigen Ersatz in der 
Maschinenarbeit finden können. Dadurch stellt sich die Notwendigkeit heraus, eine 
beträchtliche Anzahl von Arbeitskräften zur Verfügung zu haben. — Zum gedeih¬ 
lichen Unterrichte bedürfen wir einer großen Anzahl von Patienten, die den ver¬ 
schiedenen Indikationen für die Massage entsprechen. Unsere pädagogische Er¬ 
fahrung in dieser Beziehung lehrt uns aber, daß nur ein geringer Bruchteil 
unserer medizinischen Schüler für die tagein, tagaus notwendige, auf mehrere 
Stunden sich ausdehnende Arbeit der Behandlung chronischer Kranker genügendes 
Interesse hat. Ein verschiedenartiges Material ist aber nur beim Vorhandensein 
einer größeren Poliklinik zu gewinnen. Wie überall, können wir auch für die 
Massagepoliklinik nicht einzig und allein für die jeweiligen Stunden der Unterrichts¬ 
kurse interessante Fälle aufnehmen, ebenso wie wir die einmal in Behandlung 
genommenen Patienten nicht abschieben, sobald ihre Krankheit und das Stadium, 
in das diese getreten ist, Lehrinteresse nicht mehr darbietet. Es hat sich herans- 
gestellt, daß wir für den praktischen Unterricht bei der Zahl der im Jahre an 
unseren Kursen regelmäßig teilnehmenden Mediziner (im vergangenen akademischen 
Jahre waren es 131) nicht weniger als 100 Patienten täglich bedürfen. Um die 
Hilfsbedürftigen nicht allzulange warten zu lassen, ferner, um dem Leiter der 
Anstalt zu ermöglichen, die Arbeit in der Anstalt selbst zu überwachen, können 
die Arbeitsstunden nicht länger als auf den Vormittag ausgedehnt werden. Dam 
bedarf es einer Anzahl von ca. 15 Arbeitskräften. Schon aus äußeren Gründe 
kann ein so großes Personal an einer Massagepoliklinik nicht dauernd engagiert 
werden. Die große mechanische Arbeit leisten uns die medizinisch nicht vor¬ 
gebildeten Schüler und Schülerinnen vollständig zufriedenstellend. Bei der Auf¬ 
nahme solcher Schüler lege ich Hauptwert auf ihre moralischen Eigenschaften. 
Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen, Krankenschwestern, Heilgehilfen u. dgl. 
mit guten Empfehlungen von ihrer früheren Arbeitsstelle, welche die Massage 
erlernen, um leichter fortkommen zu können, sind uns die willkommensten Schüler. 
Ich stehe auf dem Standpunkte, daß die kunstgerechte Massage gesunden Körper¬ 
partien nicht schadet, daß wir aber auch gleichzeitig eine größere physiologische 
Wirkung erreichen, wenn wir bei unseren Manipulationen nicht aus den Fingern, 
sondern aus der ganzen Hand in möglichst großen Strichen arbeiten. Daraus 
ergibt sich schon die Möglichkeit, in vielen Fällen, große Körperpartien leicht und 
bequem in Angriff zu nehmen. Der Leiter, welcher die Leistungsfähigkeit seiner 
Schüler kennt, macht die Auswahl unter den Schülern bei der Verteilung des Materials. 
Während wir bei der beschränkten Lehrzeit der medizinischen Schüler diese die 
Einzelmanipulationen systematisch einüben lassen (zuerst die stoßenden Handgriffe, 
die reibenden, dann die Bewegungsübungen, ferner die systematische Behandlung 
der einzelnen Organe und die Behandlung typischer Erkrankungen), und zwar an 
gesunden Personen, die sich gegen Entgelt dazu hergegeben, den einen Studierenden 
nach dem andern, die eine Übung nach der anderen an sich vornehmen zu lassen, 
fangen wir bei dem Hilfspersonal gleich mit der Behandlung chronischer, wenig 


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Der Massageunterricht an der Universität Berlin. 

irritabler Kranker an. Bei der Behandlung eines chronisch-rheumatischen Patienten, 
eines Fettleibigen oder habituell Obstipierten mache ich dem nichtmedizinischen 
Schüler die betreffenden Manipulationen vor und lasse ihn dann die eine Manipulation 
nach der anderen wiederholen; gleich darauf veranlasse ich einen jüngeren Schüler, 
die Behandlung eines ähnlichen Falles unter der Aufsicht eines älteren Mitschülers 
auszuführen. Diese Methode des Heranziehens der vorgeschrittenen Schüler zur 
Einübung der Neuhinzugekommenen bewährt sich bei uns ebensogut wie in den 
Musik-Konservatorien, wo diese Unterrichtsmethode längst gang und gäbe ist. Der 
neu hinzugekommene Schüler wiederholt seine Aufgabe unter den Augen seines 
Mitschülers oft besser als unter denen des Lehrers. Es fällt die Befangenheit weg. 

Ein großes Kontingent der poliklinischen Besucher der Anstalt bilden Kinder 
mit leichten Rückgratverkrümmungen, engem Brustkorb bei anämischem Aussehen, 
schlechter Haltung. Durch Massage, Extension auf dem Extensionsbette und am 
Hängeapparate, turnerische Übungen am Reck und Wolm, gemeinschaftliche 
turnerische Freiübungen auf Kommando und dergleichen mehr, erzielen wir gute 
Resultate, ohne die jungen Patienten durch orthopädische Korsetts zu beengen, 
wie auch ohne Schulversäumnisse zu veranlassen. Bei allen diesen Übungen 
können wir nach einer bestimmten Schablone Vorgehen lassen. Wir bedürfen 
nicht der Einübung der Muskulatur in unseren doch immerhin nicht schweren 
Fällen speziell der einen Seite; wir lassen die Übungen nach allen Seiten hin 
machen. Aber solche Übungen von vielen Kindern ausführen zu lassen, be¬ 
ansprucht viel Zeit. Ich kann sagen, daß durch die Routine alle diese Übungen 
in unserer Anstalt ganz zweckentsprechend ausgeführt werden. Die jüngeren 
Schüler leisten zuerst Handlangerdienst bei den älteren Schülern, um bald als 
Repetitoren, beziehentlich Vorturner bei den wiederum neuen tätig zu sein. Ich lasse 
einen Teil unserer nichtmedizinischen Schüler im Auditorium bei den Kursen für die 
Mediziner zugegen sein. Es tut dem Nutzen, den sie von diesem Zugegensein haben, 
keinen Abbruch, wenn sie auch nicht allen theoretischen Erörterungen folgen können. 
Der systematische Vortrag ergänzt für sie hierin, was sie bei der rein praktischen 
Arbeit gewöhnlich schon gelernt haben. Sie lernen dabei, dem Arzte behilflich zu 
sein, und sie erweisen sich für den Leiter und die medizinischen Hörer bei den 
praktischen Arbeiten sehr nützlich, sie fuhren die jeweiligen nötigen Dienstleistungen 
aus. Dadurch wird jeder Unterbrechung in der Arbeit, jedem Zeitverluste ent- 
eegengewirkt. Nur bei der Ausführung von Behandlungen, welche wir für die be¬ 
treffenden nichtärztlichen Schüler als unzulässig halten, schließen wir sie vom Aufent¬ 
halte im Auditorium aus. Ein solcher Ausschluß nichtmedizinischer Schüler und 
Schülerinnen findet z. B. bei den Demonstrationen der gynäkologischen Massage statt. 

Indem ich der bestehenden Nachfrage Rechnung trage, lege ich bei der 
Ausbildung in der Massage von Nichtärzten besonders Gewicht auf die Einübung 
in der allgemeinen Massage, bei Stoffwechselerkrankungen und zur allgemeinen 
Diätetik, behufs Abhärtung und Kräftigung des Körpers und endlich zu kosmetischen 
Zwecken. Nächst der Erweiterung der Massage auf das angrenzende Gebiet der 
Orthopädie dehnen wir sie, bei der Vermehrung der zur Verfügung stehenden 
klinischen Räume, auch auf das Grenzgebiet, die Hydrotherapie — in der die 
mechanischen Reize nicht minder als die thermischen zur Geltung kommen — als 
Massage unter dem Wasser, dann auch auf die Mechanotherapie etc. aus. 


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A. Schanz 


V. 

Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in der 

Skoliosen-Therapie. 

Vortrag für den Internationalen Kongreß für Physikotherapie zu Lüttich 1905. 

Von 

Sanitätsrat Dr. A. Schanz 

in Dresden. 

Meine Herren! Massage und Heilgymnastik gehören in allen ortho¬ 
pädischen Anstalten, welche nach wissenschaftlichen Grundsätzen arbeiten, zu 
denjenigen Hilfsmitteln der Skoliosenbehandlung, welche am meisten angewendet 
werden. Ein beträchtlicher Teil des Tages wird von Ärzten und Patienten der 
Anwendung dieser Heilmittel gewidmet. Große Verschiedenheit herrscht dabei 
aber in den einzelnen Anstalten in den Anwendungsformen und noch größer ist 
die Differenz in den Vorstellungen, welche sich die Ärzte der verschiedene» 
Anstalten von der Art und Weise machen, wie diese Heilmittel ihre Erfolg 
erzielen. Es dürfte unter diesen Verhältnissen ein nicht unzweckmäßiges Unter¬ 
nehmen sein, auf unserem Kongreß hier eine Aussprache darüber herbeizuführen, 
welchen Wert Massage und Heilgymnastik für die Skoliosenbebandluns; 
besitzen. Ich möchte dazu die Anregung geben, indem ich meine Ansicht über 
diese Frage Ihnen darlege. 

Klarheit über den Wert und Indikationen für die Art und Weise 
der Anwendung eines Heilmittels kann man nur dann erlangen, wenn man 
sich über die Wirkung dieses Heilmittels ganz allgemein Klarheit verschafft und 
wenn man das Wesen der Krankheit, bei welcher man das Heilmittel anwenden 
will, erkannt hat. Aus dem Wesen der Krankheit ergeben sich die Indikationen 
für ihre Behandlung. Wenn man diese Indikationen mit der Leistungsfähigkeit 
des fraglichen Mittels zusammenhält, so muß man erfahren, was man mit diesem 
Mittel zur Erfüllung dieser Indikationen leisten kann. Man wird auch finden, 
welches die zweckmäßigsten Anwendungsformen des Mittels sind. 

Die Begriffe Massage und Heilgymnastik zu definieren, das ist vor 
dieser Versammlung hier nicht nötig. Nur das möchte ich erwähnen, daß wir 
weder zur Massage noch zur Gymnastik die redressierenden Manipulationen 
rechnen dürfen, welche wir in der Skoliosentherapie so häufig in enger zeitlicher 
Verbindung mit diesen Mitteln zur Anwendung bringen. Diese Manipulationen 
sind etwas prinzipiell anderes als Massage und Gymnastik. 

Von den therapeutischen Wirkungen der Massage und Heilgymnastik kommt 
in der Skoliosenbeliandlung unzweifelhaft in erster Linie die Kräftigung der 


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Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in det Skoliosen-Therapie. 513 


Wirbelsäulenmuskulatur in Frage. Alle anderen Wirkungen stehen dem¬ 
gegenüber so weit in den Hintergrund, daß wir sie ganz vernachlässigen können. 

Indikationen haben wir in der Skoliosenbehandlung zwei zn erfüllen: Die 
Indikation der werdenden und die Indikation der fertigen Deformität. Diese 
Indikationen ergeben sich aus folgendem: In der überwiegenden Mehrzahl der 
Skoliosen, welche wir zur Behandlung bekommen, ist der Prozeß, welcher die 
Deformität erzeugt, im Gange und es hat dieser Prozeß einen bestimmten mehr 
oder weniger hohen Deformierungsgrad erzeugt. Aufgabe unserer Behandlung 
maß es sein, 

1. den deformierenden Prozeß auszutilgen. Diese Aufgabe nenne ich die Indi¬ 
kation der werdenden Deformität. — Sodann muß es Aufgabe unserer Therapie sein, 

2. die vorhandene Deformität zu korrigieren. Diese Aufgabe nenne ich die 
Indikation der fertigen Deformität. 

Beide Aufgaben sind in ihrem Wesen grundverschieden. Der Deformierungs¬ 
prozeß entsteht aus einem Belastungsmißverhältnis an der Wirbelsäule, welches 
dadurch erzeugt wird, daß die statische Inanspruchnahme der Wirbelsäule 
die statische Leistungsfähigkeit derselben überwiegt. Die Indikation der 
werdenden Deformität fordert demgemäß den Ausgleich dieses 
Belastungsmißverhältnisses. 

Zur Lösung dieser Aufgabe können uns unzweifelhaft Massage und Heil- 
srmnastik wertvolle Dienste leisten durch Erhöhung der Tragfähigkeit der Wirbel¬ 
säule. Eine Säule, welche aus einzelnen, durch Verbindungsteile zusammen¬ 
gehaltenen Segmenten besteht, wird tragfähiger, wenn diese Verbindungsteile 

- an der Wirbelsäule die Muskulatur — widerstandsfähiger werden. Sodann 
wird aber durch eine Kräftigung der Wirbelsäulenmuskulatur auch eine Festigung 
der Wirbelsäulenknochen erreicht, gemäß der alten Erfahrung, daß Knochen sich 
festigen und stärken mit einer Kräftigung der zu ihnen gehörigen Muskulatur. 

Weniger leicht ist die Frage beantwortet, ob und was uns unsere 
Heilmittel zur Lösung der zweiten Aufgabe leisten können. 

Die Indikation der fertigen Deformität erfordert eine Umbildung der Wirbel¬ 
nde, ja des ganzen Rumpfskeletts. Es ist nun die Frage: Können Massage 
und Gymnastik, kann eine Kräftigung der Wirbelsäulenmuskulatur 
eine Umformung dieser Skeletteile bewirken? 

Sehen wir ab von dem Nutzen, welchen unsere Heilmittel für die Korrektur 
indirekt verschaffen können durch ihre Mithilfe zur Erfüllung der ersten Indikation, 
sehen wir weiter davon ab, daß die Gymnastik durch die Mobilisation der Wirbelsäule, 
welche wir für alle Korrektionsmaßregeln gebrauchen, gefördert wird, so bleibt 
uns kaum eine Möglichkeit ersichtlich, wie unsere Heilmittel zur Er¬ 
füllung der Indikation der fertigen Deformität etwas beitragen können, 
wenigstens wenn wir diesen Heilmitteln nicht andere Wirkungen zuschreiben als 
wir es bisher getan haben. 

Freilich setzen wir uns damit in Widerspruch mit Auffassungen, welche 
früher geherrscht haben und welche zum Teil auch heute noch verbreitet sind, 

— Auffassungen, die der Muskelwirkung in der Skoliosenentstehung und 
in der Skoliosenkorrektur eine hohe Bedeutung geben. Zwei Theorien 
lassen sich da in der Hauptsache unterscheiden: Die eine, welche in einer Differenz 

Zeluchr. f. (litt. u. physIk. Therapie B<L IX. Heft 9. 35 


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514 A. Schanz 


des Muskeltonus an der Wirbelsäule die Ursache der Skoliose sieht, und die zweite, 
welche die Entstehung der Skoliose auf dem Wege funktioneller Anpassung au 
fehlerhafte, durch Muskelaktion entstandene Wirbelsäulenhaltungen erklärt. Es 
sind aus diesen Theorien gegebene Schlüsse, daß die Deformität durch zweck¬ 
mäßige Änderungen der Differenzen des Mnskeltonus bezüglich durch zweckmäßige 
Änderungen der Schiefhaltung zu korrigieren sein müssen. Man hat tatsächlich 
diese Schlüsse gezogen und man hat versucht, auf den so bezeichneten Wegen die 
skoliotische Deformität zu beseitigen. Dabei sind natürlich Massage und Heil¬ 
gymnastik als wertvolle Hilfsmittel angesehen worden. 

Beschäftigen wir uns zunächst einmal mit der Annahme, daß die Skoliose 
durch eine Änderung des Muskeltonus korrigiert werden könne. Der 
Gedankengang, welcher dazu geführt hat, zeigt verschiedene schwache Stellen. 
Erstens einmal war es ja nach unserer heutigen Kenntnis ein Irrtum, als man 
annahm, daß eine Störung des Muskelgleichgewichtes an der Wirbelsäule die Sko¬ 
liose erzeuge. Es gibt Fälle, wo isolierte Lähmungen der Wirbelsäulenmuskulatnr 
den Entstehungsprozeß einer Skoliose auslösen dadurch, daß sie die Tragfähigkeit 
der Wirbelsäule herabsetzen, und so zu dem Belastungsmißverhältnis an der 
Wirbelsäule führen. Aber diese Fälle sind im Vergleich zu denen, in welchen 
eine Störung in der Muskulatur nicht mit der Entstehung einer Skoliose zusammen¬ 
hängt, verschwindend selten. Die bei den fortgeschrittenen Skoliosen regelmäßig 
zu findenden Störungen in der Muskulatur sind sekundärer Natur. 

Sodann weiter müssen wir darauf hinweisen, daß nirgends ein formen- 
bildender Einfluß einer Differenzierung des Muskeltonus nachzuweisen ist. Es ist 
kein Fall bekannt, wo Verschiedenheiten des Muskeltonus auf verschiedenen Seit« 
eines Knochens Formveränderungen dieses Knochens erzeugten. Die Kräfte 
welche in einem solchen Falle zur Wirkung kommen können, sind unzweifelhaft 
viel zu gering, als daß sie einen Knochen umbiegen könnten. 

Endlich als dritten Punkt müssen wir hervorheben, daß es praktisch über¬ 
haupt unmöglich ist, die theoretisch geforderte Differenzierung im Muskeltonus zn 
erreichen. Die Rückenmuskeln laufen bei einer Skoliose über Konvexitäten und 
Konkavitäten; denn es gibt keine echte Skoliose, welche nicht neben der Haupt¬ 
krümmung auch Gegenkrümmungen besäße. Kräftigen wir nun die Muskeln einer 
Seite, so müßte sich der Einfluß, der sich auf die Hauptkrümmung günstig er¬ 
weist, auf die Nebenkrümmungen ungünstig erweisen. Daß es etwa möglich sei. 
nur einzelne Abschnitte an den Rückenmuskeln, etwa nur immer diejenigen Teile, 
welche über die Konvexitäten verlaufen, in ihrem Tonus zu erhöhen, diejenigen 
Teile aber desselben Muskels, welche über die Konkavitäten ziehen, ungekräftigt 
zu lassen, das könnte wohl nur ein ganz besonderer Optimist annehmen. 

Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß wir die Vorstellung, 
man könne durch Massage und Gymnastik auf dem Wege der Differen¬ 
zierung des Muskeltonus an der Wirbelsäule eine skoliotische Defor¬ 
mität korrigieren, beiseite legen müssen. — 

Wie steht es nun mit der Vorstellung, man könne die Skoliose auf 
dem Wege der funktionellen Anpassung korrigieren? 

Es gibt unzweifelhaft gymnastische Übungen, mit deren Hilfe wir eine 
Skoliose mehr oder weniger weit in Korrektur- oder Überkorrekturstellung bringen 


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Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in der Skoliosen-Therapie. 515 


können, und wir können unsere Patienten durch die Ausbildung ihrer Wirbel¬ 
säulenmuskulatur in die Lage setzen, derartige Korrektionsstellungen verhältnis¬ 
mäßig lange Zeit einzuhalten. 

Es unterliegt mir keinem Zweifel, daß die Ausführungen solcher Übungen 
und die Einhaltung der dabei gewonnenen Korrektionsstellung von Vorteil für die 
Korrektur der Deformität ist. Denn bei jeder dieser Übungen erleiden die defor¬ 
mierten Teile der Wirbelsäule Druck- und Zugeinwirkungen im Sinne der Korrektur 
der Deformität. Wenn die dabei zur Auslösung kommenden Kräfte auch nur 
geringe sind, so summieren sich diese durch die häufige Wiederholung, und ich 
kann mir wohl vorstellen, daß sie schließlich einen gewissen Korrektionsnutzen 
schaffen. Ähnlich muß auch der Druck der Körperlast auf die Wirbelsäule wirken, 
wenn diese in Korrektionsstellung belastet wird. 

Von anderer Seite wird diesen Übungen ein wesentlich größerer Einfluß 
zugeschrieben. Wir lesen bei vielen Autoren, daß die von ihnen angegebenen 
Korrektionsübungen einen direkten korrigierenden Einfluß auf dem Wege der 
funktionellen Anpassung haben sollen. 

Ist diesen Autoren zuzustimmen? 

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Wir müssen uns dafür zunächst 
mit dem Begriff der funktionellen Anpassung beschäftigen. Die funktionelle 
Anpassung ist ein Begriff, den die moderne Biologie geschaffen hat. Die moderne 
Biologie lehrt uns, daß die Form ein Ergebnis der Funktion ist, daß sich die 
Form mit der Änderung der Funktion ändert. Sie lehrt diesen Satz sowohl für 
den ganzen Organismus wie für einzelne Organe. 

In der Orthopädie spricht man von funktioneller Anpassung, seitdem Julius 
Wolff nachgewiesen hat, daß die Formen und die innere Struktur der Knochen 
von der Funktion bedingt werden. Seit jener Zeit ist in der Orthopädie das 
Bestreben aufgetreten, durch Änderungen der Funktion die Knochenformen umzu¬ 
gestalten. 

Nach den gegebenen Prämissen müßte dies als ein durchaus aussichtsreiches 
ond in den weitesten Gebieten anwendbares Bestreben erscheinen. Und doch 
haben wir hier einen Trugschluß vor uns! 

Der Satz „Die Organismen und die Organe ändern sich bei Änderung 
der Funktion“ ist nur gültig für die Phylogenie, er darf nie auf die 
Ontogenie übertragen werden. Eine Übertragung auf die Ontogenie aber ist 
es, wenn wir mit funktioneller Anpassung bei der Korrektur von Deformitäten 
arbeiten wollen. 

Julius Wolff hat an schönen Beispielen gezeigt, daß sich die Struktur 
des Knochens in zweckmäßiger Weise Änderungen der Form und Funktion des 
Knochens anpaßt. Er hat aber nicht den Beweis erbracht, daß Änderungen der 
Funktionen Änderungen der großen Knochen- und Körperformen herbeiführen. 
Wo er glaubte, solche Form Veränderungen auf dem Wege funktioneller Anpassung 
erreicht zu haben, da hatte er stets Zug- und Druckkräfte zur Einwirkung gebracht 
nnd diese, nicht die geänderte Funktion waren es, welche die Umformung bewirkt 
hatten. 

So groß die Anpassungsfähigkeit des Stammes an veränderte Funktion, so 
gering ist die des Individuums! Niemals ist dieselbe imstande, Deformitäten, wie 

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510 A. Schanz, Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in der Skoliosen-Therapie. 

wir sie in der Orthopädie zu behandeln haben, zu erzeugen oder zu beseitigen. 
Niemals wird eine Skoliose durch funktionelle Anpassung entstehen 
oder geheilt werden. 

Halten wir einen Überblick, so hätten wir gefunden, daß Massage und 
Heilgymnastik uns in der Skoliosentherapie hervorragende Dienste leisten können, 
wo es sich um den Ausgleich des Belastungsmißverhältnisses an der Wirbelsäule 
handelt; daß dagegen ihre Leistungsfähigkeit als Korrektionsmittel für die skolio- 
tische Deformität nur sehr gering anzuschlagen ist. 

Für die Praxis ergibt sich daraus, daß wir den genannten Heilmitteln 
erstens einmal eine ganz besondere Bedeutung geben müssen bei der Behandlung 
der beginnenden Skoliose. Wenn noch keine erhebliche Formenabweichung 
zustande gekommen ist, prävaliert die Indikation der werdenden Deformität. Zn 
ihrer Erfüllung sind unsere Heilmittel in erster Linie berufen. Dasselbe gilt 
von denjenigen fortgeschrittenen Fällen, in welchen wir eine Korrektur der aus¬ 
gebildeten Deformität nicht als Ziel der Behandlung setzen. Wo wir dieses 
Ziel verfolgen, müssen wir mit der Anwendung von Massage und Heilgymnastik 
Korrektionsmittel kombinieren. In diesen Fällen bekommen Massage und 
Gymnastik aber wieder besondere Bedeutung dadurch, daß sie die Inaktivitäts¬ 
atrophie, welche diese Korrektionsmittel, besonders Korsetts und Korrektions¬ 
verbände mit sich fuhren, beseitigen. 

Die Anwendungsformen für Gymnastik und Massage können bei dieser 
Auffassung von ihrer Wirksamkeit verhältnismäßig einfache sein. Wir brauchen 
in erster Linie eine gleichmäßige Kräftigung aller Wirbelsäulenmuskulatur; diese 
können wir erreichen mit einfachen, gleichmäßigen Übungen, welche nacheinander 
alle Wirbelsäulenmuskeln in Anspruch nehmen. Zu dieser allgemeinen Wirbel¬ 
säulengymnastik werden wir noch spezielle Redressions-, besonders Selbstredressions¬ 
übungen hinzufügen; diese müssen natürlich für jeden einzelnen Fall einzeln aus¬ 
gesucht und eingeübt werden. Ob wir für diese gymnastischen Übungen Apparate 
benutzen lassen wollen, ob nicht, welche Apparate wir eventl. in Gebrauch nehmen, 
das sind Fragen, die an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Umständen 
verschiedene Beantwortung finden können. 

Was die Massage noch anbetrifft, so werden wir deren hier gesteckte Ziele 
durch eine gleichmäßige Massage der gesamten Rückenmuskulatur erreichen. 

Natürlich werden Massage und Gymnastik in der Skoliosenbehandlung am 
zweckmäßigsten unter der Aufsicht speziell geschulter Ärzte in besonderen An¬ 
stalten getrieben werden, aber es erscheint mir doch nicht die Behandlung in der 
Anstalt als eine conditio sine qua non. Wir müssen gar häufig, durch die gegebenen 
Verhältnisse gezwungen, Skoliosen in der Familie behandeln. Wir dürfen dann 
keinesfalls auf die Ausübung von Massage und Gymnastik verzichten, wir müssen 
uns nur bemühen, dieselben so einzurichten, das sie auch im Hause ausgeübt 
werden können. 

Neben Zweckmäßigkeit der Verordnungen sind Ausdauer von seiten 
des Patienten und regelmäßige Kontrolle durch den Arzt in jedem Fall'? 
Hanptbedingungen des Erfolges. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


Bericht Aber den I. Internationalen Kongreß 
für Physikotherapie ln Lüttich am 12. bis 15. August 1905. 

Von Dr. W. Alexander. 

Unter den zahlreichen Kongressen, welche in diesem Jahre gelegentlich der Internationalen 
Weltausstellung in Lüttich tagten, verdient derjenige für Physikotherapie eine besondere 
Heachtung. Einmal war er der erste, der alle Nationen und alle Zweige der physikalischen 
Therapie in seinen Bereich zog; sodann aber kann er in sozialer Hinsicht als ein Ereignis angesehen 
werden, welches auf die gesamten Interessen des ärztlichen Standes eine günstige Rückwirkung 
ausüben muß. Wenn man den Kongreß als eine großartige Demonstration der Ärzteschaft 
gegen das Kurpfuschertum auffassen will, so ist das ein Gedanke, der auch in zahlreichen 
Vortrügen zum Ausdruck kam: dem großen Publikum mußte einmal gezeigt werden, daß der 
Zeitpunkt gekommen ist, wo die physikalischen Heilkräfte nicht mehr allein von Laienempirikern 
abgenutzt werden, sondern daß die wissenschaftliche Medizin sich ihrer bemächtigt und ihnen 
eine bedeutende Stellung in der Therapie angewiesen hat. Nicht zum Schaden der Ärzte wird 
da« Publikum aus den Verhandlungen die vielfach unbekannte Tatsache erfahren, daß die physika¬ 
lischen Heilkräfte in der Hand des Laien irreparablen Schaden anrichten können: es soll ein¬ 
seben, daß zum Massieren nicht bloß die Kenntnis der Technik, sondern auch Beherrschung der 
Anatomie gehört; daß die Hydrotherapie nicht mit der Anwendung des Wassers in irgend einer 
Form erschöpft ist, sondern daß sie erst durch Beobachtung ihrer physiologischen Wirkung auf 
den einzelnen Patienten zur Therapie wird. Die Kranken gingen bisher zum Kurpfuscher, 
weil sie physikalisch behandelt werden wollten; die Reklame sorgte dafür, daß ihnen eine 
solche Behandlung und gute Erfolge stets vor Augen gohalten wurde. Jetzt sollen sie lernen, 
daß sie physikalische Behandlung auch beim Arzte finden; seine Reklame sei der sichere Erfolg, 
den er durch intensive Beschäftigung mit der physikalischen Therapie erzielen wird. Immer weitere 
ärztliche Kreise in diesem Sinne anzuregen, auch dazu dürfte der Internationale Kongreß zu 
meinem Teil beitragen. 

Die Verhandlungen fanden vom 12. bis 15. August in den geräumigen Sälen der Universität 
statt Prof. Winiwarter, der Vorsitzende des Kongresses, hielt die Eröffnungsrede. Er pries 
die Vorzüge der Stadt Lüttich; sie habe es verstanden, dem Kongreß neben der Arbeit auch 
heitere Genüsse mancherlei Art darzubieten. Nachdem sodann auch die stellvertretenden Vor¬ 
sitzenden Ansprachen allgemeinen Inhalts gehalten hatten, wurde in den wissenschaftlichen Teil 
eingetreten. An die Eröffnungssitzung schloß sich ein Besuch der Kongreßausstcllung an. 
Dieselbe war reich beschickt, besonders stark war das Röntgen-Armamentarium und die 
elektromedizinischen Apparate vertreten. Nachmittags am 12. August fand eine Haupt¬ 
sitzung der vereinigten Sektionen für Bewegungstheraßlb, Elektrotherapie, Hydrbtherapie und 
Radiologie statt. Am Abend tand das Bankett der Kongreßmitglieder im Grand Restaurant der 
Weltausstellung statt. Am 13. August war der Vormittag durch Sitzungen der vier Sektionen aus- 
gefullt. Nachmittags machte der Kongreß einen Ausflug nach dem benachbarten Spa, dem bekannten 
herrlich gelegenen, eleganten Badeort, ausgezeichnet durch Stahlquellen hohen Kohlensäure¬ 
gehaltes. Von Interesse war die Besichtigung des Badehauses, eines schönen Gebäudes, in dessen 
Einrichtung Zweckmäßigkeit und Vornehmheit glücklich vereinigt sind. Abends war der Kongreß 
v on der Kommune Spa zu einem splendiden Diner geladen, welches unter Beteiligung zahlreicher 
Damen, gewürzt durch Ansprachen der Vertreter verschiedener Nationen, einen glänzenden Verlauf 
nahm. Am 14. August fanden vormittags und nachmittags weitere Sektionssitzungen statt, abends 
war Empfang des Kongresses im Rathaus von Lüttich. Die letzte Sektionssitzung tagte am 


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518 


Berichte über Kongresse und Vereine. 


15. August vormittags, die Schlußsitzung der vereinigten Sektionen nachmittags. Den Schluß 
des Kongresses bildete ein „Banquet par sonscription“ am Abend des 15. August. 

Der Kongreß war gut besucht, in den Verhandlungen fanden bis zum Schluß leb¬ 
hafte Diskussionen statt Alle Vorträge wurden vor Eröffnung des Kongresses gedruckt an 
die Mitglieder verteilt. Der II. Internationale Kongreß für physikalische Therapie soll im 
Jahre 1907 in Genf tagen. 

Es sei erlaubt, hier auf zwei Erscheinungen des Näheren einzugehen, die dem Besucher 
des Kongresses auffallen mußten, Erscheinungen, deren Erörterung an dieser Stelle wegen ihrer 
speziellen Bedeutung nicht unangebracht sein dürfte. Die eine betrifft die Beteiligung der Nationen 
an dem Internationalen Kongreß: unter den Teilnehmern tiberwogen Franzosen und Belgier der¬ 
artig, daß die anderen Nationen geradezu verschwanden. Von Ausländern waren nur wenige 
erschienen, ohne daß ich diesen meinen Allgemeineindruck mit Zahlen belegen könnte. Angeben 
kann ich aber die Zahl der Teilnehmer deutscher Zunge: ich zählte 7 (!) und glaube kaum, 
daß mir einer entgangen ist. Diese Tatsache ist so auffallend, daß man sie nicht als zufällig 
ansehen kann, vielmehr ihrer Ätiologie nach forschen muß. Ein Grund ist offenbar darin zn 
suchen, daß man mit der Organisation des Kongresses zu spät begonnen hatte. Auf dem Kongreß 
selbst ließ zwar sowohl im wissenschaftlichen wie im Unterhaltungsteil die Organisation nichts 
zu wünschen übrig und man muß die Arbeitskraft sowie die umsichtige und liebenswürdige 
Bereitwilligkeit der Herren Kollegen Dr. Guntzburg und Dr. Munter, der Organisatoren des 
Kongresses, rückhaltlos anerkennen. Aber wegen der späten Ankündigung des Kongresses war 
es vielen, die sonst wohl gekommen wären, nicht mehr möglich, ihre bereits für die Ferien 
gefaßten Pläne umzustoßen. Doch scheint uns dieser Umstand nicht allein die Deutschen zurück¬ 
gehalten zu haben. Bei der Bedeutung der deutschen Kliniken, speziell der Berliner und Wiener 
Schule, für den Aufschwung und Ausbau der physikalischen Therapie kann auch nicht ein 
Mangel an Interesse oder das Fehlen hervorragender Vertreter der physikalischen Therapie als 
Grund für das Fernbleiben vom Kongresse angesehen werden. Für den, der auch nur ober 
flächlich mit der Entwicklungsgeschichte der physikalischen Therapie in Deutschland bekannr 
ist, bedurfte es nicht erst noch der Leistungen, die auf dem letzten Baineologen- und Röotges 
Kongreß in Berlin gezeigt wurden, zum Beweis dafür» daß Deutschland in der wissenschaftliche 
Bearbeitung der physikalischen Therapie — quantitativ und vor allem qualitativ — nach rie 
vor eine führende Rolle spielt. Grade in dem Umstand aber, daß dieser Beweis bei uns für 
die Balneologie wenige Monate, für die Röntgentherapie erst wenige Wochen vor dem Lütticher 
Kongreß in ausgiebigster Weise erbracht wurde, ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein wichtiger 
Grund zu suchen für das Fernbleiben Deutschlands, weil man nach der erst so unlängst erfolgten 
Aussprache über zwei Hauptgebiete der physikalischen Therapie nunmehr in Lüttich nicht viel 
Neues erwarten zu dürfen glaubte. Und damit komme ich gleich zu dem zweiten Punkte: 
von 13 angemeldeten deutschen Vorträgen wurden nur drei gehalten, die übrigen Redner waren 
nicht erschienen. Auf jedem Kongreß fallen, wie allbekannt, eine Anzahl angemeldeter Vorträge 
aus, weil dieser oder jener Redner tatsächlich gegen seinen Willen an dem Besuche des 
Kongresses verhindert wurde. Aus dem Zahlenverhältnis 8/18 scheint mir aber unzweideutig 
hervorzugehen, daß die Dinge diesmal anders lagen. Es bleibt nur übrig anzunehmen, daß die 
Verfasser der angemeldeten Vorträge aus den oben erörterten Gründen an sich keine große 
Neigung zum Besuch des Kongresses hatten, andererseits aber in durchaus gutzuheißeoder 
Höflichkeit gegen die rührigen Organisatoren des Kongresses ihre Mitwirkung wenigstens in 
Gestalt eines eingeBandten Manuskriptes nicht versagen wollten. 

Durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Autoren sind wir in der Lage, eine größere 
Anzahl der in Lüttich gehaltenen Vorträge in extenso erscheinen zu lassen. Indem wir mit der 
Veröffentlichung derselben in diesem Hefte beginnen, geben wir im folgenden einen knrzen 
Bericht über die Kongreßverhandlungen. 

In der 1. Sektion für Kinesiotherapie wurden die verschiedenen, in dieses Gebiet 
fallenden Zweige lebhaft diskutiert. Die Vorträge behandelten die Massage, 1 ) die Bewegaogs* 
und Übungstherapie, die Orthopädie, die Lungengymnastik etc. Nach dem Vortrage *on 


1 ) S. auch Zabludowski, „Der Massageunterricht an der Universität Berlin* 4 . Seite 508 
dieses Heftes. 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


519 


Kouindjy: Über die Indikationen der methodischen Massage bei der Behandlung 
der Neuritis und Polyneuritis 1 ) sprach Cautru (Paris): Über die Wirkung der Massage 
der Herzgegend bei Herzkrankheiten. Die Massage ist ein äußerst wertvolles Hilfs¬ 
mittel bei der Behandlung von Herzkrankheiten. Sie zeigt ihre Einwirkung an drei objektiv 
meßbaren Faktoren: dem Blutdruck, dem Puls und der Herzgröße. Der Blutdruck wird durch 
eine beruhigende 3fassage, am einfachsten in Form der manuellen Vibrationsmassage, herab¬ 
gesetzt, während kräftigere Manipulationen, wie Hackungen und Klopfungen, erregend wirken 
und den gesunkenen Blutdruck zu erhöhen geeignet sind. Eine ähnliche Einwirkung zeigen 
die erwähnten Eingriffe auf die Pulszahl. Auch das Schlagvolumen wird günstig beeinflußt. 
Auffallend war, daß Störungen des Bbythmus schon nach einer Sitzung vorübergehend, nach 
mehreren aber häufig dauernd beseitigt werden konnten. Endlich zeigte sich auch deutlich 
der Effekt der Massage an dem Verhalten der Herzgröße vor und nach den Sitzungen. Die ab¬ 
solute und relative Herzdümpfung wurden mehrfach um 2—3 cm verkleinert, die Herzspitze 
rückte nach innen und oben und die untere Herzgrenze hob sich. Vortragender legt auf dieses 
Verhalten der Herzgrenzen deshalb besonders großen Wert, weil es auch gewisse diagnostische 
Schlüsse zuläßt, indem bei der Pericarditis exsudativa und adhaesiva der herzverkleinernde 
Effekt der Massage ausbleibt. Die geschilderten Wirkungen der Herzmassage werden durch 
Demonstration einer Anzahl instruktiver Kurven erläutert. Auch die bei Herzkrankheiten nicht 
seiten vorkommenden Interkostalneuralgien werden durch die Massage wirksam bekämpft; 
ferner läßt sich besonders durch Kombination mit vorsichtiger Bauchmassage gegen die Dyspnoe 
und gestörte Diurese viel ausrichten. Besonders in diesem letzten Punkt, der stark diuretischen 
Einwirkung der Bauchmassage, stimmt Kouindjy dem Vortragenden bei. Er erinnert daran, 
daöHuchard sie „la digitale des doigts“ genannt habe, und daß sie nach seiner eignen Er¬ 
fahrung bisweilen die üblichen Diuretica sogar übertreffe. Er beobachtete danach Ansteigen 
der ausgeschiedenen Harnmenge um 1000 ccm in 24 Stunden. Auch ist ihm, wie dem Redner, 
<Ier tonussteigernde Einfluß auf den Herzmuskel nicht entgangen. „Über die Wirkung der 
Massage und ihre Verbreitung“ sprach Malengrau (St. Ghislaiu). Daß die Massage 
sowohl in der inneren Medizin, wie in der Chirurgie und Gynäkologie und in allen möglichen 
Spezialfächern große Heilerfolge aufzuweisen hat, bezweifelt heute kein Arzt mehr. Um so 
merkwürdiger und bedauerlicher ist es, daß die Massage immer noch von vielen Ärzten als ein 
des Arztes unwürdiges Handwerk angesehen wird, welches man getrost dem Laien überlassen 
könne. Das ist aber nicht nur vom sozialen, sondern auch vom medizinisch-wissenschaftlichen 
Standpunkt aus betrachtet ein schwerer Irrtum. Denn es leuchtet ohne weiteres ein, daß der 
Laienmasseur unberechenbaren Schaden anrichten kann, wenn man seine Tätigkeit nicht auf 
ganz bestimmte oberflächliche Streichungen beschränkt. Der Arzt, der das nicht tut, soll sich 
dessen bewußt sein, daß er für den durch den Masseur gestifteten Schaden voll und ganz ver¬ 
antwortlich bleibt. Die eigentliche Massage ist Sache des geschulten Arztes, weil zu ihrer 
wissenschaftlichen Ausführung gute Kenntnisse der Anatomie, Physiologie und Pathologie un¬ 
erläßliche Vorbedingungen sind. Erst in jüngster Zeit, die auf Grund wissenschaftlicher Unter¬ 
suchungen eine genauere Formulierung der Indikationen und Kontraindikationen der Massage 
brachte, steigt erfreulicherweise auch die Zahl der Ärzte, die sich mit der Massage beschäftigen, 
sicher nicht zu ihrem eignen Nachteil und dem ihrer Patienten. 

Wie wir aus dem Cautruschen Vortrage gesehen haben, daß die Massage der Herzgegend 
hei den eigentlichen Herzfehlern und Kompensationsstörungen wirkungsvoll ist, so berichtet 
Hasebrök (Hamburg) über ihren Einfluß auf eine andere schwere Herzerkrankung, die Angina 
pectoris. „Die Behandlung der Angina pectoris und ähnlicher Affektionen mit 
Gymnastik und Massage des Thorax“ ist bei einer gewissen Art von Fällen vorteilhaft 
uüt der Zandergymnastik durchzuführen. Für andere Fälle erweist sich wiederum die Massage 
des Thorax als erfolgreicher. H. glaubt in der abnormen Reizbarkeit gewisser Nervcngeflechte 
ini Verlauf der Spinalnerven der linken Thoraxhälfte einen gewissen Anhaltspunkt ftir die 
Hcilungsaussichten gefunden zu haben. Man weiß allerdings von den näheren Beziehungen 
dieser Nerven zur Angina pectoris bis jetzt nichts Genaues. Die Erfahrung lehrt uns, daß 
gewisse, in diese Nervengebiete ausstrahlende Schmerzen in der Symptomatologie der Angina 


l ) Wird im nächsten Heft auszugsweise erscheinen. 


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Berichte über Kongresse and Vereine. 


pectoris häufig auftreten. Vortragender beobachtete in vielen Fällen eine auffallende Druck¬ 
schmerzhaftigkeit an der linken Thoraxhälfte, die oft in der Gegend der Herzspitze am deut¬ 
lichsten ansgesprochen war und sich bisweilen den Interkostalraum entlang bis-zur Axill&rliuie 
verfolgen ließ. Die rechte Thoraxhälfte war stets frei von Druckpunkten. Man darf wohl 
annehmen, daß in Fällen mit derartigem Befund die Angina pectoris mit einer sensitiven Reflei- 
neurose vergesellschaftet ist. H. machte nun die ebenso interessante wie therapeutisch wichtige 
Beobachtung, daß in solchen Fällen ein sichtlich günstiger Einfluß auf die Anfalle ausgeübt 
wird, ja daß die Anfälle sogar gänzlich fortbleiben, wenn es gelingt, durch Massage die Schmerz- 
empfindlichkoit der erwähnten Druckpunkte zu beseitigen. Diese Erfahrungen stehen in gewissen 
Beziehungen zu den bekannten Beobachtungen von Cornelius; sollten sie von Nachuntersuchem 
bestätigt werden, so wäre die sonst so wenig befriedigende Therapie der Angina pectoris um 
ein einfaches, unschädliches und jederzeit anwendbares Hilfsmittel bereichert. 

Während wenigstens in Deutschland beim akuten Gelenkrheumatismus in frischen Fällen 
die Massage so gut wie gar nicht in Anwendung gezogen wird, rühmt Sarafidi (Constanza) 
„die Behandlung des akuten Gelenkrheumatismus durch Massage mit Petroleum“. 
Dabei benutzt er das Petroleum nur als Gleitmittel, nachdem er sich überzeugt hat, daß dasselbe 
innerlich genommen oder in Form von Umschlägen angewandt auf den Krankheitsprozeß keine 
Wirkung ausübt. Er hat bisher etwa 150 Fälle mit Massage behandelt, und zwar alle Arten 
von Fällen: akute und subakute, mono- und polyarticuläre, ohne und mit Ergüssen. Selbst 
hohes Fieber ist für ihn kein Hinderungsgrund. Der Effekt dieser Behandlung war vorzugs¬ 
weise schmerzstillend, auch war eine günstige Einwirkung auf die Ausbreitung des Krankheits- 
prozeBses erkennbar. 

Die mechanische Beeinflussung der Lunge in prophylaktischem und therapeutischem 
Sinne hatten die Vorträge von Rosenthal (Paris) und Gommaerts (Gent) zum Gegenstand. 
Rosonthal sprach „Über Lungengymnastik und Atmungsübungen“, die er als spezi¬ 
fische Prophylaktika gegen die Lungentuberkulose bezeichnet. Er steht auf dem Standpunkt 
daß zurzeit noch die einzige praktische Therapie der Lungentuberkulose auf prophylaktische® 
Gebiet liegt. Demnach ist der wichtigste Leitsatz seiner Ausführungen, daß die Behandte 
einzusetzen hat vor Ausbruch der Tuberkulose bei Individuen, die sich durch „rhinoadänoidea" 
Typus oder durch andere Zeichen, die erfahrungsgemäß auf eine besondere Disposition w 
Acquisition der Tuberkulose hinweisen, als besonders gefährdet kennzeichnen. Durch ana¬ 
tomische und funktionelle Störungen des Atmungsapparates wird bei solchen Individuen eine 
Ateminsuffizienz gesetzt, die die Ansiedlung des Tuberkelbazillus begünstigt, ihr ist deshalb in 
erster Linie therapeutisch entgegenzutreten. Alles kommt darauf an, dieses Stadium der Atem¬ 
insuffizienz nicht unbenutzt vortibergehen zu lassen. Denn so unsicher alle Mittel gegen die 
manifeste Tuberkulose sind, ebenso sicher kann in diesem Stadium die Heilung vorhergesagt 
werden. Es ist Sache des kundigen Arztes, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen. Frühzeitig 
angewandt, ist die vom Vortragenden auf physiologischer Grundlage begründete Technik der 
Lungengymnastik der zurzeit sicherste Schutz gegen den Ausbruch der Lungentuberkulose. In 
der Diskussion bemängelt Ko ui ndjy die von Rosenthal gebrauchte Terminologie. Marinei 
bestätigt nach langjähriger Erfahrung die guten Resultate der Lungengymnastik. Er bedient 
sich mit Vorliebe der Zand ersehen Apparate zur passiven Lungengymnastik, verwendet 
andererseits aber auch mit Erfolg die manuellen Atmungsübungon, besonders in Fällen, in 
denen Apparate nicht anwendbar sind. Beide Verfahren sollen und können sich nicht ersetzen, 
sie ergänzen sich aufs glücklichste. 

Mehr von direkt therapeutischen Gesichtspunkten aus besprach Gommaerts „die 
Kinesiotherapie der Lunge“ Indem er im wesentlichen auf demselben Standpunkt steht 
wie die erwähnten Autoren, hebt er das Verdienst der schwedischen Schule um den Ausbau 
der Lungengymnastik hervor. Die Mechanotherapie hat die physikalische Behandlung der 
Lungenkrankheiten erst zu einer wissenschaftlichen Methode gemacht, indem sie mehr als ei 
bisher möglich war, mit genau dosierbaren Eingriffen arbeiten lehrt Sie darf in Zukunft iß 
der Allgcmeinbehandlung der Lungenkrankheiten nicht mehr fehlen, sie ist ein Unterstützungs¬ 
mittel von großer praktischer Wichtigkeit, weil sie auf die ganze Ausbildung und Gestaltung 
der Respirationsorgane eine bestimmendere Einwirkung auszuüben imstande ist als irgend eine 
andere Behandlungsmethode. An der Hand guter Abbildungen zeigt Vortragender die von ihm 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


geübte Technik^ die aus einer Kombination der manuellen mit der Zandergymnastik besteht 
Die Kinesiotherapie der Lunge ist indiziert bei allen Erkrankungen des Respirationstraktus nach 
Ablauf des akuten Stadiums, also in der Rekonvaleszenz der Pneumonie, Pleuritis, Bronchitis, 
ferner bei Emphysem und Asthma. Kontraindikationen bilden die akut entzündlichen Affektionen, 
Neigung zu Blutungen und Fieber. 

Gunzburg (Antwerpen) sprach „über die physiologische Wirkung und die In¬ 
dikationen der Mechanotherapie“. Die Mechanotherapie ist die therapeutische Anwendung 
der Bewegung in dosierbarer und abstuf barer Form. Sie bildet mit der Massage zusammen die 
Kinesiotherapie. Massage und Mechanotherapie können sich nicht gegenseitig ersetzen, jede von 
ihnen hat ihre Eigenheiten, jede ihre Indikationen. Die Mechanotherapie nutzt die Bewegung aus, 
indem sie die im Muskel aufgespeicherte Kraft belebt und ihre Einwirkung auf den Organismus 
entfalten läßt. Diese Wirkungen sind lokaler und allgemeiner Natur, sie erstrecken sich auf die 
Kontraktionsfähigkeit der Muskelfaser, auf den Stoffwechsel des Gewebes, auf die Erregbarkeit 
nnd Leistungsfähigkeit des nervösen Apparates, auf die Herzarbeit und Blutzirkulation und 
endlich auf die Atemgröße und die Ausscheidung der Kohlensäure. Ein ebenso wichtiger wie 
leicht durchführbarer Punkt bei der Anwendung der Kinesiotherapie ist die Vermeidung der 
Ermüdung und Erschöpfung. Die Hauptindikationen sind folgende: Unfallsfolgen, kompensierte 
Herzfehler, Ernährungsstörungen, Atonie des Magendarmkanals, Skoliosen und eine große Anzahl 
anderer Erkrankungen, bei denen Bewegung und Übung angezeigt ist. Die Kontraindikationen 
sind nicht sehr zahlreich und ergeben sich ohne weiteres aus dem klinischen Befund. Die 
Bewegungstherapie und die ihr verwandten Zweige der physikalischen Therapie haben sich in 
der wissenschaftlichen Heilkunde nunmehr einen solchen Platz errungen, daß es an der Zeit 
erscheint, ihnen wegen ihrer großen Bedeutung für die gesamte Pathologie und Therapie auch 
io klinischen Unterricht die ihnen gebührende Stellung einzuräumen. 

Eine Anzahl von Vorträgen beschäftigten sich mit der Behandlung der Skoliose, die 
wichtigsten von ihnen seien hier kurz wiedergegeben . l ) Le Mariuel (Brüssel) trug zuerst einiges 
ans der Pathologie der Skoliose vor, ging dann zur Diagnose und Prognose über, um sich 
schließlich ausführlich „übor die mechanische Behandlung der Skoliose“ zu verbreiten. 
Er unterscheidet, wie wohl jetzt jeder Orthopäde, drei Stadien der Skoliose. Das erste Stadium 
bezeichnet er als „forme musculaire“, weil die Deviation durch energische Muskelkontraktion 
sofort zum Verschwinden gebracht werden kann. Da fast alle Skoliosen mit dieser Form 
beginnen, sie also das Frühstadium darstellt, verdient sie eine hervorragende Beachtung, weil 
es ohne weiteres einleuchtet, daß eine energische Behandlung in dieser Zeit noch vollen Erfolg 
verspricht. Prophylaktisch sind alle Umstände auszuschalten, die erfahrungsgemäß zur Ent¬ 
wicklung einer Deviation beitragen, insbesondere ist der Haltung beim Schreiben sowie der 
Beschaffenheit der Schreibpulte erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Behandlung muß darauf 
aasgehen, die Haltung zu verbessern, die verbesserte Stellung zu erhalten und die normale Ent¬ 
wicklung der Kinder zu unterstützen. Diesem Zweck dient eine Hebung der ganzen hygienischen 
Verhältnisse, eine Kräftigung der Muskulatur und Verbesserung der Haltung. Verwendung verdienen 
hier hauptsächlich die aktiven und passiven Zanderapparate, die Massage und Gymnastik der Rücken¬ 
muskulatur, während das orthopädische Korsett unter allen Umständen fortzulassen ist, denn sein 
Nutzen ist in diesem Stadium gleich Null, seine Schädlichkeit unter Umständen groß. Die 
Skoliose ersten Grades ist vollkommen heilbar. Im zweiten Stadium kann der Kranke durch 
Muskelanspannung die Deviation wohl noch bessern, aber nicht mehr beseitigen. Die Behand¬ 
lung ist im wesentlichen dieselbe wie im ersten Stadium, nur noch länger und intensiver durch- 
xuführen. Prognostisch ist Besserung in jedem Fall zu versprechen, Heilung nur bei jungen 
Patienten, wenn die Deviation nicht erhebliche Grade erreicht hat. Jede Skoliose ist, sich 
selbst überlassen, progressiv, deshalb ist jeder Fall ärztlicher Behandlung bedürftig. Hygienische 
Maßnahmen, redressierende Gymnastik, Massage sind auch im zweiten Stadium am Platze. 
Auch hier ist das orthopädische Korsett nicht durchweg indiziert, sondern nur bei schnell 
progredienten Fällen; auch da ist es nur stundenweise anzulegen. Im dritten Stadium kann der 
Kranke durch eigne Muskelanspannung seine Deviation nicht mehr verbessern. Hier ist neben 


*) S. a. Schanz, „Die Bedeutung von Massage und Heilgymnastik in der Skoliosen- 
Therapie.“ S. 512 dieses Heftes. 


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Berichte üher Kongresse und Vereine. 


der oben erwähnten Allgemeinbehandlung das orthopädische Korsett am Platze, und zwar das 
abnehmbare bei Fällen, die man langsam zu redressieren beabsichtigt, das feste nach Anwendung 
des forcierten Redressements. Die Prognose der Skoliose dritten Grades ist immer ernst. Nach 
dem 20. Lebensjahr ist von korrigierenden Maßnahmen nichts mehr zu erwarten, man beschränkt 
sich darauf, einer Verschlimmerung durch Korsettbehandlung entgogenzuarbeiten. In der Dis 
kussion schlossen sich Rosenthal undKouindjy im wesentlichen den Ausführungen Marineh 
an. Ersterer weist noch auf den Zusammenhang zwischen fehlerhafter Atmung und der Skoliose 
hin, der sich durch die Tatsache erklärt, daß dieselben Muskeln, die bei der Atmung wesentlich 
beteiligt sind, auch bei der Haltung des Brustkorbes und der Wirbelsäule eine wichtige Rolle 
spielen. Kouindjy glaubt, daß die vielfach erprobte Wirksamkeit der Massage als Mittel gegen 
die Skoliose darauf beruht, daß dieselbe den Muskeltonus steigert. Da man gewöhnlich einen 
deutlichen Unterschied im Tonus zwischen der beiderseitigen Rückenmuskulatur findet, müssen 
die hypotonischen massiert werden, die gewöhnlich auf der Seite der Konvexität liegen. 
Kaisin (Floreffe) beschreibt einen neuen „Redrcssionsapparat für Wirbelsäulen¬ 
verkrümmungen“ an der Hand instruktiver Abbildungen. Aus diesen geht hervor, daß durch 
Pelottendruck direkt auf den Gibbus eingewirkt wird, daß also der Apparat auf der Höhe der 
Konvexität die Wirbelsäule an greift. Auch läßt sich der Apparat direkt zur Anlegung des 
Gipskorsettes mit Vorteil verwenden. An einer Anzahl von Photographien, die vor und nach 
der Behandlung aufgenommen sind, kann man sich von den vorzüglichen Resultaten des Vor¬ 
tragenden überzeugen. 

Zabludowski (Berlin) demonstrierte ein Klavier, welches zur Prophylaxe des 
Klavierspielerkrampfes dienen soll. Die Überanstrengung der Muskulatur, die dieser 
Affektion ätiologisch zugrunde liegt, wird nach Ansicht des Vortragenden meist bei Jugendlichen 
dadurch hervorgerufen, daß sie mit ihren kürzeren Fingern wegen der gleichen Tastenbreite 
aller Klaviaturen dieselbe Entfernung umspannen müssen wie der Erwachsene. Bei der Geige 
sind von jeher mit 1 ücksicht auf diese Verhältnisse drei Größen im Gebrauch. Es kommt also 
darauf an, durch Verschmälerung jeder einzelnen Taste die räumliche Ausdehnung der Oktave 
in der Klaviatur zu verkleinern. Damit nun eine Familie zum Gebrauch für Eltern nnd Kinder 
nicht zweier Klaviere benötigt, hat Zabludowski eine Univorsaltastatur konstruiert, der .U 
daß sich auf der einen Seite der um die Längsachse drehbaren Tastenbank die gewöhnlick, 
auf der Rückseite aber die kleine Tastatur befindet. Die Auswechslung derselben ist durch 
eine Umdrehung leicht und schnell zu bewerkstelligen. Fabrikant: Wilhelm Menzel (Berlin> 

„Über die unblutige Einrenkung der angeborenen Hüftgelenksluxation und 
ihre Resultate“ sprach Gourdon (Bordeaux). An der Hand von 315 selbst behandelten Fällen 
hält Redner die unblutige Einrenkung. Für das beste Verfahren für Kinder von 2—9 Jahren. In 
diesem Alter ergibt die Operation in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Heilung, Kompli¬ 
kationen sind nicht zu befürchten. Die von Gourdon geübte Technik besteht in Fixation des 
eingerenkten Gelenkkopfes in normaler Stellung. Die Dauer der Fixierbehandlung ist ganz 
verschieden. Nach dem 9. Lebensjahr ist die Operation schwieriger, es treten bei und nach dem 
Eingriff öfter unliebsame Zwischenfälle ein. Deshalb ist in diesem Lebensalter erhöhte Aufmerk¬ 
samkeit des Operateurs am Platze; man muß Art und Dauer des Kontentiwerbandes für jeden 
Fall individualisierend aus wählen. Beobachtet man diese Vorschriften, dann erzielt man auch nach 
dem 9. Lebensjahr mit der unblutigen Einrenkung gute Resultate. (Schluß folgt.) 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Edgar Gans, Die baineologisch-diätetische 

Behandlung der chronischen Diarrhöe. 

Therapeutische Monatshefte 1905. Nr. 4. 

Die baineologisch-diätetische Behandlung 
der chronischen Diarrhöe besteht im innerlichen 
Gebrauch von Mineralwässern, in äußerlicher 
Anwendung von Wärme in Form von Bädern, 
Duschen und Umschlägen, Eingießungen in 
den After, Regelung der Bewegung und der 
geistigen Arbeit und vor allem in einer be¬ 
stimmten Diät. Verfasser bespricht die im 
allgemeinen für die Diätetik der chronischen 
Diarrhöe geltenden Prinzipien: 1. Erhaltung 
bzw. Förderung des Kräftezustandes durch 
reichliche, individuell angepaßte Ernährung. 
2 Bevorzugung a) der gut assimilierbaren Sub¬ 
stanzen: Eiweißkörper, Fett — in Form von 
frischer Butter —, Kohlehydrate mitAusnahme 
von Zucker; b) derjenigen Nahrungs- und 
Genaßmittel, die durch ihren Tanningehalt 
adstringierend wirken: Heidelbeerpräparate, 
Eichelkakao, Eichelkaffee, Rotwein; c) der¬ 
jenigen Substanzen, welche die Fermentation be¬ 
schränken: Saccharin. 3. Vermeidung a) schwer 
assimilierbarer Substanzen; b) aller die Darm¬ 
peristaltik anregenden Ingesta. Hierbei glaubt 
Verfasser ganz besonders die Schädlichkeit 
des Zuckers betonen zu müssen; für alle Fälle, 
in denen ein Bedürfnis nach Süßstoff vorliegt, 
empfiehlt er das Saccharin, „nicht nur als 
einen unschädlichen Ersatz für die schädlichen 
Zuckerarten, sondern als ein direktes Heil¬ 
mittel“. 

In seinen weiteren Ausführungen gibt Ver¬ 
fasser, seine bei der Behandlung der chronischen 
Diarrhöe gemachten Erfahrungen zusammen¬ 
fassend, ein ausführliches Schema. 

Zum Schluß weist er darauf hin, daß die 
in den letzten zwei Dezennien geübte Irrigation 
mit Karlsbader Wasser nach seiner Erfahrung 
häufig den gehegten Erwartungen nicht ent¬ 
spricht und daß wir in der innerlichen Dar¬ 
reichung des Karlsbader Sprudels in kleinen 


Mengen „ein fast ausnahmslos wirksames Mittel 
gegen die chronische Diarrhöe“ besitzen, eine 
Tatsache, die an Ort und Stelle schon seit ca. 
50 Jahren bekannt ist, ohne daß die Kenntnis 
hiervon in alle ärztlichen Kreise gedrungen 
wäre. Ob die Wirkung eine lediglich anti¬ 
katarrhalische ist und auf welchen chemischen 
und thermischen Faktoren sie beruht, ist vor¬ 
läufig nicht zu sagen. 

Fritz Loeb (München). 


Kolisch, Beiträge zur Diabetesdiät. I. Quan¬ 
titative Nahrungseinschränkung. Zentral¬ 
blatt für die gesamte Therapie 1905. Nr. 3. 

Verfasser führt den Nachweis, daß die Vor¬ 
schrift der quantitativen Nahrungseinschränkung 
aus einer Zeit stammt, in welche die ersten 
Anfänge der Kenntnis des Diabetes datieren. 
Der Grund, daß diese Lehren so wenig ge¬ 
würdigt wurden, ist in ganz bestimmten Ver¬ 
hältnissen der Entwicklung der Stoffwechsel¬ 
lehre zu suchen: vor allem in der Methode, 
die Kranken nach den Grundlehren des Energie¬ 
verbrauches, d. h. nach Kalorien zu ernähren. 
Verfasser hat schon vor Jahren in seiner 
„Diätetischen Therapie“ speziell für die Be¬ 
handlung der Fettsucht und des Diabetes die 
Unzulänglichkeit des Kaloriengesetzes als diäte¬ 
tische Grundlage zu zeigen versucht und vor 
der schablonenhaften Anwendung desselben 
in der Therapie gewarnt 

Seit einer Reihe von'Jahren hatte er 
Gelegenheit bei der Verwendung des vegeta¬ 
bilischen Regimes in der Behandlung des 
schweren Diabetes in einer großen Zahl von 
Fällen das wichtige Resultat zu sehen, daß 
die Diabetiker während dieses Regimes mit 
einer Kalorienzufuhr von 20 und selbst weniger 
Kalorien pro Kilogramm und Tag längere Zeit 
hindurch im Gleichgewicht gehalten werden 
können. Keineswegs erlitten sie dabei eine 
Einbuße ihres Kräftezustandes. Im Gegenteil 
ging mit der allmählichen Besserung der Glyko- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


surie, Abnahme der Harnmenge etc. auch eine 
auffallende Steigerung der Muskelkraft und 
Leistungsfähigkeit einher. Diese Resultate 
führt Verfasser auf die Tatsache zurück, daß 
die Diabetiker eher ein geringeres Ausmaß an 
Kalorien nötig haben, als der Normale. Dieses 
Verhalten der Diabetiker ist besonders in ^ 
Fällen von schwerem Diabetes von großer j 
Bedeutung. Einmal kann man darin einen ' 
Selbstschutz des Organismus erblicken, der sich 
auf ein geringeres Maß von Nahrung einstellt 
und zweitens gibt dieses Vorhalten die Mög¬ 
lichkeit, die Quantität der Nahrung des Diabe¬ 
tikers weitgehend zu reduzieren. Das Minimum 
der Nahrung, mit welchem der Kranke gerade 
noch sein Auskommen findet, ist die Grund¬ 
lage aller quantitativen Vorschriften. Die Er¬ 
fahrungen aus der qualitativen Ernährungs¬ 
lehre dürfen dabei natürlich nicht vernach¬ 
lässigt werden. Durch sorgfältiges Bemessen 
der Nahrungsquantität kann mit der Zeit sogar 
das ursprünglich konstatierte Minimum reduziert 
werden. Fritz Loeb (München). j 


v. Jak sch, Weitere Mitteilungen über die 
Verteilung der stickstoffhaltigen Sub¬ 
stanzen im Harne des kranken Menschen. 

Zeitschrift für klinische Medizin 1903, Bd. 50, 
Heft 3 u. 4, und Monatsberichte für Urologie 
Bd. 8, Heft 11. | 

Der Verfasser faßt seine Untersuchungen j 
folgendermaßen zusammen: 95,85—98,36% des 
durch Phosphor-Wolframsäure nicht fällbaren 
Stickstoffes des Harns Kranker entstehen aus 
Harnstoff. 6,16—8,51 % der durch Phosphor- 
Wolframsäure fällbaren stickstoffhaltigen Körper 
bestehen aus Purinkörper- und Ammoniak- 
Stickstoff. 83,93—91,07 % des Gosamtstick- 
stoffes des Harns stammen aus dem Harnstoff. 
1,52—3,61 % des Gesamtstickstoffes entfallen 
auf den Amidosäurcn-Stickstoff. Die Menge 
des Gesamtstickstoffes mit dem Faktor 2 
multipliziert, ergibt in eiweißfreien Harnen die 
Menge des Harnstoffes mit für klinische Unter¬ 
suchungen hinreichender Genauigkeit. Nach 
den Verhältnissen in pathologischen Harnen 
und aus zwei Versuchen bei normalen Menschen 
zu schließen, dürfte im Harne normaler Menschen 
ca. 1,5 bis höchstens 3% des gesamten Stick¬ 
stoffes aus Amidosäuren-Stickstoff bestehen; 
die Menge desselben kann durch die Nahrung, 
z. B. Einfuhr benzolsäurehaltiger Körper, ge¬ 
steigert werden. Bei Lebererkrankungen 


Typhus abdominalis, Diabetes mellitus, auch 
bei einzelnen Fällen von Basedowscher 
Krankheit zeigt die Ausscheidung des Amido* 
säure-Stickstoffes eine Vermehrung, die bei 
Diabetes bis 0,64 g, bei Typhus bis 0,5 g 
Amidosäuren-Stickstoff in der Tagesmenge de* 
Harns betragen kann. 

Forchheimer (Würzburg). 


Terrien, Traitement des dyspepsies du 
premler &ge. Journal des Praticiens 1905. 
Nr. 51. 

Unter den am wesentlichsten in Betracht 
kommenden Ursachen für die Verdauungs¬ 
störungen des ersten Lebensalters sind nach 
Terrien drei praktisch wichtig: zu reichliche, 
zu geringe oder qualitativ ungeeignete Er¬ 
nährung. Über die beiden ersten Punkte gibt 
am besten eine regelmäßige Wägung des Kindes 
vor und nach dem Anlegen Aufschluß. Die 
Qualität der Milch betreffend, ist natürlich die 
Gesundheit der Amme und chemisch festgestellte 
Güte der Milch das nötigste Postulat. Daneben 
muß das Verhalten des kindlichen Organismus 
gonau beobachtet werden, und wenn hier irgend 
Störungen sich zeigen, ist eine Änderung des 
Ernährungsregimes am Platze, selbst wenn die 
genannten sonstigen Bedingungen anscheinend 
die besten sind. Jedem erfahrenen Pädiater 
ist das natürlich wohlbekannt, ebenso daß man 
wenigstens bei Brustkindern durch Regelung 
der Mahlzeiten, Darreichung von Backhausmilch 
und anderen Ersatzmitteln fast stets Dyspep¬ 
sien relativ schnell beseitigt. Bei Flaschen¬ 
kindern, bei denen alle Störungen intensiver 
und langdauernder zu sein pflegen, kommt zu 
diesen Maßnahmen noch hinzu, daß man, wenn 
ein Wechsel der Milch nicht alsbald Abhilfe 
bringt, auf sie ganz verzichten muß. Meist 
erzielt man mit Mehl-Abkochungen gute Re¬ 
sultate; sehr zu empfehlen sind Brühen mit 
Karotten, Kartoffeln oder Reis zubereitet 
wovon man kaffeelöffelweise der Nahrung 
zusetzt. 

Nach diesen Vorschriften kann man anch 
gut das Regime in fortgeschrittenem Alter, bei 
eintretender Intoleranz gegen Milch einrichten, 
indem man allmählich zur gemischten Diät 
übergeht. In diesem Stadium eintretende 
Magen-Darmstörungen, die nach den angege¬ 
benen Gesichtspunkten zu bekämpfen sind, 
bedürfen außerdem jedoch besonderer sympto¬ 
matischer Behandlung: Erbrechen, Verstopfung. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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fötide Durchfälle, vor allem aber die ge¬ 
wöhnlich vorhandene Anämie und Anorexie 
verlangen sorgfältige Berücksichtigung. Die 
von Terrien empfohlene Therapie bei diesen 
Znständen ist die allgemein übliche. 

Mamlock (Berlin). 


A. Strauß, Beiträge zur Frage der gastro¬ 
intestinalen Autointoxikationen. Beiträge 
znr klin. Medizin. Festschrift, H. Senator 
gewidmet 

Anknüpfend an die grundlegenden Publi¬ 
kationen Senators über die gastro-intestinalen 
Antointoxikationen, teilt Strauß verschiedene, 
auf diesem Gebiet gemachte chemische Unter¬ 
suchungen, klinische Beobachtungen und thera¬ 
peutische Maßnahmen mit. 

Untersuchungen über das Vorkommen, 
Bedingungen und Folgen der H*S im Magen, 
machten es wahrscheinlich, daß das Bacterium 
coli der H,S-Bildung nahesteht. Es besteht 
ferner zwischen Kohlehydratgehalt und Auf¬ 
treten von Fäulnis im Magen eine Wechsel¬ 
beziehung im entgegengesetzten Sinn. So findet 
»ich auch bei subazidem Mageninhalt und 
Stagnation keine H 3 S-Bildung. Aus vermehrter 
Ammoniakbildung darf auf eine vermehrte 
Eiweißzersetzung geschlossen werden. Während 
Hosenfeld bei Ulcus ventriculi unter normaler 
Azidität und bei Gastrektasie erhöhte Fett- 
»aurewerte im Urin vorfindet, muß Strauß 
derFettsäureau8Bcheidung im Urin diagnostische 
Bedeutung absprechen. Er findet außerdem 
eine alimentäre Azctonurie durch Vermehrung 
der importierten Fettsäuren. Ein diagnostischer 
Schluß ist daraus ebenfalls nicht abzuleitcn. 
Auch die toxische Wirkung des Azetons wird 
»ft überschätzt. 

Über Indikanurien unter alimentärem Ein¬ 
fluß und gastro- intestinalen Ursprungs bat 
Strauß nach eigner Methode Untersuchungen 
ausgefuhrt, wobei sich zeigte, daß sich fllr die 
Zwecke der klinischen Fragestellung aus¬ 
reichende Resultate ergaben. Besonders die 
infektiösen putriden, im Dünndarm lokalisierten 
Formen gehen mit Indikanvermehrung einher. 
Man kann also an der Hand quantitativer 
Indikanbestimmnngen putride und blande 
biarrhöen unterscheiden; so z. B. ist bei 
I ungen* und Darmtuberkulose im Gegensatz 
*ur Phthisis mit einfacher Enteritis die Indol- 
uienge auf das vier- und sechsfache gesteigert. 
Hei Anämie ist Indikanurie nicht auf abnorme 
Indikanbildung in den Geweben zurückzuführen, 


sondern auf einen den Fäulnisbakterien 
günstigen Nährboden im Darm. Daß bei 
chronischer Obstipation keine Erhöhung des 
Indikans zu beobachten ist, wird durch Stras- 
burgers Beobachtungen gestützt, der in 
solchem Fall den Bakteriengehalt häufig ver¬ 
ringert findet. Bei Magenkarzinom ist den 
häufig und lange dauernden Blutungen für die 
Entstehungen der Indikanurie Bedeutung bei¬ 
zulegen. Allen Untersuchungen, die das Studium 
der Indikanfrage betreffen, ist wegen des Ein¬ 
flusses der Nahrung eine einheitliche konstante 
Diät zugrunde zu legen. Histogene Indikan¬ 
bildung kommt bei schwerer Sepsis mit 
parenchymatöser Hepatitis vor. Die Möglichkeit 
enterogener Anämie kann nicht in Abrede 
gestellt werden; größere Darmpartien können 
allerdings ausgeschaltet werden, ohne daß das 
Blut eine nennenswerte Veränderung erfährt 
Chronische Darmverschlüsse lassen keine Er¬ 
höhung der hämolytischen Kraft des Blutserums 
nachweisen. 

Die klinischen Beobachtungen erstrecken 
sich auf zwei Fälle von Coma dyspepticum 
uraemienm. Sie lassen allerdings Einwändo 
zu, so auch tetanieähnliche Erscheinungen hei 
akuter Gastroenteritis. Disposition zur Tetanie 
war allerdings vorhanden; möglicherweise sind 
aber doch rein toxische Einflüsse anzuschuldigen. 
In einem Fall von Tachykardie undHcrzarythmie 
mit Störung der Fettverdauung ließen sich 
zahlreiche Fettsäurenadeln und Säurereaktion 
auf eine Störung der Fettverdauung zurück¬ 
führen, die sowohl eine allgemeine Infektion 
als eine Reizung der Darmschleimhaut ver¬ 
ursachen könnte. 

Bei Aufstellung der therapeutischen Ge¬ 
sichtspunkte ist zu bedenken, daß die sichere 
Diagnose einer Autointoxikation außerordent¬ 
lich schwierig ist Ohne Defekte in den mit 
der Umformung der resorbierten Giftstoffe be¬ 
trauten Organen kommen enterogene Autointoxi¬ 
kationen nur bei großer Menge der Giftstoffe 
vor. Die Therapie hat trotzdem den Darm¬ 
kanal als Angriffspunkt zu wählen, besonders 
mittelst Dickdarmspülting, da es im Dünndarm 
durch das Vorhandensein gelöster Kohlehydrate 
weniger zur Eiweißfäulnis kommt; eventuell 
ist Einführung des Darmschlauchs mittelst des 
Rektoskops in die Flexura sigmoidca nötig 
oder mittelst folgenden Kunstgriffes: Man führt 
Stil lösche Knopfsonden unter rotierenden 
Bewegungen ein. Ein Ahgleiten der Sonde 
von den Falten und Buchten des Rektums 
wird dadurch und durch reichliche Instillation 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


von öl ermöglicht. Im allgemeinen fällt aber 
das Problem der Eingießung mit der Frage der 
Kontinenz der Sphinkteren zusammen. Tam¬ 
ponade dos Rektums ist deshalb mehr zu em¬ 
pfehlen. Auf Darreichung größerer Mengen 
von Kohlehydraten in verzettelter Dosis, ins¬ 
besondere von Amylum und den in Zellulose 
oder EiweißhUllen eingcschlossenen ist Wert 
zu legen. Versuchte Beeinflussung der Bakterien¬ 
entwicklung durch Symbiose mit Hefe hat in 
bezug auf Indikanausscheidung zu keinem ein¬ 
deutigen Ergebnis geführt. Es empfiehlt sich 
auch da, wo Verdacht auf Lebererkrankung 
als Ursache einer enterogenen Autointoxikation 
besteht, auf alimentäre Lävulosurie zu unter¬ 
suchen. Die therapeutische Beeinflussung der 
Gallensekrete ist allerdings keine leichte und 
das antiparasitäre Vermögen der Galle selbst 
bei künstlicher Erhöhnng ihrer antiparasitären 
Wirkung kein sehr großes. 

van Oordt (St. Blasien). 


Albert Mathieu, La colite muco-membra- 
nense et son traitement. Bulletin g6n£ral 
de Therapeutique 1905. Bd. 149. 28. Febr. 

Mathieu, dessen Auffassung über die 
Colitis mucosa bekannt ist, präzisiert hier noch 
einmal seinen Standpunkt in den drei Sätzen, 
daß Verstopfung beständig bei Colitis muco- 
memhranosa besteht, daß sie primär oder 
sekundär ist und daß sie gewaltig dazu bei¬ 
trägt, das Leiden chronisch zu machen. Wirk¬ 
liche Diarrhöen sah er nie bei den Kranken, 
höchstens falsche Diarrhöe, wo die festen Fäzes 
durch Reizung der Darmwand diarrhöische Ent¬ 
leerungen verschuldeten; bisweilen wechselten j 
Konstipation und Diarrhöe. Sekundär schließt 
sich Obstipation und Hypersekretion von 
Schleim an die chronische Kolitis, an Dys¬ 
enterie, an reizende Ingesta und Injektionen. 
Die Verstopfung unterhält — was wichtig ist — | 
die Kolitis, da die festen Fäzes beständig | 
irritieren; tatsächlich besteht bei genauer Be¬ 
trachtung stets oberflächliche Entzündung der 
Kolonschleimhaut, intestinale Desquamation, 
Austreten von Leukozyten und roten Blut¬ 
körperchen, nie bilden sich nur schleimige und 
häutige Konkretionen. 

Mathieu schließt eine neuropathische 
Disposition, zentrale oder lokale Neurose 
als ätiologischen Faktor aus, und hält die 
Krankheit für ein örtliches Leiden, das allein 
lokale Ursachen hervorrufen und Spasmen, | 
hervorgerufen durch Reflexe, begleiten. Auch 


Hyperchlorhydrie hat nichts damit zn tun, 
ebensowenig gastrische Dyspepsie, da sich 
ebensogut Hypochlorhydrie dabei findet. 

Die Behandlung besteht in Lavage unter 
nicht zu hohem Druck und mit nicht zu reich¬ 
lichen Flüssigkeitsmengen, da sonst schmen 
hafte Spasmen hervorgerufen werden, und 
warmen Bädern (Plombteres). Abfuhrwässer 
nützen bei wahrer und falscher Diarrhoe. 
Wirkliche Heilung erzielten gelegentlich 
Chirurgen durch Anlegen eines Anus praeter¬ 
naturalis, so daß die Ursache ausgcsehaltei 
wurde. Schilling (Leipzig) 


J. Glax, Die S&uerlinge als diätetisches 
Getränk für Gesunde und Kranke« Zentral¬ 
blatt für physikalische Therapie und Unfall¬ 
heilkunde Bd. 1. Heft 5. 

Kohlensäurehaltige Mineralwässer sind 
durchaus kein so indifferentes Getränk ah 
man früher vielfach annahm; eine Reihe von 
Untersuchungen hat in neuester Zeit gezeigt, 
daß sie durch Steigerung und Bescbleuni 
gung der Magensaftsekretion appetit¬ 
anregend und verdauungsbefordernd wirken 
Verfasser empfiehlt aber zu diesem Zwecke 
nur die einfachen oder schwach alkalischen 
Säuerlinge, während die reichlich bikarbowt 
haltigen Wässer infolge von übermäßig 
Kohlensäureproduktion im Magen, besonders 
bei Atonie, schädlich wirken können. 

Diese Koblensäureblähung des Magens ist 
nach Glax’ Ansicht auch die Ursache für 
die suggerierte diuretischo Wirkung jener 
Wässer, da sie zugleich eine Blutdruck¬ 
erhöhung bedingt; deshalb ist bei Individuen 
mit atberomatösen Gefäßen große Vorsicht 
im Gebrauche kohlensäurehaltiger Wässer ge¬ 
boten. Im übrigen ist deren dinretische Wir¬ 
kung eine beschränkte; sie läßt sich z. B. bei 
allgemeinem Hydrops nur in der Weise ver¬ 
wenden, daß bei Einschränkung der Flüssig' 
keitsaufnahme andere Flüssigkeiten durch einen 
Säuerling substituiert werden. Kohlensäure¬ 
haltige Wässer bei Fieberkranken zur 
Steigerung der Diurese anzuwenden, hält Glax 
für zwecklos. 

Von den sonstigen Bemerkungen des Ver¬ 
fassers verdient der Bericht über die günstige 
Wirkung glaubersalzhaltiger Säuerlinge hei 
Malaria besondere Beachtung. 

A. Laqneur (Berlin). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


527 


Jossif Ibrahim, Die angeborene Pylorus¬ 
stenose im S&ugllngsalter. Berlin 1905. 
S. Karger. 

Unter Bezugnahme auf 113 aus der Literatur 
gesammelte und sieben eigene sorgfältig beob¬ 
achtete Fälle zeichnet Verfasser in der vor¬ 
liegenden, breit angelegten Monographie ein 
scharf umrissenes Bild der kongenitalen Pylorus¬ 
stenose im Säuglingsalter. 

Zu dem charakteristischen, die Diagnose 
sichernden Symptomenkomplex gehören: Bald 
nach der Geburt oder erst nach einigen 
Wochen einsetzendes, hartnäckiges und explo¬ 
sives Erbrechen, das übrigens nicht immer 
sich unmittelbar an die Nahrungsaufnahme an¬ 
schließt, spärlicher, mekoniumähnlicher, schlei¬ 
miger oder tiefbrauner, harter Stuhl, Fehlen 
von Galle im Erbrochenen, spärlicher, an Urat- 
sedimcnt reicher Urin, exzessive Abmagerung, 
Vorwölbung der Magengegend bei flachem oder 
eingesunkenem Unterleib, Diastase der Recti 
abdominis namentlich in ihren oberen Teilen, 
sichtbare Peristaltik (von links oben nach 
rechts unten laufende, peristaltische Wellen, 
Magensteifung, Sanduhrform) des Magens, 
Fühlbarkeit eines harten, kleinen Tumors in 
der Regio pylorica, eine — wohl weniger auf 
echter Ektasie wie auf Überdehnung durch 
den stagnierenden Mageninhalt beruhende — 
Magenerweiterung, Hyperazidität und Hyper- 
ehlorhydrie. Die weitaus meisten Fälle sind 
aus Deutschland (50) und England (49) mit¬ 
geteilt. Für das männliche Geschlecht scheint 
eine Prädisposition zu bestehen, unter 68 
Patienten, bei denen sich Angaben bezüglich 
des Geschlechts Anden, sind 55, unter den sieben 
Fällen des Verfassers sechs Knaben. Auf¬ 
fallend häufig ist die Affektion bei Brust¬ 
kindern. Familiäres Auftreten ist wiederholt, 
einmal auch vom Verfasser beobachtet. 

In der noch viel umstrittenen Frage, ob 
die Pylorusstenose lediglich einen spastischen 
Zustand und die bei ihr post mortem nach¬ 
gewiesene Hypertrophie einen physiologischen 
Leichenbefund, einen durch den Tod fixierten 
Kontraktionszustand der Muskulatur darstellt 
oder ob dem Leiden organische Veränderungen 
zugrunde liegen, bekennt sich Verfasser als 
Anhänger der letzteren Auffassung. Gestützt 
auf genaue anatomische Untersuchungen an 
Beinen beiden zur Autopsie gelangten Fällen 
präzisiert er sein Urteil dahin, daß es eine 
echte, auf anatomischer Basis beruhende 
Stenose des Pylorus im Säuglingsalter durch 


übermäßige Entwicklung der Muskelschicht und 
durch Schleimhautfaltung gibt, daß dieselbe 
jedoch einer Naturheilung durch kompensato¬ 
rische Hypertrophie der gesamten Magen¬ 
muskulatur, möglicherweise auch durch Deh¬ 
nung des Pförtnerlumens zugänglich ist. Die 
Pathogenese und das eigentliche Wesen des 
Leidens ist noch nicht geklärt. Wahrscheinlich 
handelt es sich um eine primär abnorm dicke 
Anlage der Muskelschicht, also eine echte Mi߬ 
bildung, nicht bloß, wie Thomsons Theorie 
annimmt, um eine sekundäre Arbeitshyper¬ 
trophie auf Grund eines vielleicht schon in¬ 
trauterin bestehenden Dauerspasmus des Pylorus. 
Die in der Literatur niedergelegten Beobach¬ 
tungen von reinem, eines anatomischen Substrats 
entbehrendem Pylorospasmus (Pfaundler) er¬ 
klärt Ibrahim für nicht einwandsfrei. Von 
sonstigen, für die Differentialdiagnose in Be¬ 
tracht kommenden Zuständen — Atresie des 
Pylorus, angeborene Geschwülste und narbige 
Stenosen der Pylorusgegend, Stenosen und 
Atresien des Duodenum, arteriomesenterialer 
Darmverschluß an der Duodenojejunalgrenze 
— ist bei der extremen Seltenheit der meisten 
dieser Affektionen eigentlich nur die zuerst 
erwähnte praktisch wichtig; bei ihr beginnen 
ohne jedes Vorstadium die bedrohlichen Symp¬ 
tome im vollsten Maße schon unmittelbar post 
partum und führen ganz rapid zum Tode. 

Für die Therapie wird folgendes Verfahren 
empfohlen: in leichteren Fällen zunächst Magen¬ 
ausspülung, ein halber oder ganzer Hungertag 
mit Wasser- oder Teediät, dann regelmäßige 
und kurz bemessene Brustmahlzeitcn, Appli¬ 
kation von Breiumschlägen, versuchsweise auch 
Darreichung von ein Eßlöffel Karlsbader Mühl¬ 
brunnen zu jeder Mahlzeit oder 10 g Kalkwasser 
eine Stunde nach dem Trinken; bei künstlich 
genährten Kindern möglichst Beschaffung einer 
Amme. Schwere Fälle erfordern ein vorsich¬ 
tiges, zielbewußtes Lavieren in der Dosierung 
und Verabreichungsweise der Nahrung (abge¬ 
drückte Muttermilch kühl oder eiskalt 10 bis 
20 bis 30 g, stündlich unter allmählicher Stei¬ 
gerung der Nahrungsmengen und Verlängerung 
der Pausen, jo nach der Toleranz des Magens), 
Magenspülungen einmal täglich mit 35—40° C 
warmem Wasser, dem 5 g Karlsbader Salz pro 
Liter zugesetzt werden, oder, falls diese die 
Patienten zu sehr angreifen, regelmäßige Aus¬ 
heberungen, vierstündliche Breiumschläge, mög¬ 
lichst unmittelbar nach dem Trinken, ruhige 
Lage, Aussetzen des Bades, subkutane Koch¬ 
salzinfusionen und kleine Kochsalzklistiere. 


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528 


Heferate Ober Böcher und Aufsätze. 


Nährklysmen sind wegen Gefahr einer Dick- 
darmreizung besser zu vermeiden. Als Ersatz¬ 
mittel der Frauenmilch oder als Beinahrung 
kommen gelabte Vollmilch, Backhaus milch 
Nr. 1, ev. auch Buttermilch, Molken, Fleisch¬ 
saft in Frage. Macht sich bei interner Behand¬ 
lung ein rasch sichtbarer Erfolg nicht geltend, 
so ist, bevor noch der Eräftezustand allzusehr 
reduziert ist, chirurgisches Vorgehen angezeigt, 
bei stärkerem Kräfteverfall und der Notwendig¬ 
keit, rasch und möglichst ohne Narkose zu 
operieren, die Pyloroplastik oder die Pylorus- 
dehnung nach Loreta, bei besserem Allgemein¬ 
befinden die günstigere Heilungschancen bietende 
Gastroenterostomie; hier dürfte die G. posterior 
den Vorzug verdienen vor der infolge Kürze 
des Mesenteriums zuweilen nicht ausführbaren 
anterior. Die Statistik, welche für 42 bisher 
publizierte Operationsfälle 50% Heilungen er¬ 
gibt, besitzt nach Verfassers eigenem Urteil nur 
einen bedingten Wert; von seinen eigenen 
Fällen gelangten fünf durch diätetische Ma߬ 
nahmen zur Heilung (von denen einer später 
an einer interkurrenten Krankheit starb und 
zur Obduktion kam), die beiden operierten 
Kinder konnten auch durch den chirurgischen 
Eingriff (Gastroenterostomia retrocolica nach 
Hacker) nicht mehr gerettet werden. Dauer¬ 
heilungen sind sowohl durch operative wie 
durch interne Behandlung erzielt worden. 

Die fleißige Arbeit, aus deren reichem 
Inhalt hier nur einiges horvorgehoben werden 
konnte, ist als schätzenswerter Beitrag zu 
dem noch lebhaft diskutierten Thema der an¬ 
geborenen Pylorusstenose im Säuglingsalter zu 
begrüßen. Besonders hingewiesen sei auch aut 
die schönen Photographien, welche die ver¬ 
schiedenen Phänomene der Magenperistaltik, 
Sanduhrform und Magensteifung in ausgezeich¬ 
neter Weise wiedergeben. 

Hirschei (Berlin). 


Sollmann,T.andHofmann, J. A., Chloride 
and water-exeretion ln typhoid fever, with 
copious diuresis. The Americ. Journ. of 
the med. Sciences 1905. Februar. 

Die Untersuchungen dieser Forscher er¬ 
strecken sich auf die Beschaffenheit der Diurese 
und der Ausscheidung der Chloride bei Typhus; 
die Ergebnisse sind folgende: die freigebige 
Darreichung vonWasser erzeugt beiT.-Patienten 
starke Polyurie, über 3 Liter täglich, im Durch¬ 
schnitt fünf, an einzelnen Tagen bis 9 Liter. 
Der Prozentsatz an Chloriden und die gesamte 


Molekularkonzentration istuntemormal, während 
die Höhe der täglichen Ausscheidung von 
gänzlich gelösten Molekülen diejenige bei 
„gewöhnlichen“ T.-Patientcn überschreitet. Die 
Bilanz der Einfuhr und Ausfuhr deckt sich; es 
findet keine Flüssigkeitsansammlung im Körper 
statt; wahrscheinlich findet auch unter dem 
Einfluß von größerer Flüssigkeitszufuhr ver¬ 
mehrte Perspiration statt Die Temperatur hat 
keinen unmittelbaren Einfluß auf die Diurese. 
Diuretica steigern die Polyurie nicht, Dar¬ 
reichung von Kalziumchlorid scheint die Diurese 
zu vermindern. Der Einfluß der Polyurie auf 
die Ausscheidung der Chloride — verglichen 
mit dem Verlauf bei gewöhnlichen T.-FMlen 
— besteht in Verminderung des Prozentgehaltes 
und Vermehrung der täglich ausgeschiedenen 
Menge; Fieberverlauf und Rekonvaleszenz haben 
keinen unmittelbaren Einfluß. Die Chloridans- 
Scheidung variiert mit der Chloridzufuhr; Kal¬ 
ziumchlorid wirkt langsam und verhältnismäßig 
wenig, Agurin, Natriumazetat und -Nitrat und 
Urotropin sind ohne Einwirkung, ebenso mäßige 
Nephritis, während Jod die Ausscheidung ver¬ 
mehrt. Die interessanten chemischen Analy¬ 
sierungen können hier nicht besprochen werden; 
reichhaltige erläuternde Tabellen geben klare 
Übersicht über Temperaturverlauf, Exkretion 
der Chloride und Diät. 

R. Bloch (Coblenz> 


Szana, Über die Ursachen der Über¬ 
ernährung und Unterernährung der Kinder 
über zwei Jahren« Gyögyäszat 1905. Nr. 38. 

Von dem Standpunkte ausgehend, daß 
zur richtigen Beurteilung der Emährungs- 
Verhältnisse die an einer Reihe von Kindern 
gewonnenen praktischen Erfahrungen viel mehr 
Vertrauen beanspruchen, als alle physiolo¬ 
gischen Experimente, stellte Verfasser den Er¬ 
nährungszustand von 292 zwischen zwei und 
sieben Jahren im Temesvärcr Weißen Kreuz- 
Findelhause sich befindenden Kindern zum 
Gegenstand seiner Untersuchungen und fand 
hierbei, daß solche Kinder, die sich haupt¬ 
sächlich mit Hülsenfrüchten und Mehlspeisen, 
also mit kohlehydratreicher und an ver¬ 
daulicher, nitrogenarmer Kost ernähren, bei 
sonst hygienischer Lebensweise prächtig ge¬ 
deihen und häufiger überernährt werden, sls 
die mit überreicher Fleischkost, also nitrogen- 
reicher Kost, gefütterten Kinder. 

J. Hönig (Budapest). 


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Referate Uber Bttcber und Aufsätze. 


529 


B. Hydro-, B&lneo- und Klimato- 
therapie. 

Aron, Die Aussichten der Sauerstoff-Inhala¬ 
tionen nach den neuesten physiologischen 
Untersuchungen. Deutsche medizinische 
Wochenschrift 1904. Nr. 53. 

Die Untersuchungen von Zuntz und 
L o e w y über die Sauerstoffversorgung des 
Körpers, welche ergeben hatten, daß das 
arterielle Blut nicht zu 90%, wie bisher an¬ 
genommen, sondern nur zu 82% mit Sauerstoff 
gesättigt ist, haben den Verfasser veranlaßt, 
seine pessimistische Auffassung bezüglich der 
Wirkung der Sauerstofftherapie nochmals an 
der Hand der neuen Ergebnisse zu prüfen« 
Seine Auffassung, daß eine volle Sättigung 
des Blutes mit Sauerstoff nie erreicht wird und, 
wenigstens mit den bisherigen Methoden der 
Sauerstoff-Inhalation, auch nie erreicht werden 
kann, daß die Wirkungen der Therapie weniger 
uif die Einatmung des Sauerstoffs, als auf eine 
Änderung der Atemmechanik bezogen werden 
müssen, daß sie jedenfalls bei Kohlensäure- 
intoxikationen aller Art nur minimale und 
rasch vorübergehende sind, wird durch diese 
Prüfung nicht alteriert. Auch gegenüber dem 
Girtne rächen Vorschlag, Sauerstoff intravenös 
dem kranken Körper zuzuführen, verhält sich 
der Verfasser sehr skeptisch. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 


Courant, Über die Vereisung spitzer Kon- 
djiome mittelst Ithjlchlorid. Allg. mediz. 
Zentralzeitung 1905. 2. September. 

Gegenüber dem operativen Eingriff, dem 
Wegschneiden der Kondylomata acuta, wobei in 
dem entzündlich gereizten Gewebe eine multiple 
Verwundung geschaffen wird, die so häufig 
klinischer Nachbehandlung bedarf, empfiehlt 
t’onrant das Entfernen der Condylome mittelst 
Vereisung durch den Äthylspray-Hennig. Sämt¬ 
liche Papillome werden dem Strahle solange 
aosgesetzt, bis sie schneeweiß sind. Nach den 
Untersuchungen von Juliusberg fehlt auf der 
Spitze der kegelförmigen Gebilde die Epithel¬ 
decke, und das Bindegewebe, von Leukozyten 
durchsetzt, liegt frei. Da nun die Epidermis 
dem Gefrieren große Widerstandskraft zeigt, 
so sei der schnelle Effekt und die Heilung der 
Papille zu verstehen, sobald das Äthylchlorid 
angewandt wurde. Rozenraad (Berlin). 

Z«it*chr. f. diät. a. phyaik. Therapie Bd. IX. Heft 9. 


E. Romberg, Die Behandlung der Arterio¬ 
sklerose« Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 35. 

Aus dem vielgestaltigen Krankheitsbild der 
Arteriosklerose hebt Romberg zunächst die 
Herzmuskelinsuffizienz heraus. Hier steht ent¬ 
gegen früheren Anschauungen die Digitalis an 
erster Stelle, auf die man auch bei Kombination 
mit Anfällen von Asthma cardiale und Angina 
pectoriB sowie bei interstitieller Nephritis nicht 
zu verzichten braucht. Nur nach Apoplexien, 
auch geringfügigster Art, ist Digitalis, wenn 
möglich, für mehrere Wochen zu meiden. Über¬ 
all hier ist jedoch nicht die typische Digitalis¬ 
kur mit starker Pulsverlangsamung anzustreben, 
man gibt vielmehr kleine Dosen, 3—4 mal 
täglich 0,05 bis zum Verbrauch von 1—2 g, 
ev. nur 1—2 mal täglich 0,05 lange Zeit hin¬ 
durch (kontinuierliche Digitalisbehandlung). 
Bei Plethora abdominalis darf neben der Herz¬ 
kräftigung eine abführende Behandlung nicht 
vergessen werden. 

Große Vorsicht ist bei der physikalischen 
Behandlung geboten. Die kohlensäurehaltigen 
Bäder sind ein hervorragendes Mittel für die 
ersten leichten Anfänge der Herzschwäche so¬ 
wie für die Rekonvaleszenz nach schweren 
Störungen. Sie passen jedoch nicht für Zu¬ 
stände, bei denen dem Herzen jede Mehrarbeit 
erspart werden muß (dauernde Dyspnoe, be¬ 
trächtliche Ödeme, hochgradige Schwäche oder 
Erregbarkeit), oder wo verstärkte Herzarbeit 
Gefahr bringt (nach Embolien und Apoplexien). 
Von Bädern zwischen 33 und 35° C, mit ge¬ 
ringem CO,-Gehalt geht man sehr vorsichtig 
zu den wirklich wirksamen Badeformen über 
und verwendet niemals sehr kühle und CO,- 
reiche Formen. Von gymnastischen Prozeduren 
sind passive Bewegungen und leichte Massage 
oft am Platze. Heben der Arme über den Kopf 
jedoch, starkes Beugen der Oberschenkel und 
ähnliche Maßnahmen, bei denen dem Herzen 
plötzlich reichliche Blutmengen Zuströmen, sind 
zu vermeiden. Von aktiver Gymnastik, speziell 
Widerstandsgymnastik ist nur mit großer Behut¬ 
samkeit Gebrauch zu machen. So ist auch die 
Terrainkur bei der Herzschwäche der Arterio- 
sklerotiker völlig ungeeignet, weil unvorher¬ 
sehbare Zufälle die Anstrengung nie Bicher ab¬ 
zumessen gestatten, und die Einwirkung bei 
unerwünschten Erscheinungen nicht sofort 
sistiert werden kann. Bei den Erscheinungen 
der zerebralen Arteriosklerose (Angst- und 
i Schwindelgefühle, Errogungszuständo, Schlaf¬ 
losigkeit, Magenstörungen) ist vor allem Ruhe, 

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530 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Beschränkung der gewohnten Tätigkeit geboten. 
Symptomatisch empfiehlt Romberg, die 
Kranken oft, namentlich auch bei dem früh¬ 
zeitigen Aufwachen, etwas Nahrhaftes genießen 
zu lassen. Wichtig erscheint ihm auch eine 
ausreichende Wasseraufnahme. Beschränkung 
derselben auf 1 •/,—2 Liter ist nur bei Ödemen 
oder Neigung zu solchen indiziert Bei nervösen 
Gefäßstörungen steht Beruhigung an erster 
Stelle. Zur vorsichtigen Anregung der Gefäß- 
tätigkeit dienen milde Hand-, Fuß-, und Sitz¬ 
bäder von 38—85° C, ev. mit Zusatz von 
Kamillen, Kleie oder Malz. Nützlich sind ferner 
galvanische Bäder und Wechselstrombäder als 
Arm-, Fuß- oder Vierzellenbäder. Durch Tem¬ 
peratur oder Zusätze erregende Bäder sind zu 
vermeiden. Chinin (3 X 0,3) erweist sich oft 
nützlich. Zur Allgemeinbehandlung der Arterio¬ 
sklerose dient zunächst das Jodkalium, das die 
durch die Gefäßveränderung bewirkte Er¬ 
schwerung der Zirkulation bis zu einem gewissen 
Grade auszugleichen vermag. Es leistet gute 
Dienste vor allem bei den neurasthenieartigen 
Erscheinungen der zerebralen Arteriosklerose, 
oft bei leichter und mittelschwerer Angina 
pectoris, bei Claudicatio intermittens, ,hin und 
wieder bei kardialem ‘Asthma und bei geringer 
Herzinsuffizienz mit mäßiger Dyspnoe. Zu 
warnen ist vor dem Mittel bei dem unter dem 
Bilde des kardialen Asthmas auftretenden 
urämischen Lungenödem sowie bei Komplikation 
mit Basedow. Man gibt 0,1—0,3 5mal täglich, 
ev. kombiniert mit Natr. bic., in Sauerbrunnen 
oder Milch. Jede Säure in Speisen und Ge¬ 
tränken ist dabei zu meiden. Neben dieser 
medikamentösen Einwirkung ist natürlich die 
Regelung der ganzen Lebensweise besonders 
wichtig. Ruhe steht hier an erster Stelle, doch 
sind plötzliche Änderungen der Lebensweise 
nicht zu empfehlen. Von großer Wichtigkeit 
ist ausreichender Schlaf. Zum Erholungs¬ 
aufenthalt eignen sich am besten mittlere Höhen 
bis zu 1000—1200 m, bei Herzaffektionen nur 
bis zu 500—700 m. Kleine Mengen von Alkohol, 
Kaffee oder Thee wirken unter Umständen zur 
Anregung des Appetits recht gut. Zu ver¬ 
bieten sind sie nur bei sehr erregbaren Personen, 
sowie bei Apoplexie und Netzhautblutung. An¬ 
gina pectoris erfordert völlige Tabaksabstinenz. 
Besondere Diätvorschriften sind nicht er¬ 
forderlich. Für normal genährte Menschen ist 
eine gemischte Kost mit nicht allzuviel Fleisch, 
mit wenig Gewürzen und ausreichender Fltissig- 
keitszufuhr am empfehlenswertesten. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


E. Abderhalden, Der Einfluß des flöhen* 
klimas anf die Zusammensetzung des 
Blutes. Medizinische Klinik 1905. Nr. 9. 

Eine zusammenfassende Arbeit über die 
in den letzten Jahrzehnten von den verschieden¬ 
sten Seiten angestellten Untersuchungen betreffs 
des Einflusses des Höhenklimas auf die Blut- 
zusammensetzung, als deren Resümee sich nach 
Verfasser ergibt, daß beim Übergang von einem 
tiefer gelegenen Orte zu einem höher gelegenen 
die Zahl der roten Blutkörperchen zunimmt 
Es fragt sich nun, wie diese Blutveränderong 
zu erklären ist; Autor rekapituliert die be¬ 
kannten Theorien von Mies eher, der die 
Blutkörperchenvermehrung als einen Neu- 
bildungsprozeß ansah, von Sahli und Grawitz. 
die an eine Eindickung des Blutes, bedingt 
durch vermehrte Wasserverdunstung, dachten, 
von Bunge, der den Blutgefäßen im Höhen¬ 
klima einen anderen Tonus als in der Ebene 
beimaß. Zur Entscheidung aller dieser Hypo¬ 
thesen stellte Autor eigne Versuche an, indem 
er vor allem den Hämoglobingehalt des ganzen 
Tierkörpers, und zwar in der Ebene wie im 
Hochgebirge zu bestimmen suchte, und erfand 
als Resultat diesbezüglicher Bestimmungen, 
daß keine der genannten Theorien für sich m 
Erklärung der Blutkörperchen- und Hämoglotec- 
vermehrung im Hochgebirge ausreicht. Es ist 
nicht nur ein Faktor wirksam, sondern mehre*. 
Eine vermehrte Neubildung von roten Blut¬ 
körperchen findet ohne Zweifel statt, besonders 
bei längerem Aufenthalt im Hochgebirge. Sie 
allein bedingt aber bei weitem nicht die enorme 
Blutkörperchenzunahme. Diese ist vielmehr in 
der Hauptsache eine relative. In Betracht 
kommt eine gewisse Eindickung des Blutes 
und ohne Zweifel ein Austritt von Plasma aus 
den Gefäßen in die Lymphräume. Doch wird 
es noch vieler Versuche bedürfen, um diesen 
ungemein feinen physiologischen Reaktions¬ 
mechanismus klarzustellen. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 


L. Brieger und A. Laqueur, Modem 
Hydrotherapie. Heft 13/14 der Modernen 
ärztlichen Bibliothek. Herausgegeben von 
Ferdinand Karewski. Berlin 1904. Leon 
hard Simion. 

Als Winternitz 1864 in seinem Habili¬ 
tationsvortrag den Satz veitrat: „Die Hydro¬ 
therapie ist als Spezialität zu vernichten, denn 
sie ist zum Gemeingut der ärztlichen Welt zu 


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531 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


machen; jeder Arzt muß mit Anwendungs- und 
Wirkungsweise des Wassers als Heilmittel 
vertraut sein“, war er noch ein Rufer in der 
Wüste, heute hat sich das Bild wenigstens 
äußerlich wesentlich geändert. In der Literatur 
begegnen wir im Rahmen der inneren Klinik 
und ihres Arbeitsplanes konsolidiert die Hydro¬ 
therapie als Teil des Ganzen, und die physi¬ 
kalischen Behandlungsmethoden stehen im 
Vordergrund allgemeinen, wenn auch oft nur 
nolens volens geduldeten Interesses. Vor¬ 
liegende Monographie, die in der Serie der 
von dem Berliner Chirurgen Kare wski heraus¬ 
gegebenen, modernen ärztlichen Bibliothek er¬ 
schienen ist, ist ein Beweisstück zu den obigen 
Ausführungen von der überwundenen Ignorierung 
der Wasserheilkunde früherer Zeiten; sie hat 
zu Antoren den Leiter der hydrotherapeutischen 
Anstalt der Universität Berlin und seinen 
Assistenten Laqueur, der durch mebijährige 
Tätigkeit mit dem Institut eng verknüpft ist 
Sie zerfällt in drei Teile, eine kurze Dar¬ 
stellung der physiologischen Grundlagen der 
Hydrotherapie, der Methodik und Technik und 
«chliefilich die spezielle Anwendung hydro¬ 
therapeutischer Maßnahmen bei den einzelnen 
Krankheitsgebieten. Mit Verwertung der ein¬ 
schlägigen Arbeiten und Untersuchungen der 
letzten Jahrzehnte wird ein zusammenfassendes 
Bild von der Wirkung und dem Wesen der 
modernen Hydrotherapie entworfen, das in 
großen Zügen in jene Disziplin einftihrt und 
vor allem durch die umfassende Indikations¬ 
stellung, die dem Wasser unter den therapeu¬ 
tischen Agenzien gegeben ist, den Leser zu 
weiteren Studien anregen dürfte. 

J. Marcus© (Ebenhausen b. München). 


Marie, L’ean de mer dans le traitement 
des maladies mentales et nerveuses. So- 
ci£t£ de mödecine de Paris. S6ance du 
27. mai 1903. Progr&s medical 1905. Juni. 

M. berichtet über therapeutische Versuche 
mit Meerwasser, welches mit fünftägigen Pausen 
«n allmählich steigenden Dosen subkutan inji¬ 
ziert wurde; es wurde mit 50 ccm begonnen, 
die höchste Dosis betrug 100 ccm. Die Ver¬ 
suche wurden au zwölf Kranken angestellt, und 
zwar waren es drei Epileptiker, drei Kranke 
mit allgemeiner progressiver Paralyse mit 
«pileptiformen Anfällen, drei bettlägerige De¬ 
mente, die auch Decubitus hatten, und drei 
Patienten mit Dementia praecox. Die Resultate 
waren ganz ermutigende: die Frequenz der | 


epileptiformen Anfälle ließ nach, das Allgemein¬ 
befinden hob sieb, es erfolgte Gewichtszunahme, 
der Decubitus besserte sich. 

Eine Diskussion schloß sich an diesen 
Vortrag nicht an. 

Naumann (Reinerz-Meran). 


Jean Heitz, Da retour des senslbilitds 
profonde» et spdetalement de la sensibllftd 
osseuse chez leg tabätlques par l’action 
des baing carbo«gazenx. Importance de 
cette notion dans le traitement de l’ataxle. 
Archives gänörales de m6decine 1905. Nr. 8. 

Verfasser studierte bei den Tabikern vor 
allem die Knochenempfindung, weil nur diese 
durch Anwendung der von Egger angegebenen 
Stimmgabel sich exakt bestimmen läßt Stö¬ 
rungen der Knochenempfindung verlaufen durch¬ 
aus nicht immer parallel mit Störungen der 
Hautempfindung, aber sie hängen aufs engste 
mit der Abschwächung der Muskel- und Gelenk¬ 
empfindung zusammen, daher die Untersuchung 
mit der Stimmgabel den einzig brauchbaren 
objektiven Maßstab bietet, um Veränderungen 
im Bilde der Ataxie genau zu prüfen. Au der 
Hand von drei Krankengeschichten zeigt Ver¬ 
fasser den günstigen Einfluß von Kohlensäure¬ 
bädern, bei deren längerem Gebrauch die ver¬ 
schiedenen, zum Teil verloren gegangenen 
Empfindungsarten wiederkehrten, die Ataxie 
sich wesentlich besserte, oder sogar ganz ver¬ 
schwand und auch Sphinkterstörungen behoben 
wurden. Er schreibt den guten Erfolg der 
Einwirkung, sowohl auf die peripheren Nerven 
als auch auf das Allgemeinbefinden zu, rät aber, 
gleichzeitig die F r e n k e 1 sehe Ataxiebehandlung 
anzuwenden. Laser (Wiesbaden). 


R«Wjbauw, Le baln carb-gaxeux conslddre 
comme un proeddö hjdrotherapique. Ar¬ 
chives g£nörales de mödecine 1904. 14. Juni. 

Durch Anwendung von kalten kohlensäure¬ 
haltigen Bädern können wir die Wohltaten 
der Hydrotherapie einer Reihe von Kranken 
zukommen lassen, bei denen sie bisher absolut 
kontraindiziert erschien. Sie wirken nach den¬ 
selben Gesetzen wie die gewöhnlichen Bäder, 
nur daß bei ihnen der thermische oder thermo¬ 
mechanische Reiz durch einen chemischen 
ersetzt ist. Wir können deshalb die kohlen¬ 
säurehaltigen Bäder hei Kranken anwenden, 
bei denen die sonstige Wasserbehandlung nicht 

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532 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


angebracht ist, so z. B. bei Kranken mit orga¬ 
nischen und funktionellen Herzstörnngen, bei 
Neurasthenikern, bei vielen Anämischen usw. 
Kontraindikationen sind vor allem: Neigungzu 
Kongestionen, Arteriosklerose und Nieren¬ 
krankheiten. Forchheimer (Wtirzburg). 

G. Krön lg, Zar Wasserbehandlung des 

Typhös abdominalis. Medizin. Klinik 1905. 

Nr. 36. 

Krönig hält die bisher übliche Methode 
der Bäderbehandlung beim Typhus für gefähr¬ 
lich, weil mit dem Transport des Kranken in 
die Badewanne, außer der heftigen passiven 
Bewegung, eine aktive Anspannung der Bauch¬ 
presse etc. unvermeidlich verbunden ist und 
infolge Drucksteigerung in der Bauchhöhle 
leicht zur Perforation oder Blutung aus einem 
Typhusgeschwür führen kann. Er macht mit 
Nachdruck auf diese bisher nicht gewürdigte 
Gefahr aufmerksam, die ja bei anderweitigen 
geschwtirigen Prozessen im Magendarmkanal 
allseitig anerkannt und durch absolute Ruhe¬ 
lage des Patienten nach Möglichkeit aus¬ 
geschaltet wird. Um aber die unverkennbaren 
und vielseitigen Vorteile der Bäderbehandlung 
beim Typhus ohne Gefahr und Belästigung für 
den Patienten ausnutzen zu können, benutzt 
Krönig eine einfache, seit Jahren von ihm 
erprobte Vorrichtung, die es ermöglicht, den 
Kranken in seinem Bett ohne jeden Transport 
zu baden. In einem gewöhnlichen Bett wird 
unter den Kranken, indem er nur einmal auf 
die rechte und einmal auf die linke Seite 
gedreht wird, ein Laken und darüber eine 
Gummiunterlage geschoben, die groß genug 
ist, daß sie an den Seiten und den Enden 
hochgeschlagen und, mit Bändern an der Bett¬ 
stelle befestigt, ein allseitig geschlossenes 
Bassin bildet. Das Badewasser wird in der 
gewünschten Temperatur durch einen Schlauch 
aus einem 30 1 fassenden Behälter eingelassen, j 
der, mit Thermometer versehen, auf einem fahr¬ 
baren Status an das Bett geschoben wird. Das 
Ablassen des Wassers geschieht durch Herunter¬ 
klappen der Gummiwand am Fußende des 
Bettes und Anheben des Kopfendes mit der 
Hand oder einer Bettwinde. Die Gummiunter¬ 
lage wird vorsichtig hervorgezogen und Patient 
in das Laken, auf dem er nunmehr liegt, sofort 
cingewickelt. Der Apparat läßt sich auch mit 
Vorteil für prolongierte warme Bäder ver¬ 
wenden. Er ist ferner zu empfehlen bei anderen 
Affektionen, bei denen Bäder erwünscht, Be¬ 


wegungen aber zu vermeiden sind, z. B. bei 
der puerperalen Sepsis, Pneumonie, Gelenk¬ 
rheumatismus. Die Vorrichtung eignet »ich 
ebenso für die Privatpraxis wie für das Kranken¬ 
haus. W. Alexander (Berlin! 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
und Apparatbehandlung. 

Grunert, Die Bedeutung der Lumbalpunktion 
für die Ohrenheilkunde. Münchener med. 
Wochenschrift 1905. Nr. 25. 

Grunert gibt eine detaillierte Beschreibung 
der Technik der Lumbalpunktion, sowie der 
Beschaffenheit der Spinalflüssigkeit in normalem 
Zustand. Diagnostische Schlußfolgerungen 
lassen sich im allgemeinen dann ziehen, wenn 
letztere hochgradig milchig gefärbt nnd leicht 
gelblich aussieht. Es handelt sich dann meist 
um diffuse eitrige Leptomeningitis. Die 
Schwierigkeiten, eine solche in Zusammenhang 
mit einer etwaigen Otitis zu bringen, vor allem 
aber ganz sicher eine etwaige zerebrale und 
spinale Eiterung durch Lumbalpunktion dia¬ 
gnostisch zu trennen, ferner die fast absolute Aus 
sichtslosigkeit eines therapeutischen Effekte? 
der Lumbalpunktion bei otogenen Zerebmi 
affektionen lassen die Methode als eine i1 
wenigstens nicht erhebliche Bereicherung \i 
der Therapie der Ohrenkrankheiten erscheinen. 

M am lock (Berlin). 

G. Geißler, Uber die Bedeutung und den 
Wert der Arbeitsbehandlung Nerren- 
kranker. Münch, med. Wochenschr. 1905. 
Nr. 21. 

Neurasthenie und Hysterie nnd ihre 
Zwischenformen sind sehr oft nur psychische 
Krankheiten und erfordern daher auch psy¬ 
chische Behandlung. Es gilt vor allem, wie 
Geißler sehr richtig betont, dem Patienten 
die Vorstellung des Gesnndseins und der 
Leistungsfähigkeit wiederzugeben. Dazu gibt 
es verschiedene Wege. Zunächst den der 
direkten Beeinflussung, des vernünftigen Zu¬ 
spruchs. Hier wird der Arzt die größten Er¬ 
folge haben, der nicht bloß guter Diagnostiker 
sondern auch guter Psychologe und Pädagoge 
ist. Daneben kommen als Mittel indirekter 
psychischer Beeinflussung die verschiedenen 
Methoden in Betracht, die zur Behandlung 
Nervöser erdacht sind. Die diätetische, kliin.v 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


533 


tische und baineologische Behandlung, Hydro- | 
und Elektrotherapie, Massage, Heilgymnastik j 
und medikamentöse Therapie, sie alle haben 
ja unzweifelhaft Einfluß auf den Körper; ihr i 
Hauptwirkungsfeld liegt aber oft auf psy¬ 
chischem Gebiet, indem dem Patienten sugge¬ 
riert wird, daß dieses oder jenes ihn gesund 
macht. Diesen beiden den Patienten passiv 
lassenden Methoden psychischer Beeinflussung 
tritt nun die von Moebius empfohlene Arbeits¬ 
behandlung gegenüber, die den Patienten selbst¬ 
tätig an seiner Genesung mitarbeiten läßt. 
Per Kranke wird nicht psychisch beeinflußt, 
rr beeinflußt sich selbst, indem er durch die 
Arbeit von seinen krankhaften Vorstellungen ab- 
gelenkt wird und Vertrauen in seine ihm selbst 
oft erstaunliche Schaffenskraft und Leistungs¬ 
fähigkeit gewinnt. Doch ist es schwer, für 
alle Patienten, namentlich, wie des Verfassers 
Erfahrungen gezeigt haben, für Angehörige der 
höheren Stände, für die Kopfarbeiter, passende 1 
Arbeit zu finden. Tischlerei und Gärtnerei, i 
die leicht zu organisieren und zu kontrollieren 
find, und die, wie anderwärts gemachte Er¬ 
fahrungen lehren, bei an manuelle Arbeit 
Gewöhnten oft von vorzüglicher Wirkung sind, 
werden von Angehörigen der erwähnten Klassen 
«ft refusiert oder erweisen sich als wirkungs¬ 
los. Es gilt daher den Kreis der Arbeitsbehand- 
lnng zu erweitern, und so hat Geißler auch 
Musik, Photographieren, Wassersport, Spielen, 
Spazierengehen, Pilzesuchen, Zeichnen etc. in 
<h'n Kreis seiner therapeutischen Maßnahmen ein¬ 
bezogen, freilich nur als Aushilfsmittel, wenn 
Patienten an Tischlerei oder Gärtnerei nicht 
heran wollten. Ein Allheilmittel ist natürlich auch 
die Arbeitsbehandlung nicht. Abgesehen davon, 
iafl sie b6i Erschöpfungszuständen kontrain¬ 
diziert ist, gibt es auch noch sonst Fälle, die 
sich diesem wie auch anderen Mitteln gegen¬ 
über refraktär verhalten. Genaue Indikationen 
lassen sich hier, wie ja bei Nervösen über¬ 
haupt, wo die suggestive Wirkung zumeist aus¬ 
schlaggebend ist, nicht aufstellen. Jedenfalls 
aber haben die (an einem Sanatorium gemachten) 
Erfahrungen des Verfassers ergeben, daß wir 
in der Arbeitsbehandlung ein neues, mächtiges 
Behandlungsmittel haben, das deshalb an allen 
Kuranstalten gepflegt werden sollte, nicht als 
Hauptheilmittel, sondern in gleicher Weise ge¬ 
übt wie alle anderen bewährten Methoden. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


G. Helm au n, Gartenarbeit als Heilmittel. 

Medizinische Reform 1905. Nr. 16. 

Die Gartenarbeit ist vielleicht die zweck¬ 
mäßigste körperliche Beschäftigung, wenigstens 
für Individuen gesetzteren Alters. Sie findet 
in freier Luft statt, in hellem Tageslicht, an 
freundlichen Plätzen; sie setzt keine besondere 
Geschicklichkeit voraus; sie ist endlich so 
abwechslungsreich, daß sie für jede Konsti¬ 
tution passend gestaltet werden kann. Der 
Verfasser regt nun an, die Gartenarbeit in 
größerem Maßstab als Heilmittel zu verwenden 
und hat sich bemüht, die innerhalb der Um¬ 
gebung Charlottenburgs gelegenen Gärtnereien 
für diesen Zweck zu gewinnen. Er hat so eine 
größere Menge von Arbeitsstellen geschaffen, 
an denen Patienten wochentäglich in den 
Morgenstunden oder gegen Abend mit genau 
ausgesuchten Arbeiten und nach einem be¬ 
stimmten Plan beschäftigt werden können. 
Für die Zuweisung der Patienten dient eine 
Zentralstelle, an welche die Patienten von den 
Ärzten mit einer Begleitnotiz über die Krank¬ 
heit und die ev. gewünschte Therapie zu 
dirigieren sind. Freyhan (Berlin). 


Söbileau, Corps ötranger des bronches, 
exiraction sous bronchoscopie. Sociötä 
de Chirurgie, s£ance du 17. Mai 1905. Ar- 
chives gänärales de mödecine 1905. Nr. 21. 

In zwei Fällen wurde unter Zuhilfenahme 
des KilManschen Bronchoskops von einer 
Tracheotomieöffhung aus mit Leichtigkeit ein 
Fremdkörper entfernt. In beiden Fällen war 
die Rekonvaleszenz durch Pneumonie kompli¬ 
ziert, die in Heilung ausging. Säbileau hält 
eine Verbesserung des zur Operation not¬ 
wendigen Instrumentariums für dringend ge¬ 
boten und zieht die Bronchoskopie von der 
Tracheotomieöffnung aus der oberen Broncho¬ 
skopie (durch die natürlichen Luftwege) vor. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 


Kuhn, Apparate zur Herstellung jeder Art 
von Extension. Münchener medizinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 23. 

Anknüpfend an die Ausführungen von 
Friedheim in Nr. 48 der Münchener med. 
Wochenschrift 1904 weist Kuhn auf seine 
Publikation über das gleiche Thema aus dem 
Jahre 1902 zurück. Kuhn beschrieb schon 
damals in Nr. 41 der Münchener med. Wochen- 


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534 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


scbrift einen Universalapparat für Extensions¬ 
zwecke, der, aus einer Anzahl von Eisenstäben 
und gleichartigen Hilfsstücken (Rollklammem) 
bestehend, durch die leichte Kombinierbarkeit 
seiner Teile eine kolossal vielseitige Verwen¬ 
dung ermöglicht und stabiler ist als die Fried¬ 
heim sehe Vorrichtung. Er konstatiert, daß 
die Friedheimschen Vorschläge vieles bringen, 
was er bereits 1902 beschrieb, und, soweit sie 
abweichen, nichts Besseres bieten. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 


Georg Glücksmann, Die traumatischen 
Erkrankungen der oberen Speisewege und 
ihre Behandlung. Vortrag, gehalten im 
Verein für innere Medizin am 17. April 1905 
(Berlin). Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 24. (Diskussionsbericht 1. c. 
Nr. 21.) 

Die Tatsache, daß der ausgesprochen 
traumatische Charakter der Fremdkörper 
erkrankungen des Ösophagus nicht die ge¬ 
bührende Würdigung findet, gibt Glücksmann 
Veranlassung, seine diesbezüglichen Erfahrungen 
mitzuteilen. Dieser traumatische Charakter der 
Fremdkörperverletzungen der Speiseröhre macht 
es notwendig, in jedem einzelnen Fall mit der 
bestehenden Möglichkeit einer Infektion, einer 
leichteren oder schwereren fieberhaften Kompli¬ 
kation bis hinauf zur schwersten suppurativen 
Mediastinitis oder letalen Septikopyämio nicht 
nur stets zu rechnen, sondern diese Möglich¬ 
keit auch in jedem Falle zum Gegenstand 
einer eingehenden Belehrung des Kranken oder 
seiner Angehörigen zu machen. Die genaue 
Kenntnis der Symptomatologie der in Rede 
stehenden Erkrankung und das Bewußtsein, 
daß die Sache niemals so schlimm ist, wie 
der Patient glaubt, müssen dem behandelnden 
Arzt die unbedingt nötige Ruhe und Sicherheit 
geben, ganz abgesehen von der völligen tech¬ 
nischen Fertigkeit und Vertrautheit mit dem 
Instrumentarium. 

Glücksmann berichtet in seinen weiteren 
Ausführungen über drei Fälle von Fremdkörper¬ 
extraktion mittelst seines ösophagoskops. 
Sein nach dem Typus der Knopfsonde gebautes 
Instrument ermöglicht in der Hand des Geübten 
die palpatorische Ermittlung, die Besichtigung 
und gleichzeitig die Extraktion des Fremd¬ 
körpers. Derselbe wird durch die sich 
schließenden Branchen der Verschlußkappe ge¬ 
faßt und durch die maximale Aufblasung des 


am Instrumente befindlichen Wasserkissens, 
sowie die dadurch erreichte Erweiterung der 
Ösophagushöhle in schonendster Weise aus den 
umgebenden Schleimhautfalten gelöst Ver¬ 
fasser schließt seine Ausführungen mit de® 
Hinweis darauf, daß seine Mitteilungen aber 
die Behandlung der Fremd körpererkrankongen 
den alten Satz bestätigen: Je feiner die 
Diagnostik auf einem Gebiete wird, 
desto ruhiger, zielbewußter, konser¬ 
vativer und einfacher wird die Therapie. 

Ein in der Diskussion über den Glücks- 
mannschen Vortrag von W. Alexander mit- 
geteilter Fall lehrt besonders eindringlich die 
Richtigkeit der Glücksmann sehen Anschauung 
über den traumatischen Charakter der Fremd- 
körperverletzungen des Ösophagus. Es handelte 
sich um eine 52jährige Dame, die beim Mittag¬ 
essen einen Hasenknochen verschluckte. Sie 
verspürte im Augenblick des Verschlucken» 
starke Schmerzen am Zungengrund und begab 
sich sofort in Behandlung; ein weicher, mittel 
dicker Magenschlauch passierte anstandslos 
den Ösophagus. Am nächsten Morgen Tem¬ 
peratur 38,5; sonst keinerlei Krankheitszeichen. 
außer einem leichten Schüttelfrost in der Nacht 
Es wurde von weiterer Sondierung Abstard 
genommen und abgewartet. Das Allge®# 
befinden blieb dauernd vorzüglich. Die Tem 
peratur stieg jedoch immer weiter und erreick 
am dritten Tag eine Höhe von 40,7. Be- 
merkenswert ist auch, -daß die Pulszahl dauernd 
eine niedrige blieb und nur einmal unter 
psychischem Einfluß auf 110 stieg. Am vierten 
Tag konnte Goldscheider nach genauer 
Untersuchung jede interkurrende Krankheit 
ausschließen; seine Diagnose lautete auf in¬ 
fizierte ösophaguswunde durch Fremdkörper 
mit wahrscheinlich beginnender Mediastinitis 
(und schlechter Prognose). Um auch das letzte 
zu versuchen, bereitete Alexander die Öso¬ 
phaguskopie für den nächsten Tag vor und 
führte eine Olivensonde ein, die anstandslos 
passierte. Am nächsten Morgen war die 
Temperatur auf 37,5 gefallen. Von ösophagus- 
kopie wurde deshalb Abstand genommen. Am 
zweiten Abend nach der Sondierung war und 
blieb die Temperatur normal. Patientin ist 
gesund, ißt alle festen Speisen und wird durch 
nichts an die fatale Situation erinnert, in der 
sie sich befunden hat. 

Zur Erklärung dieses unerwartet güt¬ 
lichen Verlaufes des prognostisch anfänglich 
so schlecht zu beurteilenden Falles muß mit 
Alexander angenommen werden, daßjeden- 


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535 


falls irgendwo eine durch den Fremdkörper | 
infizierte Wunde vielleicht ein kleiner Abszeß 
oder eine Nekrose, in der ösophaguswand be¬ 
stand, die durch die starke Olive eröffnet und 
ausgedrückt wurde und so den eitrigen und 
Fieber erzeugenden Inhalt in den Ösophagus 
abfiießen ließ und die Heilung einleitete. 

Fritz Loeb (München). 


1111 er, Ein neuer Detorsionstlsch zur Be¬ 
handlung der Skoliose. Therapie der Gegen¬ 
wart 1905. Heft 7. 

Das Primäre bei jeder Skoliose ist die 
Torsion der Wirbel und im Anschluß daran 
der gelenkig mit ihnen verbundenen Rippen. 
Letztere bilden die einzige Möglichkeit, um auf 
die torquierten Wirbel im Sinne der Detorsion 
einzuwirken, indem sie gewissermaßen ver¬ 
längerte Hebelarme der Querfortsätze dar¬ 
steilen, vermittelst deren wir auf die Wirbel 
einwirken können. Der Apparat läßt sich im 
Referat ohne Abbildung nicht beschreiben. 
Um Wesentliche ist, daß unter Vermittelung 
von Pelotten mit langen Hebelarmen ein Druck 
von großer Kraft auf die höchste Ausbiegung 
des Rippenbuckels und die diesem diagonal 
gegenüberliegende Brustausbiegung ausgeübt 
wird. 'Wenn man auch mit dem Apparat allein 
natürlich keine Skoliose heilen kann, so stellt 
er doch einen therapeutisch sehr brauchbaren 
Faktor dar, mit dem durch längere Zeit fort¬ 
gesetzte regelmäßige Anwendung ein Erfolg 
wohl erzielt werden kann. 

Leo Zuntz (Berlin). 


Flrbringer, Über Zyklotherapie der sexu¬ 
ellen Neurasthenie. Therapie der Gegen¬ 
wart 1905. Heft 5. 

Gemehrte Erfahrung hat bei dem Verfasser 
die Oberzeugung von der Verwendung des 
Radfahrens als eines wertvollen Heilfaktors 
bei der Behandlung der reizbaren Schwäche 
des Nervensystems nur befestigt Die Zyklo- 
therapie eignet sich jedoch nur für die leichten 
Formen. Dies gilt im speziellen auch für die 
Untergattung der sexuellen Neurasthenie. Die 
beim Radfahren in Tätigkeit tretenden günstigen 
Faktoren, Muskelarbeit in freier Luft bei relativ 
geringem Kraftverbrauch, Arbeitsteilung der 
Gehirnzentren, vielleicht auch Ableitung des 
Blutes vom Gehirn, helfen zunächst die allge¬ 
meinen Symptome des neurasthenischen Zu¬ 


standes bekämpfen. Dann können auch die 
Erscheinungen, welche die sexuelle Form 
charakterisieren, in erster Linie die Potenz¬ 
störung und die Samenverluste, aufs günstigste 
beeinflußt werden Die Neuweckung von Mut 
und Selbstvertrauen hilft dabei zur Wieder¬ 
erlangung der Potenz wohl wesentlich mit. 
Vereinzelte Beobachtungen von Verschlimmerung 
an Stelle der erhofften Besserung vermögen 
die Regel nicht umzustoßen. Besondere Vor¬ 
sicht erheischen die Fälle, wo krankhafte 
Samenverluste die Hauptrolle spielen. Hier ist 
Beurteilung von Fall zu Fall durchaus geboten. 
Was die Onanie anbelangt, so hat man hier 
meist eine Beförderung durch die Zyklotherapie 
gefürchtet. Der Verfasser hält dies für unbe¬ 
gründet, hat meist das Gegenteil beobachtet. 

Böttcher (Wiesbaden). 


Kromayer, Die Heilung der Akne durch 
ein neues narbenloses Operationsverfahren: 
das Stanzen. Münchener mediz. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 20. 

Für die lokale Behandlung der Akne 
empfiehlt Kromayer die „Stanzung“ der Akne¬ 
knoten, d. h. das Herausschneiden eines Haut¬ 
zylinders mittelst des von ihm angegebenen 
rotierenden Zylindenuessers. Es wird dadurch 
ein Kanal — bei größeren Infiltraten mehrere — 
geschaffen, durch welchen der Eiter abfließen 
kann. Die Narbe ist makroskopisch nicht oder 
kaum sichtbar. H. E. Schmidt (Berlin). 


Kraft und Schönheit. Zeitschrift für ver¬ 
nünftige Leibeszucht. Herausgeber: Gustav 
Möckel, Berlin. 

Der Freilicht- und Luftsport ist wohl zu 
keiner Zeit auf so fruchtbaren Boden gefallen 
wie in der gegenwärtigen, wo ein, man könnte 
fast sagen, elementares Verlangen nach einer 
rationellen Kultur des Körpers in den weitesten 
Kreisen entstanden ist. Über den diätetischen 
und prophylaktischen Wert dieser mächtigsten 
aller gymnastischen Maßnahmen mich an dieser 
Stelle zu verbreiten, dürfte wohl überflüssig 
sein, wenngleich die Erkenntnis von der 
hygienischen wie therapeutischen Bedeutsam¬ 
keit der Luft- und Sonnenbäder noch speziell 
einem nicht unerheblichen Teil der Ärztewelt 
abgeht. Darauf zurückzukommen wird noch 
an anderer Stelle Gelegenheit sich finden, hier 
soll nur die Aufmerksamkeit auf ein Organ 
gelenkt werden, das obigen Tendenzen in aus- 


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536 


gesprochenstem Maße dient, und das es ver> j 
standen hat, in kurzer Zeit zu einem aner- i 
kannten und vortrefflich redigierten Blatte sich 
herauszubilden. Nicht zum wenigsten trägt 
dazu die jedes Einfalles in das ärztliche Gebiet 
abholde und streng sachliche Richtung dieser 
Zeitschrift bei. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

D. Elektro-, Licht- u. Röntgentherapie. 

Bordier und Bonnenfant, Die Einwirkung 
vielfach unterbrochener galvanischer 
Ströme auf die Entwicklung und Ernährung 
von Tieren. Annali di elettricitä medica e 
terapia fisica 1905. Nr. 5. 

Die Verfasser ließen einen galvanischen 
Strom mit 8720 Unterbrechungen in der Minute 
durch den Tierkörper gehen. Die Stromstärke 
betrug anfangs 18—20 M.-A., wurde nach einigen 
Minuten auf 8 M.-A. herabgesetzt; Dauer jeder 
Sitzung zehn Minuten. Es ergab sich, daß 
nach dreimonatlicher Versuchsdauer junge 
Kaninchen weniger an Gewicht Zunahmen als 
unbehandelte Kontrolltiere. Bei erwachsenen 
Tieren wurde gleichfalls Gewichtsabnahme, 
sowie Herabsetzung der Wärmeproduktion fest¬ 
gestellt. Die Verfasser halten die Unter¬ 
brechungen des Stromes für die wirksame Ur¬ 
sache dieser Veränderungen und weisen darauf 
hin, das Verfahren bei Fettsüchtigen zu ver¬ 
suchen. E. Oberndörffer (Berlin). 


Aschoff, Das Vorkommen von Radium in 
den Kreuznacher Solquellen. Münchener 
medizin. Wochenschr. 1905. Nr. 11. 

Asch off untersuchte die Kreuznacher Sol¬ 
quellen auf Radioaktivität Es gelang ihm 
aus dem stark eisenhaltigen Sinter dieser Sol¬ 
quellen das Baryum zu isolieren und ca. 1 g 
desselben als Sulfat darzustellen. Es zeigte 
sich, daß dieses Quellbaryt äußerst stark radio¬ 
aktiv war, indem es nicht nur sehr wirksame 
/9-Strahlen aussandte, sondern auch y-Strahlen. 
Die weiteren Untersuchungen auf «X-Strahlen 
und Emanation ergaben, daß im Kreuznacher 
Solwasser direkt große Mengen Emanation 
vorhanden sind. Auch der in großer Menge 
vorhandene Sinterschlamm der Gradierkästen 
erwies sich als stark radioaktiv, ein Zeichen, 
welch reichliche Mengen radioaktiver Substanz 
die Kreuznacher Solquellen aus dem Innern 
der Erde mitbringen. Durch die Untersuchungen 


| von Aschoff ist also der Beweis geliefert 
i daß die Kreuznacher Solquellen äußerst stark 
radioaktiv sind und zwar nicht nur mit 
Emanation beladen, sondern direkt radiumhaltig. | 
A. Braunstein (Berlin-Moskaul 


I Fr. Bering, Über Verbesserungen der 
Fingen-Re jnlampe nebst Bemerkungen Iber 
Lupusbehandlung. Münchener medizinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 16. | 

Verfasser brachte an der Finsen-Reyn 
lampe, die er mit gutem Erfolge zur Lupus 
behandlung verwandte, einige Verbesserungen 
an, die im wesentlichen eine bessere und be¬ 
quemere Einstellung der Kohlenelektroden zu 
einander, sowie eine Vereinfachung der Ein¬ 
stellung des Konzentrators betreffen. Der 
Lichttherapie des Lupus ging öfters eine Vor 
i behandlung voraus, entweder mit zehn¬ 
prozentiger Pyrogallolsalbe (besonders bei 
hypertrophischem Lupus) oder mit Vereisung 
durch Chloräthyl. Diese wird in je zwei 
bis drei Minuten lang dauernden Sitzungen so 
lange vorgenommen, bis sich die oberflächlichen 
Schorfe abgestoßen haben und nur noch in der 
Tiefe Knötchen vorhanden sind, die dann mit 
Finsenlicht behandelt werden; auf diese Wei^ 
lassen sich schöne glatte Narben erzielen. 

I A. Laqueur (Berlin. 


Ludwig Steiner, Erfahrungen bei Be¬ 
handlung mit elektrischem Licht unter be¬ 
sonderer Berücksichtigung einer neuen 
Lichtsalbenbehandlung bei Hautkrank¬ 
heiten. Münchener med. Wochenschrift 1905. 
Nr. 16. 

Verfasser hat in der Leipziger Universitäts- 
Poliklinik eine Reihe von Erkrankungen mit 
günstigem Erfolge mit Bestrahlung durch den 
Bogenlichtscheinwerfer behandelt. Vor 
allen Dingen sind beachtenswert die bei Haut- 
krankheiten erzielten Resultate, und zwar 
wurde dabei die Bestrahlung in Verbindung 
mit Salbenbehandlung in der Weise ver 
wandt, daß die erkrankte Hautpartie nacl 
vorangegangener kurzer Bestrahlung mit einer 
feinen Schicht der Salbe bedeckt und dann 
einer weiteren Bestrahlung von 10—30 Minuten 
Dauer ausgesetzt wurde. Als Salbe kam 
Verwendung eine neue, von Körner ang»'* 
gebene Schwefel-Salbenkomposition, Thiolan 
genannt, die den Schwefel teils gelöst, teils in 


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537 


feinster Suspension enthält. Die mit dieser 
kombinierten Behandlung erreichten günstigen 
Heilresultate beziehen sich auf Fällo von sub¬ 
akutem und chronischem Ekzem, Tricho¬ 
phytie, Pityriasis versicolor, Erythras- 
ma, Pityriasis rosea, Skabies, Akne 
rosacea, Akne keloid, Erfrierungen, 
Naevus vasculosus und schließlich von 
Syphiliden, in welch letzterem Falle statt 
des Thiolans Quecksilbersalbe angewandt wurde, 
bei Akne vulgaris, Sykosis barbae und 
Psoriasis waren dagegen keine merklichen 
Erfolge mit dieser kombinierten Therapie zu 
erzielen. Ob in den anderen Fällen ihre 
günstige Einwirkung durch Summation der 
Heize oder durch vermehrte Resorption des 
Schwefels oder schließlich durch Erhöhung 
der oberflächlichen bakteriziden Wirkung des 
Lichtes zu erklären ist, läßt der Verfasser 
einstweilen noch dahingestellt. Jedenfalls hält 
er diese Kombination für wirksamer als Be- 
ätrahlungsbehandlung oder Salbenbehandlung 
fir sich allein. 

Außer Hautkrankheiten hat Steiner auch 
Neuritiden, vor allen Dingen Ischias, mit 
Ho^enlichtbestrahlung behandelt und erzielte 
in der Mehrzahl der Fälle damit Heilung in 
durchschnittlich 12—13 Sitzungen. Schließlich 
führt er noch drei Einzelbeobachtungen an, 
die Heilerfolge der Lichttherapie bei bisher 
coeh nicht bekannten Indikationen betreffen. 

Im ersten Falle handelt es sich um einen 
?allensteinkranken Patienten, bei dem nach 
wenigen lokalen Bestrahlungen Druckschmerz 
der Gallenblase und Lebervergrößerung völlig 
zurückgegangen waren — ein Resultat, das 
4 ieh, soweit es den Druckschmerz betrifft, be¬ 
kanntlich auch mit einfacher Hitzeapplikation 
faropfdusche, heiße Kompressen oder dgl.) er¬ 
zielen läßt; die beiden anderen Fälle betreffen | 
einmal eine inzipiente Unterlappenpneu- 
ni‘»nie, die sich nach einem Olühlichtschwitz- 
lade and daran anschließender einstündiger, 
lokaler Bestrahlung innerhalb von zwei Tagen 
zurückbildet©; im zweiten Falle handelte es 
sieh um rasche Resorption eines plcuritischen 
Exsudates nach lokaler Bestrahlung (zehn 
s itznngen), das vorher schon zweimal vergeblich 
punktiert worden war. Es sind dies, wie gesagt, j 
Einzelbeobachtungen, und gerade in der Be¬ 
urteilung der beiden letztgenannten Fälle ist 
w °hl einstweilen noch große Vorsicht am Platze. 

A. Laqueur (Berlin). 


Cleveland, Malignant disease of the fundus 
uteri, trealed by X-Rays through the ab¬ 
dominal wall: recovery« Brit. med. Journal 
1905. 29. April. 

Bei der betreffenden Patientin wurde unter 
der Diagnose eines Carcinoma corporis uteri 
eine Laparotomie gemacht. Bei derselben fand 
sich ein dem Fundus aufsitzender Tumor, der 
sich breit mit dem Ligamentum latum, der 
Beckenwand und dem S. Romanum verwachsen 
erwies. Da Patientin zn einer Dannresektion, 
die notwendig gewesen wäre, für zu schwach 
gehalten wurde, wurde der Leib wieder ge¬ 
schlossen, ohne daß ein Stück des Tumors zur 
mikroskopischen Diagnose entnommen worden 
wäre. Nach ungestörter Rekonvaleszenz wurde 
Patientin einer Röntgenstrahlenbehandlung 
unterworfen, die 3 mal wöchentlich stattfand, 
aber mehrmals wegen starker Hautreizung unter¬ 
brochen werden mußte, wobei sich dann jedes¬ 
mal das Befinden wieder verschlechterte. Nach 
einer etwa halbjährigen Behandlung aber war 
der Tumor verschwunden, der Uterus frei be¬ 
weglich; Beschwerden von seiten des Unter¬ 
leibes bestanden nicht. Das Gewicht hatte 
1 erheblich zugenommen. Cleveland selbst 
| macht darauf aufmerksam, daß der Fall keinen 
| stringenten Beweis für die Wirksamkeit der 
Röntgenstrahlen gegenüber malignen Tumoren 
liefert, weil der mikroskopische Nachweis der 
Malignität nicht erbracht ist. 

Leo Zuntz (Berlin). 

Einar Rodhe, Ett fall af leukftmi med 
framgäng behandladt med Röntgenstralar. 

Nordisk Tidskrift for Terapi 1904. Heft 2. 

Der Fall kam im Stockholmer Seraphimer- 
lazarett zur Beobachtung. Es handelte sich 
um ein 34jähriges Fräulein aus gesunder 
Familie. Das Leiden hatte vor l 1 /, Jahren 
begonnen. Bei der Aufnahme fand man: Milz 
bedeutend vergrößert, Rand steht unten 2 cm 
über der Spin. ant. sup., oben in Höhe der 
6.—7. Rippe (in der mittleren Axillarlinie); 
zahlreiche Lymphdrüsenschwellungen; remit¬ 
tierendes Fieber; Blut: Hämoglobin 40 
(Fleischl), rote Blutkörperchen 2 500 000, 
weiße 360 000, davon 47% Myelozyten, 44% 
polynukleäre Leukozyten, 6% Lymphozyten, 
kaum 1% eosinophile Zellen. Nachdem zunächst 
Arsenik und Chinin ohne sichtlichen Erfolg 
versucht waren, wurde Röntgenbehandlung oin- 
geleitet und zwar Bestrahluug der Milz bei 


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538 Referate über Bücber und Aufsätze. 


15—20 cm Abstand für 10 Minuten täglich, 
später auch Bestrahlung der großen Röhren¬ 
knochen (jede ca. 2—3 Minuten). Sehr bald 
begann die Verkleinerung der Milz, die Zahl 
der Erythrozyten stieg, die Zahl der weißen 
Blutkörperchen sank zunächst nicht, dagegen 
änderte sich das gegenseitige Verhältnis der 
Formen, so daß nach 1 */, Wochen sich nur 
noch 30% Myelozyten, dagegen 68% poly¬ 
nukleäre Zellen fanden. Dann begann auch 
die Gesamtzahl zu sinken. Nach etwa V/ 2 Mo¬ 
naten konnte festgestellt werden: Hämoglobin¬ 
gehalt fast 70, rote Blutkörperchen ca. 4300000, 
weiße ca. 4000. Keine Myelozyten. Normales 
Verhältnis der verschiedenen Zellarten. Das 
Allgemeinbefinden war schon nach einem 
Monate so gut wie normal. Die Milz hatte 
sich so verkleinert, daß sie nach 1% Monaten 
eben noch am Rippenrande palpabel war. Eine 
Tafel veranschaulicht die Veränderung der 
Blutbescbaffenheit und ein Textbild die Ab¬ 
nahme der Milz. Am Schlüsse werden die 
sonstigen Publikationen über Röntgenbehand¬ 
lung der Leukämie besprochen. 

Böttcher (Wiesbaden). 


v. Poehl und v. Tarchanoff, Die Kombi¬ 
nation der Radiotherapie mit der Organo¬ 
therapie. Berliner klinische Wochenschrift 
1905. 17. April. 

Die Verfasser haben verschiedene Organo- 
präparate durch Übertragung der Emanation 
des Radiumbromid „aktivieren“ können. In¬ 
differente Watte, mit einer Lösung des radio¬ 
aktivierten Organopräparates benetzt, ließ nach 
relativ kurzer Zeit (1—4 Stunden) eine deut¬ 
liche Einwirkung auf die photographische 
Platte erkennen. Die stärkste Wirkung zeigte 
das Mamminum-Poehl. 

Die Bedeutung dieser Versuche liegt in 
der Möglichkeit, durch subkutane Injektion der 
Lösungen spezifischer radioaktivierter Organo- 
Präparate die Radiumemanation speziell dem¬ 
jenigen Organ zukommen zu lassen, dessen 
Behandlung erwünscht ist. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Leonard, Recent advances in the technique 
of Roentgen-ray therapy. American journal 
of the medical Sciences 1905. April. 

Der Verfasser betont die Wichtigkeit der 
speziellen Ausbildung in der Röntgen-Therapie, 
die Notwendigkeit einer genauen Dosierung 


Gck igle 


' und erörtert vor allem die Bedeutung der 
Röntgenstrahlen für die Behandlung der ma¬ 
lignen Tumoren; er weist auf die Kombination 
der chirurgischen Behandlung mit der Röntgen¬ 
bestrahlung hin und hält die Röntgenstrahlea 
für das beste palliative Heilmittel, welches w\i 
bei malignen Tumoren anwenden können. Bis 
weilen kommt es bei ausgedehntem Zerfall der 
pathologischen Zellen durch Resorption der 
Zerfallprodukte zur Autointoxikation. Ein Symp¬ 
tom derselben sind rheumatische Schmerzen in 
den Muskeln und Gelenken. Beim Auftreten von 
Intoxikationserscheinungen muß die Röntgen¬ 
behandlung für eine oder zwei Wochen unter 
brochen werden. H. E. Schmidt (Berlin). 


Riesenfeld, Tom Radiumgehalt der Heil¬ 
quellen und Moorerden. Deutsche med 
Wochenschrift 1905. 5. Januar. 

Der Verfasser weist darauf hin, daß man. 
wenn man vom Radiumgehalt der Heilquelle 
spricht, sich bewußt sein muß, daß manche 
Heilquellen (Baden-Baden, Gastein, Kreuznach 
Nauheim u. a.) allerdings einen hohen Gehalt 
an radioaktiver Emanation, aber keine Spor 
primärradioaktiver Stoffe aufweisen. Die# 
Radioaktivität verliert sich demgemäß sehr 
bald, eine Tatsache, aus der sich vielleicht der 
Umstand erklärt, daß manche Quellen sor an 
ihrem Ursprung wirken und auf dem Tran&p^ 
ihre Heilkraft verlieren. 

Anders liegt die Sache bei den Moorerden 
von Franzensbad und Karlsbad, welche, wie 
die Untersuchungen des Verfassers ergeben 
haben, nicht die Spur von radioaktiven Stoffen 
enthalten. Die wohl als sichergestellt anzu- 
sehende heilkräftige Wirknng der Franzenshader 
und Karlsbader Moorerde muß also auf einem 
andern Faktor beruhen. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


L. Golublnin, Ein Fall von tkerapeutiseber 
Anwendung der Röntgen strahlen bei Horbas 
AddisonlL Therapie der Gegenwart 1905. 
Heft 5. 

Ein 27jähriger Offizier, der seit vier Jahren 
krank war und die ausgesprochenen Symptome 
des Morbus Addisonii zeigte, wurde zunächst 
mit Eisen und Arsenik behandelt, sowie 
Tabletten von Suprarenalin. Die Schwäche 
nahm zu, das Körpergewicht sank. Die Tuber¬ 
kulinprobe ergab bei zwei Versuchen eine aus¬ 
gesprochene Reaktion. Es wurde nun eine 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


539 


Röntgenbehandlung eingeleitet, und zwar er¬ 
folgte die Bestrahlung vom Bauche her, jedes¬ 
mal 3—8 Minuten, bei 25 cm Abstand. Nach 
25 Sitzungen bzw. 35 Tagen war eine wesent¬ 
liche Besserung zu verzeichnen. Das Körper¬ 
gewicht hatte um acht Pfund zugenommen, die 
Haut war bedeutend heller geworden. Nach 
nochmals 25 Sitzungen war der Patient so ge- 
kräftigt, daß er die Klinik verließ, um eine 
Anstellung zu suchen. 

Böttcher (Wiesbaden). 


E. Serum- und Organotherapie. 

Xajrnard und Bushnell, General Staphylo- 
coeclc Infection, treatment by AntisUphy- 
lococcic Serum and Hetol. Death. Lancet 
1905. 19. August 

Die Behandlung mit Antistreptokokken- 
serum, die Maynard bei einem Falle von 
kryptogenetischer Sepsis, bedingt durch In¬ 
fektion von Staphylococcus albus, eingeleitet 
batte, führte zu keinem glücklichen Resultat. 

Welche Art des Serums gebraucht wurde, 
ist nicht zu ersehen. Rozenraad (Berlin). 


F» Lewin, Le slrum antituberculeux de 
Xaraorek. Bullet gänöral de thärapeutique 
1905. Nr. 22. 

Im Aufträge der schwedischen Regierung 
hat Lewin in Paris Studien über Marmoreks 
Antituberkuloseserum gemacht; seine Er¬ 
fahrungen resümiert er in dem Bericht dahin, 
daß zwar das Marmorek-Serum durchaus nicht 
alle Fälle von Lungentuberkulose zu heilen 
imstande ist, daß aber Tierexperimente wie 
Beobachtungen am Menschen doch die weiteste 
Anwendung gerechtfertigt erscheinen lassen, 
xnmal niemals Schaden gestiftet werden kann, 
im Gegensatz zu Kochs Tuberkulin, wo die 
Gefahr, Bazillen ans alten Herden frei zn 
machen, nicht immer von der Hand zu weisen 
ist Da Marmorek-Sernm kein Tuberkulose- 
to&m enthält, was imstande wäre, die Krank¬ 
heitserreger noch durch Addition zu verstärken, 
sondern im Gegenteil ein Antitoxin, so wird 
man stets eine Abschwächung des bazillären 
Prozesses erzielen können. Daß im einzelnen 
die Wirkung mehr bei frischen als bei fort¬ 
geschrittenen Fällen zu beobachten ist, wird 
ausdrücklich betont. Fast immer beobachtet 
man bei dieser Behandlung Verschwinden der 
Di&zoreaktion. Tiere präventiv damit behandelt, 


widerstehen tuberkulöser Infektion. Am besten 
behandelt man Menschen mit kleinen Dosen 
(4—5 ccm eine Woche lang, dann eine acht- 
bis zehntägige Pause und ev. Wiederholung). 
Lewin hat eine große Anzahl Spitäler besucht, 
um auf diesem Gebiet Erfahrungen zu sammeln, 
und hat veranlaßt, daß in Schweden in großem 
Umfang die Marmorek-Serumbehandluüg aus- 
gefUhrt wird. Mamlock (Berlin). 


Rochard, Über die Behandlung des Ery¬ 
sipels mit Hilfe von Rekonraleszenten- 
semm. Bulletin ggnäral de thärapentique 
1905. Nr. 9. 

Fornaca-Turin hat in neun Fällen Ery¬ 
sipelkranken Serum eingespritzt, das von 
Patienten stammte, die schweres Gesichts¬ 
erysipel überstanden hatten und hat damit gute 
Erfolge erzielt. Die Menge des eingespritzten 
Serums betrug für gewöhnlich 20—30 ccm, 
lmal 68 und lmal 90 ccm. Durch die In¬ 
jektionen wurde weniger der lokale Prozeß 
beeinflußt als das Allgemeinbefinden. Hier zeigte 
sich eine unmittelbare Besserung. Verschwinden 
der Kopfschmerzen, der Delirien und Hallu¬ 
zinationen und Besserung des Appetits. Aach 
die Temperatur wurde günstig beeinflußt, wenn 
anch nicht in allen Fällen, die Temperatur 
fiel ab 3 mal nach der ersten, 2 mal nach der 
zweiten, 1 mal nach der dritten Injektion und 
in drei Fällen wurde ein Temperaturabfall nicht 
beobachtet Begleitende Albuminurie ver¬ 
schwand nach den Injektionen schnell. Irgend¬ 
welche Zufälle, die den Injektionen zur Last 
gelegt werden müßten, haben sich nicht gezeigt 

Rochard empfiehlt, die Anwendung auf 
chirurgische Erysipels zu versuchen. 

Einer allgemeinen Einführung dieser 
Therapie stehen entgegen einmal, daß das 
Serum, wenn man es braucht, nicht immer zur 
Hand ist, und dann, daß man auch nicht jeden 
Erysipel-Rekonvaleszenten um einen Teil dieses 
kostbaren Saftes erleichtern dürfe. 

Schierning fFlenshurg). 

Choupin, Opotherapie rlnale. Revue de 
mädecine 1905. Bd. 25. Nr. 1 und 2. 

Ausgehend von der Annahme, daß die 
Nieren keine bloßen Filtrierapparate darstellen, 
sondern daß sie selbsttätige Drüsen sind, die 
ein äußeres (Urin) und ein inneres Sekret ab¬ 
sondern, welches letztere eine bestimmte, viel¬ 
leicht antitoxische Funktion im Organismus zu 
erfüllen hat, daß weiter viele Symptome der 


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540 


Referate über Bücher und Aufsätze 


Nephritis, insbesondere die Urämie, auf das 
Fehlen dieses inneren Sekretes zu beziehen 
sind, daß dieses Sekret aus gesunden Nieren 
zu gewinnen ist, aber durch Hitze, wie ander¬ 
weitige Untersuchungen gelehrt haben, zerstört 
zu werden scheint, hat Verfasser nach dem 
Vorgänge von Renaut und Dubois eine 
Mazeration von rohen Nieren junger Schweine 
bei Behandlung von Nephritis verschiedenster 
Herkunft angewandt. Das Resultat war in 
fast allen Fällen ein überraschend gutes be¬ 
züglich Besserung der Symptome: das Mittel 
wirkte als gutes Diureticum, in einem Falle 
von Polyurie aber auch entgegengesetzt, die 
Urinsekretion vermindernd, so daß Verfasser 
es als eine Art Regulator der Nierenfunktion 
betrachten zu dürfen glaubt; der arterielle 
Blutdruck wurde herabgesetzt, vorhandene 
Ödeme wurden beseitigt oder gemäßigt, die 
Herztätigkeit wurde gebessert, das Allgemein¬ 
befinden hob sich; die Albuminurie schwand 
oder wurde vermindert; die Ausscheidung von 
Harnstoff und Chlornatrium wurde zuweilen 
erhöht; in einigen Fällen wirkte das Mittel 
auch als Laxans und als Diaphoreticum. Die 
Medikation wurde meistens sehr lange, oft 
mehrere Monate, ohne Schaden für den Kranken 
durchgeführt. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 

Alfred Alexander, Zar Behandlung des 
Morbns Basedowii mit Antithyreoidin 
Möbius. Münchener med. Wochenschrift 1905. 
Nr. 29. 

In drei ausgesprochenen Fällen von 
Basedowscher Krankheit wurde nach frucht¬ 
losen anderweitigen therapeutischen Versuchen 
(Arsenik usw.) durch Darreichung des Anti¬ 
thyreoidin Möbius auffallende Besserung er¬ 
zielt. Sehr bedeutend und nachhaltig war zu¬ 
nächst die Wirkung auf das subjektive Be¬ 
finden. Die Unruhe schwand, der Schlaf kehrte 
wieder und blieb gut. Ferner nahm das Körper¬ 
gewicht erheblich zu. In allen drei Fällen ging 
die Verhärtung und Vergrößerung der Schild¬ 
drüse vollständig zurück. Der Exophthalmus 
schwand in den Fällen 2 und 3 völlig; im hoch¬ 
gradigen und besonders schwer zu beein¬ 
flussenden Falle 1 wurde er wenigstens deut¬ 
lich gebessert. Auch am Herzen, wo andere 
Autoren die geringste Wirkung gefunden hatten, 
war diese in den vorliegenden Fällen eklatant. 
Das Mittel wurde dreimal täglich gereicht in 
Tagesdosen von 1—15 g. Die Gesamtdosen 


betrugen im 1. Falle 43 g, im 2. Falle 105 
(30 + 75) g f im 3. Falle 40 g. Üble Neben¬ 
wirkungen traten nicht auf. Doch empfiehlt 
der Verfasser, man solle, ähnlich wie die 
Chirurgen mit wiederholten partiellen Ope¬ 
rationen vorzugehen pflegen, erst einmal 40 bis 
50 g geben, dann zuwarten und Kuren von 
weiteren 40 g wiederholen, bis die Besserung 
dauernd wird. Eine gute Unterstützung der 
Kur bilden kohlensaure Bäder. 

Böttcher (Wiesbaden) 

Gaylord, Karvey, R«, Clowes, G.H. A.and 
Baeslack, F. W. Preliminory Report ob 
tbe presence of an immune from Cancer 
(Adeno-Carcinoma, Jensen) and tbe Effect 
of Tbis Immune Serum upon Growing 
Tumors in Mice Infeiled witb tbe sane 
Material. Med. News 1905. 14. Januar. 

Verfasser (G.) brachte von C. Jensen in 
Kopenhagen zwei Mäuse mit Impfkarzinom 
nach Buffalo. Obwohl beide zwischen New 
Yoik und Buffalo starben, gelang die Impfan? 
mit dem Material der einen Maus auf andere 
Mäuse noch in 60 % der Fälle. Von des 
nächsten Generationen schwankte das positiv 
Impfresultat zw ischen 20 und 70%. Bei einken 
dieser Mäuse bildete sich nun der Tm&or 
spontan zurück. Das Blutserum der 
bei denen sich der Tumor spontan zuröcU 
gebildet hatte, zeigte nun anderen Mäaser 
gegenüber immunisierende Eigenschaften gegen 
den Impfkrebs, indem kleinere Tumoren sich 
unter dem Einfluß des Serums zurückbildeten, 
größere im Wachstum stillstanden. Bei einer 
Maus bewirkte z. B. die einmalige Injektion 
von 2 ccm dieses Serums die Rückbildung 
eines großen Tumors in drei Tagen. Bei einer 
anderen Maus bewirkte dasselbe Serum partielle 
Rückbildung eines kleineren Tumors, bis nach 
einer Operation des Tumors die Aktivität des¬ 
selben von neuem wuchs. Die Versuche wurden 
stets durch andere Mäuse mit Impfkrebs kon¬ 
trolliert, welche entweder gar nicht oder mit 
normalem Mäuseserum injiziert wurden. 

Zweitens zeigen die Verfasser, daß die 
durch Injektion geheilten KrebBmäuse ebenfalls 
ein Immunsenim gegen den Krebs besten, 
welches in gleicher Weise wirkt, wie das dt: 
spontan geheilten. Es handelt sich dabei 
wahrscheinlich nicht um ein zytholytiscbes 
Serum, sondern die Tumorzellen zeigen Ver¬ 
änderungen, die der einfachen Atrophie ähnlich 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


541 


sind, mit Hypertrophie des Bindegewebes und 
schließlicher Rückbildung zu reinen Binde- 
jfewebsknötchen. 

Verfasser schließen hieraus sowie aus 
authentischen Berichten über Spontanheilung 
des Krebses bei Menschen auf die Möglichkeit 
einer Immunität gegen Krebs, welche eventuell 
schließlich zu einer Heilmethode führen könnte. 

A. Braunstein (Berlin-Moskau). 


Martin Kaufmann, Organotherapie der 
Nephritis. Krit. Sammelbericht. Fortschr. 
d. Mediz. 1905. Nr. 22 und 23. 

Kaufmann wünscht eine Nachprüfung 
and Beachtung der besonders in den roma¬ 
nischen Ländern geübten Organotherapie der 
Nephritis anzuregen. Es handelt sich zunächst 
darum, die von Brown-S6quard, d’Arsonval, 
E. Meyer, Vanni, Manzini, Vitzou, 
Ajello, Parascandalo, Fiori u. a. auf 
lirund von Tierversuchen aufgestellte Theorie 
der inneren Sekretion der Nieren zu 
verifizieren, eine Hypothese, welche nach den 
Arbeiten dieser Forscher als Tatsache anzusehen 
ist; sodann wäre die Frage der Nephro¬ 
toxine zu lösen, mit welcher sich Mori, 

( hatin, Guinard, Lindemann, Nefedieff, 
Bierry, Hulot, Castaigne, Rathery, 
Albaran, Bernard, Linoissier, Lemoine 
d. a. in der Weise beschäftigt haben, daß sie 
entweder (anfänglich) Meerschweinchenserum 
gewonnen durch Injektion von Kaninchen¬ 
nierenemulsion) Kaninchen injizierten und da¬ 
durch Albuminurie erzeugten (und umgekehrt), 
bei höheren Tieren sogar Exitus, oder, was 
praktisch wichtiger ist, sie injizierten Kaninchen 
intraperitoneal Meerschweinchensubstanz, wobei 
stets Albuminurie auftrat, Veränderungen in 
den Nieren, Erweichungen in der Rinde, in 
den Tubuli etc.; bei einseitig nephrektomierten 
Tieren trat nach den Einspritzungen der Tod 
ein. bei doppelseitig operierten wurde der 
Exitus beschleunigt. 

Sprechen nun diese Versuchsergebnisse 
keineswegs für die „Opotherapie r6nale“, so 
sind die pathologischen Veränderungen doch 
nicht rein nephrotoxischer Natur; denn sie 
finden sich auch an der Leber und es läßt 
sich anscheinend kein mit deutlich speziellen 
nephrotoxischen Eigenschaften begabtes Serum 
hersteilen. Dagegen besitzt nach Castaigne 
nnd Rathery nephrolvtisches, d. h. von vor¬ 
behandelten Tieren gewonnenes Serum und 
das Blut Urämischer toxische Eigenschaften. 


Wie begreiflich, sind die Aussichten für 
die therapeutische Anwendung der wirksamen 
Prinzipien der inneren Sekretion der Niere 
keine allzu ermutigenden; man hat sie aber 
vielerorts versucht und zwar in Form der sub¬ 
kutanen Injektion eines Glyzerinextraktes der 
Niere („Nephrin“)» oder von defibriniertem 
Nierenblut oder der Darreichung von Nieren¬ 
präparaten per os. Die erste Form, schon 1892 
von Dieulafoy versucht, hat einen großen 
Verfechter in Teissier und einen Verteidiger, 
sofern es sich um parenchymatöse Nephritis 
handelt, in Tarruella, während Fornaroli 
ihr das Todesurteil spricht. Die zweite Form 
empfehlen Teissier und seine Schüler. Die 
letzte Art der Anwendung ist in jüngster Zeit 
nicht selten versucht worden, sei es in Gestalt 
von konzentrierten Auszügen (T a r u e 11 a, 
Halabarder, Piy Sufler, Mariani, Codina) 
oder in Pulver- bzw. Tablettenform gebrachten 
Extrakten, bes. Renaden (Donovan, Con- 
cetti, Spolverini, Mensi) oder schießlich 
als in Bouillon verabreichteMazeration(Dubois, 
Renaut, Charrier, Page, Dardelin u. a.). 

Nach Durchsicht der hübschen Arbeit, in 
welcher K. eine sehr umfangreiche und häufig 
schwer zugängliche Literatur verarbeitet hat 7 
kann Referent mit Verfasser nur übereinstimmen, 
wenn er das eine Positive bezüglich der Organo¬ 
therapie der Nephritis festgelegt wissen will, 
die Vermehrung der Diurese, und zwar 
werden wir zu der innerlichen Darreichung 
greifen, in Form des Renaden (Knoll) und 
empfehlen es versuchsweise „auch in andern 
als verzweifelten Fällen“. 

Ref. hat im Frühjahr 1905 in zwei vor¬ 
geschrittenen Fällen Renaden versucht, beim 
ersten Patienten viele Wochen hindurch, z. T. 
in Nervi mit dem Erfolg beträchtlicher Diurese¬ 
steigerung, im andern mit dem gleichen, wenn 
auch weniger offenkundigen Ergebnis; bei 
beiden Kranken blieben Albumengehalt und 
mikroskopischer Befund unverändert. Von theo¬ 
retischem und praktischem Interesse sind zwei 
amerikanische Arbeiten, Davis, die Toxämie 
der Schwangerschaft und Lobenstine, die 
klinischen Erscheinungen von Hämor- 
rhagien bei Eklampsie (Med. Rec. 1905, 
Februar). Ersterer empfiehlt unter den Arznei¬ 
mitteln Thyroidextrakt als Diuretikum und 
gegen die Eklampsie, letzterer Suprarenal- 
extrakt (neben anderem) in hohen Dosen. 

R. Bloch (Coblenz). 


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542 


Heferate über Bücher und Aufsätze. 


F. Verschiedene«. 

Maas, Die Entwicklung der Sprache des 
Kindes und ihre Störungen. Würzburg 1905. 
A. Stübers Verlag (C. Kabitzsch). 

In neuerer Zeit mehren sich die Arbeiten, 
die sich auf Sprachentwicklung und Sprach¬ 
störungen der Kinder beziehen. Der Verfasser 
hat in der vorliegenden kleinen Arbeit zunächst 
einen kurzen überblick über die sprachliche 
Entwicklung des Kindes gegeben, wobei er 
sich teils an ältere Schriften (Preyer und 
Am ent), teils an neuere (Menmann und Idel- 
berger) anschließt Im wesentlichen ist seine 
Darstellung hier eine referierende. Das gleiche 
gilt von dem zweiten Teile des Schriftchens, 
der die Störungen der Sprachentwicklung: 
Stottern, Poltern, die verschiedenen Arten des 
Stammelns, des mechanischen wie des funktio¬ 
neilen, bespricht Auch betreffs der Therapie 
stützt sich der Verfasser bald auf diesen, bald 
auf jenen Autor, wobei ich mich mit seiner 
gelegentlichen Bemerkung: „daß es in den 
meisten Fällen weniger auf die „Methode u an¬ 
kommt, als auf die Art und Weise, wie man 
mit dem Patienten umgeht und sein Vertrauen 
zu erwerben versteht—“ durchaus einverstanden 
erklären kann. 

Wenn demnach auch die Arbeit sich in 
der Hauptsache als Referat darstellt, so ist sie 
auch als solches sehr willkommen. Man kann 
meines Erachtens gar nicht häufig gonug auf 
den Zusammenhang der Sprachstörungen der 
Kinder mit ihrer Sprachentwicklung hinweisen, 
weil nur auf der Erkenntnis dieses Zusammen¬ 
hanges eine rationelle Prophylaxe sich auf¬ 
bauen läßt. Dem ärztlichen Praktiker sei daher 
das Schriftchen dringend empfohlen. 

H. Gutzmann (Berlin). 

Westenhoe ff er, Pathologische Anatomie 
und Infeklionsweg bei der Genickstarre. 
Kirchner, Über die gegenwärtige Epidemie 
der Genickstarre und ihre Bekämpfung. 
Grawitz, Beobachtungen über die dies¬ 
jährigen Fälle von Genickstarre. Berliner 
klinische Wochenschrift 1905. Nr. 24. 

Westenhoeffer kommt auf Grund seiner 
in Schlesien gemachten Sektionen zu dem 
Schluß, daß in erster Reihe Kinder mit sogen, 
lymphatischer Konstitution an Genickstarre 
erkranken. Die Eintrittspforte des Krankheits¬ 
erregers — der übrigens absolut einwandsfrei 


noch nicht festgestellt ist — ist der hintere 
Nasenrachenraum, namentlich die meist katar¬ 
rhalisch geschwollene Rachentousille. Die Hirn¬ 
hautentzündung ist fast stets eine basilare, be¬ 
ginnend hinter dem Chiasma über der SeHa 
turcica. Die Erkrankung entsteht auf lymphu- 
genem Wege und zwarjoicht durch das Siebbein 
sondern den Keilbeinkörper. Welches hier im 
einzelnen die Bahnen für die Infektionsstoffe 
sind, steht noch dahin. Die Krankheit ist als 
eine Inhalationskrankheit aufzufassen und ist 
durch allgemeine hygienische, besonders woh- 
nungshygienische Maßnahmen einzudämmen. 
Auf die epidemiologischen Verhältnisse im 
einzelnen geht Kirchner ein, unter Betonung, 
daß, wenn auch noch nicht nach jeder Richtung 
hin einwandsfrei, so doch ziemlich sicher be¬ 
wiesen ist, daß der Erreger der Krankheit der 
Weichselbaum-Jägerschc Diplococcus ist. 
Besonders wichtig ist, daß der Diplococcus 
anscheinend wenig resistent ist und nicht leicht 
haftet, worauB sich die oft langsame Ver 
breitung von einem Ort zum anderen erklärt 
Wirksam zu bekämpfen ist die Krankheit erst 
dann, wenn die Medizinalbehörden gesetzlich 
in der Lage sind, alle erforderlichen hygie- 
nischen Maßnahmen ohne weiteres zu verac- 
lassen. Grawitz weist auf die Notwendigkeit 
strengster klinischer Trennung zwischen tuber¬ 
kulöser und epidemischer Genickstarre bin 
namentlich soll letzterer Ausdruck überhaupt 
nur bei wirklichem epidemischen Auftreten, 
und nicht jedem einzelnen Krankheitsfall ge 
braucht werden. 

ln der Diskussion machte Heubner 
darauf aufmerksam, daß meist nur eine ver¬ 
hältnismäßig kleine Zahl von Meningitiden 
beobachtet wird, die trotzdem den Charakter 
der epidemischen haben. Ob tatsächlich lym¬ 
phatische Konstitution ätiologisch in Betracht 
kommt, hält er für noch nicht sicher. Er be¬ 
stätigt die Beobachtungen von Grawitz von 
zeitweilig epidemischem Auftreten tuberkulöser 
Meningitiden. Weiter betont Heubner, daß er 
sich gerade von sehrgroßerWiderstandsrähigkeit 
des Meningococcus überzeugen konnte. Auf die 
entsprechende Erkrankung bei Pferden geht 
Herr Schütz näher ein. Senator bestätigt 
das z. Z. gehäufte Auftreten der tuberkulösen 
Meningitis, sowie das öftere Vorkommen ver 
einzelter Fälle, sogenannter epidemischer 
Cerebrospinalmeningitis. Symptomatisch er¬ 
scheint ihm bei letztgenannter Krankheit die 
Neigung zu Herpes und Urtikaria wichtig: für 
die Therapie, die Senator für ziemlich aos- 


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543 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


sichtslos hält, kommen u. a. besonders heiße 
Bader in Betracht. M. Michaelis erklärt die 
Bedenken hinsichtlich der Rolle, die der 
\V e i c li s e I b a u m- J ä ge r sehe Diplococcus spielt. 
Zum Teil liegt es an der verschiedenen Aus¬ 
führung der Züchtung auf Nährböden, die Zweifel 
an der Identität der fraglichen Diplococcen 
entstehen lassen. Im wesentlichen spielten bei 
jn-ößeren Epidemien sicher zwei Bakterien eine 
wichtige Rolle, das ist der FraenkeIsche 
Diplococcus, während bei der eigentlich epi¬ 
demischen cerebrospinalen Meningitis der 
Wcichselbaum-Jägersche Diplococcus als 
Erreger anzusehen ist Hansemann kann 
auf Grund von Leichenbeobachtungen nicht 
ohne weiteres die Infektionswege a*s sicher¬ 
gestellt ansehen, da überaus häufig sich die 
Nebenhöhlen der Nase in entzündlichem Zu¬ 
stand befinden. Auch findet er fast nie einen 
Rest des Duktus, der vom Rachen nach der 
Hypophyse während des embryonalen Lebens 
durchgeht und der später durch ein Emissarium 
ersetzt ist. Als Erreger sieht er den Weichsel- 
hjom-Jägerschen Diplococcus an, den er 
niemals vermißte, selbst in Fällen, wo er intra 
vitam im Liquor cerebrospinalis nicht zu finden 
war. A. B a g i n s k y macht darauf aufmerksam, 
daß in den ersten Monaten des Jahres die 
Krankheit gewöhnlich gehäuft vorkommt. 
Weiter macht er auf differentialdiagnostisch 
wichtige Punkte aufmerksam. Als Ursache ist 
der Meningococcus intracellulär!s anzusehen. 
Henkel vermißte ihn häufig, während Fried¬ 
berg in einem Fall von Hydrocephalus acutus 
hei öfteren Spinalpunktionen abwechselnd den 
Weich sei bäum sehen Meningococcus fand und 
vermißte. Westenhoeffer spricht sich für 
len Zusammenhang der allgemeinen lympha¬ 
tischen Konstitution mit der Krankheit aus. 
Kirchner her chtet über den zeitigen Stand 
der Epidemie: bis zum 4. Juni waren im 
Regierungsbezirk Oppeln 2406 Krankheits- und 
1491 Todesfälle. Mamlock (Berlin). 


K Woodruff, Alkohol in the tropics. 

Medical Record 1904. Nr. 25. 

Nach einem Resümee über die allgemein 
herrschenden gegenwärtigen Anschauungen hin¬ 
sichtlich der Bedeutung der Alkoholwirkung 
und einer Skizzierung neuerer biologischer Auf¬ 
fassungen von dem Werte des Alkohol für den 
Pflanzen- und Tierkörper als Zwischenprodukt 
in der Verarbeitung der Kohlehydrate, geht 
^ erfasser auf den eigentlichen Vorwurf seiner 


Arbeit, Bedeutung des Alkohols in den Tropen, 
über. Die allgemein üblichen Schlußfolgerungen, 
daß der Alkohol selbst in kleinsten Dosen 
schade, wurden speziell auf die Tropen an¬ 
gewandt und allgemein proklamiert, daß 
auch geringe Mengen alkoholischer Getränke 
schädlich, ja direkt verderblich seien. Dem 
gegenüber ist von den verschiedensten Em¬ 
pirikern, die jahrzehntelang in den Tropen 
gelebt haben, auf die Notwendigkeit des Ge¬ 
nusses alkoholischer Getränke in kleinen Mengen 
hingewiesen worden, wozu Verfasser nun eine 
Reihe von Tatsachen auf Grund eigener Beob¬ 
achtungen beibringt An einem größeren mili¬ 
tärischen Kontingent, das mehrere Jahre lang 
auf den Philippinen stationiert war, wurden in 
folgenderweise Untersuchungen angestellt Die 
Soldaten wurden in vier Gesundheitsklassen 
eingeteilt: 1. solche, die intakt blieben; 2. solche, 
die körperlich Schaden litten; 3. solche, die 
wegen Krankheit in die Heimat entlassen werden 
mußten; 4. solche, die starben. Weiterhin wurden 
dieselben Mannschaften nach ihren Trink- 
gewobnheiten in drei Klassen eingeteilt: in 
Abstinente, Mäßige und Potatoren. Abstinent 
waren 1%, Mäßige 60%. Das Resultat war 
das, daß von den Potatoren 68% ihre Gesundheit 
behielten, während bei den Mäßigen dieser Stand 
der Dinge nur in 66% und bei den Abstinenten 
nur in 40% der Fälle behauptet wurde. Dem¬ 
entsprechend waren auch die Zahlen für die 
drei anderen Gesundheitsklassen am günstigsten 
bei den Trinkern hzw. den Mäßigen, am un¬ 
günstigsten boi den Totalabstinenten. Wenn 
diese Zahlen etwas beweisen, so schließt der 
Autor diesen Teil seiner Beobachtungsergeb- 
nissc, so beweisen sie, daß der durch das 
Milieu der Tropen anämisch und ncurasthenisch 
veränderte Organismus, der der Schutzma߬ 
nahmen, die dem Eingeborenen zur Verfügung 
stehen, entbehrt, des stimulierenden Einflusses 
des Alkohols bedarf. Bei einer weiteren An¬ 
zahl von über 1300 Soldaten bat er dann den 
Einfluß des Alkoholabstinenz und ihres Gegen¬ 
teils auf die Erhaltung des Gesundheitszustandes 
festzustellen versucht und gefunden, daß auch 
hierbei die Mäßigen und vor allem die Trinker 
in einem weit stärkeren Verhältnis beteiligt 
waren wie die völlig Enthaltsamen. Der Schaden, 
den der Alkohol anrichtet, ist nach ihm geringer 
als der Schaden, den das Klima dem Abstinenten 
anrichtet; welchen Einfluß letzteres an sich 
hat, ist daraus erkenntlich, daß 38% der 
auf den Philippinen lebenden Amerikaner inner¬ 
halb eines dreijährigen Aufenthaltes, soweit 


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544 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


% 


sie nicht gestorben waren, krank nach Hause 
zurückkehrten. Zum Schluß plädiert Autor für 
eine eingehende Enquete über diese Frage, 
die sich wesentlich auf die Beobachtungen von 
Kolonialärzten zu stützen hätte. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

J. Marclnowski, Im Kampf am gesunde 
Herren. Ein Wegweiser zum Verständnis 
und zur Heilung nervöser Zustände. Zweite 
umgearbeitete Auflage. Berlin 1905. Otto 
Salle. 

Marcinowskis populär-pädagogische 
Schrift liegt jetzt, ein Jahr nach ihrem Er¬ 
scheinen, in zweiter Auflage vor. Das beweist 
am besten, daß sie einem Bedürfnis entgegen¬ 
gekommen ist. Die Anordnung und Darstellung 
des Stoffes ist im wesentlichen die gleiche 
geblieben; Referent kann sich daher darauf 
beschränken, der Arbeit, die eine hochbedeut¬ 
same Frage in klarer und anregender Form 
behandelt, auch weiterhin eine recht große 
Verbreitung zu wünschen. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


J. Maroinowgki, Nervosität and Welt¬ 
anschauung. Studien zur seelischen Behand¬ 
lung Nervöser, nebst einer kurzen Theorie 
vom Wollen und Können. Berlin 1905. Otto 
Salle. 

Der Verfasser hat seiner Schrift „Im Kampf 
um gesunde Nerven“ diese zweite gewisser¬ 
maßen als Ergänzung folgen lassen. Während 
dort dem Nervösen eine praktische Anleitung 
zu vernünftiger Lebensweise gegeben wird, 
entwickelt Marcinowski hier seine Grundsätze 
von der höheren Warte einer idealistischen, 
auf dem Entwicklungsgedanken basierenden 
Weltanschauung. Das Werk steht an Frische 
der Darstellung hinter dem oben genannten 
wesentlich zurück, wird aber als leichtfaßliche 
Bearbeitung psychologischer Grundprobleme 
gewiß Freunde finden. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


Schiele, Die subkutane Verwendung von 
alkoholischer Kochsalzlösung. Zeitschrift 
für Krankenpflege 1905. April. 

Verfasser bezeichnet bei allen Erkran¬ 
kungen, bei denen eine Flüssigkeitsdarreichung 
per os nicht vertragen wird, wie z. B. bei 


schwerer diffuser Peritonitis, die Anwendung 
reichlicher und wiederholter subkutaner Roch- 
salzinfusionen als das geeignetste Mittel, den 
Folgen einer Wasser Verarmung des Kürpm 
entgegenzuwirken. Wenn es sich um di* 
Behandlung delirierender Potatoren handelt, 
führt er diesen den für sie unentbehrlichen 
Alkohol in der Weise zu, daß er der Kochsalz¬ 
lösung 80 g reinen Spiritus pro Liter zusetzt; 
das Unterhautzellgewebe soll diese Öprozentigen 
Alkohollösungon gut resorbieren und - was 
Kobert in einer der Mitteilung des Verfassers 
beigefügten, redaktionellen Fußnote für sehr 
auffällig erklärt — reaktionslos vertragen. 

Hirschei (Berlin:. 


Elsaesser, Über die sogenannten Berg 
luannskrankheiten. Abzehrung und Wurm 
krankheit unter den Bergleuten, auch mit 
Rücksicht auf ihre Gefahren für die Alige 
meinheit. Arnsberg i. W. 1905. F. W. Becker. 

Das Schriftchen ist der erweiterte Abdruck 
eines vor Bergarbeitern gehaltenen Vortrags. 
Der Hauptteil gilt der „Abzehrung“, resp dem 
Nachweis, daß es sich hier um uichts andere? 
als um Lungentuberkulose, also nm keine 
spezifische Bergmannskrankheit handelt, ver¬ 
gleich zuzugeben ist, daß die Tätigkeit des 
Bergarbeiters besonders gefährdend wirket 
kann. Ursache, Verbreitungsweise und Krank- 
heitserscheinungen der Lungcntukerknlose wie 
der Tuberkulose überhaupt werden daher dar¬ 
gelegt und namentlich auch gezeigt, was von 
seiten des Einzelnen und der Gesamtheit zu 
ihrer Verhütung und Bekämpfung geschehen 
kann und schon geschehen ist Dem populären 
Charakter des Ganzen entsprechend, nimmt der 
Verfasser dabei Gelegenheit, einzelne Kapitel 
aus der Hygiene des Alltags, wie Wohnung, 
Kleidung, Abhärtung, Ernährung, Alkoholgenuß 
besonders zu besprechen. Dieselbe Tendenz, 
die durch Aufklärung belehrend und bessernd 
wirken will, ohne dabei übertriebene Krankheits- 
furcht groß zu ziehen, tritt auch in dem zweiten 
Teil, der der spezifischen Bergmannskrankheit, 
der Wurmkrankheit, gewidmet ist zutage. 
Auch hier wird auf Grund einer anschaulichen 
Darstellung der Verbreitungsart der Krankheit 
besonders betont, wie viel jeder Einzelne zur 
Eindämmung der Seuche tun kann und wie 
nur durch ein solches Zusammenarbeiten um 
den von den Behörden ergriffenen Maßnahmen 
ein Erfolg zu erzielen ist. 

Plaut (Frankfurt a. MA 


Berlin, Druck von W. Büxenstein. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

»IÄTETISCHE ur<» PHYSIKALISCHE 


THERAPIE 


Mitarbeiter: 

Prof. y. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CÜBSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHOR8T (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prot A FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Priy.-Doz. Dr. FRANKENHÄUSER 
«Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER (Berlin), Prof. J. GAD (Prag^, Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), 
Geh.-Rat Prof. A. HOFFMANN (Leipzig), Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. ▼. JÜRGENSEN (Tübingen), 
Prof. KITA8ATO (Tokio), Prof. G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Priv.-Doz. 
Dr. PAUL LAZARUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg). Geh.-Rat Prof. LIEBREICH 
'Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Priv.-Doz. Dr. L. MANN (Breslau), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
MARTIU8 (Rostock), Prof. v. MERING (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), 
Geh.-Rat Prof. NAUNYN (8traöburg), Prof. v. NOORDEN (Frankfurt a. M.), Prof. PEL (Amsterdam), 
Prof. A. PRIBRAM (Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. y. RENYERS (Berlin), Prof. 
ROSENSTEIN (Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. 8AHLI (Bern), Prof. SCHREIBER 
Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof. y. 8TRUMPELL 
(Breslau), Sir HERMANN WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), Dr. E. ZANDER 

(Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 

Herausgeber: 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 

Redaktion: 

Dr. W. ALEXANDER, Berlin NW., Flensbnrgerstraße 19a. 


Neunter Band (1905/1906). — Zehntes Heft. 


1. JANUAR 1906. 


LEIPZIG 1906 

Verlag von GEORG THIEME, Rabensteinplatz 2. 


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Preis des Jahrgangs M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensburgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 SonderabzUge werden den Verfassern von Original 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in iss 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT 


I. Original-Arbeiten. seit« 

I. Zur Behandlung von Handversteifungen mit dem Bierschen Saugapparat Aus der 
Kgl. Universitäts Poliklinik für orthopädische Chirurgie in Berlin. (Direktor: 

Geh. Med.-Kat Prof. Dr. Hoffa.) Von Dr. James Fränkel, Assistenzarzt. (Mit 
4 Abbildungen).549 

II. Eine Schutzvorrichtung für Radiotherapeuten. Aus der Universitätsklinik des Herrn 

Professors Dr. E. Finger in Wien. Von Dr. Leop. Freund, Privatdozent in 
Wien. (Mit 1 Abbildung).554 

III. Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten in moderner Auffassung 

und unter epikritischer Beleuchtung. Von Dr. Achert in Bad Nauheim . . . 557 

IV. Die Grenzen und Wechselbeziehungen zwischen der mechanischen Orthopädie und 

orthopädischen Chirurgie. Von Dr. Oskar v. Hovorka, Chefarzt ftir Orthopädie 
am Zander-Institut in Wien.567 

II. Berichte über Kongresse und Vereine. 

Bericht über den I. Internationalen Kongreß für Physikotherapie in Lüttich am 12. bis 

15. August 1905. Von Dr. W. Alexander. (Fortsetzung).577 

III. Referate über Büeher und Aufsätze. 

A. Diätetisches (Ernähmngstherapie). 

Pipping, Om kärnmjölk vid digestionsrubbningar hos späda barn.585 

Friedjung und Hecht, Über Katalyse und Fermentwirkungen der Milch.585 

Kamoji Sasaki, Experimentelle Untersuchungen über die Bedeutung der Extraktivstoffe 

des Fleisches für die Magen Verdauung.587 

Jaquet, Über Trockenmilch und ihre Verwendung als Nahrungsmittel.587 

Bardet, Dangers de la Suralimentation chez malades soupgonnäs de tuberculose . . . 587 

Älbu, Die Behandlung der Hyperazidität und der Hypersekretion des Magens .... 588 

Salomon, Über Durstkuren besonders bei Fettleibigkeit.588 

Heinrich, Zur Methodik und Kasuistik der Behandlung von Darmkrankheiten mit Heidel¬ 
beerdekokt .589 

Cnshing and Clarke, Copious water-drinking and polyuria in typhoid fever. A contri- 

bution to treatment.589 

Stoeltzner, Zur Behandlung der Nephritis.590 

B. Hydro-, Balneo- und Klimatotherapie. 

Bai sch, Indikationen und Kontraindikationen der Vaporisation des Uterus.590 

Roloff, Physikalisch-chemische Grundlagen für die therapeutische Beurteilung der Mineral¬ 
wässer .590 

Kionka, Über neue Mineralquellen.591 

Sarason, Über moussierende Sauerstoffbäder.591 

Pick, Kurzgefaßte praktische Hydrotherapie.591 

Hirsch, Bemerkungen über künstliche Kohlensäurebäder.592 

Wallace, Sea air treatment of surgical tuberculosis, with report of cases.592 

Roloff, Physikalisch-chemische Grundlagen über die therapeutische Beurteilung der 

Mineralwässer. 592 

Boeder, Zur therapeutischen Anwendung der Heißluitdusche.593 

Ducros, Le bain prolongg.593 

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548 


Inhalt. 


Sette 

Pfegurier, De Taction dite congestionnante du climat mfediterranfeen fran^ais. I. Son 


influence sur les tuberculeux.593 

Brix, Zur Behandlung eingeklemmter Brüche.593 

Fr im, Über die Kurorte Ägyptens.594 

C. Gymnastik, Massage, Orthopädie and Apparatbehandlung. 

Weintraud, Zur Kasuistik der Hirnpunktion.594 

Veraguth, Über Arbeitstherapie.594 

Gray, Subdiaphragmatic Transperitoneal Massage of the heart as a means of resuscitation 595 

Rochard, Du Massage du Coeur dans les Syncopes chloroformiques.595 

Esmonet, L’abus des lavages d’intestin.595 

Tilmann, Lumbalanästhesie mit Stovain.595 

Schlüpfer, Über den Einfluß der Vibration auf das FaradisationsgefÜhl.596 

Gerson, Zur Extensionsbehandlung der oberen Extremität.596 

Ammann, Ein neues Skoliosenkorsett.596 

Doevenspeck, Beiträge zur intravenösen Injektionstherapie.597 

Groß und Sencert, Die Massage des Herzens im Chloroformkollaps.597 

D. Elektro-, Lieht- und Röntgentherapie. 

Laqueur, Zur Verwendung von Wechselstrombädern in der Therapie der Herzkrankheiten 598 

v. Bramann, Über Tumorenbehandlung mit Röntgenstrahlen.599 

Fielitz, Über die Technik der Röntgenbehandlung.599 

Görl, Ein neues Feld für die Radiotherapie? (Strumenbehandlung).599 

Laqueur, Die therapeutische Verwendung der Licht-Wärmestrahlen.599 

Kali scher, Über die physikalischen Grundlagen der elektromagnetischen Therapie . . 600 

Jus tu 8, Mit Radiumbromid behandelte Fälle von Epitheliom.600 

Müller, Zur Behandlung von Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlen.600 

Wendriner, Über Unfälle durch elektrischen Starkstrom.600 

B. Serum- nnd Organotherapie. 

Weichardt, Über das Ermüdungstoxin und -Antitoxin.$1 

Jez, Serumbehandlung des Abdominaltyphus.601 

Storrs, A case of acute tetanus treated with intracerebral injoctions of antitoxin ... 602 
Rochard, A propos du rapport de la commission de la Socifetfe de Chirurgie sur le 

tiaitement du cancer par le sferum de M. Doyen.602 

Fels, Die Schutzpockenimpfung.602 

Weis eher, Zur Tuberkulinbehandlung.602 

Kraus, Immunität bei Tuberkulose.603 

Spengler, Ein neues immunisierendes Heilverfahren der Lungenschwindsucht mit Perl¬ 
suchttuberkulin .603 

F. Verschiedenes. 

Gutzmann, Die Übung der Sinne.605 

Hirsch, Über Basedowsche Krankheit.605 

Ri vifere, Physicothferapie de la Neurasthfenie.605 

Kölbl, Die Gicht (Harnsaure Diathese).606 

Flachs, Verbesserte Frauentracht.606 

Kuthy, Zur Beschäftigung der Heilstättenpfleglinge.606 

Hacker, Gipsstaub (Kalziumsulfat) als Heilmittel gegen Lungentuberkulose.606 

Kircz, Mit Thiosinamin behandelte Fälle von Strictura oesophagi.606 

Räcz, Über Anstaltspflege der Säuglinge.60« 

Tagesgeschichtliche Notizen.608 

Eingegangene Schriften.608 


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Original-Arbeiten, 


i. 

Zur Behandlung 

von Hand Versteifungen mit dem Bierschen Saugapparat. 1 ) 

Aus der Kgl. Universitäts-Poliklinik für orthopädische Chirurgie in Berlin. 

(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hoffa.) 

Von 

Dr. James Frankel, Assistenzarzt. 

In den Bierschen Saugapparaten wird der Luftdruck als bewegende Kraft 
verwendet, und dadurch ist uns ein Mittel gegeben, das neben seiner hyperämi- 
sierenden Wirkung gleichzeitig orthopädischen Zwecken dienstbar gemacht 
werden kann. 

Mit Bäcksicht auf das hier zur Geltung kommende Prinzip hat Bier 2 ) sich 
dahin geäußert, daß „der Saugapparat unsere medikomechanischen Apparate, 
wenigstens bei der Hand, ersetzt oder vielmehr übertrifft. Denn mit ihm können 
wir viel größere Gewalten weit schonender ausüben, und gerade für die Finger¬ 
gelenke fehlte uns bisher ein einwandfreier Apparat“. 

Indem ich auf die Arbeiten von Bier 2 ) 8 ) verweise, mache ich über die 
Wirkungsweise des Saugapparates hier nur die folgenden Angaben: 

Ein zylindrisches Glasgefäß dient zur Aufnahme des kranken Gliedes, an 
welches eine Gummimanschette luftdicht angeschlossen wird. Wird die Luft im 
Apparat verdünnt, so treibt der äußere Luftdruck die Gummimanschette und 
damit das an ihr befestigte Glied allmählich in das Gefäß hinein. Gerade für 
orthopädische Zwecke ist es wichtig, zu wissen, daß die durch den Luftdruck 
dargestellte mechanische Kraft äußerst milde und in leicht dosierbarer Form wirkt, 
daß andererseits aber auch die größte Gewalt hiermit entfaltet werden kann. 

Über die in dem Gliede entstehende Hyperämie, die dem Grade der Luft¬ 
verdünnung im Gefäße entspricht, wissen wir, daß es sich im wesentlichen um 
eine passive, durch die abschließende Manschette entstandene, handelt; daneben 
wirkt die Luftverdünnung erweiternd auf die Kapillaren, und die so bedingte 
Herabsetzung der Widerstände führt zu arterieller Hyperämie. 

l ) Nach einem Vortrag, gehalten in der Freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 
8. Mai 1905. 

*) Bier, Über einige Verbesserungen hyperämisierender Apparate. Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1904, Nr. 6. 

*) Bier, Hyperämie als Heilmittel. 


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,famos Frank«! 


die Wirksamkeit einer Hyders,iHi»- 

behandlnng bei ^kVbenköiiträkihüren. bei bind^-jywrebigfeö 

Avaebstui^te« in Gelenken und G elenk wuchern»^«', wie auch bei 4er vua fr«i?s 
besdirie'iiooe» fibrösen Ff!tsreweüslty p^ilasi* in» Kmegeknlu;., wo bei »ie-* ’X'vitygM 
Grad«*-»» noch mm eißhii .operative» Eingriff abgesehen wird; 

Berneksiehrig'em wir die : ebe5i<-gesd!ildm«n. Wirkungen der Hyperämie iuri 
ki«Tj)hin!emi wir diese mit orthopädir-dieir MsbmUönen, wie das in den SaaggefU*'. 
uesohehe« kan«, so isi ri>sr einienehtend. dab die letzteren durch, 'dir «m- 
geiiannten Faktoren ganz tinfterorilentlieh •; «ntmtlitzt worden müssen,: 

Weil e»n derart durch H.vi«*.rära'i> vorbereitete}! Körperglied ;hh jesiii ?o 
nifdiaiuscbc .Einwirkungen in viel ehergiscWm' Weise reagiert, höhe k.l» auri 
dei • BeliaiullHtig init dem Simggejfätt,, wie ich liier erwähnen .will, eine 

AlassägeaiijiUkatioB • unmittelbar (eigen lasse», Die Wirkung der Friktionen m.w 
der iPeM'issKge aufdie erwrHcljten^ serös durehu-äirklen Gewebe ist üaturgeÄ- 


Arrh. i. kiin < hir. t>8. !tit. 

fljk'ti, Wjicbett&xsliriÖ P.jOö, Sr, IG, 
FfHom^hv \\). ItefcGrption 


Arcby £ sxper. Patb. % Phanp, BdL 4 






Zur Behandlung ron HandverBteifungen mit (lern Bierselien Saugapparat. 


eingefftbrtft Hand fassen amü, 

Jitmh bei der Vorwärfebetteguug dt^ 

Ymts eine Streckung im Handgelenk 

rsMelik Wer mit diesen Yom»Mnitgen gearbeitet liat, wird zugebeih daß sie 
sfeett &weok nur in UßVolikomthener' Denn die steifen Glieder 

.--fiassen die gewünschte Bahn, weil sie 'kei&en. «klieren Widerhält Anden. 

Hier liegt zweifellos ein Bedürfnis näch.-Verbesserung vor. und das ist auch 
s-n anderer Seite anerkannt worden. 

.Jedenfalls erscheint eine Ausgestaltung des Yert0eb.re.nff wegen, des wichtigen 
ifi. ihm enthaltenen Prinzips durchaus geboten. 

Klapp 1 ) ist jüngst in der Weise vürgegauge.% daß er einen <*nmaüsack iu eine 
«Mining des Saugkastens dort einließ, wo : er'vtn«n'|i?we.gnngaeÄ<*kt. entfalten .wuHte. 
In anderer Weise halte ich 

das kiekt einfache Prohleni zu lösen *%• 36 - 














552 Jauica Frankel 

Fig. 37 . diene ich mich des in den Figg. 34, 

35, 36 abjpebüdeti'u Apparates. Die 
einzelnen Teile desselben sind an ihrer 
Innenseite gut gepolstert und tßit 
glattem Leder überzogen. Ihre Ver¬ 
bindung wird durch Stahlschiewtt 
hergeste-flt, welche gerieft sind. 
durch ist m ermöglicht., dem Apparat 
die verseluedenste Form sm geben. ■'* 
wie am besten, ein Blick aal die 
Abbildungen lehrt. Mittelst FliigD- 
sc.branben v die durch einefl handlfclieii 
Schlüssel bedient werden, sind die 
einzelnen Teile schnell voneinander - fe 
zu trennen und in der gewrhisrhtea 
Stellung wieder fest zu fixieren. 

In Fig. 34 wird der Faustschlctv 
der Hand dargestellt,,eine Übung, dfe- 
wir bei Fingervfersteifnitgen. nament- 
lich in der Fnfttilpraxis, so häufig auslnhren lassen. In diesem Falle werdea tü^ \ 
Phalanges I diirch eine Pelotte rechtwinklig gebeugt, ebenso dttfech wiie zwei«? 
Pelotte die ISndjdiälangen. während Mittelhand viad' Vorderarm dni-eh zwei ttn 
oben wirkende Pekdteu verhindert werden, nach oben auszuwewhen. 

Soll die Hand im BauggetUß eine Beugung iui IlftiidgeJenk vbllführea, y 
«t -„«len» ’vwlfer die in Hg. .35 abgebildete Föm zu. geben. Hin HtaV 

muß daun In exakter Weise, sozusagen zwischen einer dorsalen und einer Volant. 
Schiene biugleiteud, die von uns beabsichtigte Bewegung uusföhren. Der flieh 
ante». flektierten Hand ist dadurch genügend: Bpieiramn gegeben, daß der Innen- 
Apparat durch passende Einlagen erhöht wird. 

Auch eine Hyperesteusio» im liaudgölenk ist ganz leicht zu bewerk* 
steliignu (Fig. 36). Hier beansprucht ^esöttäeigB Wert, die da? 

distal*? Ende des .Vorderarmes von oben iisiett. Die scfliräge Wandfläche, an 
welcher die Fingur uHmiUiüeh in die Höbe gleiten, wird durch eine von .seitlichen 
.'Strebepfeilern getragene Pelotte gebildet die mit: der sektortönnigen Unterlage, 
auf der der Vorderarm ruht durch ein den ^wlsetiinraum flbö'brflckeudea 
stück verbunden ist itml durch ein ebensolches «ach oben verlängertwird. Ei« 
Puffer hält, den Liiseiiappatfat' in gemigeüfiem Abstand von dem ßbd*ü fest. 
ao daß die Fingerspitzen sich nicht stoßen hörnten, und das Maß des- 
gefäßes ist. derart gevrfrtiH, daß der Apparat auch bei dieser Form hiüreiefcewlcti 
Platz hat. 

Über die Anwendung des Apparates fiige ich noch hinzu, daß ich ihm zu¬ 
nächst, bevor ich ihn in das BlasgeuUS ein führe,- diejenige Form ..erteile, • dir 4«'. 
betreffenden Haudgröße und. dem gewählten Eweck entspricht, ln dieser Steltoü 
wird er fei fixier-!., was eine sorgfitUfgc - Konstruktion in völlig zuvtiriä^Iger ub 4 
einwandfreier Weise, gestattet. Dann • ist die Wirkung, wie ich jetzt nach langer 
•ibräfttaig «un.. Oüife;^ iabsoh.it exakte. ; 



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Zur Behandlung von Handversteifhngen mit dem Bierschen Sangapparat. 553 


Auf genau dem gleichen Prinzip wie der eben geschilderte Apparat beruht 
eine zweite Vorrichtung, die ich zum Zwecke der Pro- und Supinations¬ 
bewegung im Sauggefäß, die bisher nicht möglich war, konstruiert habe. 1 ) 

Da die Hand im Saugapparat vorwärts bewegt wird, muß sie, wenn sie sich 
gleichzeitig drehen soll, was bei der Pro- und Supinationsbewegung verlangt wird, 
eine Schraubenbewegung ausführen. Diese Bedingung kann erfüllt werden, wenn man 
sich eines einfachen Apparates bedient (Fig. 37), der konzentrisch in dem Sauggefäß 
befestigt wird und der folgendermaßen eingerichtet ist: In einem zylindrischen 
Hohlraum, dessen Querdurchmesser der Dicke einer mittelstarken Hand entspricht, 
verläuft, unten vorn beginnend, nach links allmählich ansteigend und hinten oben 
endigend, eine Ebene von der Form eines Schraubenganges, welche der durch 
den Luftdruck hineingetriebenen Hand als Gleitbahn dient. Der kleine Finger 
bewegt sich dabei in einer besonderen Gleitfurche vorwärts. Entsprechend der 
Schraubenform der Gleitebene ist nun die vom unten in Pronation aufgesetzte 
rechte Hand oder die in Supination aufgesetzte linke Hand ebenfalls durchaus 
gezwungen, eine Schraubenbewegung, d. h. eine Supination resp. Pronation aus- 
zufuhren. 

Für die Pronation der rechten resp. Supination der linken Hand dient ein 
Apparat, in dem ceteris paribus die spiralförmige Gleitbahn in der rechten Hälfte 
des zylindrischen Hohlraumes verläuft. 

Ein unbehindertes Gleiten der Hand ist dadurch ermöglicht, daß die Wand¬ 
flächen aus glattpoliertem Stahl und abgerundet hergestellt sind. Die Hand wird 
vorher mit Vaseline eingerieben. 

Bier bezeichnet als den technisch vollkommensten von den Saugapparaten 
den Handapparat für Versteifungen der Finger und des Handgelenkes. In der 
Hoffaschen Klinik wird dieser in der.von mir angegebenen Form seit längerem 
nüt bestem Erfolge gebraucht. Wegen der günstigen Resultate, die wir bei den 
verschiedensten Arten von Versteifungen, namentlich bei den, jeder anderen Be¬ 
handlung trotzenden, traumatischen Fingerversteifungen erzielt haben, erscheinen 
uns die Bierschen Saugapparate, wenn sie in der geeigneten Weise ergänzt sind, 
als eine überaus wertvolle Bereicherang des orthopädischen Armentars. 2 ) 

l ) In der eben erschienenen zweiten Auflage der „Hyperämie als Heilmittel“ teilt Bier 
mit, daß Klapp den gleichen Zweck auf andere Weise erreicht hat. 

*) Die oben beschriebenen Apparate werden von dem Medizinischen Warenhaus, A. G.> 
Berlin N. 24 geliefert. 


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554 


Leop. Freund 


H. 

Eine Schutzvorrichtung für Radiotherapeuten. 1 ) 

Aus der Universitätsklinik des Herrn Professors Dr. E. Finger in Wien. 

Von 

Dr. Leop. Freund, Privatdozent 
in Wien. 

Die neueren Forschungen, welche den Einfluß der von den Vakuumröhren 
ausgehenden Strahlungen auf innere Organe feststellten, haben auch die Not¬ 
wendigkeit näher gerückt, Arzt und Patient vor etwaigen schädlichen Einwirkungen 
prolongierter Expositionen zu bewahren. Die bei der Behandlung kranker Per¬ 
sonen bisher üblichen Schutzvorkehrungen (Bleimasken etc.) haben sich zwar als 
ausreichend für den Patienten erwiesen; wenigstens ist bisher kein Fall bekannt 
geworden, bei dem eine zur Beseitigung irgendeiner krankhaften Affektion not¬ 
wendige Bestrahlung eine unzweifelhafte wesentliche Schädigung innerer Organe 
oder deren Funktionen herbeigeführt hätte. 

Anders verhält es sich bekanntlich bei den Ärzten und diesbezüglich scheinen 
jene Kollegen am meisten gelitten zu haben, welche sich bei der Radioskopie oft und 
lange ohne geeigneten Schutz einer direkten intensiven Strahlung ausgesetzt haben 
Aber auch die Ausübung der Radiotherapie ist, wie man jetzt weiß, mit Gefahren 
verbunden, und die Tatsache, daß selbst die durch große Distanzen geschwächte, 
den behandelnden Arzt treffende Strahlung bei der häufigen durch seine 
Tätigkeit herbeigeführten Exposition ernstliche organische Veränderungen und 
funktionelle Störungen verursachen kann, haben das lebhafte Bedürfnis [nach 
wirklich zuverlässigen, sicheren, dabei aber bequemen, die .Ärztliche Tätigkeit 
nicht hemmenden Schutzvorrichtungen rege gemacht. 

Auf die Art, wie man den Patienten zu schützen hat, will ich hier nicht 
näher eingehen. In weitem Umkreise um die zu bestrahlende Stelle vollständig 
dichte, flächenhafte Abdeckungen des Körpers mit Bleiplatten u. a. für Röntgen¬ 
licht undurchlässigen Materialien, dabei etwa noch zum Überflüsse gefensterte 
Bleikautschukkappen oder Bleiglashülsen, welche über die Röhre gestülpt werden, 
oder Röntgenröhren, welche bis auf ein kleines Fenster, das aus Normalglas 
besteht, ganz aus Bleiglas gegossen sind, reichen wohl vollständig zum Schutze 
des Patienten aus. 2 ) 

') Vortrag, gehalten auf dem I. Internationalen Kongreß für Physikotherapie in Lüttich 190S. 

2 ) Ich verwende zu diesen Zwecken mit Vorliebe das Emplastrum cinereum, welches sehr 
dick gestrichen oder in mehrfacher Schichte ein recht gutes Schutzmaterial gegen Röntgen- 
strahlen bildet, wie man sich mittelst dos Fluoreszenzschirmes überzeugen kann. Das Pfo> ,er 
schmiegt sich Vorsprüngen und Vertiefungen besser an als Bleiblech und eignet sich deshalb 
besonders als Schutzmaterial bei Bestrahlungen dos Gesichtes. Auch als billige und leichte 
Schutzkappe für die Röntgenröhre dienen mir mehrere übereinander geklebte große Stücke 
Quecksilberpflaster, in welche ich das entsprechende Loch schneide und dann auf die Röhre klebe. 


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Jiine SeH^?.vt^ehlias^ fiVr l&diotheiapeUtßii,. 


Eine vollkommen zweck^tsp^hende Schut.zvotköjBiTtng fiiv den Kadio- 
tlierapie betreibenden Arzt muß folgenden Pöstnlateu entspreche». 

1. Sie irmü seinen -ganzen Körper, picht inir einzelne IfeU« desselben sicher 
tor Schaden ‘bewahren; 

2. sie troß derart beschaffen. sein, if^|: sldffkm rijiö’BöüljRchtiing und die Knu¬ 
ts •.•{Je desexponierten Kranken ebenso wie jene der Apparate jederzeit vollkommen 
»»gehindert efiaßglfcht: 

3. sie amü. dein Arzte jederzeit . die Möglichkeit bieten, den Apparat zu 
tfgijliereit, ohne daß er dabei gezwungen wäre, auch nur den kleinsten Teil 
; ,'iivs Körpers für die kürzeste Zeit, der Strahlung zu exponieren; 

4. sie muß dem Arzte bei ausreichendem Schutze vollkommene Bewegungs- 
tjjul Alctionsfruhoit lassen. 

Fig. m. 








Als Vorrichtung» weiche allen diesen Forderungen vollkommen e.tttapHeht, 
'ynvendg ich eine Srfmizwaud, welche aus zwei 1,80 us langen und i m breiten, 

•';1 mu -dicken Bleiplatren sorgitiltig und genau beschlagenen .Holzplatten be- 
sind an einer langssettedurch ein Schaniiergeieuk verbunden 
•lud stehen gewöhnlich in rechtem Winkel zu einander; ein mit Bleibleoh ans* 
>-' hUg ft ßer. Falz an der ivelenkstetle, in welchem die beiden Teile ineinander 
«vpatft sind, verhindert» daß hier Strahlen austreter,.. Drei Fabrotlen embgltchen 
die leichte Bftwegjiehkeit, lii : derMitte jeder dieser ist in 

tiaer Hohe von 1,43 ;c«Ä elö : kleines Bleiglaüfeiister angebracht. Diese. Seimtz- 
Känd umgibt den Patienterb nicht wie 'dfc'S'gdltoft'.friilt#,:-Fött AU'er.a*Sehi)nltärg 
W'gege'f.ene V.öfriehtnng':' des Arzt. ln den hin men Winkel dev beiden Wände 
wird der Bctismiinngsstubl und das Rohreustativ samt, der Koto* iintevg ebraeht. 
itnreh ilk fenster kann 'man Päikiite» und Kohto ununterbrochen gut beofau’lileu 
»«ui kontrolliere», hat aber dabei volle Bewegung*- und Aklionsfreikeit: ntod ist 



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Leop. Freund, Eine Schutzvorrichtung fllr Radiotherapeuten. 


nicht gezwungen, an einem Orte zu verbleiben, wie dies in dem sonst ganz 
zweckmäßigen Bleischutzhänschen, welche Albers-Schönberg und Stegmann 
empfohlen haben, notwendig ist. 

Die Schutzwand verhindert, daß die Röntgenstrahlen mit Ausnahme des 
Raumes innerhalb der beiden Flächen irgendeinen Körper, der sich innerhalb 
Manneshöhe im übrigen Zimmer befindet, treffen und schützt demnach den ganzen 
Körper des Arztes, insolange sich dieser nicht in den von beiden Bleiplatten 
eingeschlossenen Raum begibt, so vollständig, als überhaupt Blei vor der Ein¬ 
wirkung der Röntgenstrahlen schützen kann. Sie schützt nicht nur einzelne Teile 
des Arztes, wie z. B. Bleischürzen, Bleihelme usw., welche überdies schwer und 
unbequem sind und das Aussehen des Arztes lächerlich machen. 

Damit ich nicht genötigt sei, meinen Körper beim Aus- und Einschalten des 
Apparates auch nur für Bruchteile von Sekunden den X-Strahlen zu exponieren, 
habe ich die Einrichtung getroffen, daß Anschlußdose D, Unterbrecher, Rheostat 
und Ausschalter U an einer Stelle der Zimmerwand, welche sich immer außer¬ 
halb des Bereiches der Strahlung befindet und mir gleichzeitig sehr bequem zur 
Hand liegt, postiert sind. 

Zunächst wird die mit einer gefensterten Quecksilberpflasterkappe verhüllte 
Röhre mit Skiameter auf ihre Qualität geprüft. Dann der Patient, entsprechend 
geschützt, auf den Stuhl gesetzt, die Röhre eingestellt, und nun begebe ich mich 
außerhalb des Schutzschirmes und schalte den Apparat ein. Seine Funktion ver¬ 
folge ich mit einem gelegentlichen Blick durch das Bleifenster der Schutzwand. 
Die übrige Zeit kann ich zu allen möglichen Aktionen im Zimmer verwenden. 
Sollte die Röhre nicht richtig funktionieren oder der Patient sich unruhig rer¬ 
halten oder dergleichen, dann schalte ich den Apparat — immer am TCaad- 
ausschalter — aus und mache Ordnung. Nie kommt es vor, daß ich bei 
funktionierendem Apparate in den Strahlungsbereich komme. Die Schutzwand 
hat auch den Vorteil, daß die Patienten mit ihr sehr zufrieden sind und sich in 
dem kleinen Kabinette, das sie bildet, sozusagen abgeschlossen von den Blicken 
der Außenwelt, recht behaglich fühlen. Ein weiterer Vorteil dieser Vorrichtung 
ist der, daß sie sehr billig ist, von jedem Tischler um einige Gulden leicht 
hergestellt werden kann, da sie nicht durch Patente geschützt ist, wie ver¬ 
schiedene radiologische Utensilien, welche gewissen „Erfindern“ auf Kosten der 
Kollegen materielle Vorteile bringen sollen, ein Mißbrauch, der leider von der 
Radiologie aus in die wissenschaftliche Medizin einzudringen beginnt. 


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Achert, Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten etc. 557 


III. 

Die physikalische Therapie 

der chronischen Herzkrankheiten in moderner Auffassung 
und unter epikritischer Beleuchtung. 

Von 

Dr. Achert in Bad Nauheim. 

Wenn irgend eine klinische Frage in unseren Tagen aktuell geworden nnd 
in den Brennpunkt ärztlichen Interesses gerückt ist, so ist es sicher die be¬ 
deutungsvolle Frage um die Herzkrankheiten. Wir stehen in der Praxis vor der 
ernsten und wohl zu erwägenden Tatsache einer auffälligen Zunahme in der 
Morbidität an Erkrankungen des Herzens und der Gefäße, und es ist auch kein 
bloßer Zufall, daß sich unter den Ärzten auf diesem Gebiete eine Regsamkeit zur 
Darbietung einer Abhilfe bemerkbar macht. Kaum ein anderes Organsystem läßt 
aber sinnfälliger die physiologischen Wirkungen physikalischer Heilfaktoren schauen 
als gerade der Herzgefäßapparat, gewissermaßen als ein demonstratio ad hominem. 
In Anbetracht dessen, daß in früheren Jahren so ziemlich alle offenen Kurorte 
sich ängstlich vor der Aufnahme herzleidender Kurgäste verschlossen — sah man 
doch über diesen armen Kranken das Damoklesschwert eines plötzlichen Todes 
zittern —, so muß ich behaupten, daß heute dies Verhältnis sich gerade um¬ 
gekehrt gestaltet. Gierig haschen alle nach Herzpatienten, besonders solche 
Badeorte, die ein paar Kohlensäurebläschen in ihrem Wasser haben. Dabei macht 
es fast den Eindruck, als ob diese Lüsternheit und diese Jagd nach Herzpatienten 
verursacht wäre durch den wirtschaftlichen Aufschwung des Bades Nauheim, das 
vor ein paar Lustren noch wenig gekannt war und ein bescheidenes Dasein 
fristete. Auf der Reklametafel so vieler Bäder prangt jetzt stolz die Heilanzeige: 
Herzkrankheiten. 

Wie wohltuend wirkt es auf den Beobachter, wenn er die Entwicklung 
Nauheims verfolgt, wie es sich aus ganz kleinen Anfängen mächtig empor¬ 
geschwungen hat, wie es an die Spitze aller C0 2 - haltigen und Sole führenden 
Bäder gestellt ist, wohltuend gerade auch dann, wenn man damit vergleicht, wie 
sich in klangvollen Emphasen nnd in lärmenden Triumphen die Serumtherapie 
auf den Kongressen beispiellos gefällt. 

Doch zurück nun zur physikalischen Therapie, einer Schöpfung der modernen 
Medizin der Gegenwart. Aus dem Nihilismus und aus dem negierenden Verhalten 
der alten Schule herausgewachsen, hat sie sich heute eine Achtung gebietende, 
da wir wegen Unbescheidenheit nicht sagen möchten, eine herrschende Stellung 
errungen. Dazu aber hat ihr kein Geringerer verholfen als der erste innere 
Kliniker in Berlin, Ernst von Leyden, dem sie geworden ist zu einem monu- 


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Achert 


mentum aere perennius. — Heißen Dank schuldet ihm dafür die Ärztewelt, und 
die nicht arzneiliche Therapie ist ein goldenes Ruhmesblatt in seinem 
Lorbeerkranz. SchützeDd und verteidigend hält er sein Ägisschild über den 
physikalischen Heilmethoden, wehrt die unberechtigten Angriffe auf sie ab and 
begünstigt deren Anwendung durch die autoritative Macht seiner Persönlichkeit, 
Im hohen Fluge seiner Gedanken, seinen träge dahinlebenden Zeitgenossen weit 
vorauseilend, hat er sich frühzeitig in seinem Leben emporgehoben, um sich auch 
an den reifen Früchten seiner genialen Lebensarbeit noch erfreuen und sie 
genießen zu können. Die Vertiefung der speziellen Pathologie und Therapie der 
Krankheiten des Herzens nnd der Blutgefäße ist seine und seiner Schule Lieblings¬ 
arbeit, nicht einseitig die theoretische Seite der diagnostischen Kunst betreffend, 
sondern auch die Praxis der Therapie fördernd als ein Meister der Medizin. 

Der Leipziger Polikliniker Friedrich Albin Hoffmann hatte in seinem 
Lehrbuch der allgemeinen Therapie wohl zum ersten Male ausgesprochen und 
betont, daß es bei jeglicher Therapie zwei divergierende Richtungen gäbe, nämlich 
Schonung und Übung erkrankter Organe, und er erlebte bald das Glück, daß 
diese neue und logische Auffassung rasch allseits nachempfunden wurde und un¬ 
geteilten Beifall fand. Dieser Tatsache können auch wir uns nicht verschließen 
und werden anheben bei der Revue über die verschiedenartigen Faktoren des 
physikalischen Heilschatzes mit den herzübenden Methoden. 

Terrainkur ist vielleicht die älteste, sicher aber die bekannteste. Es war 
zwar nicht Orteis ureigenster Gedanke, der ihn veranlaßte, durch methodisches 
Gehen in der Ebene und dann mit allmählichen Steigungen die Herzbeschwerden 
seiner Patienten zu beheben; die Grundidee dazu stammt von einem ganz 
anderen, nämlich von dem größten Kliniker Schottlands seiner Zeit: von 
Stokes; dieser forderte wohl zum ersten Male Kranke auf, in dem mit Nato- 
reizen über alle Maßen ausgestatteten schottischen Berg- und Hochland dnrch 
„Steigen“ in den Bergen das kranke Herz zu kräftigen. Im großen und 
ganzen überließ, er es aber jedem einzelnen, dieser seiner therapeutischen 
Empfehlung nach eigenem Gutdünken zu gehorchen. Ortei war eifrig dahinter 
her und konstruierte, auf dem Stokesschen Gedanken fußend, eine eigene 
therapeutische Methode, die Terrainkur. Er zog selbst mit seinen Patienten nach 
dem lieblichen Meran und schuf dort einen Terrainkurort, der allen andern später 
zum Vorbild dienen sollte. Das an Naturschönheiten nicht verkürzte Tirolerland 
und die nächste Umgebung von Meran gab wie geschaffen ein natürliches „Kletter¬ 
gerüst“ ab, auf dem das geschwächte Herz sich stärken sollte. Schon auf den 
ersten Blick hin erkennt man, daß dieses therapeutische Unternehmen einen 
schweren Eingriff darstellt, der nicht eben leicht zu überblicken ist, und daß 
dieses Kurverfahren von einschneidendster Bedeutung ist für den ganzen Körper¬ 
haushalt und nicht nur für das Kreislaufsystem, dem es ursprünglich allein galt. 
Als besonders geeignet wurden solche Patienten ausgesucht,. die an allgemeiner 
Fettsucht und an der sie begleitenden Plethora abdominalis litten und die Herz¬ 
beschwerden Fettleibiger zeigten. Ferner wurden die ausgewählt, die ihr Gefä߬ 
system überschwemmt hatten mit alkoholreichen Flüssigkeitsmengen und die Lmk- 
konsumption getrieben hatten. Sodann halte ich solche Individuen für sehr 
geeignet zur Terrainkur, die eine Hypoplasie des Herzens und des Gefäßsystems 


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Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten etc. 


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zeigen, also jene anatomisch-pathologische Hemmungsbildnng, die die Träger 
chlorotisch nnd anämisch macht. Wenn anch die Terrainkor in den letzten 
Jahren obsolet geworden ist nnd vor neueren und mächtigeren Heilfaktoren zurück¬ 
weichen mußte, so wird sie doch noch bei scharfer Indikationsstellung all ihre 
Rechte behaupten können, die ihr der Erfinder zuschrieb. 

Ein anderes natürliches Heilmittel, das in unseren Tagen sehr an Ansehen 
gewann, ist die Mechanotherapie, die sich znsammensetzt ans Heilgymnastik 
nnd Massage. Die Gymnastik ist wohl so uralt wie irgend eine menschliche 
Kultur. Im fernen Osten, wo die Wiege so mancher kulturellen Errungenschaft 
stand, ist auch sie zu Hanse nnd kam von dort zu nns herüber. Erst im Norden 
Europas, in Schweden Wurzel schlagend, hat sie sich zu einem mächtigen Banme 
ausgewachsen, der die bewohnten Länder unserer Erde alle nun beschattet. Zu¬ 
erst wurde sie vielfach angewandt als manuelle Gymnastik, von einem geschulten 
Gymnasten appliziert; heutzutage wird dieselbe Arbeit, die man früher einem 
Gymnasten aufbürdete, Maschinen übertragen, die man eigens dazu konstruierte, 
und es stehen sich zwei große Systeme feindlich gegenüber, das ältere, das von 
Zander in Stockholm und das jüngere, das von Max Herz in Wien. 

Während passive und auch aktive gymnastische Übungen den Körper nicht 
weiter angreifen können, so bedeutet die Widerstandsbewegung eine viel gefähr¬ 
lichere, ja in ungeeigneten Fällen angewandt sogar eine lebensbedrohende Methode. 
Der Angelpunkt aller solcher Bewegungsarten liegt in der Dosierbarkeit, und 
wenn man einer von beiden, der manuellen oder der maschinellen Methode, das 
größere Vertrauen der exakten Dosierbarkeit schenken darf, so ist es sicher der 
maschinellen, denn es ist möglich, dabei den Widerstand nach den niedersten 
Gewichtseinheiten an den Apparaten einzustellen, während man nur selten einen 
Gymnasten finden wird, der den einmal gegebenen Widerstand im Gedächtnis 
behalten kann und denselben ebenso wie zuvor noch einmal zu applizieren im¬ 
stande ist. Damit ist die Veraltung der manuellen Behandlung schon in sich 
selbst gelegt. Soviel über die Übung in der Herztherapeutik. 

Den Übergang zur Schonung vermittelt am besten die Massage. Als 
allgemeine Massage in Form von Effleurage der Haut, der Petrissage der Mus¬ 
kulatur des Skelettes, haben wir dem Patienten angenehme und wohltuende 
Prozeduren vor uns, die geeignet sind, die Zirkulation in der Peripherie anzuregen, 
im Innern des Körpers, in den großen Unterleibsdrüsen und in den Darmgefäßen 
bis zur Goldader hinab gestautes Blut abzuleiten und so entlastend zu wirken auf 
das Zentralorgan der Zirkulation, das Herz. Auch das Herz als solches wird 
direkt zum Gegenstand einer Organmassage benützt, die man mit der stilistisch 
mißratenen Vokabel „Vibrationsmassage“ ein tvdiaövoiv benennt, und die wir 
in der jüngsten Zeit mehr und mehr kennen und schätzen gelernt haben, v. Leyden 
ist ebenfalls ein Anhänger dieser Behandlungsform, welche sich dadurch vorteilhaft 
auszeichnet, daß sie die Herztätigkeit verlangsamt und die Blutzirkulation hebt. 
Es gibt nämlich unter sämtlichen Massagehandgriffen nur zwei: das Tapotement 
und die Vibration, die es ermöglichen, ein so tief liegendes und sicher gebettetes 
Organ wie das Herz in den Bereich seiner Wirkungen mit einzubeziehen. Ich 
selbst habe seit nunmehr sechs Jahren mich speziell damit beschäftigt, diese 
eigenartige nnd von allen anderen abweichende Form der Behandlung in die Herz- 


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Achert 


therapie einzuführen und ihre Stellung zu begründen und zu befestigen. Ich 
hatte dabei auch die Erfahrung älterer Autoren mit herangezogen und im Verein 
mit diesen eine Methode der Anwendung und einen Indikationskreis geschaffen. 
Gestattet sei mir deshalb, daß ich meine Erfahrungen auch darüber vorlege, damit 
man sich ein Urteil selbst bilden kann. Die Hilfsmittel, die dazu nötig sind, 
bestehen aus einem Elektromotor, am besten von einer elektrischen zentralen 
Kraftquelle gespeist, mit einer biegsamen Welle und mit geeigneten Ansatzstücken 
versehen, darunter eine besondere Herzpelotte, die ich eigens dazu konstruieren 
ließ nach meiner eigenen Angabe. Die Anwendung selbst geschieht durch Auf- 
setzen des Handstückes entweder sternal oder kostal, je nach der zu erfüllenden 
Indikation, ob man mehr nur den rechten oder mehr den linken Ventrikel be¬ 
einflussen will. Dann läßt man wohl auch ab und zu kreisförmige Streichungen 
um die Mammilla als Mittelpunkt folgen, ohne besonders jedoch bei Frauen die 
Mamma selbst zu berühren. Den üblichen Schluß bildet ein Tapotement des 
ganzen Herzens. In vorsichtiger und geübter Weise ausgeführt, kann diese 
Methode nie Schaden bringen, im Gegenteil, sie hatte stets zur Folge eine sub¬ 
jektive Erleichterung des Patienten in bezug auf Atemnot und Herzklopfen. Nach 
mehrmaliger und vorsichtiger Wiederholung konstatieren wir folgenden objektiven 
Befund der Herzfunktion: 

1. Abnahme der pathologisch gesteigerten Pulsfrequenz. 

2. Steigerung des daniederliegenden Blutdruckes. 

3. Vertiefung und Verlangsamung der Respiration. 

Bevor ich noch über die somatischen Substrate spreche, die sich verwert« 
lassen für den Aufbau einer Hypothese der Wirkungsweise dieser instrumentel!« 
Vibrationstherapie, — besser gesagt, als das andere Wort, denn sie hat sich 
ja bereits aus dem Rahmen der Massage herausgehoben und ist selbständig ge¬ 
worden, — möchte ich gern die Stellung dieser mechanischen Behandlungsmethode 
in Kürze präzisieren. Dieselbe nimmt nämlich eine Mittelstellung ein zwischen 
der manuellen Vibration und der maschinellen Erschütterung mit mediko-mechanischen 
Apparaten. Die von schwedischen Gymnasten geübte Vibration vermittelst der 
Hand ist selbstverständlich gebunden an die Kraft und Virtuosität des Masseurs, 
während die Apparatotherapie sich besonderer Maschinen bedient, die auf die zu 
behandelnden Organe einzuwirken suchen. Da nun die manuelle Methode, abhängig 
von der jeweiligen Disposition, oft nur allzu oberflächlich und deshalb unzulänglich 
wirkt, die zu diesem Zwecke gebauten Maschinen der mediko-mechanischen Institute 
aber zu grob arbeiten, so ist in der Einführung der biegsamen Welle ein Faktor 
geschaffen, der die Nachteile beider zu umgehen bestrebt ist. Als treibende Kräfte 
sind früher Hand- und Fußmotore gebräuchlich gewesen, in neuster Zeit sind 
Elektromotore verwendet worden, die durch gleichmäßige und genau dosierbare 
Arbeitsleistungen ausgezeichnet sind. 

Was die physiologische Wirkung anlangt, so ist im weiteren Sinne eine 
Hebung der Zirkulation die Folge der Vibration, und zwar eine Anregung auf 
dem Gebiete der arteriellen Bahn, eine Beförderung des venösen Abflusses oni 
eine Fortschaffung der Lymphe und der Gewebssäfte in den Saftkanälen. Auch 
auf die Nervenverzweigungen und Nervenstämme wirkt die Vibration mechanisch 
ein durch die Fortschaffung der Endprodukte des Nervenstoffwechsels. In be- 


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Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten etc. 

stimmt er Weise also wirkt die Vibration auf die Tätigkeit des Herzens ein, wie 
oben gehört. Der Vibration folgt eine arterielle Hyperämie auf dem Fuße nach, 
was der Patient als Wärmegefiihl empfindet. Dann ist noch die schmerzstillende 
Wirkung und der belebende Einfluß auf ermüdete Muskeln hervorzuheben. Die 
Vibration und das Tapotement, auch die „Digitalis der Gymnastik“ genannt, 
gehören also zu den mechanischen Reizmitteln, die wir aus der Experimental¬ 
physiologie her noch kennen. Von außen auf das Herz ausgeübter Druck bewirkt 
eine Beschleunigung der Herzaktion. Auch beim Menschen hatte ein leichter 
Druck auf die Atrioventrikulargrenze eine zweite, kürzere Kontraktion beider 
Ventrikel nach jedem Herzschlage zur Folge, wie von Ziemssen an einer Patientin 
beobachten konnte, die eine angeborene breitklaffende Stemalfissur hatte, durch 
welche hindurch das Herz bequem palpiert werden konnte. Starker Druck erzeugte 
ein unregelmäßiges Gewoge der Muskulatur, wie man es hervorbringen kann, 
wenn man das herausgenommene Herz des Warmblüters zwischen den Fingern 
komprimiert. Das bereits ruhende, aber noch reizempfangliche Herz wird durch 
mechanischen Impuls zu einer Kontraktion angeregt. 

Diese Bemerkungen mußte ich vorausschicken mit Rücksicht auf die moderne 
Lehre des Berliner Physiologen Engelmann über die Automatie des Herzens. 
Für uns ist es aber auch ferner wichtig, festzustellen, daß das Herz nicht allein 
auf seine motorische Automatie beschränkt ist, sondern eben auch unter der Herr¬ 
schaft von Nerven steht, die von außen her an dasselbe herantreten und in der 
Herzmechanik eine große Rolle spielen. Ich meine den Plexus cardiacus, der 
gebildet wird aus dem Rami cardiaci des Nervus vagus-Stammes und aus den Rami 
cardiaci des Nervus sympathicus. Dabei darf nicht vergessen werden, daß der 
Vagus sensible Nervenelemente besitzt, und daß er der ausgesprochen 
trophische Nerv des Herzens ist. 

Durch die Vibration findet also eine mechanische Reizung des muskulösen 
Teils des zirkulatorischen Zentralorgans statt, es wird aber auch der nervös, 
Apparat tangiert, und zwar ist sie wohl imstande, Vagusströmungen auszulösene 
die wir supponieren müssen, wenn wir uns eine Erklärung verschaffen wollen. 
Unter diesen Voraussetzungen können wir also mit Fug und Recht von einer 
Vagus-Bahnung sprechen. 

Während nun das normale Herz nach einer beliebig großen Arbeits- 
«inforderung mit dem Phänomen der Herzerholung antwortet, d. h. mit Puls- 
"verlangsamung nach voraufgegangener Pulsvermehrung, ferner mit einem meßbaren 
Anstieg des Blutdrucks nach vorher bestandenem, niedererem Drucke und, was 
auch äußerlich sichtbar und objektiv wahrnehmbar ist, mit Vertiefung und Ver¬ 
langsamung der Respiration, so verrät sich das erkrankte Herz durch das patho¬ 
logische Phäuomen der Herzerregung. Dieses kann ja die über seine Arbeits¬ 
grenze geforderte Mehrleistung nicht mehr decken mit einer noch mehr 
gesteigerten Pulsfrequenz, die ja bei ihm so wie so schon bereits gesteigert war, 
sondern es muß verfallen in den Zustand, den die alten Ärzte wohl schon kannten 
hud mit Recht treffend als Delirium cordis bezeichneten. Die verschiedenen 
Stadien der gestörten Herzfunktion lassen sich also umfassen von diesen beiden 
Idolen, der Herzerholung und der Herzerregung. Je näher sie auf der Breite der 
Kompensationsstörung dem Pole der Erholung liegen, desto günstiger wird die 

Zeitschr. f. diät. n. physik. Therapie Bd. IX. Heft 10. 38 


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562 Achert 


Prognose quoad sanationem et quoad restitutionem ad integrum; je mehr sie aber 
dem Pole der Erregung sich nähern, desto ungünstiger wird die Besserung oder 
gar die Heilung sich gestalten. 

Im Anschluß an diese Tatsachen müssen wir die Betrachtung auknüpfen, in¬ 
wieweit wir überhaupt noch mit physikalischen Heilagentien oder auch mit Drogen 
aus der Offizin imstande sein werden, Herzkrankheiten therapeutisch zu beeinflussen. 
Wir können nur dann noch etwas therapeutisch leisten am erkrankten Organ, 
wenn wir bei der Funktionsprüfung dieses Organs, also in unserem Falle des 
Herzens, den positiven Ausschlag eben der Herzerholung konstatieren konnten. 
Über jeglicher Form der Therapie steht also als Kriterium und vornehmste Signal¬ 
station die funktionelle Prüfung der Herzkraft. 

Es ist das unleugbare Verdienst einiger Nauheimer Ärzte, nicht nur in der 
Herztherapie, sagen wir besonders in der physikalischen resp. Balneotherapie der 
chronischen Herzleiden, bahnbrechend gearbeitet zu haben, sondern was noch viel 
wichtiger ist, eine diagnostische Methode gefunden und ausgebaut zu haben, die 
hoch über der ganzen physikalischen Diagnostik steht, die man schlechthin kennt, 
ich meine die verfeinerte Funktionsprüfung des Herzens, die besteht in der 
mechanischen Prüfung und Beurteilung der Herzleistung durch Muskelarbeit am 
Ergometer. Es soll ja nicht das Verdienst Gräupners übergangen werden, der 
diese Untersuchung in Nauheim inauguriert hat; er hat vor mehreren Jahren 
schon damit begonnen, Patienten funktionell zu untersuchen, und ich selbst habe 
mich von der Brauchbarkeit dieser Untersuchungsart gemeinsam mit ihm über¬ 
zeugen können. Die einfachste und ursprünglichste Anwendungsweise, aber im 
ganzen noch roh, ist die, den Blutdruck und die Pulsfrequenz zu beobachten im 
Liegen, Sitzen und Stehen, dann etwa nach Hantelübungen, Treppensteigen. Be¬ 
obachtungen, die sich ja auch schon zur Prognose verwerten ließen, aber kein? 
festen Anhaltspunkte abgaben. 

Dann zog man als Arbeitsgeber den Ergostat von Gärtner heran, der sich 
aber zu diesem Zwecke als ein unvollkommenes und für feinere Untersuchungen 
als ein unbrauchbares Instrument erwies. Erst durch die ausschließliche Ver¬ 
wendung des Bremsergometers von Zuntz hat man befriedigende Resultate, die 
guten Aufschluß geben, erhalten. Was können wir nun für das Wohl und Wehe 
des Patienten mit der Funktionsprüfung diagnostisch und prognostisch leisten? 
Wir können im voraus bei einiger Erfahrung bestimmen, ob an dem betreffenden 
Kranken überhaupt noch eine physikalische Kur angewendet werden darf, und 
fällt diese Frage bejahend aus und sind also voraussichtlich noch so viel Reserve¬ 
kräfte, die in jedem Organe schlummern, in dem erkrankten Organismus vorhanden, 
so darf man es füglich wagen, dieselben zu neuem, biologischem Leben wieder 
anzufachen, ohne Gefahr zu laufen, daß man das letzte mit erschöpft, was von 
Natur aus darein gelegt war. Ist dagegen das physiologische Erlöschen der 
vitalen Energie durch diese mathematisch präzisierte Prüfung erkannt, so kann 
man es einem solchen armen Menschen ersparen, vollends mit Kuren und Tortnren 
sich vergeblich noch zu plagen. Ist aber eine Kur einmal begonnen, so sind wir 
imstande, aus den gewonnenen Resultaten der etwa wöchentlich angestelltcc 
Funktionsprüfling wie aus einer Zahlenreihe die sich hebende Kraft des Herzeus 
und damit des ganzen Körpers abzulesen und dem Patienten zu seiner größten 


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Die physikalische Therapie (1er chronischen Herzkrankheiten etc. 563 

Beruhigung vorzulegen. Hier erübrigt es noch, ein paar Worte über das kon¬ 
stitutionelle Moment einzuflechten. Die tägliche Erfahrung des Arztes lehrt es, 
daß manche Individuen dieselbe körperliche und geistige Anstrengung verschieden 
gut vertragen, daß also manche eine auffallende Widerstandsschwäche für Insulte 
verraten, die andere wieder spielend überwinden. Das Rätsel dieser Frage liegt 
in der Konstitution des Menschen, die bei vielen von Haus aus gut, bei den 
meisten Kulturmenschen aber doch als unzulänglich sich erweist für die steigenden 
Anforderungen des täglichen Lebens, des Kampfes um die Daseinsberechtigung. 
Aus dieser diagnostischen und philosophischen Abschweifung nach dem Gebiete 
der Teleologie hin wieder zur Therapie zurückkehrend, muß ich es also als eine 
kunstgerechte Herbeiführung der Herzerholung und damit auch der Herzschonung 
bezeichnen, wenn wir imstande sind durch die Nauheimer Mineralbäder und durch 
äußere Massagehandgriffe, Vibration und Tapotement, die tachykardische Hast 
des in seiner Insuffizienz sich abmülienden Herzens zu bremsen und somit oft 
dem Herzen in der Minute bei einer Pulsfrequenz von 90, 100, 120 und 140 
Schlägen etwa 10, 20, 30 und 40 Schläge zu ersparen, was, auf eine Stunde und 
auf einen ganzen Tag berechnet, schon vielstellige Zahlen liefert. 

Den Einfluß auf die Pulsfrequenz nun kann man sich durch einen bahnenden 
Einfluß auf den Nervus vagus erklären, entweder so, daß die hemmenden 
Fasern direkt gereizt werden, oder so, daß Nervenströmungen im Vagusstamme, 
wo den sensiblen Endigungen ausgehend, erregt zentripetal fortgeleitet, dann 
umgesetzt werden und so erst in die hemmenden Fasern einströmen. 

Die Steigerung des Blutdruckes ferner ist der Ausdruck der Tonisierung 
'les Herzmuskels, welcher in seiner Arbeitsleistung gefordert wurde. 

Die Vertiefung und Verlangsamung der Respiration ist sodann eine Folge 
der eingeleiteten Herzerholung, denn bei vermehrter Herzarbeit würde eine Häufung 
der Atemzüge und oberflächliches Atmen erfolgt sein. 

Was nun die unangenehmen Sensationen in der Herzgegend anbetrifft, wie 
bppressionsgefühl, Schmerzen in der Herzgegend, ausstrahlend bis in die Schulter 
und bis in den linken, ja sogar in den rechten Arm, so werden diese meistenteils 
beseitigt. Es ist dieses schonende Verfahren aber durchaus keine Panacee, bei 
«eitern nicht alle Erkrankungsfonnen reagieren darauf. Es eignen sich nach 
meinen bisherigen Beobachtungen vor allem dafür die chronischen Krankheiten 
des Herzmuskels, also die Myokarditis in frühen Stadien, die Fettum- und Durch¬ 
wachsung des Herzens, Mastfettherz also, die Fälle von Überanstrengung des 
Herzens nach Sportsübungen, Radfahren, Bergsteigen, Ringen, Geräteturnen, Fuß- 
ball, Rudern, die Intoxikation nach Abusus nicotianae tabacum und durch den 
gewohnheitsmäßigen Mißbrauch von Alkohol, Morphium und Derivate und Kokain, 
die Dilatationen bei Herzmuskelschwäche und das ganze Heer der nervösen 
Störungen des Herzens. Die Dauer einer solchen Kur muß sich natürlich auf 
mehrere Wochen erstrecken,’ denn es handelt sich offenbar hier, wie oben entwickelt, 
um eine Bahnungstherapie, die sich abspielt im Gebiet des Nervus Vagus. 

Auf der weiteren Suche nach schonenden Heilmethoden finden wir die beidfiu 
gewaltigsten unter den physikalischen Heilfaktoren. Balneotherapie und Hydro- 
Ujprapie. Folgende physiologische Voraussetzungen mögen zum Verständnis dieser 
beiden beitragen. Bei der Zirkulation handelt es sich darum, daß eine gegebene 

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564 Ackert 


Blntmenge in einer bestimmten Zeit durch jeden Gesamtquerschnitt des Gefä߬ 
systems geht. Als Triebkräfte dazu dienen: 

1. Die Kontraktion des Herzens. 

2. Die Elastizität der Gefäße, die bei jedem Herzschlag einen Teil seiner 
Arbeit vermöge ihrer Ausdehnung aufsammeln und erst allmählich durch 
die folgende Zusammenziehung in Strömungsarbeit umsetzen. Dadurch 
wird die Strömung beinahe eine kontinuierliche. 

Diese beiden Triebkräfte — des Herzens und der Gefäße — verbrauchen 
sich längs der Blutbahn durch die Widerstände, die bestehen in der eigenen Träg¬ 
heit der Blutsäule, der Reibung an der Gefäßwand und diejenigen ihrer einzelnen 
Schichten untereinander. Die Größe des Blutdruckes hängt von derjenigen der 
treibenden Kräfte und derjenigen der Widerstände ab. 

Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Faktoren kann daher eine Störung 
erfahren: 1. Durch Verminderung der Triebkraft, und dies wiederum kann beruhen 
in Schwäche des Herzens oder in Elastizitätsverlust der Arterienwände. 2. Durch 
Erhöhung der Widerstände wie bei Klappenfehlern und Verengerungen der Gefäße. 

3. Endlich durch Erhöhung der Viskosität des Blutes. 

Bei der Bekämpfung solcher pathologischen Zustände am Zirkulationsapparat 
kommt es also darauf an, einerseits die gesunkene Triebkraft wieder auf die 
Norm herauf zu heben durch Vergrößerung des Schlagvolumens der Herzkammern 
und durch Herstellung des normalen arteriellen Tonus, weun derselbe vermindert war. 
andererseits aber die peripheren Widerstände herabzusetzen. Dies letztere läßt sie!, 
natürlich nur an den Gefäßen erreichen, und zwar durch Erweiterung der Kapillar« 
und Lösung von Arteriospasmus, wo solcher bestand, etwa durch Kreisen von Töiia« 
im Blute selbst. Die durch Klappenfehler bedingten Widerstände können wir natür¬ 
lich nicht direkt beeinflussen, da wir das Vitium als solches nie beseitigen können. 

Alle Mittel, welche diese Bedingungen erfüllen, können wir bei der Be¬ 
kämpfung von Zirkulationsstörungen zu Rate ziehen. Durch die chemischen 
Komponenten der Materia medica lassen sich sämtliche geforderten Wirkungen 
erreichen, und wir können derselben namentlich dort nicht entraten, wo solche 
intensive Beeinflussung des Herzens und Gefäßsystemes not tut. Haben wir aber 
die Wahl, so geben wir den physikalischen Mitteln den Vorzug, teils wegen der 
günstigen Beeinflussung der Konstitution, die sie im Gefolge haben, teils weil 
sich unvergleichlich dauerhaftere Wirkungen durch sie erzielen lassen. 

Die Balneotherapie als die systematische Behandlung mit Mineralbädem 
haben wir nun im Anschluß an diese theoretischen Auseinandersetzungen noch 
einer eingehenden Würdigung zu unterziehen. Ich muß hier ausdrücklich erwähnen 
und hervorheben, daß es ein akademischer Lehrer zu Marburg war, der in den 
von einer gütigen Natur reichlich gespendeten Heilmitteln der Nauheimer Mineral¬ 
quellen das zuerst fand, was dort zu suchen war. 

Dr. Friedrich Wilhelm Beneke, ordent. öffentl. Professor an der medizi¬ 
nischen Fakultät der Universität Marburg, war der Autor jenes Standardwertes 
„Über Nauheims Solthermen und deren Wirkung auf den gesunden und kranken 
menschlichen Organismus“, ein Buch, das die wissenschaftliche Bedeutung von 
Bad Nauheim gewissermaßen heraufbeschwor. Ich meine, wenn ein Kurort eiien 
Arzt sein eigen nennen darf, wie Beneke es war, und wenn eine Autorität wie 


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Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten etc. 565 

jener seine gewichtige Stimme in Wort und Schrift erhob für ein Heilverfahren, 
das damals unbekannt und ungeahnt noch war, so müssen wir uns unwillkürlich 
an die Tatsache erinnern, daß die Zukunft ihre verheißungsvollen Schatten voraus¬ 
wirft. Aus seinem Buche, in dem er zum ersten Male in ausführlicher Weise und 
in eingehender wissenschaftlicher Art den Nauheimer Heilapparat, so wie er da¬ 
mals sich schon darbot, beschreibt und diese seine Schilderung belegt mit Ver¬ 
suchen am lebenden Menschen, so möchte ich mir erlauben, auf diese literarische 
Tatsache hinzuweisen, weil andere dieses Verdienst heutzutage gern für sich in An¬ 
spruch nehmen möchten und deshalb die Priorität Benekes, die ein für allemal zu 
Hecht besteht, verschleiern, um sich auch so an der Begründung der Nauheimer 
Kur als nicht unbeteiligt zu zeigen. 

Die Nauheimer Mineralbäder sind ausgezeichnet durch eine Naturwärme, 
die den Indifferenzpunkt weit überschreitet; sie stellen ferner die in der Natur 
selten vorkommende Chlorsole dar, im diametralen Gegensatz zu den Sulfat¬ 
solen, die viel häufiger sind und deshalb nichts besonderes bedeuten; in dieser 
Nauheimer Chlorsole ebenso wie in der hierzu gehörigen Nauheimer Mutter¬ 
lauge haben wir einen wertvollen Bestandteil mehr darin, nämlich einen hohen 
Prozentsatz des therapeutisch unersetzlichen Chlorkalziums, neben viel 
i'hlomatrium (40 g Chlorkalzium in 100 g Mutterlauge). Sodann ist diese Sole 
>tark eisenhaltig, was ich im Hinblick auf die sich jetzt brüstenden Eisenwässer 
sagen muß, obgleich wir auf das Fe kein allzu großes Gewicht mehr legen dürfen. 

Schließlich wird als eines der hervorragendsten Badeingredientien die 
Kohlensäure von den meisten geschätzt. C0 2 , mit einem Mineralwasser ge¬ 
mischt, wie die Chlorkalzium-Chlorsole es ist, im Ueberschuß vorhanden, die als 
labile C0 2 , aus dem Ueberdruck der dem Erdinnern entsteigenden Sprudelwässer 
frei wird und perlt, ist an und für sich ein seltenes Naturereignis. Offene Sprudel- 
Huellen, wie Islands Geysir, der Mutter Erde entfliehend, sind Naturschönheiten 
und Naturseltenheiten. 

Radium und Radioaktivität sind in den drei ausschließlich zu Badezwecken 
benutzten Sprudelquellen in hohem Maße nachgewiesen, ebenso in den bedeutungs¬ 
losen Trinkquellen. 

Bei den kohlensäurereichen Thermalsolbädern treten durch die Reizung der 
sensiblen Hautnervenendigungen (Papilla nervosa cutis, Vater — Pacinische 
Körperchen) infolge der thermischen und chemischen Eigenschaften dieser Mineral- 
badewässer reflektorische Einflüsse auf die Zentren der Herz- und vasomatorischen 
Nerven ein, welche eine Verbesserung des Schlag Volumens des Herzens und Hebung des 
arteriellen Tonus mit konsekutiver Blutdruckerhöhung bedingen. War der Blut¬ 
druck zuvor schon abnorm hoch, so sehen wir ihn gewöhnlich heruntergehen, und 
dies erklärt sich aus der Wirkung dieser Bäder auf die Hautkapillaren, wie folgt: 
sie haben bekanntlich die wertvolle Eigenschaft, durch Erweiterung des Kapillar- 
svstems der Haut periphere Widerstände herabzusetzen, das Blut nach außen 
abzuleiten und so die Geschwindigkeit der Strömung zu erhöhen. Denn diese 
wächst für je eine bestimme Bahnstrecke mit der Differenz der Größe einerseits, 
der Triebkraft am Anfang und andererseits der Widersprüche am Ende der ge¬ 
gebenen Strecke. Daher kommt es auch, daß diese Bäder in Fällen exzessiv 
hohen Blutdruckes ihn herabsetzen, während sie ihn sonst a priori steigern 


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566 Achert, Die physikalische Therapie der chronischen Herzkrankheiten etc. 


müßten. Es erklärt sich dieser scheinbare Dualismus so, daß die Verlangsamung 
der Strömung bei Herzleiden und die damit zusammenhängende Alteration der 
Blutbeschaffenheit im Sinne einer CO a -Anhäufung im Blut einen Reiz ausüben, der 
zur Kontraktion der Gefäße führt. Bei der Art, wie die Nauheimer Bäder die 
Zirkulation durch Erweiterung der Kapillaren erleichtern, wird dieser Reiz be¬ 
seitigt, der Spasmus löst sich und der Blutdruck sinkt. Es steigt also gewisser¬ 
maßen die passagere Erweiterung des Gefäßvolumens wie eine Welle aufwärts, 
beginnend in den feinsten Kapillargefäßen des Integumentes, weiter durch die 
immer größer werdenden Gefäße hinauf zu den großkalibrigen Hauptgefäßen. Dies 
wäre die organische Erscheinung der sogen. Reaktion. 

Deshalb muß Badeform, chemische Zusammensetzung des Bades, Zeitdauer. 
Temperatur genau vom Badearzte angeordnet werden, um diese Reaktion, die die 
Heilungsversuche einleitet, zu erhalten. 

Die Hydrotherapie verfügt über keine so machtvollen Reizeffekte, wie ihre 
aristokratische Schwester, sie muß sich mit bescheideneren Hilfsmitteln begnügen, 
die vielleicht in leichten Fällen auch schon genügen können. 

Die Tatsache vieltansendfältiger Erfolge an den Sprudelquellen ist unbestreitbar 
nachgewiesen. Bei diesem Reichtum an Heilagentien, die sich in diesen natür¬ 
lichen, unverfälschten und ungemischten Heil wässern zusammenfinden, die nur ?o 
angewendet werden, wie sie die Natur uns bietet, ist es recht schwer, das wirk¬ 
samste aufzuzeigen. Ist es C0 2 allein, ist es der Chlorkalziumgehalt an sich, der 
wirkt? — Niemand hat es bisher vermocht, zu differieren. Alle zusammen- 
genommen aber im Verein mit den übrigen physikalischen und diätetischen Heil- 
potenzen garantieren die verblüffenden Resultate. — 

Diese Abhandlung verdankt ihre Entstehung einer ehrenvollen und schmeichel¬ 
haften Aufforderung von seiten meines früheren Chefs und Lehrers, des Herrn 
Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Ernst v. Leyden, und ich hoffe zuversichtlich, 
daß diese Worte dazu beitragen mögen, die Betrachtung der physikalischen Therapie 
der Herzkrankheiten auch unter diesem neuen und sicher auch modern werdenden 
Gesichtswinkel zu fordern. 

Literatur: 

1. Achert: Über die instrumentclle Vibrationsmassago mit Elektromotorantrieb. 
Zeitschr. für diät, und pbysik. Therapie 1900/1901. Bd. IV. Heft 5. 

2. Achert: Instrumente zur Vibrationsmassage. Verhandlungen des Vereins für innere 
Medizin in Berlin 1900/1901. XX. Jahrgang. S. 192. 

3. Achert: Die Massage des Herzens. Baineologische Centralzeitung 1903. Nr. 12. 

4. Achert: Die physikalische Behandlung der chronischen Herzkrankheiten unter modernen 
Gesichtspunkten und im Lichte der Kritik. St. Petersburger med. Wochenschrift 1905. Nr. 25. 

5. Beneke: Über Nauheims Solthermen und deren Wirkungen auf den gesunden nmi 
kranken Organismus. Marburg 1859. 

6. Beneke: Weitere Mitteilungen über die Wirkungen der Solthermen Nauheims. 
Marburg 1861. 

7. Beneke: Berliner klinische Wochenschrift 1870. Nr. 22. 

8. Beneke: Zur Therapie des Gelenkrheumatismus und der ihm verbundenen Herz¬ 
krankheiten. Berlin 1872. 

9. Beneke: Berliner klinische Wochenschrift 1875. Nr. 9 u. 10. 

10. Gräupner: Die J mechanische Prüfung und Beurteilung der Herzleistung durch 
Muskelarbeit. Berliner Klinik 1902. Dezember. 

11. von Leyden: Die Therapie der Herzkrankheiten. Therapia 1904. Heft 1. S. 1. 


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Oskar von Hovorka, Die Grenzen und Wechselbeziehungen etc. 


507 


IV. 

Die Grenzen und Wechselbeziehungen zwischen der 
mechanischen Orthopädie und orthopädischen Chirurgie. 1 ) 

Von 

Dr. Oskar von Hovorka, 

Chefarzt für Orthopädie am Zander-Institut in Wien. 

Die Berührungspunkte zwischen der mechanischen Orthopädie und der ortho¬ 
pädischen Chirurgie sind so mannigfaltig und zahlreich, ja wir können sagen, ihre 
Berührungsflächen haben sich im Laufe der Zeit einander so innig angeschmiegt, 
daß es heute wohl kaum mehr möglich ist, dieselben von einander zu scheiden; 
sie sind miteinander so innig verschmolzen, daß sie zwei Grundbestandteile jener 
kräftig aufstrebenden Wissenschaft bilden, die wir Orthopädie nennen. 

Andererseits begegnen wir jedoch in vielen Lehrbüchern und Fachzeitschriften 
wiederholt einer verschiedenen und unrichtigen Auffassung über die Grenzen, den 
Wirkungskreis und das Wesen dieser zwei Elementarbegriffe, so daß es wohl an 
der Zeit ist, sich einmal darüber auszusprechen, was zusammengehört und was 
auseinander zu halten ist. 

Ein Kongreß für physikalische Heilmethoden ist gewiß auch der geeignetste 
Ort für die Diskussion und einheitliche Entscheidung solcher Fragen; wenn auch 
der rein chirurgische Teil der Gesamtorthopädie nicht vollkommen in den Kreis 
des heutigen Kongresses hineingehört, so bildet er mit dem mechanischen Teil 
desselben ein untrennbar zusammengehöriges Ganzes, und dieser letztere zugleich 
einen wichtigen Programmpunkt der Physiotherapie. 

Obwohl nun dualistische Institutionen nicht immer von einer ewigen Dauer 
sein müssen, so gilt wenigstens für den heutigen Stand der Orthopädie die sichere 
Voraussicht, daß der Dualismus beider Hauptabteilungen derselben für die nächste 
Zukunft gesichert ist. Wir können demnach von der mechanischen Orthopädie 
nicht sprechen, ohne zugleich auch ihrer chirurgischen Behandlungsmethoden zu 
gedenken und umgekehrt. So wie es in der Natur keine schroffen Schranken 
gibt, finden wir auch in der Orthopädie — wie in jeder Wissenschaft — allmähliche 
Übergänge ihrer einzelnen Abschnitte und einzelne von ihnen erscheinen um so 
auffallender, als der Inhalt der Orthopädie einen sehr heterogenen Charakter auf¬ 
weist. Während nämlich einige Heilmethoden aus den letzteren Jahren stammen, 
z. B. die Sehnenüberpflanzung, reicht das Alter anderer bis in die graue Vorzeit 
(Massage). Zugleich jedoch findet man bei der Orthopädie die speziell individuelle 
Erscheinung, daß man kaum einen einzigen Abschnitt derselben als rein ortho- 

*) Vortrag, gehalten am 13. Angust 1905 auf dem I. Internationalen Kongreß für Physio¬ 
therapie in Lüttich. 


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568 Oskar von Hovorka 


pädisch zu bezeichnen das Recht hat, sondern sie ist entstanden erst durch den 
Anschluß der einzelnen Teile an das Ganze. Sie hat auch in der Tat keine 
einheitliche Provenienz, sondern ihre Quellen stammen aus mehreren anderen 
Disziplinen; sie hat aber auch keine einzige derselben für sich ganz in Anspruch 
genommen, sondern nur jenen Teil für sich verwertet und assimiliert, welcher für 
ihre Endzwecke am geeignetsten schien. 

Um die Gebietsgrenzen der Orthopädie und ihre zwei Hauptabschnitte abzn- 
stecken, müssen wir uns vorerst über den Begriff der Orthopädie klar werden. 

Eine klare, allgemein anerkannte Definition der Orthopädie existiert heute 
eigentlich noch nicht. Die Ursache davon liegt teils in der abweichenden 
Abgrenzung in den Literaturen verschiedener Zunge, teils in der unrichtigen 
Auffassung des Alters und Wesens der heutigen Orthopädie. So hat z. B. die 
französische Orthopädie noch in der letzten Zeit Gestaltsveränderungen dem Ge¬ 
biete derselben subsumiert, welche von der deutschen Orthopädie längst aus¬ 
geschieden wurden. — Das Alter der Orthopädie wird in manchen Lehrbüchern 
mit jenem der allgemeinen Medizin verglichen oder sogar mit ihr gleichgestellt. 
Das ist entschieden unrichtig! Wenn auch in den Werken des Hippokrates 
Stellen zu finden sind, in welchen er über Verkrümmungen der Wirbelsäule und 
den Klumpfuß, über Luxationen und fehlerhafte Anlagen spricht, so ist das zwar 
ein Vorläufer der orthopädischen Auffassung, aber wir haben noch lange nicht die 
Berechtigung darin etwa eine grundlegende Arbeit der heutigen Orthopädie zn 
erblicken. Wenn wir in den Schriften des Celsus, Soranus, Galenus etc. 
Andeutungen der heutigen orthopädischen Denkart begegnen, so haben wir durchaus 
noch keinen Grund, uns etwa diese alten, ehrwürdigen Ärzte als unsere Lehrmeister 
in der Orthopädie vorzustellen. Ich gehe nämlich von dem Standpunkt aus, daß 
die Orthopädie eine Schöpfung der Neuzeit ist. 

Ebenso unrichtig wäre es jedoch, den Beginn der Orthopädie an die uns 
genau bekannte Entstehungszeit ihres Namens knüpfen zu wollen. Es gibt nur 
wenig Wissenschaften und Disziplinen, deren Geburtsdatum sich genau bestimmen 
läßt. Es ist allgemein bekannt, daß die von Andry im Jahre 1741 eingeführte 
Bezeichnung: Orthopädie damals eine etwas andere Bedeutung hatte, als sie die¬ 
selbe heute besitzt. 

Die Autoren, welche nach Andry orthopädische Lehrbücher verfaßten, wenden 
das neue Wort auch gar nicht an und lassen es meist völlig unbeachtet. Das 
Wort beginnt sich erst dann langsam aber sicher einzubürgern, als Venel seine 
im Jahre 1780 in Orbe (Schweiz) errichtete Anstalt als eine orthopädische be¬ 
zeichnet. Die Wichtigkeit der orthopädischen Anstalten ist für den Entwicklungs¬ 
gang der Orthopädie bisher nur wenig betont worden, obwohl in den damaligen 
Anstalten eine ganze Reihe hierzu nicht gehöriger Krankheiten behandelt wurde, 
z. B. Strabismus, Hysterie, Gravidität. Wir dürfen auch nicht übersehen, daß 
gerade die Orthopädie praktisch fast ausschließlich nur in Anstalten in einem 
entsprechenden Ausmaße ausgeübt werden kann. Sie hat auch tatsächlich ihren 
großartigen Aufschwung zu jener Zeit genommen, als sie mit allen ihr verfügbaren 
Mitteln institutsmäßig ausgeübt werden konnte. 

Erst später kam man zur Überzeugung, daß das Wort Orthopädie eigentlich 
nicht vollkommen dem Sinne der neuen Wissenschaft entspricht. Es stieß auch 


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Grenzen n. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. 509 

wegen seiner tatsächlichen Unrichtigkeit auf einen lebhaften Widerspruch und es 
wurden andere Benennungen vorgeschlagen, so von Delpech 1828 (Orthomorphie), 
von Bricheteau 1833 (Orthosomatie), von Bigg 1862 (Orthopraxie). Diese letzte 
Bezeichnung hat sich in Amerika bis in die neueste Zeit erhalten. Schreber 
griff 1858 die bereits von Quill et vorgeschlagene Bezeichnung Kallipädie 
wieder auf. 

Fragen wir uns nun über den Inhalt der heutigen Orthopädie. Auf diese 
Weise gelangen wir am besten zur Erkenntnis ihrer Grenzen. Die Orthopädie 
befaßt sich nach der heutigen Auffassung ihrer Aufgabe nahezu ausschließlich mit 
den Deformitäten des menschlichen Körpers. Die von Andry 1741 verfaßte viel- 
irenannte Schrift führte den Titel „Orthopaedie, ou l’art de prövenir et de corriger 
dans les enfants les difformitös du corps“. Wir finden darin einen Abschnitt, 
welcher die Verkrümmungen zum Gegenstand hat; den größeren Teil nehmen jene 
Kapitel ein, welche sich auf die Fehler des Gesichts beziehen, sowie auf jene der 
Sprache, der Zunge (Anstoßen der Zunge), der Zähne, der Haut (Sommersprossen), 
der Haare, der Nase. Das ist jedoch alles nichts gegen seinen Vorgänger Claude 
Ouillet, welcher im Jahre 1656 ein in lateinischen Versen geschriebenes Buch 
über Kallipädie herausgab, in welchem er überdies eigene Beobachtungen über die 
Bildung des Geistes der Kinder anstellte und genaue Vorschriften gab, wie sich 
die Eltern bei der Zeugung zu benehmen haben. Autoren, welche nach Andry 
rthopädische Schriften verfaßten (Maisonabe, Bouvier, David Prince, 
Bi'relow u. a.), beschränkten sich schon auf diejenigen Störungen, welche ein 
Altweichen von der idealen Form des Körpers darstellen (Wolfsrachen, Hasen¬ 
scharte, Strabismus). Erst dem 19. Jahrhundert blieb es Vorbehalten, das Gebiet 
der Xeoplasmen und Mißbildungen aus der Orthopädie auszuschalten. Zugleich 
machte sich jedoch auch die Tendenz geltend, die Grenzen der Orthopädie be¬ 
züglich des kindlichen Körpers auch auf den Körper der Erwachsenen zu erweitern, 
"hwohl in Deutschland noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts manche 
Autoren (Kormann) an den kindlichen Grenzen festhielten. 

Unter dem Einflüsse der grundlegenden Arbeiten von Volkmann und Hueter 
-rfuhren die Grenzen der Orthopädie eine weitere Einschränkung, indem man sich 
'fither daran gewöhnen mußte, den Begriff der Deformation als eine Heterologie 
hr Gelenksstellungen und als Kontrakturen aufzufassen. Wir müssen nach 
Hiedinger genau zwischen Deformitäten und Difformitäten unterscheiden. Während 
in der deutschen Orthopädie als Difformität nur noch die Verbiegung der Diaphysen 
der langen Röhrenknochen verstanden wird, bedeutet Deformität im allgemeinen 
Verkrümmung. Im Ausbau der Lehre von den Deformitäten haben wir die Haupt¬ 
aufgabe der Orthopädie zu erblicken, und zwar sowohl von ihrer pathologischen, 
als auch therapeutischen Seite. 

Wir rechnen somit in der Orthopädie zur Deformität eine jede bleibende 
Abweichung der Form, Richtung, Stellung und Lage, sowie eine jede 
dauernde Funktionshemmung der einzelnen lokomotorischen Teile des 
menschlichen Körpers — mit Ausnahme des Kopfes. 

Eine Anzahl englischer und französischer Orthopäden hat es noch immer 
nicht über sich bringen können, sich von der Orthopädie des Kopfes zu eman¬ 
zipieren und mit Recht findet es Hoffa nicht für „passend“, den Ersatz der 


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570 Oskar von Hovorka 


Xasendefekte oder den Schiefstand der Nasenscheidewand in den Bereich der 
Orthopädie einzubeziehen. — Dagegen kann ich mit Riedinger in dem Punkte 
nicht übereinstimmen, w r enn er zum Gebiete der Orthopädie nur eine bleibende 
Abweichung der Form, Stellung und Lage am Skelett und zwar nur jene Defor¬ 
mitäten rechnet, welche im Bewegungsapparat ihren Sitz haben, und in ihrem 
Endeffekt Knochen und Gelenke betreffen. Damit hat er die Grenzlinie der 
Orthopädie zu eng gezogen, denn ich bin fest überzeugt, um nur ein Beispiel 
anzuführen, daß sich die Orthopäden kaum je entschließen werden, den Schiefhals 
aus dem Gebiete der Orthopädie auszuscheiden. 

Wie wir also gesehen haben, ist die Bezeichnung Orthopädie unrichtig, 
weil sie sich nicht nur auf die Behandlung von Kindern bezieht, aber der Name 
Orthopädie ist auch nicht allumfassend, weil unsere Wissenschaft heute auch 
noch anderen Zielen nachstrebt als der Geraderichtung von Verkrümmungen. 
Wie dem auch sei, der Name Orthopädie hat sich im Laufe der zwei Jahrhunderte 
ohne Rücksicht auf die stetige Abwechslung ihres Inhaltbegriffes eingebürgert und 
wird trotz seiner notorischen Unrichtigkeit stillschweigend so allgemein anerkannt, 
daß es heute als ganz unmöglich, ja ungeheuerlich erscheinen müßte, denselben 
durch einen anderen ersetzen zu wollen. Die Orthopädie, als eine relativ junge 
Wissenschaft gleicht — sit venia verbo — einem noch nicht ganz ausgegorenen 
Weine, in dem es noch immer brodelt und kocht. Ihre endgültigen Formen müssen 
sich erst allmählich ausbilden. Wir haben übrigens auch Beispiele, welche uns 
lehren, daß gleiche Bezeichnungen in verschiedenen Zeitläufen von denselben 
Völkern für verschiedene Begriffe gebraucht werden können und daß sich an ch 
der Sinn derselben Begriffsbezeichnung im Laufe eines Jahrhunderts bedeutend 
verändern kann, z. B. Gymnasium, Elektrizität. Als vollkommen gegenstandslos 
müssen wir aus demselben Grunde den Vorschlag Chrysospathes ansehen, d&ii 
wir die Orthopädie nicht von Pais oder paideuo (Kind), sondern Pede (Fußfesseli 
ableiten und deshalb Orthopedie schreiben sollen. 

Wollen wir zu einem rationellen Ausbau der Orthopädie gelangen, so müssen 
wir bei der Einteilung des Stoffes stets die zwei Hauptrichtungen derselben 
berücksichtigen und deshalb die Grenzen der mechanischen Orthopädie und der 
orthopädischen Chirurgie (operative, chirurgische Orthopädie), soweit dies möglich 
ist auseinanderhalten. 

Zur mechanischen Orthopädie rechnen wir: 1. die Massage, 2. Gymnastik. 
3. orthopädische Mechanik. 

Zur operativen Orthopädie gehören: 1. die orthopädische Verbandtechnik. 
2. die unblutigen und 3. die blutigen Operationen. 

I. 

Mechanische Orthopädie. 

Die mechanische Orthopädie bedient sich, wie schon der Name sagt, 
mechanischer Mittel, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Heine nennt sie die 
Seele der Orthopädie, welche mit ihr steht und fallt; er spricht auch den in seine»' 
Zeit frommen Wunsch aus, sie möge nicht von Laien, sondern nur von Ärzten 
ausgeübt werden. 


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Grenzen u. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. 571 

Die Mittel der mechanischen Orthopädie sind durchaus nicht gleichartig, 
auch nicht gleichen Alters, sondern sie stellen vielmehr ein Konglomerat ver¬ 
schiedener Behandlungsmethoden dar, deren Quellen teils zu den ersten Anfängen 
der menschlichen Kultur reichen, teils aus der jüngsten Zeit datieren. Die Massage 
und Gymnastik bilden schon für sich zwei große Spezialdisziplinen, von welchen 
die Orthopädie für ihre Sonderzwecke einen Teil mit Beschlag belegt und für 
sich assimiliert hat. 

1. Die orthopädische Massage bildet heute in den orthopädischen An¬ 
stalten ein so wichtiges Hilfsmittel, daß ohne ihr die Mehrzahl der dortselbst zur 
Behandlung kommenden Erkrankungen einfach undenkbar ist. Wir wollen nur 
ganz kurz ihre Rolle bei der Behandlung der Skoliose erwähnen, ferner jener bei 
den atrophischen und spastischen Muskelzuständen, Kontrakturen und Ankylosen, 
Fußdeformitäten, Gelenksergüssen. Die Massage übt auch oft eine eminent 
schmerzlindernde Wirkung aus und es ist bekannt, daß es einem geschickten 
Masseur mitunter gelingen kann äußerst schmerzhafte Krankheitszustände in einer 
einzigen Sitzung zu beseitigen. Allerdings müssen wir bei der richtigen Würdigung 
der großen praktischen Heilerfolge der orthopädischen Massage einer Tendenz 
gedenken, welche sich in der letzten Zeit Bahn zu brechen scheint. In den 
meisten orthopädischen Anstalten, wenigstens in Österreich und Deutschland, ge¬ 
langt man langsam zur Erkenntnis, daß die Massage grundsätzlich nur von Ärzten 
.insgeübt werden soll. Die Laienmasseure in den orthopädischen Anstalten müssen 
mit der Zeit ganz verschwinden. 

Die Massage als solche ist gewiß eine der ältesten medizinischen Hilfsmittel. 
Schon der prähistorische Mensch muß sich ihrer bedient haben, lange bevor es 
ilun eingefallen ist, an den Gebrauch der Arzneipflanzen zu denken. Wir besitzen 
auch Belege, daß die Massage bereits den Chinesen 3000 Jahre vor Christi Geburt 
bekannt gewesen sein muß, wie wir aus der altchinesischen Schrift „Kong-Fau“ 
erfahren. Die Perser wendeten sie unter dem Namen Surchuma an, bei den 
Griechen hieß sie anatripsis, bei den Römern frictio. Das Wort Massage 
wird teils aus dem Griechischen (massein, reiben, Piorry), teils aus dem 
Arabischen (mass, sanft drücken, Savary) abgeleitet. Eine hohe Stufe der Aus¬ 
bildung erreichte in der Neuzeit die Massage besonders in Frankreich, woher 
auch ihre Einteilung in die vier Grundbewegungen stammt: Streichen (effleurage), 
Kneten (petrissage), Reiben (friction), Klopfen (tapotement); hierzu kam Später 
noch die Erschütterung (Vibration) und zwar mit der Hand und mit Maschinen. 

Während in Frankreich die Massage vorzugsweise durch Berufsmasseure 
ausgeübt wurde (masseurs rebouteurs, rhabilleurs) und auch in England das rubbing, 
shampooing sehr beliebt wurde, gelangte sie in Deutschland und Österreich zu 
einer erfreulichen Blüte, indem sich Ärzte wie Mezger, Mosengeil, Reibmayer, 
Heitler, Bum, Schreiber u. a. mit ihr eingehend, später aber auch ausschlie߬ 
lich zu beschäftigen begannen. 

2. Die zweite Gruppe in der mechanischen Orthopädie bildet die ortho¬ 
pädische Gymnastik. In ihrer Suche nach geeigneten Behandlungsmitteln hat 
die Orthopädie einen bedeutenden Teil der allgemeinen Gymnastik, welche nach 
der Einteilung Lings in die pädagogische, militärische, ästhetische und medi¬ 
zinische zerfällt, in ihre Dienste zu stellen und ihren speziellen Indikationen an- 


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572 


Oskar von Hovorka 


zupassen gewußt. Von Delpech, den wir eigentlich als den ersten zu betrachten 
haben, welcher die Orthopädie auf eine wissenschaftliche Basis stellte, wurde sie 
zuerst praktisch und konsequent systematisch zu rein orthopädischen Zwecken 
angewandt. Es war dies von einer großen Bedeutung zu jener Zeit, in welcher 
der Kampf um die Vorherrschaft zwischen den mechanischen und dynamischen 
Behandlungsmethoden der Skoliose tobte. Wenn es auch in der Orthopädie eine 
Zeit gab, in welcher der Wert der Gymnastik ungebührlich überschätzt wurde 
(wie dies z. B. seitens Lachaise 1827 geschah), so ist die Gymnastik in der 
Tat als eine der wertvollsten Behandlungsmethoden vieler orthopädischer Kr- 
krankungen anzusehen. Allerdings gilt hierbei die Voraussetzung, daß der Orthopäde 
nicht nur die Anatomie der Gelenke und Muskeln vollkommen beherrscht, sondern 
dieselben auch auf Grund ihrer physiologischen Funktionsfähigkeit am richtigen 
Orte zur richtigen Zeit zweckmäßig anzuwenden versteht. So tritt z. B. schon 
bei dem einfachen, aufrechten Stehen („Grundstellung“ in der orthopädischen 
Gymnastik, „Habt Acht!“ oder „Stillgestanden“ in der militärischen Gymnastik), 
trotz der scheinbaren Bewegungslosigkeit des Körpers, zwecks der Erhaltung 
eines balanzierten Körpergleichgewichtes, eine ganze Reihe von Muskeln des 
Rumpfes, Beckens und der Beine in Tätigkeit. Es ist auch nachgewiesen, daß 
scheinbar lokale Muskelübungen, eine bestimmte Muskeltätigkeit in ganz entlegenen 
Körperbezirken auslösen. 

Die Wiege der Gymnastik stand in Griechenland und ihr Name bezeichnete 
ursprünglich eine jede Art von systematisch geordneten Bewegungen des nackten 
(gymnös) Körpers. Später wurde der Begriff der Gymnastik bedeutend erweitert 
und Galenus führte dafür den Namen kinesis ein. Die griechische Gymnastik 
verdankt ihre Entstehung den olympischen Festspielen, welche alle fünf Jahre, 
und zwar von den ersten Anfängen des Griechentums bis zu dem endgültigen 
Untergange desselben während der Völkerwanderung, aufgeführt wurden und den 
Griechen zugleich zum Ausgangspunkt ihrer Zeitrechnung dienten. Zu den wich¬ 
tigsten Programmpunkten der olympischen Festspiele gehörten: der Wettlauf 
(drömos), der Sprung (lialma), das Ringen (pale), das Diskoswerfen (diskobolia). 
das Wurfspießwerfen (akontion), der Fünfkampf (pentathlon), der Faustkampt 
(pygme), das Pankration, Wagenrennen und Wettreiten. Die modifizierte Gym¬ 
nastik wurde von vielen Ärzten des Altertums als Bewegungskur angewendet, 
besonders von Asklepiades, welcher sozusagen als erster Naturheilarzt anf den 
Gebrauch von Arzneien vollkommen verzichtete. Aus der Gymnastik entwickelte 
sich später die Athletik (athlos, Kampf), indem sich die olympischen Kämpfer 
als Athleten für den gymnastischen Lebensberuf ausbildeten, sowie die Akrobatik 
(akrobatein, auf den Spitzen gehen). Während des Mittelalters lassen sich die 
Spuren und Reste der altgriechischen Gymnastik in den Turnieren, im Stoß-. 
Stiel* und Bajonettfechten nachweisen. 

Die schwedische Gymnastik wurde von Ling (177G—1839) begründet und 
kann mit einigem Recht als Nachfolgerin der griechischen medizinischen Gym¬ 
nastik angesehen werden. Sie besteht aus aktiven, passiven, duplizierten kon¬ 
zentrischen und duplizierten exzentrischen Bewegungen, welche teils vom Kranken 
selbst, teils unter Mitarbeit oder Widerstand des Gymnasten ausgeftihrt werden. 
Ling hat sein System bis in die kleinsten Details ausgearbeitet; die Zahl der 


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Grenzen u. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. 573 

von ihm angegebenen Übungen beträgt 20 000, und obwohl er sich zu einer Reihe 
von technischen und theoretischen Übertreibungeu verleiten ließ, lebt der Geist 
und das Prinzip seiner Methode in der orthopädisch-gymnastischen Behandlung 
einer großen Anzahl von Erkrankungen des menschlichen Bewegnngsapparates 
weiter fort. Fast gleichzeitig, wenn nicht etwas früher, entwickelte sich die 
sogenannte deutsche Gymnastik, oder wie sie ihr Begründer Jahn (1778—1852) 
benannte, das deutsche Turnen. Das, was Jahn bei der Ausübung seines 
Turnens vorschwebte, war eigentlich richtiger eine Wehrgymnastik, indem er sich 
hauptsächlich von der Grundidee leiten ließ, daß er aus der Jugend des in den 
Franzosenkriegen niedergeworfenen Vaterlandes zwecks Ausführung einer patrio¬ 
tisch erträumten Revanche, kräftige, wehrhafte Männer heranbilden müsse. Bei 
der Erziehung junger verweichlichter und meist an die sitzende Lebensweise ge¬ 
wohnter Männer zu unerschrockenen, zukünftigen Soldaten ging er allerdings 
wiederholt weit über das Ziel hinaus, indem er ohne Rücksichtnahme auf die 
Grenzen der physiologischen Leistungsfähigkeit, ohne eine Spur von Individuali¬ 
sierung, die Ausbildung der höchst erreichbaren körperlichen Kraft, Gewandtheit 
des Körpers nebst Energie des Charakters und Unerschrockenheit des Mutes an¬ 
strebte. Das war freilich eine Gymnastik, die mit den medizinischen Bestrebungen 
wenig zu tun hatte. Erst als sie es verstand, unter der Mitwirkung von Fach¬ 
männern, wie Eiselen, Maßmann, Clias, Lorinser u. a., sich ihres politischen 
Gewandes zu entledigen, lenkte sie in praktische, greifbare Bahnen und konnte 
sich bald einer allgemeinen Beliebtheit fast aller Gesellschaftsklassen Deutsch¬ 
lands erfreuen. Immerhin blieb trotz der prinzipiellen Betonung einer ausschlie߬ 
lichen Ausbildung der körperlichen Kräfte von dem ursprünglichen Grundcharakter 
der Jahn sehen Bestrebungen in den später massenhaft in Österreich und Deutsch¬ 
land gegründeten Turnvereinen eine gewisse politische Nuance übrig, was auch von 
den slavischen Sokolistenvereinen, sowie den französischen Gymnastenvereinigungen 
gilt, welche das Prinzip der Jahn sehen Idee bald nachzuahmen suchten. 

In England und Amerika vermochten die Jahnschen Anschauungen in 
minderem Maße populär zu werden, da sie ihr Gebiet dort zumeist bereits durch 
das von altersher intensiv betriebene Sportswesen eingeengt vorfanden. Es steht 
jedoch fest, daß das deutsche Turnen — obwohl die Ziele verschieden waren — 
in Deutschland bereits seine Vorgänger hatte, und zwar in dem pädagogischen 
Turnen, welches unter dem Einflüsse der Werke Rousseaus auf das Erziehungs¬ 
wesen am Ende des 18. Jahrhunderts zur Blüte gelangte, und in Mäunern wie 
Basedow, Salzmann und Pestalozzi seine vorzüglichsten Vertreter fand. Aus 
allen diesen kurz angedeuteten Quellen schöpfte die orthopädische Gymnastik und 
bildete das für sie Geeignetste zweckmäßig um. So werden wir heute auch in 
der bescheidensten orthopädischen Anstalt Turngeräte, wie Reck, Barren und 
Leiter etc. kaum vermissen und ebensowenig bei der Skoliosenbehandlung die 
von Spieß (1810—1858) eingeführten und von Schreber populär gemachten 
Freiübungen entbehren können. Die letzteren haben sich aus der Jahnschen 
Gymnastik allmählich entwickelt ; sie genügen einer Anzahl speziell orthopädischer 
Indikationen und bestehen aus bestimmten Bewegungen des Körpers und der 
Gliedmaßen, welche unter einem strammen Kommando des Arztes oder Turn¬ 
lehrers von den in Reihen stehenden Kindern ausgeführt werden. 


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o74 Oskar von Hovorka 


Aus der schwedischen Heilgymnastik entwickelte sich wiederum die von 
Zander in Stockholm eingeführte Mechanotberapie. Zander hatte die Idee, die 
Hand des Gymnasten durch speziell zu diesem Zwecke konstruierte Apparate zu 
ersetzen. Auch Zander schuf mit Hilfe seiner Mechanotherapie ein besonderes 
Behandlungssystem, welches er bei einer großen Anzahl von Krankheiten an¬ 
wendete; eine Reihe von Apparaten und Maschinen erfand er zu speziell ortho¬ 
pädischen Zwecken, deren Wirksamkeit allerdings auf einigen Widerspruch stieß. 
Bald wurden ähnliche mit Zanderschen Apparaten ausgestattete „mediko- 
mechanische Institute“ nicht nur in Schweden, sondern in ganz Europa, besonders 
in Deutschland, sowie in Amerika eröffnet. An den meisten dieser Institute wird 
die Orthopädie als eigene Schwesterdisziplin in einer besonderen Abteilung aus¬ 
geübt. Das System Zanders versuchten andere bald nicht ohne Erfolg nacli- 
zuahmen (Herz, Krukenberg, Schott, Honig). Einfachere Selbstbewegungs¬ 
apparate wurden allerdings bereits vor Zander mehrfach angewendet, so z. H. 
solche von Bonnet, Bardenheuer, Goodyear, Mager, Burlot etc. 

Da bei den bisher angeführten Methoden der mechanischen Orthopädie die 
Bewegung den Hauptfaktor bildet, so sind wir berechtigt, dieselben mit dem von 
Georgi 1847 vorgeschlagenen Namen Kinesotherapie zu belegen, obwohl im 
Rahmen der allgemeinen Orthopädie kein Grund vorliegt, diese zwei von einander 
doch so verschiedenen Abteilungen besonders zusammenzufassen. 

3. Unter der orthopädischen Mechanik verstehen wir jenen Teil der 
allgemeinen Mechanik, welcher sich mit der handwerksmäßigen Herstellung der 
vom Arzte für die verschiedenen orthopädischen Leiden seiner Kranken vor¬ 
geschriebenen Apparate befaßt. Wie wir später sehen werden, haben wir z« 
unterscheiden zwischen der orthopädischen Mechanik und der orthopädisch«! 
Verbandtechnik, worauf bisher auch nur wenig geachtet wurde. Während dir 
erstere in das Feld des Handwerkers gehört, wird die andere nur vom Arzte 
ausgeübt. Momentan befinden w ir uns in einer Übergangsperiode, in welcher sich 
ein für beide sehr heilsamer Umschwung bemerkbar macht, indem die ortho¬ 
pädische Mechanik immer mehr und mehr in die unmittelbare ärztliche Einflu߬ 
sphäre zu gelangen beginnt. 

Auch die orthopädische Mechanik hat im Laufe der Zeiten viele Wand¬ 
lungen mitgemacht. Es hat eine Zeit gegeben, in welcher die orthopädische 
Mechanik ausschließlich von selbständig etablierten Mechanikern und Bandagisten 
ausgeübt wurde. Sie verfertigten „nach Angabe des Arztes“ jene Apparate, die 
ihnen vorgeschrieben wurden. Die Detailausfuhrung derselben war die geringste 
Sorge des letzteren und die ewigen Verdrießlichkeiten infolge von stets not¬ 
wendigen nachträglichen Reparaturen etc. kamen immer auf Rechnung des Hand¬ 
werkers. Wer erinnert sich nicht der stets überfüllten Vorlesungen Alberts in 
den achtziger Jahren, mit welcher zündenden Beredsamkeit er überCoxitis sprach, 
wie er sich in ihre Geschichte, pathologische Anatomie, Klinik etc. vertiefte und 
so allmählich ein klares Bild der Krankheit seinen Zuhörern einzuprägen suchte. 
Bei der Besprechung der Therapie fiel dann immer das Wort „Taylorscher 
Apparat“; wie der Apparat aussah, wußte man w r ohl am deutlichsten aus der 
Beschreibung Alberts und er w r urde auch mitunter gezeigt. Doch nur den 
wenigsten fiel es ein, hinunterzusteigen in den Orkus des mit Kranken voll- 


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Grenzen n. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. 575 

gepfropften Ambulatoriums und diesen sinnreichen Apparat einmal in seinen 
Details zu studieren, geschweige denn sich bei dem Bandagisten zu erkundigen, 
wie er angemessen, verfertigt, angelegt werde. Ja, vor Albert gab es Zeiten, 
wo es die Ärzte gewissermaßen als ihrer unwürdig hielten, sich mit dem Bandagisten¬ 
handwerk näher zu befassen. Etwas Ähnliches sehen wir in der Entwicklungs¬ 
geschichte der Chirurgie, in welcher seiner Zeit auch der Steinschnitt von be¬ 
sonderen Leuten ausgeübt wurde und wo die damaligen Ärzte beim Eintritt in 
die Praxis schwören mußten, sich niemals mit dem Steinschnitt zu befassen. 

Wie haben sich seither die Zeiten geändert!! 

Nicht nur daß die orthopädische Mechanik zu einem integrierenden Bestand¬ 
teil der allgemeinen Orthopädie geworden ist, nicht nur daß an vielen ortho¬ 
pädischen Kliniken bereits besondere Abteilungen geschaffen wurden, in welchen 
der Kandidat für Orthopädie in der Behandlung des Stahles, des Leders, der 
Leinwand mit Hilfe des Schraubstockes, der Walkzange oder Nähmaschine genau 
unterwiesen wird; er muß auch ein besonderes, gutes Verständnis für Mechanik 
besitzen, um selbst die Details angeben zu können, wie eine Nachtschiene, ein 
Schienenhülsenapparat, ein orthopädisches Mieder angefertigt, rekonstruiert, aus- 
eebessert werden soll. 

Hier gilt nicht nur „time is money“ sondern auch schlechte Konstruktion 
und Reparaturen kosten Geld! 

Die hohe Entwicklungsstufe der orthopädischen Mechanik haben wir der 
gemeinsamen Mitarbeit der Ärzte und Mechaniker, beziehungsweise der Bandagisten 
zu verdanken. 

Obwohl bereits in den ersten Anfängen der Orthopädie, aber auch später 
eine nicht geringe Anzahl von mechanisch talentierten Ärzten (Scarpa, Bonnet, 
Shaw, Sayre, Schultheß u. a.) eine beträchtliche Reihe von äußerst praktischen 
Apparaten erfand, dürfen wir auch die Verdienste von Mechanikern nicht ver¬ 
schweigen; wir wollen hier nur Heine, Mil ly, Hessing anführen. 

Die zahlreichen, praktischen Heilerfolge des letzteren waren ohne Zweifel 
die indirekte Ursache dafür, daß sich die Ärzte ernstlich mit der orthopädischen 
Mechanik zu befassen begannen. Freilich darf sein Wirken nicht übermäßig über¬ 
schätzt werden. 

Bis vor kurzem nannten sich nämlich und nennen sich noch zahlreiche 
Bandagisten, welche sich in ihren Geschäftsläden oder Werkstätten mit der An¬ 
fertigung von orthopädischen Miedern, Schienen, Prothesen befaßten, „Orthopäden“, 
nebstbei verkauften sie auch Bruchbänder, Verbandmaterial, chirurgische Instru¬ 
mente, Glaswaren usw. Nun ist aber unsere Auffassung der orthopädischen 
Wissenschaft in den letzten Jahren eine andere geworden. Es steht fest, daß 
die gesamte Orthopädie nur von einem Arzte ausgeübt werden kann, welcher nicht 
nur die beiden Hauptabschnitte der heutigen Orthopädie vollkommen beherrschen 
muß, sondern die Arbeitsleistung des „Orthopäden“ von anno dazumal, also des 
Mechanikers, Bandagisten, der Näherin, des Schmiedes usw. seiner Gesamtübersicht 
im eigenen Institute unterzuordnen hat. 

Bezeichnend für die Veränderlichkeit der Begriffe mancher Gewerbegruppen 
im Laufe des Jahrhunderts ist die Tatsache, daß z. B. in Wien die Bandagisten 
und Handschuhmacher in einer und derselben Genossenschaft vereinigt sind. 


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oTfi Oskar von Hovorka, Die Grenzen und Wechselbeziehungen etc. 

Das Handwerk des Bandagisten, des früheren „Orthopäden“ bildet nunmehr 
einen bescheidenen Bruchteil der heutigen, wissenschaftlichen Gesamtorthopädie, 
im gleichen Maße wurden einst auch die früheren Steinschneider als keine voll¬ 
wertigen Chirurgen angesehen, und der jetzt bei uns wogende Kampf zwischen 
Zahnheilkunde und Zahntechnik muß früher oder später in dem Sinne ausfallen. daii 
sich die Zahntechniker den Zahnärzten als Hilfskräfte der letzteren unterordnen. 

In diesem Sinne handhaben geschickte Mechaniker wie Hessing in einer 
äußerst erfolgreichen Weise das Gebiet der orthopädischen Mechanik, doch sie 
haben bei der heutigen Entwicklung der Orthopädie kein Recht' mehr, sich 
„Orthopäden“ zu nennen. Die Verdienste Hessings werden allseits rückhaltlos 
anerkannt, doch bezeichnet ihn Vulpius mit Recht als Laienpraktiker mit allen 
charakteristischen Merkmalen eines solchen: Schablone, Geringschätzung der Ärzte. 
Versprechen der Heilung in Fällen, wo ärztliche Erfahrung dieselbe versagen mul). 

Andererseits darf man jedoch selbst den Wert der orthopädischen Mechanik 
nicht überschätzen. Diese Gefahr bestand am meisten in jener jüngst vergangenen 
Zeit, als während einer Periode des polypragmatischen Resektionseifers dir 
blutige Behandlung der Hüftgelenkserkrankungen ein schmähliches Fiasko der 
berühntesten Operateure erlebte und Hessing, dank einer unblutigen, schmerz¬ 
losen und erfolgreichen Behandlung mittelst seiner Schienenhülsenapparate, gro߬ 
artig dastand. Trotz alledem läßt sich doch nicht alles mittelst Apparaten be¬ 
handeln und neuerdings sieht sich Lorenz, selbst auf die Gefahr hin eine ketze¬ 
rische Meinung auszusprechen, genötigt offen zu sagen, daß er infolge des grollet 
Andranges von Coxitiskranken in seiner orthopädischen Klinik, infolge der tech¬ 
nischen Unmöglichkeit außerstande sei, diese Krankheit auf dem Wege der ortln- 
pädischen Mechanik zu behandeln und neuerdings zum Messer greifen müsse. 

Nur nebenbei sei bemerkt, daß auch die Bezeichnung „orthopädiscVi 
Schuster“ vollkommen ungerechtfertigt ist und daß die Behandlung orthopädisch 
erkrankter Füße, besonders des Plattfußes, auf keinen Fall diesem Handwerk 
allein überlassen werden darf. Dieselbe bildet heute einen ganz geringen, wenn 
auch sehr wichtigen Bruchteil der orthopädischen Behandlungsmethoden. Die 
Anfertigung rationeller orthopädischer Schuhe gehört demnach heute nicht in eine 
Schnsterwerkstätte, sondern einzig und allein in eine orthopädische Anstalt. Vor 
dem sogenannten „orthopädischen Schuhmacher“ kann nicht genug gewarnt werden. 

In bezug auf den Inhalt der orthopädischen Mechanik haben wir zu unter¬ 
scheiden zwischen orthopädischen Apparaten und Prothesen. 

Die orthopädischen Apparate teilen wir nach ihren Heilzwecken in Stütz¬ 
apparate und Streckapparate; überdies gehören hierzu Verbandapparate und 
Turnapparate. 

Als Beispiel der Stützapparate wollen wir anfiihren: Die große Anzahl der 
verschiedenen orthopädischen Mieder und Geradehalter, Bauchbinden, orthopädischen 
Schuhen für Klumpfuß und Plattfuß, Plattfußeinlagen, verschiedene Lagerungs¬ 
apparate. 

Als Beispiel von Streckapparaten dienen uns vorzüglich die Schien enliülsen- 
apparate, die verschiedenen Gummibandagen (Fischer, Barwell), Extensions- 
betten (Venel, Mellet, Heine) und Extensionsapparate für Kontrakturen und 
Ankylosen (Sayre, Wolzendorff), sowie für Fußdeformitäten (Barwell, Sayrei- 


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Berichte Uber Kongresse und Vereine. 


577 


Als Verbandapparate nennen wir solche Erzeugnisse der orthopädischen 
Werkstätte oder Fabrik, welche den Zweck haben, den Körper des Patienten oder 
Teile desselben so zu fixieren, daß ihm ein orthopädischer Verband angelegt 
werden kann z. B. das Nebelsche Bett zur Anfertigung von Gipsbetten, der 
Nebel sehe Schlitten zur Anlegung von Gipsverbänden, Extensionsapparat von 
Schede. 

Als Turnapparate und Geräte fuhren wir an: Wohn, Beelysche Schwebe 
und Kuderapparat, Turnapparate von Schult ließ. 

Unter Prothesen verstehen wir den künstlichen Ersatz von amputierten oder 
exartikulierten Gliedmaßen oder Teilen derselben. Sie werden eingeteilt in solche 
für die obere und für die untere Extremität. Die letzteren zerfallen in Stelz¬ 
beine und künstliche Beine. Die Herstellung der Prothesen, welche man nicht 
ganz richtig auch als Orthoplastik bezeichnet, gehört zu den ältesten Abschnitten 
der orthopädischen Mechanik. (Schluß folgt.) 


Berichte über Kongresse und Vereine. 


Bericht über den I. Internationalen Kongreß 
für Physikotherapie in Lüttich am 12. bis 15. August 1905. 

Von Dr. W. Alexander. 

(Fortsetzung.) 

M.Faure (Paris) sprach „über Cbungstherapie u . Jede Bewegung ist eine erlernte, teils 
vom Individuum, teils von der Art. Z. T. erinnern wir uns nicht mehr daran, daß wir sie gelernt 
haben (z. B. das Gehen als Kind). Bei anderen Bewegungen bleiben wir uns des Angelernten 
bewußt, z. B. militärischer Gangarten, Schwimmen u. a. Zum Erlernen gehören Wille, Aufmerk¬ 
samkeit und Einsicht; erst die Gewohnheit macht' die Bewegung zu einer automatischen. Durch 
Tbung wird ein bestimmter psycho-motorischer Mechanismus hervorgebracht, der an bestimmte 
Bahnen gebunden ist. Bei gewissen Erkrankungen des Nervensystems tritt in diesem eine 
Störung ein, die sich klinisch als eine ganz bestimmte Bewegungsstörung kennzeichnet. Es 
gelingt auf dem Wege der Übung, zum Ersatz für die verlorengcgangenen Bahnen neue intakte 
heraozuziehen, so daß der psycho-motorische Mechanismus, wenn auch auf anderem Wege, mehr 
•«ler minder vollständig wieder zum Ablauf kommen kann. Als anatomisch-physiologische 
Klemente dieses Mechanismus kann man folgende vier betrachten: die Kontraktion des Muskels, 
den Muskelsinn, das sensitive Neuron und das motorische Neuron. Bei komplizierten, koordi¬ 
nierten Bewegungen kommen dazu: die zercbrospinale, motorische Bahn und die sensitive 
Bahn, und endlich das motorische Rindenzentrura. Die Erfahrung lehrt, daß bei geeigneter 
Ausnutzung erhaltener Bahnen schwere Bewegungsstörungen (Ataxie u. a.) beseitigt werden 
können (Wiedercrlemen des Gehens, Schreibens etc.). Bei allen derartigen Erkrankungen sind 
auch die Ernährungsverhältnisse eingehend zu berücksichtigen. Das Hauptgebiet der Übungs¬ 
behandlung ist: die Ataxie, Paraplegie, Hemiplegie, Chorea, die abnorme Ermüdbarkeit der 
Neuropathen, Rekonvaleszenten, der Blutarmen und schwächlichen Kinder. Auch auf die 
Funktionen kann ein erheblicher Einfluß ausgeübt werden, die, weil sie Organen mit glatter, 
durch den Willen nicht beeinflußbarer Muskulatur zukommen, anscheinend außerhalb des Bewußt- 
J^ius, also auch der Erziehungsmöglichkeit stehen. Das ist aber nur scheinbar der Fall. Denn 
die Atmung, die Defäkation, die Miction u. a., die im wesentlichen von glatter Muskulatur 
resniliert werden, stehen auch bis zu einem gewissen (Jradc unter dem Einfluß des Willens und 

Zeitsrhr. f. diät. u. pliysik. Therapie lld. IX. lieft 10. 3i) 


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578 


Berichte über Kongresse und Vereine. 


der Übung. Man kann den Atem willkürlich anhalten, die Blase willkürlich entleeren etc. etc. 
In der Kindheit müssen ja diese Funktionen erst durch Erlernen unter den Einfluß des Willen* 
gestellt werden (Urinieren nach dom Erwachen, Defäkation auf dem Abort). Bei allen diesen 
Funktionen sind nämlich auch quergestreifte Muskeln beteiligt (Sphincter vesicae, Mm. inter 
costales etc.), und auf deren systematische Schulung hat sich die Übungstherapie zu richten.; 

Dagron (Paris), der „über das Wiedererlernen der Funktion nach Verletzungen 
mit besonderer Berücksichtigung des Wiedergehenlernens“ sprach, entwickelte 
ähnliche Ansichten wie der Vorredner. Er ist der Meinung, daß in vielen Fällen die psycho¬ 
motorischen Störungen nach Verletzungen an dem Verlust des Geh Vermögens mindestens eben¬ 
soviel Anteil haben, als die Residuen der eigentlichen Verletzung. Bei diesen letzteren ist thr 
Muskelatrophie erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwendon. Beide Faktoren, Muskelatrophie und 
psycho-motorische Störungen, haben die Eigenschaft, entsprechend der seit dem Unfall ver¬ 
flossenen Zeit dauernd zuzunehmen. Deshalb gilt als oberster Grundsatz in der Behandlung 
Unfallverletzter, von Anfang an mit allen Mitteln die Wiederherstellung der Funktion 
anzustreben, ein Postulat, welches bei Verletzungen der unteren Extremitäten von besonderer 
Wichtigkeit wird. Die Übungstherapic hat also nach dem Unfall einzusetzen, sobald es die 
Verletzung irgendwie zuläßt. Man beginnt je nach der Art des Falles mit passiven und aktiven 
Übungen im Liegen: Beuge- und Streckbewegungen im Fußgeleak, im Knie- und Hüftgelenk 
und geht allmählich zu komplizierteren Übungen vor. So früh, wie möglich, soll der Verletzte 
aufstehen, wobei er bei den ersten Steh- und Gehversuchen sorgfältig zu unterstützen ist, um 
ihm psychisch eine gewisse Sicherheit zu bieten. Man sieht dann häufig, daß der Verletzte 
nach wenigen Versuchen normal gehen kann und seine motorischen Funktionen schnell voll¬ 
kommen wiedererlangt. 

Allard (Paris) sprach „über elektrische Lichtbäder und ihre therapeutische 
Verwendung“. Das elektrische Lichtbad kann, je nachdem eine Allgemein- oder Lokal¬ 
behandlung angezeigt ist, als Ganz- oder Teilbad verabfolgt werden. Nach einer Auseinander¬ 
setzung über die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Strahlen, besprach 
Vortragender die verschiedenen zur Verfügung stehenden Systeme. Die idealste aller Liebt 
Wärmequellen: die Sonne, steht nicht dauernd zur Verfügung und ihre Einwirkung ist sch*?: 
dosierbar. Man bedient sich deshalb mit Vorteil des elektrischen Lichtes, welches als gewöhn¬ 
liche Glühlampe, als Dowsingsche Glühlampe, als rotes Licht oder als Bogenlampe m 
Anwendung gezogen wird. Im Ganzbad läßt sich eine Temperatur von ca. 150°, im Teilbade 
von 180—200° erzielen. Man kann die Bäder im Bett oder im Kasten verabreichen. Das 
Indikationsgebiet der Lichtbäder ist groß. Die Krankheiten, für die sie angezeigt sind, 
gruppieren sich in drei Arten: 1. solche, bei denen Stoffwechsel und Disphorese gesteigert 
werden sollen. 2. solche, bei denen eine schmerzstillende, sedative Wirkung verlangt wird 
und 3. solche, bei denen die Resorption und Elimination von Exsudaten und Ablagerungen 
befördert werden soll. Es liegt in der Art der hier in Frage kommenden Affektionen, daß die 
Lichtbehandlung fast stets zwei, bisweilen sogar alle drei der genannten Indikationen zn 
erfüllen hat. Zur ersten Gruppe gehören alle rheumatischen und gichtischen Affektionen und 
die Intoxikationen. Die zweite Gruppe umfaßt die schmerzhaften Residuen nach Unfällen, die Neu¬ 
ritiden und Neuralgieen. Unter die dritte Gruppe fallen die verschieden gearteten (tuberkulös, 
arthritisch, gonorrhöisch) Ablagerungen und Ausschwitzungen in Gelenken, Sehnenscheiden, 
Schleimhäuten, Unterhautzellgewebe; ferner die Blutergüsse nach Traumen. Vortragender spricht 
den Lichtbädern nach einer großen, sechsjährigen Erfahrung eine hohe therapeutische 
Bedeutung zu. Sie vereinigen in sich alle Vorzüge der Heißwasser-, Heißluft- und Dampf¬ 
behandlung und bieten für alle diese Methoden einen vollwertigen Ersatz. 

„Über die Thermotherapie und ihre Anwendung bei Hautkrankheiten“ sprach 
de Kayser (Brüssel). Die Thermotherapie hat die therapeutische Verwendung der Warme 
und Kälte auf die Körperoberfläche des Menschen zum Gegenstand. Berger und Biagden 
haben durch Eigenversuche festgestellt, daß der Mensch sehr hohe Temperaturen vertrag. 
Sie konnten Temperaturen von 109—132° bis zu acht Minuten aushalten. Es besteht in dieser 
Beziehung oin großer Unterschied zwischen trockener und feuchter Wärme. Je mehr die Lutt 
mit Wasserdampf gesättigt ist, desto weniger hohe Temperaturen werden in ihr ertragen. 
Auf diesen Punkt ist in der Therapie Rücksicht zu nehmen. Die Hitze wirkt erregend ant 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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die Muskulatur; man sieht, daß unter ihrer Einwirkung die Muskelfaser schneller und energischer 
auf Reize reagiert. Bei weiterer Erhöhung der Temperatur nimmt dann allerdings die Muskel¬ 
erregbarkeit wieder ab, um schließlich zu erlöschen. Das Herz und die übrigen inneren Organe 
verhalten sich ähnlich bei Hitzeeinwirkung. Das Nervensystem ist gegen Hitze widerstands¬ 
fähiger. Die Physiologie lehrt, daß der Nerv noch bei Temperaturen reagiert, bei denen die 
Muskelerregbarkeit bereits erloschen ist. Bei allgemeiner Anwendung macht die Hitze Anämie 
des Zentralnervensystems und Dekongestion der inneren Organe, während bei der Lokal¬ 
behandlung kein deutlicher Einfluß auf die inneren Organe ausgeübt wird. Durch Erweiterung 
der Hautgefäße (Hyperämie) im Bereich ihrer Einwirkung wird die Ernährung des Gewebes 
^■steigert, die Diapedese und Phagozytose befördert. Dadurch kommen der Hitze direkt 
bakterizide Eigenschaften zu; ferner erweist sie sich da wirksam, wo es sich um Anregung 
der Resorption von Exsudaten und Ablagerungen handelt. Die Temperatur soll sich bei 
therapeutischen Maßnahmen in der Regel um 80—100 0 halten. Bei der Lokalbehandlung hat 
die feuchte Hitze größere Tiefenwirkung, ihre Temperatur braucht nicht so hoch zu sein, wie 
bei trockener Hitze. Die Indikationen der Heißluftbehandlung ergeben sich aus dem Gesagten, 
sii' ist angezeigt besonders bei Gelenkaffektionen jeder Art, bei denen sie schmerzstillend und 
n sorptionsbefordernd wirkt; ferner bei Neuralgieen, Ergüssen, bei Nephritis als Diaphoretikum, 
in der Chirurgie und Gynäkologie, Oto-rhinologie und Opthalmologie. Endlich findet die Heiß- 
luftbehandlung ein weites Feld in der Dermatologie. Hier wird sie zur Behandlung des Lupus 
und Karzinoms, ulzeröser und eitriger Prozesse, parasitärer Erkrankungen und wieder anderer 
Affektionen herangezogen. Man erzielt mit ihr ausgezeichnete Erfolge, sowohl betreffs der 
Heilung als auch besonders in kosmetischer Hinsicht Bei manchen Affektionen ist die Heiß- 
iufthchandlung durch keine andere Methode zu ersetzen. 

Valcke (Courtrai) sprach „über die physiologischen Eigenschaften und Indi¬ 
kationen des Dampf- oder russischen Bades“. Er macht zunächst ausführliche ana¬ 
tomische und physiologische Bemerkungen über die Haut, um dann auf die Indikationen des 
Dampfbades des näheren einzugehen. Dasselbe ist geeignet zur Reinigung und Desinfektion 
d« r Haut. Therapeutisch indiziert ist es bei fieberhaften Krankheiten zur Anregung der Schweiß- 
driisentätigkeit; ferner bei Ödem und Höhlenergüssen, bei der Gicht und Fettleibigkeit, Rheuma¬ 
tismus, Ischias, Torticollis, Migräne und Hautkrankheiten. Vortragender schildert an der Hand 
Filter Abbildungen die von ihm benutzten Apparate. Sie bestehen im wesentlichen aus mit 
s totT überzogenen Gestellen, deren Innenraum durch Spirituslampenheizung mit Wasserdampf 
erfüllt wird. Die Apparate für Lokalbehandlung der verschiedenen Gelenke haben große 
Ähnlichkeit mit den bei uns Üblichen Krauseschen Apparaten. 

Balsamoff (Sofia) sprach auf Grund einer dreijährigen Erfahrung auf diesem Gebiete 
über die Wirkung der hydro-elektrischen Bäder“. Da man bisher nur wenig über die 
physiologische Wirkungsweise dieses verhältnismäßig jungen therapeutischen Mittels weiß, will 
Vortragender sich nicht auf Theorien und Hypothesen einlassen, sondern nur seine praktischen 
Erfahrungen mitteilen. Die Behandlung mit dem hydro-elektrischen Bade fand meist in Kombi¬ 
nation mit Massage und Mechanotherapie statt, und zwar entweder als Ganzbad oder in 
unipolarer Applikation. Das Bad soll eine Temperatur von 29—32° haben und etwa 10 Minuten 
'länern. Besonders bewährte sich seine Anwendung gegen die lanzinierenden Schmerzen und 
'las Kältegefühl in den Extremitäten der Tabiker. Nach 20—30 Bädern trat eine wesentliche 
Hesserung dieser lästigen Symptome auf. Auch bei Ischias waren die Resultate ausgezeichnet. 
Von 20 Iscliiatikern, die nach dieser Methode behandelt wurden, wurden 15 in 5—10 Tagen 
geheilt, drei gebessert, nur zwei blieben unbeeinflußt. Auch chronischer Muskel- und Gelenk¬ 
rheumatismus bietet ein dankbares Feld für die Behandlung mit dem hydro-elektrischen Bade. 

Mehr theoretischen Inhaltes war der Vortrag von Wybauw (Spa) „über die physio¬ 
logische Wirkung der Hydrotherapie“. Trotz der zahlreichen wissenschaftlichen Unter¬ 
suchungen von Winternitz und seiner Schule und vielen anderen Forschern ist die eigentliche 
Wirkungsweise der Hydrotherapie zum großen Teil noch nicht endgültig erforscht. In den 
ätzten Jahren ist neben der Hydrotherapie die Thermotherapie mehr in den Vordergrund gerückt 
worden. Die Hydrotherapie ist nichts anderes als Thermotherapie, bei der das Wasser der Träger 
<ier verschiedenen Temperaturen ist. Die Hydrotherapie wirkt teils lokal am Orte der An¬ 
wendung, teils allgemein durch Vermittlung von Reflexen. Das kalte Wasser bringt die Haut- 

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580 Berichte über Kongresse und Vereine. 

gefäße zur Kontraktion, auf die dann eine Dilatation folgt. Bei Einwirkung von warmen 
Wasser verläuft die Kontraktion fast unmerklich, die Dilatation ist energischer. Diese letztere 
setzt den Gefäßtonus herab, zum Unterschied von der Vasodilatation nach kaltem Wasser, die 
aktiv ist und den Tonus nicht beeinflußt. Alle diese Erscheinungen spielen sich rein peripher 
ab und haben mit dem Zentralnervensystem nichts zu tun. Kaltes Wasser macht Blutdruck 
Steigerung und Pulsverlangsamung nach einem kurzen Stadium von Beschleunigung, wanne* 
Wasser macht Blutdrucksenkung und Pulsbeschleunigung. Die Hydrotherapie ist ein Mittel zur 
Einwirkung auf die Blutverteilung, die Blutbildung wird nicht merklich beeinflußt. Dir 
äußere Applikation kalten Wassers setzt die Hauttemperatur herab unter Steigerung der Innen 
wärme. Doch kann man dadurch, daß man der kalten Applikation eine kräftige Hautfriktmu 
folgen läßt, die Ilautgefäße dilatieren, so daß der umgekehrte Erfolg, d. li. Wärmeentziehun? 
eintritt. Die Hydrotherapie kann ebensowenig wie die Elektrizität oder Massage als Allheil¬ 
mittel angesehen werden; sie hat, wie jedes therapeutische Agens ihre Indikationen und Kontra 
Indikationen. Doch beansprucht sie deshalb einen hervorragenden Platz in der Therapie, weil 
sie am einfachsten und unschädlichsten die nervösen und chemischen Vorgänge im Organismus 
beeinflußt und bei krankhaften Abweichungen die physiologischen Funktionen zur Norm zurück 
zuführen vermag. 

Vassilid^s (Athen) hat häufig „die chronische interstitielle Kolitis ab 
Ursache schwerer Neurasthenie“ gefunden. Gegen das Darmleiden empfiehlt er eine 
bestimmte Diät, in der die Milch eine Hauptrolle spielt; von Flcischsorten gibt er Hind- uial 
Kalbfleisch, die Gemüse müssen weich und von Faserstoff sorgfältig befreit sein. Gegen die 
neurasthenischen Beschw erden selbst haben sich dem Vortragenden laue Halbbäder von 29-32 
und 10 Minuten Dauer mit nachfolgender Bettruhe gut bewährt 5—7 Bäder werden wöchentlich 
genommen; außerdem Massage. 

Nachdem Ingenieur Dowsing (London) unter Demonstration anschaulicher Abbildung 
(geöffnet und geschlossen) ein von ihm konstruiertes „elektrisches Lichtbad uder 
Solarium“ gezeigt hatte, welches sich durch große Einfachheit und Zweckmäßigkeit io?- 
zeichnet sprach A. Weil (Paris) „über die schmerzstillende Wirkung des blaues 
Lichtbades“, die sich nicht nur als wirkungsvoll bei den verschiedenen Beschwerden 
Neurastheniker erweist, sondern außer der bekannten beruhigenden Eigenschaft tatsächlich mal- 
gesicrcnd bei Schmerzen jeder Art wirken kann. Die Analgesie ist dabei nicht nur eine obtf 
flächliche, sondern reicht derartig in die Tiefe, daß sie zur Ausführung kleinerer Operationen 
vollkommen genügt. 

Eine größere Anzahl von Vorträgen beschäftigte sich mit der therapeutischen Anwendnr.; 
der Elektrizität in ihren verschiedenen Formen. 

Nachdem F. Bishop (Washington) in seinem Vortrage: „Über die physikalischen 
Methoden bei der Behandlung der Lungentuberkulose“ berichtet hatte, daß er bei 
dieser Affektion von der Anwendung der statischen Elektrizität gute Erfolge gesehen 
habe, sprach Luzenbcrger (Neapel) „über die physiologische Wirkung der Frank 
linisation*. Nach einigen physikalischen Vorbemerkungen über die Franklinisation und ihr 
Instrumentarium erinnert der Vortragende daran, daß von jeher gegenüber der therapeutische 
Wirksamkeit dieses Zweiges der Elektrotherapie großer Skeptizismus geherrscht hat. Wie noch 
heute, so gab es stets Zweifler, welche die offensichtlichen Effekte der Franklinisation allein 
der durch die Äußerlichkeiten des Apparates und seiner Erscheinungen ausgeübten Suggestiv - 
Wirkung zuschrciben wollten. Erfreulicherweise haben exakte physiologische Beobachtung 
mit diesem einseitigen Vorurteil zum Teil aufgeräumt und gezeigt, daß wir in der Tat in dir 
Elektrotherapie mit elektromechanischen und elektrochemischen Kräften arbeiten: erstere wirkt-;, 
überwiegend in der Franklinisation, Faradisation und Arsonvalisation, letztere in der (iahIo¬ 
nisation. Durch feinsinnige Untersuchungen ist bewiesen w r orden, daß die WänuebilduDg !I1) 
menschlichen Körper während und noch einige Zeit nach jeder Franklinisation deutlich gesteh 
ist. Vortragender selbst beobachtete mehrfach eine sedative Wirkung bei Herzkranken, 
konnte er wiederholt ein Sinken des gesteigerten Blutdruckes mit dem Bascbscben Spby? 01 " 
manometcr nachweiscn. Von dom lokal vasomotorischen Effekt der Franklinisation kann 
sich leicht überzeugen, w T enn man die Hautveränderungen (Blässe, Rötung etc.) am Orte !Al j 
Applikation beobachtet. Ein unmittelbarer Einfluß auf die Respiration läßt sich nicht direkt i 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 581 


beweisen, ist aber wahrscheinlich. Die Erfolge bei Diabetes, Oxalurie und anderen Konstitutions- 
anomalien sind nur zu erklären, wenn man einen steigernden und beschleunigenden Einfluß der 
Franklinisation auf den Stoffwechsel anniramt. Auf Drüsengewobe wirkte dieselbe deutlich 
f^kretionsbefördernd, eine Eigenschaft, die Vortragender mehrfach in der Behandlung ent¬ 
sprechender Magen- und Darmstörunge mit Erfolg ausgenutzt hat. Am klarsten zeigt sich die 
Wirkung der Franklinisation auf das Nervensystem. Am Ergographen läßt sich nachweisen, 
•l-iti der franklinisierte Muskel langsamer ermüdet als der normale. Daß durch Franklinisation 
der Muskel direkt zur Kontraktion gebracht werden kann, ist schon lange bekannt; doch haben 
erst neuere Untersuchungen (u. a. von Jolly) gezeigt, daß dies auch noch gelingt, wenn andere 
Formen der Elektrizität versagen; eine Erfahrung, die auch elektrodiagnostisches Interesse 
beansprucht. 

„Über die physiologische und therapeutische Wirkung des Elektromagne¬ 
tismus^ sprach Nicol et (Brüssel). Nach einer Beschreibung des Instrumentariums, von dem 
jetzt das von Müller angegebene das üblichste ist, gab Vortragender einige physikalische 
Daten über den Elektromagnetismus. Die Kraftlinien des magnetischen Feldes durchdringen 
alle Substanzen, Glas, Porzellan, Marmor und Kleiderstoffe. Ebenso durchsetzen sie alle mensch¬ 
lichen und tierischen Gewebe, und können deshalb auf Muskeln, Nerven und tiefliegende 
Organe direkt cinwirken. Unsere sensiblen Nerven empfinden keine Sensation unter dem Ein¬ 
fluß der elektromagnetischen Strahlung. Im Experiment zeigt sich die Wirkung des Elektro¬ 
magnetismus mehr in chemischen als in physiologischen Phänomenen. Nur drei physiologische 
Erscheinungen sind bisher festgestellt: das optische Phänomen, die Vermehrung des Hämoglobin- 
Gehaltes des Blutes und die Steigerung des elektrischen Widerstandes des menschlichen Körpers. 
Von diesen ist besonders das erste Phänomen interessant und wichtig, weil sich jeder dadurch 
leicht an sich davon überzeugen kann, daß das magnetische Feld überhaupt eine physiologische 
Wirkung auf den Organismus besitzt. In Deutschland sind besonders die Arbeiten von 
Frankenhäuser auf diesem Gebiet bekannt geworden. Der Einfluß des Elektromagnetismus 
auf das Blut läßt sich am einfachsten durch Hämoglobinbestimmungen erkennen. Anstiege des 
Hämoglobingehaltes um 5—25 u /o 8 »nd beobachtet worden. Der elektrische Widerstand des 
menschlichen Körpers, der sich aus der Summe der Widerstände aller Gewebe zusammensetzt 
und im Mittel etwa 300 Ohm beträgt, zeigt nach vielen Untersuchungen gleichfalls eine 
Steigerung unter dem Einfluß des Elektromagneten. Was die the apeutische Verwendung des 
Elektromagneten betrifft, so wird übereinstimmend von allen Autoren, in Deutschland besonders 
von Eulenburg, die sedative und einschläfernde Wirkung des magnetischen Feldes hervor¬ 
gehoben. Daraus ergibt sich also als Indikation seine Anwendung bei Neuralgien und nervöser 
Insomnie. Bei krampfartigen Zuständen von Organen mit glatter Muskulatur (Magen, Darm, 
Blase) wurde ein deutlich antispasmodischer Einfluß beobachtet. Auch die ataktischen 
Störungen und die gastrischen Krisen der Tabiker wurden mit Erfolg elektromagnetisch be¬ 
handelt. Vortragender schließt sich auf Grund seiner eigenen nicht kleinen Erfahrung auf 
diesem Gebiete dem Aussprnch Eulenburgs an, daß die elektromagnetische Behandlung eine 
dauernde Bereicherung unserer physikalischen Heilmittel darstellt, um so mehr, als Bic niemals 
Keizerscheinungen oder Schädigungen verursacht. Die Anwendung des Elektromagneten ist 
sehr einfach. Die Intensität des magnetischen Feldes wird durch die Stärke des Wechselstromes 
reguliert. Man benutzt gewöhnlich Ströme von 3—30 Amperes, kann sie auch ohne Belästigung 
des Patienten auf 50—60 steigern. Der Radiator wird hinter dem Kopf oder längs der Wirbel¬ 
säule des Kranken aufgestellt, wenn man auf das Zentralnervensystem wirken will. Lokale 
Affektionen werden mit direkter Bestrahlung behandelt. Behandlung täglich 15—30 Minuten, 
später seltener. Dadurch, daß der Kranke sich nicht zu eutkleiden braucht, wird ihm jede An¬ 
strengung erspart; die Behandlung ist für Arzt und Patienten einfach und angenehm. 

„Cber die Behandlung von Magen-Darmstörung mit Elektrizität* sprachen 
Laquerri^re und Delherm (Paris). Sie sind der Ansicht, daß die Elektrotherapie eine der 
wichtigsten Behandlungsmethoden der verschiedensten Verdauungstörungen darstellt, voraus¬ 
gesetzt. daß die richtige Diagnose gestellt wird und man sich an strengste Indikationen je nach 
dem klinischen Befunde richtet. Die Vortragenden unterscheiden 1. die einfache Verstopfung 
und Colitis, bei der man die atonische und spastische Form scharf auseinanderhalten muß. 
Die leichteren Formen werden allgemein behandelt mit dem statisch-elektrischen Bade: bei den 


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582 


Berichte über Kongresse und Vereine. 


schweren atonischcn Fällen sind stärkere Applikationen angezeigt: Faradisation, Galvanisation 
mit Stromwendung. Die schweren spastischen Obstipationen sind nur mit milden Prozeduren 
z\\ behandeln, weil jede Beizung vermieden werden muß. Die Galvanisation ist hier am Platze. 
Für die Eutero-Colitis gilt dasselbe wie für die spastische Obstipation; die Elektrizität erzieh 
auch in anscheinend verzweifelten Fällen noch gute Resultate. 2. Die symptomatische Ver¬ 
stopfung und Colitis. Hier kommt es darauf an, die Grundursache zu beseitigen (Hämorrhoiden. 
Fissuren, gynäkologische Leiden). Die Verstopfung selbst darf nur behandelt werden, wenn 
sie trotz Besserung des Grundleidens bestehen bleibt 3. Die Diarrhöe. Sie wird mit starker 
Bauchfaradisation behandelt. Ein akzidenteller Durchfall wird damit schnellstens geheilt, der 
chronische wenigstens symptomatisch gebessert. Selbst bei tuberkulöser Eutcritis kann man 
die Zahl der Entleerungen erheblich herabsetzen. 

Jellinek (Wien) sprach „über die durch elektrischen Starkstrom hervor¬ 
gerufenen pathologisch-anatomischen Gewebsveränderungen besonders des 
Zentralnerven systems.“ In der menschlichen Pathologie und ebenso beim Tierversuch 
muß man, wenn der Tod durch Einwirkung des elektrischen Starkstromes eingetreten ist, 
unterscheiden, ob er sofort oder erst nach Sekunden und Minuten eingetreten ist. Im ersteren 
Falle wird man die primären d. h. sicher durch den Strom als solchen gesetzten Läsionen, 
im zweiten Fall die sekundären Veränderungen studieren können, die nach Überleben des 
elektrischen Schlages etwa durch Erstickung, Blutdrucksteigerung, chemische Veränderungen 
oder andere Faktoren verursacht werden. Vortragender, der hier nur die sekundären Ver¬ 
änderungen erörtert, unterscheidet dieselben in oberflächliche und solche an den Innen¬ 
organen. Die Veränderungen der Haut, die häufig Verbrennungen ähneln, aber bei intakten 
Kleidungsstücken Vorkommen können, haben große Ähnlichkeit mit den durch Blitzschlag ber- 
vorgerufenen Läsionen. Es gibt aber zwei Formen, die man als spezifisch elektrische 
Hautveränderungen ansehen muß: am Orte der Einwirkung liegt inmitten normaler Haut eine 
knorpelartige, grauweiße, spiegelglatte Masse, über die sich noch nichts Näheres aussagen 
pißt; dann ein VerbrenDungsfleck, der sich als aus einer Reihe rundlicher Herde zusammen¬ 
gesetzt erweist. Bei der Sektion durch Starkstrom getöteter Menschen und Tiere findet mn 
häufig an den inneren Organen nichts, bisweilen Blutaustritte an den verschiedensten Stelle. 
Vortragender konnte 5 durch Starkstrom verunglückte Monteure und etwa 200 experimentell 
getötete Tiere untersuchen, wobei sich makroskopisch fast keine Veränderungen fanden. Mikro¬ 
skopisch fand er am Zentralnervensystem frische und ältere Veränderungen. Die ersteren 
bestanden aus Blutaustritten, Gefäßrtipturen und Zellzcrtrtimmerungen, wobei die Hämorrhagica 
sich im Rückenmark auf die graue Substanz beschränkten. Neben auffallenden Veränderungen 
verschiedener Art an den Ganglienzellen wurde an einer solchen bei zw r ei Tieren das seltene 
Ereignis einer Blutung innerhalb einer Zelle beobachtet. Von sekundären Veränderungen 
stellte J. folgende fest: frische und ältere Degeneration des Rückenmarkes, Degeneration des 
Nervus ischiadicus und Veränderungen der Spinalganglien. — Die interessanten Beobachtungen 
des Verfassers sind bereits vor einigen Jahren monographisch erschienen. 

Haskovec (Prag) berichtet über Untersuchungen „über den galvanischen Wider¬ 
stand des Kopfes bei Neurasthenikern.“ Er fand, daß zwischen dem galvanischen 
Widerstand des Kopfes und dem arteriellen Blutdruck kein konstantes Verhältnis besteht. Auch 
bei einem ziemlich hohen Blutdruck (150—170 Gaertner) w r ar der Widerstand bald hoch bald 
niedrig. Unabhängig von dem an der Radialartcrie festgestellten Blutdruck trifft man meist 
einen relativ niedrigen Widerstand bei Hyperämie des Gehirns. Man kann mit ziemlicher 
Regelmäßigkeit beobachten, daß bei Neurasthenikern nach täglicher Kopfgalvanisation in 
wenigen Wochen der Widerstand steigt, wenn der Allgemeinzustand sich zu bessern beginnt 
und die neurasthenischen Symptome (Schlaflosigkeit, Schwindel etc.) abnehmen. Dieses 
Phänomen muß noch an einem größeren klinischen Material nachgeprüft werden, jedenfalls 
beansprucht es ein diagnostisches und prognostisches Interesse. Es läßt sich bis jetzt noch 
nicht entscheiden, ob es von den Zirkulationsverhältnissen oder der chemischen Konstitution 
des Schädelinbaltes abhängig ist. 

Von der „elektrischen Behandlung der Hydarthrose“ hat Planet (Paris) vor¬ 
zügliche Erfolge gesehen. Er verwendet den faradischen Strom, und zwar ohne die Extremität 
zu immobilisieren. Die Faradisation erstreckt sich zunächst auf die Muskulatur, die mit der 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


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Kathode von jedem einzelnen Muskelpunkt aus zur Kontraktion gebracht wird; diese soll je 
15-20 Sekunden dauern. Dann folgt die Faradisation des Gelenkes: Elektroden beiderseits 
neben dem Gelenk 5 Minuten. Die Wirkung dieser Behandlung zeigt sich bald in einer Ab¬ 
nahme des Ergusses und Besserung der Beweglichkeit. Man kann so Gelenkergüsse in 
wenigen Tagen zur Heilung bringen. 

Bienfait (Lüttich) sprach „über die Behandlung der nervösen Dyspepsie“. Es 
kommt zunächst darauf an, die Grundursache der nervösen Dyspepsie zu erkennen und zu be¬ 
seitigen. Wenn es sich dann dämm handelt, die trotzdem weiter bestehenden nervös dys¬ 
peptischen Symptome zu behandeln, erreicht man mit der Galvanisation ausgezeichnete Resultate. 
I>ie Anode wird am Rücken in der Gegend des 12. Brustwirbels, die Kathode in der Regio 
fpigastrica aufgesetzt. Um sie dem Pylorusteil nach Möglichkeit zu nähern, drückt man mit ihr die 
Rauchwand tief ein. Der Strom wird ziemlich schnell auf 30—50 M. A. gebracht, je nach der 
Empfindlichkeit des Patienten. Die Sitzungen sollen zehn Minuten dauern. Diese Behandlung 
kann noch mit der statischen Elektrizität und Hochfrequenzströmen unterstützt werden, eine 
Kombination, die besonders bei Hysterischen angebracht ist. 

Doumer und Maes (Paris) berichteten „über die Besserung eines Falles von 
Paralysis agitans durch elektrische Behandlung“. Ein 72jähriger Mann, der alle 
Symptome der Parkensonsehen Krankheit darbot, wurde fünf Wochen lang täglich fünf 
Minuten mit d’Arsonvalisation behandelt. Der vorher erheblich gesteigerte Blutdruck sank 
danach und alle Zeichen der Paralysis agitans verschwanden. 

Renault (Paris) sprach „über die Rolle der Elektrotherapie bei der Behandlung 
Unfallsverletzter“. Die Elektrizität kommt in zwei Formen zur therapeutischen Anwendung: 
direkt und indirekt. Direkt als galvanischer, faradischer, sinusoidaler Strom, als statische Elektri¬ 
zität und zur Galvanokaustik. Der galvanische Strom wird allein oder in Kombination mit dem fara- 
disehen zur Behandlung von Muskelatrophien traumatischen Ursprungs benutzt, die im Gefolge von 
Kontusionen, Luxationen, Frakturen usw. auftreten. Bei der isolierten Neuritis, die durch irgend¬ 
welche Schädigung (Stich, Schnitt etc.) des Nervenstammes verursacht wird, ist ebenso wie bei 
jeder symptomatischen Neuralgie der galvanische Strom am Platze. Außerdem muß aber der 
Muskel stets faradisch behandelt werden. Zur Galvanisation des Nerven bedient sich Vor¬ 
tragender mit Erfolg folgenden Verfahrens: die Anode wird an einem indifferenten Punkt auf¬ 
gesetzt, die Kathode in ein Wasserbad gelegt, in welches die zu behandelnde Extremität ein¬ 
getaucht wird. Dauer des Bades: 15—20 Minuten täglich; Stromstärke: 12—15 M.-A. Auch die 
im Gefolge von Verletzungen auftretendon Gelenkerkrankungen jeder Art (Arthritis, Ankylose, 
Synovitis etc) werden durch galvanische Behandlung günstig beeinflußt. Beim Hüft- und 
Schultergelcnk wird das Wasserbad durch große, gut durchfeuchtete Elektroden ersetzt Der 
taradtache Strom ist angezeigt bei den posttraumatischen Muskelatrophien, die nach allen mög- 
1 chen Verletzungen außerordentlich häufig zur Beobachtung kommen. Es kommt darauf an, 
jeden einzelnen Punkt mit dem faradischen oder galvano-faradisehen Strom täglich zu rhyth¬ 
mischen Kontraktionen zu bringen. Dadurch gelingt es, seine funktionelle Leistungsfähigkeit 
wieder herzustellen und die Atrophie zu beseitigen. Fast in allen Fällen kommt man in einem 
halben bis drei Monaten zum Ziel. Die Anästhesien, die häufig nach Verletzungen der Nerven 
oder der Zentralorgane auftreten, werden am besten mit der faradischen Bürste behandelt. 
Manche Autoren wollen bei Fällen, in denen die Galvano-Faradisation versagte, noch Erfolg 
von dem sinusoidalen Strom gesehen haben. Dasselbe gilt von den Hochfrequenz¬ 
strömen, denen allgemein eine beruhigende Wirkung auf schmerzhafte Affektioncn zugeschrieben 
w ird. Vortragender glaubt, daß möglicherweise von dieser Art der Elektrotherapie beim 
traumatischen Diabetes Erfolge zu erwarten seien. Die statische Elektrizität empfiehlt sich 
in Form des Bades zur Allgemeinbehandlung bei der traumatischen Neurasthenie und Hysterie, 
bie täglichen Sitzungen sollen 10—20 Minuten dauern und die sensiblen und 'motorischen 
Störungen, den Schlaf und die Verdauung günstig beeinflussen. Zu derselben Behandlung 
eignen sich auch besonders die hysterischen Kontrakturen und Lähmungen.] 

Die Elektrizität kommt ferner indirekt zur Anwendung zur Erzeugung von Bewegung 
\Mechano- und Vibrationstherapie), von Wärme (Thermothcrapie) und Licht (Phototherapie), 
bie Massage, die aktive und passive Gymnastik finden bei posttrauinatischen Bewegungs¬ 
störungen ausgiebigste Verwendung. 


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584 Berichte über Kongresse und Vereine. 


Die Vibrationsmassage eignet sich besonders zur Behandlung nach Kontusionen, wo sie 
die Resorption von Ergüssen beschleunigt, die Zirkulation verbessert und schmerzstillend wirkt. 
In der Thermothcrapio wird durch Elektrizität die trockene Hitze erzeugt, die als lokale* Bad 
oder als Thermophor benutzt wird; ferner die strahlende Hitze des Lichtbades, welche* sidi 
von anderen Schwitzbädern nicht wesentlich unterscheidet. Endlich geht Vortragender noch auf 
die große Bedeutung der Radioskopie für die Erkennung und Behandlung Verletzter ein m\ 
betont zum Schluß den Wert der Elektrodiagnostik in der Beurteilung und der Prognose - 
stellung von Unfallserkrankungen. 

Capriati (Neapel) sprach „Über die Elektrodiagnostik der primären progres¬ 
siven Muskclatrophie“. Nach Aufzählung der bekannten Ztickungsgesetze teilt Vortragender 
zwei Fälle von progressiver Muskelatrophie mit, in denen er die Erb sehe Reaktion (KSZ> ASZi 
und die Richsche Reaktion (KOZ > KSZ) nicht vom Nerven aus, sondern bei direkter galva¬ 
nischer Reizung des Muskels fand. Vortragender glaubt diesen Befund als für die progressive 
Muskelatsophie charakteristisch ansehen zu dürfen, da er ihn bei anderen Lähmungen und 
Muskelatrophien niemals erheben konnte. Er führt das Phänomen weniger auf die Schädignng 
des Muskels zurück, als auf den Umstand, daß gerade die intakte intramuskuläre Nervenfaser 
infolge des Muskelschwundes oberflächlicher und für die Elektrode leichter erreichbar, also 
leichter direkt erregbar wird. Das Symptom beansprucht eine hohe differential¬ 
diagnostische Bedeutung zur Unterscheidung der progressiven Muskelatrophie auf nervöser, 
neuritischer und myelopatischer Grundlage von der primären progressiven Muskelatrophie. 

Stefanesco-Zanoga sprach „Über die elektrische Behandlung der Sehnerven¬ 
atrophie bei Tabikern“. Wenn auch die meisten Beobachter von dieser Methode keinen 
Erfolg gesehen haben und ihr höchstens einen geringen suggestiven Wert zuerkennen, so sind 
doch einige Fälle publiziert worden, in denen teils vorübergehend, teils dauernd Erweiterung 
des Gesichtsfeldes und Besserung der Sehschärfe erzielt wurde. In allen diesen Berichten ist 
von schwachen Strömen und kurzen Sitzungen die Rede. Nach Einführung stärkerer Ströme 
und längerer Anwendung derselben in die Elektrotherapie durch Apostoli u. a. kam diYv 
Methode auch den Tabikern mit Op ikusatrophie zugute. L. Mann verwandte sic zuerst in 
solchen Fällen und scheint gute Resultate erzielt zu haben. Er benutzte Ströme bis zu 10M.A. 
und dehnte die einzelne Sitzung von einer halben bis zu einer Stunde aus. Vortragender tat 
nun diese Methode an zwei Fällen nachgeprüft und berichtet über ermutigende Resultate. Eine 
Patientin, die Finger nicht auf 25 cm sehen konnte, war nach vier Sitzungen imstande, Personen 
zu erkennen. Nach der achten Sitzung unterschied sie Farben und erkannte die Anordnung 
des zwei Meter entfernten Elektrisierapparates. Diese erhebliche Besserung bestand auch noth 
nach drei Monaten. In einem anderen Fall wurde ein ähnlicher Erfolg erzielt 

(Schluß folgt.) 


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Referate Uber Bücher und Aufsätze. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährangstherapie). 

W. Pippins, Om kärmnjftlk Tld digest ons- 
mbbningar bos sp&da barn. Finska läkare- 
sällskapets handlingar 1905. Nr. 1. 

Der Versuch, die Buttermilch zur Säuglings- 
o mäh rang zu verwenden, ist rein empirischen 
Ursprunges. Den Anstoß gab die Popularität, 
deren sich die Benutzung derselben zu diesem 
Zwecke in der holländischen Landbevölkerung 
erfreut P i p p i n g berichtet in der vorliegenden 
Arbeit über Erfahrungen an 22 Fällen, von 
denen neun als Journalauszüge mitgeteilt 
werden, unter Beifügung einer Anzahl von 
Bewiehtskurven. 15 von den Patienten befanden 
sich im ersten Lebensjahre. Die Mehrzahl litt 
an chronischen Digestionsstörungen, etliche 
waren außerdem anämisch und rachitisch. 
Die Zubereitung war folgende: Zu einem Liter 
Buttermilch w urden 15 g Weizenmehl und 60 g 
Rohrzucker zugesetzt, dann 15—20 Minuten 
unter stetigem Umrühren bis zum Siedepunkte 
erhitzt. Hierauf wurde die Flüssigkeit auf 
sterilisierte Flaschen verteilt. Die Versuche 
lehrten, daß die Buttermilch imstande war, in 
einer Reihe von Fällen zum Teil schwerer, 
chronischer Verdauungsstörungen da eine Bes¬ 
serung und Gewichtsvermehrung zu bewirken, 
wo andere Ernährungsweisen versagt hatten. 
Zuweilen war kein Erfolg zu erzielen, aber 
nur in einem Falle trat direkte Verschlimmerung 
ein. Es handelte sich hier um Obstipation. 
Zweimal, wo die Buttermilch 2y s —3 Monate 
ausschließlich verwendet worden war, wurden 
leichte Symptome von Barlowscher Krankheit 
beobachtet. Gerade in diesen Fällen war der 
sonstige Erfolg ausgezeichnet gewesen. Der 
Verfasser glaubt die Komplikation auf zu lange 
Erhitzung der Buttermilch zurückführen zu 
müssen. Die Fäces nehmen nach Gebrauch des 
Präparates eine charakteristische Beschaffenheit 
an. Sie zeigen die Konsistenz einer homogenen, 
ziemlich festen Paste, sind gelbbraun, schwach 
riechend, von alkalischer oder neutraler 
Reaktion. Eine Erklärung für die oft so 
Künstigc Wirkung eines Nahrungsmittels, das 


von dem natürlichen, der Muttermilch, so weit 
verschieden ist, ist schwer zu geben. Unter 
anderem könnte nach Ansicht des Verfassers 
die feine Verteilung des Kaseins von Bedeutung 
sein. Böttcher (Wiesbaden). 

Frledjung und Hecht, Über Katalyse und 

Ferinentwirkungen der Milch. I. Teil. 

Archiv für Kinderheilkunde Bd 37. Heft 3 4. 

Fried jung und Hecht haben die schon 
von Raudnitz, Marfan und Gillet beob¬ 
achtete Fähigkeit der rohen Kuh- und Frauen¬ 
milch, H-jO, in H,0 und 0 zu spalten, einem 
genauen Studium unter den verschiedensten 
Versuchsbedingungen unterzogen und eine 
Methode ersonnen, welche die Intensität dieser 
kataly tischen Funktion quantitativ zu be¬ 
stimmen gestattet. Es wurden meist 2 ccm 
der Milchprobe und ca. 25 ccm der käuflichen, 
3 Gewichtsprozent = 10 Volumprozent H a 0 2 
enthaltenden, exakt neutralisierten Wasserstoff¬ 
superoxydlösung bei einer unter 20° C liegenden 
Temperatur in einem entsprechend modifizierten, 
durch Kontrollversuche mit einem Präzisions¬ 
apparat als brauchbar erprobten Gärungs 
Saccharimeter (klinisches Katalyseometer) zu 
sammengebracht und nach 5 Minuten die ab- 
gespaltenen Gasvolumina abgelesen; hierbei 
kamen die Verfasser bezüglich der Katalyse 
zu etwa folgenden, aus den zahlreichen, in der 
Arbeit enthaltenen Versuchsprotokollen abzu¬ 
leitenden Resultaten: 

Zusatz von Chloriden der Alkalimetalle zur 
Frauenmilch, sowie medikamentös verabreichtes 
J K bewirken eine geringe Erhöhung, anti- 
formentative Substanzen wie Toluol und Thymol 
eine Abnahme der Spaltungsgröße, Zusatz von 
Alkaloiden (Morphin, Atropin, Curare,Strychnin 
bleibt ohne jeden Einfluß. Die von Schönbein 
behauptete Schädigung der Fermentation durch 
H,S läßt sich für die Katalyse nicht naehweisen. 
Durch mehrstündiges Stehen der Milch in «ler 
Eprouvette erleidet die SpaltungsfHhigkeit 
meist eine oft recht erhebliche Einbuße. 

Die katalytische Funktion ist thermolabil, 
I sie wird durch einmaliges Aufkochen und durch 


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586 Referate über Bücher und Aufsätze. 


1 stündiges Erwärmen auf 65 0 fast vollständig 
vernichtet, während bei nur ‘^ständiger Ein¬ 
wirkung selbst 80 ü noch eine geringe »Spaltungs- 
fähigkeit übrig lassen; höher spaltende Milch¬ 
proben zeigen eine größere Resistenz gegen 
Hitzeeinwirkung als die schwächer spaltenden. 
Der trockenen Hitze widersteht die katalytische 
Funktion viel besser als der feuchten. Gefrieren¬ 
lassen und Wiederauftauen bewirkt eine mäßige 
Verringerung der Katalyse. 

In weitaus der Mehrzahl der Fälle ist eine 
langsame, aber stetige Reduktion der Spaltungs- 
fähigkeit in aufeinanderfolgenden gleichen Zeit¬ 
intervallen nachweisbar. 

Die katalysierende Substanz der Frauen¬ 
milch ist nicht dialysierbar, es muß also der 
Träger der Katalyse ein colloider Körper oder 
morphotisch sein. Der Entfettung der Milch 
durch Äther kommt kein die Katalyse zer¬ 
störender Einfluß zu, jedoch katalysiert der 
durch Zentrifugieren der Milch gewonnene 
Rahm energischer als die zugehörige Mager¬ 
milch und die unterste Schicht der Magermilch 
spaltet — was durch den Gehalt an Proto¬ 
plasma bedingt sein dürfte — etwas mehr als 
die übrige Magermilch. Es ist nach diesem 
Verhalten der katalytischen Substanz einerseits 
bei der Entfettung, andererseits bei der Zentri¬ 
fugierung zwar das Fett als direkter Träger 
der Katalyse auszuschließen, aber ein indirekter 
Zusammenhang zwischen katalytischer Substanz 
und Fettkügelchen anzunehmen und der Schluß 
zu ziehen, dass entweder die strittigen Hüllen 
der Milchkügelchen oder die eigenartige An¬ 
ordnung der Milchplasmamoleküle um die Fett¬ 
kügelchen Träger, wenn auch nicht die aus¬ 
schließlichen Träger der Katalyse sind. Wie 
sich aus Filtrationsversuchen ergibt, besitzt 
auch das von den Milchkügelchen befreite 
Milchplasma eine mäßig intensive katalytische 
Fähigkeit, und auch den zeitigen Elementen 
kommt ein Anteil an der Spaltung zu. Größerer 
Zellengehalt der Milch bewirkt in der Regel 
eine sehr beträchtliche Steigerung der kata¬ 
lytischen Funktion; zuweilen ttbertrifft bei 
reifer Milch und bei Kolostrum eine zellfreie 
Milch an Spaltungsvermögen eine andere, die 
einen geringen Gehalt an zelligen Elementen 
aufweist. Mit dem Fettgehalt und daher auch 
mit dem spezifischen Gewicht der Milch, ebenso 
mit ihrem Gesamteiweißgehalt läßt sich die 
Spaltungsgröße in keine Relation bringen. 

Kuhmilch spaltet sehr schwach, meiBt nur 
spurweise; von anderen Fermenten enthält sie 
reichlich Oxydasen, während ihr das amylolytische 


und das salolspaltende Ferment fehlt. Gegen 
Hitzeeinwirkung und Zentrifugierung verhält 
sich die katalytische Funktion der Kuhmilch 
ähnlich wie diejenige der Frauenmilch. 

Eine gesetzmäßige Abhängigkeit des quanti¬ 
tativen Verhaltens von der Dauer der Spaltung, 
von der Spaltungsintensität der Milch und der 
Menge der zugesetzten Milch ließ sich bei der 
Superoxydatkatalyse der Frauenmilch nicht 
nachweisen; bei Verdoppelung der Milchmenge 
herrschte in etwa der Hälfte der Versuche, 
von geringen Abweichungen abgesehen, Pro¬ 
portionalität, in der anderen Hälfte Reduktion 
der Spaltungswerte im Ausmaße der von 
Schütz für Pepsin aufgestellten, von Pawlow 
auch für Trypsin, Ptyalin und die spaltenden 
Fermente überhaupt bewiesenen Regel (daß 
für nicht zu konzentrierte Pepsinlösungen die 
gebildeten Peptonmengen den Quadratwurzeln 
der relativen Pepsinmengen gerade proportional 
sind). Wurden Milchproben verschiedener Frauen 
zu gleichen Teilen gemischt (10 Versuche), so 
entsprach der Spaltungswert der Mischung nnr 
einmal dem arithmetischen Mittel aus den 
Spaltungswerten der Komponenten, während 
er in allen anderen Fällen über dasselbe hinaus¬ 
ging und hierbei in vielen Fällen die Katalyse 
Reduktion der Multipla gemäß der Schütr 
sehen Regel aufwies. Wurde die Milch der 
selben Frau, zu verschiedenen Zeiten whi 
gleichzeitig beiden Brüsten entnommen, w 
gleichen Teilen gemengt, so war unter 
12 Proben nur 6 mal der Spaltungswert der 
Mischung höher als das arithmetische Mittel 
und nur-6 mal dem nach der Schützschen Regel 
berechneten Werte nahe oder gleich. Die 
Frage, worauf diese biologisch interessante 
Verschiedenheit der Milchen je nach ihrer 
Provenienz von derselben oder von verschie¬ 
denen Frauen beruht, vermögen die Verfasser 
vorläufig nicht zu beantworten. 

Was die Beziehungen zwischen der ILCh- 
Katalyse und den bekanntesten spezifischen 
Fermenten der Frauenmilch anlangt, so ergab 
sich, daß sie von dem fraglichen glykolytischen 
Ferment allein nicht abhängig ist, daß zwischen 
Katalyse einerseits und proteolytischem Fer¬ 
ment, Lipase (Monobutyrinase), Fibrin fermenten 
andererseits keine Beziehungen bestehen, wohl 
aber gewisse Beziehungen der Spaltungsgröß* 
zu den hydrolytischen Fermenten (salolspaJ* 
tendes Ferment und Amylase) und zu <ien 
Oxydasen vorhanden sind. Die Frauenmilch* 
oxydase verhält sich zur Katalyse wesentlich 
anders als die Kuhmilchoxydase, denn Knh- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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milcli spaltet, obgleich sie an Oxydase reich 
ist, kaum je mehr als Spuren ab. Wieviel die 
katalytische Fähigkeit der Milch mit der Ge¬ 
samtsumme der „aktiven Substanzen“ zu tun 
hat die den Wert der Milch ausmachen, ist 
bisher noch eine offene Frage. 

Hirschei (Berlin). 


Kemoji Sasaki, Experimentelle Unter¬ 
suchungen Aber die Bedeutung der Extrak- 
tirstoffe des Fleisches für die Magenver- 

dtuung. Ans der experimentell-biologischen 
Abteilung des pathologischen Instituts der 
Universität Berlin. Deutsche medizinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 19. 


Aus den Untersuchungen des Verfassers 
geht hervor, daß die Darreichung von Extraktiv¬ 
stoffen des Fleisches kurze Zeit vor der Auf¬ 
nahme der eigentlichen Nahrung die Magen¬ 
schleimhaut disponiert, auf die Nahrung mit ] 
tiner viel intensiveren und nachhaltigeren Pro¬ 
duktion eines verdauungskräftigen und in seinem 
•\inregehalt höher wertigen Saftes zu reagieren, 
als es der Schleimhaut ohne die voraus- 
gigangcne Gabe dieser Extraktivstoffe möglich 
ist. Fritz Loeb (München). 


A. Jaquet, Über Trockenmilch und ihre 
Verwendung als Nahrungsmittel. Korresp.- 
Bl. f. Schweizer Ärzte 1904. Nr. 23. 

Die Herstellung des von der Firma J. Klaus 
in Locle und Morteau in den Handel gebrachten 
pondre de lait complet Klaus“ geschieht 
derart, daß Milch in feinem Regen auf zwei in 
entgegengesetzter Richtung rotierende Zylinder 
fällt, die von innen mit Dampf von drei Atmo¬ 
sphären Druck bis zu einer 100° C übersteigen¬ 
den Temperatur erhitzt werden. Zwischen 
Milch und Zylinderfläche bildet sich dabei eine 
Wasserdampfschicht, so daß eine unmittelbare i 
Berührung der Milch mit der heißen Fläche 
nud somit eine Überhitzung des Produktes 
vermieden wird. Nach der Trocknung gewinnt 
nian ein Pulver, die sogenannte Trockenmilch. | 
Durch Vermischung desselben mit warmem i 
Wasser erhält man eine Flüssigkeit, die sich 
von der natürlichen Milch kaum unterscheidet, 
indem sie vor allem das Fett in gleichmäßiger 
feiner Emulsion enthält. Darin erblickt Jaquet 
zunächst schon einen wesentlichen Vorteil 
gegenüber sterilisierter Flaschenmilch, in der 
sich der abgeschiedene Rahm oft zu festen, 


auch durch Erwärmen nicht mehr emulgierbaren 
Klumpen zusammenballt. Ihrer Herstellung ent¬ 
sprechend ist die Milch natürlich steril, womit 
weiterhin Zusammenhänge daß der an sich 
geringe Aziditätsgrad sich bei Zimmertemperatur 
während 48 oder gar 72 Stunden kaum ver¬ 
ändert. Auch die große Haltbarkeit des Prä¬ 
parates ist wohl auf die Keimfreiheit zurück¬ 
zuführen. Um eine der Kuhmilch entsprechende 
Milch zu gewinnen, nimmt man nach Jaquets 
Analysen 136 g Trockenmilch auf 1 1. Bei 
Labeinwirkung erhält man ähnlich wie bei 
Frauenmilch eine körnige Creme, während nach 
Zusatz eines löslichen Kalksalzes echto Ge¬ 
rinnung eintritt. Da Jaquet nun ferner durch 
Versuche an sich selbst und an seinem sieben 
Monate alten Knaben die gute Ausnutzung 
erweisen konnte, so steht er nicht an, das 
Präparat zur weiteren Prüfung zu empfehlen. 
Die Vorzüge desselben bestehen vor allem 
darin, daß man ohne umständliche Apparate 
und Sterilisicrungsmethoden sich jederzeit in 
kürzester Zeit Milch bereiten kann. Das kann 
für die Versorgung großer Zentren mit un¬ 
verdorbener Milch für die Kinderernährung 
von Wichtigkeit werden. Jaquet hat aber 
weiterhin auch die Milch Versorgung von Heer, 
Marine und tropischen Ländern im Auge, und 
schließlich könnte die Trockenmilch auch als 
Nährpräparat den verschiedenen Speisen zu¬ 
gesetzt werden und so zu einer Steigerung des 
Nährgehaltes der Krankenkost dienen. In bezug 
auf Geschmack unterscheidet sich die nach dem 
neuen Verfahren gewonnene Milch nicht von 
gekochter oder sterilisierter Milch. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 


G. Bardel, Dangers de la Suralimentation 
chez malades soupqonnls de tnbercnlose. 
Bulletin g6n6ral de Therapeutiquo Bd. 149. 
Heft 12. 

Verfasser bespricht einen Fall aus seiner 
Praxis. Er warnt davor, jeden Tuberkulose- 
verdächtigen unterschiedslos einer Über¬ 
ernährung zu unterziehen. Denn häufig werde 
gerade das Gegenteil von dem, was beabsichtigt, 
erreicht. Ja, die Überernährung könne selbst 
in Verbindung mit einer Bronchitis eine Tuber¬ 
kulose vortäuschen, wenn sic zufällig bei einem 
— latent — dyspeptischen Kranken angewandt 
werde. Es entstehe dann leicht eine Intoxi¬ 
kation, die zur Reizung des Nervensystems 
führe und die sich in Fieber, Husten, Kopf- 
und Rückenschmerzen, Abmagerung etc. äußern 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


588 


könne. In der Tat gelang es Verfasser in j 
seinem Falle alle diese Symptome dadurch | 
zum Schwinden zu bringen, daß er die Über- | 
ernährung sistierte und die Nahrungsaufnahme 
ganz bedeutend einschränkte. Verfasser hat den 
Patienten noch längere Zeit beobachtet und 
dabei konstatieren können, daß sich an jede 
vermehrte Nahrungsaufnahme sofort wieder alte 
Symptome, Husten und Neuralgien, einstellten, 
die dann stets wieder prompt verschwanden, 
w enn das vorgeschriebene Regime innogehalten 
wurde. F. Lots (Friedrichroda i. Thür). 

Albu, Die Behandlung der Hyperazidität und 
der Hypersekretion des Magens. Therapie 
der Gegenwart 1905. Heft 4. 

Ohne auf die Differentialdiagnose der ver¬ 
schiedenen Erscheinungsformen der Hyperazi¬ 
dität näher einzugehen, gibt Albu beherzigens¬ 
werte Ratschläge in bezug auf die allgemeine 
Behandlung derselben, indem er als Typus die 
hauptsächlichste Form, nämlich die nervöse 
Übersäuerung nimmt. Mit Recht macht er darauf 
aufmerksam, daß keineswegs die im Augenblick 
so wohltätig erscheinende Eiweißkost auf die 
Dauer das Leiden günstig beeinflußt, sondern 
daß eher eine vegetabilische Kost imstande 
ist, die Neigung zur Übersäuerung allmählich 
zu vermindern. Allerdings muß man dabei sehr 
sorgfältig vorgehen in bezug auf Auswahl und 
Zubereitung der Zerealien, der Gemüse, des 
Obstes, auf Vermeidung von blähenden, schwer 
verdaulichen Speisen. Von Eiweißstoffen sind 
die vegetabilischen neben mäßiger Fleischkost 
zu bevorzugen. Von Fetten w f erden besonders 
beste, reine Butter, Sahne, Eier und eventuell 
löffelweise öl empfohlen. Dabei soll man 
häufige kleine Mahlzeiten geben, besonders auch 
spät abends und früh morgens. Magenaus- 
sptilungon sind zur Erzielung von Nachtruhe, 
besonders spät abends vorgenommen, nützlich. 
Hinterher kann man mit Vorteil ein Alkali dem 
Magen einverleiben. Innerlich ist fiir viele 
Fälle ein Pulver von Belladonna, Bismut, 
Magnesia, Natrium bicarbonicum nützlich. 

Die Therapie der verschiedenen Arten der 
Hypersekretion des Magens muß besonders 
das Gmndleiden berücksichtigen, und unter 
Vermeidung von zu viel Flüssigkeit sich an 
ähnliche Prinzipien halten wie bei der Hyper¬ 
azidität. Die Schrift kann als kurze, recht 
brauchbare Anleitung zur Behandlung dieser 
Krankheit dienen. ! 

Determann (St. Blasien-Freiburg i. B.). i 


H. Salomon, Über Durstkuren besonders 
bei Fettleibigkeit. 6. Heft der Sammlung 
klinischer Abhandlungen über Pathologie mul 
Therapie der Stoffwechsel- und Ernährung* 
Störungen Berlin 1905. August Hirschwahl. 

Die sehr verdienstvolle Arbeit von Salo¬ 
mo n bringt über eine Frage Klärung, die nur 
allzu kritiklos seit Jahren aufgefaßt wurde, 
und deren scheinbar günstige Ergebnisse ah 
Faktor der Empirie anstandslos hingenommen 
wurden, nämlich über die Einwirkung von 
Flüssigkeitsentziehungen auf den Stoffwechsel 
des Menschen. Und während alle bisherigen, 
nach dieser Richtung hin tendierenden physio¬ 
logischen Versuche an Tieren an gestellt wurden 
und mithin ein nicht schlankweg auf den 
menschlichen Organismus zu übertragendes 
Fazit ergaben, hat Salomon seine Versuche 
an Menschen anstellen und damit einen exakten 
Beweis von dem Wert und Wesen der Durst¬ 
kuren erbringen können. Aber auch dertbeo 
retfsebe Teil, der der Schilderung der dies¬ 
bezüglichen Versuche vorangeht, zeichnet sieb 
durch solch übersichtliche Klarheit aus, daß 
die Lektüre der Arbeit w’ohl jedem Nutzen nnd 
mannigfache Anregung bringen dürfte. 

Im ersten Teil wird eine historisch-klinisch 
Übersicht über die therapeutische Auwendüi; 
von Durstkuren bei Erkrankungen «ler Blut 
gefäße, des Magens, Herzens, der Nieren m\ 
endlich der Fettleibigkeit gegeben, die ent¬ 
sprechenden Theorien von Schroth und vor 
allem von Oertel und Schweninger einer 
kritischen Betrachtung unterzogen, um dann 
eine kurze Übersicht über die physiologischen 
Untersuchungen betreffend die Einwirkungen 
des Dürstens auf den Organismus zu geben 
Verfasser stellt mit Recht fest, daß in dem 
Oertel - Schweningerseben System die 
Flüssigkeitsbeschränkung nur einen höchst 
unbedeutenden und unwesentlichen Teil der 
Entfettungskur ausmacht, daß vielmehr die da 
neben ordinierten, strengen diätetischen Ma߬ 
nahmen, die nicht wesentlich von der alten 
Bantingkur differieren, die Hauptsache ist. Die 
experimentellen Arbeiten, die sieh mit den 
Einwirkungen des Dürstens auf den Organismus 
befassen, sind sehr widersprechend. Fest steht 
nur, daß sehr starke Wasserbeschränkung, die 
bis zum quälenden Durst führt, beim Tier wie 
beim Menschen Steigerung der N- Ausscheidung 
zur Folge hat; dieselbe ist als Ausdruck eines 
toxogenen Gewebszerfalls zu betrachten. 1 m 
diesen zweifellos ungünstigeu und gefährlichen 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 589 


Einfluß auf die Eiweißzersetzung deutlich 
hervortreten zu lassen, bedarf es aber einer 
Wasserbeschränkung, die viel energischer ist, , 
als man sie bei Fettleibigen etc. zur thera- j 
peutischen Anwendung bringt. Die eigenen 
Versuche Salomons, die vier Fälle von 
< lilorosc und Anämie, einen Fall von chro¬ 
nischer Nephritis und zwei von Fettleibigkeit 
betrafen, wurden derart vorgenommen, daß die 
Nüchternwerte des Sauerstoffverbrauchs in einer 
Vorperiode unbeschränkter Wasserzufuhr, dann 
in einer Hauptperiode der Wasserbeschränkung 
und endlich in einer Nachperiode von minder 
zwangloser Flüssigkeitszufuhr festgestellt wur- | 
den. Diese Methode dient als Maßstab für die , 
Oxydationsgrößo und für die Lebhaftigkeit der I 
Verbrennungsvorgänge im Organismus. Als | 
Kontrolle der Flüssigkeitsaufnahme dienten i 
Menge, spezifisches Gewicht und Aussehen des 
I rins, sowie die Dichte des Blutes und Blut¬ 
serums. Bemerkenswert war von vornherein, 
daß das Dürsten zu einer unwillkürlichen und 
deutlichen Verm indenin g der gesamten Nahrungs¬ 
aufnahme führte, eine Erfahrung, die äußerst 
wichtig für die Deutung der durch Fliissigkeits- 
besehränkung erzielten Entfettungen ist Die | 
Ergebnisse der Versuche waren nun die, daß i 
bei keinem ein Anwachsen des Sauerstoff¬ 
verbrauches während der Durstperiode zutage 
trat, ein Mensch also, den man bei gleicher j 
Nahrungszufuhr wie früher dürsten läßt, wohl i 
wasserarmer, unter Umständen auch eiweiß- | 
ärmer, aber nicht fettärmer wird. Als sicher- i 
gestellte Folgen der Wasserbeschränkung nimmt 
•Salomon an: 1. Entlastung des Magens, Ver¬ 
minderung des auf seiner Innenwand lastenden 
Druckes. 2. Verminderung der Gesamtleistung 
<les Zirkulationsapparates, Schonung des 
Herzens. 3. Eindickung der Körpersäfte. 4. Ver¬ 
minderung des Körpergewichts durch Wasser- 
verlustc aus Blut und Geweben 5. Herabsetzung 
des Appetits. 6. Erhöhung des Eiweißzerfalles 
• bei hochgradiger Wasserentziehung). Auf 
brund dieser Faktoren läßt sich die Wasser¬ 
beschränkung therapeutisch nutzbar machen bei 
der Fettleibigkeit an sich mit kaum nennens¬ 
wertem Resultate, dagegen aber beim Fettherz, 
wo jede Entlastung seiner Tätigkeit von 
großem Wert ist. Indirekt kann bei einer 
Heike von Fettleibigen — die Fälle sind aber 
sehr zu individualisieren — durch Beschränkung 
•ler Flüssigkeit, Herabsetzung des Appetits 
imd damit sekundär eine Entfettung erzielt 
werden. Rationell ist ferner eine w r cise Be¬ 
schränkung der Flüssigkeit bei der Chlorose, i 


wo in manchen Fällen eine Überladung mit 
Gewebswasser vorhanden ist, bei der Leber- 
cirrhose, bei Magen- und Darmblutungen. In 
allen Fällen aber ist das Verfahren nur auf 
Grund sorgfältiger Erwägung aller Umstände 
einzuschlagen. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München'. 

M. Heinrich, Zar Methodik and Kasaistik 
der Behandlung von Darmkrankheiten mit 
Heidelbeerdekokt« Blätter Air klinische 
Hydrotherapie 1905. Nr. 1. 

Verfasser hat Versuche mit Darmspülungen 
von Heidelbeerdekokt bei katarrhalischen und 
ulzerösen Erkrankungen des Dickdarms sowie 
bei der Enteritis membranacea angestellt und 
Erfolge erzielt, die denen mit Klysmen von 
Adstringenden völlig ebenbürtig waren. Die 
Anwendung geschah in der Weise, daß nach 
einem Reinigungsklistier von Warmwasscr (40°) 
das lauwarme Heidelbeerdekokt in einer Menge 
von 1—1 Va 1 eingegossen und ca. 10 Minuten 
im Darm gelassen wurde. Dieselben wirken 
schmerzstillend und die membranösen Darm¬ 
abgüsse evakuierend. In den beschriebenen 
Fällen trat nach einer Behandlung von durch¬ 
schnittlich drei bis vier Wochen völlige Heilung 
ein. J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

Cushlng, E« F« and Clarke, T« W«, Copioas 
water-drinkihg and polynrla in typhold 
fever« 4 contrlbntlon to treatment. The 

Americ. Joum. of the med. Sciences 1905. 
Februar. 

Die Beobachtungen der Verfasser wurden 
1903 04 während einer größeren Typhusepidemie 
in Cleveland (Ohio) folgendermaßen angcstellt: 
In Vorversuchen — und später allgemein — 
erhielten [50] Typhuspatienten alle 15 Minuten 
schluckweise 100 -150 ccm Wasser und wässerige 
Flüssigkeit (Milch, Eiweißwasser) verabreicht, 
bis 6 Liter pro die. Da es sich zeigte, daß 
die Ausscheidung der Flüssigkeit durch den 
Urin sofort in proportionalen Mengen statt¬ 
findet, w r urde die Hälfte aller Typhuspatienten 
in dieser Weise, die andere Hälfte in her¬ 
kömmlicher Weise behandelt. Durch die neue 
Behandlung wurden Bäder seltener nötig, 
Kopfschmerzen wenig bemerkt, Eisbeutel kaum 
gebraucht, die Mundpflege erleichtert, Apathie, 
Gcbörstörungen, Unruhe (Delirien) seltener be¬ 
obachtet, überhaupt die Pflege vereinfacht und 
Komplikationen oft vermieden: über 100 so 


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590 Referate über Bücher und Aufsätze. 


behandelte Fälle werden mit 50 nach allgemein 
üblicher Methode behandelten verglichen (Ta¬ 
bellen), und die Autoren entscheiden zugunsten 
ihres neuen Vorgehens auf Grund von sorg¬ 
fältigen Analysen bezügl. aller komplizierenden 
Nebenerscheinungen und konsekutiven Nach¬ 
krankheiten. Mortalität bei der neuen Methode 
5%, bei der alten ca. 8%. 

Erwünscht wäre hier eine Nachprüfung 
mit besonderer Berücksichtigung des bakterio¬ 
logischen Befundes und Prüfung der Funktion 
des Herzens (Ref.). R. Bloch (Coblenz). 

W. Stoeltzner, Zur Behandlung der Ne¬ 
phritis. Medizinische Klinik 1905. Nr. 41. 

Verfasser hatte Gelegenheit, die neueren 
Angaben besonders französischer Autoren über 
die günstige Einwirkung derKochsalzentzichung 
auf den Verlauf der akuten und subakuten 
Nephritis an einem eklatanten Fall bestätigen 
zu können. Die Erfolge der reinen Milchdiät 
schreibt man neuerdings auch größtenteils ihrer 
Kochsalzarmut zu, doch beträgt die Aufnahme 
an Kochsalz in 3 Litern Milch immerhin noch 
4,5 g pro die, während eine gemischte Kost, 
die ohne Kochsalz zubereitet wird, nur den ! 
dritten bis vierten Teil dieser Menge enthält. 1 
Eine solche Diät hat auch den großen Vorzug, 
daß sie gern genommen wird und einige Ab¬ 
wechslung bietet. Stoeltzner beobachtete 
ein 2y 2 jähriges Kind mit subakutor Nephritis, 
starkem Odem, Ascites und Schlafsucht, welches 
bei reiner Milchdiät, Bettruhe und Schwitz¬ 
bädern nur wenig gebessert worden konnte, i 
Jetzt wmrde ihm eine gemischte Kost ohne 
Kochsalz gereicht, bestehend aus verdünnter 
Milch mit Haferschleim, Gemüse, Kartoffelbrei, 
Grießbrei mit Fruchtsaft und Kompott. Erst 
vom vierten Tage ab trat eine plötzliche er- I 
staunliche Besserung ein, Gewichtsabfall um 1 
4450 g in vier Tagen, Rückgang des Eiwei߬ 
gehaltes von 1,2% auf 0%, Verschwinden der 
Ödeme etc. Der Urin blieb drei Tage eiwei߬ 
frei, dann trat aber wieder Eiweiß auf. Ver¬ 
fasser empfiehlt, um eine wahre Schonungs- 
diät für die Nieren zu erzielen, außer der 
Kochsalzentziehung auch das Fleisch aus der j 
Nahrung zu streichen, nachdem aus den 
v. Koranvisehen Versuchen bekannt ist, daß 
ödematöse Nephritikcr auch auf Steigerung der 
Eiweißzufuhr mit auffallender Zunahme der ! 
Ödeme reagieren. Also vegetarische Kost in 
reichlicher Menge ist die beste Diät für den 
Nephritiker. W. Alexander (Berlin). 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

Bai sch, Indikationen nndKontraindikationtn 
der Vaporisation des Uterus. Therapie der 
Gegenwart 1905. Heft 7. 

Über den Nutzen und die etwaigen Nach¬ 
teile der Vaporisation herrschen noch immer 
' sehr geteilte Anschauungen. Bai sch erkennt 
als einzig vollberechtigte Indikation im wesent¬ 
lichen nur die präklimakterischen unkompli¬ 
zierten Blutungen bei chronischer Metro-Endo- 
metritis an. Hier kann mit ihrer Hilfe in 
manchen Fällen die Totalcxstirpation vermieden 
i werden. Bedingung ist aber, daß durch ein 
i vorausgegangencs Curettement und mikro¬ 
skopische Untersuchung desselben ein maligner 
Prozeß mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Nach 
seinen Erfahrungen an 11 Fällen ist dagegen 
die Vaporisation im fortpflanzungsfähigen Alter 
eine unzuverlässige, in ihren Wirkungen nicht 
| zu berechnende Methode, die bald zuviel, bald 
| zuwenig leistet und hei der eine Heilung dem 
Zufall anheimgestellt ist Auch Air die Sterili¬ 
sierung ist die Methode nicht zuverlässig genng. 
da man nicht absolut sicher in der Hand hat. 
den Uterus total zu veröden resp. bei zu inten¬ 
siver Anwendung Gefahr einer Uterusperforatipfi 
läuft. Als Kontraindikation sieht er alle chro- 
nischcn oder akuten Infektionen des Uterus äh. 
im Gegensatz zuPincus, der glaubt, in Fällen 
von Sepsis durch die Dampfanwendung den 
Uterus steril machen zu können, was aber nicht 
möglich ist Die von Pincus beschriebene 
Zestokausis, Anwendung eines geschlossenen 
Metallkatheters, in dessen Inneren Dampf 
zirkuliert, ist als ein vollständig entbehrliches 
Verfahren, das nur schaden, nicht nützen kann, 
zu charakterisieren. Leo Zuntz (Berlin). 


Roloff, Physikalisch-chemische Grundlagen 
für die therapeutische Beurteilung der 
Mineralwässer. Therapeutische Monatshefte 
1904. Heft 9/10. 

Verfasser wendet sich zunächst gegen die 
ziemlich verbreitete Annahme, daß die natur 
liehen Mineralwässer außer den bereits nach¬ 
gewiesenen noch andere, chemisch nicht nach 
weisbare, aber therapeutisch wirksame Bestand 
teile hätten. Nach seiner Auffassung, und darin 
wird ihm wohl nicht widersprochen werden 
können, ist es sehr unwahrscheinlich, daß 
prinzipielle chemische Unterschiede zwischen 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


591 


natürlichen und künstlichen Mineralwässern 
bestehen, und daß es nicht möglich sein sollte, 
bei genügender Sorgfalt ein dem Originalqueli 
chemisch ganz identisches Mineralwasser her- 
zustcllen. Weiter haben die Mineralquellen 
nur die physikalischen Eigenschaften, die 
ihnen zufolge ihrer chemischen Zusammen¬ 
setzung zukommen, und die genau die gleichen 
sind, welche die entsprechenden Salzlösungen 
ebenfalls besitzen. Im Anschluß an eine Kritik 
der bisherigen physikalisch-chemischen Unter¬ 
suchungen der Mineralwässer knüpft dann Ver¬ 
fasser eine Besprechung der allgemeinen Grund¬ 
lagen für derartige Untersuchungen. Es würde 
hier zu weit führen, näher auf die interessanten 
Ausführungen einzugehen, und es muß dies¬ 
bezüglich auf das Original verwiesen werden. 
Nur einige wichtige Schlußsätze des Verfassers 
mögen hier Platz finden. Gegenüber der oft 
gehörten Behauptung, die Energie des Körpers 
werde durch Zuführung von Mineralwässern 
«jnantitativ vermehrt, betont der Autor und 
tegriindet ausführlich, daß die Veränderungen 
rein qualitativer Natur seien, da die Ge- 
4 amtenergie des Organismus, ebenso wie die 
des Mageninhalts genau die gleiche bleibt, und 
nur der arbeitsfähige Bruchteil, die sog. 
freie Energie, bei der ersteren vergrößert, 
bei der letzteren vermindert wird. Wichtiger 
als die osmotischen Wirkungen der Mineral¬ 
wässer erscheinen dem Verfasser die chemi¬ 
schen; über diese würden wir aber wohl nicht 
eher volle Klarheit gewinnen, als nicht das 
therapeutische Verhalten der einfachen Salz¬ 
lösungen, d. h. der einzelnen Ionen und Ionen- 
kombinationon, genau bekannt sei. Erst wenn 
diese Forderung erfüllt sein werde, würden 
wir künstliche Mineralwasser hersteilen können, 
welche, weit entfernt davon, sklavische Nach¬ 
ahmungen der natürlichen Quellen zu sein, 
diese letzteren an Wirksamkeit sogar über¬ 
treffen würden. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 


Kionka, Über neue Mineralquellen. Medizin. 

Klinik 1905. Nr. 2. 

Kionka berichtet über drei neue Mineral¬ 
quellen: die „Kaiser Rnprechtquelle“ am linken 
I fer des Rheins in der Nähe des Rhenser 
Sprudels, die „Donarquelle“ bei Fritzlar, und 
die „Großherzogin Karolinenquelle“ zu Wil¬ 
helmsglücksbrunn bei Creuzburg an der Werra. 
Die erste ist eine alkalisch-salinische Quelle, 
die sich in ihrer Zusammensetzung den Karls¬ 


bader Quellen nähert, aber an Intensität wesent¬ 
lich hinter diesen zurücksteht, dagegen zur 
Verwendung als diätetisches Getränk geeignet 
ist. Die Donarquelle ist ein alkalisch-erdiger 
Säuerling und reiht sich in ihren therapeutischen 
Indikationen den Wildunger Quellen an. Die 
dritte Quelle ist eine Solquelle, die neben Koch¬ 
salz noch erhebliche Mengen von schwefel¬ 
sauren Salzen der alkalischen Erden enthält 
und daher dem Schönbornsprudel zu Kissingen 
und namentlich dem Bonifaziusbrunnen zu Salz¬ 
schlirf ähnlich ist; es besteht die Absicht, diese 
Quelle nach Eisenach zu leiten und dort zu 
Kurzwecken zu verwenden, so daß dieser Ort, 
der bekanntlich bereits durch seine herrliche 
Lage ausgezeichnet ist, nunmehr auch als Bade¬ 
ort Bedeutung gewinnen würde. 

Gotthelf Marcu8e (Breslau). 


Sarason, Über moussierende Sauerstoff¬ 
bäder. Deutsche medizin. Wochenschr. 1901. 
Nr. 45. 

Sarason stellt moussierende Sauerstoft- 
bäder in der Weise her, daß er Superoxyde 
im Badewasser auflöst und den labilen „Übor- 
sauerstoff“ durch Hinzugabe von katalytisch 
wirkenden Substanzen abspaltet. Die Bäder 
würden im allgemeinen dieselben Indikationen 
haben wie die Kohlensäurebädcr, besitzen aber 
vor den letzteren den Vorzug, daß die über 
dem Wasserspiegel lagernde, oft unerwünschte 
Kohlensänreatmosphäre fehlt und durch eine 
sauerstoffreiche Luftschicht ersetzt wird. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 

Carl Pick, Korzgefaßte praktische Hydro¬ 
therapie. Zweite verbesserte Auflage. Wien 
und Leipzig 1905. Wilhelm Braumüller. 

Daß dieses Buch, dessen erste Auflage im 
VH. Bande dieser Zeitschrift (S. 237) ausführlich 
besprochen worden ist, bereits in zweiter Auf¬ 
lage erscheint, beweist am besten, daß es einem 
Bedürfnisse entspricht. Vor allem verdient 
dieses Werk eines langjährigen Schülers 
Winternitz 1 deshalb Beachtung, weil es fast 
ausschließlich praktischen Zwecken dient, 
und weil sowohl bei der hydrotherapeutischen 
Systematik wie auch bei der Besprechung der 
hydriatischen Behandlung der einzelnen Krank¬ 
heiten überall die praktische Seite ohne lange 
theoretische Erörterungen in erster Linie be¬ 
rücksichtigt ist. 


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592 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Durch präzisere und sorgfältigere Aus¬ 
arbeitung der einzelnen Kapitel ist die zweite 
Auflage wesentlich verbessert worden. Immer¬ 
hin bleiben einige Wünsche für spätere Auf¬ 
lagen noch zu erfüllen. So vermißt man sehr 
eine Besprechung der so wichtigen hydria- 
tischen Behandlung des Asthma bronchiale; 
eine kurze Erwähnung von Methodik und In¬ 
dikation der elektrischen Glühlichtbäder 
würde gewiß mancher Leser auch in einem 
Lehrbuche der Hydrotherapie gerne finden. 

A. Laqueur (Berlin). 

M. Hirsch, Bemerkungen Uber künstliche 
Kohlensäurebäder. Allgem. med. Zentral- 
Zeitung 1903. Nr. 22. 

Alle Anforderungen, die an ein künstliches 
KohlensäuFebad gestellt werden können, werden 
nach Hirsch durch die sog. „Perlbäder“, wie 
sie in den „Vereinigten Badeanstalten“ Berlin 
verabfolgt werden, erfüllt. Herabsetzung der 
Pulsfrequenz, Rötung der Haut und das 
prickelnde Wärmegefühl sollen genau so wie 
im natürlichen CO^-Bade auftreten. Eine be¬ 
sondere Vorrichtung auf dem Boden der Wanne 
gestattet nicht bloß die allmähliche Entwicklung 
der CO.j in Perlenform, sondern sie gestattet 
auch eine Regulierung und Dosierung der 
(’Oj-Menge. 

Am Schlüsse wird noch daraufhingewiesen, 
wie durch elektrische Scheinwerfer die Wirkung 
des Perlbades, namentlich auf hysterische und 
neurasthenische Personen verstärkt werden 
kann. 

Noch mancher dürfte sich mit dem Refe¬ 
renten der Anschauung Marcuses anschließen, 
der diese Zutat von Lichteffekten zum Bade 
für „Spielerei“ erklärt, andere worden sich 
vielleicht weniger zurückhaltend ausdrücken, 
denn wenn auch dem Arzte jedes Heilmittel 
für seine Patienten willkommen sein soll, so 
dürfen doch gewisse Grenzen nicht über¬ 
schritten werden. 

Naumann (Reinerz-Meran). 

Cb. Wallace, Sea alr treatment of surgical 
tuberculosis; with report of cases. Medic. 
Record 1905. 22. Juli. 

Verfasser hat an dem seit einem Jahre 
bestehenden Hospital zu Sea Breeze, Coney 
Island (New York) für Seeluftbehandlung chirur¬ 
gischer Tuberkulosen 42 kranke Kinder beob¬ 
achtet und behandelt. Als Heilfaktoren kommen 


in Betracht: Seeluft, Tag und Nacht, Aufent¬ 
halt auf bequemen, hochgelegenen Veranden, 
angenehmste Umgebung und äußere Verhält¬ 
nisse, Unterhaltungen und Spiele jeglicher Art 
unter Leitung kinderlieber Schwestern, reich¬ 
liche nahrhafteste Kost (fünf Mahlzeiten, eher 
für einen Heinrich Eberle oder Hakenschmidt 
berechnet als für ein Kind! Ref.) und ortho¬ 
pädische Übungen. 

Die Erfolge sind nach Wallace geradezu 
wunderbare zu nennen; Kräftigung der All- 
gemeinkonstitution, Gewichtszunahmen bis 
24 Pfund, Verschwinden und Ausheilen tuber¬ 
kulöser Prozesse und Fisteln, „Erretten von 
Moribunden“ wurde da beobachtet. (!) 

Eine ausführliche Tabelle illustriert das 
Gesagte; einige besondere Bemerkungen über 
chirurgisch-orthopädische Modifizierungen bez. 
der Behandlung interessieren mehr den Spezial¬ 
chirurgen. R. Bloch (Koblenzl 

M. Roloff, Physikalisch-chemische Grund¬ 
lagen über die therapeutische Beurteilung 
der Mineralwässer. Therapeutische Monats 
hefte 1904. Heft 9/10. 

Eingehende, zum großen Teil gegenüber 
neueren Untersuchungen und An schau nngcfi 
kritische Darlegungen bilden die Quintessenz 
des von Ru 1 off behandelten Themas. Ab 
Vordersatz begründet er die Theorie, daß die 
physiologische Wirkung der Mineralquellen auf 
die für Salzlösungen geltenden physikalischen 
und chemischen Grundsätze zurückzufuhren ist, 
soweit eben ein solches überhaupt möglich ist. 
Die Wirkungsweise einer dem Organismus zu¬ 
geführten Salzlösung ist nun in zwei wesent¬ 
lich verschiedene Anteile zu sondern: Die 
| physikalische Wirkung, bei welcher nur die 
! physikalischen Eigenschaften der noch un- 
zersetzten Salzlösungen in Betracht kommen, 
vor allem der osmotische Druck und die che¬ 
mische Wirkung, welche durch die Umsetzung 
I der Salzmoleküle mit den im Körper vor¬ 
handenen Stoffen erfolgt. Der osmotische Druck 
ist aber nicht, wie Koeppe und andere cs 
tun, als osmotische Energie aufzufassen, die 
dem Körper durch den Genuß von Mincral- 
I Wasser zugeführt wird, sondern es wird die 
schon im Blute der Magen wände vorhandene 
osmotische Energie nur wertvoller, d. b. arbeits¬ 
fähig gemacht auf Kosten der Körperwärme 
. und kann ihrerseits durch Verlust der Arbeits¬ 
fähigkeit die Energie entfernter liegender Zellen 
qualitativ heben. Was die chemischen Wirkungen 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


593 


^betrifft, die noch wichtiger einzuschätzen 
^ind wie die physikalischen, so sind dieselben 
verschieden, daß man nur wenig allgemeine 
^»esiehtspunkte dafür aufstellen kann. Klarheit 
über dieselben wird man wohl nicht früher ge¬ 
winnen, ehe nicht das therapeutische Verhalten 
der einfachen Salzlösungen, das heißt der ein¬ 
zelnen Jonen und Jonenkombinationen, genau 
bekannt ist. Dann erst wird eine rationelle 
Theorie derWirkungsweise der einzelnen Mineral¬ 
wässer aufgestellt werden können. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 


Boeder, Zur therapeutischen Anwendung 
der Heißluftdusche. Zentralblatt für die 
gesamte Therapie 1905. Heft 4. 

Verfasser schildert die Anwendung der 
von Hahn konstruierten Heißluftdusche, die 
sich zwar als eine Vereinfachung der Frey- 
schen erwiesen hat, immerhin aber doch noch 
eine Reihe von Mängeln aufweist, die ihre all¬ 
gemeine Einführung schwerlich werden fördern 
helfen. Boeder nennt als solche die Hand¬ 
hebung mittelst des Metallgriffes, die auf die 
Dauer ermüdend ist, die intensive und rasche 
Erhitzung der Dusche, die leicht bei Berührung 
Verbrennungen entstehen lassen könnte, die 
starke Geräuschentwicklung etc. etc. Ich möchte 
noch hinzufügen, daß auch der Preis dieses 
Modells, der mit sämtlichen zugehörigen Er¬ 
satzteilen etc. weit über 200 M. beträgt, einer 
Verbreitung sicherlich im Wege steht, zumal 
wir wesentlich billigere und ebenso zweck¬ 
entsprechende Konstruktionen bereits besitzen. 
Angewandt wurde die Dusche mit Erfolg von 
Boeder bei Akne, Psoriasis, bei Neuralgien, 
Arthritis deformans, chronischen Gelenkrheuma¬ 
tismen. Da die Schilderung der behandelten 
Fälle nur eine zusammenfassende ist, läßt sich 
ein exaktes, therapeutisches Resultat kaum da¬ 
raus entnehmen. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 


A. Dueros, Le baln prolonge. Lyon Mldical 
1905. Nr. 26. 

Die prolongierten Bäder sind, wie der Ver¬ 
fasser mitteilt, ursprünglich aus Deutschland 
und der Schweiz in Frankreich eingeführt 
worden und haben sich dort im Laufe des 
letzten Jahrhunderts eines außerordentlichen 
Ansehens erfreut, welches zu einer sehr exten¬ 
siven Anwendung bei vielen Patienten und auch 
zu einer sehr intensiven Anwendung dieser i 

ZeiUchr. t dllt u. pbytik. Therapie Bd. IX. Heft 10. 


Bäder (bis zu 260 Stunden ununterbrochen bei 
einer schweren Neurose) führte. Jetzt ist man 
in Frankreich vorsichtiger, sowohl in der Aus¬ 
wahl der Fälle, als auch in der Dosierung der 
Bäder; fünf bis sechs Stunden werden kaum 
überschritten. 

Abgesehen von den schweren Verbrennungen 
werden von französischen Autoren gute Er¬ 
folge berichtet bei schweren Neurosen (grande 
nlvrose), hartnäckigen Neuralgien, Phosphaturie, 
Harnsäurediathese, spinaler Irritation, alten 
peripherischen und rheumatischen Lähmungen, 
gewissen Hautkrankheiten (herpltiques et dar- 
treux) und Uteruserkrankungen mit nervösen 
Symptomen. 

Es sei notwendig, daß diese prolongierten 
Bäder in großen Wasserbehältern genommen 
würden, deren Temperatur genau auf 34—35° C 
gehalten werde. 

Frankenhäuser (Berlin). 


Figurier, De l’action dite congestionnante 
du climat mlditerranlen franqais. I. Son 
influence sur les tuberculeux. Journal 
Mldicai du Littoral Mlditeranlen 1905. Nr. 2. 

Verfasser polemisiert mit Recht dagegen, 
daß man dem Klima der Riviera einen Vor¬ 
wurf daraus mache, wenn der Mißbrauch 
seiner eigentümlichen Wirkungen den Heilung 
suchenden Tuberkulösen schlecht bekommt. 
Diese Patienten glauben allzuoft unter den 
psychischen und somatischen Wohltaten des 
dortigen Klimas nicht nur der ärztlichen Für¬ 
sorge, sondern auch der natürlichsten Vorsicht 
in ihrer Lebensführung tiberhoben zu sein. 
Würde die Kur an der Riviera unter ärztlicher 
Leitung immer so gut dosiert, wie irgend ein 
wirksames inneres Mittel, so ließen sich auch 
die gefürchteten akuten Nachschübe ver¬ 
meiden. 

Referent glaubt, daß dies ein sehr be¬ 
achtenswerter Wink ist, den wir deutschen 
Ärzte entschieden berücksichtigen müssen. 

Frankenhäuser (Berlin). 


Brix, Zur Behandlung eingeklemmter Brüche. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1905. 
Nr. 27. 

Verfasser hat durchweg sehr günstige 
Erfolge von der energischen Anwendung der 
Kälte Wirkung des Äthylchlorids gesehen. 

Frankenhäuser (Berlin). 

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594 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


1. Frim, Über die Kurorte Ägyptens. Wiener 
klinisch-therapeutische Wochenschrift 1905. 
Nr. 14. 

Nach einer kurzen Einleitung, in der die 
fast absolute Reinheit der Wüstenluft und die 
Stärke der Insolation betont wird, kommt 
Verfasser zu seinem eigentlichen Thema, zur 
Besprechung der drei wichtigsten Kurorte 
Ägyptens, Heluan, Luxor und Assuan. Das 
vielbesuchte Kairo kann nach seiner Ansicht 
für Kranke nicht in Frage kommen, da es als 
Großstadt mit ca. % Million Einwohnern viel 
zu unruhig ist und auch sonst nicht die Be¬ 
dingungen erfüllt, die Kranke spez. Lungen¬ 
kranke an einen Aufenthaltsort stellen müssen. 

Von Heluan und Assuan rühmt Verfasser 
die landschaftliche Lage. 

Die Durchschnittstemperaturen sind außer¬ 
ordentlich hohe, z. B. für Heluan Januar 13,0, 
Februar 14,6, für Luxor, das 488 km südlicher 
liegt, 15,5 und 16,8, für Assuan (670 km süd¬ 
licher) 15,5 und 17,2. Die relative Feuchtigkeit 
ist an allen drei Orten sehr gering, in Heluan 
schwankt sie von 63,9 % (Dezember) bis 47,5% 
(März), in Luxor von 62,9 % (Dezember) bis 
41,5 % (Februar), in Assuan von 51,5 % (Januar) 
bis 32% (März). Die Bewölkung ist minimal, 
in Heluan während des ganzen Winters bloß 
Vs — 1 3 der Himmelsdecke, in Assuan gehört 
Bewölkung und Regen zu den Seltenheiten. 
Dementsprechend ist die Insolation eine lange 
und ausgiebige. Winde gibt es in Heluan sehr 
häufig und in AsBuan nicht selten, doch sollen 
sie nach Ansicht des Verfassers durchaus nicht 
schädigend auf die Kranken einwirken; nur 
bei stärkeren, z. B. beim Chamsin, der viel 
Wüstensand mit sich führt, empfiehlt Verfasser, 
die Kranken im Bett zu halten. 

Ein Vergleich zwischen den Kurorten füllt 
zugunsten von Heluan und Assuan aus. Ver¬ 
fasser rät zur Wahl von Assuan während der 
Monate Januar bis März, für die übrigen 
empfiehlt er Heluan. Ja, er geht sogar soweit, 
Ägypten, speziell Heluan, als Sommeraufenthalt 
in Vorschlag zu bringen, was doch wohl nicht 
ganz ernsthaft gemeint sein kann. 

Im übrigen ist der kleine Aufsatz inter¬ 
essant und klar geschrieben und gibt ein gutes 
Bild der leider noch zu wenig bekannten und 
gewürdigten Kurorte Ägyptens. 

F. Lots (Friedrichroda i. Thür.). 


0. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
und Apparatbehandlung. 

Welntraud, Zur Kasuistik der Hlrnpinküoi. 

Therapie der Gegenwart 1905. Bd. VIII. 

S. 351. 

Bei der Einfachheit des Eingriffes empfiehlt 
Weintraud die häufigere Verwendung derHirn* 
punktion, und zwar einmal zur genauen Lokali¬ 
sation und anatomischen Charakterisierung des 
Krankheitsherdes bei operativen Fällen von 
intrakraniellen Erkrankungen, dann aber vor 
allem auch zur vorläufigen Behandlung solcher 
Fälle, bei denen die Hirndruckerscheinungen 
frühzeitig die Diagnose auf einen raum 
beschränkenden Tumor im Schädelraum steilen 
lassen, aber lange Zeit hindurch keinerlei Herd¬ 
symptome irgend einen Anhaltspunkt f&r den 
chirurgischen Eingriff darbieten. Hier wird oft 
weil man sich ohne topische Diagnose zur 
Trepanation nicht leicht entschließt, in monate¬ 
langem Warten auf die Herdsymptome der 
Kranke seinen Qualen überlassen, und schlie߬ 
lich verfällt er der totalen Erblindung, während 
eine regelmäßig wiederholte Ventrikelpunktion 
ihm große Erleichterung verschaffen und auch 
das Augenlicht erhalten kann; und es ist sehr 
wohl möglich, daß in solchen Fällen, wo m 
Solitärtuberkel allein durch den begleitenden 
Hydrocephalus internus lebensgefährlich wird 
während der Tumor selbst in Rückbildung 
begriffen ist, auch eine dauernde Heilung er¬ 
zielt wird. Weintraud beschreibt weiter das 
Verfahren, das sich ihm in vier Fällen bewährt 
hat M a m 1 o c k (Berlin). 


Yeraguth, Über Arbeitstherapie. Therapie 
der Gegenwart 1905. Heft 5 . 

Die Arbeitstherapie stellt einen besonderen 
Zweig der Psychotherapie dar. Sie paßt 
nicht nur für Volksheilstätten, sondern kann 
auch in Sanatorien für Bemittelte, sowie in der 
Privatpraxis mit Vorteil benutzt werden. Der 
Verfasser schildert die im allgemeinen sehr 
günstigen Erfahrungen, die er mit der Arbeits¬ 
therapie im Sanatorium Seelisberg und in der 
ärztlichen Praxis gemacht hat Zunächst kann 
es sich handeln um Arbeiten mit musku¬ 
lärer Kraftabgabe und produktivem 
Charakter. Hier wurden besonders mit 
Schreiner- und Gärtnerarbeit gute Resultate 
erzielt, während Mitbelfen bei der Landwirt¬ 
schaft sich als ungeeignet erwies. Ferner 
kommt in Betracht Arbeit vom Charakter 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


695 


N vorwiegend geistiger Betätigung in 
Raunst, Literatur und Wissenschaft Was das 
jprbeiten auf künstlerischen Gebieten anbelangt 
4 setzt der Verfasser da das Zeichnen obenan, 
a «ch Modellieren und Holzschnitzen ist gut 
verwendbar, viel geringer bewertet er das 
Vhotographieren. Von literarischen Betäti¬ 
gungen sind solche produktiver Art, wie etwa 
Metnoirenschreiben, dem bloßen Lesen vorzu¬ 
ziehen. Unter den Arbeiten wissenschaftlichen 
Charakters bewährten sich besonders botanische 
Übungen, desgleichen geographische und geo¬ 
logische Untersuchungen. — An dritter Stelle 
werden dann aufgefübrt: Arbeiten mit 
muskulärer Kraftübung ohne produk¬ 
tiven Charakter — die verschiedenen Arten 
des Sportes, z. B. Tennis, Florettfechten, 
Reiten, Fußwanderungen. Am wenigsten kam 
zur Anwendung eine als „Beschäftigungen“ 
bezeichnete vierte Kategorie, d. h. Betätigungen 
ohne eigentlichen psychischen Inhalt. — Die 
besten Resultate wurden mit der Arbeits¬ 
therapie erzielt bei den durch einseitige Über¬ 
anstrengungen erworbenen Neurasthenien. 
Weniger günstig reagierten die schweren Neu¬ 
rasthenien mit starkem, psychopathischem 
Einschlag. Ganz schlecht waren die Resultate 
bei schwachsinnigen Individuen, zumal solchen 
mit moralischen Defekten. 

Böttcher (Wiesbaden). 


H. Gray, Subdiaphragmatic Transperitoneal 
Maaaage of the heart as a means of resus- 
ct tat Ion. Lancet 1905. 19. August 

Gray behandelte eine Patientin, welche 
moribund dem Krankenhause überwiesen wurde 
und infolge einer Kehlkopfstenöse, die auf 
karzinomatöser Basis beruhte, beinahe asphyk- 
tisch war. Nach Ausführung der Tracheotomie 
wurde das Abdomen unterhalb des Processus 
xiphoideus eröffnet, und das Herz freigelegt. 
Patientin war inzwischen pulslos. Manuelle 
Massage des Herzens, in einem Intervall von 
90 Schlägen pro Minute, wurde eingeleitet. 
Dank derselben, und im Verein mit künstlicher 
Atmung, gelang es, eine Aktion des Herzens 
zu erzeugen, und normale Respiration trat 
wieder ein. Beides hielt während zwei Stunden 
au; obwohl nach dieser Zeit Patientin kolla¬ 
bierte,so glaubt Gray in diesem Falle, wie bei 
anderen von ihm behandelten ähnlichen Kollaps¬ 
zuständen auf den Wert der manuellen Massage 
«lei Herzens hin weisen zu müssen. 

Rozenraad (Berlin). 


£. Rochard, Du Massage du Cmur dans les 
Syncopes chloroformiques. Bulletin G6n6ral 
de Thärapeutique 1905. 30. August 

Tritt während einer Operation plötzlicher 
Stillstand des Herzens ein, so empfiehlt 
Rochard das Verfahren von Seucert-Nancy, 
bei eröffnetem Abdomen, falls es sich um eine 
Laparotomie handelt, zu versuchen, manuell das 
Herz zu erfassen, und mit den Fingern die Herz¬ 
spitze zu massieren. So gelang es Seucert 
bei einem Patienten, bei dem während einer 
Cholestystomie sieben Minuten lang das Herz 
Stillstand, normalen Herzschlag zu erzeugen, 
indem der Operateur unterhalb des Diaphragma 
mit einem Daumen und zwei Fingern die Herz¬ 
spitze massierte; künstliche Respiration wurde 
gleichzeitig eingeleitet und konnte die Operation 
glücklich zu Ende geführt werden. 

Rozenraad (Berlin). 


Esmonet, L’abus des lavages d’lntestin. 

Archives gön6rales de mödecine 1905. Nr. 21. 

Mit dem Klistier wird viel Unfug getrieben. 
Abgesehen davon, daß gegen die rein tech¬ 
nischen Vorschriften (Flüssigkeitsquantum, 
Druck) oft in gröbster Weise gesündigt wird, 
gibt es eine große Anzahl von Kranken, die 
monate- und jahrelang rein gewohnheitsmäßig 
täglich ihr Klistier nehmen; sie werden Klyso- 
manen, wie Esmonet solche Kranke ganz 
treffend bezeichnet. Naturgemäß muß eine 
derartige dauernde Mißhandlung der Darm¬ 
muskulatur schließlich zu einer groben Schädi¬ 
gung derselben führen, die wiederum eine ver¬ 
langsamte Fortbewegung der Kotmassen zur 
Folge hat. Ob wir die Obstipationen auf ner¬ 
vöse Einflüsse zurückführen — in letzter Linie 
ist ja schließlich jede Störung nervös bedingt 
— oder nicht, bezüglich der Therapie werden 
wir ganz den Standpunkt Esmonets teilen, 
welcher das Klistier ebenso wie sonstige Ab¬ 
führmittel mit Auswahl und Vorsicht gebraucht 
wissen will. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 

0« Tilmann, Lumbalanästhesie mit Storain. 

Berl. klinische Wochenschrift 1905. 21. August 

Warme Empfehlung der Stovain-Medul- 
laranästhesie, genaue Beschreibung der Technik 
(Asepsis), Injektion von 0,04 bis 0,06, im Wieder¬ 
holungsfälle etwas mehr reinem Stovain nach 
vorausgehender Entnahme weniger Kubikzenti- 

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Referate über Büeber and Aufsätze. 


596 


meter Lnmbaiflüssigkeit zwischen 2. und 3. oder 
3. und 4. Lendenwirbel. Verfasser hat das 
Verfahren bei Mastdarmoperationen, Hämor¬ 
rhoiden, Analfisteln und Prolaps, Periproktitis, 
Prostatektomizen, Hydrozoelcn, Reposition von 
Beinbrüchen, Amputationen, Knieopenrtionen, 
Varicenexstirpationen etc. bis jetzt 42 mal an¬ 
gewandt. Da Schädigungen, auch bei alten 
Leuten, nicht eintraten und die unmittel¬ 
baren Begleiterscheinungen (Kopfschmerz, Puls¬ 
differenz) nicht häufig waren und sich rasch 
zurückbildeten, empfiehlt Verfasser die Methode 
bei allen Operationen bis zum Nabel, wenn ein 
Anlaß vorliegt, die Narkose zu fürchten. 

Eine vielleicht künftighin bedeutungsvolle 
Erweiterung der Indikationsstellung gibt uns 
Tilmann in der Anwendung der Lumbalan¬ 
ästhesie bei Ischias; er hat fünf schwere, 
lange Zeit „intern“ vorbehandelte Fälle stova- 
inisiert mit dem Ergebnis, daß bei allen 
der Schmerz vier Tage ausblieb, bei 
denjenigen, welche in dieser Zeit 
energische und wiederholte Dehnungen 
des N. ischiadicus ausgeführt bekamen, 
dauernd erhebliche Besserung eintrat. 

R. Bloch (Koblenz). 


Schl&pfer, Cher den Einfluß der Vibration 
auf das Faradisattonsgefühl. Münchener 
medizinische Wochenschrift. Nr. 19. 

Der Verfasser hat sich die Aufgabe ge¬ 
stellt, das sogenannte FaradoVibrationsphänomen 
zu studieren. Es besteht darin, daß, wenn man 
den Körper gleichzeitig dem Elektromagnetis¬ 
mus, dem sekundären Sinusoidalstrom und der 
Vibration aussetzt, das charakteristische fara- 
dokutano Gefühl ganz bedeutend herabgesetzt 
wird. Es hat sich bei den vom Verfasser zur 
Erklärung des Phänomens angestcllten Ver¬ 
suchen herausgestellt, daß das magnetische 
Wechselfeld keine Einwirkung auf das Fara- 
dovibrationsphänomen ausübt. Simultane Vi¬ 
bration ruft eine Dissoziation der physiologi¬ 
schen Wirkung des faradischen Stromes hervor 
in dem Sinne, daß die sensorische Reaktion 
vermindert, die motorische aber nicht beein¬ 
trächtigt wird. Im allgemeinen kann man 
sagen, daß das Phänomen von dem gegen¬ 
seitigen Größenverhältnis der faradischen und 
der vibratorischen Einwirkung abhängt. 

Freyhan (Berlin). 


Karl Gerson, Zur Extonsioaibekiathaf 
der oberen Extremität Zeitschrift ftr 
orthopädische Chirurgie. Bd. 14. Heft 2. 

Zur ambulanten Extensionsbehandlung ver¬ 
letzter Extremitation hat Gerson einen Apparat 
konstruiert, der zugleich eine Bewegung der 
1 Gelenke zuläßt. Die Schiene setzt sich m 
| vier Holzteilen zusammen, deren oberster imd 
I unterster, an denen mittelst einer Tuchlasche 
1 der Oberarm resp. das Handgelenk festgestellt 
werden, mit den beiden für den Unterarm 
I bestimmten mittleren durch fixierbare Gelenke 
verbunden sind. Eine zwischen den beiden 
| mittleren Schienen befindliche Doppelschraube 
| kann nun so gestellt werden, daß die Mittel- 
I schienen sich voneinander entfernen und da 
| durch eine Extension des Unterarms, sowie des 
Ellenbogen- und Handgelenkes herbeigefuhrt 
wird. Durch Beugen im EllcnbogengeleDk 
wird die Extonsion vermehrt resp. vermindert 
und werden die Frakturenden bewegt ein 
Umstand, der ihre Konsolidierung begünstigt 
j Durch forcierte Extension läßt sich Stauungs 
hyperämie erzeugen; dadurch erhält die Schiene 
ihren Wert für die Behandlung von Gelenk¬ 
tuberkulosen. Es wirken also bei Anwender; 

| der Schienen Ruhigstellung, Extension us-i 
I Stauungshyperämie als Hoilfaktorcn. Bei Kon¬ 
trakturen des Ellenbogengelenks, bei Frakturen. 
Distorsionen, Kontusionen leistet die Schiene 
Gutes. Bei Frakturen kann mit Massage, aktiven 
und passiven Bewegungen gleich nach der Ver¬ 
letzung begonnen werden. Perl (Berlin). 


Ottmar Ammann, Ein neues Skoliosen- 
korsett Zeitschrift für orthopädische Chir 
urgie. Bd. 14. Heft 2. 

Ammann hält den Beckengürtel und die 
Armstütze der bisherigen Korsette für unzu¬ 
verlässig und ungeeignet, da der Schultergürtel. 
an den die Achselstützen angreifen, im Ver 
hältnis zur Wirbelsäule keinen festen Angriffs 
punkt bietet Diese Korsette redressierten nicht 
waren schwer und schnürten Muskulatur und 
Knochengerüst ein. An dem adressierenden 
Korsett von Bade tadelt er, daß die an ver¬ 
schiedenen Seiten um den Leib geführten Gurte 
an mehreren Stellen drücken. Ammans 
Korsett ist für Skoliosen ersten und zweiten 
Grades und bei guter Thoraxentwicklung auch 
dritten Grades bestimmt Verfasser geht von 

dem genau passendenBeely-,Hoffa-,Hessing- 

sehen Beckengürtel aus, der nach dem Körper 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


597 


genau angepaßten Zinnstäben gearbeitet wird, 
so daß er einen Druck von oben, am Kreuz¬ 
bein, sowie einen Zug von vorn nach rückwärts 
an den Spin, ant sup. aushalten kann. Die 
beiden Teile des Beckenringes sind durch ein 
verstellbares doppelschcnkliges Scharnier ver¬ 
bunden. An Stelle der Achselstützen tritt eine 
Pelotte, die auf dem Sternum unterhalb der 
(iaviculargelenke sitzt und durch eine Schiene 
mit dem Bcckengürtel fest verbunden ist. „Diese 
Schiene läuft oberhalb der Regio mammalis 
gegen die Achselgcgend, welche sie handbreit 
unter der Achselhöhle erreicht, von da abwärts 
bis in die Gegend des Trochanter major mit 
doppelter Fixation am Beckengürtel. In der 
Gegend, wo sie die Axillarlinie erreicht, führt 
ein Bügel nach rückwärts zu einer zweiten, 
vom Kreuzbeinschenkel des Beckengürtels nach 
oben reichenden Schiene“, die mit der korre¬ 
spondierenden Schiene der anderen Seite durch 
eine federnde Stahlplatte verbunden ist Der i 
so entstandene Brustgürtel liegt nur durch die 
Pelotte dem Körper an. Durch die oben an¬ 
gegebene Konstruktion wird der. Druck der 
Pelotte auch bei kräftiger Redression ganz 
gering. Die Redression kann durch Seitenzug, 
Gummikis8en,Pelotten etc. herbeigeführt werden. 
Ein weiterer Vorteil dieses Korsetts, das sich 
auch für Kyphosen- und Spondylitisbehandlung, 
sowie in leichterer Bauart als Geradehalter ver¬ 
wenden läßt, ist das Freibleiben der Brustdrüsen. 

Perl (Berlin). 


W.Doevenspeck, Beiträge zur intravenösen 
Injektionstheraple. Die Therapie der Gegen¬ 
wart 1905. Juni-Heft. 

Verfasser beschäftigt sich seit einer Reihe 
von Jahren systematisch mit intravenöser 
Injektionstherapie und berichtet in vorliegender 
Arbeit über seine Erfahrungen mit intravenöser 
Salizyl- und Fibro ly sin-An wendung. Er kommt 
zu wesentlich anderen Resultaten wie Mendel, 
Behr und andere Autoren. Trotzdem erklärt 
er die intravenöse Salizyl-Injektionstherapie 
för eine dankenswerte Bereicherung der Salizyl- 
Behandlungsraethoden, die in erster Linie dort 
versucht zu werden verdiene, wo die externe 
wie interne Behandlung versagt oder aus irgend 
welchen Gründen Schwierigkeiten bereitet. 

Das Fribolysin bedeutet einen kleinen 
Fortschritt in der Thiosinamintherapie, ist aber 
kein reizloses, ideales Injektionsmittel (wie 
a. B. das Atoxyl unter den Arsenpräparaten); es 
macht snbkntan wie intramuskulär Schmerzen 


und Infiltrate, ist auch in (kalziumfreien) Am¬ 
pullen nicht sicher haltbar, daher nur mit Vor¬ 
sicht endovenös zu gebrauchen, und mit ver¬ 
hältnismäßig viel Salizyl belastet, daher in 
seinen positiven Erfolgen nicht eindeutig; die 
Mißerfolge überwogen zudem erheblich. Die 
technischen Details der Arbeit müssen im 
Original studiert werden. 

Fritz Loeb (München). 


G. Groß und L. Sencert, Die Massage 
des Herzens im Chloroformkollaps« Archives 
gönörales de M6decine 1905. Nr. 36. 

In dem von den Verfassern beobachteten 
Falle handelte es sich um einen 51jährigen 
Mann mit Choledochusstein. Eine erste Opera¬ 
tion verlief ohne Zwischenfall. Bei einer zweiten 
trat schon ziemlich im Anfang Kollaps ein. 
Die Anwendung der üblichen Wiederbelebungs¬ 
mittel wurde 8 Minuten lang ohne jeglichen 
Erfolg fortgesetzt. Sencert ging darauf mit 
der Hand innerhalb der Bauchhöhle hinauf 
gegen das Zwerchfell. Nachdem er den linken 
Leberlappen bei Seite gedrängt hatte, fühlte 
er deutlich durch das völlig schlaffe Zwerch¬ 
fell hindurch die Herzspitze und begann, das 
Herz zu massieren. Nach 5 Minuten wurde 
das anscheinend völlig schlaffe und leere Herz 
härter und größer, und etwas später fühlte 
Sencert eine spontane Ventrikelkontraktion, 
der dann bald der erste Atemzug folgte. Der 
Kranke blieb am Leben. 

In bezug auf die Möglichkeit einer Wieder¬ 
belebung sagt der Verfasser folgendes: Nach 
d’Halluin sind die 3 lebenswichtigsten Organe: 
verlängertes Mark, Lunge, Herz. Durch ge¬ 
eignete Vorkehrungen, insbesondere künstliche 
Atmung, ist es möglich, das Leben auch nach 
Ausschaltung der beiden ersteren Organe zu 
erhalten. 

Durch Herzstillstand hören dagegen alle 
äußeren Zeichen des Lebens sofort auf. Das 
Leben der einzelnen Gewebe hört aber darum 
nicht mit dem letzten Pulsschlag auf, sondern 
schwindet erst allmählich und äußert sich noch 
in manchen Erscheinungen, als: Speichelabson¬ 
derung auf Chordareizung, Peristaltik, Glykogen- 
bildnng in der Leber, Reflex- und elektrische 
Erregkarkeit, u. a. m. Es muß also eine Zeit 
geben, in der es nach dem Aufhören der Herz¬ 
tätigkeit noch gelingt, das Leben zu erhalten, 
wenn es gelingt, das Herz wieder zu regel¬ 
mäßiger Tätigkeit anzuregen. Vorausgesetzt 
! ist natürlich, daß keine Schädigung irgend eines 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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Organs besteht, die an sich das Leben ver¬ 
nichten würde. 

Durch Versuche wurde festgestellt, daß 
ein Bund eine Stunde und mehr nach Aufhören 
der Herztätigkeit durch direkte Herzmassage 
wiederbelebt werden konnte. Im Chloroform¬ 
kollaps gelang dies nur noch nach 10 Minuten, 
nach Einwirkung von Wechselströmen nach 20 
Minuten. Während der Verdauung und wenn man 
die Körpertemperatur künstlich erhält, erreicht 
man bessere Resultate. 

Alle Versuche wurden bei von vorn ge¬ 
öffnetem Thorax vorgenommen. Um die damit 
verbundene Gefahr eines Pneumothorax zu um¬ 
gehen, ging Bourcourt durch das Zwerchfell 
hindurch an das Herz heran. D’Halluin konnte 
erst nach 22 l /j Stunden einen Hund nicht mehr 
wiederbeleben. Bei Kinderherzen erhielt er 
noch nach 24 Stunden rhythmische Ventrikel¬ 
kontraktionen und nach 42 Stunden noch 
energische Schläge der Herzohren. 

Die Verfasser stellen 16 Fälle von direkter 
Herzmassage in der Literatur zusammen. Die 
Ursache des Eingriffs war meist Chloroform¬ 
kollaps, einmal Erhängen. Davon waren 12, 
bei denen das Pericard von vorn her, und 
zwei, bei denen es von der Bauchhöhle her 
eröffnet wurde, Mißerfolge. Zwei Fälle und 
dazu noch der eigne, bei denen die Herz¬ 
massage von unten her durch das unverletzte 
Zwerchfell hindurch ausgettbt wurde, waren 
von günstigem Erfolg begleitet. Der schon 
theoretisch durch die Gefahr des Pneumothorax, 
Infektion des Pericards gefährlichere Weg hat 
also nur Mißerfolge aufzuweisen. Den Grund 
dafür glauben die Verfasser darin zu finden, 
daß bei Resektion der vorderen Thoraxwand 
die künstliche Atmung nicht durchführbar ist, 
andererseits die ausgiebige Zufuhr von Sauer¬ 
stoff für den Erfolg notwendig ist 

Über die Eröffnung des Pericards von 
unten her läßt sich ein definitives Urteil noch 
nicht fällen. 

Die Massage durch das unverletzte Zwerch¬ 
fell hindurch war jedesmal erfolgreich. Die 
Technik ist einfach. Wo nicht schon bei Be¬ 
ginn des Kollapses ein Bauchschnitt vorhanden 
ist, macht man einen Medianschnitt oberhalb 
des Nabels, drängt die Leber nach rechts und 
den Magen nach links und geht mit der Hand 
gegen das Zwerchfell, das in tiefer Narkose 
völlig schlaff ist, so daß es kein Hindernis für 
die Massage abgibt. Man erfaßt das Herz mit 
der vollen Hand, Daumen nach vom, die 
übrigen Finger nach hinten, und komprimiert 


es rhythmisch, oder man läßt die ganze Band 
an der RDckfiäche des Herzens berabgleiten, 
indem man es gleichzeitig gegen die Hinter 
fläche des Sternums andrückt 

Schiern in g (Flensburg. 

D. Elektro-, Lieht- n. Röntgentherapie. 

Au g. Laqueur, Zur Verwendung tob 
Wechselstrombädern in der Therapie der 
i Herzkrankheiten. Therapie der Gegenwart 
1905. Heft 5. 

Untersuchungen, bei denen die Methode 
der Orthodiagraphie zur Anwendung kam, er 
gaben, daß mit Ausnahme eines Falles von 
Herzneurasthenie keine unmittelbare Änderung 
der Herzgröße als Wirkung eines einzelnen 
Wecbselstrombades festgestellt werden konnte. 
Auch nach längerer Behandlung mit einer Reibe 
von Bädern kam dauernde Verkleinerung nur 
da zustande, wo es sich um Erschlaffung? 
zustände des Herzens handelte, nicht hingegen 
bei der mit Hypertrophie verbundenen kompen¬ 
satorischen Dilatation auf Grund von Klippen 
fehlem. — Auf den Blutdruck wirkt da? 
Wechselstrombad in der Regel, wenn anci 
nicht konstant, erhöhend. Die Steigerung, di- 
in 10—15 Minuten ihr Maximum zu erreichen 
pflegt, um dann von langsamem Absinkenge 
folgt zu werden, übertrifft selten 10—12 mm 
Quecksilber. — Der Puls wird meist voller, 
ohne sich wesentlich zu verlangsamen. Ver¬ 
schwinden von Arhythmie unmittelbar weh 
einem Wechselstrombade konnte der Verfasser 
nicht beobachten, dagegen wurde in ver¬ 
schiedenen Fällen der anfangs unregelmäßige 
Puls nach einer Reihe von Bädern regelmäßig. 
— Am raschesten machte sich günstige Be¬ 
einflussung des subjektiven Befindens gelteod. 
diese trat oft schon nach dem ersten Bade 
hervor. — In bezug auf die Indikationen 
schließt sich der Verfasser im wesentlichen den 
schon früher aufgestellten an, wie: Dilatation 
durch Erschlaffung der Herzmuskulatur, Fett 
herz, idiopathische Hypertrophie, Myokarditis 
auf Grund beginnender Arteriosklerose. Doch 
möchte er diesen Indikationen auch beginnende 
Kompensationsstörungen und subjektive Be¬ 
schwerden bei kompensierten Klappenfehlern an 
die Seite stellen Aufgeregte Neurastheniker 
vertragen die Wecbselstrombäder meist schleckt, 
auch bei Morbus Basedowii pflegen sic ni ^ 1 
viel zu leisten, i Bei der Indikationsstellnng 
soll im allgemeinen der Gedanke leiten, daß 


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Referate über Bücher and Aufsätze. 


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das Wechselstrombad mehr eine herzübende, 
als eine herzschonende Prozedur ist. 

Böttcher (Wiesbaden). 


t. Bramann, Über Tamorenbehandlungr mit 
Bbatgenstrahlen. Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 20. 

Unter sieben Fällen von inoperablem 
Karzinom des Gesichtes, der Ohrgegend und 
des Halses versagte die Röntgenbehandlung 
nur in einem Falle. Von den sechs übrigen 
Fällen ist besonders einer bemerkenswert, bei 
welchem es sich um ein handtellergroßes Ulcus 
rodens der Stirngegend und ein mehr als hand¬ 
tellergroßes karzinomatöses Geschwür der 
Ohrgegend mit harten Drüsenknoten im Bereich 
des Sternocleido-mastoideus handelte. Es trat 
Abheilung der Ulzerationen und Schwund der 
Drüsen ein. Als der Patient später an einer 
doppelseitigen Pneumonie starb, konnte bei 
der Sektion von dem Karzinom nichts mehr 
nachgewiesen werden, auch in den mikro¬ 
skopisch sorgfältig untersuchten Drüsenresten 
fand sich nur Narbengewebe vor. Drei Patienten 
starben im Stadium des Zerfalls des Karzinoms 
unter Erscheinungen, die v. Bramann auf 
Resorption der Zerfallsmassen zurückführt, 
einer an einer Blutung aus dem zerfallenden 
Tumor und einer an einer interkurrenten Pneu¬ 
monie. Bei Sarkomen hat v. Bramann nur 
in einem Falle eine günstige lokale Einwirkung 
gesehen. In diesem einem Falle trat allerdings 
eine rapide Metastasenbildung, Anschwellung 
aller Gelenke und schließlich Exitus ein. 
v. Bramann empfiehlt die Röntgenbehand¬ 
lung warm bei allen inoperablen, zumal den 
ulzerierten Karzinomen, allerdings mit großer 
Vorsicht, da bei zu raschem Zerfall Metastasen- 
bildung und Intoxikation zu befürchten ist. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Fleliti, Über die Technik der Röntgen¬ 
behandlung. Münchener mediz. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 20. 

Fielitz schildert die Technik der Be¬ 
strahlung bei den v. Bramann sehen Fällen. 
Eis wurde im allgemeinen solange bestrahlt, 
bis sich eine Erweichung des Tumors, resp. 
eine Abflachung der Geschwürsränder konsta¬ 
tieren ließ, dann wurden pausiert. 

Referent kann sich mit dieser Methode 
nicht einverstanden erklären. Wenn man bis 


zum Eintritt einer Reaktion bestrahlt, so ist 
eben schon zu viel getan. Bei gut abgedeckten 
Tumoren mag dies Vorgehen ja statthaft sein, 
I bei der Behandlung von Hautaffektionen ist 
: entschieden eine exaktere Dosierung erforder¬ 
lich. H. E. Schmidt (Berlin). 


Görl, Ein neues Feld für die Radiotherapie? 

(Strumenbehandlnng.) Münchener mediz. 

Wochenschrift 1905. Nr. 20. 

Der Verfasser hat durch Röntgenbestrahlung 
in acht Fällen von Struma eine ganz wesent¬ 
liche Verkleinerung der vergrößerten Glandula 
thyreoidea und eine Beseitigung der dadurch 
bedingten Beschwerden erzielt. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Laqueur, Die therapeutische Verwendung 
der Llcht-W&rmestrahlen. Berliner klin. 
Wochenschrift 1905. 17. April. 

Der Verfasser erörtert die Bedeutung der 
Licht-Wärmestrahlen für die Therapie. Beim 
Glühlichtbad handelt es sich im wesentlichen 
um eine Schwitzprozedur. Nur ist die Wirkung 
der strahlenden Wärme eine andere als die 
der geleiteten Wärme, welche bei den sonst 
üblichen Schwitzprozeduren zur Anwendung 
kommt Der Schweißausbruch ist im Glühlicht¬ 
bade viel rascher und bei niedrigerer Tempe¬ 
ratur (um ca. 18°) zu erzielen, als bei anderen 
Schwitzmethoden. 

Die Anwendung erfolgt besonders bei der 
Fettsucht und beim Diabetes. 

Auch verschiedene Hauterkrankungen, bei 
denen meist lokale Bestrahlung (durch Glüh¬ 
lichtlampen oder Bogenlichtscheinwerfer) vor¬ 
genommen wird, werden günstig beeinflußt, so 
die Furunkulose, Akne, Ekzeme, Ulcera 
cruris. Auch bei Neuralgien liegen gute 
Erfolge vor. Für die allgemeinen Sonnenlicht¬ 
bäder gelten dieselben Indikationen wie für 
die Glühlichtbäder. Die lokale Sonnenlicht¬ 
bestrahlung (ohne Konzentration und ohne 
Ausschluß der Wärmestrahlen) ist in Samaden 
! im Engadin, wo die Verhältnisse wegen der 
I größeren Strahlungsintensität der Sonne be- 
I sonders günstig liegen, von Bernhard bei 
schlecht heilenden Wunden, Skrofuloderm 
und Gelenktuberkulose, mit recht gutem 
Erfolge angewendet werden. Auch die von 
S o r g o inaugurierte Behandlung der Kehlkopf- 
tubcrkulo8e mit reflektiertem Sonnenlicht 


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600 


Referate über BÜeher and Aufsätze. 


muß hier genannt werden. Daß bei der F i n s e n - 
Behandlung des Lupus die Wännestrahlen 
eine nennenswerte Rolle spielen, wie der Ver¬ 
fasser annimmt, hält Referent für unwahrschein¬ 
lich. H. £. Schmidt (Berlin). 

Kalischer, Über die physikalischen Grund¬ 
lagen der elektromagnetischen Therapie. 

Zeitschrift für Elektrotherapie und die physi¬ 
kalischen Heilmethoden 1905. Heft 2. 

An der schmerzstillenden Wirkung des 
periodisch sich ändernden Magnetismus bei 
vielen Nervenkrankheiten scheint man nicht 
zweifeln zu dürfen. Wie er aber wirkt, ob durch 
Erregung von Induktionsströmen im Organismus, 
die aber nur äußerst schwach sein könnten, da 
außer einem Wärmegefühl bei besonders sen¬ 
siblen Naturen keine Empfindung auftritt, oder 
durch chemische Umsetzungen, oder auf irgend 
eine direkte Weise, darüber sind wir völlig 
im unklaren. Aber dieses Schicksal teilt doch 
die elektromagnetische Therapie mit derElektro- 
therapie im allgemeinen. Der ruhende, d. h. 
der sich gleichbleibende Magnetismus übt 
nun erfahrungsgemäß irgendeine therapeutische 
Wirkung nicht aus. Dagegen kann man solche 
mit dem sogenannten Wechselstrommagneten 
erzielen, und der letzte wird auch therapeutisch 
angewandt bei den Systemen von K. E. Müller, 
sowie den in verschiedenen Punkten vervoll- 
kommneten von Trüb. Ersterer entdeckte diese 
Wirkung, als er Arbeiter beobachtete, die mit 
Wecbselstrommagneten zu tun hatten und da¬ 
bei von neuralgischen Beschwerden befreit 
wurden. Mamlock (Berlin). 


Justus, Mit Radiumbromid behandelte Fälle 
von Epitheliom. Orvosi Hetilap 1904. Heft 8. 

Da unter den aus dem Radium heraus, 
strömenden Strahlen auch solche enthalten 
sind, die mit den Röntgenstrahlen identisch 
sind, versuchten viele Forscher die Verwertung 
der physiologischen Wirkung derselben in der 
Therapie. Verfasser erprobte die Strahlen¬ 
wirkung in zwei Fällen: Der eine Fall betrifft 
eine 54jährige Frau, die unter dem rechten 
Auge beiläufig ein nagelgroßes, flaches, scharf¬ 
umgrenztes, braun-rötliches Epitheliom besaß. 
25 mg Radiumbromid, in einem kleinen Kaut¬ 
schukbehälter verschlossen, wurde in der Weise 
appliziert, daß das 3 mm Durchmesser be¬ 
sitzende und aus einer Flimmerplatte bestehende 
Fenster des Kautschukbehälters auf die Neu¬ 


bildung zu liegen kam, wodurch das Radium 
salz bloß durch die 1—2 mm dicke Flimmer 
platte von der Haut abgesondert war. Die 
Applikation dauerte fünf Minuten lang. Fünf 
Tage Bpäter erschien der kleine Tumor schon 
entschieden flacher und flachte sich allmählich 
• dermaßen ab, daß endlich bloß eine kleine 
Vertiefung die gewesene Ausbreitung des 
Tumors bezeichnete. Weder sofort nach der 
Applikation des Radiumsalzes, noch später 
konnte ein auf Reaktion hindeutendes Erythem 
oder Exulzeration beobachtet werden. — Der 
zweite Patient hatte ein Ulcus roden», das sich 
von der linken Wange zum Nasenrücken zog. 
Seit zwei Jahren wurde das Ulcus zu wieder¬ 
holten Malen mit dem Paquelin behandelt, doch 
alsbald zeigten sich immer neue Knötchen. 
Dieselben behandelte Verfasser nun mit Radium 
bromid in genau derselben Weise wie im ersten 
Fall: bereits nach zweimal 24 Stunden waren 
die Knötchen flacher und kleiner. Zeichen 
einer Reaktion fehlten auch hier vollständig 
J. Hönig (Budapest). 

J. Müller, Zur Behandlung von Hautkraik* 
beiten mit Röntgenstrahlen. Münchener 
medizinische Wochenschrift 1904. Nr. 23 

Verfasser hat eine Reihe von Hautkrark 
heiten mit Röntgenstrahlen behandelt, für die 
bisher im allgemeinen die Indikation hienv. 
noch nicht gestellt war, so mehrere Fälle von 
Pruritus, Hyperhidrosis und chronischem Ekzem 
der Hände. Die Erfolge waren teilweise recht 
gute, doch mahnen sie zur Vorsicht und zur 
sorgfältigen Auswahl. Benutzt hierfür wurden 
meist mittelweiche Röhren, mitunter auch ganz 
weiche, besonders wenn äußere Umstände eine 
häufigere Behandlung unmöglich machten, und 
wenn es sich nicht um Gesicht oder Hände 
| handelte. 

J. Marc u so (Ebenhausen b. München. 

H. Wendriner, Über Unfälle durch elek¬ 
trischen Starkstrom. Dissertation aus der 
I. med. Klinik zu Berlin. 1905. Gustav Schade. 

Verfasser stellt in der fleißigen Arbeit 
zunächst die neueren Arbeiten über das Titel¬ 
thema zusammen, die teils Tierexperimente, teils 
Beobachtungen von Unfällen und elektrischen 
Hinrichtungen enthalten. Indem er besonders 
ausführlich auf die bekannten Arbeiten 
Jellineks eingebt, gibt er einen Überblick 
über die verschiedenen zurzeit herrschenden 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


601 


Theorien über die Todesursache bei Unfällen 
durch elektrischen Starkstrom und faßt die 
bisher bei solchen Todesfällen erhobenen patho¬ 
logischen Befunde zusammen. Auch einige 
Beobachtungen über den Tod durch Blitzschlag 
werden angeführt. Nach einer kurzen Be¬ 
sprechung der Diagnose, Prognose und Therapie 
der Starkstromverletzungen führt Verfasser zwei 
in der v. Leydenschen Klinik von ihm selbst 
beobachtete Fälle an, von denen der eine 
dadurch besonders interessiert, daß der durch 
Starkstrom Verletzte noch mit dem Kopf heftig 
auf eine Steinwand aufschlug und dann erst 
bewußtlos liegen blieb. Erst vier Wochen nach 
dem Unfall trat eine sicher organische Hemi¬ 
plegie auf, von der nach drei Jahren noch 
erhebliche Reste bestehen. Es läßt sich nicht 
entscheiden, ob der elektrische oder der trauma¬ 
tische Insult mehr als Ätiologie anzusehen ist; 
der Gutachter hat jedenfalls das elektrische 
Trauma als Ursache des ganzen Unfalles hin¬ 
zustellen. Auch in dem zweiten Fall war das 
elektrische Trauma mit einem Fall von einer 
Leiter anf den Rücken kompliziert Von den 
zuerst bestehenden Symptomen einer Rücken- 
marksverletzung blieb schließlich nur eine 
Lähmung des rechten Beines zurück. Diese 
wurde aber wegen des überaus raschen Erfolges 
der Therapie und wegen des Bestehens zahl¬ 
reicher anderer hysterischer Symptome als 
hysterisch aufgefaßt. Aus allen bekannt ge¬ 
wordenen Fällen geht hervor, daß sich zu den 
eigentlichen Wirkungen des Starkstromes bei 
Unfällen ganz gewöhnlich noch andere Symptome 
hinzugesellen, die entweder organischer oder 
funktioneller Natur sind und zu mannigfachen 
Irrtümcrn Veranlassung geben können. Am 
Schluß der Arbeit bringt Verfasser eine über¬ 
sichtliche Tabelle von einer Anzahl der zuletzt 
publizierten Unfälle durch Starkstrom, aus der 
neben der Art des Unfalles (Stromstärke, 
Kontakt etc.) auch der klinische Verlauf zu 
ersehen ist. W. Alexander (Berlin). 


E. Serum* and Organotherapie. 

Weichardt, Über das Ermttdnngstoxin and 
•Antitoxin* Münchener medizinische Wochen¬ 
schrift 1904. Nr. 48. 

Verfasser hat seine sorgsamen, mühevollen 
Untersuchungen über Existenz und Eigenschaften 
des Ermüdungstoxins und -Antitoxins (vgl. 
Münchener medizin. Wochenschr. 1904. Nr. 1) 
fortgesetzt und teilt in vorliegendem Aufsatz 


die Ergebnisse mit. Seine hauptsächlichen 
Schlüsse sind folgende: Tätige Muskeln der 
Warmblüter bilden außer den bekannten Ab¬ 
bauprodukten ein Toxin, welches sowohl in 
dem Körper, in dem es entstanden ist, als auch 
nach Injektion in einem andern tierischen 
Körper Ermüdung, in größerer Menge Sopor 
und Tod hervorruft. Es ist nicht dialysabel 
und bewirkt, wenn es in die Blutbahn gelangt, 
Bildung eines spezifischen Antitoxins, mit dem 
es sich vollständig absättigen kann; das letztere 
ist indessen dialysierbar und kann daher im 
Verdauungstraktus leicht als solches resorbiert 
werden. Das Ermüdungsantitoxin hat die Eigen¬ 
schaften eines dem Organismus adäquaten Ana- 
leptikums. Es ist übrigens, was für seine ev. 
praktische Verwendbarkeit sehr wichtig ist, 
haltbar, im Gegensatz zum Toxin, welches im 
allgemeinen seine Giftigkeit nach kurzer Zeit 
einbüßt. Gotthelf Marcuse (Breslau). 


I V* Jez, Serumbehandlung des Abdominml- 
typbus. Reichs - Medizinal - Anzeiger 1905. 
Nr. 14. 

Auf Grund von vier klinisch genau beob¬ 
achteten Fällen kommt Jez zu dem Resultat, 

, daß das seinen Namen tragende Antityphus¬ 
extrakt, über das schon günstige Berichte von 
Eichhorst und Einhorn vorliegen, ein spe¬ 
zifisch wirkendes Heilmittel ist, das, rechtzeitig 
und ununterbrochen angewandt, die Krankheit 
abzukürzen oder gar zu kupieren imstande ist. 
„Das Fieber, welches gleich seit Beginn der 
Serumbehandlung starke Remission zeigt, ver¬ 
schwindet ganz nach einigen Tagen, das All¬ 
gemeinbefinden und insbesondere das Sensorium 
, und alle nervösen Symptome zeigen sehr 
schnelle, deutliche Besserung, die Kranken 
sehen frisch aus und teilnehmend, nachdem 
der Kopfschmerz, Delirien, Schlaflosigkeit und 
andere schwere Erscheinungen ganz ver¬ 
schwunden sind.“ Die Verabreichung des 
Präparates erfolgt intern, stündlich, später zwei- 
bis dreistündlich ein Eßlöffel. Einhorn hat 
auch bei subkutaner Anwendung gute Resultate 
erzielt. Es ist dem Verfasser daher nur bei- 
! zustiramen, wenn er wünscht, „daß das Mittel 
an einer größeren Zahl von Fällen einer wissen¬ 
schaftlichen Prüfung unterzogen würde, damit 
der wahre Wert desselben festgestellt werden 
kann.“ Plaut (Frankfurt a. M.). 


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602 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


K. S. Storrs, A case of acute tetanus treated 

wlth intracerebral injections of Antitoxin. 

The Lancet 1905. 23. September. 

Mitteilung eines Falles von Wundtetanus 
bei einem 30jährigen Manne, welcher 90 Stunden 
nach der Verletzung auftrat; zu eben dieser Zeit 
würde sofort die Antitoxinbehandlung einge¬ 
leitet: Injektion von 10 ccm Serum in die zweite 
vordere Stirn Windung jeder Seite und 10 ccm sub¬ 
kutan am Abdomen (gleichzeitig wurde Chloral 
per rectum gegeben), am nächsten Tage Wieder¬ 
holung der subkutanen Injektionen, je 20 ccm 
in den Vorderarm und die Axilla und 10 ccm 
abdominal, an den zwei folgenden Tagen ähn¬ 
lich. Schon am zweiten Tage ging der Spas¬ 
mus langsam zurück, am dritten Tage auch 
das Fieber, am vierten wurde Chloral und 
Serum weggelassen. Heilung. 

Der Autor empfiehlt auf Grund der Be¬ 
obachtung von drei Fällen, welche er in 
7 Jahren gesehen hat, sobald sich Vorboten 
von Tetanus zeigen (heftiger Kopfschmerz, 
Erbrechen, Schmerz und Steifheit in den 
Nacken- und Rückenmuskeln, ängstliches Aus¬ 
sehen, vielleicht auch subnormale Temperatur) 
und vor Ausbruch des ersten Anfalles die Vor¬ 
bereitung zur Seruminjektion, welche sofort 
beim Eintritt des ersten Spasmus vorgenommen 
werden soll. R. Bloch (Koblenz). 


E. Rochard, A propos da rapport de la 
commission de la Socidtd de Chirurgie snr 
le traitement du cancer par le g£rum de 
M. Doyen. Bulletin gänöral de Tliöra- 
peutique etc. 23. Juli 1905. 

Der Verfasser stellt sich mit Entschieden¬ 
heit auf die Seite der im Titel genannten 
Kommission. Diese hat ihr Urteil über das 
Doyen sehe Krebssernm in folgenden Worten 
zusammengefaßt: „Nichts von dem, was die 
Kommission geprüft hat, gestattet zu sagen, 
daß die von Dr. Doyen erfundene Behandlung 
eine Besserung im Zustande der Krebsleidenden 
herbeizuftlhren vermag.“ Von einer ungenügend 
langen Fortsetzung der Versuche könne nach 
Meinung des Verfassers keine Rede sein. Ein 
Mittel, das in keinem von 26 Fällen auch nur 
jene vorübergehende Besserung erzielen konnte, 
wie man sie bei allen möglichen Methoden 
beobachten kann, trüge nur dazu bei, den 
rechten Zeitpunkt für notwendige Eingriffe zu 
versäumen. Die Angriffe, die man gegen die 


sogenannten „Offiziellen“ gerichtet hat, veil 
sie ungeschminkt die Wahrheit ausgesprochen 
i haben, hält Rochard für durchaus unberechtigt 
I Böttcher (Wiesbaden). 


J. Fels, Die Schutzpockenimpfung. Wiener 

| klinisch-therapeutische Wochenschrift 1905. 
Nr. 33. 

Der Aufsatz stellt in gedrängter Form und 
doch dem Zwecke vollkommen genügender 
Ausführlichkeit alles das zusammen, was der 
praktische Arzt in erster Linie über die Impfung 
; wissen muß. Theoretische und historische Er* 

I Örterungen sind dabei absichtlich vermieden. 
| Folgende Punkte werden besprochen: 1. Alter 
■ des Kindes. 2. Jahreszeit 3. Impfhinderaisse, 
4. Lymphe oder Impfstoff. 5. Impfstelle und 
Zahl der Impfschnitte. 6. Impftechnik. 7. Nor¬ 
maler Verlauf der Vakzination. 8. Anomalien 
des Verlaufes. 9. Behandlung nach der Impfung 
und der Impfpusteln. 10. Impfkomplikationen 
und ihre Behandlung. 11. Verschleppte Vakzine- 
| pustein, Nebenpocken und allgemeine Vakzine. 

12. Impfzeugnis, Immunität, Revakzinadon. 

I Eine referierende Inhaltsangabe verbietet siefc 
bei einer Arbeit die an sich schon einen 
umfangreichen Stoff in den knappsten Rata 
faßt. Der Aufsatz wird jedem Praktiker eine 
willkommene Lektüre sein. 

Böttcher (Wiesbaden). 


Tb. Welscher, Zur Toberknlinbehaadluig. 

Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstitten 

wesen 1905. Bd. 7. Heft 3. 

Nicht indifferent darf man an Beobachtungen 
wie folgender vortibergehen, bei der Injektionen 
von Alttuberkulin, wie Verfasser ausdrücklich 
bemerkt, an dem Anfachen zunächst einer 
trockenen und dann einer exsudativen, zur 
Punktion gelangenden Pleuritis die Schuld 
trugen. Bei der Aufnahme des 23jährigen 
Patienten war leichter Katarrh vornehmlich 
beider Oberlappen und eine Spur Reiben RM 
bzw. RHU festzustellen. Im spärlichen Aus¬ 
wurf ließen sich auch nach Homogenisieren 
(Czaplewski) Tuberkelbazillen nie naeh- 
weisen. Nach der achten Dose Tuberkulin 
reagierte Patient mit einer schmerzhaften tcr 
vicaldrüsenschwellung und mit einem Ad 
flackern der rechtsseitigen trockenen Pleuritis, 
die deutlicher in ihren physikalischen Symp¬ 
tomen nunmehr auch Schmerzen verursachte 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


603 


und nach einigen Tagen unter Ansteigen der 
Temperatur die beträchtliche Exsudatbildung 
aufwies. J. Ruhemann (Berlin). 


F. Kraus, Immunität bei Tuberkulose. Zeit¬ 
schrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen 
1905. Bd. 7. Heft 3. 

Im Gegensatz zu den Koch sehen An¬ 
schauungen kommt Kraus auf Grund von Tier¬ 
experimenten, die von Jürgens ausgeführt 
wurden, und unter Berücksichtigung seiner 
klinischen Beobachtungen zu dem bemerkens¬ 
werten Schluß, daß in dem bei Injektion von Neu¬ 
tuberkulin (Bazillenemulsion) auftretenden An¬ 
sehwellen der Agglutinationskurve kein Wert¬ 
messer für den erzielten Grad der Immunität 
und die wirkliche Heilung zu erblicken wäre. 
Die Agglutination ist nur eine Reaktion auf 
das Tuberkulin und stehe in keiner ursächlichen 
Beziehung zu dem Heilverlaufe. 

Verfasser fand, daß jede sichere Wirkung 
des injizierten Mittels auf den Fieberverlauf 
fehlte, daß bei vorgeschrittenen Fällen schon 
durch geringe Dosen schwere Störungen des 
Allgemeinbefindens (Tuberkulinschäden) her- 
vorgerufen wurden. Er lehnt deshalb die 
therapeutische Anwendung des Tuberkulins am 
Krankenbett auch in der neuen Gestalt ent¬ 
schieden ab. 

Bezüglich der passiven Immunisierung, wie 
sie durch die Einspritzung der Sera von 
Maragliano und Marmorek angestrebt wird, 
spricht sich Verfasser noch wenig ermutigend 
aus. Wenn wir uns zu dom vortrefflichen Auf¬ 
sätze eine Bemerkung erlauben wollen, so wäre 
es die, daß es für das Verständnis nicht un¬ 
bedenklich ist, den Ausdruck Infekt für In¬ 
fektion zu gebrauchen, und daß es ferner 
angezeigt wäre, die übliche, aber grausame 
Bezeichnung „Antikörper“ durch eine ge¬ 
eignetere zu ersetzen. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Carl Spengler, Ein neues immunisierendes 
HeHverfahren der Lungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Deutsche medizinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 31 und 34. 

Verfasser bespricht in der wissenschaftlich 
wertvollen Arbeit einmal das Agglutinations- 
vennögen bei Anwendung von Perlsuchttuber- 


I kulin, sodann einen Selbstinfektionsversuch 
mit lebenden Perlsuchtbazillen, drittens eine 
differential-diagnostische Färbemethode der 
letzteren, endlich das Agglutinationsvermögen 
bei 80 mit Perlsuchttoxinen immunisierten Tuber¬ 
kulösen. 

Spengler, der die Kochsche Hypothese 
vertritt, dass die Agglutination einen Wert¬ 
messer für die erlangten Grade der Immunität 
und die Kontrollierung der therapeutischen 
Maßnahmen darstelle, eine Annahme, die neuer¬ 
dings von F. Kraus und Jürgens bestritten 
wird (s. oben), fand, daß sich bei Behandlung 
mit dem von ihm angegebenen Perlsucht¬ 
originaltuberkulin (P T 0) die Agglutinations¬ 
verhältnisse für das Gros der Tuberkulösen 
und Phthisen wesentlich anders gestalten, als 
bei der alten isotoxischen Tuberkulinmethode. 

Diese Differenzen beziehen sich zunächst 
auf die Provokation des Agglutinations¬ 
vermögens, das unter dem Einfluß des Perl- 
suchttoxins bis auf die höchsten Werte ge¬ 
steigert werden kann, ohne daß auch nur 
Spuren vonFieber aufzutreten brauchen. 
Notwendig sind nur Lokalrcaktionen an den 
Injektionsstellen; diese korrespondieren mit den 
Reaktionen in den Krankheitsherden; je 
stärker die letzteren ausfallen, desto intensiver 
sind im allgemeinen auch die agglutinogenen 
Körperfunktionen. 

Was sodann die Steigerung des Agglu¬ 
tinationsvermögens betrifft, so ist diese so 
beträchtlich, daß bereits mit den Anfangsdosen 
subkutan angewendeter Perlsuchttoxine bis 
fünfmal höhere Agglutinationswerte 
erzielt werden als sie je mit Isotoxinen 
und intravenösen höchsten Dosen Koch- 
schen Tuberkulins erreicht worden sind. 

Ein dritter und wahrscheinlich der bedeu¬ 
tungsvollste Unterschied zwischen der allo¬ 
toxischen Perlsucht- und der isotoxischen alten 
Tuberkulinbehandlung besteht darin, daß das 
Agglutinationsvermögen der Perlsuchtimmuni¬ 
sierten nicht ein vorübergehendes Phänomen, 
wie bei der Alttuberkulintherapie, sondern eine 
Dauerfunktion des Organismus, eine echte 
Immunitätserscheinung darstellt. Spengler 
konnte etwa ein Jahr nach der letzten Injektion 
Agglutinationen von 1 : 200 bis 1 : 500 nach- 
weisen. Ähnlich müssen sich die bakteriziden 
Funktionen verhalten, was allerdings noch 
sicherer zu erhärten wäre. 

Diese Differenzen in den Wirkungen beider 
Toxine sprechen für essentielle und nicht nur 
graduelle Unterschiede def Tuberkuline; denn 


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604 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


mit den Perlsuchttoxinen kann man trotz ihrer 
scheinbar herabgesetzten Wirksamkeit — weil 
sie weniger toxisch febrile Reaktionen be¬ 
dingen — gegen die höchsten Dosen der 
menschlichen scheinbar stärkeren Gifte immuni¬ 
sieren. Das Umgekehrte ist dagegen nicht der 
Fall. Die höchsten Mengen menschlicher 
Tubcrkelbazillengifte festigen noch nicht ein¬ 
mal gegen die Anfangsdosen der Perlsucht¬ 
stoffe. 

Die Perlsuchttoxine immunisieren den 
Menschen, der mit Tuberkelbazillen infiziert 
ist, die Tuberkclbazillen menschlicher Pro¬ 
venienz dienen zur Immunisierung der Rinder. 

Auf Grund dieser Ergebnisse machte Verf. 
einen Selbstinfektionsversuch; nach einer In¬ 
jektion einer Aufschwemmung von Vs mg 
lebender Perlsuchtbazillen trat eine acht Monate 
lang anhaltende örtliche Abszeßbildung ein, 
die die Nachbardrüsen keineswegs in Mitleiden¬ 
schaft zog. Neun Monate nach der Infektion 
ergab sich eine Agglutination von 1:500 der 
Kochschen Tuberkelbazillen- und der Perlsucht¬ 
testflüssigkeit gegenüber. 

Besagt das Ergebnis dieses Versuches nur, 
daß die Perlsuchtbazillen keine propagierende 
Infektion unter Umständen bedingen, die für 
die Tuberkelbazillen zur Hervorbringung einer 
generalisierten Tuberkulose optimale wären, so 
wird dadurch nicht die Unschädlichkeit der 
Perlsuchtbazillen für den Menschen erwiesen. 
Dagegen darf man von ihnen annehmen, daß 
sie eine echte Immunität bei diesem hervor- 
rufen, und daß man auf diesem Wege zu einem 
allgemein anwendbaren Tuberkuloseschutzver¬ 
fahren der gesunden Menschheit gelangen kann. 
Zur Tuberkuloseheilung dagegen eignen sich die 
lebenden Perlsuchtbazillen w ahrscheinlich nicht. 
Daher hat Spengler die Perisuchtemulsion, die 
er nur in wenigen Fällen anwandte, wieder 
fallen lassen, weil die bakteriziden Wirkungen i 
hinter den agglutinogenen erheblich Zurück¬ 
bleiben. 

Stellen, wie aus den biologischen Unter¬ 
suchungen hervorgeht, Perlsucht- und Tuberkel¬ 
bazillen zum mindesten zwei verschiedene Bak¬ 
terienrassen dar, so gewinnt diese Anschauung 
durch die Färbeeigentümlichkeit der ersteren, 
welche alsdann auch ihre morphologischen 
Eigenarten deutlich dokumentieren, eine feste 
Beweiskraft. Diese Färbungsdifferenz ergibt 
sich aus der Eigenart der Hülle, welche äußerst 
säureempfindlich nach Säurecinwirkung den 
Farbstoff wieder abgibt, so daß man unter 
Anwendung der üblichen Tuberkelbazillen- 


färbemethoden die Perlsnchtbazillen nicht in 
ihrer wahren, die Kochschcn Bazillen an 
Größe, Dicke und Länge übertreffenden Gestalt 
zu Gesicht bekommt. Die Perlsuchtbazillcn 
gehören demnach gar nicht zu den echt säure¬ 
festen Bakterien. 

Verfasser schlägt folgende, gut differen¬ 
zierende Methode vor, welche ihm unter 
anderem lehrte, daß Perlsuchtbazillen viel öfter 
in dem Sputum Vorkommen als zu erwarten 
stand, und nahezu immer nur in Gesellschaft 
der Tubcrkelbazillen. Ihm scheint daher eine 
bovine Provenienz weniger wahrscheinlich als 
eine Übertragung der beiden Infektionskeime 
von Mensch zu Mensch! 

Die Methode wird in folgender Weise 
gehandhabt: 

1. Herstellung eines Trockenpräparates 
unter schonender Erwärmung, und zwar bei 
Reinkulturen in dicker Schicht, bei Sputum 
in dünner Schicht; 

2. Färbung mit kaltem Ziehlschen 
Karbolfuchsin — d. h. ohne FlammenerwärmuD? 
— 1—5 Minuten lang, eventuell im Brut 
schrank und ohne irgend eine Säure- 
behandlnng; 

3. Abspülen des überschüssigen Fuchsin« 
mit 60°/o Alkohol, bis kein Farbstoff m<i r 
entfernt werden kann; 

4. Zusatz von einem kleinen Tropica 
Methylenblau Löffler zu dem auf dem Deck 
glas gebliebenen Alkoholrest und Entzündung 
desselben am Deckglasrand mit rascher Aus¬ 
breitung des Methylenblautropfens über das 
ganze Präparat unter Hin- und Hcrbewegco 
des Deckglases. Die ganze Prozedur dauert 
etwa 2—3 Sekunden; dann 

5. rasches Abspülen des Präparates mit 
Wasser, Trocknen zwischen Fließpapier und 
behutsam über der Flamme. 

Die Perlsnchtbazillen färben sich leuchtend 
„arteriell“ rot, die Tuberkelbazillen sehen 
„venös“ rot, bez. violett aus. 

Was endlich die Prüfung des Agglutination* 
Vermögens bei 80 mit Perlsuchttoxinen immu¬ 
nisierten Tuberkulösen anbetrifft, so agglu- 
tinierten 60, somit drei Viertel der Kranken, 
zwischen 1:300 und 1:3000, der Rest zwischen 
1:100 und 1: 300. 

Bei Koch agglutinierten 51 Fälle von 
zwischen 1 :25 und 1:75. Der kleine Rest 
agglutinierte von 1:75 bis 1:300. Spengler 
entnahm das Serum durch Venenpnnktion au* 
dem Vorderarm in der Ellbogenbeuge. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 605 


Es muß die Zukunft über die Aussichten ' 
der Behandlung mit Perlsuchttuberkulin ent¬ 
scheiden. 

Für die Kontrollierung der Therapie er¬ 
scheint uns die Beobachtung der Agglutination 
nicht erforderlich, und ein innerer Konnex 1 
zwischen Heilung der Tuberkulose und Zu¬ 
nahme des Agglutinationsvermögen nicht vor¬ 
handen; denn daß letztere keinen Beweis 
für das Eintreten der HeilungsVorgänge 
liefert, geht unweigerlich aus dem | 
Faktum hervor, welches auch Koch nicht 
berücksichtigt hat, daß Tuberkulöse, 
bei denen die Krankheit spontan zum 
Schwinden gelangt, keine Erhöhung 
der Agglutination darbieten; diese 
müßte doch auch in jenen Fällen vorhanden i 
sein, wenn die Agglutinationszunahme eine 
Teilfunktion des sich herausbildenden Immuni¬ 
tätszustandes bzw. ein Indikator Air das wirkliche I 
Einsetzen der Heilungsvorgänge darstellte. Es | 
ist also von einem Heilmittel gegen Tuberkulöse j 
such gar nicht zu verlangen und es ist nicht 
die Kontrolle darauf zu richten, daß jenes die 
Agglutinationsvorgänge steigert, die bei spon- j 
tanem Versiegen der Krankheit ebenfalls keine | 
Erhöhung erfahren. J. Ruhemann (Berlin). 

F. Verschiedenes. 

H. Qutzmann, Die Übung der Sinne* Modi- j 
zinisch-pädagogische Monatsschrift für die j 
gesamte Sprachheilkunde 1904. 

Nach einem überblick über die zum Teil sehr 
geistvollen Methoden, welche große Pädagogen 
früherer Zeiten (Rousseau, Gutsmuths) zur 
Verfeinerung der einzelnen Sinnesqualitäten 
angewandt haben, werden die psychologischen 
Grundlagen der Sinnesübung besprochen. Das 
Elementarphänomen ist die Steigerung der Reiz¬ 
barkeit durch Reize, d. h. die Verfeinerung , 
des Wahrnehmungsvermögens. Von praktischer i 
Wichtigkeit ist dabei, daß ein Übermaß von 
Reizen das Neuron ebenso schädigt wie der 
gänzliche Fortfall derselben. Da nun die Auf¬ 
merksamkeit, welche für den Erfolg der Übung 
von größter Bedeutung ist, an und für sich i 
mit Anstrengung verknüpft ist, so müssen 
besonders bei Schwachsinnigen und Idioten, | 
deren Gehirn auf einer niedrigen Entwicklungs¬ 
stufe stehen geblieben ist, die Sinnesübungen 
mit größter Vorsicht vorgeuommen werden, 
weil sie sonst geradezu schädlich wirken. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


Hirsch, Über Basedowsche Krankheit* 

München 1905. Verlag der Ärztl. Rundschau. 

Während die Möbiussche Theorie bezüg¬ 
lich der Pathogenese der Morbus Basedowii in 
der Neuzeit von der überwiegenden Mehrzahl 
der Autoren anerkannt wird, versucht der Ver¬ 
fasser in dem vorliegenden Schriftchen gegen 
sie zu Felde zu ziehen und will den Herz¬ 
krankheiten die führende Rolle in der Ätiologie 
der Krankheiten zuerkannt wissen. Wir können 
nicht anerkennen, daß der Feldzug des Autors 
gelungen ist; . das von ihm beigebrachte 
Material ist kein beweiskräftiges und kann 
anders gedeutet werden, als es von ihm ver¬ 
sucht wird. An Theorien über den Ursprung 
der Basedowschen Krankheit leiden wir keinen 
Mangel; es scheint uns demnach kein Gewinn 
zu sein, wenn die Literatur der Krankheit um 
die weitere bereichert wird, daß Herzkrank¬ 
heiten die Ursache von Morbus Basedowii 
sein sollen. Das Kapitel über die Behandlung 
der Krankheit enthält keine neuen Gesichts¬ 
punkte. Freyhan (Berlin). 

Ririöre, Physlcotheraple de laNeurasthönie* 

Journal de Physicothörapie 1904. Oktober. 

Autor geht von der ursprünglichen Beard- 
schen Auffassung der Neurasthenie als einer 
nervösen Depression und irritablen Schwäche 
des Nervensystems aus und verlangt für ihre 
ätiologische Behandlung eine Hebung der ge¬ 
störten Ernährung der nervösen Elemente. Dies 
kann nach ihm nur von der physikalischen 
Therapie aus erfolgen, die die Funktion der 
zentralen Organe hebt und kräftigt und damit 
umstimmend auf den Dynamismus der Zelle 
wirkt. Er läßt dann die einzelnen Formen der 
physikalischen Therapie, die hierfür in Betracht 
kommen, Revue passieren, aus der Hydrotherapie 
vor allem die Strahldusche auf Stamm und 
Extremitäten mit folgender Fächerdusche auf 
die Füße und trockener Abreibung, weiterhin 
die kohlensauren Bäder, die besonders bei 
arthritischen Neurasthenikern ihre volle Wirkung 
entfalten, die Mechanothcrapie und Massage, 
die Vibration und endlich die Elektrotherapie. 
Alle Formen dieser letzteren, die Faradisation, 
d’Arsonvalisation, Franklinisation, wie der 
Elektromagnetismus werden seit Beard für 
die vorliegenden Zwecke mit Erfolg benutzt, 
besonders aber ist die Anwendung der Wechsel¬ 
ströme von hoher Frequenz mit ihrer Oxydations- 
steigerung und ihrer Regnlierung der arteriellen 
Spannung von wesentlicher Bedeutung. Etwas 


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606 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


phantastisch interpretiert der Verfasser ihre 
wunderbaren Wirkungen durch die Oszillationen, 
durch welche sie die Nervenzellen erschüttern, 
deren Effekt ein Redressement der Neurone 
in ihre physiologische Bahn ist (??). Er empfiehlt 
kurze Sitzungen und zur Förderung der Aus¬ 
scheidungen intermittierende Schwitzlichtbäder, 
diätetische Getränke, Laxativa. Das elektro¬ 
statische Bad mit einer elektrischen Dusche 
wird mit Erfolg angewandt gegen zerebrale 
Depression, Schlaflosigkeit, Parästhesien, es 
wirkt beruhigend und als Regulator auf das 
Nervensystem. Die Elektrotherapie muß nach 
Rivi&re der Hydrotherapie vorgezogen werden 
in allen den Fällen, wo die Reaktionen schwach, 
die respiratorischen Organe sensibel sind, sowie 
bei den zahlreichen Neurasthenikern mit kutaner 
Ischämie, mit Schwindelanfällen, mit Kardio- 
spasmen. Auch die Radiotherapie und die 
Lichttherapie, letztere in Form der Lichtbäder, 
sind als therapeutische Agentien heranzuziehen 
und mit den anderen Methoden kombiniert an- 
zu wenden. Nur im Wechsel und in der steten 
Modifikation der einzelnen Maßnahmen, konform 
dem Allgemeinzustand, ist bei dem vielgestaltigen 
Bild der Neurasthenie ein Erfolg zu erzielen. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

Friedrich Kölbl, Die Gicht (Harnsäure 
Diathese). Wien 1904. Stern & Steiner. 

In dem knapp 19 Seiten starken Schriftchen, 
das bei dem geringen Umfang nur an der Ober¬ 
fläche bleiben kann, worden kurz die Ursachen, 
Krankheitserscheinungen und Behandlung der 
Gicht referierend zusammengestellt, ohne daß 
eine persönliche Note des Verfassers zur Geltung 
kommt. Freyhan (Berlin). 


Flachs, Verbesserte Frauentracht* Zeit¬ 
schrift für Tuberkulose etc. Bd. 7. Heft 13. 

Verfasser betont^ die Notwendigkeit einer 
dem Körper sorgfältig angepaßten Unter- und 
Oberkleidung, die in erster Linie von den 
Hüften, in zweiter von den Schultern getragen 
wird. Laser (Wiesbaden). 


D. Kuthy, Zur Beschäftigung der Heil¬ 
stättenpfleglinge. Zeitschrift für Tuber¬ 
kulose etc. Bd. 7. Heft 13. 

Verfasser tritt sehr warm flir geeignete 
freiwillige Beschäftigung der in Lungenheil¬ 


stätten untergebrachten Kranken ein, und 
empfiehlt besonders Flechtarbeiten und die 
Herstellung von Liegestühlen, wie dies in der 
von ihm geleiteten Anstalt mit Erfolg betrieben 
wird. Laser (Wiesbaden). 


P. Hacker, Gipsstaub (Kalziumsulfat) als 
Heilmittel gegen Lungentuberkulose* Zeit- 
| Schrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen 
1905. Bd. 7. Heft 4. 

Wie Verfasser bemerkt, bemühen sich 
die deutschen Gipsindustriellen seit mehreren 
Jahren, die Aufmerksamkeit der berufenen 
Kreise dafür zu erregen, daß der inhalierte 
Gipsstaub, wie er bei der Fabrikation entsteht, 
bei Lungenschwindsucht heilend wirke und 
Beachtung als ein Spezifikum erfordere. Ver¬ 
fasser vermutet, daß neben der desinfizierenden 
Wirkung von der Anwendung des Kalzium sulfates 
noch ein anderer aus seiner Zusammensetzung 
herrührender Vorteil angenommen werden 
dürfte. Ungeachtet der engen Affinität zwischen 
dem Säurerest und dem Kalziumoxyd ist bei 
der leicht ermöglichten Lösung des Minerales 
in den Gewebssäften des lebendigen Organis¬ 
mus die Trennung der beiden Bestandteile sehr 
wahrscheinlich. Das Kalziumoxyd ist aber die¬ 
jenige Verbindung, welche die heilende Lunge 
zur Verkalkung der erkrankt gewesenen Teile 
verwendet. Bei dem Überfluß an Kohlendioxyd, 
der infolge der natürlichen Funktion der Lunge 
immer anwesend ist, wird sich der zur Ver¬ 
kalkung notwendige kohlensaure Kalk selbst 
bei den Kranken ohne Schwierigkeit bilden 
können, in deren Blutbahnen der Kalkgehalt 
unter dem normalen liegen sollte. Vielleicht 
könnte im Sinne des Verfassers angenommen 
werden, daß der Aufenthalt an der Riviera 
auch gerade durch den daselbst reichlich vor¬ 
handenen Kalkstaub seine günstigen Wirkungen 
auf tuberkulöse Prozesse ausübe. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Kircz, Mit Thiosinamin behandelte Fälle 
von Strictura oesophagi. Budapest! Orvosi 
Ujsäg 1904. Nr. 24. 

Die Resultate, die mit Thiosinamin bisher 
erreicht wurden, ermunterten Verfasser zur An¬ 
wendung desselben bei Strictura oesophagi. 
Zuerst wendete es Hebra im Jahre 1892 bei 
Lupus, Drüsenschwellung, Parametritis und 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


607 


.Sklerodermie an und hatte damit die besten 
Erfolge bei Narben, Keloiden, indem dieselben 
weicher, loser und mobiler wurden. Seitdem 
probierten viele das Mittel, so neuerdings 
Langemann bei Dupuytrenscher Kontraktur, 
Roos bei Mitralinsuffizienz infolge Klappen¬ 
schrumpfung, Fränkel bei alten Pleuritiden, 
Hartz bei Stenosis pylori, Tabora bei Sand- 
uhrmagen, und zwar mit Erfolg. Verfasser 
versuchte das Mittel bei einem 39jährigen 
Manne, der vor vier Jahren Lauge trank und 
danach eine Striktur bekam; seit zwei Jahren 
wurde dieselbe nicht behandelt; in letzter Zeit 
verschlimmerte sich wieder das Schlucken also, 
daß er sich bloß mit Milch ernähren konnte. 
Hei Beginn der Behandlung blieb die Sonde 
Nr. 3 bei 39 cm stecken, dickere Sonden schon 
Hei 36 cm. Das Thiosinamin wurde in 15%iger 
glyzerinwässeriger Lösung injiziert (Alkohol- 
lüsung ist schmerzhaft); den ersten Tag bekam 
er eine halbe Pravazspritze voll, zwei Tage 
später ebensoviel, seitdem jeden dritten bis 
vierten Tag eine Pravazspritze voll. Unan¬ 
genehme Nebensymptome fehlten, ausgenommen 
oin kleines Kopfweh am Tage der Injektionen, 
das nach 7a g Antipyrin oder Migränin in einer 
Viertelstunde aufhörte. Insgesamt wurden 26 
Injektionen verabreicht. Trotzdem die meisten 
Autoren das Thiosinamin bloß als Adjuvans 
betrachten und dabei die Fortsetzung der 
mechanischen Behandlung befürworten, welche 
in diesem Fall in der Sondierung bestanden 
hätte, sah Verfasser davon ab, da er sehen 
wollte, inwiefern das Mittel allein die Striktur 
in erweitern imstande ist Der Erfolg blieb 
tatsächlich nicht aus, da jetzt bereits die Sonde 
Nr. 6 bequem in den Magen einführbar ist und 
der Patient auch größere Stücke gut schlucken 
kann. Die Wirkungsweise des Thiosinamins 
ist noch unaufgeklärt; Tatsache ist bloß, daß 
das Narbengewebe weicher und loser wird. 
Die in einem Fall vollführte mikroskopische 
Untersuchung (Glas), zeigte eine Aufquellung 
des Narbengewebes. Einige sind geneigt, an- 
znnehmen, daß das Thiosinamin eine neue Ent¬ 
zündung im Narbengewebe hervorruft Aber 
diese Erklärung ist nicht zufriedenstellend, 
denn die neue Entzündung produziert neues 
Bindegewebe und das gelangt neuerdings zur 
Schrumpfung. Tierexperimente werden vielleicht 
Klarheit in dieser Frage bringen. 

J. Hönig (Budapest). 


Räcz, Über Anstaltspflege der Säuglinge. 

Budapesti Orvosi Ujsäg 1904. Heft 2. 

Zu den zwei entgegengesetzten Ansichten, 
nämlich, daß Anstaltskrankenzimmer sich zur 
längeren Pflege eignen (Szalärdy) und daß 
die nachteiligen Folgen der Anstaltspflege auch 
unter den besthygienischen Verhältnissen auf- 
treten (Szana), nimmt Verfasser auf Grund seiner 
am Material des Nagyvärader Kinderasyls durch 
drei Jahre gesammelten Erfahrungen Stellung 
zugunsten ersterer Auffassung, indem er sich 
auf folgende statistisch exakt nachgewiesenen 
Tatsachen stützt: 1. Säuglinge, die mit der 
Mutter oder die zur Ernährung mit Ammen¬ 
milch in die Anstalt gesund aufgenommen 
wurden, entwickeln sich bei aseptischem Betrieb 
der Anstalt ausgezeichnet, erkranken überhaupt 
nicht. Je exakter die Asepsis durebgeführt 
wird, desto besser ist das Resultat. Infolge¬ 
dessen soll die Einrichtung und der Betrieb 
der neuen Kinderasyle unter Beobachtung der 
strengsten Asepsis erfolgen. 2. Krank auf¬ 
genommene oder im Asyl erkrankte Säuglinge 
können daselbst bei aseptischem Betrieb mit 
vorzüglichem Erfolg behandelt werden. Haupt¬ 
sache ist die Darreichung entsprechender 
Ammenmilch. Bezüglich der Herausgabe des 
Säuglings muß der Standpunkt bewahrt bleiben, 
daß nicht auf die vollkommene Genesung des 
Säuglings gewartet werden darf, sondern daß 
er, sobald er zu einer entsprechenden Amme 
gelangen kann, herauszugeben ist. Um dies 
zu erreichen, verfolgte Verfasser das Verfahren, 
daß er die von der Umgebung um einen Säug¬ 
ling hereingekommenen Ammen (die ihr eignes 
ca. sieben Monate altes Kind daheim ließen) 
drei bis vier Tage lang im Asyl behielt und 
ihnen den anvertrauten Säugling nur dann 
endgültig überließ, wenn er innerhalb dieser 
Zeit mehr oder weniger zunahm. Hieraus folgt 
natürlich, daß bei Säuglingsherausgabe die 
weitgehendste Individualisierung sorgsam zu 
beobachten ist, was bloß bei geringerem Umsatz, 
also durch gehörige Dezentralisation ermöglicht 
ist. 3. Blieb im Asyl bei einem Teil der Säug¬ 
linge das Körpergewicht unverändert und 
konnte dieser Ausfall der Gewichtszunahme 
weder auf Erkrankung noch auf Alimentations¬ 
fehler zurückgeführt werden, so konnte Ver¬ 
fasser als interessantes Symptom die Säuglings¬ 
kumulation als Ursache dieses Umstandes fest- 
steilen. Es konnte entschieden nachgewiesen 
werden, daß auch ein Teil der Erkrankungen 
im Asyl, aber besonders die erwähnten Fälle 


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008 Tagesgeschichtlicho Notizen. — Eingegangene Schriften. 


von Entwicklnngszurückbleiben aus solchen 
Zeiten stammten, wo in einzelnen Asylzimmern 
eine Überfüllung eintrat, da die Herausgabe 
der Säuglinge einige Tage ins Stocken kam. 
Diese Schädlichkeit der Säuglingskumulation 
glaubt Verfasser hauptsächlich der infolge der 


gehäuften Verpflegungsagenden gelockerten 
Betriebsasepsis zuschreiben zu können. Die 
Gefahr dieser Kumulation stellt sich auf Grund 
bisheriger Erfahrungen in den neu erbauten, 
auf aseptischen Betrieb eingerichteten Asylen 
sehr minimal. J. Hönig (Budapest). 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Aus dem Istituto Ortopedico Rizzoli in Bologna geht uns folgende Bekanntmachung zu: 

In Beobachtung des Art. 15 des Reglements für den Preis „Umbert I“, dessen Konkurs 
am 1. Januar 1904 eröffnet und am 31. Dezember des gleichen Jahres geschlossen wurde, ver¬ 
öffentlichen wir den Beschluß zur Erteilung des Preises, wie solcher von der Kommission, 
bestehend aus den Herren Bott Bernard Roth, Mitglied des Royal College of Surgeon in 
London, Prof. Edoardo Bassini aus Padua und Prof. Antonio Carle aus Turin gefaßt wurde. 

Die Preisrichter haben ln voller Übereinstimmung beschlossen, daß der Preis Herrn Prof. 
Oskar Vulpius in Heidelberg gebühre für seine Arbeit: „Die Sehnenüberpflanzung und ihre 
Verwertung in der Behandlung der Lähmungen“. Leipzig 1902. 

Bologna, den 29. August 1905. 

Für den Präsident: Adv. Riccardo Stagni. 


Herr Dr. Julian Marcuse, bisher in Mannnheim, hat die ärztliche Leitung der „Kur 
anstatt Ebenhausen im Isartal“ übernommen. Dieselbe ist von München aus in 40 Minuten 
erreichbar, ist das ganze Jahr hindurch geöffnet und bietet Raum für 70 Gäste. Auf das 
modernste ausgestattet, verfügt sie über riesige Terrains, die den physikalischen Heilmethoden 
nutzbar gemacht sind. So z. B. umfassen die mit Spielplätzen etc. versehenen Lichtluftpark 
ein bewaldetes Areal von 25 000 qm und 1500 qm Wiesenfläche. 

Die Anstalt selbst verfügt über die modernsten Apparate auf allen Gebieten der physi¬ 
kalischen Therapie: Bäder und Duschen der verschiedensten Art, Dampf- und Heißluftapparate, 
elektrische Apparate (inkl. Röntgen und d’Arsonval), heilgymnastische und Massageapparate. 
Zur Anwendung der Beschäftigungstherapie sind eigene Werkstätten eingerichtet, auf die Diätetik 
wird besonderer Wert gelegt. Wir werden an anderer Stelle noch ausführlich über die Anstalt 
berichten. 


Eingegangene Schriften. 


W. Pieper, Betrachtungen über das Heilverfahren bei den Berufsgenossenschaften und 
Vorschläge zur praktischen Durchführung desselben. Darmstadt 1904. G. L. Schlapp. - 
H. Lossen, Die Ernst Ludwigs-Heilanstalt; Beiträge zur Verwendung der physikalischen Heil¬ 
methoden. 492 Seiten. Darmstadt 1905. Herbertsche Hofbuchdruckerei. — M. Huck, Pe 
l’anurie calculeuse et de ses indications opöratoires. Nancy 1904. Imprimerie Nanceienne. - 
Übersicht über die Jahresberichte der öffentlichen Anstalten zur technischen Untersuchung von 
Nahrungs- und Genußmitteln im Deutschen Reich für das Jahr 1902. Bearbeitet im Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamt Berlin 1905. Julius Springer. — A. Hiller, Die Gesundheitspflege 
des Heeres. Berlin 1905. Hirschwald. 

Berlin, Druck von W. Büxenstein. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

PHYSIKALISCHE » DIÄTETISCHE 


THERAPIE 


Mitarbeiter: 

Prof. r. BABES (Bukarest), Geh.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rnt Prof. 
CCBSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Ziirich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin). 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Priv.-Doz. Dr. FRANKENHÄUSER 
•Brriin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER (Berlin), Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), 
Gfh.-Rat Prof. A. 1IOFFMANN (Leipzig), Prof. v. JAK8CH (Prag). Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), 
Prof. K1TASATO (Tokio), Prof. G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Priv.-Doz. 
Dr. PAUL LAZARUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg) Geh.-Rat Prof. LIEBREICH 
•Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Priv.-Doz. Dr. L. MANN (Breslau), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
MART1US (Rostock), Prof. v. MERING (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), 
Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Strafiburg), Prof. v. NOORDEN (Frankfürt a. M.), Prof. PEL (Amsterdam), 
Prof. A. PRIBRAM (Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENYERS (Berlin), Prof. 
KOSENSTEIN (Leiden), Geh.-Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Prof. SCHREIBER 
Königsberg), Sir FELIX SEMON (London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin). Prof. ▼. STRÜMPELL 
Breslau), Sir HE RMAN N WEBER, M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), Dr. E. ZANDER 
(Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 

Herausgeber: 

E. VON LEYDEN und A. GOLDSCHEIDER. 

Redaktion: 

Dr. W. ALEXANDER, Berlin NW., Flensburgerstraße 19a. 


Neunter Band (1905/1906). - Elftes Heft. 


1. FEBRUAR 1906. 


LEIPZIG 1900 

Verlag von GEORG THIEME, Rabensteinplatz 2. 


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Preis des Jahrgangs M. 12.—. 

Manuskripte, Referate und Sonderabdr&cke werden an Herrn Dr. W. Alexander» Berlin KW., 
Flensbnrgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur zu vermerken; 40 SonderabzUge werden den Verfassern von Originär 
Arbeiten gratis geliefert. 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht is das 
Manuskript eingezeichnet) und in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT 


I. Original-Arbeiten. seit« 


I. Mittel zur Verlängerung des Lebens. Nach der zweiten vermehrten Auflage des vor 

dem Royal College of Physicians in London am 3. Dezember 1903 gehaltenen 
Vortrags „One means for the Prolongation of life.“ Von Sir Hermann 
Weber M. D., Konsult. Arzt am Deutschen Hospital in London und an den 
Hospitälern für Schwindsucht in Ventnor und Mount Vernon.613 

II. Die neuen Behandlungsmethoden des Lupus. Von Professor E. Lesser in Berlin . 627 

III. Die Indikationen der methodischen Massage bei der Behandlung der Neuritis und 

Polyncuritis. Von Dr. Kouindjy, Chef du Service de R66ducation et de 
massage ä la Clinique Charcot (Salp6tri6re).631 

IV. Die Grenzen und Wechselbeziehungen zwischen der mechanischen Orthopädie und 

orthopädischen Chirurgie. Von Dr. Oskar v. Hovorka, Chefarzt für Orthopädie 
am Zander-Institut in Wien. Schluß).. 634 

II. Berichte über Kongresse und Vereine. 

Bericht über den I. Internationalen Kongreß für Physikotherapie in Lüttich am 12. bis 

15. August 1905. Von Dr. W. Alexander. (Schluß).641 

III. Referate Ober Bücher und Aufsätze. 

A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Wedele, Die diätetische Küche für Magen- und Darmkranke.644 

Gilbert, Praktische Winke für die Diabetesküche.644 

v. Lcube, Zur Frage der physiologischen Albuminurie.644 

von Noorden, Die Behandlung der Fettleibigkeit.645 

EUner, Über die Indikationen und Kontraindikationen der Anwendung von Eisenpräparaten 

bei Magenkrankheiten.646 

Nothnagel, Zur Pathogenese der Kolik.646 

Iricdjnng und Hecht, Cber Katalyse und Fermentwirkungen der Milch. II. Teil . . 646 

Oefele, Grundlagen aus der modernen Verdauungslehre zur praktischen Verwertung der 

Koprologie.648 

Thompson, Problems in dietetics .649 

B« Hydro-, Balneo- und Klimatotheraple. 

Zuntz, Loewy, Müller und Caspari, Höhenklima und Bergwanderungen in ihrer 

Wirkung auf den Menschen.650 

Weiß, Der Wert der Bäder bei Gicht.656 

Jo la Harpe, Cber die Resultate der Fangobehandlung und über die kombinierte Sol- 

und Fangokur.656 

l asciani, Der Einfluß einiger Mineralwässer auf die Gallensekretion.656 

Eriedländer, Über Luft- und Sonnenbäder.656 

herz, Über die Reaktionsfähigkeit des gekühlten oder erwärmten Herzens.657 

Winternitz, Die Altersgrenzen für Kaltwasserkuren.657 

C. Gjmnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

beutschländer, Die funktionelle Behandlung der Knochenbrüche.658 

( hampionniöre, Frakturen und Mobilisation.658 

Hoffa, Die physikalische Behandlung spastischer Kontrakturen.658 

Scholder, Der Arthromotor.658 

Hochhaus, Über die Behandlung akuter Halsaffektionen mittelst Stauungshyperämio . . 659 

Vulpius, Die Behandlung der spinalen Kinderlähmung.659 

41* 


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Inhalt. 


612 


Stile 


Boinet, Indication de la thoracentäse sans aspiration. 

Garei, Trois cas intäressants de corps ätrangers de l’<esopbage . . . .6ö$ 

Hildebrandt, Die Lumbalanästhesie.G6U 

D. Elektro-, Licht- und Röntgentherapie. 

Köhler, Röntgenröhre mit Vorrichtung zur therapeutischen Dosierung der Röntgen strahlen 660 

Holzknecht, System der Strahlungstherapien.661 

Unna, Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen.661 

Rosenthal, Über die Erzeugung intensiver Röntgen strahlen für therapeutische Zwecke 661 

Kunwald, Über die Behandlung der Kehlkopftuberkulose mit Sonnenlicht.661 

Dessauer, Röntgenologisches Hilfsbuch, Bd 1.661 

Regnier, Importanza dell’ elettricitä medica e della radiografia nella terapia e nella 

’Medicina legale degli infortuni‘.662 

Franze, Die Elektrotherapie der Herzkrankheiten in Verbindung mit der Nauheimer Kur 662 

Montier, Die Behandlung der Arteriosklerose mittelst Arsonvalisation.662 

Witte, Zur faradischen Behandlung der Fibromyome des Uterus.663 

Scholtz, Über die Bedeutung der Wärmestrahlen bei der Behandlung mit konzentriertem 

Licht nach Finsen.663 

Pa u tri er, Que peut-on attendre, k l’heure actuelle, de la radiothärapie dans le traite- 

ment du cancer?.663 

Axmann, Über Radioaktivierung und ein neues Radiumpräparat (Radiophor) .... 664 

Lassar, Neue Beiträge zur günstigen Wirkung des Radium auf Hautkrebse.661 

Kal mann, Ein Beitrag zur Kenntnis der Radiumwirkung von Heilquellen.664 

Kühn, Die neue sichere Epilationsmethode Kromayers und die Elektrolyse.664 

Einhorn, Über die Radiumbehandlung des Ösophagnskrebses.661 

Schliep, Unsere elektrischen Bäder.666 

Winckelmann, Behandlung der Leukämie und Pseudoleukämie mit Röntgenstrahlen . $3 

E. Serum- und Organotherapie. 

Rüssel, The treatment of strychnine poisoning and of tetanus by spinal anaestbesia. . wö 

Bassano, Five cases of tuberculosis treated with Dr. Marmoreks serum. 

Lindsay, Eine akute Erkrankung infolge Einspritzung mit Antitjphus-Vaccine .... 666 
Stephanie, Contribution au traitement de la tubcrculose pulmonaire par le serum anti- 

tuberculeux de Marmorek.660 

Ayer, Serum Therapy in Erysipelas: Results in 33 additional Cases.666 

Bau mann, Über Immunisierungsversuche gegen Tuberkulose.606 

Colli ns, A caso of Tetanus succesfully treated with antitet anic serum and Curare . . 667 

Bäraneck, Une nouvelle Tuberculine.667 

Lindenstein, Über die Serumbehandlung der fibrinösen Pneumonie.66$ 

F. Verschiedenes. 

Blumenthal, Stoffwechselkrankheiten..66$ 

Marburg, Die physikalischen Heilmethoden in Einzeldarstellungen für praktische Arzte 

und Studierende. .66$ 

Herter, Eine verbesserte Spuckflasche.669 

v. Leyden, Einiges über die drohende Epidemie der Genickstarre.*569 

Bäumler, Die Behandlung Herzkranker mit physikalischen Heilmethoden.670 

Engelbrecht, Zur Heilung der Unterschenkelgeschwüre.670 

Sembritzki, Zur unblutigen Behandlung der Furunkel.670 

Witthauer, Gegen Schlaflosigkeit.670 

Ganghofner, Zur Frage der Fütterungstuberkulose.670 

Tagcsgeschichtliche Notiz.671 

IV. Therapeutische Neuheiten. 

Apparat zur Infusion von Kochsalzlösung mit Sauerstoff.672 


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Original - Arbeiten 


i. 

Mittel zur Verlängerung des Lebens. 

Nach der zweiten vermehrten Auflage des vor dem 
Royal College of Physicians in London am 3. Dezember 1903 gehaltenen Vortrags 
„One means for the Prolongation of life.“ 

Von 

Sir Hermann Weber M. D., 

Konsult. Arzt am Deutschen Hospital in London und an den Hospitälern für Schwindsucht in 

Ventnor und Mount Vernon. 

Das Thema über Mittel zur Lebensverlängerung ist ein sehr weites, besonders 
«enn es die ganze Lebensdauer der Bevölkerung von der Kindheit an behandelt. 

Die Verminderung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Hygiene 
der Städte und Wohnungen haben die durchschnittliche Lebensdauer wesentlich 
verlängert und werden sie in Zukunft noch weiter verlängern. Hier liegt ein 
großes Arbeitsfeld vor uns, und eine der Hauptaufgaben wird in der Bekämpfung 
der verschiedenen Arten von pathogenen Mikroben bestehen (Pflüger [62]), ein 
Feld, auf dem sich Männer wie Jenner, Pasteur, Lister, Koch und andere 
unsterbliche Verdienste erworben haben. Dazu werden die weiteren Verbesse¬ 
rungen der Wohnungen und der Ernährung der Arbeiterklassen, und die körperliche 
und geistige Erziehung der ganzen Bevölkerungen, welche in der Kinderstube be¬ 
ginnen und in allen öffentlichen und Privatschulen fortgesetzt werden sollte, nicht 
nur Verlängerung der Lebensdauer, sondern auch Kräftigung der ganzen Rasse 
bewirken, so daß unsere Enkel nicht mehr davon hören werden, daß Jünglinge 
«■egen mangelhafter körperlicher Entwickelung vom Kriegsdienst und anderen 
''öffentlichen und bürgerlichen Berufsarten ausgeschlossen werden müssen. Auf 
diese Weise wird es uns gelingen, die Widerstandskraft des Organismus gegen 
Krankheiten von den frühesten Lebensperioden an zu heben. In seinem aus¬ 
gezeichneten Vortrage „Über die Kunst, lange und glücklich zu leben und Krank¬ 
heiten zu verhüten“ dringt Professor P. K. Pel mit Recht darauf, daß Knaben 
und Mädchen schon in der Schule belehrt werden, wie sie ihre Gesundheit er¬ 
halten und schädliche Einflüsse abhalten können. Dieser vielversprechende Gegen¬ 
stand soll in diesem Vortrag nur wenig berührt werden; ich will mich haupt¬ 
sächlich mit der Verlängerung des Lebens bei Erwachsenen durch die Einrichtung 
der Lebensweise beschäftigen. Dieses mehr beschränkte Gebiet verdient ebenfalls 
unsere volle Aufmerksamkeit, da sich die Lebensdauer älterer Leute in den letzten 
40 Jahren nicht vermehrt hat, während die Sterblichkeit der Kinder und jüngeren 


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614 Hermann Weber 


Leute entschieden vermindert ist. Ich muß vorausschicken, daß dies nur ein 
empirischer Beitrag zur Verhütung des zu frühen Todes ist, und daß er die 
pathologischen und klinischen Veränderungen des Alters kaum berührt. Es 
sind viele gute Arbeiten über die beiden letzteren erschienen, mit deren An- 
führimg ich Sie nicht belästigen will. Aber auch über die mehr empirische 
Lehre der Verhütung ist sehr viel geschrieben worden vom Altertum an bis anf 
1 die Gegenwart. Wenn ibh zuih Beispiel an Galens „De Sanitale Tuenda“ denke. 

'an Ciceros „De Senectute“, Bacons „Historia Vitae et Mortis“, Hufelands 
—,,Makhobiotit^—6ir John Sinclairs „Code of Health“ (67), an die vorzüglichen 
Arbeiten Pflügers (62), Ebsteins (21), Pels (60) und so mancher anderer, so 
kann es fast dünkelhaft erscheinen, daß ich vor einer so gelehrten Gesellschaft 
über diesen Gegenstand einen Vortrag halte; aber die Umstände, daß ich mich 
mehr als ein halbes Jahrhundert mit dieser Sache beschäftigt habe, und zwar 
mit entschiedenem Erfolge bei anderen und mir selbst; daß die Mittel zur 
Verlängerung des Lebens von dem Publikum und selbst vom ärztlichen Berufe 
so wenig beachtet worden, daß^ infolgedessen viele ausgezeichnete Menschen in 
der Ülitte ihrer nützlichen Tätigkeit weggerafft werden, und daß es mir vielleicht 
gelingt, einige neue Anschauungen zu bringen, geben mir den Mut, meine An¬ 
sichten und Erfahrungen in gedrängter Weise Ihnen vorzulegen. 

Bevor wir besprechen, wie wir unser Leben bis zu dem natürlichen Ende ver¬ 
längern können, müssen wir überlegen, was wir als die natürliche Lebensdauer 
anzusehen haben. Die hohen Alter, welche den israelitischen Patriarchen zn- 
geschrieben werden, brauchen uns hier nicht zu beschäftigen. Es genügt an« 
darauf hinzuweisen, daß zur Zeit des Psalmisten keine solchen Alter erreicht 
wurden, da er die Lebensgrenze auf 70 bis 80 Jahre setzt. Die Schwierigkeiten 
einer genauen Prüfung der Angaben von hohen Altern in früheren Jahrhunderten 
sind sehr groß, und es ist bei diesen Angaben keine genügende Kritik ausgeübt 
worden. Selbst die fast allgemein angenommenen, hohen Lebensdauern von Leuten 
wie Henry Jenkins, Thomas Parr und der Gräfin von Desmond sind durch 
die kritischen Nachforschungen von W. Thom (72) als bis zu einem gewissen 
Grade mythisch zu betrachten. 

Auf der anderen Seite gibt T. E. Young (86) aus den Erfahrungen von 
Lebensversicherungsgesellschaften in England 7 Fälle von Männern und 15 von 
Frauen, welche zwischen 100 (und 105) Jahre und 8 Monate gelebt haben. 
Dieser Angabe dürfen wir volles Vertrauen schenken. • Wenn wir aber bedenken, 
daß aus der großen Anzahl von Versicherten nur 22 über 100 Jahre gelebt haben, 
so sehen wir, wie selten eine so hohe Lebensdauer ist. Dr. Tatham, der Direktor 
der statistischen Bureaus des „General Register Office“ hat die Güte gehabt, mir 
mitzuteilen, daß nach der Volkszählung von 1901 9538 Personen (3056 Männer 
und 6482 Frauen) über 90 Jahre in England und Wales am Leben waren und 
146 (47 Männer und 99 Frauen) über 100. 

Wir sind also berechtigt anzunehmen, daß, obgleich die Lebensdauer in der Regel 
auf 80 Jahre beschränkt ist, das Leben in Ausnahmefällen sich bis zu 100 Jahren 
und mehr erstrecken kann infolge von besonderen inneren und äußeren Ver¬ 
hältnissen. Ein sorgfältiges Erforschen dieser Verhältnisse mag uns zuweilen 
den Weg zeigen, das Leben bis zu den äußersten dem Menschen gesetzten Grenzen 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 615 

zu verlängern, und es mag sogar gelingen, im Laufe der Zeit diese Grenze 
hei einer größeren Anzahl von Menschen als jetzt auf 100 und noch etwas weiter 
auszudehnen. 

Bei der Untersuchung der Verhältnisse, welche geeignet erscheinen, zur Er¬ 
reichung der höchsten Lebensdauer zu führen, und besonders der hierzu nötigen 
passenden Lebensführung, dürfen wir uns nicht irrefuhren lassen durch die Tat¬ 
sache, daß manche der altgewordenen Menschen sehr unzweckmäßig gelebt haben, 
und daß ein hohes Alter gelegentlich unter den verschiedensten Verhältnissen 
beobachtet wird. Nachdem ich die Lebensgeschichten von mehr als 100 sehr alt 
gewordenen Leuten möglichst genau untersucht habe, kann ich mit Bestimmtheit 
sagen, daß die große Mehrzahl derselben mäßig waren, nicht viel Fleisch aßen 
und viel in freier Luft gelebt haben. Viele hatten ein Leben voller Arbeit, Mühen 
und Entbehrungen hinter sich; die meisten waren Frühaufsteher, hatten eine fröh¬ 
liche Gemütsart und waren arbeitsfreudig; nur wenige waren unmäßig und faul. 

Wir müssen uns immer die Verhältnisse und die Mittel vor Augen halten, 
welche geeignet sind die Gesundheit zu befördern und diejenigen, welche sie be¬ 
schädigen, denn durch die ersteren wird das Leben verlängert; durch die letzteren 
verkürzt und oft voll von Leiden gemacht. 

Bei der Aufstellung von Regeln zur Verlängerung des Lebens und zur 
Herbeiführung eines kräftigen und glücklichen Alters, dürfen wir uns nicht ab- 
schrecken lassen durch die oft gemachten Bemerkungen, daß derartige Regeln 
lästig sind, daß es vorzuziehen ist, ein kurzes und lustiges, als ein langes und 
mühseliges, an Entbehrungen reiches Leben zu führen, und daß es nicht wünschens¬ 
wert ist, ein hohes Alter zu erstreben, ein Alter voll von Leiden und von körper¬ 
licher und geistiger Schwäche. Nein, wir wollen kein langes Leben suchen, nur um 
zu leben, sondern ein Alter mit Erhaltung genügender, geistiger und körperlicher Kraft, 
um selbst glücklich zu sein, und noch Anderen einen gewissen Nutzen zu bringen, ein 
Alter, welches dabei so gut wie frei von Leiden sein kann. Eine lange Erfahrung 
hat mir gezeigt, daß die dazu nötige Lebensweise nur im Anfang lästig ist; daß man 
sich bald daran gewöhnt, und daß sie zu Gesundheit und Freisein von Leiden 
fährt. Wenn ich höre, daß ein mäßiges und arbeitsames Leben langweilig ist, 
so muß ich immer an die Worte Fernandos im „Tempest“ (Sturm) denken: 

„And most poor matters 
„Point to rieh ends“ 

(Und die ärmsten Dinge führen zu reichem Ziel.) 

Anfangs mögen Spazierengehen, gymnastische Übungen, und Arbeit wohl ärm¬ 
lich und lästig erscheinen, und es kann auch schwer sein, einen starken Appetit 
an einer reich besetzten Tafel zu bezähmen, dann aber kommt das reichste Ziel, 
Gesundheit und Glück, ein langes, frohes und tätiges Leben und zuletzt ein 
schmerzloses Entschlummern. Auf der anderen Seite ist es ein großer Irrtum, zu 
wähnen, daß diejenigen, welche in unmäßigem Essen, Trinken und anderen sinn¬ 
lichen Genüssen schwelgen, dies ohne Gefahr schwerer Leiden und geistigen 
Unglücks tun können. Die Erfahrung zeigt uns, daß in der Mehrzahl der Fälle 
solche Leute nicht leicht und schnell in der Mitte ihrer Freuden sterben, sondern 
oft Jahre lang krank sind mit Gicht oder Nieren- oder Leber- oder Herzkrankheiten, 
bevor der Tod sie erlöst. 


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Unter den Umständen, welche mit langer Lebensdauer in Verbindung stehen, 
nimmt die Erblichkeit eine hohe Stelle ein, das heißt die Vererbung einer guten 
Konstitution. Ich habe versucht festzustellen, was der wirksamste Faktor bei 
dieser angeborenen Langlebigkeit ist, ob etwa die besonders kräftige Entwicklung 
einzelner Organe oder Systeme die Ursache bildet. Obwohl nun alle Untersuchten 
eine durchweg gute Konstitution hatten, so waren doch in einzelnen langlebigen 
Familien gewisse Unterschiede; aber alle hatten, so weit meine Untersuchungen 
reichten, ein besonders kräftiges Herz und gute Blutgefäße. Ich möchte deshalb 
dem Kreislaufsystem den größten Anteil zuschreiben; doch läßt sich dasselbe 
nicht von dem Respirationssystem trennen. Große Muskelkraft bildet kein hohes 
Kontingent bei den Langlebigen; die Mehrzahl der Athleten und Leute mit be¬ 
sonders starker Muskelentwicklung erreichen in der Regel nicht das höchste 
Alter; auch ist große Intelligenz nicht nötig zum Altwerden, ebensowenig wie 
ein besonders gutes Verdauungssystem. Ein sogenannter „guter Magen“ kann 
allerdings, wenn er richtig behandelt wird, für eine lange Lebensdauer sehr 
wirksam sein, aber in den meisten Fällen erlaubt er den Besitzern, der Versuchung 
zu allzureichlichen Genüssen nachzugeben, und. gibt dadurch Veranlassung zu 
früherem Tode, während ein sogenannter „schwacher Magen“ die Besitzer 
zwingt, vorsichtig und meistens spärlich zu genießen, und dadurch eine Ursache 
langer Lebensdauer wird. 

Personen, die aus langlebigen Familien stammen, haben „caeteris paribos“ 
mehr Aussicht auf lange Lebensdauer, als ihre durch Vererbung weniger günstig 
gestellten Mitmenschen; es ist aber gefährlich, auf dieses Vorrecht zu stark zu bauen. 
Ich habe davon leider manche Beweise. In einer mir nahe bekannten Familie zum 
Beispiel, welche aus elf Kindern bestand, deren Eltern über 90 Jahre alt geworden 
waren, lebten neun vernünftig und wurden über 88 Jahre alt, während zwei, die 
sich dem Alkoholmißbranch ergeben hatten, zwischen 60 und 70 starben. In einer 
anderen Familie von acht Kindern, deren Vater 87, und deren Mutter 96 Jahre 
alt geworden waren, erreichten nur vier, welche mäßig gelebt hatten, das Alter 
von 86 Jahren, während vier unterhalb 70 starben; die vier ersteren hatten ver¬ 
nünftig gelebt, während von den vier letzteren zwei Söhne große Esser und 
Trinker gewesen waren; der dritte, ein starker Trinker; das vierte Glied der weniger 
langlebigen Gruppe war eine Frau, welche infolge einer zu großen Familie und 
viel Kummer und Not, ohne ihre eigene Schuld, mit 67 Jahren an „Herzschwäche 
und Wassersucht“ starb. 

Andererseits besteht in manchen Familien die erbliche Neigung zu frühem 
Tode, welche ebenfalls erblich ist, so daß vorsichtige Lebensversicherungsgesell¬ 
schaften Glieder von solchen Familien entweder zurückweiseu oder nur mit er¬ 
schwerten Bedingungen annehmen. Glieder von solchen kurzlebigen Familien 
brauchen aber nicht die Hoffnung aufzugeben, ihre Lebensdauer über die ihrer 
Eltern und Großeltern auszudehnen. Die nähere Untersuchung der Glieder solcher 
kurzlebigen Familien ließ mich schließen, daß Schwäche des Kreislaufssystems die 
Hauptursache der Kurzlebigkeit war, und es gelang durch reichliche Bewegung 
im Freien und Lungen- und Herzgymnastik, wenn der Anfang zeitig gemacht 
wurde, die Lebensdauer beträchtlich zu erhöhen. Wir müssen das Gute aus der 
Erbschaft unserer Vorfahren benutzen und das Schlechte unschädlich zu machen 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 

suchen. Wir brauchen durchaus nicht so jung wie sie zu sterben, und dürfen 
uns nie einem verdammenswerten Fatalismus hingeben. Niemals aber dürfen wir 
den Glauben an unsere Arbeit und Kraft und an das Sprüchwort verlieren: „Wer 
sich selbst hilft, dem hilft Gott.“ 

Es scheint mir von großer Wichtigkeit zu sein, stets vor Augen zu haben, 
daß wir die vererbten Eigenschaften beeinflussen können. Wie wir bei Tieren 
und Pflanzen gewisse erbliche Varietäten züchten können, so können wir auch 
beim Menschen erbliche Anlage zu langem Leben und frühem Tode herbeifuhren. 
Wenn diese Ansicht zum Gemeingut der Menschen geworden sein wird, so dürfen 
wir hoffen, im Laufe der Zeit mehr langlebige und weniger kurzlebige Familien 
zu finden. Körperliche Erziehung, große Mäßigkeit in allen Dingen und passende 
Beschäftigung können gewiß viel zur Erreichung dieses Zieles leisten; das meiste 
aber wäre von sorgfältig ausgewählten Heiraten und Verhinderung ungeeigneter 
zu erwarten, doch liegt dies nicht ganz im Bereiche unserer Macht, da die Liebe 
meist nicht durch Gesundheitsrücksichten beeinflußt wird. 

Wenn wir Personen beraten, die aus kurzlebigen Familien stammen, so 
müssen wir vor allem nach den Todesursachen ihrer Eltern und Bluts¬ 
verwandten forschen, denn die möglichst frühe Bekämpfung der durch sie ver¬ 
erbten Dispositionen ist ein wichtiges Mittel zur Verlängerung des Lebens. Diese 
Tatsache wird von den meisten Ärzten für die Tuberkulose zugegeben; sie gilt 
aber auch für viele andere krankhafte Zustände, besonders für die angeborene 
Schwäche der Herzmuskulatur, der Arterien und Kapillargefäße, welche die Ur¬ 
sache vieler frühzeitiger Todesfälle zwischen dem fünfzigsten und siebzigsten 
Lebensjahre ist. 

Durch regelmäßige körperliche Übungen, wie Spazierengehen und Atmungs- 
Übungen, sowie durch große Mäßigkeit im Essen und Genuß von alkoholhaltigen 
Getränken, können diese zu frühen Todesfälle, wenn auch nicht immer ganz ver¬ 
mieden, so doch auf viele Jahre hinausgeschoben werden. Ähnliches ist der Fall 
bei atheromatösen und verwandten Zuständen der Blutgefäße, bei Apoplexie und 
Paralyse, bei Gicht, bei Krankheiten der Leber, der Nieren und Harnorgane und 
gewisser Formen von Diabetes. Die Neigung zu seniler Bronchitis und Pneumonie, 
die so viele alte Leute wegrafft, kann durch reichliche Zuführung frischer Luft 
innerhalb und außerhalb des Hauses, sowie durch Atmungsübungen und ähnliche, 
das Herz und die Lungen stärkende Maßnahmen erfolgreich bekämpft werden. Die 
Dipsomanie kann durch gänzliche Abstinenz von Jugend auf vermieden werden, 
und ebenso fast alle anderen erblichen Ursachen zu frühem Tode. 

In jedem Falle ist es nötig, die individuelle Konstitution zu berücksichtigen, 
«die Neigung zu verschiedenen Krankheiten, welche sich aus der Familiengeschichte, 
aus dem Körperbau, aus der Beschäftigung usw. ergeben. Durch gehörige Würdi¬ 
gung dieser Verhältnisse gelingt es oft, Krankheiten zu verhüten, und die 
Verhütung von Krankheiten ist eines der mächtigsten Mittel zur Verlängerung 
des Lebens. Wir müssen suchen, die schwachen Punkte des Körpers, und be¬ 
sonders die schwächsten, möglichst früh zu erkennen und zu kräftigen. Vor 
allem dürfen wir nie vergessen, daß frische Luft zu allen Zeiten und an allen 
Orten das Hauptmittel zur Förderung der Gesundheit und zur Verlängerung des 
Lebens ist. 


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Ich könnte Ihnen viele Beispiele geben von Menschen, welche den Krank¬ 
heiten ihrer Eltern und nahen Blutsverwandten durch wohleingerichtete Lebens¬ 
weise entgangen sind. Ich will die kurzen Umrisse von drei Fällen mitteilen 
und mit meinem eigenen beginnen, weil Sie mich kennen und vor sich sehen. 

1. Meine Mutter starb vor dem 60. Lebensjahre an Herzschwäche, von Vater und 
Großvater ererbt, die zu häufigen Anfällen von Bronchitis und zuletzt allgemeiner 
Wassersucht geführt hatte; mein Vater starb ebenfalls im 60. Jahre an Gehirnapoplexie; 
er hatte sich selbst der geistigen Getränke nicht enthalten, und' seine Voreltern hatten 
während vier Generationen große Mengen von starken Rhein- und Portweinen getrunken, 
und waren an gichtischen Leiden mit Gefäßerkrankungen (Schlagfluß und Lähmung) ge¬ 
storben, im Alter von ungefähr 70 Jahren. Mäßigkeit und reichliche Übung des Körpers 
und Geistes haben mich vor diesen Todesarten bewahrt und mein Leben verlängert, 
wenngleich ich nicht sagen kann, daß ich von der durch fünf Generationen ererbten 
gichtischen Diathese ganz frei geblieben bin. 

2. I. G., ein Mann von 41 Jahren, konsultierte mich zuerst vor fast 50 Jahren wegen 

häufiger Anfälle von Bronchialkatarrh, Verstopfung und blutenden Hämorrhoiden; er hatte 
ein schwaches Herz, war etwas fett, aß viel Fleisch und hatte eine sitzende Lebens¬ 
weise; sein Vater war mit 61 Jahren an chronischer Bronchitis mit Wassersucht ge¬ 
storben, sein Großvater an Bronchopneumonie im 64. Jahre, seine Mutter mit 59 Jahren an 
Apoplexie. Unter dem Einfluß von großer Mäßigkeit, Verminderung von Fleisch und 
Vermehrung von Gemüse, Betätigung der Unterleibsfunktionen, viel Luft innerhalb und 
außerhalb des Hauses, regelmäßige Atmungs- und Gehübungen schwand die Neigung zn 
Bronchialkatarrh und Verstopfung, und besserte sich sein ganzes Befinden so sehr, daß 
er bis zum 75. Jahre lebte, wo eine starke Influenza ihn wegnahra. Drei Brüder und 

eine Schwester waren an chronischen Krankheiten der Atmungswege vor dem 60. Jahr? 

gestorben. 

3. Im Jahre 1862 konsultierte mich ein Mann von 44 Jahrein dessen Vater and 

Großvater vor dem 64. Jahre an Apoplexie gestorben waren, während die Mutter, ob¬ 
gleich zu einer langlebigen Familie gehörig, im Alter von 59 Jahren an den Folgen 
fortwährend geistiger Unruhe und Kummer gestorben war. Der Patient hatte ein zu 
rotes Gesicht, war muskulös, aß und trank viel und litt an Gichtanfällen; er ließ sich 
bewegen, die Menge von Fleisch zu vermindern und dafür mehr Gemüse und Obst zu 
nehmen, den Genuß von geistigen Getränken sehr zu beschränken, Bewegungen ver¬ 
schiedener Art im Freien zu machen, mit dem Erfolg, daß er nach einigen Jahren frei 

von Gichtanfällen wurde, und sehr gute Gesundheit bei reichlicher körperlicher und 

geistiger Tätigkeit genoß bis zum 78. Jahre, wo er infolge“ eines Unglücksfalles starb, 
der die gewohnte Bewegung unmöglich machte. Zwei Brüder und eine Schwester dieses 
Mannes waren zwischen 60 und 70 Jahren gestorben, andere noch früher. 

Wir sind wohl berechtigt anzunehmen, daß in diesen drei Fällen durch gut 
eingerichtete Lebensweise die Neigung zu den ererbten frühzeitigen Todesarten 
erfolgreich bekämpft worden ist. 

Tod durch Altersschwäche ist bedingt durch Atrophie der Gewebe und 
Organe sowie durch Veränderungen in den kleinen Blutgefäßen und den blut¬ 
bereitenden Drüsen. Für näheres über die Veränderungen im Greisenalter ver¬ 
weise ich auf den schon erwähnten Artikel von Savill (65 und 66) und den von 
Parkes Weber in der 3. Auflage des „System of Medicine“ (77). Diese Neigung zn 
Atrophie müssen wir durch Zuführung von gesundem Blut zu den Organen und 
Geweben bekämpfen und müssen zu diesem Zweck für gesundes Blut und kräftig? 
Blut- und Lymphgefäße sorgen. Der oft angeführte Satz, daß der Mensch so alt 
ist wie sein Zirkulationssystem, zeigt uns, daß wir den Degenerations- und 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


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Obliterationsvorgängen der Blut- und Lymphgefäße, welche im Alter drohen, in 
jeder Weise entgegenwirken müssen. Es ist oft schon mit Recht gesagt worden, 
daß Tätigkeit das beste Mittel ist zur Erhaltung aller Organe in gesundem 
Zustand, während Untätigkeit zu raschem Verfall fuhrt. Wir müssen deshalb 
die erstere befördern, die letztere verhüten. 

Professor Metchnikoff in seinem anregenden Buche ,Über die Natur der 
Menschen“ (48) erklärt den senilen Verfall als das Werk der Makrophagen, 
welchen Namen er einer größeren Varietät der Phagocyten gibt, der Zellen, 
welche die Aufsaugung von krankhaften Ergüssen oder Exsudaten und die Zer¬ 
störung feindlicher Mikroben bewirken. Er nimmt an, daß die Makrophagen die 
lebenswichtigen Organe umringen und in Bindegewebe verwandeln, und in dieser 
Weise fibröse Degeneration erzeugen, welche eine der Hauptveränderungen des 
Alters ist. Diese Erklärung des senilen Verfalls streitet in keiner Weise gegen 
die Ansicht, daß wir alles aufbieten müssen, die Ernährung und Funktionen aller 
Organe und Gewebe des Körpers zu erhalten durch Beförderung der Tätigkeit 
der ernährenden Gefäße. 

Die physiologischen Gesetze, welche mit diesem äußerst wichtigen Gegen¬ 
stände der Übung der Organe in Verbindung stehen, wurden von Ludwig und 
seinen Schülern, unter ihnen in England besonders Sir Lauder Bruntön, und 
anabhängig von ihnen von Dr. G. Oliver in Harrogate studiert. Während der 
Tätigkeit eines Organs erweitern sich die Arteriolen, mehr Blut fließt in die 
Kapillaren und Lymphgefäße, mehr Nahrung und Sauerstoff wird den Geweben 
zogeführt and die Schlacken werden rasch abgeführt. Die Richtigkeit des Ge¬ 
sagten ist häufig am Muskel gezeigt worden, dessen regelmäßige Kontraktionen 
zur Zunahme seines Umfangs und seiner Kraft führen. Aber nicht allein die 
Muskelfasern, sondern auch die zufiihrenden und abführenden Gefäße gewinnen 
bei diesen Übungen. Die durch die Muskeltätigkeit gesteigerte Blutmenge zwingt 
die kleinsten Blutgefäße zur Arbeit — d. h. zur Zufuhr einer größeren Blutmenge 
zu den Geweben, und zur Fortschaffung der vermehrten Menge verbrauchten 
Stoffe; auf diese Weise werden auch die Wände der kleinsten Gefäße in guter 
Verfassung - erhalten. Dasselbe gilt für das Gehirn und die anderen Zentral¬ 
organe des Nervensystems. Der Denkakt und die Bewegungen der willkürlichen 
Muskeln erzeugen vermehrten Blutzufluß zu den Zentralorganen des Nerven¬ 
systems, sie fuhren zu vermehrter Ernährung der Ganglienzellen und Nerven¬ 
fasern, sowie der kleinsten zu- und abführenden Blutgefäße. Daß ein vermehrter 
Zufluß von Blut zum Gehirn während des Denkakts stattfindet, wird durch das 
interessante Experiment von Mosso (47) gezeigt, einem Schüler von Ludwig. 
Mosso konstruierte, wie Sie wissen, einen fein balancierten Tisch, auf welchen 
er einen Mann legte; die Zunahme der Schwere des Kopfes während des Denkens 
erzeugte Hinabsinken des Kopfteils des Tisches. 

Die Gesundheit des Herzens und der Blutgefäße, von welcher die Ernährung 
der Gewebe und Organe abhängt, wird dadurch erzeugt, daß man das Blut¬ 
gefäßsystem in fortwährender Tätigkeit erhält. Ein bestimmtes Maß von Tätig¬ 
keit wohnt diesem Organe inne, unabhängig von unserem Willen. Dieses Maß 
ist sehr veischieden bei verschiedenen Menschen; bei vielen genügt es, ohne be¬ 
sondere Nachhilfe das Zirkulationssystem und die davon abhängigen übrigen 


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Organe des Körpers kräftig zu erhalten; bei anderen aber ist eine große Neigung 
zu frühem Verfall der Kreislaufsorgane vorhanden, und es ist dieser frühe Verfall 
in ganzen Familien erblich und erfordert zeitige Anwendung geeigneter Mittel 
zur Verhütung. 

Wenn wir nun die Mittel erwägen, die uns zu Gebote stehen, den frühen 
Verfall der Zirkulationsorgane zu hindern, und sie in gehöriger Kraft zu erhalten, 
so finden wir. daß die verschiedenen Arten von Übungen und Bewegungen 
uns den meisten Erfolg bieten. 

Die Art der Wirkung von Muskelübungen hat Dr. George Oliver 
(53 und 54) einleuchtend in einem Vortrage erklärt, den er im Mai 1903 vor der 
British Baineological and Climatological Society gehalten hat, anf den ich Sie 
verweisen muß. Er hat kürzlich eine große Anzahl von Versuchen gemacht, nm 
die Wirkung der Atmungs- und Muskelübungen auf den Blutdruck und die Zirku¬ 
lation der Gewebslymphe festzustellen und er hat, wie er mir mitteilt, gefunden, 
daß 1. eine Zunahme des Blutdruckes und eine Vermehrung der interstitiellen 
Lympbflüssigkeit während der Dauer der Übungen stattfindet; und daß 2. ein 
rascher und augenblicklicher Abfall des Blutdruckes mit Verminderung der Lymph- 
flüssigkeit nach Aufhören der Übungen eintritt. Oliver hat ferner gefunden, daß die 
Verbindung von Atmnngs- und Muskelübungen viel stärker in dem ebengenannten 
Sinne wirkt, als jede der beiden Übungsarten für sich allein. Er betont besonders, 
daß alle Übungen (sowohl die Atmungsübungen allein und die Muskelübungen 
allein, als die beiden kombiniert) den Austausch der Flüssigkeiten zwischen den 
Blute und den Gewebsräumen anregen. 

Sir Lauder Brunton beschreibt in seiner Arbeit über Atheromatose (Lanret, 
Oktober 12, 1895), wie jede Muskelkontraktion die Flüssigkeit vorwärts treibt und 
wie mit jeder Erschlaffung die Muskeln die Gewebssäfte und die Schlacken in die 
Lymphräume und Lymphgefäße eingesaugt werden. So sehen wir, daß unter den 
Wirkungen aller Übungsarten die Beförderung der Entfernung der Schlacken eine 
der wichtigsten ist. Viele chronische Affektionen, wie Gicht und der vorzeitige 
Verfall der kleinen Ernährungsblutgefäße, werden verursacht durch unvollständige 
Entfernung der Abfallsprodukte der Gewebe (Schlacken). 

Die natürlichste Form der Übung ist das Gehen (Spazierengehen usw.). Hier¬ 
durch werden die Herz- und Atmungstätigkeiten beschleunigt; mehr Blut wird in 
die Blutgefäße getrieben, die ihrerseits sich kräftiger zusammenziehen, es den 
Geweben und Organen in verstärkter Menge zuführen und dadurch die Gewebe 
und sich selbst besser ernähren. Gleichzeitig wird die Zahl und Tiefe der Atmungs¬ 
züge vermehrt, und es gelangt mehr Sauerstoff in die Lunge und das Blut, und 
mehr Kohlensäure wird ausgeschieden. Das Gehen befördert die Herztätigkeit 
noch in einer anderen Weise. Durch die Zusammenziehungen der Beinmuskeln 
wird mehr Blut von ihnen angezogen und von dem Herzen weggenommen, während 
die abführenden Gefäße — die Venen und Lymphgefäße — mehr Blut zum Herzen 
zurückführen und es zu verstärkten Kontraktionen zwingen. Auch die Blut- und 
Lymphzirkulation im Unterleib wird durch das Gehen beschleunigt, da das Herz 
stärker pumpt und das Zwerchfell und die Bauchmuskeln sich kräftiger und 
häufiger zusammenziehen. Der Nutzen dieser verstärkten Zirkulation erstreckt 
sich auf alle Organe der Bauchhöhle und ihre Blutgefäße. Der Gehakt steigert 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


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in der Tat die Ernährung aller Organe des Körpers, er vermehrt dabei den Aus¬ 
tausch der Flüssigkeiten zwischen Blut und Geweben und führt zur Kräftigung 
des Muskelsystems, dessen Schwäche und Atrophie eines der ersten Zeichen des 
Greisenalters ist, und der Hauptfaktor der Gewichtsabnahme und der verminderten 
Kraft der Wärmebildung ist, die wir im Alter beobachten. Noch eine andere 
Wirkung des Gehens und aller Muskelübungen ist der Einfluß, welchen dieselben 
auf die Blutverteilung im Körper ausüben. Die Muskelkontraktionen erzeugen, 
wie wir erwähnt haben, Zufluß von Blut zu denselben; es wird dadurch Blut von 
den inneren Organen weggenommen und es werden Stauungen beseitigt oder ver¬ 
hütet. Dieser Umstand erklärt aber auch eine Erfahrung, welche viele nicht 
kräftige Menschen an sich machen, daß starke Gänge sowie andere starke Muskel¬ 
übungen bald nach den Hauptmahlzeiten die Verdauung stören, und deshalb ver¬ 
mieden werden sollen. Die Ursache ist natürlich, daß ein Teil des Blutes, 
welches der Magen zu dem Verdauungsakt nötig hat, in die Muskeln geführt wird. 

Die Dauer des täglichen Gehens, welche nützlich und nötig ist zur Er¬ 
haltung der Gesundheit, ist bei verschiedenen Menschen verschieden, und auch 
bei demselben Menschen unter verschiedenen Verhältnissen; wir können sagen 
zwischen einer halben Stunde und drei Stunden, auf Morgen und Nachmittag ver¬ 
teilt. Die Menge und Dauer des Gehens bedarf sorgfältiger Erwägung; sie hängt 
nicht allein von der gewöhnlichen Konstitution eines Individuums ab, sondern 
auch von dem wechselnden Gesundheitszustand, von der Gewohnheit, dem Alter, 
den meteorologischen Verhältnissen, wie Hitze oder Kälte, Luftfeuchtigkeit, Wind 
oder Windstille, von der Kleidung und anderen Umständen. Das Maß, welches 
nur gerade hinreicht für eine Person, ist Übermaß für eine andere oder auch für 
dieselbe Person in anderem Gesundheitszustand. Bei Leuten, welche nicht in 
Übung sind, kann ein langer Gang, eine Klettertour von mehreren Stunden, eine 
Überanstrengung des Herzens von schwerer Natur erzeugen, während dieselbe 
Person, wenn sie ordentlich eingeübt ist, dieselbe und eine viel größere Anstrengung 
ohne Ermüdung machen kann. Ich kann dies nicht stark genug betonen, da ich 
wiederholt großen und dauernden Schaden, selbst tödlichen Ausgang von starken 
Märschen, von langem Klettern auf steilen Bergen, von Wettlaufen und Wett¬ 
rudern gesehen habe, bei Personen, welche zurzeit nicht in der rechten Verfassung 
waren, während dieselben Personen 6 oder 12 Monate früher, wo sie eingeübt 
waren, dieselben und größere Anstrengungen ohne Schaden, ja mit großem Genüsse 
hatten machen können. 

Leute in vorgerückten Jahren können meist weniger lange Gänge machen, 
als jüngere; aber es gibt viele Ausnahmen von dieser Regel, und die Gewohnheit 
muß berücksichtigt werden. 

Die Schnelligkeit des Schritts bedarf ebenfalls sorgfältiger Beachtung; 
sie sollte dem Zustande der Person angepaßt werden. Es lassen sich keine be¬ 
stimmten Regeln für alle aufstellen; doch kann man im allgemeinen sagen, daß 
der Schritt nicht so schnell sein darf, daß er Andeutung von Herzklopfen oder 
Atemnot erzeugt, und doch schnell genug, um eine angenehme Wärme im ganzen 
Körper zu bewirken. Die Gewohnheit ist wichtig und sie sollte nie schnell, 
sondern nur allmählich geändert werden. Es ist mir wiederholt vorgekommen, daß 
Leute, welche gewohnt waren, 2 bis 3 Kilometer in der Stunde zu gehen, um mit 


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622 Hermann Weber 


ihren Begleitern Schritt zu halten, 5 bis 7 Kilometer in der Stunde zu geben 
hatten, und infolgedessen krank wurden. Man hört zuweilen, daß Leute von über 
65 Jahren nur drei Kilometer in der Stunde gehen, und daß sie nie laufen dürfen, 
allein wenn die Organe gesund sind, und sie sich an einen schnellen Schritt ge¬ 
wöhnt haben, so brauchen sie denselben nicht zu verlangsamen; nur müssen sie 
sich an die angedeutete Regel halten. 

Leute mit gesunden Zirkulationsorganen haben größeren Nutzen von auf¬ 
steigenden Gängen, als von beständigem Gehen in der Ebene; und bei Schwäche 
des Herzmuskels, mit nur geringer Erweiterung des Herzens, ist ebenfalls das 
dem Zustande gerade angepaßte Steigen nach Oertels System sehr nützlich. 

Die täglichen Gänge sollten bei Menschen mit leidlicher Gesundheit nicht 
durch sogenanntes schlechtes Wetter unterbrochen werden; sie sollten bei 
jedem Wetter unternommen werden; bei Sonnenschein, Regen und Schnee, Kälte 
und Wärme. Viele sogenannte Rheumatiker fürchten sich bei Regen anszngehen, 
allein meist ohne Grund, wenn sie sich nur passend kleiden, starke gute Schuhe 
tragen, Regenschirm, wenn nötig benützen, und bei der Rückkehr, wenn die 
Kleider feucht sind, sie wechseln. Fast jeder mäßig gesunde Mensch kann sich 
leicht an die verschiedenen Wetterwechsel gewöhnen, und die Neigung zu Rheuma¬ 
tismus und Erkältungen wird dadurch, wenn nicht ganz beseitigt, doch jedenfalls 
vermindert. Moltke ließ mir, als ich ihn durch eine gemeinsame Freundin fragen 
ließ, wie er seine Gesundheit und Kraft so gut erhalten habe, sagen: Durch 
große Mäßigkeit in allen Dingen, durch regelmäßige Bewegung im Freien bei 
jedem Wetter, gut oder schlecht; niemals einen ganzen Tag im Hanse.“ Der 
große Feldherr war damals im 90. Jahre. Ich brauche Sie nur an die gegen¬ 
wärtige Behandlung von Schwindsüchtigen zu erinnern, von welchen es vielen 
erlaubt wird, bei jedem Wetter auszugehen ohne Oberrock, ohne Kopfbedeckung, 
ohne Regenschirm, und von denen manche sich durchnäßt zum Essen setzen, 
ohne sich dadurch eine Erkältung zuzuziehen. 

Diese Regel aber paßt sich nicht für solche, deren Widerstandskraft sehr 
geschwächt ist, sei es durch Alter oder eben überstandene Krankheit Diese 
sollten sich nicht den Nebeln und heftigen kalten Winden des Winters und Früh¬ 
lings an den wenig geschützten Orten von Mitteleuropa aussetzen, sondern ent¬ 
weder an den besonders unfreundlichen Tagen zu Hause bleiben, oder, wenn sie 
können, diese Jahreszeiten im wärmeren und sonnigeren Süden oder an den ge¬ 
schützten Orten der westlichen und südwestlichen Küsten von England oder Irland 
zubringen. Alle diese klimatischen Kurorte sollten reichlich mit geschützten 
Sitzen versehen sein, so daß die Kranken den größeren Teil des Tages im Freien 
zubringen können, ohne sich den kalten Winden und dem Regen auszusetzen. 

Diejenigen, welche sich noch einer ziemlich kräftigen Gesundheit erfreuen, 
sollten einmal wöchentlich einen längeren Gang von drei- bis sechsstündiger 
Dauer machen, und die Bewohner von Städten sollten womöglich diesen Tag auf 
dem Lande zubringen, teils wegen der frischeren Luft, teils wegen der Einwirkung 
auf das Gehirn durch die Veränderung der Umgebung. Der Nutzen eines solchen 
längeren Ganges wird dadurch erhöht, daß die Nahrungsaufnahme sehr beschränkt 
wird. z. B. auf einen Apfel oder eine Orange und ein Stückchen Brot oder 
Butterbrot oder einfachen Kuchen. Eine der sichtbaren Wirkungen eines solchen 


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Mittel zur Verlängerung dos Lebens. 623 

Gehfasttages ist eine Gewichtsabnahme von 2—7 Pfd. Die Größe des Gewichts¬ 
verluste hängt zum Teil von der Natur des Gehers ab, teils von der Dauer und 
Anstrengung des Ganges, teils von der Kleidung, teils von anderen Umständen. In 
der Regel verlieren große Personen mehr als kleine, fette mehr als magere, die¬ 
jenigen, welche vor dem Gang viel Flüssigkeit genommen haben, mehr als die¬ 
jenigen, welche wenig getrunken haben. Ein schneller Gang mit etwas Steigen 
erzeugt größeren Verlust als ein langsamer Gang von derselben Dauer auf der 
Ebene; Sonnenschein, Luftfeuchtigkeit, der Grad der Luftbewegung und ähnliche 
Umstände beeinflussen die Größe der Gewichtsabnahme. Die Abnahme wird fast 
ganz durch Wasser erzeugt, welches durch die Nieren, die Hant und die Lungen 
abgeht, welchem aber Salze und Schlackenstoffe beigemischt sind. Durch die 
vermehrte Entfernung von verbrauchtem Material werden die Gewebe in den 
Stand gesetzt mehr frisches aufzunehmen, so daß in dieser Weise der Stoffwechsel 
befördert wird. Der Verlust des Körpergewichts wird meist innerhalb weniger 
Tage ersetzt. 

Viele Laien und auch Ärzte sind der Ansicht, daß starke Muskeltätigkeit in 
etwas vorgeschrittenem und besonders in hohem Alter schädlich sei, weil sie den 
Körper schneller abnutze. Diese Abnutzungstheorie halte ich für falsch. Der 
Körper ist keine Maschine, die aus toten Substanzen wie Holz und Leder gebildet 
ist, sondern er besteht aus lebenden Geweben und Orgauen, die durch Arbeit 
nicht abgenutzt sondern in guter Ernährung erhalten werden, immer vorausgesetzt, 
daß die Arbeit nicht bis zur Überarbeit oder Erschöpfung getrieben wird. Arbeit 
fuhrt allerdings zu Gewebsverbrauch, aber der Verbrauch wird durch neue Zufuhr 
und vermehrte Assimilationstätigkeit ausgeglichen. Dr. Martin Luthers Motto: 
..Rast’ ich, so rost’ ich,“ ist auch für die körperliche Tätigkeit vollständig 
richtig. Alte Leute, die an reichliche Körperbewegung gewöhnt sind, dürfen sie 
so lange und in solchem Maße fortsetzen als sie ihnen gut bekommt, sie brauchen 
sich nicht durch die Zahl der Jahre bestimmen zu lassen; sie müssen aber die 
Gewohnheit aufrecht erhalten, wenn sie nicht die Kraft verlieren wollen, denn sie 
können häufig ihre großen Gänge nicht wieder aufnehmen, wenn sie dieselben 
während Wochen oder Monaten unterlassen haben, und sie schaden sich manchmal 
durch den Versuch es zu tun. Hierin ist der Unterschied zwischen dem Alter 
und der Jugend sehr groß. Bei den Alten besteht die große Neigung zu Atrophie 
der Muskelfaser wie der Zellen und Gewebe, welche dem jungen Körper noch 
fast fremd ist. 

Vielen Menschen ist das einfache Spazierengehen oder das „Gehen ohne 
Zweck“ so zuwider, daß sie deshalb nicht ausgehen. Es ist dies verkehrt; sie 
müssen einen Zweck, ein Geschäft suchen, wodurch sie zum Gehen veranlaßt 
werden. Oft ist es mir z. B. gelungen, durch Halteir von Hunden den Zweck 
zu verschaffen. Sie mußten des Hundes wegen gehen, und der Hund beschäftigte 
zugleich ihren Geist. 

Einer der großen Vorteile der längeren Gänge auf dem Lande ist, wie 
schon angedeutet, der Aufenthalt in freier Luft. Sie kräftigt die Haut und das 
Nervensystem, und hierdurch die Verdauung und den ganzen Organismus; sie 
erheitert das Gemüt; sie hebt die Widerstandskraft gegen Erkältung und gegen 
krankhafte mikrobische Affektionen, und diese Widerstandskraft des 


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Körpers ist einer der wichtigsten Faktoren zur Verlängerung des Lebens. Der 
Aufenthalt in freier Luft, selbst ohne Bewegung, erhöht diese Widerstandskraft, 
und schwächliche Personen, welche aktiven Bewegungen nicht gewachsen sind, 
sollten in offenen Wagen und Rollstühlen fahren oder in Hatnmocks oder in 
offenen geschützten Sitzen, welche nicht allein an klimatischen Kurorten, sondern 
in allen öffentlichen Anlagen und auch in Privatgärten aufgestellt werden sollten. 
Nicht nur die Schwindsucht, sondern Verdauungs- und Nervenschwäche, und fast 
alle chronischen Leiden werden durch eine Art von Freiluftbehandlung günstig 
beeinflußt und oft ganz geheilt. 

Noch wohltätiger als der wöchentliche große Gang sind längere Fuß- oder 
Klettertouren (78) von 3 bis 4 Wochen oder mehr. Wenn die Organe gesund 
sind, so empfehlen sich am meisten Touren im Hochgebirge, wobei man täglich 
3 bis 6, zuweilen 8 Stunden auf Gletschern wandert oder Felsen klettert. Mau 
muß mit leichteren Touren anfangen, und erst nach Einübung zu mehr an¬ 
strengenden übergehen. Derartige gut eingerichtete Touren üben einen unglaub¬ 
lich wohltätigen, wahrhaft verjüngenden Einfluß aus, au welchem alle Organe sich 
beteiligen. Die geistigen Arbeiten gehen leichter von statten, des Lebens Pflichten 
werden sympathisch, alle Sinne werden schärfer, und oft habe ich beobachtet, 
daß das Haupthaar und der Bart, welche angefangen hatten, grau zu werden, 
wieder für eine Zeit mehr oder weniger ihre Jugendfarbe annahmen. Sehr auf¬ 
fallend ist die Kräftigung des Herzens. Wieder und wieder habe ich an anderen 
und mir selbst beobachtet, daß die Pulsfrequenz, welche vor der Tour durch eine 
leichte Anstrengung von G5 oder 70 auf 100 bis sogar 130 angestiegen war, nach 
der Tour durch eine viel größere Anstrengung sich nur bis auf 80 oder höchsten.« 
85 erhob. Auch die sphygmographischen Pnlskurven zeigen entschiedene 
Kräftigung. Die Ausscheidung der Schlacken, welche von so großer Wichtigkeit 
ist, wird durch diese starken Touren wesentlich befördert und geht gleichen 
Schritt mit der verbesserten Ernährung. Ich muß aber noch einmal betonen, 
daß Personen mit Krankheiten des Herzens, der Blutgefäße, der Lungen oder 
Nieren und solche, welche an Diabetes, Albuminurie oder Anämie leiden, solche 
große Touren vermeiden müssen, obgleich auch für diese reichlicher Aufenthalt 
in freier Luft mit sorgfältig angeordneter Bewegung wohltätig ist. 

Die auffallende Verbesserung in der Kraft des Herzens wird, wie es mir 
erschien, durch die bei dem gleichmäßigen langen Steigen und Klettern stattfindende 
Vermehrung und Vertiefung der Atemzüge bewirkt. Diese Erwägung hat mich 
dazu geführt, den Atmungsübungen große Aufmerksamkeit zu widmen, die übrigens 
schon von vielen Autoren und besonders von Dr. Harry Campbell (10) empfohlen 
worden waren. Es sind diese regelmäßigen Atmungsübungen seither mir selbst 
und vielen anderen Personen, besonders solchen mit schwacher Herztätigkeit, von 
großem Nutzen gewesen. Auch diese wie alle anderen körperlichen Übungen 
müssen genau der Konstitution und dem Befinden der zu beratenden Personen 
angepaßt werden. Bei Schwäche der Lunge und des Herzens, bei den Folge¬ 
zuständen von Pneumonie, Pleuritis und anderen akuten Krankheiten ist es oft 
gefährlich, sogleich mit sehr starken Atembewegungen zu beginnen. Ich rate 
gewöhnlich im Anfang nur mitteltiefe Ein- und Ausatmungen zu machen, und dies 
zweimal des Tages 3—6 Minuten fortzusetzen und allmählich zu 10—15 Minuten 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 625 

zu steigen. Die Tiefe, der Ein- und Ausatmungen und die Dauer des Anlialtens 
des Atems müssen ebenfalls nach der Natur des Individuums bestimmt werden. 
Ich empfehle in der Regel, die Einatmung in der aufrechten Stellung mit erhobenen 
Armen und geschlossenem Munde zu machen, und die Ausatmung mit möglichst stark 
nach vorn und unten übergebeugtem Oberkörper. Bei der Ausatmung kann der Mund 
nach Beilagen offen oder geschlossen sein, die Einatmung aber sollte durch die 
Nase geschehen, weil dadurch die Luft erwärmt und von mechanischen kleinen 
Beimischungen gereinigt wird. Durch Übung kann man es dahin bringen, während 
der Ein- und Ausatmungen mehrere Bewegungen des Rumpfes auf- und abwärts 
zu machen, und so die Lendenmuskeln zu kräftigen und dem Auftreten vom 
Lumbago vorzubeugen. Neben diesen Rumpfbewegungen kann man bei einigen 
Atemzügen die Drehung des Rumpfes um seine Achse üben mit horizontal erhobenen 
Armen; man übt hierdurch manche Muskeln der Wirbelsäule und des Nackens, 
welche bei alten Menschen gewöhnlich nicht oder nur unvollständig gebraucht 
werden, und verhütet auch bis zu einem gewissen Grade die dem Greisenalter 
eigentümliche Steifheit und das Gebücktgehen. Armkreisen und ähnliche Übungen 
können ebenfalls mit den Atmungsübungen kombiniert werden; man darf aber dabei 
nie vergessen, daß das tiefe Atmen die Hauptsache ist, denn auf ihm beruht der 
günstige Einfluß auf Herz und Lungen. Die Ernährung und Elastizität der letzteren 
wird durch die Atembewegungen befördert und die Entwickelung des senilen 
Emphysems wird verhindert. Ein weiterer Vorteil ist, daß auch die Elastizität 
des Brustkorbes und die Bewegungsfreiheit seines Inhaltes durch die energischen 
Atembewegungen erhalten werden. Die Zirkulation in den serösen Häuten, der 
Pleura, dem Herzbeutel und Peritoneum wird ebenfalls günstig beeinflußt. 

Nicht zu vergessen ist ferner die Zusammendrückung des Unterleibes, welche 
durch die tiefen Ausatmungen bewirkt wird, und welche gründlich geübt werden 
sollte, da durch sie alle Organe, welche in der Bähchhöhle liegen, komprimiert 
werden und das Blut aus den Venen ausgedrückt wird, welche wegen der Schlaff¬ 
heit ihrer Häute nachgiebiger sind als die Arterien. 

Zu allen diesen Einwirkungen auf Herz, Lungen und Unterleibsorgane kommt 
noch der oben angedeutete Einfluß auf den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut 
und Geweben (Oliver). 

Wir dürfen aber unsere Lungengymnastik nicht auf die paar Minuten der 
Atemübungen beschränken, sondern wir müssen während des ganzen Tages, be¬ 
sonders beim Gehen tief atmen. Zuerst vergißt man dies leicht, aber man muß 
sich wieder und wieder daran erinnern und suchen die Gewohnheit des tiefen 
Atmens zu bilden, welche durch Bewirkung der besseren Ernährung aller Organe 
die Widerstandskraft des Körpers hebt und dadurch Krankheiten verhindert. 

Ich habe oft beobachtet, daß Leute wegen Kurzatmigkeit und leichter Er¬ 
müdung das Gehen vermieden und infolge davon in körperlicher und geistiger 
Beziehung gelitten hatten, nach Einführung der Atmungsübungen und der Ge¬ 
wohnheit des tiefen Atmens so gekräftigt wurden, daß es ihnen leicht wurde, 
ziemlich große Gänge zu machen und daß sie ihre Lebensfreudigkeit wieder ge¬ 
wannen haben. Sehr großen Nutzen ziehen davon besonders Gelehrte, Schrift¬ 
steller, Staatsmänner, Rechtsgelehrte und Ärzte, für die es oft sehr schwer wird, 
Zeit für Gänge zu gewinnen. 

ZeiUchr. f. phyeik. u. dllt. Therapie Bd. IX. Heft 11. 42 


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Hermann Weber, Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


Gute Zeiten für die Übungen sind morgens vor oder nach dem Bade und 
abends vor dem Essen oder Zubettgehen. 

Die Atemübungen passen jedoch nicht für alle und können sogar Schaden 
bringen, so z. B. bei großer Erweiterung und Schwäche des Herzens. Für solche 
sind viel leichtere Übungen, wie sie in Nauheim ausgeführt werden und selbst diese 
werden nicht immer sogleich vertragen. 

Auch andere Übungen können mit Nutzen angewandt werden, wie die 
Lingsche schwedische Heilgymnastik, die dänische, die Strebersche Zimmer¬ 
gymnastik und das deutsche Turnen. Diese Formen von Gymnastik können zu¬ 
gleich mit den Atemübungen gebraucht werden oder manchmal statt derselben. 

Dr. Oliver hat eine andere Art von Übung empfohlen, die er statische 
oder Spannungsübung nennt. Diese leicht zu machenden Übungen bestehen 
darin, daß in der aufrechten Stellung des Körpers möglichst alle Muskeln während 
einiger Minuten in statischer Kontraktion gehalten werden; hierdurch wird der 
Blutdruck herabgesetzt und die Aufsaugung der Lymphflüssigkeit in den Gewebs- 
räumen befördert. Oliver findet, daß diese statische Muskelkontraktion während 
der Dauer von einer Minute 20 °, 0 der Lymphflüssigkeit zur Aufsaugung bringt. 
Diese Übungen, welche besonders für gichtische Personen wichtig sind, sollten 
täglich drei- bis viermal etwa eine Stunde vor den Mahlzeiten gemacht werden; 
sie können übrigens auch zu anderen Zeiten vorgenommen werden. 

Man könnte mich tadeln, daß ich Reiten, Rudern, Golfspielen, Schwimmen 
und andere sportliche Übungen vernachlässige; allein es geschieht dies nur ans 
Mangel an Zeit, denn ich halte alle diese Übungen, wenn sie nur dem Individmun 
einigermaßen angepaßt werden, für in hohem Grade nützlich. 

(Fortsetzung folgt.) 


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E. Lesscr, Dio neuen Behandlungsmethoden des Lupus. 


H. 

Die neuen Behandlungsmethoden des Lupus. 

Von 

Professor E. Lesser 

in Berlin. 1 ) 

Die Finsenbehandlung des Lupus mit konzentriertem Licht und die 
Behandlung mit Röntgenstrahlen sind die beiden wichtigsten Methoden, welche 
im Laufe des letzten Jahrzehnts das Armamentarium des Arztes im Kampfe gegen 
den Lupus, diese so furchtbare und so schwer zu behandelnde Krankheit, be¬ 
reichert haben. Die Anwendung der ersteren Behandlungsmethode datiert seit 
etwa einem Jahrzehnt, die der zweiten noch nicht so lange. Und daher ist 
'■s ganz selbstverständlich, daß ein abgeschlossenes Urteil über die Resultate 
dieser Methoden noch nicht möglich ist; aber auf der anderen Seite ist doch 
schon soviel Zeit vergangen, und es sind so ausgedehnte Beobachtungen 
gemacht, daß eine ungefähre Beurteilung des Wertes dieser Methoden sehr wohl 
möglich ist. 

Für die Beurteilung der Wirksamkeit und des Wertes einer Lupusbehandlung 
sind vor allen Dingen zwei Gesichtspunkte maßgebend: die Behandlung des Lupus 
muß nach Möglichkeit erstens zur Zerstörung aller kranken Teile führen 
und muß zweitens alle gesunden Teile schonen. 

Wenn diese beiden Forderungen erfüllt sind, kommt es einerseits zu einer 
vollständigen Heilung des Lupus und kommt es andererseits zu dieser Heilung mit 
Hinterlassung eines möglichst guten kosmetischen Effektes. Und auf den letzteren 
kommt es bei der so überaus häufigen Lokalisation im Gesichte ganz besonders 
an, ja sogar noch mehr, als auf die vollständige Heilung. Ein Kranker mit aus¬ 
gedehntem Gesichtslupus ist unter allen Umständen viel zufriedener mit einer 
Behandlung, welche zu einem kosmetisch guten Resultat führt, selbst wenn 
wegen nicht ganz vollständiger Heilung von Zeit zu Zeit eine Nachbehandlung 
kleiner Rezidive nötig ist, als mit einer Behandlung, die zwar zu einer voll¬ 
ständigen und daher dauernden Heilung führt, die aber kosmetisch ein 
ungünstiges Resultat, eine erhebliche Entstellung des Gesichtes hinterläßt. 
— Natürlich ist es am besten, wenn diese beiden Desiderate gleichzeitig erfüllt 
werden. 

Die histologische Untersuchung der Ausbreitung der lupösen Infiltration 
im Gewebe der Haut und im subkutanen Gewebe zeigt uns nun aber, aus 


') Referat, erstattet auf dem Intornationalen Tuberkulosekongreß in Paris 1905. 
Rapports S. 32. 


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E. besser 


welchem Grunde es so sehr schwierig ist, alles Kranke mit Erhaltung alles 
Gesunden zu zerstören. Denn bei jedem lupösen Herd sehen wir, wie in der 

Peripherie Ausläufer perivaskulär sich mehr oder weniger weit in das 

normale Gewebe hinein erstrecken, und auch in den Partien, in welchen die 
lupöse Infiltration ziemlich dicht ist, sind zwischen dem lupösen Infiltrat 

immer noch mehr oder weniger völlig normale Gewebsstrecken vorhanden. 

Je radikaler das gegen den Lupus angewandte Zerstörungsmittel ist, um 
so eher wird eine völlige Zerstörung der kranken Teile von seiner An¬ 
wendung zu erwarten sein, um so mehr werden aber auch gesunde Teile, welche 
erhalten bleiben könnten, der Zerstörung anheimfallen. Es bedarf daher eines 
elektiven Mittels, dessen zerstörende Kraft so bemessen ist, daß es nur das 
Kranke, dieses aber nach Möglichkeit ganz zerstört und die gesunden Teile 
intakt läßt. 

Diesen Anforderungen entsprachen von den früheren Behandlungsmethoden 
entschieden am meisten gewisse Ätzmittel, vor allen Dingen die Pyrogallussäure. 
bei der es bei wiederholter systematischer Anwendung zweifellos gelingt, kleinert 
Lupusherde mit einer relativ guten Narbe zur Heilung zu bringen. Aber einen 
sehr erheblichen Fortschritt gerade mit Rücksicht auf die oben klargelegten De¬ 
siderate haben uns die beiden neuen Methoden gebracht, und ganz besondere die 
Finsenbehandlung hat — worüber nur eine Meinung herrscht — in bezng auf 
das kosmetische Resultat bisher Unerreichbares geleistet. Ich glaube, daß es, mit 
Rücksicht auf das Referat des Herrn Forchhammer, sich für mich erübrigt, 
hierüber etwas zu sagen. 

Etwas näher möchte ich dagegen eingehen auf die Behandlung mit 
Röntgenstrahlen. Ich habe mich vor einiger Zeit, ganz besonders mit Rück¬ 
sicht auf eine Reihe ungünstig verlaufener Fälle, die ich an anderen Orten zu 
sehen Gelegenheit hatte, dahin ausgesprochen, daß die Röntgenbehandlung allein 
bei Lupus nicht empfehlenswert sei. Ich möchte dieses Urteil jetzt dahin modi¬ 
fizieren, daß ich doch glaube, daß bei richtiger, schonender Anwendungsweise der 
Röntgenbestrahlung, auch bei alleiniger Anwendung derselben, günstige Resultate 
erzielt werden können. 

Gerade für die Röntgenstrahlen ist nun die elektive Wirkung auf das 
sicherste nachgewiesen. Bei richtiger Dosierung der Röntgenstrahlenmenge werden 
nur die schnell wuchernden pathologischen Zellen, ebenso auch die normalen, 
schnell wachsenden, labilen Zellen getroffen, während die in langsamer Verände¬ 
rung befindlichen, stabilen Zellen erhalten bleiben. Ich erinnere hier nur an die 
Untersuchungen, die man bei der Bestrahlung von drüsigen Organen, so znm Bei¬ 
spiel der Hoden, gemacht hat. 

Von der allergrößten Wichtigkeit ist natürlich die Dosierung der Menge der 
Röntgenstrahlen und das zu rücksichtslose Vorgehen in dieser Hinsicht, die An¬ 
wendung zu großer Mengen, hat eben zu den oben angeführten ungünstigen 
Ausgängen geführt, bei denen es zur Bildung von sehr starken Narben, vor 
allen Dingen aber zur Bildung von Röntgengeschwüren gekommen ist. die 
ja durch ihre außerordentliche Torpidität und schwere Heilbarkeit und durch 
die nachher zurückbleibende Entstellung eine so schwere Schädigung des Kranken 
bedeuten. Gerade das ist der große Vorteil der Finsenbehandlung, daß bei ihr 


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Die neuen Behandlungsmethoden des Lupus. 


629 


eine derartige Schädigung ausgeschlossen ist; es kommt niemals zu einer tiefer¬ 
gehenden Ulzeration. 

Aber bei vorsichtiger Anwendung können wir jene üblen Folgen auch bei 
der Röntgenbestrahlung vermeiden, wenn die Bestrahlung so eingerichtet wird, 
daß höchtens ein Erythem, niemals eine nässende Dermatitis oder gar eine Ulze¬ 
ration eintritt. Denn dieses Vorgehen, welches von einer Reihe von Autoren ja 
von vornherein angewendet ist, muß als das richtige bezeichnet werden, nicht 
die Anwendung starker,’ bis zur Ulzeration führender Röntgenstrahlenmengen. 
Auf die Frage, ob es zweckmäßiger ist, zahlreiche schwache oder eine geringere 
Anzahl stärkerer Bestrahlungen anzustellen, will ich hier nicht näher eingehen, 
und möchte nur anführen, daß ich das letztere für das richtigere halte. Natürlich 
muß die erste Bestrahlung unter allen Umständen mit einer schwächeren Dosis 
gemacht werden, damit selbst bei vorhandener Idiosynkrasie nicht unangenehme 
Wirkungen auftreten können. Und andererseits kann auch mit den häufig wieder¬ 
holten schwachen Bestrahlungen doch schließlich durch Kumulation ein un¬ 
erwünschter Effekt eintreten. 

Als besonders für die Röntgenbehandlung geeignet möchte ich die stark in¬ 
filtrierten, die elephantiastischen Lupusfälle, die stark wuchernden, zu blumen¬ 
kohlartigen Bildungen führenden Fälle und die Fälle mit ausgedehnten Ulzerationen 
bezeichnen. Sehr zweckmäßig hat sich in vielen Fällen die Kombination der 
Röntgenbehandlung mit der Finsenbehandlung erwiesen, so zwar, daß durch die 
Röntgenbehandlung gewissermaßen die große Masse des lupösen Infiltrats zei stört 
wird, und daß dann die Zerstörung der einzelnen kleinen, überall zerstreuten 
Herde der Finsenbehandlung überlassen bleibt. Die gröbere Arbeit wird also 
gewissermaßen durch die Röntgenbestrahlung, die feinere durch die Finsenbehand¬ 
lung geleistet. Die Finsenbehandlung eignet sich zu dieser Aufgabe deswegen 
so gut, weil bei ihr die Schonung der gesunden Teile viel sicherer ist, da nur durch 
eine direkt fehlerhafte Anwendung des Verfahrens es überhaupt zu einer Zer¬ 
störung gesunder Teile kommen kann. 

Wenn wir nun die Resultate überblicken, so ist bei der Beurteilung stets 
eine Rücksichtnahme auf die Art des einzelnen Falles nötig. Um nur die beiden 
Extreme zu nehmen, ist bei einem ausgedehnten, das ganze oder fast das ganze 
Gesicht überziehenden Lupus dem Kranken lange nicht soviel an der wirklich 
vollständigen Heilung, als an der Herbeiführung eines günstigen kosmetischen 
Effekts gelegen, welcher es ihm ermöglicht, wieder unter Menschen zu gehen und 
eine Tätigkeit auszuüben. Dagegen für die Fälle von geringer Ausbreitung ist 
natürlich die vollkommene Heilung die Hauptsache und glücklicherweise ja auch 
leichter erreichbar, als in den ausgedehnten Fällen. Gerade bei diesen kleinen 
Fällen sind die Kopenhagener Erfahrungen besonders günstig, so daß von seiten 
des dortigen Finseninstitutes die Lichtbehandlung der Excision auch dieser kleinen 
Fälle vorgezogen wird. Und richtig ist es: die Excision führt durch die Narbe 
doch immer zu einer größeren Entstellung, als die feine, nach der Finsen¬ 
behandlung zurückbleibende Narbe sie bildet, und außerdem schützt die Excision 
keineswegs immer vor Rezidiven. 

Mit wenigen Worten möchte ich nun auf die Grenzen, welche natürlich auch 
diesen beiden neuen Behandlungsmethoden des Lupus gesetzt sind, eingehen. In 


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630 E. Lesser, Dio neuen Behandlungsmethoden des Lupus. 

erster Linie kommen hier die Schleimhantaffektionen in Betracht, die ja leider 
so außerordentlich häufig sind, bei Gesichtslupus in mehr als der Hälfte der Fälle. 
Für die Finsenbehandlung ist die lupöse Schleimhauterkrankung, wenn man von 
den alleräußersten Grenzteilen der Schleimhaut absieht, überhaupt unzugängig, und 
auch die Röntgenbehandlung ist nur innerhalb gewisser, ziemlich enger Grenzen 
für den Schleimhautlupus anwendbar. Hier müssen andere Methoden eingreifen: 
die Behandlung mit Tuberkulin, die Behandlung mit den verschiedenen Ätzmitteln. 

Der zweite Umstand, welcher den günstigen Effekt der von uns besprochenen 
Behandlungsmethoden in erheblicher Weise zu beeinflussen vermag, ist eine aus¬ 
gedehnte Narbenbildung, wie sie sich leider so oft bei Fällen findet, die viel¬ 
fach mit mechanischen, physikalischen oder chemischen Zerstörungsmitteln vorbe¬ 
handelt sind; besonders sind es Fälle, welche mit dem Paquelin vorbehandelt sind. 
Es ist ja auch ganz klar, daß die innerhalb und besonders in den unteren Teilen 
dicker Narbenstränge liegenden Lupusknötchen dem Lichtstrahl unerreichbar sind, 
vor allen Dingen bei der Finsenbehandlung, deren Tiefenwirkung ein gewisses 
Maß ja nicht überschreitet. Aber dasselbe gilt, wenn auch in etwas geringerem 
Grade, für die Röntgenstrahlen. 

Und schließlich ist die übermäßig große Ausdehnung der lupösen Infiltrate 
an sich schon ein Umstand, welcher die Behandlung außerordentlich erschwert 
und ihren Erfolg in Frage stellt. Und gerade bei diesen schweren Fällen, bei 
denen das ganze Gesicht betroffen ist, muß man ohne weiteres anerkennen, daß 
die Finsen- und Röntgenbehandlung die einzigen Methoden sind, durch welche in 
diesen Fällen überhaupt noch ein einigermaßen zufriedenstellendes Resultat er¬ 
reicht werden kann, selbst wenn dasselbe kein vollkommenes ist. 

Und wenn wir nun alle diese Dinge in Betracht ziehen, so müssen wir doch 
anerkennen, daß ein ganz außerordentlich großer Fortschritt durch die Einführung 
dieser neuen Behandlungsmethoden des Lupus geschaffen ist, und ich möchte als 
einen nicht zu unterschätzenden Vorteil das im Publikum erweckte Vertrauen 
hinstellen, das Vertrauen dazu, daß wir imstande sind, dieser Krankheit eine 
wirksame Behandlung entgegenzusetzen. Der Lupus verdiente früher seinen 
Namen: „noli me tangere“ nicht mit Unrecht. Konnte man es dem Kranken ver¬ 
denken, daß er schließlich jedes Vertrauen verlor und die Behandlung überhaupt 
völlig aufgab, wenn er trotz immer wiederholter peinlicher Operationen nach 
kurzer Zeit durch das Rezidiv doch wieder auf den alten Standpunkt zurück¬ 
gebracht war, wenn nicht auf einen schlimmeren? Das Vertrauen, welches sich 
jetzt mehr und mehr im Volke ausbreitet, wird, selbst wenn es im einzelnen Falle 
über das durch die Umstände gebotene Maß ein wenig hinausgeht, dazu fuhren, 
daß die Kranken mehr und mehr frühzeitig die Behandlung aufsuchen, und daß 
daher, hoffentlich in absehbarer Zeit, die ausgebreiteten Fälle, die der Behandlung 
den größten Widerstand entgegensetzen und die unter Umständen einer voll¬ 
ständigen Heilung überhaupt nicht mehr fähig sind, immer seltener und seltener 
werden. 

Ich füge ein kurzes Resume über die anderen beiden Referate hier an. 

Jeanselme und Chatin erkennen die ausgezeichneten Erfolge der Finsen¬ 
behandlung an, die aber nur bei genauer Befolgung aller von Finsen gegebenen 
Vorschriften zu erzielen sind. Die zurückbleibenden Narben sind weich, nie 


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Kouindjy, Die Indikationen der methodischen Massage etc. 


031 


keloidartig, durchlässig für die chemisch wirksamen Strahlen, und hierdurch wird 
beim Eintreten eines Rezidivs die wirksame Wiederaufnahme der Lichtbehandlung 
ermöglicht. Am meisten ist diese Behandlung bei beschränkten Lupuseruptionen 
indiziert, die noch nicht lange bestehen und noch nicht mit Methoden behandelt 
sind, die zu starker Narbenbildung führen. — Die Röntgenbehandlung ist bei 
sehr ausgebreiteten Fällen von Lupus indiziert, die — im Gegensatz zur Finsen¬ 
behandlung — auf einmal in Angriff genommen werden können; einzelne übrig¬ 
bleibende Herde können dann schließlich durch Finsenbehandlung beseitigt werden. 
— Mit Radium lassen sich sehr kleine Lupusherde und die Formen des Lupus 
erythematodes, welche keine Neigung zur Ausbreitung haben, behandeln, während 
die Hochfrequenzströme bei dem peripherisch fortschreitenden Lupus erythe¬ 
matodes wirksam sein können. — Falsch würde es sein, über diese neuen 
Methoden die alten Behandlungsweisen des Lupus: die Auskratzung, die Galvano¬ 
kaustik, die Anwenduug der Ätzmittel, in Vergessenheit geraten zu lassen, denn 
in der Hand des Erfahrenen geben diese Methoden sehr bemerkenswerte Erfolge. 

Forcbhammer legt großen Wert auf die Berücksichtigung des Allgemein¬ 
zustandes bei jedem in Behandlung befindlichen Lupösen. Ganz besonders sorg¬ 
fältig sind etwa vorhandene Schleimhautaffektionen zu überwachen und zu behandeln. 
Nach Abschluß der Behandlung des Hautlupus ist eine genaue Beobachtung der 
Patienten mehrere Jahre hindurch erforderlich. Die Finsenbehandlung macht 
die anderen Behandlungsmethoden des Lupus keineswegs überflüssig, aber sie 
nimmt bei weitem die erste Stelle unter den anderen Methoden ein. In einer 
großen Zahl von Fällen läßt sich eine dauernde Heilung erzielen, und zwar mit 
einem besseren kosmetischen Resultat, als mit jeder anderen Methode. 


UI. 

Die Indikationen der methodischen Massage bei der 
Behandlung der Neuritis und Polyneuritis. 1 ) 

Von 

Dr. Kouindjy, 

Chef du Service de Röäducation et de massage k la Clinique Charcot (Salpötriere). 

Das Studium der Neuritis und Polyneuritis datiert kaum seit einem Viertel¬ 
jahrhundert. Während man vorher alle Symptome der Neuritis der Neuralgie zu¬ 
schrieb, die man als Symptomenkomplex auffaßte, kehren die neueren Autoren die 
Sache mit Recht um: die Neuritis ist der Symptomenkomplex, die Neuralgie das 
Symptom. Jaccoud, Eichordt, Dieulafoy w'erfen die Neuritis und Neuralgie 
zusammen. Es ist ja in der Tat schwer, eine scharfe Grenze zwischen diesen 
beiden Affektionen zu ziehen; man könnte sogar sagen, die Neuralgie ist nur eine 

*) Auszug aus einem auf dem Internationalen Kongreß für Phyeikotherapie in LUttich 
gehaltenen Vortrage. 


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632 Konindjy 

leichte Form der Neuritis. Neuritis und Polyneuritis, beide finden sich in vielen 
Fällen gleichzeitig. Nach der Ätiologie unterscheidet man die toxische, infektiöse, 
traumatische und symptomatische Neuritis und Polyneuritis u. a. Blei, Alkohol, 
Arsen, Quecksilber, Kupfer, Schwefelkohlenstoff, Kohlenoxyd, Benzin, Terpentin 
machen toxische Neuritis. Die infektiöse Neuritis findet sich im Verlauf und in 
der Rekonvaleszenz von Tuberkulose, Diphtherie, Typhus, Pocken, Influenza, Syphilis, 
Rose usw. Die Neuritis auf Grund einer Diathese findet sich im Verlauf des 
Diabetes, des chronischen Gelenkrheumatismus, der Gicht, der Chlorose, des 
Krebses usw. 

Pathologisch-anatomisch teilt man die Neuritis in die Neuritis mit Waller¬ 
scher Degeneration, in die Gombaultsche Neuritis, die intrafaszikuläre und 
interstitielle Neuritis, die Neuritis vascularis, die Neuritis ascendens und die 
Neuritis migrans (v. Leyden'. 

Die Indikationen der methodischen Massage ergeben sich aus der Sympto¬ 
matologie; ihr hier folgendes Übersichtsbild veranschaulicht die Erkrankung zur 
Genüge. Neuritis und Polyneuritis sind charakterisiert durch den Schmerz, die 
Hyperästhesie der Haut und der Muskulatur; ferner durch motorische Lähmung 
mit Bevorzugung der Strecker, Atrophie derselben, erschwerte Beugung und Ab¬ 
duktion im Hüftgelenk, manchmal Gelenkveränderungen, Tremor der Hände, herab¬ 
gesetzte Kraft der Hände, Las^guesches nnd Rombergsches Symptom, Ko¬ 
ordinationsstörung der Bewegungen; Koordinationsstörungen an den Unterextremi¬ 
täten, motorische Ataxie etc. 

Die Physikotherapie muß nach Prof. Raymond die anatomische und die 
funktionelle Restitution der Muskeln und der veränderten Nerven anstreben. Id 
der Spezialliteratur findet man den Nordstromschen Fall, der durch Massage 
geheilt wurde, den Bernschen und die beiden Zabludowskischen Fälle und die 
von Dagron für die Behandlung der Neuritis, speziell der traumatischen, an¬ 
gegebene Massagetherapie. Die schmerzstillende Wirkung der Massage ist schon 
lange bekannt. Die oberflächlichen zirkulären Streichungen, die man sobald wie 
möglich immer mehr in die Tiefe wirken und länger werden läßt, sind bei Hyper¬ 
ästhesie angebracht. Die Sitzungen sollen im Anfang nicht länger als 10 bis 
15 Minuten dauern. Wenn der Schmerz nachläßt, geht man zur Massage des 
Nervenstammes selbst über: longitudinale Eftieurage, den Verlauf des Nerven 
entlang, ohne Unterbrechung in zentripetaler Richtung. Bei der Massage des 
kranken Nerven keine stoßenden Bewegungen, kein Tapotement. Aus den Er¬ 
fahrungen von Cast ex wissen wir, daß die Fasern des erkrankten Nerven durch 
Massage fast vollständig restituiert werden, woraus hervorgeht, daß die methodische 
Massage nicht nur ein Beruhigungs- sondern ein Heilmittel für den kranken 
Nerven ist. 

Die Muskelatrophie ist das zweite Kardinalsymptom der Neuritis, das die 
Behandlung dieses Leidens mit Massage angezeigt erscheinen läßt. Die Muskel¬ 
atrophie tritt, wie die vom Vortragenden zitierten Autoren gezeigt haben, herd¬ 
förmig auf. Herde gesunder Muskelfasern liegen unregelmäßig zwischen Herden 
degenerierter oder degenerierender Faserbündel. Die Manipulationen der Massage¬ 
therapie, Effleurage, oberflächliche und tiefe Knetungen, Klopfungen, Tapotement 
und Vibration, sie alle bekämpfen die Atrophie und tragen zur Wiederherstellung 


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Die Indikationen der methodischen Massage etc. 633 

sowohl der Masse als auch der Funktion des Muskels bei. Ich lege auf die 
Massage der Antagonisten besonderen Wert; und verweise diesbezüglich auf meine 
kürzlich erschienene Arbeit über die Massagebehandlung bei Muskelkontraktur. Es 
empfiehlt sich, die atrophischen Muskeln allein zu massieren, die kontrahierten aber 
ganz in Ruhe zu lassen, d. h. die Massage der hypotonischen unter Vernachlässigung 
der hypertonischen Muskeln. 

Die Gelenkerkrankung ist das dritte Sympton, das die methodische Massage 
verlangt. Ferner die trophischen und vasomotorischen Störungen: Ödem, Haut¬ 
desquamation, Ulzeration, mal perforant etc. 

Wenn es auch gewöhnlich gelingt, durch methodische Massage die schwersten 
Symptome der Neuritis zu beseitigen, bleibt häufig ein bei Polyneuritis nicht 
seltenes Symptom zurück: die Ataxie, die Koordinationsstörung. 

Zur Behandlung der Ataxie empfiehlt sich nach Prof. Raymond und seiner 
Schule die Übungstherapie. Sobald unter dem Einfluß der methodischen Massage 
die Muskelkraft wiederkehrt, benutze ich dieselbe, um mit ihrer Hilfe den 
Patienten beim Gehen deu Fuß heben zu lassen, so daß er ihn nicht am Boden 
schleift, kurz zur Beseitigung des „Stepperganges“; später lernt der Kranke 
erst gegen die Wand gelehnt, dann frei stehen, mit oder ohne Stock, den Fuß 
auf die Bank oder den Stuhl stellen, auf der schiefen Ebene gehen, Stufengehen, 
verschiedene Bewegungen mit jedem Glied einzeln ausführen etc. Schließlich 
zeigt man dem Kranken, welche Bewegungen und wie er sie zu machen hat. 

Es gibt Neuritis- und Polyneuritisfälle, die sich refraktär verhalten: so die 
im Verlauf der Tuberkulose, des Krebses, des Diabetes, der Gicht. Diese Neuri¬ 
tiden sind durch das Grundleiden bedingt. Wenn die Tuberkulose und der Krebs 
sich nicht bessern, widersteht die Neuritis jeder Behandlung. Die Neuritis durch 
Callus luxurians kann sich nur bessern, wenn man den Nerven aus dem Callus 
aasschält. 

Die Elektrotherapie kann in der Hand des Arztes ebenso wie die Hydro¬ 
therapie in Form von Duschen die Massage unterstützen. Schließlich kommt 
alles auf das Können des Masso-Therapeuten an. Deshalb darf man nicht von 
Laien massieren lassen, weil ihre Massage roh und brutal ist, und sogar zum 
vollständigen Untergang der Nervenfaser führen kann. Lieber soll man gar nicht 
massieren oder sich mit oberflächlichen Streichungen begnügen, als seine Neuritis- 
und Polyneuritiskranken den Händen der Empiriker anzuvertrauen, deren Un¬ 
wissenheit oft nur Krankheit und Siechtum verschulden. Zu diesen muß man in 
erster Reihe die unheilbaren Kontrakturen, trophische Störungen und nervöse 
Reizzustände rechnen, die die Folge solcher brüsken und unverständigen Mani¬ 
pulationen sind. 


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Oskar von Hovorka 


IV. 

Die Grenzen und Wechselbeziehungen zwischen der 
mechanischen Orthopädie und orthopädischen Chirurgie. 

Von 

Dr. Oskar von Hovorka, 

Chefarzt flir Orthopädie am Zander-Institut in Wien. 

(Schluß.) 

II. 

Operative Orthopädie. 

Die operative Orthopädie, oder wie sie bisher als eine Zweigdisziplin der 
allgemeinen Chirurgie mit dem Namen „orthopädische Chirurgie“ bezeichnet 
wurde, zerfällt nebst der orthopädischen Verbandtechnik in die unblutige und 
blutige. Wir bezeichne^ sie mit dem Namen operative Orthopädie im Gegensatz 
zur mechanischen. 

Eigentlich verdient sie den Namen chirurgische Orthopädie und das Wort 
„orthopädische Chirurgie“ paßt logischerweise, wie wir später sehen werden, mir 
für einen Teil der operativen (d. h. chirurgischen) Orthopädie, nämlich ihren 
blutigen Teil, welcher sich zur chirurgischen Orthopädie fast genau so verhält 
wie die orthopädische Mechanik zur mechanischen Orthopädie. Beide Abteilungen, 
die orthopädische Mechanik und die orthopädische Chirurgie, sind nur besondere 
Abschnitte der allgemeinen Mechanik und der allgemeinen Chirurgie. 

So wie sich die orthopädische Mechanik von der allgemeinen Mechanik all¬ 
mählich losgetrennt hat und unter dem Einflüsse der allgemeinen Orthopädie zu 
einem Spezialzweige derselben geworden ist, so hat auch die orthopädische Chir¬ 
urgie (in unserem Sinne) unter der Einwirkung des spezifisch orthopädischen 
Einflusses eine Sonderstellung in der Gesamtorthopädie erlangt. 

Während der Begriff der orthopädischen Mechanik feststeht und fast all¬ 
gemein angenommen ist, so ist dies mit der Begriffsabgrenzung und dem Ver¬ 
hältnisse der orthopädischen Chirurgie zur chirurgischen Orthopädie noch nicht 
vollkommen der Fall. Doch muß dies unter dem Zwange der fortwährend vor¬ 
wärts eilenden Fortschritte der speziell orthopädischen Operationstechnik wohl 
bald dazu kommen. 

Die Lostrennung der orthopädischen von der allgemeinen Chirurgie vollzog 
sich, ja vollzieht sich zum Teile noch jetzt unter unseren Augen sehr langsam. 
Orthopädische Operationen wurden noch im vorigen Jahrhundert ausschließlich 
von Vertretern der allgemeinen Chirurgie erdacht und ausgefuhrt; erst in der 
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entstanden allmählich staatliche nnd 
private Kliniken und Polikliniken mit vollständig eingerichteten Operationssälen. 


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Grenzen u. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. 635 

deren Leiter als Operateure vorher tüchtig ausgebildet, ausschließlich orthopädische 
Operationen auszuführen begannen. 

Ähnliche, bereits auch früher vorgenommene Bestrebungen fanden ihren 
Hemmschuh in dem Mangel der Antisepsis und Asepsis. Der Umschwung infolge 
dieser äußerst wichtigen Neuerung führte nicht nur die allgemeine, sondern auch 
die orthopädische Chirurgie auf Wege eines vorher ungeahnten Erfolges, sowie 
zu ganz neuen Operationsmethoden, die man früher nie gewagt hätte. 

Mit dem weiteren Ausbau der Orthopädie bildeten sich neue Anschauungen, 
neue Wirkungskreise, neue Begriffe. 

Als Beispiel, wie langsam sich die Erkenntnis der Notwendigkeit einer 
strengeren Scheidung zwischen der mechanischen und operativen Orthopädie Bahn 
zn brechen beginnt, diene uns der Hinweis auf den etwas unklaren Vorschlag 
Beelys, den Begriff der orthopädischen Chirurgie in mechanische Chirurgie um- 
znwandeln, ferner die Unterscheidung Kirmissons in mechanische, instrumentelle 
und operative Chirurgie, sowie die Auffassung Hoffas, daß zur orthopädischen 
Chirurgie nicht nur operative Eingriffe und mechanische Apparate, sondern auch 
Massage und Gymnastik gehören. Der Grund hierfür liegt wohl darin, daß Hoffa 
bald die Unrichtigkeit des Titels seiner so weit bekannten und vorzüglichen Zeit¬ 
schrift für orthopädische Chirurgie zur Erkenntnis gekommen sein muß, indem in 
derselben ebenso wie in seinem Lehrbuche nicht nur jener beschränkte Abschnitt, 
sondern das Gebiet der gesamten Orthopädie zur Besprechung kommt. 

Im Gegensatz dazu möchte Shaffer die Grenzen der Orthopädie aut jene 
Erkrankungen beschränkt wissen, deren Behandlung die Anwendung von Maschinen 
and Apparaten erheischt; alle Fälle, in welchen wir zu einer blutigen Operation 
genötigt sind, weist er in das Gebiet der allgemeinen Chirurgie. Diese Auf¬ 
fassung ist ganz entschieden unrichtig, worauf bereits Kirmisson aufmerksam 
machte. 

Die erste richtige Differenzierung zwischen der mechanischen und chirur¬ 
gischen Orthopädie hat Vulpius anzubahnen versucht. Da wir demnach die 
„orthopädische Chirurgie“ (alten Datums) wohl nicht mehr etwa auf die gleiche 
Stufe mit der Leber-, Magen- oder Schädelchirurgie stellen können, so müssen wir 
ans daran gewöhnen, dieselbe Bezeichnung (neueren Datums) als einen Abschnitt 
der chirurgischen Orthopädie anzusehen. Es ist dies eine natürliche Folge des 
fortwährenden Spezialisierungsdranges in der Medizin, welcher zwar zu einer un¬ 
vermuteten Zersplitterung der gesamten Heilkunde führt, jedoch die eingehende 
Bearbeitung der Spezialgebiete ungemein erleichtert. 

1. Die orthopädische Verbandtechnik hat vielerlei Beziehungen zur 
orthopädischen Mechanik, doch unterscheidet sie sich von der letzteren dadurch, 
daß sie nicht in der Werkstätte von Handwerkern, sondern von Ärzten selbst 
znmeist am Körper des Patienten ausgeübt wird. Haben wir dieses Kriterium 
einmal richtig erfaßt, so werden wir leicht begreifen, warum wir einmal schon 
durch ein Mittel der orthopädischen Verbandtechnik allein zu unserem Ziele ge¬ 
langen können und warum ein anderesmal die operativen Verfahren durch ein 
solches oft ihre Ergänzung finden. Wie bei der orthopädischen Mechanik haben 
wir nach ihrem Heilzweck auch hier zu unterscheiden: Stütz verbände und Streck¬ 
verbände; außerdem treten hierzu die Operationsverbände. 


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63ß 


Als Beispiel von Stützverbänden seien angeführt: Eingipsung des Brust¬ 
korbes nach Schanz, Gipshanfschienenverbände nach Beely, der weiche Binden¬ 
verband bei Klumpfuß. Als Beispiel von Streckverbänden dient uns die lange 
Reihe von weichen und erhärtenden Verbänden der verschiedenen Frakturen, der 
Heftpflasterverband bei Klumpfuß und Plattfuß. 

Die Schutz- oder Operationsverbände sind solche, welche nach jeder blutigen, 
sehr häufig auch nach einer unblutigen Operation angelegt werden, im ersten 
Falle, um die Wunde zu decken, im letzteren um das erreichte Resultat festzu¬ 
halten. Sie können hart oder weich sein (z. B. Verband nach der Operation des 
Torticollis, Tenotomie). 

Wie wir früher gesehen haben, benutzen wir zur Anlegung mancher Ver¬ 
bände eigene Verbandapparate. 

Infolge der zahlreichen Wechselbeziehungen zwischen der orthopädischen 
Wissenschaft und der orthopädischen Werkstätte eines orthopädischen Institutes 
ergibt es sich von selbst, daß mitunter Manipulationen seitens des Arztes am 
Körper des Kranken vorgenommen werden, die dann erst in der Werkstätte ihre 
Vollendung finden (Gipsbetten bei Spondylitis, Schönborns abnehmbarer Wasser¬ 
glasverband, abnehmbare Gipshülsen). Oder aber, es arbeitet der Mechaniker. 
Bandagist in der Werkstätte Verbandteile dem Arzte vor, welcher dann dieselben 
am Körper des Kranken im Sinne der Indikation zusammenfugt (artikulierte Ver¬ 
bände nach Mikulicz, Zinkblechschienen-Verband bei Plattfuß nach Barwell, 
Spiraldrahtverbände nach Heusner). 

Wie wir gesehen haben, können alle diese Verbände weich oder hart sein. 
Die weiche oder harte Beschaffenheit, ja selbst das Material der Verbände spielt 
demnach als Einteilungsprinzip keine große Rolle, sondern lediglich der Heil¬ 
zweck. Zu den weichen Verbänden können wir somit rechnen: den Binden¬ 
verband, Heftpflasterverband, manchen Operationsverband; zu den harten oder 
erhärtenden (Kontentivverband Hoffas) verwendet man ein Material der ver¬ 
schiedensten Provenienz und zwar z. B. aus dem Mineralreiche: Gips, Tripolith, 
Wasserglas, Kitt, Zement; aus dem Pflanzenreiche: Kleister, Dextrin, Guttapercha, 
Pappe, Holz, Zelluloid; aus dem Tierreiche: Leim, Hornhaut, Fiber, Filz. Kom¬ 
biniert: Gipshanf, Holzleim, geleimte Zellulose. 

2. Die unblutigen orthopädischen Operationen sind fast alle mit der 
orthopädischen Verbandtechnik innig verquickt, indem sich an dieselben in der 
Regel ein erhärtender Verband anschließt, um das erreichte Heilresultat zu fixieren. 
Sie werden teils durch einfache Handgriffe des Operateurs (gewaltsame Dehnung 
kontrahierter Muskeln nach Heineke, modellierendes Redressement nach Lorenz. 
Etappeuverband nach Wolff, unblutige Einrenkung der angeborenen Hüftlnxation 
nach Lorenz, Hoffa, brisement forc6 nach Louvier, Langenbeck) oder unter 
Zuhilfenahme eigens konstruierter Apparate (Osteoklasie nach Oesterlen, 
Rizzoli, Osteoklast von Lorenz, Grattau, Phelps, Redresseurosteoklast von 
Robin) ausgeführt. 

3. Die orthopädische Chirurgie teilen wir ein: in Operationen an den 
Weichteilen und solche an Knochen. 

Die orthopädische Chirurgie der Weichteile befaßt sich mit den Operationen 
an der Haut, besonders bei Narben, Kontrakturen zur Beseitigung ihrer schädlichen 


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Grenzen u. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. 637 

Folgen auf die Beweglichkeit der Gelenke (Transplantation nach Reverdin, 
Thiersch). Hierher gehören auch die Operationen an den Faszien (Fascioplastik 
nach Winiwarter) und an den Bändern (Syndesmotomie, Guörin). Ungemein 
häufig wählt die orthopädische Chirurgie ihren Angriffspunkt an Muskeln (Myo¬ 
tomie) und Sehnen (Tenotomie). 

Geschichtlich-medizinisch bildet die subkutane Tenotomie einen wichtigen 
Merkstein nicht nur in der Entwicklung der operativen, sondern auch der ge¬ 
samten Orthopädie. Sie wurde von Stromeyer zuerst an der Achillessehne 
angegeben und systematisch ausgeführt. 1 ) 

Die subkutane Achillotenotomie war zweifelsohne eine der ersten chirurgisch¬ 
orthopädisch zielbewußt ausgeführten Operationen und leitete die Behandlung der 
Deformitäten in neue Bahnen. Sie wurde bald von namhaften Chirurgen der 
dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts nachgeahmt und wiederholt ausgeführt, so 
von Dieffenbach in Berlin, Duval in Paris, Little in London. Der praktische 
Heilerfolg dieser Operation war so auffallend, daß es bald keinen Chirurgen gab, 
der sie nicht ausgeführt hätte; wie bei jeder sensationellen Erfindung kam es 
auch hier zu einer Reihe von „Modifikationen“. 

ln jener Zeit entstanden auch Anstalten, welche sich die Tenotomie zur 
Hauptaufgabe stellten, und es kann uns nicht verwundern, daß hierbei wiederholt 
über das Ziel hinausgeschossen und „Alles“ tenotomiert wurde. Hierher gehört 
z. B. die unsinnige und natürlich längst aufgehobene Rachimyotenotomie der 
Rückenmuskeln bei Skoliose. Es hat vieler Mühe und kalter Kritik ernst und 
ruhig denkender Männer (Bouvier, Malgaigne) bedurft, um den wahren Wert 
der Tenotomie in die richtigen Schranken zu weisen. 

Dessenungeachtet bildet die Tenotomie trotz aller Übertreibungen einen 
Grundstein der heutigen orthopädischen Chirurgie. Aus der subkutanen wurde 
später eine offene Tenotomie. Nachdem Phelps die offene Tenotomie der Liga¬ 
mente beim Varoequinus gelungen war, führte Volk mann die offene Tenotomie 
des M. sterno-cleidomastoideus bei Torticollis ein. 

Einen bedeutenden Fortschritt auf dem Gebiete der Sehnen- und Muskel¬ 
operationen verdanken wir Nicoladoni, welcher 1880 die Sehnentransplantation 
erfand und somit dem Fortschritte bei der Behandlung von Lähmungen weite 
Bahnen eröflfnete. 

Unter dem Schutze der Antisepsis und Asepsis beginnt sich die Sehnen- und 
Muskelüberpflanzung unter dem Einflüsse der grundlegenden Arbeiten von Hacker, 
Phocas, Parrish, Drobnik, Vulpius, Lange usw. bereits zu einem Spezial¬ 
gebiete der orthopädischen Chirurgie umzugestalten. Hierher gehört naturgemäß 
auch die Sehnenverlängerung und -Verkürzung. 

') Eigentlich war Stromeyer auch nicht der erste, welcher sie ausfUhrte; seine Vor¬ 
gänger waren Thilcnins, Sartorius und Delpech. Der letztere hatte das Unglück, diese 
Operation an einem äußerst empfindlichen Individuum vornehmen zu müssen. Es kam zu einer 
äußerst schmerzhaften und langwierigen Eiterung, was zur Folge hatte, daß Delpech die Lust 
verging, die scheinbar gefährliche Operation zu wiederholen. Aber auch diese drei Chirurgen 
waren nicht die ersten Erfinder der Operationen; denn von einem General in Indien stammt 
der Bericht, daß der Beherrscher von Lahorc die Straßenräuber in der Weise zu bestrafen 
pflegte, daß er ihnen beide Achillessehnen durchschneiden ließ; das hierbei in Anwendung ge¬ 
kommene Verfahren wird wohl kaum ein subkutanes gewesen sein. 


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638 Oskar von Hovorka 


In der orthopädischen Chirurgie der Knochen haben wir an erster Stelle 
anzufuhren: die Osteotomie (Barton, Mayer, B. Heine, Mac Ewen). Sie wurde 
bereits in der vorantiseptischen Zeit (Barton 1826) ausgeführt und war deshalb 
sogar mit Lebensgefahr verbunden. Langenbeck lehrte sie subkutan ausffihren, 
Billroth führte sie statt mit der Stichsäge zuerst mit dem Meißel aus. 

Durch die Beobachtung, daß man durch Ausschaltung des Epiphysenknorpels 
das Längenwachstum der Knochen aufhalten kann, gelangte Ollier zurChondrek- 
tomie. Sie findet bei ungleicher Entwicklung der parallelen Knochen des Vorder¬ 
arms und des Unterschenkels ihre Anwendung. 

Das ansehnliche Gebiet der Gelenksresektionen wurde zuerst von Buck 1843 
betreten, welcher zu orthopädischen Zwecken zuerst eine Gelenkresektion wegen 
Ankylose ausführte. Langenbeck und Ollier suchten später dasselbe Ziel anf 
subperiostalem Wege zu erreichen. Darauf folgte eine lange Reihe von Operations¬ 
methoden an verschiedenen Gelenken, besonders seit der Einführung der Antisepsis 
und Asepsis z. B. die Resektionen des Hüftgelenkes bei Coxitis, die blutige 
Reposition des Schenkelkopfes bei der angebornen Luxatio femoris. Bei Schlotter- 
gelenken, deren Muskulatur ganz gelähmt ist, hat Albert 1877 als Heilmethode 
die Arthrodese, d. h. die operative Gelenkversteifung eingeführt. 

Die Anregung zur Eröffnung eines neuen Gebietes erfolgte seitens Pirogoff 
durch seine Osteoplastik. Zu rein orthopädischen Zwecken wendete sie Ogston 
bei der Plattfußbehandlung an zwecks Erhebung des Fußgewölbes, ebenso Gleich 
zu demselben Zwecke. König versuchte mittelst eines Periostknochenlappens bei 
der angebornen Hüftgelenkverrenkung eine neue Pfanne zu bilden. Hierher ge¬ 
hören auch die osteoplastischen Resektionen am Fuß nach Wladimiroff-Miknliez 
behufs Verlängerung verkürzter Extremitäten, sowie die Knochenimplantation nach 
Albert. 

Eine besondere Stellung in der orthopädischen Chirurgie verspricht die 
Knochenplombe von Mosetig einzunehmen, welche gewiß noch einmal eine große 
Rolle spielen wird. 

Wir müssen sie als eine Art von innerer, auf operativem Wege zustande 
gekommener Prothese bezeichnen, welche ja z. B. mit den in Schädeldefekte 
künstlich eingeteilten Silber- und Zelluloidplatten der Schädelchirurgie eine greif¬ 
bare Analogie besitzt, doch mit dem Unterschiede, daß sie von dem lebenden 
Gewebe nach und nach resorbiert wird. Aus der Plombe wird mit der Zeit echtes 
lebendes Ersatzgewebe. 

Zur Heilung von Deformitäten, besonders solcher am Fuße, wurde auch die 
Totalexstirpation ganzer Knochen vorgenommen, wie z. B. eine solche des Talus 
bei Klumpfuß und Plattfuß (Lund, Vogt, Faraboeuf, Weinlechner), des 
Naviculare (Davy, Golding Bird, Trendelenburg), des Cuboides (Darr). 

Es wäre die Absteckung der Grenzen der Orthopädie nicht vollständig, 
würden wir einer Reihe von akzessorischen Hilfsmitteln nicht gedenken, welche 
zwar keinen orthopädischen Charakter besitzen, doch in den orthopädischen An¬ 
stalten ein solches Bürgerrecht erlangt haben, daß man sie heute nur schwer 
vermissen könnte. Wir wollen von den diagnostischen nur die Photographie, die 
Röntgenvorrichtungen und die verschiedenen Meßapparate, von den therapeutischen 


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Grenzen u. Wechselbeziehungen zwischen mech. Orthopädie u. orthop. Chirurgie. H39 

die verschiedenen Nebenbehelfe aus dem Gebiete Elektrotherapie, Elektromassage, 
Heißluft beispielsweise anführen. 

Die Orthopädie verfügt ebenso bereits über gut bearbeitete Spezialkapitel 
aus der pathologischen Anatomie, experimentellen Pathologie, Prophylaxe, 
Hygiene u. a. 

Auch sind schon in der Orthopädie Grenzgebiete mit anderen Wissenschaften 
vorhanden, so z. B. mit der Nervenheilkunde, deren Bearbeitung wir Hoffa ver¬ 
danken; in der Behandlung der Tabes, der Myelitis transversa, der spastischen 
Spinalparalyse und der Lähmungen hat die Orthopädie Erfolge erzielt, auf welche 
die gesamte Heilkunde stolz sein darf. Ferner das Grenzgebiet der inneren 
Medizin (rheumatische und gichtische Erkrankungen, Lumbago, Ischias), sowie der 
allgemeinen Chirurgie, welcher die Orthopädie das weite Gebiet der Luxationen 
und Frakturen streitig macht. 

Legen wir uns nun die Frage vor: Welche Kenntnisse muß ein angehender 
Orthopäde mitbringen, wenn er sich mit einiger Aussicht auf Erfolg dem Fach¬ 
studium der Orthopädie widmen will oder, wie Kirmisson die Frage formuliert 
hat, soll ein Orthopäde überhaupt ein Arzt sein? Wir haben bereits früher 
genügend auseinandergesetzt, daß wir uns als Orthopäden nur einen Arzt denken 
können. Die Orthopädie ist nicht ein Gewerbe, sondern die sinnreiche Vereinigung 
eines Handwerkes mit einer Kunst. Aus der dualistischen Einteilung des Stoffes 
ergibt sich, daß der angehende Orthopäde erstens ein guter Mechaniker, zweitens 
ein geschickter Arzt sein müsse; freilich genügt es nicht, daß er in der Mechanik 
nur gut bewandert sei, er muss auch ein einigermaßen ausgebildetes mechaniches 
Konstruktionstalent besitzen; ebensowenig wie für ihn das Diplom der gesamten 
Heilkunde hinreicht, muß er überdies noch ein wohlausgebildeter Chirurg sein. 
Der angehende Orthopäde muß jedoch auch ein guter Anatom sein, welcher den 
Bau und die physiologische Leistungsfähigkeit der Knochen, Bänder und Muskeln 
tadellos beherrscht. Hierzu gehört auch ein genügendes Verständnis für die ein¬ 
zelnen pathologisch-anatomischen Vorgänge. 

Das alles kann nur ein Arzt sein, welcher über eine vollkommene Gesund¬ 
heit, Willenskraft, Ausdauer, Selbstverläugnung und die Finanzmittel verfügt, um 
* i ine Anstalt führen zu können. Die Zeiten sind vorüber, in welchen man als 
Orthopäden noch Bandagisten mit einem Verkaufsladen bezeichnete. Solche 
..Orthopäden“ von Anno dazumal, wo sie noch bestehen, müssen aussterben! 

Wir müssen uns zum Schlüsse jedoch auch die Grenzen der Leistungs¬ 
fähigkeit der Orthopädie näher ansehen. Während sich in den ersten Kinder¬ 
jahren die allgemeine Orthopädie vorzüglich auf dem Wege der Mechanik weiter 
entwickelte, wurdeij besonders in den letzten Jahren ihre Grenzen in der chirur¬ 
gischen Richtung bedeutend erweitert. Einerseits haben sich zugleich die Grenzen 
der Orthopädie in bezug auf die engere. Auffassung der Deformitäten zum Wohle 
derselben wesentlich eingeengt, andererseits ist jedoch der Einfluß der orthopädischen 
Chirurgie in steter Zunahme begriffen. Bisher war die allgemeine Chirurgie die 
Lehrmeisterin der orthopädischen. Es ist gewiß die Zeit nicht fern, in welcher 
umgekehrt auch die letztere auf die erstere befruchtend und anregend einwirken 
wird. Die allgemeine sowohl, als auch die orthopädische Chirurgie sind ganz be¬ 
sonders geeignet, sich gegenseitig zu ergänzen. Dort, wo ein Arzt zielbewußt, 


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640 Oskar von Hovorka, Die Grenzen und Wechselbeziehungen etc. 

sei es durch mechanische, sei es durch chirurgische Mittel eine bleibende Ab¬ 
weichung der Form, Richtung, Stellung und Lage, oder eine dauernde Funktions¬ 
störung beseitigt, in dem Momente hat er einer fundamentalen orthopädischen 
Indikation Genüge geleistet; in dem Momente hat er aufgehört auf dem Felde 
der allgemeinen Chirurgie zu arbeiten, denn er hat das Gebiet der Orthopädie 
betreten. Durch ein zielbewußtes Handeln in gegebenem Falle, durch richtige 
Auswahl der geeignetsten Mittel zur richtigen Zeit am richtigen Ort gelangt der 
gewissenhafte, tüchtige Orthopäde zur Korrektur und zum angestrebten Heilerfolge 
der vorhandenen Deformität. 


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Riedinger. Wesen, Ursache und Entstehung der Deformitäten. Handbuch d. ortbop. 
Chir. Jena 1904. 

Shaffer. VVhat is orthopedic surgery. Medical reconl. New York 1890. 

Stromeyer. Beiträge zur operativen Orthopädik. Hannover 1838. 

Venel. Description de plusieurs nouveaux moyens mäcaniques propres a prevenir. 
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Vieth. Encyklopädie der Leibesübungen. 1793. 

Vulpius. Neurologie und Orthopädie. Münchener med. Woch. 1904. 

Werner. Grundzüge zu einer wissenschaftlichen Orthopädie. Berlin 1852. 


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Original fro-rn 

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Berichte Uber Kongresse und Vereine. 


641 


Berichte über Kongresse und Vereine. 

Bericht Aber den I. Internationalen Kongreß 
für Physikotherapie in Lfittich am 12. bis 15. August 1905. 

Von Dr. W. Alexander. 

(Schluß.) 

Eine größere Anzahl von Vorträgen hatte die Röntgenstrahlen zum Gegenstand. Das 
Instrumentarium und die Technik der Röntgenoskopie, ihre Indikationen auf diagnostischem und 
therapeutischem Gebiet, endlich ihre Nebenwirkungen wurden eingehend erörtert. Haret (Paris) 
sprach „über die Indikationen der Radiotherapie“. Von den verschiedenartigen Ein¬ 
wirkungen der Röntgenstrahlen wurde zuerst die auf die Haut genauer studiert, während die 
auf die inneren Organe erst später bekannt und experimentell bearbeitet wurde. Die Haut¬ 
veränderungen, die nach genügend intensiver Bestrahlung auftreten, sind reaktiv entzündlichen 
Charakters. Ihre Intensität zeigt die verschiedensten Grade, anfangend mit der einfachen 
Epilation, bei stärkerer Einwirkung erythematöse Entzündung, endlich Blasenbildung und 
Mortifikation. Es ist von größter Bedeutung, diese Dinge zu kennen; zu wissen, daß sie erst 
nach einem gewissen Latenzstadium auftreten und daß sie desto heftiger sich zeigen, je kürzer 
dieses Latenzatadium war. Bei starken Reaktionen findet man neben der Schädigung der 
Epidermis Auswanderung von Leukozyten und Schädigung der Gefäßwände, auch die darunter 
liegenden Nerven können alteriert werden. Es steht jetzt sicher fest, daß die verschiedenen 
Gewebsclemente nicht die gleiche Resistenz gegen Röntgonstrahlen haben, sondern daß eine 
irTelektiver Wirkung vorhanden ist. Von derartigen Erscheinungen sind bisher bekannt, daß 
durch Bestrahlung die Zellen der Retina zerstört,werden, daß Opticusatrophie eintritt, daß beim 
Mann die Spennatozoen getötet, beim Weib die Ovarien atrophisch und die Grätschen Follikel 
nekrotisch werden. Besonders auffallend und interessant ist die Wirkung der Röntgenstrahlen 
auf die blutbildenden Organe. Nach genügender Bestrahlung sterben kleinere Tiere in sieben 
bis zehn Tagen, und zwar vor dem Auftreten einer Hautreaktion. Man findet dann an den 
inneren Organen keine Veränderungen, nur die lymphatischen Apparate zeigen starke Schädigung. 
Die Veränderungen am Knochenmark und der Milzpulpa treten schon wenige Tage nach der 
Bestrahlung auf. Auch der bakterizide Einfluß der Röntgenstrahlen ist experimentell festgestellt. 
Gestützt auf diese experimentellen und klinischen Erfahrungen, kann man zurzeit für die thera¬ 
peutische Anwendung der Röntgenstrahlen drei große Indikationsgruppen aufstellen: die Haut¬ 
krankheiten, die Neoplasmen und die Erkrankungen des lymphatischen Apparates. 

t (Über dasselbe Thema sprach Piccinino (Neapel). Er hat an einem großen Material die 
Überzeugung gewonnen, daß mit Ausnahme (fes Lupus erythematodes alle Formen des Lupus 
durch Röntgenstrahlen günstig beeinflußt werden, die oberflächlichen sowohl wie die tief¬ 
greifenden. Die ersteren heilen natürlich schneller, aber auch die tiefen sind stets zur Heilung 
xu bringen, wenn auch erst nach längerer Zeit. Dasselbe gilt von den Epitheliomen, besonders 
auch von denen der Schleimhäute. Einen für inoperabel erklärten Fall von Scirrhus der Mamma 
mit ausgedehnter Ulzeration brachte Vortragender zur Heilung mit tadelloser Narbe. Auch bei 
Sarkomen ließ sich stets Besserung erzielen, wobei zu berücksichtigen ist, daß Vortragender 
nur aussichtslose und inoperable Fälle zur Behandlung bekam. Die Röntgentherapie ergab 
ferner hervorragende Resultate beim chronischen Ekzem, und zwar bei Fällen, die jeder anderen 
Behandlung getrotzt hatten. Bei zwei Fällen von Lymphoma malignum und einem Fall von tuber¬ 
kulösen Halsdrüsen verschwanden die zum Teil bis zitronengroßen Tumoren nach zehn Sitzungen. 
Der eine Patient ging allerdings an einem Rezidiv zugrunde. Eine Patientin mit riesigen kom¬ 
pakten Drüsenpaketen unbekannten Ursprungs am Hals wurde nach 15 Sitzungen dauernd 
Zetuchr. f. phyelk. u. dlÄt. Therapie Bd. IX. Heft 11. 43 



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642 Berichte über Kongresse und Vereine. 


geheilt, so daß sie ihren anstrengenden Beruf wieder aufnehmen konnte. Ähnliche Erfahrungen 
teilte Desplats (Lille) mit in seinem Vortrage „über die Behandlung tuberkulöser 
Drüsen mit Röntgen strahlen“. Er erinnerte daran, daß die hygienisch-diätetische ebenso 
wie die chirurgische Behandlung tuberkulöser Drüsen unsicher im Erfolg ist; daß auch die 
Versuche mit elektrischer Behandlung (konstanter Strom, Hochfrequenz und Franklinisation) zu 
keinem Resultat geführt haben. Um so mehr muß man es begrüßen, daß man in der Röntgen¬ 
bestrahlung ein Mittel besitzt, mit dem man anscheinend in der Mehrzahl der Fälle in kurzer Zeit 
vollen Erfolg erzielt. Vortragender berichtete über zwei Beobachtungen, in denen es ihm gelang, 
mit neun respektive sechs Sitzungen bis orangegroße Drüsentumoren vollkommen zu beseitigen 
und Fistelgänge zur Vernarbung zu bringen. Bei dem einen Fall wurde gleichzeitig eine er¬ 
hebliche Aufbesserung des Blutbildes erzielt. Als Nebenwirkung wurden Erytheme und Pigmen¬ 
tierungen leichten Grades beobachtet, Rezidive traten nicht auf. Mit der diagnostischen Seite 
der Röntgenologie beschäftigten sich die Vorträge von Hauchamps (Brüssel) und Guilleminot 
(Paris). Der erstere gab einen allgemeinen Überblick über die Leistungsfähigkeit der Röntgen¬ 
strahlen als diagnostische Methode. Dieselbe ist gleich groß in der inneren Medizin wie in der 
Chirurgie. Es gibt Fälle, in denen die Diagnose nur durch Durchleuchtung sicherzustellen ist. 
Bei den Erkrankungen des Gefäßsystems und der Atmungsorgane gewinnt die Röntgoskopie täglich 
an Bedeutung; man kann sie bereits der Perkussion und Auskultation als vollwertig an die Seite 
stellen. Bei der Untersuchung des Verdauungskanals ergibt sie in Kombination mit anderen 
Untersuchungsmethoden wertvolle Aufschlüsse. Zur Erkennung von Aflfektionen des Uro¬ 
genital Systems ist sie von geringerem Nutzen. Auch in der Neurologie wird die Diagnostik 
nur ausnahmsweise gefördert. In der Chirurgie ist die Röntgoskopie geradezu unentbehrlich 
geworden. Es gibt kaum noch Erkrankungen der Knochen, in denen sie nicht mit Nutzen 
herangezogen wird. In Anbetracht der ungeheuren Ausbildung und Verbreitung der erst zehn 
Jahre alten Methode muß man für die Zukunft noch auf große Fortschritte gefaßt sein. 
Guilleminot (Paris) sprach „über die Orthodiaskopie zur Diagnose der Erkrankungen 
des Thorax“. Er zeigte instruktive Abbildungen der von ihm benutzten Apparate und gab 
genaue technische Einzelheiten seiner Untersuchungsmethode. Bei der Bestimmung der Hen- 
größe bekam Vortragender annähernd dieselben Resultate wie Moritz; kleine Abweichungen 
werden durch Eigentümlichkeiten des untersuchten Krankenmaterials erklärt. Interessante 
Resultate ergab auch die Messung der Zwcrcbfellexkursionen. Die Orthodiaskopie ist die beste 
Methode zur Bestimmung der Atemgröße, da sie Bewegungen des Zwerchfelles und der Rippen 
zahlenmäßig zu registrieren gestattet. 

Nobele (Gent) sprach „über die Technik und Anwendungsw r eise der Röntgen¬ 
therapie“. Die Erfahrungen in der Anwendung der Röntgenstrahlen zu diagnostischen und 
therapeutischen Zwecken sind bereite derartig zahlreich, daß man nicht nur feste Indikationen 
für die Therapie aufstellen und sichere diagnostische Schlüsse ziehen kann, sondern man hat 
auch gelernt, die anfangs gefürchteten Nebenwirkungen der Röntgenstrahlen für Arzt und 
Patienten so weit auszuschaltcn, daß sie als störend kaum noch in Betracht kommen. Durch 
technische Abänderungen, die sich auf die Konstruktion der Röhren, die Häufigkeit und Dauer 
der Sitzungen, die Anbringung von Schutzmasken und Bleischirmen etc. beziehen, ist man 
nunmehr in der Lage, jede gewünschte Dosis der Strahlenwirkung zu applizieren und eine 
unbeabsichtigte Schädigung anderer Organe so gut wie auszuschließen. Vortragender gab einen 
Überblick über die verschiedenen therapeutischen Anwendungsgebiete der Röntgenstrahlen: 
dieselben decken sich mit den von den Vorrednern bereits erwähnten. Zum Schluß seines 
Vortrages wies er darauf hin, daß die Verwendung der Röntgen strahlen zu diagnostischen und 
therapeutischen Zwecken durch Gesetzgebung nur geprüften Medizinalpersoncn erlaubt sein 
dürfte, da sie bei Außerachtlassung der erwähnten Vorsichtsmaßregeln großen Schaden stiften 
kann. Zur Verhütung eines solchen bedarf es aber umfassender medizinischer Kenntnisse und 
speziell einer großen radiologischen Erfahrung. Belot (Paris) ging in seinem Vortrage „über 
Instrumentarium und Technik der Röntgentherapie“ des genaueren auf die für den 
Röntgologen so wichtige technische Seite des Verfahrens ein. Nach Aufzählung der elektrisch«* 
Kraftquellen besprach er die verschiedenen Formen der Transformatoren, Unterbrecher, Röntgen¬ 
röhren, Meßinstrumente, und schilderte schließlich die bisher am besten bewährten Schutzma߬ 
regeln gegen die Röntgenstrahlen. Dabei gab er wertvolle Ratschläge für die Einrichtung eines 


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Berichte über Kongresse und Vereine. 


643 


Röntgeninstrumentariums, je nachdem es sich um ein großes Institut in der Hauptstadt, um den 
Landarzt oder um die Wohnung des Patienten handelt. Schließlich machte er ausführliche 
Angaben über die Dosierung der Strahlen bei den verschiedenen Erkrankungen, Über die Dauer 
und Häufigkeit der Sitzungen etc. Die Dermatitis ist bei der Behandlung von Neubildungen 
ebensowenig nötig, wie die Stomatitis bei der Syphiliskur nützlich ist; beide sind nicht immer 
zu vermeiden; „ce sont de petits maux pour un grand bien“. In einem zweiten Vortrage 
beschrieb Belot ein neues Modell eines „Lokalisateurs“ und einen nach seinen Angaben 
angefertigten, neuen kautschukartigen Schutzstoff, der gegen die bisher üblichen Bleiplatten bei 
gleicher Undurchlässigkeit den Vorteil bietet, daß ein Stück von 40 X 50 nur gegen 900 g wiegt. 
Der Vortrag von L. Freund (Wien): „Eine Schutzvorrichtung für Radiotherapeuten“ 
ist im vorigen Heft (S. 554) als Originalarbeit erschienen. 

In der Hauptsitzung der vereinigten Sektionen handelten die Vorträge von dem Unter¬ 
richt in der Physikotherapie und ihrer Ausübung durch Kurpfuscher. Zuerst 
sprach Winternitz (Wien): „Wie sollen die physikalischen Heilmethoden an der 
Universität gelehrt werden? 4 Zur Ausübung der Physikotherapie sind ebenso theo¬ 
retische w'ie praktische Vorkenntnisse erforderlich. Der Student und der junge Arzt haben bisher 
keine Gelegenheit, auch nur die notdürftigsten Kenntnisse auf diesem in so gewaltigem Auf¬ 
schwünge befindlichen Gebiete zu erwerben. Schon Kußmaul sprach die Ansicht aus, daß 
diesem Übelstand nur durch Errichtung besonderer Lehrstühle für physikalische Therapie ab- 
znhelfen sei. Denn der innere Kliniker habe zu einem spezielleren Eingehen auf die einzelnen 
Zweige der Therapie keine Zeit, da er den Hauptwert auf die Symptomatologie und die all¬ 
gemeine Therapie legen müsse. Um aber die physikalischen Heilmethoden mit Erfolg praktisch 
zu lehren, bedarf es einer mit allen Behelfen für diese Behandlungsmethoden eingerichteten 
Klinik. An ihre Spitze gehört ein guter Kliniker, der, selbst auf einer sicheren physiologischen 
Grundlage stehend, von der Macht der physikalischen Therapie durchdrungen ist. Die Physiko¬ 
therapie muß obligatorischer Lehrgegenstand werden, dem ein Semester der internen Klinik zu 
widmen ist. 

Nach dem Vortrage von Lossen (Darmstadt): „Über die Wertschätzung der phy¬ 
sikalischen Therapie speziell in Deutschland“ 1 ) sprach Le Marinei (Brüssel) „über 
den Unterricht in Gymnastik und Sport als hygienische und therapeutische 
Faktoren“. Seine Ausführungen, die sich zum Teil mit den von Winternitz vorgetragenen 
deckten, gipfelten in folgenden Thesen: dem Lehrplan der Universitäten sind gymnastische 
Korse einzuverleiben, die in klinischer Form abzuhalten sind. In den Krankenhäusern ist die 
medizinisch-gymnastische Abteilung einem spezialistisch gebildeten Chefarzt zu unterstellen. 
Die medizinische Gymnastik ist nur nach ärztlicher Verordnung anzuwenden; sie soll in der 
Mehrzahl der Fälle vom Arzt selbst geleitet oder wenigstens überwacht werden. Sodann sprach 
Munter (Lüttich): „Über die Kurpfuscherei in der Physikotherapie und die Mittel 
zu ihrer Bekämpfung“. Auch er hält die Organisation des Unterrichts für ein dringendes 
Bedürfnis. Dadurch werden die Ärzte auch die Überzeugung gewinnen, daß sie allein imstande 
sind, die physikalische Therapie auszuüben. Durch die Presse und die wissenschaftlichen Vereini¬ 
gungen soll die Aufmerksamkeit der Ärzte darauf hingelenkt werden, wie gefahrvoll die Kur¬ 
pfuscherei gerade in der Physikotherapie ist. Die Praktiker, welche die physikalische Therapie 
nicht selbst ausüben wollen oder können, sollen ihre Patienten zu Spezialärzten und nicht zu 
Laien schicken. Es sollen gesetzliche Vorschriften erlassen werden, in denen den Laien die Aus¬ 
übung der physikalischen Therapie nur unter direkter Aufsicht des Arztes und unter seiner 
Verantwortlichkeit gestattet sein soll. Die medizinischen Vereinigungen sollen jeden Laien, 
der gegen diese gesetzliche Bestimmung verstößt, gerichtlich verfolgen und bestrafen lassen. 
Noch w r eitergehende Maßnahmen zum Schutze des Publikums und zur Wahrung der ärztlichen 
Interessen befürworteten Laguerri^re und Delhorn (Paris) in ihrem Vortrage: „Über die 
gesetzwidrige Ausübung der Physikotherapie in Frankreich“. Die ungeahnte 
Ausbreitung der Kurpfuscherei in der physikalischen Therapie ist zum Teil durch die Ärzte 
selbst verschuldet Sie haben einerseits bisher zu wenig Interesse für diesen Zweig der 
Therapie gezeigt, andererseits fehlte es bisher an der Möglichkeit, die physikalischen Behand- 

!) Erscheint als Originalaufsatz in dieser Zeitschrift. 

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Heferate über Bücher und Aufsätze. 


lungsmethoden systematisch zu erlernen. Die Hydrotherapie, die Massage, sogar die Elektro¬ 
therapie war in Frankreich bis vor nicht allzu langer Zeit ausschließlich in den Händen der 
Kurpfuscher. Auch Röntgeninstitute mit ärztlicher Leitung sind erst jüngeren Datums. Nach¬ 
dem man aber nunmehr durch das Experiment erfahren hat, daß durch Röntgenstrahlen nicht 
nur die Haut und andere Gewebe^ sondern auch die Spermatozoen und Ovarien geschädigt 
werden, muß gefordert werden, daß der Staat einen Zustand nicht länger duldet, der eine 
eminente soziale Gefahr in sich birgt. Liegt doch der Gedanke nahe, daß der Kurpfuscher 
die Röntgonstrahlen zur künstlichen Sterilisation ausgiebigst benutzen wird. Vortragender 
schlug schließlich vor, den Regierungen der verschiedenen Staaten folgende Resolution zu unter¬ 
breiten: „Die X-Strahlen bedeuten wegen ihrer sterilisierenden Wirkung eine große soziale 
Gefahr, gegen welche der I. Internationale Kongreß für Physikotherapie folgende Maßnahmen 
zu ergreifen empfiehlt: 1. Die Verwendung der Röntgenstrahlen beim Menschen, zu welchem 
Zwecke es auch sei, ist nur Ärzten erlaubt 2. Gewisse Kategorien von Personen (Physiker, 
Ingenieure etc.), die nicht approbierte Ärzte sind und dennoch einen Röntgenapparat besitzen, 
dürfen denselben nur zu wissenschaftlichen Zwecken benutzen und werden von kompetenten 
Autoritäten überwacht, um seine Anwendung zur Sterilisation zu verhindern/ 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


A« Diätetisches (Ernährnngstherapie). 

Wegele, Die diätetische Küche für Magen- 
und Darmkranke« 4. Auflage. Jena 1905. 
G. Fischer. 

Das wohlbekannte Büchlein des Verfassers 
liegt bereits in der vierten Auflage vor. Die 
schnelle Verbreitung, die das Werk in kurzer 
Zeit gefunden hat, ist zweifellos auf die äußerst 
glückliche Vereinigung allgemeiner und diäte¬ 
tischer Vorschriften und die Vermeidung einer 
bloßen Aneinanderreihung von Kochrezepten 
zurückzuführen. Bei der immer mehr steigenden 
Wertschätzung, welcher sich gerade die Diätetik 
in den weitesten Kreisen zu erfreuen hat, ist ein 
zuverlässiger Führer, wie ihn das Wege lösche 
Buch darstellt, zumal er in faßlicher und hand¬ 
licher Form alles Wissenswerte birgt, für jeden 
Praktiker von größtem Wert. Bei dem ge¬ 
ringen Preise verdient die gediegene Aus¬ 
stattung des Buches hervorgehoben zu werden. 

Freyhan (Berlin). 

Gilbert, Praktische Winke für die Diabetes- 
Küche« 2. Auflage. Berlin 1905. Medizin. 
Verlag. 

Das Büchlein Gilberts hat in den Kreisen 
der praktischen Ärzte, für die es bestimmt ist, 
so rasch zahlreiche Freunde gefunden, daß nach 


kaum zwei Jahren eine neue Auflage nötig 
geworden ist. Beim Diabetes ist es für die 
Praktiker noch mehr als bei jeder anderen 
Krankheit unerläßlich, eine genaue Kenntnis 
der Nahrungsmittel, ihres Wertes und ihrer 
Zubereitung zu besitzen, um ihren Kranken 
die Wohltat einer zweckmäßigen und ab¬ 
wechslungsreichen Kost gewähren zu können. 
Das Büchlein Gilberts ist durchaus verläßlich 
und kann dringend zur fleißigen Benutzung 
empfohlen werden. Freyhan (Berlin). 

W. v. Leube, Zur Frage der physiologischen 
Albuminurie« Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 3. 

Leube steht auf dem von jeher vertretenen 
Standpunkt, daß die physiologische Albuminurie 
auf einer besonderen Disposition zum Durch¬ 
tritt von Eiweiß in den Harn beruhe, die sich 
in einer angeborenen größeren Durchlässigkeit 
der Glanerulusmembran bei gewissen Individuen 
kennzeichne. Diese Durchlässigkeit ist bald 
eine absolute, bald nur eine relative. Letztere 
liegt der gewöhnlichen Form der physiologischen 
Albuminurie zugrunde und gibt sich dadurch 
kund, daß hier die natürliche Beschaffenheit 
der Filtrationsmembran für gewöhnlich aus* 
reicht, den Übertritt des Bluteiweißes so zu ver¬ 
hindern, daß der Urin bei Anwendung der ub- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


645 


liehen Eiweißreagentien albuminfrei erscheint. 
Sobald aber gewisse, in den Rahmen des 
physiologischen Verhaltens fallende Faktoren 
(Änderungen in der Blutvertoilung, nervöse 
Einflüsse, ermüdende Muskelbcwegungen und 
ähnliches) einwirken, macht sich die angeborene, 
relativ größere Porosität der Gefäßmembran 
geltend und tritt Eiweiß in den Urin über. 
Abgesehen von der Pubertätsalbuminurie, die 
als Entwicklungskrankheit im Sinne einer 
schlechten Beschaffenheit des Blutes und eines 
leichten Grades von Herzinsuffizienz anzusehen 
ist, ist für das Zustandekommen der physio¬ 
logischen Albuminurie die Annahme einer 
relativen Undichtigkeit des Nierenfilters nicht 
zu umgehen. Dafür spricht unter anderem auch, 
daß in gewissen Familien diese physiologische 
Albuminurie bei mehreren Mitgliedern zu beob¬ 
achten war, ferner daß bei Herzkranken mit 
ausgesprochenen Stauungssymptomen trotz aus¬ 
gesprochener Stauungelober der Urin oft lange 
Zeit eiweißfrei bleibt, und daß die Eiwei߬ 
ausscheidung im Urin bei einzelnen Menschen 
trotz effektiver Stauung in den Nieren völlig 
ausbleiben kann. Dies ist nur dadurch erklärbar, 
daß hier die Stauung Nieren betraf, die durch 
ein besonders dichtes Filter ausgezeichnet waren, 
das auch stärkere Grade der Stauung aushält, 
ohne darauf mit Albuminurie zu reagieren, 
während ein relativ undichtes Filter schon bei 
den leichtesten Graden von Stauung das Eiweiß 
zu retinieren nicht imstande ist. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

ۥ von Noorden, Die Behandlung der Fett 
leibigkeit. Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 19. 

Hochgradige Fettleibigkeit ist fast aus¬ 
nahmslos eine Indikation für Entfettungskur; 
mittlere Grade der Fettleibigkeit sind die 
häufigsten und zugleich dankbarsten Fälle der 
Behandlung, geringe Grade erheischen bei 
gesunden Individuen nur dann hemmende Ma߬ 
regeln, wenn die Korpulenz stetig zunimmt. 
Krankheiten der verschiedensten Art können 
jedoch da, wo man sonst den Dingen ihren 
Lauf lassen würde, die Einleitung von ein¬ 
schränkenden Maßnahmen notwendig machen, 
nämlich Erkrankungen der Zirkulationsorgane, 
chronische Erkrankungen der Atmungsorgane, 
chronische Schrumpfniere, chronischer Gelenk¬ 
rheumatismus, intertriginöse Ekzeme, manche 
Formen von Neuralgien. Die Behandlung der 
Fettleibigkeit besteht entsprechend der Tat¬ 


sache, daß weitaus die meisten Fälle durch 
unzweckmäßige Lebensweise entstanden sind, 
einmal in Beschränkung der Zufuhr und weiter¬ 
hin in Erhöhung der Abgaben (im wesentlichen 
Muskelarbeit). Die diätetische Behandlung 
besteht vor allem qualitativ in der Entziehung 
von Fett und Alkohol, während die Eiwei߬ 
zufuhr in der Norm bestehen bleibt, quantitativ 
in der Normierung eines Kostregime gemäß 
folgender Skala: Erster Grad: die Diät enthält 
etwa vier Fünftel des gewöhnlichen Bedarfs, 
also etwa 2000 Kalorien; zweiter Grad: drei 
Fünftel des gewöhnlichen Bedarfs, also etwa 
1500 Kalorien; dritter Grad: weniger als drei 
Fünftel und mehr als zwei Fünftel, also zwischen 
1000 und 1500 Kalorien. Selbstverständlich 
müssen diese Grade von Fall zu Fall gewählt 
werden; der zweite wird der am meisten vor¬ 
zuziehende sein. Das vorgeschlagene Hilfs¬ 
mittel der starken Verteilung der Nahrung über 
den Tag ist durchaus irrelevant; die Wasser¬ 
entziehung kann indirekt durch entstehende 
Appetitlosigkeit die Nahrungsaufnahme herab¬ 
setzen. Als zweite prinzipielle Maßnahme ist 
die Erhöhung des Energieumsatzes durch Muskel¬ 
arbeit einzuschlagen. Es gehört dazu eine etwa 
dreistündige Stoigarbeit auf Wegen von 10% 
Steigungswinkel. Die Muskelarbeit, im wesent¬ 
lichen auf Kosten stickstofffreier Substanz sich 
vollziehend, ist das sicherste Mittel zur Er¬ 
höhung der Fettverbrennung; sie ist unschätzbar 
zur Verhütung der Fettleibigkeit und zu ihrer 
Beseitigung, vorausgesetzt, daß die erzielten 
Verluste nicht durch gesteigerte Nahrungs¬ 
zufuhr überkompensiert werden. Unter allen 
Formen der Muskelarbeit ist die Steigarbeit 
die beste und am feinsten abstufbare; bei Rad¬ 
fahren ist Vorsicht geboten; Reiten leistet sehr 
wenig; Heilgymnastik und Massage haben eben¬ 
falls wenig Zweck; das gleiche gilt von Schwitz¬ 
kuren (Dampf-, Lichtbädern etc.), sowie von der 
klimatischen Behandlung (Höhen- und See¬ 
klima). Bei Badekuren in Karlsbad, Kissingen, 
Marienbad etc. etc. sind positive Erfolge zweifel¬ 
los, doch sind die Vorstellungen, worauf ihre 
Wirkung beruht, falsch. Denn auf das Brunnen¬ 
trinken fällt nur der kleinste Teil der Wirkung 
des Erfolges. Selbst bei reichlichstem Genuß 
salinischer Salz- oder Bitterwasser und bei 
intensivster Wirkung auf den Darm wird der 
Energieumsatz nur auf zwei bis drei Stunden 
um wenige Prozent (ca. 5—12%) in die Höhe 
getrieben. Die Wanderung allein, die der 
Brunnentrinker zwischen Becher und Frühstück 
einschaltet, sowie der Tätigkeitsdrang den 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


ganzen Tag über in dem mehr oder minder 
gebirgigen Gelände steigern den Stoffverbrauch 
um ein Vielfaches. Dazu kommt eine gewisse 
Fettspamis in der Kost, so daß die beiden 
mächtigsten Faktoren, die der Fettsucht ent¬ 
gegenarbeiten: Nahrungsbeschränkung und 
Muskelarbeit, auch hier zu gemeinsamer, tief 
einschneidender Wirkung zusammentreten. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 


H.Elsner, Über die Indikationen und Kontra- 
Indikationen der Anwendung von Eisen¬ 
präparaten bei Magenkrankheiten. Therapie 
der Gegenwart 1905. Juniheft. 

Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen: 

1. Dyspeptische Erscheinungen sind an sich 
keine Kontraindikation gegen die Anwendung 
eines Eisenpräparats. 

2. Bei Vorhandensein dyspeptischer Be¬ 
schwerden hat der Anwendung eines Eisen¬ 
präparats in jedem Falle die funktionelle Unter¬ 
suchung des Magens voranzugehen. 

3. Kontraindiziert ist die Anwendung eines 
Eisenpräparats 

a) bei organischen Erkrankungen des 
Magens, 

b) bei Hyperazidität und Hypersekretion, 

c) wenn vorhandene dyspeptische Be¬ 
schwerden bei Eisengebrauch eine 
Steigerung erfahren. 

4. Das Perdynamin wird bei funktionellen 
Magenerkrankungen in der großen Mehrzahl 
der Fälle gut vertragen; im besonderen erscheint 
es für Fälle von sekretorischer Insuffizienz 
geeignet, da es imstande ist, die Magensaft¬ 
sekretion anzuregen. 

Es wäre zu wünschen, daß die Anregung 
des Verfassers, analoge Untersuchungen mit an¬ 
deren Eisenpräparaten anzustellen, zu baldigen 
entsprechenden Mitteilungen führen würde. Be¬ 
sonders die Direktoren medizinischer Kliniken 
oder Abteilungen, die ja so oft um Themata 
zu Dissertationen angegangen werden, seien 
darauf aufmerksam gemacht, daß das Odium, 
in dem die modernen medizinischen Disser¬ 
tationen mit einem gewissen Recht stehen, sich 
sehr leicht in das Gegenteil kehren kann, wenn 
nur erst einmal allgemein in den Doktorarbeiten 
neben den „Doktorfragen“ auch etwas mehr 
die Interessen der Praktiker zur Geltung 
kommen. Praktische Themata den zukünftigen 
Praktikern! Fritz Loeb (München). 


1 H. Nothnagel, Zur Pathogenese der Kolik. 

Archiv für Verdauungskrankheiten 1905. B<L 11. 

Heft 2. 

Mehrere Publikationen der letzten Jahre, 
die sich mit der Frage der Kolik beschäftigen, 
gaben Nothnagel Veranlassung, sich über 
dieses Thema zu äußern. Nach seinem Urteil 
kann und muß die uralte Bezeichnung Kolik 
als eine bezüglich ihrer Pathogenese und meist 
auch ihres klinischen Bildes besondere Art 
des Darmschmerzes festgehalten werden. Der 
Schmerz entsteht im Darm selbst; der primäre 
| Faktor bei seiner Entstehung ist eine tetanische 
Kontraktur der Darmmuskulatur, wodurch es 
zu einer Ischämie respektive Anämie der Darm¬ 
wand kommt. Die Anämie bildet den adäquaten 
Reiz, durch welchen die für äußere (mecha¬ 
nische, thermische) Reize unerregbaren sensiblen 
Nerven des Darmes in Erregung versetzt und 
damit die Schmerzanfälle ausgelöst werden. 
Nach den Ausführungen Nothnagels trifft 
diese Auffassung auch für die „Blasenkolik“ zo; 
inwieweit sie auch auf die Pathogenese von 
i Kolikschmerzen in anderen, mit glatter Musku¬ 
latur versehenen Organen übertragbar ist, er¬ 
örtert Verfasser nicht. 

Fritz Loeb (München). 


Friedjung und Hecht, Über Kataljse und 

Fermentwirkungen der Milch. II. Teil. 

Archiv für Kinderheilkunde Bd. 37. Heft 5/6. 

In der vorliegenden Arbeit, einer Ergänzung 
der im Archiv für Kinderheilkunde Bd. 37, 
Heft 3/4 erschienenen und in dieser Zeitschrift, 
Bd. IX, Heft 10 referierten Publikation beschäf¬ 
tigen sich die Verfasser mit der Frage, wie weit 
die Katalyseometrie einer bestimmten Frauen¬ 
milch sich für die praktische Beurteilung ihres 
Wertes als Säuglingsnahrung heranziehen läßt. 
Sie prüften das Spaltungsvermögen quantitativ 
mittelst des klinischen Katalyseometers und 
nahmen vielfach auch Bestimmungen der Oxy- 
dasen und des salolspaltenden Ferments sowie 
mikroskopische Untersuchungen der Milchproben 
auf ihren Gehalt an Milchkügelchen und zelligen 
Elementen vor; in ausführlichen Tabellen sind 
im einzelnen die aus zahlreichen, in Summa 
gegen 2000 Spaltungen gewonnenen Resultate 
niedergelegt, welche auf Kolostrummilchen von 
23 meist im Alter von 20 —25 Jahren befind¬ 
lichen Frauen (147 Spaltungen) und reife Milchen 
von 132 zwischen 18—45 Jahre alten Müttern 
i sich beziehen und bei denen die verschiedensten 


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Referate über Bücher und ‘Aufsätze. 


physiologischen und pathologischen Faktoren 
berücksichtigt sind, wie Ernährungsverhältnisse, 
Konstitution und Alter der Mutter, Zahl der 
Partus, Menstruation, Entwicklung und Be¬ 
schaffenheit der Brüste, Milchreichtum, Milch¬ 
stau ting, Erkrankungen der Mutter und des 
Säuglings, bei letzterem speziell Verdauungs¬ 
störungen und konstitutionelle Krankheiten, 
z. B. Rachitis. 

Kolostrum gibt im allgemeinen hohe Werte 
für die Katalyse, in 56,5% der Fälle über 1,0 ccm 
imd unter diesen vereinzelt 5—10 und mehr 
Kubikzentimeter; äußerlich schon stark gelb 
gefärbte, unter dem Mikroskop zellenreiche, 
oxydasenreiche Milch, also solche, deren kolo- 
strale Charaktere besonders deutlich ausgeprägt 
sind, spaltet meist besonders intensiv. Das Alter 
der Mutter, Zahl der Partus und Beschaffenheit 
der Brüste zeigten für das Kolostrum keine 
erkennbaren Beziehungen zur Spaltungsgröße. 

Mit dem Reifen der Milch, das oft schon 
in der ersten Woche post partum erfolgt, sinkt 
die katalytische Funktion rascher oder lang¬ 
samer, um dann, unabhängig von der seit dem 
Partus verstrichenen Zeit, eine gewisse Kon¬ 
stanz — bei gesunden Frauen im Mittel 0,5 ccm 
— einzuhalten. Altere, jenseits des 35. Lebens¬ 
jahres stehende Frauen liefern höher spaltende 
Milch als jugendliche; schlecht genährte Mütter 
haben oft hoch spaltende, gut genährte viel¬ 
fach sehr niedrig spaltende Milch. Die Milch 
aus schlechten, milcharmen Brüsten zeigt meist 
starke, solche aus guten, milchreichen Brüsten 
schwache Katalyse. Die Zahl der Partus ist 
an sich nicht von bestimmendem Einfluß auf 
die Größe der Katalyse, gewisse Unterschiede 
in den Spaltungswerten der Milch von Primi- 
paren und Multiparen erklären sich dadurch, 
daß erstere meist jünger und besser genährt 
sind. Während der Menstruation bleibt die 
Spaltungsgröße der Milch im allgemeinen un¬ 
verändert und zeigt eine Steigerung nur, wenn 
gleichzeitig eine reichliche Zunahme der zeitigen 
Elemente nachweisbar ist. 

Im Laufe des Trinkaktes ändert sich die 
katalytische Funktion, da ein großer Teil der¬ 
selben vom Fettgehalt der Milch abhängig resp. 
an die Fettkügelchen gebunden ist, derart, daß 
der letzte fettreichste Anteil der Mahlzeit stärker 
als der erste wässerige spaltet. Stauung der 
Milch in der Brust wirkt in der Weise, daß 
die unmittelbar nach der Saugung des Kindes 
ziemlich starke, katalytische Funktion durch 
etwa 6 Stunden der Milchsaramlung immer mehr 
sinkt, um dann bei länger fortgesetzter Stauung, 


647 


sei es infolge von Wasserabsorption, sei es 
infolge Zellauswanderung oder anderer noch 
unbekannter Faktoren wieder anzusteigen. Da, 
von den Nachtpausen und vom Allaitement 
mixte abgesehen, der Säugling gewöhnlich alle 
3 Stunden an der Brust trinkt und zwar ab¬ 
wechselnd aus der rechten und linken Seite, 
so pausiert in der Regel jede Brust grade 
6 Stunden und es erhält somit das Kind eine 
Milch, deren erste Portion schwach spaltet und 
deren Reichtum an katalytischen Substanzen 
bis zum Schluß der Mahlzeit allmählich mehr 
und mehr zunimmt 

Für die in der Milchreifung bestehenden, 
großen individuellen Unterschiede ist von ent¬ 
scheidender Bedeutung die von dem Säugling 
besorgte Nahrungsentnahme und die von der 
Dauer der Nahrungspausen beeinflußte Stauung 
der Milch. Kolostrummilch ist Stauungsmilch; 
dauert post partum die Stauung aus irgend¬ 
welchen Gründen an oder tritt sie vorüber¬ 
gehend wieder auf, so äußert sich dies in der 
Persistenz resp. dem Wiederauftreten der kolo¬ 
ssalen Charaktere der Milch, und zwar nicht 
bloß in Steigerung der katalytischen Funktion, 
sondern auch in intensiver Gelbfärbung, großem 
Zellenreichtum und Oxydasenreichtum. 

Bei chronischen Krankheiten der Mutter 
(Tuberkulose, Lues) Anden sich, wohl, weil die 
betreffenden Frauen meist schlechte, milch¬ 
arme Brüste haben, häuflg höhere Spaltungs¬ 
werte; akute fleberhafte Erkrankungen (In¬ 
fluenza) und Mastitis bewirken, letztere infolge 
des großen Zellgchalts der Milch, vorübergehend 
eine bedeutende Steigerung der Katalyse. Da¬ 
gegen konnte für chronische Dyspepsie und 
schlechtes Gedeihen von Kindern scheinbar 
gesunder Mütter sowie für die Entstehung von 
Rachitis weder eine zu starke noch eine zu 
schwache katalytische Funktion der Frauen¬ 
milch verantwortlich gemacht werden. 

Obwohl das seitens der Verfasser am Schluß 
der Arbeit abgegebene Resümee lautet, daß das 
Maß der Katalyse nicht als sicheres Maß der 
Güte einer Milch und ihrer Zuträglichkeit gelten 
kann, halten sie doch im allgemeinen die 
schwachspaltenden Milchen für die guten. Es 
würde also unter gleichen Umständen die 
schwache Spaltung zugunsten einer Amme 
sprechen; bei der ersten Untersuchung einer 
Amme erwecken hohe Spaltungswerte bei prall 
gefüllter Brust den Verdacht einer zum Zwecke 
der Täuschung herbeigeführten künstlichen 
Milchstauung. Die von den Verfassern unter¬ 
suchten verschiedenen Milcharten ergeben, nach 


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648 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


der Größe ihrer katalytischen Funktion geordnet, 
folgende Reihe: Frauen-, Stuten-, Kuhmilch; 
die letztere, die für die künstliche Ernährung 
allein in Frage kommt, besitzt meist ein nur 
minimales, jedoch für das ungestörte Gedeihen 
des Säuglings anscheinend ausreichendes 
Spaltungsvermögen. Da (wie in der früheren 
Arbeit erwähnt) durch Sterilisierung und auch 
schon durch Pasteurisierung der Milch die kata¬ 
lytische Funktion zerstört wird, wäre auf Grund 
der Katalyseometrie steril gewonnene und steril 
gehaltene, rohe Kuhmilch als die beste künst¬ 
liche Säuglingsnahrung zu empfehlen. 

Hirschei (Berlin). 

Oefele, Grundlagen aus der modernen Ter- 
dauungslehre zur praktischen Verwertung 
der Koprologie. Wiener kl. Wochenschrift 
1905. Nr. 2. 

Die biologische Präzipitinmethode hat durch 
die Möglichkeit einzelne Eiweiße zu kenn¬ 
zeichnen, neue Einblicke in die Verdauungs¬ 
chemie gebracht und Kotanalysen sollen nach 
von Oefele imstande sein, die Ergebnisse 
dieser Methode im Verdauungskanal nach¬ 
zuprüfen. ln demselben werden Zucker, Albu- 
mosen und frei Fettsäuren gebildet. Die falsche 
Vorstellung, alles Eiweiß würde bei der Ver¬ 
dauung peptonisiert, führte nun zur überreich¬ 
lichen Anwendung von Ersatzprodukten des 
genuinen Eiweißes. Große Quantitäten davon 
rufen jedoch bedrohliche Erscheinungen hervor, 
während sich ein anderes Bild ergibt, wenn 
man dieselben mit genuinem Eiweiß vermischt, 
verwendet. Dann kann man auch mit erhöhter 
Zufuhr von Eiweiß die Somatosedarreichung 
steigern. Es ist nur darauf zu achten, daß die 
Somatose nie den Bruchteil des genuinen 
Eiweißes in der Nahrung überschreitet, welcher 
von normalen Verdauungsorganen in Albumosen 
verwandelt wird. Verfasser meint, daß sich 
zwar die organischen Molekülen nicht ohne 
weiteres dissoziieren und wieder vereinigen, 
wie dies bei den anorganischen Molekülen der 
Fall ist, daß aber in der Eiweißgruppe ein 
Wiederaufbau möglich sei. Deshalb sind die 
späteren Dissoziationen der großmolcküligen 
Eiweißverbindungen für unsern Körperbestand 
sehr wichtig, da diese sich bei der Berührung 
mit Wasser nicht lösen, andererseits aber wegen 
dieser Schwerlöslichkeit ihre Aufnahme in 
unseren Säftebestand erschwert wird. Eine 
ganze Kette von Spaltungsprodukten dieser 
hochwertigen Moleküle kann die Rolle der 


Dissoziation übernehmen. Für die Groppe der 
Fette ist dies längst bekannt (Emulsion). Für 
die Eiweißgruppe können außerhalb des Körpers 
Thiosinamin-Karbamid und andereVerbindungen 
der Harn8toffgruppe dissoziierend wirken. Im 
Verdauungskanal mag z. B. die Somatose und 
verwandte Stoffe diese Rolle übernehmen. In 
diesem Haushalt der Zwischenträger können 
nun Störungen vorliegen. Wie man sich das 
Zustandekommen dieser Störungen za denken 
hat, geht aus folgenden Überlegungen hervor: 
Die genuinen Eiweiße zeigen arteigene biolo¬ 
gische Reaktionen, sie sind in den Organismen 
in kolloider Form gelöst, da eine Reihe von 
Abbauprodukten vom komplexen Moleküle 
herab bis zum Wasser die Rolle der freilösenden 
Jonen übernimmt. Schon Albumosen und Pep¬ 
tone weisen nicht mehr die Merkmale der Art¬ 
fremdheit oder Arteigenheit auf, sie sind also 
allen Eiweißgruppen gemeinsame Dissoziations- 
produkte. Die Einführung artfremden Eiweißes 
in die Körpersäfte würde schaden. Der Schutz 
der Verdauungsorgane gegen artfremdes Eiweiß 
ist aber kein absoluter. So kann es bei Über¬ 
ernährung mit großen Mengen Eicreiweißes im 
Körper zur Präzipitinreaktion für dieses Eiweiß 
kommen; deshalb muß der Magendarmkml 
die ganze Assimilationsarbeit leisten. Zunächst 
hat eine Koagulation des artfremden Eiweißes 
einzutreten. Dann setzen die Abbauprodukte 
vermittelnd ein, ebenso wie bei der Aus¬ 
scheidung in den Darmkanal. Auch die che¬ 
mische Arbeit des Aufschließens hochwertiger 
Moleküle übernimmt der Verdauungskanal. Für 
ihre Lösung kommt lediglich eine Doppelreihe 
von Jonen in Betracht. Es finden sich in jeder 
Nahrungsgruppe Stoffe von kleinem, moleku¬ 
larem Umfang, die wasserlöslich sind, so die 
flüchtigen Fettsäuren, die echten Zuckerarten, 
die Peptone und die Glyzerophosphate. Zu¬ 
gehörige kompliziertere Moleküle, welche da¬ 
durch in wasserlösliche Stoffe umgewandelt 
werden können, sind die bekannteren Fette, die 
Stärke, hartgesottenes Eiweiß und Lecithin. 
Noch weitere Vergrößerung der Moleküle er¬ 
gibt: Wachsfasem, Holzarten, Albumoide uaw. 
Die Grenzen dieser Gruppierungen werden in 
praktischer Hinsicht durch alle nur denkbaren 
Übergänge verwaschen. Für jede größere Tier* 
gruppe findet sich nun bei diesen Unterarten 
der Nahrung ein Grenzpunkt, bei dem die Ver¬ 
daulichkeit aufhört. Aus diesem Grunde ist 
da der normale Organismus nur Nahrungs- 
Produkte mit größeren Mengen ausnutzbarer 
Stoffe aufnimmt, die Zusammensetzung der 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


649 


Fäces, soweit überhaupt verdauliche Produkte 
genossen werden, einheitlich und von der ge¬ 
nossenen Nahrung unabhängig. Die Mittel zum 
Aufschluß sind die alkalisch reagierenden 
Körpersäfte und einzelne sauer reagierende 
Flüssigkeiten. Manche Verdauungsarbeiten sind 
nicht an eine der 3 Verdauungssäfte im Mund, 
Magen oder Darm geknüpft, sondern nur durch 
systematische Aufeinanderfolge oder sogar 
Wiederholung der 3 Reaktionen lösbar, be¬ 
sonders für Stoffe mit umfangreichem Molekül; 
deshalb geht auch Muskelfaserverschleuderung 
ira Kot mit gleichzeitiger Stärkeverschleuderung 
einher. Ebenso wichtig wie die bisher wesent¬ 
lich betonte Wirkung der einzelnen Encyme 
ist also die gegenseitige Mitarbeit der Ver¬ 
dauungssäfte. Es tritt im Verdauungskanal 
eine weitgehende Arbeitsteilung in Kraft durch 
Wechsel weises Auftreten von Körperausscheidun¬ 
gen und Aufsaugung von brauchbaren Stoffen. 

Inwieweit der Verfasser praktisch mittelst 
der Kropologie Störungen auf diesem Gebiet 
der theoretisch analysierten Verdauungsarbeit 
beikommen kann, ist in der vorliegenden Arbeit 
nicht erörtert van Oordt (St. Blasien). 

W. Gilman Thompson, Problems in 
dletetlcs. Medical Record 1904.10. Dezember. 

Die Bestimmung der für den einzelnen Fall 
passenden Ernährungsweise wird nicht selten 
durch das gleichzeitige Vorhandensein zweier 
Krankheitszuständo, die der Regel nach gerade 
entgegengesetzte Regimes erfordern würden, 
in eigentümlicher Weise erschwert. Nach 
einem Hinweise auf dieses und einige andere 
Probleme der Diätetik gibt der Verfasser eine 
kurze Übersicht über die Grundsätze, die er sich 
an der Hand seiner praktischen Erfahrungen 
für die diätetische Behandlung solcher krank¬ 
hafter Zustände gebildet hat, welche dem Arzte 
bei der Feststellung einer rationellen Ernährungs¬ 
form besonders schwierige Aufgaben zu stellen 
pflegen. — So warnt er zunächst vor einer all¬ 
zulangen Ausdehnung der Milchdiät beim Ab¬ 
dominaltyphus. Meist gibt er breiige Kost, 
weiche Eier u. dgl. schon vom Tage der Ent¬ 
fieberung an, empfiehlt aber in Fällen, wo die 
Milch schlecht vertragen wird, einen solchen 
Versuch mit solider Diät schon vor dem 
Temperaturabfall zu wagen, überhaupt das Ther¬ 
mometer nicht zu einseitig zur Richtschnur der 
Ernährung zu machen. Arthritis deformans i 
indiziert am ehesten eine roborierende Diät 
Oft wird durch unbegründete Beschränkungen 


Schwächung erzeugt, am besten gedeihen die 
Patienten gewöhnlich bei voller animalischer 
Kost mit genügender Heranziehung von Fetten. 
Auch bei den verschiedenen Formen von 
Nephritis findet man oft Anlaß, vom üblichen 
Schema abzuweichen: 1. Fälle mit geringer, 
oft nur zufällig entdeckter Albuminurie, die 
sonst keine Krankheitssymptome darbieten, 
bleiben häufig am leistungsfähigsten bei nur 
ganz mäßigen Beschränkungen (nicht zu viel 
rotes Fleisch), die höchstens bei Verschlimme¬ 
rungen durch Einschaltung vierzehntägiger 
strengerer Perioden ersetzt werden. 2. Auch 
das Vorhandensein großer Schwäche und 
Anämie, zuweilen zum Teil die Folge zu lange 
fortgesetzter Milchdiät, gibt Anlaß zu Wieder¬ 
einführung kräftigerer und weniger ängstlicher 
Ernährungsformen (Fleisch etc.). 3. Wo Ne¬ 
phritis sich mit anderen Leiden, z. B. Diabetes, 
kompliziert, die ein verschiedenes diätetisches 
Regime anzeigen, wird >man in erster Linie 
diejenige Affektion berücksichtigen, durch die 
das Leben zurzeit am meisten bedroht erscheint 
— In der Ernährung der Diabetiker ver¬ 
zichtet der Verfasser auf Grund schlechter Er¬ 
fahrung ganz auf die Glutensurrogate, gestattet 
dafür lieber genau kontrollierte Mengen ge¬ 
rösteter Brot- und Kartoffelschcibchen. Die 
Surrogate fand er fast durchgehende unzuver¬ 
lässig. Die übrigen Regeln entsprechen den 
auch sonst üblichen. Bei den als Lithämie 
bezeichneten, schwer definierbaren Konstitutions¬ 
anomalien, deren klinisches Bild kurz skizziert 
wird, empfiehlt sich außer der Regelung der 
gesamten Lebensweise die Einführung von 
Perioden vegetarianischer Diät mit gleich- 
1 zeitigem, reichlichem Wassergenuß. Ähnliches 
gilt für die Arteriosklerose, doch ist hier 
oft Wasserbeschränkung geboten. Mit letzterer 
muß man bei gleichzeitig vorhandener Nephritis 
vorsichtig sein. In der Diätetik der Gicht 
spielt die Einschränkung der gesamten Er¬ 
nährung nach Ansicht des Verfassers eine viel 
wichtigere Rolle als die vielen Einzelverbote. 
Ferner ist die Vermehrung der Flüssigkeits¬ 
zufuhr von Bedeutung. Der Rheumatismus 
gestattet noch nicht die Aufstellung rationell 
begründeter Diätvorschriften. Die Leiden des 
Verdauungstraktus hat der Verfasser absichtlich 
nicht in den Bereich seiner Erörterungen ge¬ 
zogen, er warnt nur am Schlüsse davor, die 
Resultate einzelner Funktionsprüfungen gleich 
zu diätetischen Folgerungen zu verwerten. 

Böttcher (Wiesbaden). 


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650 Referate über Bücher und Aufsätze. 


B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

N. Zuntz, A. Loewjr, F. Müller und 
W. Gaspari, Höhenklima und Bergwande¬ 
rungen in ihrer Wirkung auf den Menschen« 

Ergebnisse experimenteller Forschungen im 
Hochgebirge und Laboratorium. Berlin 1906. 
Deutsches Verlagshaus Bong & Co. 

Die Verfasser führen am Eingänge ihres 
großen Werkes aus, wie die gesteigerte In¬ 
anspruchnahme des Gebirgsaufenthaltes für 
hygienisch-sanitäre Zwecke es notwendig 
macht, „die Einwirkung des Hoehgehirgsklimas 
und des Bergsteigens auf den menschlichen 
Organismus einer eingehenden wissenschaft¬ 
lichen Analyse zu unterziehen, um nicht allein 
auf die Empirie angewiesen zu sein, sondern 
im voraus bestimmen zu können, in welcher 
Weise der Gesunde die zweckmäßigste nnd 
richtigste Ausnutzung der hygienischen Faktoren 
des Hochgebirges finden und der Kranke seiner 
Genesung die besten Dienste leisten kann.“ 

Das I. Kapitel bringt einen interessanten 
Überblick über die historische Entwicklung der 
Alpenbesteigungen mit zahlreichen kultur¬ 
geschichtlichen Seitenblicken. 

In sehr fesselnder Weise bringt dann das 
zweite Kapitel eine Darstellung der Eigen¬ 
schaften des Höhenklimas, welche in folgenden 
zusammen fassenden Schlußsätzen gipfelt: „Das 
Höhenklima zeichnet sich aus: durch vermin¬ 
derten Luftdruck und dementsprechende Sauer¬ 
stoffverarmung, durch niedrige Lufttempera¬ 
turen, durch intensive und langdauemde Wärme- 
und Lichtstrahlung seitens der Sonne, durch 
jähe Wechsel im Wasserdampfgehalt der Luft 
mit Vorwiegen großer Trockenheit. 

Die Luftbewegung ist stark — es bilden 
sich vielfach lokale Winde und eigentümliche 
Modifikationen der allgemeinen Luftströmungen. 
Die Verdunstung geht energisch vor sich. — 
Die Höhenluft ist rein, klar, enthält wenig 
Staub und organische Keime. Ihr Ozongehalt 
ist höher als im Tieflande. 

Gewitter sind in den Bergen im allge¬ 
meinen nicht häufiger als in der Ebene, doch 
ist die Blitzgefahr auf Bergspitzen eine ge¬ 
steigerte. 

Das elektrische Potcntialgefälle ist auf den 
Bergen erhöht. Die Ionisation der Luft wächst 
mit der Höhe, und cs herrscht besonders-auf 
Bergspitzen oine ausgesprochene unipolare Leit¬ 


fähigkeit, infolge des Überwiegens der posi¬ 
tiven Ionen. 

Wie weit die erhöhte Ionisation der Luft 
im Gebirge auf eine radioaktive Emanation 
zurückzuführen ist, ist zurzeit noch nicht ge¬ 
nügend geklärt.“ 

Ganz besonders lehrreich ist die Darstellung 
über das Potentialgefäll in höheren Regionen. 
Die Autoren haben auch hierüber mittelst des 
Elster-Geitelschen Apparates eigne Unter¬ 
suchungen angestellt. 

Im III. Kapitel werden die leitenden Ge¬ 
sichtspunkte für die vorzunehmenden Unter¬ 
suchungen erörtert: der Untersuchungsplan wird 
in großen Zügen vorgefiihrt und aus den in 
Frage stehenden physiologischen Problemen 
und den vorhandenen wissenschaftlichen Grund¬ 
lagen unter Berücksichtigung der Methoden 
entwickelt. 

Die hier gegebene populär-wissenschaft¬ 
liche Darstellung ist meisterhaft, so daß jeder 
gebildete Laie dem größten Teile der Erörte¬ 
rungen zu folgen imstande sein wird. 

Kapitel IV: „Unsere Expedition.“ Di* 
Persönlichkeiten (Waldenburg, Ko lm er 
Caspari, Müller, A. Loewy und Zur :ti 
selbst) werden uns vorgestellt, die vor¬ 
bereitenden Versuche, welche schon im 
Dezember 1900 begannen, die Organisation. 
Reise und Arbeitseinteilung der Expedition 
werden geschildert. Wir gewinnen einen 
Einblick, mit welchen Schwierigkeiten die Ver¬ 
suche zu kämpfen hatten und mit welcher Vor¬ 
aussicht und Sorgfalt diese überwunden würden. 
Die Nahrung für sechs Wochen, in genau ab¬ 
gewogenen Portionen, wurde von Berlin mit¬ 
genommen. Die Schwierigkeit, eine stets gleich¬ 
mäßige. viele Wochen haltbare Fleischspeise in 
gleichen Portionen mitzuführen, wurde in der 
Weise behoben, daß je zwei Portionen Schabe¬ 
fleisch von 125 g mit einer bestimmten Menge 
Butter angebraten und so fertiggestellt wurden, 
daß sie in Büchsen später nur noch angewännt 
zu w erden brauchten (Pastetenfabrik von Michel 
und Co. in Straßburg). Außer diesen Beefsteak- 
Konserven nahmen die sechs Teilnehmer in der 
Zeit vom 5. August bis 9. September keine 
andere Fleischnahrung zu sich. Außer den 
Lebensmitteln, Apparaten, Laboratorinnisiiten- 
silien, Wagen und sonstigen Ausriistungsgegen 
ständen wurden nicht weniger als 200 >er 
schlußfiascben und 30 Büchsen zur Aufbewah¬ 
rung von Harn und Kot, welcher später in 
Berlin analysiert wurde, mitgenommen. Die 
Versuche geschahen zuerst am Brienzer Rot* 


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651 


liorn, weiterhin auf dem Monte Rosa. Sehr 
interessant ist das Leben der Expeditionsmit¬ 
glieder geschildert; bei streng vorgeschriebener 
Kost wurden wie im Laboratorium Stoffwechsel- 
beobachtungen unter den verschiedensten Be¬ 
dingungen, in Ruhe, im Marschieren, im Steigen, 
unten in Brienz, oben auf dem Rothorn ange¬ 
stellt. Durchweg stieß die Expedition bei 
Behörden und in Hotels auf das größte Ent¬ 
gegenkommen. Trotzdem ergaben sich nicht 
wenig Schwierigkeiten, die in humorvoller 
Weise erzählt werden. Auch an poetischen 
Zügen fehlt es nicht. Man lese nur die 
Schilderung des Blickes vom Monte Rosa-Gipfel 
S. 145\ und man wird zugeben, daß es mög¬ 
lich ist, Stoffwechselversuche zu machen und 
zugleich poetisch zu empfinden und packend 
zu schildern. Treffliche Abbildungen, z. B. das 
in seiner Art einzige Panorama vom Monte 
Rosa, erhöhen den ästhetischen Genuß, 'welchen 
auch derjenige reichlich finden wird, der das 
Buch nurals wissenschaftliche Reisebeschreibung 
zn lesen beabsichtigt. Ein Beispiel, wie auch 
der Humor zu seinem Recht kommt: da die 
Gleichförmigkeit und genaue Dosierung der Er¬ 
nährung nicht einen Tag unterbrochen werden 
durfte, so mußte man auf der Reise von Brienz 
zum Monte Rosa-Gebiet genau so leben wie 
bei den Stoffwechselversuchen: „Mit knapper 
Not kamen wir zum Abendzuge der Brünig- 
bahn zurecht, um die 380 kg Gepäck zu ver¬ 
laden. Mit 27 Stück Handgepäck, nach Art 
bejahrter Damen ausgerüstet, erreichten wdr 
Luzern. War es im Luzerner Gasthof weniger 
aufgefallen, daß die spät angekommenen Gäste 
keine Speisen mehr einnahmen, so benützten 
w’ir, nra allzu großes Erstaunen der Mitreisen¬ 
den zu vermeiden, während der Weiterreise das 
Dunkel des Gotthardtunncls, um den in Blech¬ 
büchsen verwahrten, in Brienz bereiteten Reis 
und die Beefsteakbüchsen hervorzuholen und 
in der gewohnten exakten Weise zu verzehren. 
Merkwürdig genug sah es trotzdem noch aus, 
wenn wir auf der kleinen im Coup6 auf¬ 
gehängten Schalenwage unsere Kakaorationen 
und den Käse abwogen“ usw. 

Interessant ist die Beschreibung der Berg¬ 
krankheit, von welcher die Forscher auf der 
Regina Marghuerita-Hüttc (auf dem Gipfel der 
Gnifetti-Spitze) befallen wurden. „Atemnot 
beim Sprechen, Frostgefühl, geistige Trägheit, 
heftige ncuralgieartige Kopfschmerzen, ein Ge¬ 
fühl von Mattigkeit und Zerschlagensein in 
allen Gliedern, vollkommene Appetitlosigkeit 
und Widerwillen gegen Speisen, ja Ekelgefühl 


wechselten in individuell sehr verschiedener 
Kombination und gesellten sich zu der immer 
stärker werdenden Beklemmung, die sich noch 
steigerte, wenn irgendwelche noch so geringe 
Bewegung ausgeführt wurde, und namentlich 
das Bücken ganz unerträglich machte.“ „Die 
Nacht war furchtbar. Niemand schlief. Draußen 
heulte der Sturm und die Kälte war unerträg¬ 
lich. Sie quälte uns sogar zeitweise mehr als 
der Lufthunger. Wer es nicht erlebt hat, bei 
einer Temperatur von —4° bis —7° stille liegen 
zu müssen, da jede Bewegung das Unbehagen 
steigert, kann sich von der Situation keinen 
Begriff machen!“ Im Laufe des zweiten Tages 
besserten sich langsam die Symptome der Berg¬ 
krankheit. 

Wie am Brienzer Rothorn gleichzeitig eine 
Gruppe unten in Brienz (500 m), die andere 
auf dem Rothorn (2150 m) arbeitete, so fand 
auch auf dem Monte Rosa eine Teilung statt, 
indem die Untersuchungen gleichzeitig auf dem 
Gol d’Olen (2900 m) und in der Capanna Regina 
Marghuerita (4560 m) ausgeführt w'urden. 

Von größtem Interesse ist die Schilderung 
des Lebens und wissenschaftlichen Arbeitens 
in dieser Höhe. An einem Nachmittage betrug 
die Temperatur an der Schattenseite der Hütte 
—10°, an der Sonnenseite -f- 54° C„ so daß 
die Kupfcrverkleidung der Hütte brennend heiß 
wurde. Die Lufttemperatur in den ungeheizten 
Räumen stieg nicht über -|- 2 bis 3°, in der Nacht 
blieb es etwa —4°. All diese Temperatur¬ 
schwankungen haben ebenso wie die plötz¬ 
lichen Wetterumschläge keinem der Teilnehmer 
geschadet. 

Kapitel V wendet sich der strengen Wissen¬ 
schaft zu; die Untersuchungsmethoden werden 
beschrieben. 

Die Ernährung bestand in folgenden mit¬ 
genommenen und analysierten Speisen: Kakes, 
Schokolade, Orangcnmarmeladc, Fleisch (s. oben), 
Reis, getrocknete Karotten, Schoten, Spinat, 
Zucker, hierzu Butter und Käse, von welchen 
Proben entnommen, mit Chloroform konserviert 
und später in Berlin analysiert wurden. Die 
Untersuchung der Ausscheidungen geschah in 
folgender Art: der Harn wurde quantitativ 
genau gesammelt, gewogen und sein spezifisches 
Gewicht bestimmt. Der Harn jedes Tages kam 
in eine besondere, luftdicht zu verschließende 
Flasche, nachdem ihm gepulvertes Thymol hin¬ 
zugefügt war. In Berlin wmrde später der 
Stickstoffgehalt des Harns nachKjeldahl fest- 
gestellt. Die Darmentleerungen wurden in luft¬ 
dicht schließenden Blechtopfen gesammelt und 


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Referate über Bücher und Aufsätee, 


täglich gfcwögqfc. „Wir .teilten die ganze Dauer 
.Uflisurer fap^b'tfoü. ^«tejtrectamd vw* 

fteW^ilen^n AufenthaUsimeiu in v&r Berioilen 
>uid »ummcUcu äh Entleerungen der eißzelneti 
l’fi&wfti für jede Fe^ud# gqs$m.!ert.* X^r Vcr- 
bittimg dt*r Zmei&ung und . wir. UeBOd^qpÜj^ 
wurdo TTdumfurin -/■ 

Der Sader^tqif^e^^eh und die Kohlen* 
«cänrutdUtog wunief Jin X ü o H 0 epper»se hon 
Apparat io einer sinrirqSqh mudifidWi#» trana- 

f%. M 


portablen Form angeweudet, donvrh daß ’ ä\* 
Yorrkditmig. Wie- ein Tornister wird. 

Die ‘Figur 3'i‘ (Fig. fi S\ Jdü) zeigt den Apparat, 
iin Gebrauch ii$ ^loetii snar^cbferti^cp Teil* 
ne hm e r, Der Reim oicen Aneiupmcter. 

'Zn n iz macht bred dieä-er OeiegeulieH «ÄRtföiJuu'g 
v ou einem '.Acht küMpwäti$0- rraaepöftabieii 
f^Ä^anahyenapiiarat von Dung. dessen nähere 
Beschreibung itii OrigiiUvl nadj.zul(»scuif?u’S. 

Der Stoffwechsel wurde In Sionu 

untersucht, hngi tr der Sdiwvifi aufgefaügcti und 
auf seinen Jf-Gc*ha!t f/estTuum Ferner wurde 
P«j» t Atimingsforai sind Blut)> 6 schaftji?nh^it be¬ 
obachtet; : • *: -V 

Kapitel M )><;>vh;UtD-ct s;10i mit iter Ein- 
wlrkuug ävfi Höhenklimas ml das Blut und 
die blutbndenden Organe, Die Fntge wird 


einer vin£eben&cu lH8t^ri8ch-knti8ch» , r 1 £j- 
Ortenmg welche zu 

gelangt daß daß fD'heuklmia in der Tal einen 
unzwe 4 dentigeti :Ußd nscht geringen Einfluß aul 
die ßtutblTdüng austtbe. Die agaven untei 
den r größten KAutelen angesteilten 

Versuche er &&hm, daß in der Hohe mv 
Stqigarung dfcr Zähl Ü&r rnfwö Blutkörperchen 
8tättf*n/L jediH-b fcfcfrt tu so ge^cümößig^i 
Weise, wie 'M. d$e Änderen t ntersudur 

angqgetHio haben. 

Besondere Aitfiovrksainkeit wurde ni» 
durch -etwaige V*r3ndeni% Mt Biatkoüxen- 
tratktn bedingten Fehler gehenkt UM es ürd 
sich, daß >ih* ' dursidliet»- durd» 

Aufenthalt h der UM? nicht bedingt *iril. 

UiudkKinwi^uitg gifte* iHUg^rcjn Aftfent 
’ tadle« lind die Yerhaitu t £*e ifcU ^ HvUVisa*> 
globins featzaetc.Hcü, v/uftleu itvbt Hunde umer* 
sucht. Außerdem wurden DdtCrgurfuuigea a& 
Knochenmark dieser Tiere angnsielh, «velebfc 
ergaben, daß das Knoehemu^ HGb^ 

gehaltenen Tiere v^witigqnd Mirk, das 

der KuiitroUtierc in Bern vorwiegend -ökiife 
Mark ilarsteltlte* VortrtjflTlkhe farbige Ee* 
pntduktioiien von prUpsrierten Köorhera^* 
schnitten illustrieren diese Vcrbältnb^ Ln* 
ßrhliisse, m - welchen die Autoren 
eiud folgende: Das HdhiWikijtri^ besitzt einte 
ausgesproebeuen Emfluö auf die ttlnthildiiBg 
\Ks steigert sie, indciti m «fes. Knochenmärk & 
einen Zustand erhdht^r Tätigkeit versetzt 
auögeBprochensteii geschieht dies bet 
liehen Indindtien. Der wirksame Faktor iar 
die Luftveitlftnnimg, bexAgUcli die mi| dig?iw 
parülle) gehende San^rstnlfvenn mung der icJl 

Da*»- nächste Ku[*itel beeebaftigt «ich iu»t 
de ui KiüfluÜ des Höhenkümai? mul der Miiskvl 
arhöit i nt die Verdaiiiu^. Wieder ju «ju.v 
g^eiehuetfT. leicht faßtichfr \V< ßßdet sieb 
hier rlar V ordaumi gs p r oldem auseinabderges^ 011 
BcliuTi bei den Vorvbreu^^n e'tieß aLinvtnfviB 
mciiidintach selir wichtiges Ergebnis. IVr eine 
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ium November U>0Ö an chronischem Dana* 
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als völlig aus geh eilt an sab, Trotiden) 

die AustHitiiUng des zugeführren FJwejßjiiateml? 
sehr erheb!i eh herabgesetzt. Hiermti» ot^ 11 
Äidh 7 daß die VerdÄUungsstürnDgen limgvr sli 
die manifeste Erkranfenng andancra 

wird dam\eh leicht verständlio^ daß die 
Kräftigung nach DÄnnkatanhen eme f0 




Referate über Bücher und Aufsätze. 


553 


schleppende ist, daß es oft Wochen dauert, 
bis nach Aufhören der wirklichen Krankheit 
die volle Arbeitsfähigkeit wiederkehrt.“ Der 
Einfluß der Märsche auf die Ausnutzung war 
ein verschiedenartiger insofern, als dieselben 
während des Brienzer Aufenthaltes fast aus¬ 
nahmslos, bei den Berliner Vorversuchen aber 
nur ausnahmsweise die Ausnutzung ver¬ 
schlechterten, meist verbesserten. Die Erklärung 
dieser Verschiedenheit, welche besonders die 
Ausnutzung des Stickstoffes betrifft, findet 
Zuntz darin, daß die Märsche in Berlin im 
Winter, in Brienz im Sommer stattfanden, wo 
der Darm empfindlicher und leichter zu Durch¬ 
fällen geneigt ist Die schlechtere Ausnutzung 
war stets mit einer Vermehrung der Kotmenge 
verbunden. Auch die individuellen Schwan¬ 
kungen betrafen nicht die prozentische Zu¬ 
sammensetzung, sondern die Quantität des Kotes. 
Wie es scheint, tritt nun als Nachwirkung der 
Muskelarbeit eine bessere Ausnutzung der 
Nahrung auf. Der Einfluß der Höhe an sich war 
ein verschiedener: mittlere Höhen zeigten keinen 
nachweisbaren Einfluß, größere (2900 und 4500 m) j 
dagegen bewirkten eine Steigerung der Stoff¬ 
verluste infolge von Störungen der Verdauungs¬ 
prozesse. 

Kapitel VIII. Die Verbrennungsprozesse im 
Körper. Hier werden die Ergebnisse der Gas¬ 
wechsel-Untersuchungen geschildert. A priori 
sollte man annehmen, daß in der Höhe, wo die 
Konzentration des Sauerstoffs geringer ist, die 
Verbrennungsprozesse herabgesetzt sind. Es 
ist jedoch durch andere Versuche bereits er¬ 
wiesen, daß dies nicht zutrifft, daß die Oxyda¬ 
tion im Organismus vielmehr sich in großem 
Umfange von der Dichtigkeit des Sauerstoffs 
unabhängig macht So erscheint es verständ¬ 
lich, daß selbst die Höhe des Monte Rosa in 
manchen Fällen gar keinen Einfluß auf die 
Verbrennungsprozesse gehabt und nur eine der 
Versuchspersonen eine Herabsetzung derselben 
gezeigt hat; aber überraschend ist das Resultat, 
daß die Autoren in der Mehrzahl der Fälle im 
Hochgebirge eine Steigerung der Verbren¬ 
nungsprozesse gefunden haben, und zwar eine 
um so erheblichere, je weiter man sich über 
das Meeresniveau erhob. Die Gaswechsel- 
Untersuchungen wurden außerdem unter folgen¬ 
den verschiedenartigen Bedingungen angestellt: 
in der pneumatischen Kammer, im Luftballon 
(Zuntz mit v. Schrötter), Nachwirkung des 
Höhen-Aufenthaltes, Nachwirkung des Auf¬ 
enthaltes im pneumatischen Kabinett, im See¬ 
klima, bei Muskelarbeit (Horizontalmarsch, 


Marsch bergauf, bergab, Terrain Verhältnisse, 
beim Schwimmen). Die Resultate all dieser 
Versuche sind kurz folgende: „Die Verbren¬ 
nungsprozesse sind in der Höhe gesteigert und 
zwar sowohl beim ruhenden Menschen wie bei 
Arbeitsleistungen. Das Maß dieser Steigerung 
und die Höhe, in welcher sie einsetzt, ist in¬ 
dividuell sehr verschieden. Für die Größe der 
Muskelarbeit des Bergsteigers spielen neben 
Weglänge und Steigung die Terraiuverhältnisse 
eine geradezu beherrschende Rolle.“ 

„Unter gleichen äußeren Bedingungen ist 
der Aufwand für Überwindung gleicher Niveau¬ 
unterschiede beim trainierten Menschen außer¬ 
ordentlich viel geringer, als bei dem für die 
speziellen Anforderungen nicht geübten. Auch 
die steigernde Wirkung der Höhenluft wird 
durch Training in erheblichem Umfange kom¬ 
pensiert“ 

„Als Ursache der Steigerung des Stoffver- 
brauchs in der Höhe wirkt wohl in erster 
Linie der Sauerstoffmangel, teils direkt durch 
Minderung der Leistungsfähigkeit der Muskeln, 
teils indirekt durch abnorme Stoflfwcchsel- 
produkte, zu deren Bildung er Anlaß gibt 
Hierzu kommt, namentlich für den Zustand der 
Körpcmihe, die Wirkung der physikalischen 
Reize des Hochgebirges. — Nach der Rück¬ 
kehr von mittleren Bergeshöhen ins Flachland 
sind die Verbrennungsprozesse oft längere Zeit 
unter die Norm herabgesetzt.“ 

Bezüglich des Schwimmens fand Zuntz, 
daß der Stoflfverbrauch noch erheblich größer 
ist als bei raschestem Bergaufgehen, kräftiges 
Schwimmen somit zu den energischsten Kör¬ 
perbewegungen gehört. Zahlreiche interessante 
Einzelheiten finden sich in diesem Kapitel noch 
aufgeführt, auf welche einzugehen ich mir hier 
versagen muß. 

Diesem bedeutungsvollen Kapitel folgt das 
nicht minder wichtige Kapitel IX, welches den 
Einfluß des Hochgebirges und des Bergsteigens 
auf den Eiweißumsatz behandelt. Ich setze 
die Ergebnisse mit den Schlußsätzen der Ver¬ 
fasser wörtlich hierher: „Schon ein Aufenthalt 
in 500 m Höhe führt zu einem deutlichen Ei¬ 
weißansatz, welcher durch Muskeltätigkeit noch 
weiter gesteigert wird. In größeren Höhen 
geht häufig bei Nichttrainierten dem Eiweiß- 
ansatz ein deutlicher Verlust an Eiweißmaterial 
vorauf. Bei den der Höhe schon einigermaßen 
Angepaßten findet sich dagegen sofort ein Stick- 
stoflfansatz oder es bleibt Stickstoflfgleich- 
gewicht bestehen, ohne daß ein vorhergehender 
Zerfall statthat. Der Eiweißansatz in mittleren 


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054 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Berghöhen tritt besonders hervor, wenn der- 1 
selbe mit Muskeltätigkeit unter Vermeidung | 
eines Übermaßes verknüpft ist.“ „Die günstige 
Wirkung auf den Eiweißansatz geht bis zu j 
einer Höhengrenze hinauf, welche individuell | 
verschieden ist.“ 

„Wir sehen also, daß das Gebirge einen j 
ganz charakteristischen Einfluß auf den Be- | 
stand des Organismus an dem wichtigsten 
organischen Material ausübt, und daß der Er¬ 
wachsene sich im Gebirge bis zu gewissen 
Höhen hinauf, welche individuell verschieden 
sind, ähnlich verhält, wie unter gewöhnlichen 
Bedingungen ein wachsender Organismus. Das 
Wort von der verjüngenden Wirkung des Gc- 
birgsaufenthaltes hat hier seinen zahlenmäßigen 
Ausdruck gefunden.“ 

Im nächsten Kapitel wird die im Hoch¬ 
gebirge häutig zu beobachtende Kohlensäure- 
Verminderung des Blutes besprochen, welche 
teils durch verstärkte Atmung, teils als Symp¬ 
tom einer Säurebildung eintritt. 

Das Kapitel XI geht näher auf die Atmungs¬ 
mechanik im Hochgebirge ein. Das Höhenklima 
übt eine anregende Wirkung auf den Atmungs¬ 
vorgang aus. In Höhen über 3000 m nimmt die 
Erregbarkeit des Atmungszentrums ab, es treten 
Atmungsformen auf, welche dem Cheyne- 
Stok es selten Atmen ähnlich sind. Die Vital¬ 
kapazität nimmt im Hochgebirge ab, haupt¬ 
sächlich durch die Ermüdung, ferner aber auch 
infolge der Luftverdünnung, welche eine Aus¬ 
dehnung der Darmgage bewirkt. 

Kapitel XII beschäftigt sich mit Herztätig¬ 
keit und Blutkreislauf. Der Höhenaufenthalt 
beschleunigt den Puls. Schon in Brienz (500 m) 
war der Puls bei allen Teilnehmern be¬ 
schleunigt. Allmählich sank während des 
Aufenthaltes in Brienz die Pulszahl wieder ab. 
Beim Übergang auf das Rothorn (2150 m) wurde 
zunächst eine Abnahme der Pulsfrequenz be¬ 
obachtet, welche nach 1—2 Tagen einer Stei¬ 
gerung, meist über die Brienzer Werte hinaus, 
Platz machte. Dann allmählicher Wiederabfall. 
Der Übergang zum Monte Rosa brachte eine 
erhebliche Steigerung der Pulszahl. Die Ur¬ 
sachen sind hauptsächlich in der Luftverdiin- 
nung und dem Sauerstoffmangel gelegen. Auf¬ 
fallend ist im Hochgebirge die Steigerung der 
Pulsfrequenz durch Muskelarbeit. Schon der 
Übergang von der liegenden in die sitzende 
Stellung ließ auf dem Monte Rosa-Gipfel die 
Pulsfrequenz bedeutend emporschnellen. 

Bei über längere Zeit fortgesetzter oder 
häufig sich wiederholender Arbeit wird, analog 


den Erfahrungen im Tieflande, die Pulserhöhung 
geringer, ohne daß damit notwendig eine 
Steigerung der Leistungsfähigkeit verbunden 
sein müßte. Mit zunehmender Gewöhnung 
wächst die von jedem Herzschlag geförderte 
Blutmenge. 

Die Pulszunahme des arbeitenden Menschen 
muß als ein wichtiger regulatorischer Vorgang 
angesehen werden, durch den eine reichlichere 
Blut- und Sauerstoffzufuhr zu den arbeitenden 
Muskeln gewährleistet wird. Auch die stärkere 
Zunahme im Höhenklima läßt sich als eine 
zweckmäßige Einrichtung auffassen. Bei Un¬ 
geübten nimmt im wesentlichen die Zahl der 
j Herzschläge, bei Geübten die Leistung des 
j einzelnen Herzschlages zu. Zahlreiche klinisch 
I wichtige Beobachtungen und Bemerkungen 
finden sich noch weiter in diesem Kapitel, in 
welchem besonders der Abschnitt über die 
* Überanstrengung des Herzens für den Mediziner 
lesenswert ist. 

Das XIII. Kapitel ist dem „Sport“ ge- 
] widmet. Es bringt eine ausgezeichnete, phy- 
j siologisch-psychologische Analyse des Sports. 

! Auch über das ..Training“ findet sich eine 
interessante Erörterung. „Wir erreichen also 
durch sportliche Tätigkeit und speziell durch 
Ausübung des Bergsports ein Anwachsen 
unserer Körpermuskulatur, eine Stärkung des 
Herzens und der Lunge, eine Übung des 
| Nervensystems und eine Stählung und Stärkung 
unserer psychischen Funktionen.“ 

Kapitel XIV. Perspiration und Schwei߬ 
absonderung. Als Vignette ein interessantes 
j altes Bild: Sanctorius von Padua, der Be- 
I gründer des Stoffwechselversuches, in seiner 
1 an einer Wage hängenden Kammer (das Titel- 
i bild seines Buches „de statiea mcdica Apho- 
rismi“ 1614). Bei den Berliner Vorversuehen 
wurde die Wasserverdunstung von Haut und 
Lungen bei verschiedener Lufttemperatur, Luft¬ 
feuchtigkeit, Windstärke und verschiedener 
Körperbewegung (Marsch) bestimmt Es ergab 
sich, daß bei warmer Luft die erhöhte Wärme- 
produktion fast ausschließlich durch Ver¬ 
dampfung von Wasser, hei niedriger Luft- 
| temperatur vorwiegend durch Leitung und Strah- 
j lung ausgeglichen wird. Interessant ist folgende 
! Bemerkung von Zuntz: Wenn man einem 
! Menschen, bei welchem sich der Sehweißaus- 
j bruch nicht rechtzeitig einstellen will, Antipvrin 
oder ein ähnliches Mittel zu Beginn eines 
Marsches gibt, schafft man ihm erhebliche Er- 
| leichterung, und nach mehrmaliger Anwendung 
! des Mittels pflegt die Reaktion der Schweiß- 


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655 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


drftsen eine promptere zu werden. Ira Schweiß 1 
können große Stickstoffmengen enthalten sein. , 
.Wenn bis zu 13% des Stickstoffs durch den 
Schweiß abgeschieden werden können, so er- 
scheinen alle Stoffwecbsclversuche im Sommer 
tind bei körperlicher Arbeit geradezu als wert* 
los, wenn sie diesem Faktor nicht Rechnung 
tragen.“ 

Kapitel XV. Die Körperwärme. Der 
Höhenaufenthalt bewirkt eine Erhöhung der 
Körpertemperatur, welche bei verschiedenen 
Personen in verschiedener Höhe beginnt. Cher 
die Beziehungen derselben zu der Steigerung 
der Verbrennungsprozesse muß im Original 
nachgelesen werden. Mit der Bergkrankheit 
hat die Temperaturerhöhung nichts zu tun. 

Im Anschluß an diese Erörterungen bringt 
das XVI. Kapitel lehrreiche Betrachtungen über 
die Bekleidung und hygienische Ausrüstung 
des Bergsteigers. Sehr lesenswert und von 
allgemeinem Interesse ist auch das nächste Ka¬ 
pitel, das sich mit der Einwirkung des Hoch¬ 
gebirges auf das Nervensystem beschäftigt. 

Kapitel XVIII, *Über die Wirkung des 
Sauerstoffmangels im Hochgebirge“ erörtert die 
Folgen desselben für Atmung und Stoffwechsel. 
Der Schlußsatz lautet: Der Sauerstoffmangel 
macht sich im Hochgebirge bei vielen gesunden 
Personen schon in mittleren Höhen bemerkbar; 
bei Blutarmen, bei Störungen des Kreislaufs 
und der Atmung tritt er besonders früh auf. 
Iüirch die Anregung der Atmung, welche die 
in einzelnen, besonders schlecht mit Blut ver- | 
sorgten Partien des Körpers gebildeten Spal¬ 
tungsprodukte bewirken, wird der übrige Orga- | 
nismus vor Sauerstoffmangel geschützt. Erst j 
iu Höhen von 4000 m treten gröbere Störungen 
bei der Mehrzahl der Menschen auf, während j 
einzelne bevorzugte Naturen 6000 m und mehr ; 
vertragen. 

Kapitel XIX ist der Bergkrankheit ge¬ 
widmet, um deren Erforschung sich Zuntz un¬ 
streitig besonders verdient gemacht hat. Nach 
einer historischen Einleitung werden die Er¬ 
scheinungen der Bergkrankheit und die Be¬ 
dingungen ihres Auftretens geschildert, sodann 
die verschiedenen über das Wesen derselben 
aufgestellten Theorien kritisiert, wobei natur¬ 
gemäß die Mos so sehe Lehre von der Akapnie 
«Verminderung der Kohlensäuremengo im Blut) 
besonders berücksichtigt wird. Zuntz be¬ 
gründet dann eingehend seine, die Paul Bert- 
sche Annahme bestätigende Theorie, daß der 
Sauerstoffmangel das ursächliche Moment der 
Bergkrankheit sei. Es folgen dann weiter 


Auseinandersetzungen über die Ursachen der 
verschiedenen individuellen Widerstandsfähig¬ 
keit, ein wichtiger Beitrag zur Konstitutions¬ 
forschung. Ferner über die Gew öhnung an die 
Höhe und über den Einfluß äußerer Momente. 
Schließlich wird die Verhütung und Heilung 
der Bergkrankheit besprochen. 

Das XX. Kapitel entwickelt in gedrängter 
Form die Heilwirkungen und Gefahren des 
Höhenklimas. Das Höhenklima regt die lebens¬ 
wichtigsten Organsysteme unseres Körpers zu 
erhöhter Tätigkeit an, es veranlaßt sie zu 
energischerer Arbeit. Je mehr ein Organ zur 
Arbeit gezwungen wird, um so mehr gewöhnt 
es sieh, die Arbeit zu leisten; die stetige 
Übung führt zu größerer Leistungsfähigkeit, 
zur Kräftigung. Der Stoffumsatz wird ge¬ 
steigert, der Ansatz erweißartigen Materials 
befördert; die Herztätigkeit wird angeregt, die 
Atmung verstärkt, die Blutbildung vermehrt, 
die Haut zu energischerer Tätigkeit trainiert. 
Die einzelnen Krankheitszustände, für w r clche 
das Höhenklima indiziert ist, werden dann 
ebenso wie die Kontraindikationen besprochen. 

Kapitel XXI erörtert die Ernährung des 
Bergsteigers. Zuntz berechnet aus seinen 
Beobachtungen für einen 70 kg wiegenden 
Menschen bei mäßiger körperlicher Arbeit im 
Gebirge einen Bedarf von 3500 Kalorien pro 
Tag. Die einzelnen für den Bergsteiger in 
Betracht kommenden Nahrungsmittel werden 
besprochen (Konserven, Milch, Käse, Schoko¬ 
lade, Zucker usw.). Als Anregungsmittel werden 
Kaffee und Tee, letzterer am besten in Form 
eines kalten Auszuges, empfohlen. Bezüglich 
Alkohol wird im ganzen Vorsicht und Zurück¬ 
haltung empfohlen. „Nicht zu verwerfen ist 
eine kleine Menge Wein oder Kognak gegen 
Ende größerer Märsche, wenn es gilt, die er¬ 
löschende Kraft für eine letzte Anstrengung 
anzufachen.“ 

Dem bedeutenden Werke angepaßt ist das 
Schlußwort Es wirft große Perspektiven auf: 
Hat sich entsprechend den Veränderungen, 

! welche das Individuum im Höhenklima erleidet, 
eine zweckmäßige Anpassung der Höhen- 
| bew r ohner entwickelt? Worin besteht diese? 

; Diese anthropologische Seite der Frage ist noch 
kaum in Angriff genommen. „Hier bietet sich 
I ein reiches Feld der Forschung, dessen Be¬ 
deutung in dem Maße wachsen w ird, wie es 
vom Menschen hinübcrgeleitet wird auf die 
gesamte Tierwelt, ja auf die Gesamtheit der 
Lebewesen. Dann kann die biologische 
Forschung in der Höhe beitragen zur Lösung 


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656 


Heferate über Büeher und Aufsätze. 


der großen Probleme der Umwandlung der 
Form der Lebewesen und damit der Artbildung. 
Angesichts dieser bedeutungsvollen Aufgabe 
erscheint die von Mosso inaugurierte Gründung 
eines internationalen, allen Zweigen der Natur¬ 
beobachtung gewidmeten Höhenlaboratoriums 
auf dem Col d'Olm als ein überaus glücklicher 
und vielversprechender Gedanke.“ 

Ein Anhang enthält in 29 großen Tabellen 
die zahlenmäßigen Ergebnisse der umfangreichen 
und unendlich mühevollen Versuche, auf welche 
sich die in dem Werke niedergeiegten Schlu߬ 
folgerungen stützen. 

Damit schließt das nach jeder Richtung 
hin bedeutsame Werk, eine Zierde der medi¬ 
zinischen Literatur, einzigartig in seiner Viel¬ 
seitigkeit, in der Fülle seiner Anregungen, in 
der Tiefe seiner Gedanken, einzigartig in der 
Präzision, mit welcher der exakte haarscharfe 
physiologische Versuch in die Wildnis getragen 
und untor den größten Schwierigkeiten den 
gewaltigsten Naturelementen zum Trotz in 
meisterhafter Vollendung durchgeführt wurde. 
Das Werk ist für den Mediziner eine wahre 
Fundgrube, aber auch dem Hygieniker, dem 
Alpinisten, dem Sportsmann, ja jedem gebildeten 
Laien wird es in fesselnder Form reiche 
Belehrung und ästhetischen Genuß gewähren, 
wozu die Ausstattung mit zahlreichen schönen 
alpinen Bildern das ihrige beitragen wird. 

Goldscheider (Berlin). 

E. Weiß, Der Wert der Bäder bei Gicht. 

Therapeutische Monatshefte 1905. Heft 6. 

Empfiohlt die Schlammbäder bei Gicht 
Akute Anfälle während der Kur seien nur auf 
unvorsichtige Dosierung dieser Bäder zurtick- 
zuführen. Frankenhäuser (Berlin). 


E. de la Harpe, Über die Resultate der 
Fangobehandlung und über die kombi¬ 
nierte Sol- und Fangokur. Therapeutische 
Monatshefte 1905. Heft 6. 

Im ganzen günstige Ergebnisse von Fango¬ 
behandlung bei den verschiedenen Formen des 
Rheumatismus einschließlich der Gicht und 
der schmerzhaften Nervenkrankheiten. 
Auch Phlebitis und Gelenksteifigkeiten 
nach „chirurgischen Krankheiten“ wurden 
günstig beeinflußt. Bei Frauenkrankheiten 
wurde nach Rossier eine Kombination 
von Solbadekur und Fangokur erprobt 
Morgens energische Fangoapplikation in der 


Gestalt einer großen Badehose, nachmittags eia 
Solbad (bis auf 6—8% Chlorverbindungen er¬ 
höht); im Bade bekommt Patientin außerdem eine 
heiße Scheidenausspülung von 45—50°C Tempe¬ 
ratur, 10—30 1 Wassermenge und 1—3 °/ ft 
behalt an Chlorsalzen. Anpassung der Knr 
und der Diät an die Besonderheiten der 
Patientinnen. Sechs Kranke wurden der Kur 
unterzogen, davon vier mit gonorrhoischen, 
zwei mit nichtgonorrhoischen chro* 
nischen Entzündungsprodukten der 
Genital Organe. Bei vier war der Erfolg 
sehr gut, bei zwei nicht befriedigend. 

Frankenhäuser (Berlin). 

P. Casciani, Der Einfluß einiger Mineral* 
Wässer auf die GaUensekretion. Archivio 
di Farmacologia sperimentale etc. 1905. ApriL 

Bei einer 29jährigen Frau, die eine Gallen¬ 
fistel hatte, wurde untersucht, inwieweit die 
abgesonderte Galle sich (bei gleichbleibender 
Diät) unter dem Einfluß verschiedener Mineral¬ 
wässer in bezug auf Menge, spezifisches 
Gewicht, Quantität der festen Bestandteile, 
Gefrierpunkt verändert Außer verschiedenen 
italienischen Quellen wurde auch der Karls¬ 
bader Sprudel geprüft. Es trat keine Ver¬ 
mehrung, eher eine Verminderung der Gallen¬ 
menge und eine Erhöhung des spezifischen 
Gewichts und der festen Bestandteile ein. Der 
Gefrierpunkt sank von 0,56 auf 0,575. Den 
naheliegenden Schluß, daß bei Darreichung 
von 1 l Karlsbader Sprudel eine Wasserabgabe 
nach dem Darm und damit eine Eindickung 
der Galle stattgefunden hat, scheint der Autor 
nicht gezogen zu haben. 

E. Oberndörffer (Berlin). 


Friedländer, Über Luft- und Sonnenbäder. 

Wiener klinisch-therapeutische Wochenschrift 
1905. Nr. 25. 

Friedländer hat sich der dankenswerten 
Aufgabe unterzogen, die Kenntnis der Luft- und 
Sonnenbäder durch einen in Frankfurt ge¬ 
haltenen Vortrag zu verbreiten. Ich finde nur, 
daß sich Verfasser in seiner Empfehlung des 
Luftbades, als eines hautabzuhärtenden Mittels, 
etwas zu zurückhaltend ausdrückt Nach An¬ 
sicht des Ref. kann man das Luftbad als bestes 
Abhärtungsmittel bezeichnen, das sogar hydro¬ 
therapeutischen Maßnahmen im ganzen vorzu¬ 
ziehen ist. Während Wasserprozeduren nur 
einen Augenblick anwendbar Bind, läßt sich das 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


657 


Luftbad für längere Zeit, im Sommer jedenfalls 
viel länger als 30 Minuten, welches Zeitmaß Ver¬ 
fasser als die Grenze hält, fortsetzen. Ref. 
hat manche Patienten zu ihrem großen Nutzen 
2—3 Stunden luftbaden lassen. Ein Nachteil ist 
ja zweifellos die mangelhafte Dosierbarkeit des 
Luftbades. Ref. erreichte viel durch genaue Vor¬ 
schrift bezüglich der Dauer und Art des Luft¬ 
bades unter den verschiedensten Temperatur-, 
Wind- und Feuchtigkeitsverhältnissen. Auch die 
Sonnenbäder werden vom Verfasser einer Dar¬ 
stellung unterzogen. Auf alle Fälle ist es zu 
begrüßen, daß immer mehr Empfehlungen des 
Luft- und Sonnenbades sich finden gegenüber 
der bis jetzt indifferenten oder zurückhaltenden 
Stellungnahme der großen Masse der Ärzte. 

Determann (Freiburg i. Br.-St Blasien). 


Max Herz 5 Über die Reaktionsfähigkeit des 
gekühlten oder erwärmten Herzens« Zentral¬ 
blatt für physikalische Therapie und Unfall¬ 
heilkunde Bd. I. Heft 6. 

Die Frage, ob und inwieweit lokale Kälte¬ 
oder Wärraeapplikation die Herzaktion be¬ 
einflußt, ist immer noch nicht genügend geklärt; 
insbesondere seitdem Krebs nachwies, daß die 
pulsverlangsamende Wirkung der Herzktihl- 
apparate zum größten Teile auf die damit ver¬ 
bundene strenge Ruhelage zurückzuführen sei, 
mußte der ganze therapeutische Wert jener 
Methoden theoretisch angezweifelt werden, wo¬ 
gegen nun wieder die praktische Erfahrung 
sprach. 

Es muß daher Herz als großes Verdienst 
angerechnet werden, daß er in der vorliegenden 
Arbeit diesen Forschungen neue Bahnen wies, 
durch Einführung einer ebenso einfachen wie 
geistvollen Versuchsanordnung zur Funktions- 
prüfung des Herzens. Er benutzte dabei die 
bekannte Erscheinung, daß die Pulszahl in der 
Rückenlage geringer ist als im Stehen, und 
daß die Größe dieses Unterschieds einen Rück¬ 
schluß auf die nervöse Herzfunktion zuläßt. 
Besondere Beachtung schenkte er dabei den un¬ 
mittelbar beim Lagewechsel zutage tretenden 
Differenzen der Pulszahl; es wirkt nämlich das 
Aufstehen als pulsbeschleunigender, das 
Wiederhinlegen als pulsverlangsamender 
Reiz auf das Herz ein. Die Fragestellung des 
Verfassers lautet nun: „Inwieweit wird durch 
vorhergehende Ruhestellung, durch Kälte- und 
durch Wärme-Applikation die Reaktion des 
Herzens auf diese Reize beeinflußt ?“ Die Ver- 

ZeiUchr. t phytik. tL dilt Therapie Bd. IX. Heft 11. 


Suchsergebnisse, die allerdings nur an einem 
Individuum gewonnen wurden, sind folgende: 

1. Durch die Ruhigstellung des Körpers, 
durch hydrotherapeutische und wahrscheinlich 
auch durch andere Maßnahmen wird die Re¬ 
aktionsfähigkeit des Herzens geändert. 

2. Die längere ruhige Rückenlage macht 
das Herz für beschleunigende Reize empfäng¬ 
licher und resistenter gegen verlangsamende. 

3. Die Körperruhe mit gleichzeitiger 
Abkühlung oder Erwärmung der Herz¬ 
gegend bahnt das Herznervensystem zwar auch 
für die Acceleration, in noch höherem Grade 
aber für Reize, welche eine Verlangsamung 
der Herzaktion herbeiführen. Ein prinzipieller 
Unterschied zwischen Kälte und Wärme besteht 
hier nicht. 

Praktisch ist daraus zu schließen, daß aller¬ 
dings Kälte- resp. Wärmeapplikation auf das 
Herz bei Tachykardie eine spezifische thera¬ 
peutische Wirkung haben, aber nur da, wo die 
herzverl angsamenden Faktoren (Vagus¬ 
tonus) gestört sind, während jene thermischen 
Einflüsse bei Erkrankungen, die auf Reizung 
der Accelerantes beruhen, ohne therapeutischen 
Effekt bleiben müssen. 

A. Laqueur (Berlin). 


W. Winternitz, Die Altersgrenzen für Kalt¬ 
wasserkuren« Zentralblatt für physikalische 
Therapie und Unfallheilkunde 1904. Heft 2. 

Verfasser wendet sich gegen die traditio¬ 
nelle Anschauung, daß die Anwendung des 
Wassers im zarten Kindesalter wie im hohen 
Greisenalter kontraindiziert sei. Er läßt dies 
höchstens für diätetische, nicht aber für pato- 
logische Zwecke gelten. Längst ist es bekannt, 
daß Kälte wärmt, das kalte Wasser ist also kein 
den Wärmevorrat des Körpers verminderndes, 
sondern ein geradezu den Wärmebestand er¬ 
höhendes Mittel. Daher gibt es in Krankheits¬ 
fällen, so zum Beispiel bei den im Säuglings¬ 
und frühesten Kindesalter so häufigen Magen- 
und Darmerkrankungen, keinen wirksameren 
thermischen und mechanischen Nervenreiz, der 
alle organischen Funktionen im Sinne einer 
Steigerung ihrer physiologischen Tätigkeit be¬ 
einflußt, wie eine kalte Abreibung bzw. ein 
kalter Leibumschlag. Das Indikationsgebiet 
für die Anwendung der entsprechenden Reize 
im Kindesalter ist ein weites, so sind alle 
torpiden Prozesse, Kollapszustände, alle auf 
Zirknlationsschwäche beruhenden Vorgänge in 
dasselbe hineinzubeziehen. Auch im Greisenalter 

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658 Referate über Bücher and Aufsätze. 


erheischt die hier meist trägere Reaktion flüch¬ 
tige, kräftigere Reize, kalte Leibwaschungon; 
flüchtige kalte Begießungen werden besser er¬ 
tragen als laue. Auch die Arteriosklerose 
in ihren beiden Formen, mit hohem wie niedrigem 
Blutdruck, ergibt unter flüchtigen Kälteein¬ 
wirkungen überaus günstige Erfolge. Der hohe 
Blutdruck sinkt bei der einen Form, er steigt 
bei der anderen. Vergrößerung des Gefä߬ 
raumes unter Erhaltung des Gefäßtonus, Er¬ 
leichterung der Zirkulation durch sklerotisch 
veränderte Gefäßgcbicte erklären die Herab¬ 
setzung, Kräftigung der Herzaktion, Kontraktion 
und Tonuserhöhung erschlaffter Gefäßgebiete- 
Besserucg der Zirkulation bewirken Erhöhung 
des Blutdrucks. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
nnd Apparatbehandlung« 

Deutschländer, Die funktionelle Behand¬ 
lung der Knochenbrüche« Vortrag im Ärzt¬ 
lichen Verein in Hamburg, 4. April 1905. 
Deutsche medizinische Wochenschrift Ver¬ 
einsbeilage. 

Deutschländer, dem es vor allem auf eine 
rasche Funktionswiederherstellung ankommt, 
läßt regelmäßige, gleich nach der Verletzung 
beginnende Massage und Bewegungen vor¬ 
nehmen, die der Mechanik des betreffenden 
Gelenks angepaßt sind; dabei werden die 
frakturierten Glieder nur in einen Lagerungs¬ 
apparat, eventuell in Verbindung mit einer ab¬ 
nehmbaren Schiene, gelegt. Durch die funk¬ 
tionellen Bewegungen wird ein Reiz ausgeübt, 
der in seiner Energie den Heilungsprozeß 
fördert. Deutschländer unterscheidet zwei 
Arten der Behandlung: 1. nur Bewegungen 
und Massage, während bei 2. noch unter¬ 
stützende Hilfsmittel, wie leicht abnehmbare 
Schienen, Extensionszüge, Naht, hinzugefügt 
werden. Es kommt als Endziel weniger eine 
ideale Knochenform als gute Funktionsfähigkeit 
in Betracht. Die erste Art findet ihre An¬ 
wendung bei geringer, die zweite bei schwererer 
Dislokation. 140 Fälle hat Deutschländer 
in der angegebenen Weise behandelt, als deren 
Vorzüge er eine sichere baldige Prognose, die 
rasche Heilung und das gute funktionelle End¬ 
resultat hervorhebt. Perl (Berlin). 


Lacas Championni&re, Frakturen in4 
Mobilisation. Vortrag in der Akademie des 
Sciences. Deutsche medizinische Wochen¬ 
schrift. Vereinsbeilage. 

Championnidre spricht sich gegen die 
Immobilisation der frakturierten Knochenenden 
aus; er wünscht zur Anregung der Callusbildung 
ein gewisses Maß von Bewegungen und Massage. 
Er beobachtet seit Jahren dabei ein rasches 
Verschwinden der Schmerzen und Aufsaugen 
von Ergüssen, Vermeidung von Gelenksteifig- 
, keiten und Muskelatropbien sowie eine schnelle 
| Heilungsdauer. Diaphysenbrüche der langen 
Knochen heilt er in Verbindung mit Apparaten, 
j Perl (Berlin). 

i A. Hoffa, Die physikalische Behandlung 
! spastigeher Kontrakturen. Zentralblatt ffir 
j physikalische Therapie und Unfallheilkunde 
| 1904. Heft 1. 

1 Verfasser benutzt in der Behandlung von 
Koordinationsstörungen einmal die kompen¬ 
satorische Übungstherapie, mit ihr kombiniert 
die eigentliche Heilgymnastik in Form leichter 
massierender Streichungen sowie elektrische 
Behandlung in Form des Sebneeschen Vier 
zellenbades. In geeigneten Fällen werden 
hydrotherapeutische Maßnahmen hinzugefügt 
Vorhandene Sprachstörungen erfordern eine 
besondere Berücksichtigung durch methodische 
Atemgymnastik, Schulung der Stimmbandfank- 
! tion, Nachahmung der jedem Laut eigentüm¬ 
lichen Mundstellung etc. etc. Beteiligt sich 
die Rumpfmuskulatur an dem krankhaften 
Prozeß, so spielen neben regelmäßiger Massage, 
Übung und Elektrizität, orthopädische Stütz¬ 
apparate, die Kopf, Rumpf und Beine umfassen, 
i die größte Rolle. 

J. Marcuse (Ebenhansen b. München). 


Scholder, Der Arthromotor. Zentralblatt 
für physikalische Therapie und Unfallheil¬ 
kunde 1904. Heft 2. 

Ein Universalapparat für Behandlung sämt¬ 
licher Unfallverletzungen an den Extremitäten, 
der aus zwei Teilen besteht. Der erste wird 
durch einen Motor in Bewegung gesetzt nnd 
kann ebenso zu rotierender wie alternierender, 
wie passiver Bewegung durch entsprechende 
Vorrichtungen umgestellt werden. Der zweite 
| Teil des Apparates besteht aus einem Gestell 
mit Kugellager, Zahnrad, Qnecksilberhebel- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


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gewicht und Pendel Vorrichtung und dem not¬ 
wendigen ZubehOr zur Durchführung der Be¬ 
wegungen; beide Teile sind natürlich miteinander 
konstruktiv verbunden, durch das Ineinander¬ 
greifen der beiden Zahnräder speziell wird die 
Rotationsbewegung des ersten Teils auf die 
horizontale Achse des zweiten übertragen. Der 
Vorteil des Apparates liegt einmal darin, daß 
an ihm jede Bewegung der Extremitäten aus- 
geführt werden kann, sowie weiterhin darin, 
daß passive wie aktive Bewegungen an ihm 
gegeben sind, daß man von den kleinsten bis 
zur Maximalbewegung übergehen und von jedem 
beliebigen Winkel aus die Ausgangsstellung 
nehmen kann. Seine Anwendung ist angezeigt 
bei Gelenksteifigkeiten jeder Art, bei Muskel- 
und Sehnenverletzungen und dadurch bedingten 
Muskelatrophien, nach Konsolidierung von 
Knochenfrakturen. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

Hochhaus, Über die Behandlung akuter 
HalsalTektionen mittelst Stauungshjper- 

imie« Therapie der Gegenwart 1905. Nr. 10. 

Nach Beobachtungen von Hochhaus 
empfiehlt es sich, die Serumbehandlung der 
Diphtherie durch Stauung zu unterstützen; alle 
so behandelten Fälle heilten schneller und 
komplikationsloser, als die nur mit Serum be¬ 
handelten. Auffallend ist, daß Albuminurie 
sowie Lähmungen bei dieser Therapie selten 
beobachtet werden. Ebenso rät Hochhaus, 
gewöhnliche Angina und Gesichtserysipel mit 
Stauung zu behandeln, wobei man gute Resul¬ 
tate erzielt Vertragen wird sie im allgemeinen 
gut; namentlich von Kindern besser als von 
Erwachsenen. Es kommt nur darauf an, daß 
man die elastische Binde allmählich fester 
anlegt, bei etwaigen Beschwerden sie auf kürzere 
oder längere Zeit abnimmt und natürlich ver¬ 
meidet, bei Stenosen sie anzuwenden. 

Mamlock (Berlin). 

Valpius, Die Behandlung der spinalen 
Kinderlähmung. Medizin. Klinik 1905. Nr. 2. 

Verfasser gibt eine Übersicht über die 
mechanische und chirurgische Behandlung der 
nach Poliomyelitis anterior zurückbleibenden 
Lähmungen. Die Arbeit ist durch einige in¬ 
struktive Abbildungen illustriert, welche ge¬ 
lähmte Glieder vor und nach operativen Ein¬ 
griffen zeigen. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 


Bol net, Indlcations de la thoracentäse 
sans aspiration. Archives gönärales de 
mädecine 1905. Nr. 2. 

Verf. beschreibt einen einfachen Apparat 
zur Punktion der Brusthöhle und anderer 
seröser Höhlen: er besteht aus einem gewöhn¬ 
lichen Trokar, dessen Kanüle zwei Ösen be¬ 
sitzt, welche zum Befestigen des Apparats bei 
längerem Liegenbleiben desselben dienen sollen, 
ferner aus einem kleinen, an der Kanüle an¬ 
gebrachten Kautschukschlauch mit einer ventil¬ 
artigen Klappe, die den Eintritt der äußeren 
Luft in die Brusthöhle verhindern soll. Verfasser 
hat den Apparat zur Entleerung von Flüssig¬ 
keit mannigfacher Art benutzt, von Exsudat 
serösen, sero-fibrinösen und hämorrhagischen 
Charakters, von Transsudat, weiter auch zur Ent¬ 
leerung des Hydro-Pneumothorax; im letzteren 
Falle läßt er die Kanüle längere Zeit liegen. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 

M. Garei, Trois cas intdressants de corps 
dtrangers de l’oesophage. Lyon mödical 1905. 
13. August 

Erster Fall: 3Vijähriges Mädchen hat vor 
drei Wochen einen Sou (5 Centimes-Kupfer¬ 
münze) verschluckt, auf Darreichung von Pur- 
gantien erbrochen; in der Zwischenzeit bei 
flüssiger Kost keinerlei Symptome bis zum 
18. Tage, als solide Nahrung gereicht wird und 
Erstickungsanfall eintritt; seither progressive 
Abmagerung und Husten. Röntgenuntersuchung 
stellt die Anwesenheit des Geldstückes im 
oberen Speiseröhrenabschnitt in transversaler 
Lage fest; einige Tage darauf Ösophagoskopie 
(Kirstein) in Chloräthylnarkose und Extraktion 
des Sous mit Ösophaguszange. 

Zweiter Fall: 27jähriges Mädchen ver¬ 
schluckt einen Hasenknochen, welcher linker¬ 
seits etwas über der Krikoidgegcnd steckend, 
heftige Schmerzen und Hustenanfälle verursacht; 
nach drei Tagen — ohne Nahrungsaufnahme — 
Schüttelfrost. Radioskopie und Laryngoskopie 
ohne Erfolg, Ösophagoskopie wegen Blutung 
beim Einführen des Killianschen Tubus nicht 
durchführbar. Wegen Eintritts entzündlicher 
Erscheinungen soll zur Operation (Oesophago- 
tomia externa) geschritten werden; Verfasser 
orientiert sich vorher nochmals durch Sondierung 
— da fühlt er bei der dritten Sondierung das 
Hindernis weicken, Patientin bekommt heftigen 
Hustenanfall und bringt das Corpus alienum 
heraus. Heilung unter Temperatursteigerung. 

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Referate Uber Bücher und Aufsätze. 


660 


Verfasser will an diesen Fällen zeigen, daß 
man oft mit der Operation warten kann, daß 
die intraösophageale Therapie manchmal zum 
Ziele führt und sich schematische Regeln für 
die Indikationen hier nicht aufstellen lassen. 

Der dritte Fall ist ähnlich, nur dadurch 
kompliziert, daß im untersten Speiseröhrenteil 
eine alte Verbrennung durch Kal. caust. narbige 
Strikturen gesetzt hatte, so daß ein geschluckter 
Kirschenstein Uber der Kardia sitzen blieb. 
Die verschiedensten Versuche, bei dem rektal 
ernährten 15jährigen Jungen durch Sonden etc. 
den Stein heraus oder hinunter zu befördern, 
sind erfolglos; auch die Ösophagoskopie mit 
Kokain-Adrenalin gelingt nicht, erst kombiniert 
mit Äthernarkose, wobei sich der Tubus als 
zu dick und kurz erweist. Auf dem Transport 
des Patienten in sein Bett tritt Erbrechen ein 
und der Kirschkern wird herausbefördert. 

Epikritisch bemerkt Garei, daß das Er¬ 
brechen nicht, wie oft empfohlen, immer zu 
verhindern sei; eine subkutane Apomorphin¬ 
injektion hätte hier ev. gute Dienste getan, 
ebenso wie durch seinen vasokonstriktiven 
Einfluß dem Kokain-Adrenalin gewisse Ein¬ 
wirkung in der Eliminierung des Fremdkörpers 
zugeschrieben werden dürfte. 

R. Bloch (Koblenz). 


Hildebrandt, Die Lumbalanästhesie. Berl. 
klinische Wochenschrift 1905. 21. August. 

Hildebrandt gibt uns zunächst eine 
kurze Übersicht über die Geschichte der 1 
Lumbalanästhesie, aus welcher nur hervor- , 
gehoben sei, daß Corning (New York) 1885 ' 
die ,,spinale Anästhesie“ (Injektion von Kokain¬ 
lösung zwischen 11. und 12. Brustwirbeldorn) 
erfunden hat, daß Bier 1898 als Erster nach 
diesem Verfahren operierte und weiter experi¬ 
mentierte und daß Tuffier und Chaput für 
die rasche Verbreitung der Analgesierungsart 
eintraten, nachdem unterdes die Methode durch 
Adrenalinzusatz und Ersatzmittel des Kokains 
verbessert und minder gefahrvoll gestaltet 
worden war. 

Verfasser hält das Stovain für das beste 
der zurzeit bestehenden Mittel, welches jedoch 
wegen ab und zu auftretender übler Neben¬ 
erscheinungen (Kollaps, Übelkeit, Erbrechen, 
Singultus) und Nachwirkungen (Kopfschmerz, 
Temperaturerhöhung, Erbrechen, Harnverhal¬ 
tung) durch die Fortschritte der chemischen 
Industrie hoffentlich noch durch ein besseres 
Präparat ersetzt werden wird. Die wirksame | 


Dosis beträgt je nach Eingriff 0,03 bis 008; 
Epirenanzusatz verzögert den Eintritt der 
Analgesie und verlängert ihre Dauer. Indi¬ 
kationen für die Anwendung des Verfahrens 
bieten uns Patienten, bei welchen wir die all¬ 
gemeine Narkose zu furchten haben, solche 
höheren Alters, mit Bronchitis, Emphysem, 
Arteriosklerose, Tuberkulöse, Herzkranke, Pota¬ 
toren. Kontraindikation bildet neben jugend¬ 
lichem Alter das Bestehen septischer Zu¬ 
stände (Meningitistod von Sonnenburgs 
Pat) Es darf außerdem nicht verschwiegen 
werden, daß unter etwa 500 bis heute aus¬ 
geführten Lumbalanästhesien außer dem eben 
genannten noch ein Exitus vorgekommen ist 

Von Wert ist uns auch die Angabe Hilde¬ 
brandts über seine eigne Kokainanalgesierang 
(1898) durch Bier, welche im übrigen völlig 
gelang, aber . . . „die Kopfschmerzen waren 
so stark, daß ich mir vorgenommen habe, mich 
niemals wieder diesem Eingriff zu unterziehen. 
Die Nachwehen zweier allgemeiner Narkosen, 
welche ich vordem durchgemacht hatte, waren 
dagegen angenehme Zustände gewesen. Aller¬ 
dings berechnet Hildebrandt die üblen Nach¬ 
wirkungen auf nur 17°/ 0 gegenüber 30 bis 70 
bei Kokainadrenalin. 

R. Bloch (Koblenx;. 

D. Elektro-, Licht- n. Röntgentherapie. 

Köhler, Röntgenröhre mit Vorrichtung w 
therapeutischen Dosierung der Königes* 
strahlen. Münchener med. Wochenschrift 
1905. 10. Januar. 

Die Röntgenröhre erhitzt sich bekanntlich 
während des Betriebes mehr oder weniger stark. 
Am größten ist die Wärmeentwicklung an der 
dem Antikathodenspiegel gegenüberliegenden 
Glaswand. Der Verfasser glaubt aus ver¬ 
schiedenen, zum Teil recht plausiblen Gründen 
annehmen zu müssen, daß die Erwärmung im 
proportionalen Verhältnis zur Intensität der 
Röntgenstrahlen und damit auch zum thera¬ 
peutischen Effekt steht. Er hat daher von 
Hirschmann (Berlin) eine Röhre hersteilen 
lassen, die mit einem Thermometer versehen 
ist; einem bestimmten Wärmegrad entspricht 
dann eine bestimmte Röntgenlichtmenge, die 
wiederum eine bestimmte Reaktion zur Folge 
hat Der Röhre wird eine empirisch test¬ 
gestellte Skala beigegeben. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


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661 


Holzknecht, System der Strahlungs¬ 
therapien. Münchener med. Wochenschrift 
1904. 22. November. 

Goldstein hat bekanntlich die Hypothese 
aufgestellt, daß Kathoden-, Röntgen- und 
Becqucrelstrahlen sich bei der Absorption in 
kurzwelliges ultraviolettes Licht umwandeln. 
Holzknecht geht auf Grund der besonders 
bezüglich der Tiefenwirkung recht verschiedenen 
biologischen Effekte der genannten Strahlungen 
noch weiter, er betrachtet sie nicht nur als 
Quellen, sondern als Träger des Ultraviolett 
Die Differenzen zwischen den Wirkungen der 
einzelnen Strahlungen rühren dann daher, daß 
eie das Ultraviolett verschieden weit in die 
Tiefe tragen. H. E. Schmidt (Berlin). 


OkbI) Die chronische Röntgendermatitls 
der Radiologen. Fortschritte auf dem Ge¬ 
biete der Röntgenstrahlen 1904. 1. Dezember. 

Die besonders wegen der Histologie und 
der ausgezeichneten farbigen Reproduktionen 
mikroskopischer Präparate interessante Arbeit 
beschäftigt sich mit den — histologisch über¬ 
haupt noch nicht untersuchten *— chronischen 
Veränderungen nach Röntgenbestrahlung. 

Von den gewöhnlichsten klinischen Symp¬ 
tomen wären zu nennen: 

1. Rötung und Schwellung, Rauhigkeit, 
Trockenheit und Härte der Haut, Rhagaden¬ 
bildung; 

2. zirkumskripte Hyperkeratosen (Warze, 
Schwiele, subunguale Hyperkeratose); 

8. Längs Streifung, Rauhigkeit und Brüchig¬ 
keit der Nägel. 

Um das wichtigste aus den histologischen 
Befunden anzuführen, so sei hier in erster Linie 
betont, daß gerade die Blutgefäße, welche für 
die schwere Heilbarkeit der akuten Röntgen¬ 
ulzera mit Vorliebe verantwortlich gemacht 
werden, bei der chronischen Röntgendermatitis 
am wenigsten leiden; ihre Wandungen sind 
intakt und jedenfalls nicht in grober Weise ver¬ 
ändert. Das, was nicht nur klinisch, sondern 
auch pathologisch-anatomisch nachgewiesen 
werden kann, ist lediglich eine Alteration 
der Blutverteilung, eine der Schröpfwirkung 
vergleichbare Blutüberfüllung der Arterien und 
Venen. Gleichzeitig findet sich eine schwere 
Veränderung aller zelligen Gebilde der Haut 
„Die Oberhaut ist stärker verhornt, zum Teil 
hypertrophisch und zum Krebs prädisponiert, 
zum Teil atrophisch, stets zu hornigen Auf¬ 


lagerungen in Gestalt von Schwielen und 
warzigen Bildungen neigend.“ Zuerst atro- 
phieren die Haare und Talgdrüsen, dann die 
Nägel und Knäueldrüsen; in der Cutis findet 
sich ein chronisches interstitielles ödem, das 
zu einer Atrophie der elastischen Fasern führt 
Die Hautmuskeln sind dagegen auffallender¬ 
weise verdickt. 

Die Therapie der chronischen Röntgen¬ 
dermatitis ist nicht sehr aussichtsvoll. Linderung 
und Besserung bringen heiße Handbäder und 
Einfettung der Haut, bei schwacher Hyper¬ 
keratose Waschungen mit überfetteter Salizyl- 
seife, bei Warzen und Schwielen Ätzungen mit 
Mercks H,0 f , bei Brüchigkeit der Nägel Be¬ 
deckung mit Zinkoxydpflastermull. 

Bei langsam heilenden Ulzerationen em¬ 
pfiehlt der Verfasser die Applikation von Sali- 
zyl-Cannabis-Pflastermull, bevor man zur Ex¬ 
zision schreitet. H. E. Schmidt (Berlin). 


Rosenthal, Cber die Erzeugung intensiver 
Röntgenstrahlen für therapenüscheZwecke. 

Münchener med. Wochenschrift 1904. 22. No¬ 
vember. 

Der Verfasser empfiehlt die nach seinen 
Angaben hergestellte Platineisenröhre, die 
intensive Röntgenstrahlen von relativer großer 
Konstanz liefern und eine lange Lebensdauer 
besitzen soll. H. E. Schmidt (Berlin). 


Knnwald, Über die Behandlung der Kehl- 
kopftnberknlose mit Sonnenlicht. Münch, 
med. Wochenschrift 1905. 10. Januar. 

Der Verfasser berichtet über 14 Fälle von 
Larynxtuberkuloso verschiedener Form, die mit 
einer Ausnahme durch die Sonnenlichtbehand¬ 
lung erheblich gebessert wurden. Das Sonnen¬ 
lichtwurde durchSpiegel in denLarynx dirigiert; 
die Patienten wurden sehr leicht dazu angelernt, 
die Behandlung selbst vorzunehmen. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Dessauer, Röntgenologisches Hilfsboch, 

Bd. I. Mit 33 Abbildungen. Preis 3,50 M. 
Wtirzburg 1905. A. Stübers Verlag. 

Das sehr lesenswerte Buch enthält eine 
Reihe von rein physikalisch technischen Auf¬ 
sätzen aus dem Gebiete der Röntgenlehre. 
Wer nicht nur mechanisch seinen Röntgen¬ 
apparat ein- und ausschalten, sondern auch 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


genau mit dem rationellen Betrieb seines 
Instrumentariums vertraut sein will, versäume 
es nicht, das Buch zu studieren. Er wird dort 
viel Anregung und das wichtigste über Wesen 
und Wirkung der Röntgenstrahlen, über die 
geeigneten Stromquellen, Induktoren, Unter¬ 
brecher, Röntgenröhren etc. finden. 

H. E. Schmidt (Berlin). 

L R. Regnier, Importanza dell’ elettricitä 
medica e della radiografla nella terapia e 
nella ’Mediclna legale degll infortunl*. 

Rivista internazionale di terapia fisica 1904. 
Nr. 11. 

Verfasser belegt die Wichtigkeit der Röntgen¬ 
durchleuchtung und der Elektrodiagnostik bei 
der Untersuchung Unfallkranker mit Beispielen. 
Er berichtet u. a. über zwei Patienten, bei 
denen die Röntgenaufnahme in die Hand ein¬ 
gedrungene GlaBsplitter nachwies, sowie über 
mehrere Fälle, wo sich als Ursache der Be¬ 
schwerden eine vorher nicht erkannte Fraktur 
zeigte, während bei anderen der Nachweis der 
Simulation einwandfrei gelang. 

Laser (Wiesbaden). 

Franz e, Die Elektrotherapie der Herzkrank¬ 
heiten in Yerbindung mit der Nanheimer 
Kur. Deutsche medizinische Wochenschrift 
1904. Nr. 52. 

Über die Wirkung der in letzter Zeit oft 
genannten Wechselstrombäder sind bereits viele 
Abhandlungen geschrieben worden, ohne daß 
diese Frage völlig geklärt erscheint; die An¬ 
gaben widersprechen sich zum Teil, wenigstens 
sind die von einigen gemachten günstigen Er¬ 
fahrungen von andern nicht bestätigt worden. 
Verfasser vorliegender Mitteilung gehört zu 
denen, welche die Wechselstrombäder als 
wichtiges und nützliches Rüstzeug im Kampfe 
gegen die Kreislaufstörungen betrachtet wissen 
wollen. Er hat seine Studien sowohl an all¬ 
gemeinen (bipolaren) Wechselstrombädern, als 
an den elektrischen Vierzellenbädern gemacht. 
Die ersteren setzen im allgemeinen die Puls¬ 
frequenz herab und erhöhen den Blutdruck. 
Die Drucksteigerung zeigte sich auch bei Pa¬ 
tienten, die bereits vor dem Bad hohen Blut¬ 
druck hatten, was bezüglich der Indikations¬ 
stellung wichtig ist. Bei den Kohlensäure- 
bädem kann man im Gegensatz hierzu oft be¬ 
obachten, daß pathologisch erhöhter Blutdruck 


nach dem Bade herabgesetzt erscheint, was 
auch durch die Erfahrungen des Referenten 
bestätigt wird. Eine wesentliche Einwirkung 
auf bestehende Herzdilatation konnte Verfasser 
bei den allgemeinen Wechselstrombädem nicht 
feststellen. Dagegen fand er eine solche fast 
konstant bei Anwendung des faradischen und 
sinusoidalen Wechselstroms im Vierzellenbade, 
während hier die Wirkung auf Blutdruck und 
Pulsfrequenz zurücktrat Er führt diese Wir¬ 
kung auf eine direkte Beeinflussung des Herzens 
im Vierzellenbade zurück, die er in Analogie 
setzt zu der Wirkung des elektrischen Stromes 
auf die dem Willen unterworfene Muskulatur; 
ob diese Anschauung richtig ist, bleibt mindestens 
zweifelhaft. 

Verfasser empfiehlt demgemäß bei der 
Behandlung von Herzleiden eine Kombination 
von Wechselstrombädern mit kohlensauren Ther¬ 
malsolbädern, indem er den ersteren die inten¬ 
sivere, den letzteren die nachhaltigere Wirkung 
zuschreibt Gotthelf Marcuse (Breslau). 


Montier, Die Behandlung der Arterio¬ 
sklerose mittelst Arsonralisation. Zeitschrift 
für Elektrotherapie und die physikalischen 
Heilmethoden 1905. Heft 2. 

Langjährige Untersuchungen über dieBeein- 
flussung des Blutdruckes durch Arsonvalisation 
veranlassen Montier, diese Methode zur Be¬ 
handlung der Arteriosklerose und ihrer Folge¬ 
zustände aufs wärmste zu empfehlen. Die Ein¬ 
richtung der zur Verwendung gelangenden 
Apparate muß im Original nachgelesen werden. 
Je nach der Schwere des Falles sind 5 bis 
17 Sitzungen erforderlich zur Herabminderung 
des Blutdruckes; letztere steht weniger im Ver¬ 
hältnis znr Dauer der Arteriosklerose, sondern 
zum Ernährungszustand des Patienten. Der 
Erfolg ist am besten bei zweckmäßig lebenden 
Kranken. Es empfiehlt sich, sobald bei einem 
Patienten andauernde Blutdrucksteigerung kon¬ 
statiert ist, sofort mit der Behandlung zu be¬ 
ginnen und 2—3 mal wöchentlich eine Sitzung 
anzuordnen. Dabei soll nicht nur ein Stillstand 
in der Entwicklung der Krankheit, sondern öfters 
auch eine Rückbildung von Läsionen beobachtet 
werden, die bereits Folgeerscheinungen der 
Arteriosklerose darstellen. Daß aber tatsächlich, 
wie Montier meint, die Arsonvalisation die 
einzig wirksame Behandlungsweise der arte¬ 
riellen Drucksteigerung ist, dürfte doch noch 
nicht als absolut sichergestellt angesehen 
werden; um so weniger als er selbst zu einem 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


663 


Gelingen der Behandlung verlangt, daß Lage¬ 
rung, Diurese, hygienisch - diätetisches Ver¬ 
halten etc. geordnet werden, d. h. also doch 
Momente, die auch nicht ganz ohne thera¬ 
peutischen Wert bei den in Rede stehenden 
Zuständen sind. Mamlock (Berlin). 

Witte, Zur faradischen Behandlung der 
flbromyome des Uterus. Deutsche medi¬ 
zinische Wochenschrift 1905. Nr. 20. 

Schon früher hat Verfasser auf die Rück¬ 
bildung der Fibromyome des Uterus unter der 
Einwirkung des elektrischen induzierten Stromes 
aufmerksam gemacht. Die weitere Erfahrung 
ergab, daß bei den vielknoltigen Tumoren die 
Rückbildung sehr schnell erfolgt, während dies 
bei den großen Solitärmyomen in viel ge¬ 
ringerem Maße der Fall ist Immer aber werden 
die Blutungen und Druckbeschwerden Behr 
schnell günstig beeinflußt, und da diese, nicht 
der Tumor an sich, meist die Indikation zur 
Operation abgeben, so kann diese in fast allen 
Fällen durch die faradische Behandlung ver¬ 
mieden werden. Leo Zuntz (Berlin). 

W. Scholtz, Uber die Bedeutung der 
Wärme8trahlen bei der Behandlung mit 
konzentriertem Licht nach Finsen. Berliner 
klinische Wochenschrift 1904. Nr. 18. 

Bekanntlich beruht das Prinzip der Finsen- 
schen Lichtbehandlung in der Wirkung der 
chemisch wirksamen Lichtstrahlen, in erster 
Linie der violetten und ultravioletten Strahlen, 
während die Wärmestrahlen nur als störend zu 
betrachten und möglichst auszuschalten sind. 
Auf theoretischem Wege kam Scholtz nun zu 
der Erwägung, daß die sogenannten Wärme- 
strahlcn, die ja ein sehr starkes Durch¬ 
dringungsvermögen besitzen, nicht vollständig 
durch das Auflegen eines Eompressoriums ab¬ 
sorbiert, sondern in die Tiefe fortgeleitet ! 
werden und dort gewisse Wirkungen hervor- i 
rufen müssen. Dies veranlaßte ihn zur Auf¬ 
nahme einer Reihe von experimentellen Ver¬ 
suchen, welche zeigten, daß die Behandlung 
mit konzentriertem Licht nicht nur, wie Finsen 
lehrte und man heute allgemein glaubt, auf der 
Wirkung der stark brechbaren Strahlen, sondern 
auch auf der Wirkung der wenig brechbaren 
Wärmestrahlen beruht Letztere rufen überall, 
wo sie in der Tiefe in genügender Weise ab¬ 
sorbiert werden, eine Temperaturerhöhung her¬ 
vor, welche einen eminenten therapeutischen 


Einfluß haben muß, da ja schon eine Erhöhung 
der Temperatur wenige Grade über 40° Gewebs¬ 
zellen und Bakterien in erheblicher Weise zu 
schädigen oder selbst zu zerstören imstande 
ist. Dies letztere konnte er auch evident nach- 
weisen und in der Tiefe der Haut noch starke 
Wirkungen erzielen, während die Oberhaut nicht 
oder nicht erheblich beeinflußt wurde. Durch 
Blauiärbung der tieferen Hautpartien kann man 
diese Wirkung der Wärmestrahlen noch er¬ 
höhen. Wo unter der Haut größere Zellen¬ 
häufungen und stärker gefärbte und daher die 
Strahlen stärker absorbierende pathologische 
Gebilde vorhanden sind, wie besonders beim 
Lupus die bräunlichen Lupusknötchen, werden, 
so schließt Scholtz, die Wärmestrahlen auf 
diese ganz besonders stark — elektiv — wirken. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

Pautrler, Que peut-on attendre, h l’heure 
actuelle, de la radiothlrapie dass le 
traitement du cancer? Le Bulletin Mödical 
1905. Nr. 30. 

Verfasser kommt zu folgendem Schluß: 

1. Bei der Behandlung des Hautepithelioms 
bildet die Radiotherapie wenn nicht die einzige, 
so doch eine besonders in Betracht kommende Be¬ 
handlungsmethode. Bei den gutartigen Formen, 
wo andere Behandlungsmethoden noch in Frage 
kommen, gibt sie mindestens die gleiche, 
wenn nicht bessere Resultate. Bei den schweren 
Formen muß man exstirpieren und eventuell 
nur mit Radium nachbehandeln, wenn es sich 
um ein Epitheliom des Körpers oder der Ex¬ 
tremitäten handelt. Bei Gesichtstumoren sollte 
man immer die Radiotherapie bevorzugen. 

2. Was die Behandlung des Epithelioms 
der Schleimhäute betrifft, so ist es augenblick¬ 
lich unmöglich, beim Zungenkrebs Radiotherapie 

| anzuwenden, weil die Zerstörungen, die sie ver¬ 
ursacht, irreparabel sind; jedoch müssen darüber 
noch weitere Erfahrungen gesammelt werden. 

3. Da die Dinge bei Radiotherapie so liegen, 
so kommt in Frage, ob man nicht bei dem 
Drüsenkarzinom die Röntgenbehandlung an¬ 
wenden kann, eine Methode, die bis heute noch 
nicht genug gewürdigt ist. 

4. Die chirurgische Behandlung muß bei 
Mammakarzinom womöglich der Radiotherapie 
vorgezogen werden, aber es sollte in jedem 
Fall unmittelbar im Anschluß an die operative 
Entfernung die Bestrahlung der Narbe vorge¬ 
nommen werden. So kann man das Auftreten 
von Rezidiven verhüten. Bei den inoperablen 


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664 


Formen kann die Radiotherapie häufig be¬ 
trächtliche Besserung erzielen. Die visceralen 
Krebse sind der Radiotherapie nicht zugänglich, 
dagegen können die Röntgenstrahlen gelegent¬ 
lich schmerzstillend wirken. 

A. Braunstein (Moskau). 


Axniann, Cher Radioaktiv ierung und 
ein neues Radiumpräparat (Radlophor). 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1905. 
Nr. 30. 

Axmann will eine Masse gefunden haben, 
welche Radioaktivität von ausreichender Stärke 
dauernd behält, dabei den praktischen An¬ 
forderungen allgemeiner Verwendung genügt 
und wohlfeil genug ist, um Gemeingut zu 
werden. Dieses Präparat, „Radiophor“ ge¬ 
nannt, kann an jede Stelle des menschlichen 
Körpers gebracht werden, unter die Haut, in 
Geschwülste oder Körperhöhlen. Man kann 
damit Flächen überziehen zum Auflegen auf 
die Haut, ebenso aber auch Instrumente. Das 
Präparat soll so widerstandsfähig sein, das 
es, ohne besonderen Schaden zu nehmen, sogar 
Auskochen von kürzerer Dauer verträgt Über 
die mit dem neuen Präparat erzielten Heil¬ 
erfolge hat Verfasser noch nicht berichtet 
A. Braunstein (Moskau). 


Lasgar, Nene Beiträge zur günstigen 
Wirkung des Radium auf Hautkrebse. 

Berliner klin. Wochenschrift 1905. Nr. 28. 

Lassar hat eine Reihe von Kranken mit 
Hautkrebs demonstriert, um einen weiteren 
Beweis für die günstige Wirkung des Radium 
auf Hautkrebse zu bringen. Es ist ihm gelungen, 
zirkumskripte Erkrankungen der Haut maligner 
Natur ohne jede Gefahr einer zerstörenden 
Nebenwirkung und ohne viel Umstände zur 
Heilung zu bringen. In Vergleich zu Röntgen¬ 
behandlung ist nach Lassar jede Röntgonkur 
von einer gesteigerten Verantwortlichkeit be¬ 
gleitet, die beim Radium vollständig wegfällt 
Verfasser betont, daß man mit Arsen unter 
Umständen dasselbe erreichen kann, wie mit 
Radium und empfiehlt Patienten, die mit Radium 
oder Röntgen bei frischen Stadien des Kankroid 
behandelt worden, auch gleichzeitig einer Arsen¬ 
therapie unterzuziehen. 

A. Braunstein (Moskau). 


A. Kalmann, Ein Beitrag zur Kenntnis der 
Radiumwirkung von Heilquellen. Wiener 
klinische Wochenschrift 1905. Nr. 22. 

Kal mann untersuchte die bakterizide Wir¬ 
kung der in dem Gasteiner Thermalwasser ent¬ 
haltenen Emanation und kommt zu folgendem 
Schluß: 1. Die untersuchte Emanation besitzt 
eine das Wachstum und den Stoffwechsel des 
Prodigiosus verändernde bzw. schädigende 
Wirkung. 2. Diese Einwirkung geht der 
Intensität der Radioaktivität der einzelnen 
Emanationsträger parallel, ist also im Thermal¬ 
wasser gering, deutlicher im Quellengas, nnd 
am stärksten wirkt das Sediment der Thermen 
bzw. die aus demselben gewonnene eigentliche 
radioaktive Substanz (Reissacharit). 3. Über 
48 Stunden altes Thermalwasser sowie länger 
als acht Tage abgefülltes Quellengas ließen 
keinerlei Emanationswdrkung mehr erkennen. 
Der Radioaktivität der Gasteiner Thermalquellen 
kommt also eine biologisch nachweisbare Ein¬ 
wirkung zu. A. Braunstein (Moskau). 


Kühn, Die neue sichere Epilationsmethode 
Kromayers und dlo Elektrolyse. Deutsche 
medizinische Wochenschrift 1905. Nr. 14. 

Verfasser bezweifelt, ob die neue Stanz¬ 
methode Kromayers wirklich große Vorzüge 
vor der Elektrolyse — vor den anderen Methoden 
auch vor der Galvanoplastik besitzt sie solche 
unbestrittenermaßen — bat; ferner, ob sie 
wirklich in allen Fällen, wo epiliert werden soll, 
verwendbar ist Verfasser glaubt daß bei 
Kromayers Methode Rezidive erfolgen müssen» 
wenn die Verbindungen des subkutanen Binde¬ 
gewebes mit der Papille sich nicht leicht lösen, 
sondern die Papille sitzen bleibt wie solches 
beim gewöhnlichen Ansreißen des Haares 
geschieht A. Braunstein (Moskau). 


Max Einhorn, Über die Radiumhehandlong 
des Ösophaguskrebses. Berliner klinische 
Wochenschrift 1905. 30. Oktober. Festnummer, 
Ewald zum 60. Geburtstage gewidmet 

Verfasser hat als erster (fast gleichzeitig 
mit E x n e r) das Radium mittelst kleiner Behälter 
bei Affektionen des Ösophagus, Magens und 
Rektums lokal appliziert. Den schon früher von 
ihm mitgeteilten Fällen von günstiger Einwirkung 
der Radiumbehandlung auf ösophaguskrebs 
fügt er in vorliegender Arbeit eine weitere 
Reihe hinzu. In der methodischen Radium- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


665 


applikation sieht er ein Mittel, das den Krank¬ 
heitsherd, wenn auch vorläufig noch nicht ganz 
beseitigt, so doch wenigstens in günstigem Sinne 
beeinflußt und scheinbar in gewissen Schranken 
zu halten vermag. Fritz Loeb (München). 


0. Schllep, Unsere elektrischen Bäder. 
Therapeutische Monatshefte 1905. Heft 6. 

Eine Empfehlung der Vierzellenbäder nach 
Schnee. Frankenhäuser (Berlin). 


Winckelmann, Behandlung der Leukämie 
and Pseudolenkämie mit Röntgenstrahlen. 

Therapeutische Monatshefte 1905. Heft 5. 

Winckelmann gibt in seinem Aufsatz 
eine Übersicht über die Literatur der mit 
Röntgenstrahlen behandelten Fälle von Leuk¬ 
ämie und Pseudoleukämie, aus welcher zunächst 
hervorgeht, daß wir von einer einheitlichen 
Handhabung dieses neuen therapeutischen 
Hilfsmittels noch weit entfernt sind. Vor 
allem dürften bei künftigen Versuchen nähere 
Angaben über den Härtegrad der Röhren, über 
ihren Abstand von der Körperoberfläche, über 
Schutzvorrichtungen und etwaige Maßnahmen 
zur objektiven Messung der Strahlenmengen 
(Chromoradiometer) etc. erwünscht sein. Die bis¬ 
her erzielten Erfolge übertreffen diejenigen bei 
der früher üblichen Behandlungsweise und 
ermuntern zu weiteren Versuchen. Näheres 
über Literatur ist in der Arbeit selbst nach¬ 
zulesen. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 


£• Serum- and Organotherapie. 

A. E. Russell, The treatment of Strych¬ 
nins poisoning and of tetanns by spinal 
anaesthesia. The Lancet 1905. 23. Sept. 

Schon Corning hat 1885 in seiner 
Schrift über die Entdeckung der Rückenmarks¬ 
anästhesie den Gedanken an die Möglichkeit 
der wirksamen Anwendung der Spinalanästhesie 
bei Strychninvergiftung, Tetanus und Hydro¬ 
phobie ausgesprochen. Durch das Studium der 
Arbeiten von Claude Bernard, Poulsson 
and besonders neuerdings Sherrington, 
welche — theoretisch und experimentell hoch¬ 
interessant fiir den Physiologen und den Prak¬ 
tiker — beweisen, daß durch Ausschaltung 
bzw. Paralyse der Hinterstränge (und ihrer Ver¬ 
bindungen mit den peripheren sensorischen 


Teilen) die Wirkung von Strychnin oderTetanus- 
toxin gänzlich alteriert wird, ist Russell ver¬ 
anlaßt worden, die Corningsche Idee wieder 
aufzugreifen; in der Tat ist es geglückt, die 
tetanische Wirkung von Strychnin-Injektionen 
(beim Tier) durch vorausgeschickte Kokain- 
anästhesie ganz oder teilweise ferazuhalten; 
er empfiehlt daher bei ausgesprochenen Zeichen 
von Strychninvergiftung beim Menschen die 
Kokain- ' bzw. Eukainsubduralanästhesie in 
Chloroformnarkose. Der Autor teilt dann den 
Fall von Tetanus von Murphy (Journal of the 
americ. med. Assoc. 1904. 13. Aug.) mit, in 
dem durch wiederholte Eukain- Morphin- 
Injektionen in den Spinalkanal Verminderung 
der schmerzhaften Anfälle, Schlaf und Heilung 
erzielt wurden, erwähnt vier Fälle von Wallace 
und Sargent, welche den gleichen thera¬ 
peutischen Eingriff mit Antitetanus-Serum 
(drei Heilungen) Vornahmen, und empfiehlt 
schließlich für zukünftige Fälle die intra¬ 
spinale Anwendung vonSerum+Eukain- 
adrenalin (in Chloroformnarkose). 

Dieses Verfahren scheint uns, mit Vorsicht, 
vielleicht auch mit besseren Ersatzmitteln für 
Eukain, angewendet, der baldigen Nachprüfung 
wert zu sein, um so mehr, als bei uns hierüber 
Erfahrungen nicht vorzuliegen scheinen: gleich¬ 
zeitig erführe die sich anscheinend rasch aus¬ 
breitende Lumbalanalgesie wieder eine hoffent¬ 
lich nutzbringende Erweiterung ihrer Indikation. 

R. Bloch (Koblenz). 


H. F. Bassano, Five cases of tnberculosis 
treated witb Dr. Marmoreks seram. The 

Lancet 1905. 9. September. 

Außer dem fünften, noch in Behandlung be¬ 
findlichen Falle handelte es sich um vier „mehr 
chirurgische“ Tuberkulosen, bei welchen Bas¬ 
sano in Ventnor (Insel Wight, ideale Tuber¬ 
kulosenstation, Ref.) Marmoreks Seruminjekti¬ 
onen versucht hat; er kommt zu folgenden 
„ermutigenden“ Ergebnissen: 

1. hauptsächlich die „chirurgischen“ Formen 
der Krankheit werden in ausgesprochen 
günstiger Weise durch diese Serum- 
einspritzungen beeinflußt, 

2. unangenehme Nebenwirkungen und 
schädigende Momente fehlen, abgesehen 
von Urticaria, Empfindlichkeit der Ein¬ 
stichstelle und geringem allgemeinen 
Unwohlsein, 

3. das Serum bewirkt Erniedrigung des 
Fiebers, wenngleich dieser öfters eine 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


66G 


geringe Temperaturerhöhung (1°F) bin¬ 
nen 12 Stunden nach der Injektion vor¬ 
angeht, 

4. die Schmerzen (Peritonitis, Coxitis) 
werden fast stets sofort gemildert, 

5. die Menge des tuberkulösen Sputums 
wird verringert (anfänglich nimmt sie 
erst zu), 

6. der Krankheitsprozeß wird aufgehalten, : 
das Allgemeinbefinden gebessert und das i 
Körpergewicht steigt. 

Referent bedauert, von Behrings neue 
Forschungsresultatc noch nicht zu kennen; viel¬ 
leicht ließen sich Vergleiche anstellen; er hat 
übrigens früher (Deutsche Aerzte-Zeitung 1904, 
15. Mai) über ausgedehnte Versuche einer 
Londoner Autorität, Dr. A. Latham, mit Mar- 
moreks Serum berichtet; dieser Autor hat sich 
auf Grund sehr zahlreicher Anwendungen sehr 
vorsichtig geäußert und anscheinend wenig 
Nutzen gesehen. . R. Bloch (Koblenz). 


Lindsay, Eine akute Erkrankung infolge 
Einspritzung mit Antityphus-Yacclne. The 

Lancet 1905. 16. September. 

Verf. teilt folgende Krankheitsgeschichte 
mit: Einem Arzt, der zum zweiten Male die 
Reise nach Süd-Afrika macht, wird die ge¬ 
wöhnliche Dosis Antityphus-Vaccine unter 
allen aseptischen Kautelen eingespritzt Am 
nächsten Tag traten Kopfschmerzen, allgemeine 
Mattigkeit und Schlaflosigkeit ein. Sodann 
werden die Beschwerden stärker, die Stelle 
der Einspritzung ist gerötet und geschwollen, 
die Zunge belegt, der Puls schnell; es besteht 
Fieber. Am vierten Tag erreichen die Symp¬ 
tome ihren Höhepunkt, um dann allmählich 
abzuklingen. In der Rekonvaleszenz, die drei 
Wochen dauerte, stellte sich noch eine leichte 
Urticaria ein. 

Verfasser bespricht die Differentialdiagnose 
zwischen typischem und atypischem Typhus, 
Malaria und einer Vergiftung infolge der Immuni¬ 
sierung, und entscheidet sich für letztere. Un¬ 
gewöhnlich ist die lange Dauer und die Schwere 
der Krankheitserscheinungen, und dieser letztere 
Umstand läßt es angezeigt erscheinen, die 
Immunisierung nicht, wie es in der Regel 
geschieht, als ganz harmlos und ungefährlich 
hinzustellen, sondern darauf aufmerksam zu 
machen, daß sie in manchen Fällen einen nicht 
zu leicht zu nehmenden Eingriff darstellt. 

Arnheim (Rixdorf). 


Stephanie, Contribution au traitenuit dt 
la tuberculose pulmonaire p&r le sdm 
antitnberculeux deMarmorek. Progr.Medic. 
1905. Nr. 25. 

Es ist nicht ohne aktuelles Interesse, 
gerade in diesem Augenblick, wo Behrings 
neue Mitteilungen vorliegen, wieder Mar¬ 
mor e k s Serum empfohlen zu hören. Es könnte 
scheinen, als ob das Bedürfnis nach neuen 
spezifischen Heilmitteln der Tuberkulose nicht 
ein so dringendes ist, wenn man nämlich auf 
Grund von Stephanies sieben Fällen über¬ 
haupt sich ein Urteil erlauben kann. Es Über¬ 
rascht doch immer wieder, Publikationen zu 
sehen, die so verschwindend kleine Zahlen 
gegen eine verheerende Krankheit, wie die 
Tuberkulose es ist, ins Feld führen. Sieben 
geheilte Fälle können doch nicht für den Wert 
eines Mittels sprechen; erst wenn unterschieds¬ 
los — und nicht besonders ausgewählte, ge¬ 
eignete Fälle — durch ein Mittel günstig 
beeinflußt werden, sollte man es empfehlen. 
Was Stephanie über die Technik der An¬ 
wendung, Dosierung, Reaktion, lokale und 
allgemeine Wirkung sagt, ist für die Praxis 
wichtig; zumal selbstverständlich bei den 
wenigen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, 
das Serum Marmoreks durchaus Anwendung 
verdient. Nur darf man nicht zu optimistisch 
sein und nicht alles auf Rechnung der Injek¬ 
tionen setzen, was auch so oft genug im 
Verlauf der Tuberkulose beobachtet wird. 

Mamlock (Berlin). 


James Ayer, Serum Therapy in Erysipel«? 
Results in 88 additional Cases. Medical 
Record 1905. 26. August. 

Bei 33 Fällen von Erysipelas, die mit 
Antistreptokokkenserum behandelt wurden, sah 
Verfasser eine Besserung und schnelleres Ab¬ 
nehmen der Rötung um ungefähr zwei Tage, 
gegen die übliche Dauer von neun Tagen. Bei 
40% der Fälle zeigte sich als Nebenwirkung 
eine Albuminurie, welche auch anhielt, nach¬ 
dem die Patienten als geheilt entlassen worden 
waren. Rozenraad (Berlin). 

E. Baumann, Über ImmnuisierungSTersuche 

gegen Tuberkulose. Med. Klinik 1&'- 
Nr. 46. 

Während es möglich ist, Tiere gegen eine 
Infektion mit fast allen pathogenen Keime 11 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


aktiv zu immunisieren, ist dies bei der Tuber¬ 
kulose bisher noch nicht bei allen Tierarten 
einwandfrei gelungen. Man kann bekanntlich 
aktiv immunisieren durch Impfung 1. mit 
lebenden virulenten, 2. mit lebenden ab¬ 
geschwächten, 3. mit abgetöteten virulenten 
Krankheitserregern und 4. mit Bakterien¬ 
extrakten oder -Produkten. Über die erfolg¬ 
reiche Beschreitung des dritten Weges hat 
Levy vor kurzem berichtet; es sei ihm ge¬ 
lungen, Meerschweinchen durch eine Tuberkel¬ 
bazillenaufschwemmung in 80% Glyzerin zu 
immunisieren. Verfasser stellte seine Versuche 
ziemlich genau nach den Angaben Levys an, 
kam aber zu dem entgegengesetzten Resultat: 
die Immunisierung gelang nicht, alle Versuchs¬ 
tiere gingen nach mehr oder weniger langer 
Zeit ein. Diesen auffallenden Unterschied der 
Ergebnisse führt Baumann darauf zurück, 
daß Levy, wie manche anderen Experimen¬ 
tatoren, seine Tiere zu früh tötete. Hätte er 
sie länger leben lassen, so wären sie höchst¬ 
wahrscheinlich, ebenso wie seine eignen, noch 
später tuberkulös geworden und eingegangen. 
Baum ann zieht ans seinen Versuchen den 
Schluß, daß durch die Methode Levys sich 
nicht vollkommene Immunität erzielen lasse, 
sondern nur eine Verzögerung der Infektion 
herbeigeführt werde. Dasselbe gilt von den 
Bestrebungen, durch Aufschwemmungen von 
Geflügel- oder Blindschleichentuberkulose oder 
durch Injektion abgeschwächter Tuberkel¬ 
basillen Meerschweinchen gegen Tuberkulose 
zu immunisieren. Zu derartigen Versuchen 
eignen sich Meerschweinchen überhaupt nicht, 
weil sie zu empfänglich sind. Es empfiehlt 
sich, Ziegen, Schafe öder Hunde zu Im¬ 
munisierungsversuchen gegen Tuberkulose zu 
benutzen. W. Alexander (Berlin). 


Colli*s, A case of Tetanus successfally 
treated with antitetanic serum and Curare. 

Lancet Nr. 4259. 

Neun Tage nach einer unbedeutenden, 
durch einen rostigen Nagel verursachten Ver¬ 
letzung an der Fußsohle trat bei einem jungen 
Menschen ein heftiger Tetanus mit Trismus, 
Opisthotonus und häufigen Konvulsionen auf. 
ln den ersten Tagen der Erkrankung wurden 
dreimal bis 30 ccm Antitoxin unter die Haut 
injiziert. Ein Erfolg stellte sich nicht ein. 
Später griff man zu Injektionen von Curare, 
die häufig in steigender Dosis bis zu % cg 


angewandt wurden. Die Krämpfe erfolgten 
nun seltener, und der Kranke genas. 

Der Fall muß von vornherein wegen des 
späten Auftretens der tetanischen Erscheinungen 
zu den günstigen gerechnet werden. Daß die 
Heilung der Therapie zuzuschreiben ist, er¬ 
scheint demnach zweifelhaft. Dem unsicher 
wirkenden und gefährlichen Curare sind zur 
Unterdrückung der Krämpfe erprobte Narkotica, 
wie Chloralhydrat und Morphium, unseres Er¬ 
achtens nach vorzuziehen. 

E. Schlesinger (Berlin). 

Ed. Bdraneck, Cne nouvelle Tubercullne. 

Revue m6dic. de la Suisse Romande 1905. 

Nr. 10. 

Zwecks Ausschlusses der Wirkung von Pep¬ 
tonen, welche an sich bei tuberkulösen Tieren 
Temperatursteigerung hervorrufen können, züch¬ 
tete Verfasser Tuberkelbazillen in pepton- 
und albumosefreier, glyzerinhaltiger Bouillon 
und fand in den erzeugten Toxinen (TB) er¬ 
hebliche Differenzen gegenüber dem Alttuber¬ 
kulin. Jene erhöhten den Säuregrad der an sich 
sauren Kulturbouillon, bedingten eine eigen¬ 
artige Fluoreszenz von gelbgrünlicher Farbe 
und zeigten eine deutliche Fieberreaktion bei 
tuberkulösen Meerschweinchen, während der 
toxische Einfluß dieser extrazcllulären Gifte 
weniger marquant war; ihre kongestive Wirkung 
auf tuberkulöse Herde erwies sich als wenig 
ausgesprochen. Der nach dem Vorgänge von 
Koch durch Einengung und 60prozentigen 
Alkohol erzeugte Niederschlag ergab ein weißes, 
in Wasser fast unlösliches Pulver, das sich ein 
wenig mehr in verdünnten Alkalien, am besten 
in verdünnten Säuren löste; gegenüber dem 
reinen Tuberkulin Kochs zeigte jenes Pulver 
nur schwache Biuretreaktion, dagegen als Be¬ 
weis des Fehlens albuminoider Körper, deren 
Abwesenheit die geringe Toxizität der Bö- 
ran eck sehen Bouillontoxine erklärt, nicht die 
Xanthoprotein- oder Millonsehen Reaktion. 

Bei dem Mangel eines ausreichenden ex- 
perimentelleu Immunisierungseinflusses durch 
die extrazellulären Toxine machte Verfasser 
die Bazillensubstanz selbst zum Ausgangsobjekt 
eines Extraktes, das er mit Hilfe der Ein¬ 
wirkung einer l%igen Orthophosphorsäure 
gewann (AT). Dieses als Azidotoxin bezeichnete 
Produkt wird durch vorsichtige Neutralisierung 
der extrahierenden Säure in einen festen, in 
Wasser unlöslichen Körper übergeführt, der sich 
in Alkalien und Säuren löst und zu den eiweiß- 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


artigen Substanzen gerechnet werden muß. 
Außer dem Azidotoxin enthält die Leibes- 
Substanz der Tuberkclbazillen noch das Tuber- 
kulonuklein, welches nicht in das phosphorsaure 
Extrakt mit übergeht. Letzteres hat bakterizide 
Eigenschaften und wird in einer Dose von 
2 ccm (4 mg fester Substanz) von gesunden 
Meerschweinchen gut vertragen, während von 
tuberkulösen Tieren zwei Drittel noch jener 
Dose widerstehen. 

Da die beiden Tuberkuline (TB und AT) 
an sich relativ mäßig immunisierende Wirkungen 
entfalten, so benutzte Verfasser behufs Er¬ 
zielung starker therapeutischer Einflüsse bei 
tuberkulösen Meerschweinchen eine zu gleichen 
Teilen vorgenommene Mischung (TB-[-AT), 
die in Verdünnung von 1:20 zur Anwendung 
kam. Die Heilresultate erwiesen sich um so 
besser, je weniger ausgeprägt die örtlichen 
Injektionserscheinungen waren. Wenn auch 
heilende und präventive Wirkungen durch die 
Tuberkulinmischung erzielt wurden, so konnte 
bei den Meerschweinchen von einer kompletten 
Immunisierung nicht die Rede sein. Trotzdem 
glaubt Verfasser an einen ausreichenden thera¬ 
peutischen Effekt seiner Mischung bei dem 
Menschen, weil bei diesem die natürlichen 
Abwehrvorrichtungen (Phagozytose) bedeutend 
stärker sind als bei dem Meerschweinchen. 

J. Ruhemann (Berlin). 


Lindenstein, Über die Sernmbebandinng 
der fibrinösen Pneumonie. Münch, med. 
Wochenschrift 1905. Nr. 39. 

Verfasser behandelte im Lazarus-Kranken- 
hauß Berlin vier Pneumoniefülle mit dom Pneu¬ 
mokokkenserum Römer. In drei Fällen handelte 
es sich um eine Entzündung des linken Unter¬ 
lappens: bei einem 5jährigen Kinde, einem 
14jährigen Knaben und einem 17jährigen jungen 
Mann. Alle drei Fälle wurden am zweiten 
Krankheitstage der Serumtherapie unterzogen, 
und zwar injizierte Lindenstein dem Kinde 
6 ccm, den beiden andern Kranken je 10 ccm. In 
keinem Falle schritt die Infiltration weiter fort; 
die Krise trat am siebenten Tage ein und hatte 
normale Rekonvaleszenz im Gefolge. Im vierten 
Falle wurde bei einer Pneumonie des rechten 
Unterlappens ebenfalls am zweiten Krankheits- 
tago zur Injektion geschritten; trotzdem kam 
es zu einer Propagation über die ganze rechte 
Lunge und den linken Oberlappen. Als am 
achten Tage schon Trachcalrasseln zu hören 
war, entschloß sich Lindenstein zur zweiten 


Injektion von 10 ccm. Nach einer Pseudokrise 
am neunten Tage trat am elften die Krise ein: 
die Rekonvaleszenz war normal, ln allen 
Fällen war das subjektive Befinden nach der 
Injektion auffallend gut; der Puls blieb immer, 
auch ohne Kampfer, gut und voll. Die Tempe 
ratur wurde durch das Serum in keinem Falk 
wesentlich beeinflußt; geringe Remissionen nach 
der Injektion waren nur von kurzer Dauer. 
Schädigende Einwirkungen der Therapie konnte 
Verfasser nicht beobachten. 

Vor Lindenstein haben schon Knuth- 
Würzburg und Päß ler-Leipzig Versuche in 
dieser Richtung angestellt, doch nahmen sic 
erst im Verlauf der Krankheit, meist, wenn die 
Erscheinungen bedrohlicher wurden, die Injek¬ 
tion vor. Im Gegensatz zu ihnen hält Linden¬ 
stein die sofortige Serumanwendung für äußerst 
wichtig. 

A. Raebiger (Woltersdorfer Schleuse). 


F. Verschiedenes. 

F. Blumenthal, Stoffwechselkrankheiten. 

Medizinische Handbibliothek Bd. 13. 

Das Werkchen stellt die Grundzfige des 
Gebietes dar und läßt nichts wesentliches w 
missen. Insbesondere ist der jedem Kapitel 
vorausgeschicktft allgemeine Teil mit den not¬ 
wendigen chemischen Erörterungen klar ge¬ 
halten, und sind bei der Therapie auch die 
neuesten Mitteilungen über Heilverfahren an 
gegeben. Das Buch ist für den Gebrauch in 
der Praxis recht geeignet, doch darf die Be¬ 
merkung nicht unterdrückt werden, daß der 
Text hier und da Flüchtigkeiten, stilistische 
Mängel und Druckfehler enthält. 

Laser (Wiesbaden) 

Marburg, Die physikalischen Heilmethoden 
in Einzeldarstellungen ffir praktische 
irzte und Studierende. Leipzig-Wien 1P05. 

Entsprechend der immer wachsenden 
Bedeutung der physikalischen Therapie mehrt 
sich die Literatur darüber, und trotzdem 
kann nicht geleugnet werden, daß es immer 
noch gerechtfertigt erscheint, das große 
Gebiet in bequem übersehbarer Form dar¬ 
zustellen. Dies ist in dem von Marburg 
herausgegebenen Buch in recht geschickter 
Weise gemacht: es haben die Darstellung der 
einzelnen Disziplinen bewährte Vertreter der¬ 
selben übernommen, die auf den bezüglichen 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


669 


Gebieten durch lange Erfahrung kompetent sind: 
£9 sind die Mitarbeiter: Clar und Epstein 
(Wien), Balneotherapie; Hatscheck (Gräfen- 
berg-Wien), Hydrotherapie; Holzknecht 
(Wien), Röntgentherapie; Schmidt (Berlin), 
Finsentherapie; Ul 1 mann (Wien), Thermo- 
therapie; Marburg (Wien), Elektrotherapie; 
Ewer (Berlin), Massage, Heilgymnastik, 
Mechanotherapie; Förster (Breslau), kompen¬ 
satorische Übungstherapie; Knoedl (Wien), 
Krankenpflege. Der Hauptwert des Buches 
liegt darin, daß fast überall vermieden ist, all¬ 
gemeine Ausführungen zu geben, die dann oft 
genug sich im konkreten Falle nicht durch¬ 
führen lassen; im Gegenteil findet man be¬ 
stimmte Angaben für alle nur erdenklichen 
krankhaften und abnormen Zustände. Dabei 
ist als besonders wichtig hervorgehoben, daß 
auch darüber hinaus die physikalischen Be¬ 
handlungsmethoden berufen sind, im weitesten 
Umfang neben und an Stelle medizinischer 
Therapie angewandt zu werden. So macht 
Ewer z. B. darauf aufmerksam, daß bei der 
Chlorose, namentlich wenn träger Stuhlgang 
besteht, Massage oft ausgezeichnete Dienste 
leistet. Weiter ist das Massieren von Patienten, 
die lange bettlägerig sind, eine wichtige Ma߬ 
nahme. Aus dem Gebiete der Elektrotherapie 
sei hier erwähnt, daß man im allgemeinen nicht 
bei Migräne, Chorea und Epilepsie elektrisieren 1 
soll — eine Vorschrift, die nicht überflüssig ist, I 
weil nicht immer die Grenzen und Leistungs¬ 
fähigkeit elektrotherapeutischer Maßnahmen 
beachtet werden. In dem Kapitel Balneo- , 
therapie ist den österreichischen und un¬ 
garischen Badeorten ein vielleicht im Ver¬ 
hältnis zu den übrigen zu breiter Raum ge¬ 
widmet; an und für sich ist dagegen nichts zu 
sagen, da deren Kenntnis z. T. durchaus nicht 
so allgemein verbreitet ist, wie es erforderlich 
wäre. Auch der Abschnitt über kompen¬ 
satorische Übungstherapie bei Tabes ist viel¬ 
leicht zu eng gefaßt; denn wenn auch die Tabes j 
in erster Reihe die Indikation für Übungs¬ 
therapie abgibt, so sind ihr doch eine ganze 
Reihe anderer Rückenmarkserkrankungen zu¬ 
gänglich, und nicht nur solche, sondern über¬ 
haupt die verschiedensten Affektionen, bei 
denen irgendwelche Bewegungsstörungen eines 
Organs vorliegen. Dadurch wird natürlich der 
Wert sowohl der betreffenden Kapitel als solcher, 
sowie überhaupt des Buches nicht geschmälert; 
vielleicht sind diese Anregungen für eine neue 
Auflage verwertbar, die hoffentlich bald er¬ 
forderlich sein wird. Mamlock (Berlin). 


G. Herter, Eine verbesserte Spuckflascbe. 
Deutsche medizinische Wochenschrift 1905. 
Nr. 28. 

Da nach der Erfahrung des Verfassers die 
gebräuchlichen Spuckflaschen nicht den an sie 
zu stellenden Ansprüchen, namentlich in bezug 
auf die Leichtigkeit der Desinfektion und die 
Sicherheit des Verschlusses entsprechen, hat 
derselbe einen Verschluß konstruiert, der be¬ 
quem, zuverlässig, dauerhaft und einer gründ¬ 
lichen Desinfektion zugänglich ist. Er besteht 
aus einem in den Flaschenhals eingeschliffenen 
Glasstöpsel, der wie ein Klappdeckel gehand- 
habt wird. Dies ist dadurch ermöglicht, daß 
die geschliffene Fläche des Stöpsels dem Mantel 
eines breiten Kegels entspricht und genau auf 
die ebenso ausgeschliffene Innenfläche des 
Kapselhalses paßt. Der obere übergreifende 
Teil des Stöpsels trägt an einander gegenüber¬ 
liegenden Stellen seines Randes zwei Vor¬ 
sprünge, die mit ihm aus einem Stück gegossen 
sind und die dann der scharnierartigen Ver¬ 
bindung mit der Flasche einerseits und dem 
Angreifen des Verschlusses andrerseits dienen. 

Da als Material nur Glas und Metall ver¬ 
wendet ist und alle Teile zugänglich sind, so 
macht dio Desinfektion durch Auskochen keine 
Schwierigkeit. (Die Flaschen werden von der 
Firma Bach und Riedel in Berlin geliefert.) 

Fritz Loeb (München). 

v. Leyden, Einiges über die drobende 
Epidemie der Genickstarre. Deutsche 
medizinische Wochenschrift 1905 Nr. 21. 

Der Verfasser greift auf die Epidemie von 
1863/64 zurück, die ebenso wie die jetzige von 
Schlesien ausgegangen war. Man unterschied 
damals drei verschiedene Arten des Verlaufs: 
einmal eine apoplektiforme, die ganz plötzlich 
und foudroyant einsetzte, dann mittlere und 
leichtere Formen. Die Mehrzahl der Fälle ver¬ 
lief protrahiert und ging mit Remissionen und 
Exazerbationen einher. Befallen wurden haupt¬ 
sächlich jüngere Personen und Kinder. Das 
wichtigste Symptom waren auch damals dio 
zerebralen Erscheinungen, insonderheit die 
Nackonsteifigkeit,Kopfschmerzen und Erbrechen. 
Die Therapie war vorwiegend eine antifebrile; 
die Patienten bekamen mehr oder minder große 
Dosen Chinin. Blutentziehungen wurden nur 
in kleinem Maßstabo gemacht Heiße Bäder, 
die jetzt wieder empfohlen werden, haben sich 
nicht als zweckmäßig bewährt, da die damit 


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Referate über Bücher and Aufsätze. 


verbundenen Schmerzen für die Kranken un¬ 
erträglich waren. Gute Dienste leisteten die 
Narkotika; gegen das Erbrechen war Opium 
von Nutzen. Freyhan (Berlin). 

B&umler, Die Behandlung Herzkranker mit 
physikalischen Heilmethoden« Die Therapie 
der Gegenwart 1904. November. 

Der Aufsatz enthält einen kurzen Überblick 
über unsere bisherigen Kenntnisse bezüglich 
der physikalischen Therapie der Herzkrank¬ 
heiten. Neues wird nicht gebracht. 

Gotthelf Marcuse (Breslau). 

Engelhrecht, Zur Heilung der Unter« 
Schenkelgeschwüre« Therapeutische Monats¬ 
hefte 1904. Heft 10. 

Verf. bat in 33 Fällen die von Schleich 
angegebene Methode des Peptonpasten verbandes 
angewandt und damit die vorzüglichsten Er- | 
folge erzielt. Er appliziert ihn mit einigen 
unwesentlichen Modifikationen genau nach den 
von Schleich angegebenen Vorschriften, also 
Aufstreichen der fertigen Paste, Bedecken der¬ 
selben mit einer Leinen- und Cambricbinde, 
auf die Wundfläche selbst Aufstreuen von 
Glutolserum. Der Verband bringt nicht nur die 
Plasmaüberschwemmung völlig zum Schwinden, 
sondern er bewirkt auch, daß die platzge¬ 
griffene Skleroso zurückgeht. Bei sehr beträcht¬ 
licher Sklerose wandte er eine Kombination 
des Sc hl eich sehen Verbandes mit dem Leder¬ 
kappenverband an. Von den 33 Fällen sind 
31 völlig geheilt worden, selbst Geschwüre 
von 10 und 20 Jahre langer Dauer gelangten 
wieder zur Norm, mithin ein geradezu ex¬ 
zellenter Erfolg. Als Nachbehandlung wurden 
Wicklungen der Extremitäten mit elastischen 
Binden vorgenommen. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

Sembritzkl, Zur unblutigen Behandlung der 
Furunkel« Klinisch-therapeutische Wochen¬ 
schrift 1904. Nr. 29. 

Nach dem Abrasieren der Haare und 
Reinigung des Furunkels und dessen Umgebung 
wird der Furunkel nebst der umgebenden in¬ 
filtrierten und entzündeten Hautpartie mit in 
absoluten Alkohol getauchter Watte bedeckt 
und luftdicht abgeschlossen. Innerhalb 24 Stunden 
haben die entzündliche Schwellung und Rötung 


| nachgelassen und der Prozeß hat sich lokalisiert. 

I Unter Fortsetzen dieser Behandlung stößt Bich 
i der nekrotische Pfropf innerhalb weniger Tage 
aus, und die Heilung ist in etwa acht Tagen 
beendet 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 


K« Witthauer, Gegen Schlaflosigkeit 

Therapeutische Monatshefte 1904. Heft 10. 

Witthauer lenkt die Aufmerksamkeit 
auf ein altes, von Rosenbach zuerst an¬ 
gegebenes mechanisches Hilfsmittel gegenüber 
der nervösen Schlaflosigkeit Es besteht darin, 
daß man zur Ausmerzung aller erregenden 
Geräusche dick mit Vaselin bestrichene Watte¬ 
kugeln in den äußeren Gehörgang des Ohrs, 
auf dem man nicht liegt, steckt Er will damit 
einen prompten Erfolg in zahlreichen Fällen 
erzielt haben. 

J. Marcuse (Ebenhausen b. München). 

Ganghofner, Zur Frage der Fütterung«- 

tuberkulöse« Archiv für Kinderheilkunde 

Bd. 37. Heft 5/6. 

Heller-Kiel hatte bei 714 Sektionen von 
Diphtherieleichen in 53 Fällen = 7,4% aller 
Gestorbenen resp. 37,8% der darunter befind¬ 
lichen 140 Tuberkulösen ausschließlich auf den 
Darm oder die Mesenterialdrüsen beschränkte 
Tuberkulose nachgewiesen und aus dieser Be¬ 
obachtung den Schluß gezogen, daß primäre 
intestinale Tuberkulose bei Kindern häufig sei 
und, entsprechend der Behring sehen Hypo¬ 
these, die Ernährung mit Kuhmilch für die 
Ätiologie der Tuberkulose eine wichtige Rolle 
spiele. Ganghofner dagegen fand unter 
973 in Prag an akuten Infektionskrankheiten 
(Diphtherie, Morbillen, Scarlatina, Variola) 
verstorbenen und nach der Hell ersehen 
Obduktionstechnik sezierten Kindern nur fünf¬ 
mal, d. h. bei 0,5% aller Gestorbenen resp. 2% 
der darunter befindlichen253 Tuberkulösen, reine, 
sicher primäre Intestinaltuberkulose. Er hält 
daher eine Verallgemeinerung der in Deutsch¬ 
land bisher ganz vereinzelt dastehenden Befunde 
Hellers für unzulässig und die Entstehung der 
Tuberkulose durch den Genuß perlsuchtbazillen¬ 
haltiger Milch nicht für erwiesen. Überdies stoße 
beim Vorhandensein von Danntuberkulose die 
Entscheidung darüber, ob Fütterungstuberkulose 
durch Milchgenuß vorliegt oder nicht auf 
Schwierigkeiten, denn bei der weiten Ver¬ 
breitung der menschlichen Tuberkulose und dem 


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Tagesgeschichtliche Notiz. 


671 


vielfach intimen Verkehr der Kinder mit tuber¬ 
kulösen Erwachsenen müsse man damit rechnen, 
daß von letzeren Bazillen in die Mundhöhle und 
die Verdauungsorgane der ersteren gelangen 
und bei ihnen primäre Danntuberkulose erzeugen. 

Zur Widerlegung der Behauptuug Hellers 
lassen sich auch umfassende statistische Er¬ 
hebungen heranziehen, welche Ganghofner in 
gleicher Weise, wie dies durch Biedert bereits 
früher im Algäu geschehen war, für Böhmen 
anstellte und deren Resultat dahingeht, daß 
ein Parallelismus zwischen der Tuberkulose¬ 
mortalität der Bevölkerung und der Häufigkeit 
der Rindertuberkulose, speziell auch der Euter¬ 
tuberkulose nicht vorhanden ist, daß vielmehr 
gerade von Eutertuberkulose die relativ meisten 
Fälle auf die Bezirke mit niedriger Tuberkulose¬ 
sterblichkeit entfallen. 


Verfasser präzisiert seine Ansicht über den 
gegenwärtigen Stand der Frage von der 
Fütterungstuberkulose folgendermaßen: Die 
Möglichkeit einer Übertragung der Rinder¬ 
tuberkulose auf den Menschen muß nach dem 
Ergebnis der Tierversuche zwar zugegeben 
werden, denn wenn es gelingt, Rinder mit 
menschlichen Tuberkelbazillen zu infizieren, liegt 
die Annahme nahe, daß die Infektion auch um¬ 
gekehrt Vorkommen kann; indes ist bisher 
weder durch die pathologisch-anatomischen 
Befunde, noch durch die Statistik ein Beweis 
dafür erbracht, daß eine solche Übertragung 
häufig stattfindet, und daß dem Genuß von perl¬ 
suchtbazillenhaltiger Nahrung für die Entstehung 
menschlicher Tuberkulose — insbesondere auch 
im Kindesalter — eine erhebliche Bedeutung 
zukommt. Hirschei (Berlin). 


Tagesgeschichtliche Notiz. 

Zwangloser Demonstrationsabend. Ein von den Herren Brieger, Goldscheider und 
Ruhe mann gebildetes Komitee hatte die Ärzte Berlins zum 12. Januar 1906 zu einem 
Demonstrationsabend in den Hörsaal des hydrotherapeutischen Institutes eingeladen. Vor einer 
größeren Anzahl von Kollegen eröffnete Herr Brieger die Sitzung mit einer Ansprache, in der 
er Zweck und Ziel dieser neuen Einrichtung erläuterte. Der Demonstrationsabend, der in zwei- 
bis dreiwöchentlichen Abständen abgehalten werden soll, will weder die gelehrten medizinischen 
Gesellschaften noch die Fortbildungskurse beeinträchtigen. Er soll in zwangloser Form 
Demonstrationen bringen, die in den Gesellschaften neben den eigentlichen Vorträgen allzuwenig 
berücksichtigt werden können. Die Demonstrationen sollen kurz sein (fünf bis zehn Minuten); 
sie sollen durchaus den praktischen Standpunkt berücksichtigen,* demnach nicht Unfertiges, 
sondern Überblicke über Erfahrungstatsachen, Kasuistik, Behandlungsmethoden und dergleichen 
zum Gegenstand haben. Eine kurze Diskussion ist erwünscht. Die Abende sollen abwechselnd 
in den verschiedenen Instituten und Krankenhäusern abgehalten werden. Bei der etwaigen 
Begründung eines Vereins wird ein Beitrag von 2 M. jährlich für Unkosten (Anzeigen im roten 
Blättchen etc.) erhoben werden. 

Die zirkulierende Beitrittsliste wurde von etwa 50 Herren unterzeichnet. In der nächsten 
Sitzung sollen über die Konstituierung weitere Beschlüsse gefaßt werden. Demonstrationen 
wurden gehalten von Pincus: Über Spirochäten, Karewski: Appendizitis und Empyem¬ 
behandlung; Albu: Magenkarzinom. 

Wir begrüßen in diesen Demonstrationsabenden ein neues Mittel der Fortbildung für den 
Praktiker. Es ist zu hoffen, daß sich ihr Programm erfüllen wird, daß nämlich gerade wegen 
der obwaltenden Zwanglosigkeit vorwiegend praktische Ärzte unter Fortlassung wissenschaft¬ 
licher Streitfragen und theoretischer Betrachtungen über Fälle aus der Praxis berichten, lehr¬ 
reiche Präparate zeigen, bewährte Behandlungsmethoden und Instrumente demonstrieren. Sehr 
beherzigenswert erscheint uns auch der Vorschlag Karewskis, daß diese Abende der geeignete 
Ort seien, diagnostische Irrtümer, aus denen andere lernen können, in gewissermaßen intimem 
Kollegenkreise zum besten zu geben. Wir speziell begrüßen in den Demonstrationsabenden 
eine willkommene Gelegenheit, .weitere ärztliche Kreise mit den Methoden der physikalischen 
Therapie näher vertraut zu machen. Vielleicht überzeugt sich mancher Kollege, der bisher der 
physikalisch-diätetischen Therapie fernstand, durch den Augenschein von der Mannigfaltigkeit 
ihrer Hilfsmittel und von ihrem therapeutischen Wirken. A. 


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/.\U’ 


672 


ThernpetUtuchc Neuheiten. 


Therapeutische Neuheiten, 


Apparat za r lurualon von icoehsalzlösung 1 mit SaaerstofT, 

T'tüf, YXtV ft 11n^Marburg; bat dtmdt Verbuche festgefttdlf, daU nach Verblutung m 
kUüAüicher BBitemty hcrivigefiihtt kau«, mm« mit der RoohwiklOsung .feuglekh tm 

be*tm*mte Menge rtfium Sattmtoffes ia die Yintin ’^hraeljt >viril^vwnhei die intusibnsfiüKsi^rl! 
mit SaUHrörüff gesättigt som, muß. Um da» Vtfrfchrea tinfer a-^tke.Heo*Bedißgv(flg(*i! zu emi.-v 
iu’üo«. hi ^ßratetieudep Apparat \n irri^at«m>vrwi migefrrtigt • uwd.ieirataiut 
|e »lauer auch :jgewohuiKrlie intusioima '^epriseh \\m%vÄiikrzn. Der Appftröi 

’imäebt. um eitlem mit wenig Mer.41feifen antworten, ein Liwr fä&eiife 
Zviinder :HUts deTtonröt welcher leicht *vn ruin/geiu auseinander ru 

hemmen Ist und iutii :*jEWw:k* .Störttisi^rurig' in k»>eheu4e'^ :1 PI‘^* 

gehfjgt liflii helifelifg lauge gefcooUF W&rffett kann, ohne zu ibrs^rin^i, 
Temperatur tiud WkssereUnd mml mt*& fettere« abznlesen. Durch die Wfe ■ 
verschließbare Trichieröffimng wijrd der Apparat tn einer halben Mioufe dv ' 
KmdmaUtöstmg mittelst eines sterilisiertenAfeldaucbes Mt nm fen 

durch den obereu Hahn ganz langsam Sauerstoff an« de? Fotribe 
fcia durch den unteren Halm 1Ö0 cm Flüssigkeit au&geffossen äuhI, äriihei* 
die Halme und söWUkdt besonders io d,vr LiUigsriditfing <lW Aj.riMtrvt^ 
kräftig durch; tu I 1 . 5 —3 Minuten ist die Fhh^igkeif vollständig mit Safter- 
stotT gesättigt «ad wird mNtelet eines tflerihäfcrteö, xm itniCrea liake ^ : 
festigten Schlauches Im mehr oder bo*bj(paT^ $$ 





gtiiffBf teui nlmreo flalin inftmdiert, A 

o.if diese Weise geilogt es. in eihm U&* 

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.90 ccm. rcinon ^auorstnffe ius Blut. 

D>rp«Tfentpefiitiir tfpil ABuosphäj’eöd^ 
pi l)ruigfr$t. -Eiii.. Frri wcrvlen dw 
er Sauerstoff*von dht Fllis&igkeit ei&frei 

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ng kotnißt, tiTir die öit^v^iiöse Ißfn?i«v. 

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in Befracht, da hol subkid^aBir Ehivi 
bfewebe gebunden wirft 

arUdfmug <ier Batierstoff sofort von *lee 



Von der Wifksaptkcd? dorUtuf «piche AV<ilse arigebrJtf‘hten 
tocnge kdim man sich jederzeit am Uber feiten den H b ri.cn übemmgeru te 
vop; de> Dnrcbcipbhmg mit gewöhnlicher •8alzh’»sattg omiiUMe Mr^fi Wt 
sofort, wieder .tätig* sobald timt zu führt.. KHsfet*. ’ 

W die Verwendung einer solchen insofern von Bedeutung, nfe *?e %pr*P& 
und intusiottstberapie ■ in afeh vereinigt. Diese KimilnnaHou i*phei Her ßc 
iivn,dluug wn Bfurerkrankuogen von Nutzen, sic ist . auch ehirurgf^h ' 
\erw:cHCa, z. jl. bei Blutuuge« und, bet tfer Vhrhefeitrtog jitini n lergäkmswft ß? 
; .-i.‘.v■{*».,•■{>w- IndivMuefi fiir Bapamlomien nach Rnm ateh Vorschrift, < 

, Auf Or.apd ftdiiet Vereubhe entpffebH Vtofl I*r. Kilftber nach schweren 
befeL Afah^bhea anstati der gr.vvbfeüfehVa eine saduri$tuflfgei|litiigfee fipelaakfeshjng^To die V#- 
'•in^i^prit/.cü und bei nurMjcher Fr\*-lirrrnunr dvs K<1rpers Ahr Wirkung diwr .fefusjöR durch 
■■■«*. 'uärtg. f>»t|grÄ.ct;<.le. FpiMuHmtr von 8-auerstotT zu uuterstiitzcii. 

U r b rv* ii»/h^a nwei^xing »rach Pröf, Dr, K litt nur whd jc*ie«t Apparate bergegebev.. 

:. ' f?*vis düs Apparates xur JnfasBm ruta Kor!is«özti>öung »ilt isaftmfolf M H 

rabrikanti E. Büliler, TiH>ißgeMv F 


Van \V lUixvtJÄifMl. 

. 


C 







ZEITSCHRIFT 

FÜR 

PHYSIKALISCHE um DIÄTETISCHE 


THERAPIE 


Mitarbeiter: 

Prof. v. BAUES (Bukarest), Geb.-Rat Prof. BRIEGER (Berlin), Prof. COLOMBO (Rom), Geh.-Rat Prof. 
CURSCHMANN (Leipzig), Geh.-Rat Prof. EHRLICH (Frankfurt a. M.), Prof. EICHHORST (Zürich), 
Prof. EINHORN (New York), Geh.-Rat Prof. ERB (Heidelberg), Geh.-Rat Prof. EWALD (Berlin), 
Prof. A. FRANKEL (Berlin), Geh.-Rat Prof. B. FRANKEL (Berlin), Prir.-Doz. Dr. FRANKENHÄUSER 
Berlin), Geh.-Rat Prof. FÜRBRINGER (Berlin), Prof. J. GAD (Prag), Geh.-Rat Prof. HEUBNER (Berlin), 
Geh- Rat Prof. A. HOFFMANN (Leipzig), Prof. v. JAKSCH (Prag), Prof. v. JÜRGENSEN (Tübingen), 
Prof. KITASATO (Tokio), Prof. G. KLEMPERER (Berlin), Geh.-Rat Prof. KRAUS (Berlin), Priv.-Doz. 
Dr. PAUL LAZARUS (Berlin), Geh.-Rat Prof. LICHTHEIM (Königsberg) Geh.-Rat Prof. LIEBREICH 
(Berlin), Prof. LITTEN (Berlin), Prir.-Doz. Dr. L. MANN (Breslau), Prof. MARINESCU (Bukarest), Prof. 
MARTIUS (Rostock), Prof. v. MERENG (Halle), Prof. MORITZ (Greifswald), Prof. FR. MÜLLER (München), 
Geh.-Rat Prof. NAUNYN (Strafiburg), Prof. v. NOORDEN (Frankfurt a. M.), Prof. PEL (Amsterdam), 
Prof. A. PRLBRAM (Prag), Geh.-Rat Prof. QUINCKE (Kiel), Geh.-Rat Prof. v. RENVERS (Berlin), Geh.- 
Rat Prof. RUBNER (Berlin), Prof. SAHLI (Bern), Prof. SCHREIBER (Königsberg), Sir FELIX SEMON 
(London), Geh.-Rat Prof. SENATOR (Berlin), Prof. v. STRÜMPELL (Breslau), Sir HERMANN WEBER, 
M. D. (London), Prof. WINTERNITZ (Wien), Dr. E. ZANDER (Stockholm), Geh.-Rat Prof. ZUNTZ (Berlin). 


Herausgeber: 

E. VON LETDEN und A. GOLDSCHEIDER. 

Redaktion: 

Dr. W. ALEXANDER, Berlin NW., Flensburgerstraße 19 a. 


Neunter Band (1905/1906). — Zwölftes Heft. 


1. MÄRZ 1906. 


LEIPZIG 1906 

Verlag von GEORG THIEME, Rabensteinplatz 2. 


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Preis des Jahrgangs M. 12.—. 

Mannskripte, Referate und Sonderabdrücke werden an Herrn Dr. W. Alexander, Berlin NW., 
Flensbnrgerstrasse 19 a, portofrei erbeten. 

Die Herren Mitarbeiter werden gebeten, die gewünschte Anzahl von Sonderabzügen ihrer 
Arbeiten auf der Korrektur za vermerken; 40 Sonderabzüge werden den Verfassern von Original- 
Arbeiten gratis geliefert 

Die zu den Arbeiten gehörigen Abbildungen müssen auf besonderen Blättern (nicht in da* 
Manuskript eingezeichnet) and in sorgfältigster Ausführung eingesandt werden. 


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INHALT 


L Original-Arbeiten. seit« 

I. Die Solidarität der verschiedenen physikalischen Behandlungsmethoden bei einer 

rationellen Therapeutik. Öffentlicher Vortrag, gehalten beim I. Internationalen 
Kongreß für physikalische Therapie in Lüttich im August 1905. Von Prof. 
Carlo Colombo aus Rom. Professor an der medizinischen Fakultät, Direktor 
des Zentral-Instituts der physikalischen Therapie.677 

II. Mittel zur Verlängerung des Lebens. Nach der zweiten vermehrten Auflage des vor 

dem Royal College of Physicians in London am 3. Dezember 1903 gehaltenen 
Vortrags „On means for the Prolongation of life.“ Von Sir Hermann 
Weber M. D., Konsult. Arzt am Deutschen Hospital in London und an den 
Hospitälern für Schwindsucht in Ventnor und Mount Vernon. (Fortsetz. u. Schluß.) 691 

III. Neuralgie und Muskelrheumatismus als Hindernis für Künstler und Künstlerinnen in 


ihrem Beruf. Von Dr. F. Sylvan in Berlin.721 

II. Referat© über Bücher und Aufb&tze. 

A. Diätetisches (Era&hrangstherapie). 

Koßak, Frau Dr. M., Wöchnerinnenkost.726 

Strasser, Albuminurie und physikalische Therapie.726 

Kolisch, Die diätetische Behandlung der Albuminurie.726 

Fürst, Zur Frage des Entkeimens der Kindermilch im Hause.726 

Goldstein, Erhält unser Volk genug Fleisch?.727 

Joklik, Bemerkungen zu dem Aufsatze des Herrn Dr. Goldstein: Erhält unser Volk 

genug Fleisch?.727 

Laval, Suites de Topßration. Alimentation de Topärö.727 

Linossier, Action de Tackle chlorhydriquo mödicamenteux sur la secrätion chlor- 

hydrique de Testomac.727 

Oefele, Würfelzucker als Nahrungsmittel bei Diabetes.727 

B. Hydro-, Balneo- und Klimatotherapie. 

Göbel, Die Basedowsche Krankheit und ihre Behandlung.728 

BouloumiS, Traitement hydrominöral de Tentdrocolite mucomembraneuse.728 

Clemm, Eine neue therapeutische Verwendung der Kohlensäure.728 

Barbier, Les Sanatoriums maritimes de la cöte Atlantlque en France.728 

Herz, Die physiologischen Wirkungen des künstlichen Luftstrombades.729 

Northrup, Cold fresh air troatment of pneumonia in infants and children.729 

Schalenkamp, Die Inhalationen gasförmiger Luftgemische aus der Gruppe der schwefelig- 

sauren Verbindungen bei Erkrankungen der Luftwege.729 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie und Apparatbehandlung. 

Derlin, Beitrag zur Behandlung akuter Eiterungen mit Bierscher Stauungshyperämie . . 730 


Lossen, Biersche Stauungshyperämie bei Sehnonscheidenphlegmone.730 

Treindlsberger, Weitere Mitteilung über Rückenmarksanästhesie.730 


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676 


Inhalt. 


Seite 


Gerson, Eine Vereinfachung des abnehmbaren elastischen Gipskorsetts.730 

Mongour und Carl es, Sur la valeur des injections d’air dans le traitement des nevralgies 730 

Beyer, Der Einfluß des Radfahrens auf das Herz.731 

Brauer, Die praktische Durchführung des Überdruckverfahrens.731 

D. Elektro-, Lieht- und Röntgentherapie« 

Philipp, Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes.732 

Linser, Beitrag zur Histologie der Röntgenwirkung auf die normale menschliche Haut . 732 

Hahn, Ein Beitrag zur Röntgentherapie.732 

Holding, A warning and a protector for X-ray workers.732 

Morton, Radiotherapy and Surgery, with a plea for preoperative Radiations.732 

Tonsey, Chronic rheumatism, gout and other uric-acid diatheses treated by the X-ray, 

high frequency currents, and vibratory massage.732 

Klingmüller und Halberstaedter, Über die bakterizide Wirkung des Lichtes bei der 

Finsenbehandlung.733 

Belot, Traitement du mycosis fongoYde par la radiothärapie.733 

E« Serum- und Organotherapie« 

Hanel, Aronsons Antistreptokokkenserum bei puerperaler Sepsis.733 

Frey, Meine Erfahrungen mit dem Antituberkuloseserum Marmorek.733 

Fenyvessy, Der Schutz des Organismus den Giften gegenüber.734 

Eulenburg, Zur Antithyreoidinbehandlung der Basedowschen Krankheit.735 

F. Verschiedenes« 

Gant, Die Krankheiten des Mastdarms und des Afters.735 

Woskresenki, Über lokale Stovainanästhesie.735 

Preleitner, Über Spinalanalgesie im Kindesalter.735 

von Schroen, Der neue Mikrobe der Lungenphthise und der Unterschied zwischen 

Tuberkulose und Schwindsucht.736 

Tagesgeschichtliche Notizen.736 


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Original-Arbeiten, 


i. 

Die Solidarität der verschiedenen physikalischen 
Behandlungsmethoden bei einer rationellen Therapeutik. 

Öffentlicher Vortrag, gehalten beim I. Internationalen Kongreß für 
physikalische Therapie in Lüttich im August 1905. 

Von 

Carlo Colombo aus Rom, 

Professor an der medizinischen Fakultät, 

Direktor des Zentral-Instituts der physikalischen Therapie. 

Es gibt heutzutage nur noch wenig Ärzte, die von der Existenz der physi¬ 
kalischen Therapie unberechtigterweise nichts wissen; aber wie wenige von 
ihnen haben infolge der Vernachlässigung, die diese Wissenschaft im öffentlichen 
Unterricht erfahren hat, eine genaue Kenntnis ihrer Heilkraft, um imstande zu 
sein, ihre Indikationen richtig zu stellen? Wenn die physikalische Therapie auch 
nicht den Anspruch erhebt, die pharmazeutische Therapie und die Chirurgie voll¬ 
kommen zu ersetzen, so konstatiert sie doch täglich eine Erweiterung der Grenzen, 
in denen sie ihre unschätzbaren Dienste erweisen kann. So läßt sich nichts gegen 
diejenigen sagen, die in anbetracht der kürzlich erhaltenen wunderbaren Resul¬ 
tate der Radiotherapie bei spezifischen Läsionen, bei Krebs und bei anderen mehr 
oder weniger bösartigen Neoplasmen der äußeren und inneren Organe, bei 
Leukämie etc. der Meinung sind, daß die physikalische Therapie von immer 
größerem Wert und ein unentbehrlicher Bundesgenosse der alten therapeutischen, 
medizinischen und chirurgischen Systeme sein wird, selbst bei Krankheitsformen, 
die wir wohl alle übereinstimmend als deren ausschließliche Domäne betrachten. 
Am deutlichsten zeigt sich aber der ganze unbestrittene Wert der physikalischen 
Theraphie auf einem weiten Gebiet, das von der alten Medizin fast ganz ver¬ 
nachlässigt und in bitterem Eingeständnis ihrer eigenen Ohnmacht, als das der 
unheilbaren Krankheiten bezeichnet wurde. 

Ihre volle Existenzberechtigung offenbart sich bei der Kategorie all jener 
unzähligen Krankheiten, die, langsam fortschreitend, schleichend den ganzen 
Organismus untergraben oder für immer die Funktionen der wichtigen Lebens¬ 
organe aufheben, wie: Residuen nach-tiefen Läsionen der Nervenzentren, funktio¬ 
neile Störungen, als Folgen traumatischer Läsionen und diejenigen pathologischen 
Formen ohne anatomisches Substrat, die, wenn sie auch im Grunde nur einfache 


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678 Carlo Colombo 


Störungen und an sich ungefährlich sind, den Patienten das Leben unerträglich 
machen können. Man braucht wohl nicht daran zu erinnern, wie wenig man zur 
Zeit, als die physikalischen Mittel noch nicht für die Medizin ausgenutzt wurden, 
imstande war, bei Hemiplegie, infantiler Paralyse, Tabes dorsalis, Arthritis deformans, 
ausgedehnter und schwerer Muskelatrophie, Steifheit und artikulärer Ankylose 
eine Besserung herbeizuführen. 

Andererseits ist die Matena medica durch die Beschaffenheit ihrer Hilfs¬ 
quellen auf eine oberflächliche Wirkungsweise beschränkt und hat dabei einen nur 
scheinbaren Erfolg. Sie begnügt sich damit, eine mehr oder weniger wirksame 
und harmlose Arznei bei all denen Symptomen anzuwenden, die abwechselnd im 
Krankheitsbilde vorherrschen. 

Welches Medikament, sei es allein angewandt oder in noch so rationeller 
Verbindung mit anderen, ist wohl imstande, in Fällen von Fettsucht eine funda¬ 
mentale und andauernde Veränderung herbeizuführen? Sicher nicht die viel¬ 
gerühmten, wie Jodkalium und Thyroidine. Wohl gelingt es diesen, durch die all¬ 
gemeine Intoxikation des Organismus eine starke Abnahme des Patienten herbei¬ 
zuführen, aber sie bewirken keine dauerhafte Erhöhung der Herzkraft und der Tätig¬ 
keit des Blutkreislaufes, keine Beschleunigung des organischen Stoffwechsels, keine 
Besserung des Allgemeinbefindens. Bei hanisaurer Diathese und allen ihren neural¬ 
gischen, arthritischen, viszeralen und sonstigen Äußerungen läßt sich keine noch 
so hohe Dosis von Piperazin, Lithium, Urezidin, Lysidin und Sidonal feststellen, deren 
Erfolg in der Praxis auch nur im entferntesten derjenigen therapeutischen Wirkung 
gleichkäme, die man gewöhnlich durch eine systematische Schwitzkur und Muskel¬ 
übung mit einer angemessenen Diät erzielt. So ist es auch sicher, daß bei Störungen 
des Blutkreislaufs peripherischen Ursprungs, die gewöhnlich als arterielle Kardio- 
pathien, welche auf Überspannung beruhen, bezeichnet werden, keins der als 
angeblich den Blutdruck herabsetzenden Medikamente (in erster Linie das Jod¬ 
kalium) eine Verminderung des Blutdruckes oder eine Erleichterung der vermehrten 
Tätigkeit des Herzmuskels zu erzielen imstande ist. Dies gelingt hingegen absolut 
sicher und ohne Beschwerden bei Anwendung von Bauchmassage (Huchard), von 
heißen Luftbädern (römische Bäder, Colombo) oder von Hochfrequenzströmen 
(Moutier). Bei wirklichen Kardiopathien muß man, sobald sich leichte Symptome 
von Unregelmäßigkeit zeigen, zur Kinesitherapie greifen, und zwar in Form von 
schwedischer Heilgymnastik oder von Oertels Terrainkur. Die Kinesitherapie 
vermag dem Herzmuskel einen großen Teil seiner verlorenen Energie wieder¬ 
zugeben und den allgemeinen Blutkreislauf wieder auszugleichen, so daß sie 
bereits die physikalische Digitalis genannt worden ist, von der sie sich indessen 
dadurch vorteilhaft unterscheidet, daß sie weder ihre nur vorübergehende Wirkung 
aufweist, noch die Gefahr der zu starken Kumulation bietet. 

Was die Beschwerden der Verdauungsorgane anbelangt, so ist bekannt, daß 
die hartnäckigsten Verstopfungen, welche auf Erschlaffung der Darmmuskeln be¬ 
ruhen, durch eine einige Monate anhaltende, energische Bauchmassage (besonders mit 
Zuhilfenahme der Elektrizität) vollständig geheilt wurden, während sie sich vorher 
allen innerlich verordneten Arzneien widersetzt hatten. 

Den Ärzten, die mit purgierenden Mineralwässern praktizieren, sind auch viele 
Arten von Verstopfung bekannt, die nach dem Gebrauch des Wassers statt sich zu 


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Die Solidarität der verschiedenen physikalischen Behandlungsmethoden etc. 679 

verbessern, verschlimmern; sie sind dann gezwungen, den Gebrauch des Wassers 
einstellen zu lassen und erhöhte und wiederholte Dosen Opium zu verordnen. 
Diese spasmodischen Formen der Verstopfung kann die physikalische Therapie in 
ziemlich kurzer Zeit bessern und durch eine besondere Art der Beruhigungs¬ 
massage heilen. 

Schwere Schlaflosigkeit, die weder die stärksten Schlafmittel, noch die größten 
Dosen Brom beheben können, weicht der beruhigenden und harmlosen Wirkung 
eines entsprechend verabreichten lauwarmen oder warmen Bades. 

Für einen Neurastheniker, der unter dem Drucke psychischer und genitaler 
Depressionsäußerungen steht, ist eine geeignete Stimulation durch Elektrizität und 
eine angemessene hydrotherapeutische Anwendung erfolgreicher als chemische 
Reizmittel, wie Strichnyn, deren Wirkung eine vorübergehende und oft nicht 
indifferente ist. 

Auch bei bösartiger Arthritis mit akutem Entzündungsprozeß ist die lokale 
Anwendung von trockener Hitze ein wirksameres Surrogat als Jodinjektionen und 
ein sicheres und besser vertragenes Mittel als dies, nm das Leiden zu heilen 
oder wenigstens zu lindern. 

Dies alles sind elementare Begriffe für jeden, der die physikalische Therapie 
zu seinem Studium gemacht und in der Praxis angewendet hat. Das ist nun 
allerdings bei der Mehrheit der praktischen Ärzte nicht der Fall und auch nicht 
bei denen, die an der Spitze der offiziellen wissenschaftlichen Bewegung stehen. 
Es wird daher für die physikalischen Therapeuten eine schwierige, aber verdienst¬ 
volle Aufgabe sein, die wenigen Gegner in den medizinischen Fakultäten zu be¬ 
siegen und von ihrem Lehrstuhl aus das Studium und die praktische Anwendung 
der physikalischen Therapie zu popularisieren. 

Die physikalischen Mittel zeigen sich als wunderbare Werkzeuge in der 
Hand des Arztes, der sie anzuwenden versteht; dazu muß er sich aber speziell 
dem Studium der physikalischen nnd therapeutischen Eigenschaften jeder einzelnen 
Kraft gewidmet und sich längere Zeit und mit größter Geduld in der Hand¬ 
habung und Technik ihrer Anwendung bei dem Kranken geübt haben. Anderer¬ 
seits soll man nicht in den Fehler verfallen, sich ausschließlich dem Studium und 
der praktischen Anwendung einzelner physikalischen Methoden hinzugeben. Es 
ist gefährlich, sich zu sehr zu spezialisieren! 

Diese neue Wahrheit hat sich zu unserer Überraschung und Freude ihren 
Weg mit besonderer Schnelligkeit gebahnt. Von jetzt ab sieht jeder ein, wie 
notwendig es ist, die verstreuten Kräfte zu einem Ganzen zusammenzuschließen. 
Wir haben dafür den sprechendsten Beweis auf diesem 1 . Internationalen Kongress 
für physikalische Therapie, der hier in Lüttich die Blüte der Kinesitherapie, der 
Elektrotherapie und Radiologie, der Hydrotherapie und der Photothermotherapie 
aus der ganzen Welt zusammenberufen hat. 

Auch der nächste internationale Kongreß in Venedig, der sich früher auf 
die Pflege der Hydrologie und Klimatologie beschränkte, hat auf seiner Fahne 
das Wort „physikalische Therapie“ hinzugesetzt. Allerdings hat das organisierende 
Komitee diese Neuerung unter eine Nebensektion gebracht, wie wenn die physi¬ 
kalische Therapeutik nicht das Gefäss, sondern der Inhalt, oder nur ein Ergänzungs¬ 
zweig der Hydrologie und Klimatologie wäre; aber diese Herren müssen nun 


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eingesehen haben, daß zukünftige Kongresse für physikalische Therapie die Spezial¬ 
kongresse für Hydrologie und Klimatologie in sich vereinen werden, wie es bereits 
mit denen für Kinesitherapie und Elektrotherapie geschehen ist. 

Wir müssen die physikalische Therapie vom synthetischen Standpunkt ans 
betrachten und zwar als eine Gesamtheit von Heilmitteln, deren sich der Arzt, 
je nach Bedürfnis bedienen soll, um diese oder jene Krankheitsart zu bekämpfen. 
Eben die Krankheit und ihre Symptome müssen dem Arzt andeuten, welches die 
geeignetsten Waffen zu ihrer Bekämpfung sind. Dessenungeachtet sind wir noch 
manchmal bei zweifelhaften Situationen zugegen, die dem Patienten schädlich 
und für den Arzt nicht ehrenvoll sind. In diesen müssen wir den Grund 
für den Mißkredit suchen, in dem noch in gewissen Kreisen die physikalische 
Therapie steht. 

Es gibt Kollegen, welche in zahlreichen Publikationen beweisen zu können 
glauben, daß ein einziges physikalisches Mittel (selbstverständlich dasjenige, mit 
dem sie sich beschäftigt haben) ausreiche, um alle Krankheiten, welcher Art 
sie auch sein mögen, zu behandeln und zu heilen; sie würden genau wie jene 
Charlatane handeln, die auf der Straße ihr Spezifikum verkaufen. Wir müssen 
bedauerlicherweise solche unangenehmen Vorkommnisse in fast allen Zweigen der 
physikalischen Therapie konstatieren, obgleich diejenigen, die Massage, Hydro¬ 
therapie und Elektrotherapie betreffen, besonders hervorzuheben sind. 

Es befindet sich eine Abhandlung über Massagetherapie im Umlauf, in 
welcher der Autor (ein Doktor der Medizin) nicht zufrieden damit, daß er die 
Massage und Vibration als Heilmittel für alle bekannten chronischen Krankheiten 
anerkennt und in dem er auch in großer Reichhaltigkeit thermometrische Kurven 
und sphygmographische Aufzeichnungen veröffentlicht, um damit zu beweisen, 
daß Typhus, Scharlach, Diphtherie, Masern, akute Peritonitis, Meningitis, croupest 
Pneumonie und verschiedene andere ansteckende und mit Fieber verbundene Krank¬ 
heiten durch verschiedentliche Anwendung von Massage und mit Hilfe von vier 
gymnastischen Übungen leicht heilbar seien! 

Nicht weniger überraschend wirken die Akrobatenkunststücke gewisser Hydro- 
therapeuten (besonders der Anhänger des Kneippschen Systems) und einer 
großen Zahl von Elektrotlierapeuten, von denen einige behaupten, die Ankylose 
durch den galvanischen Strom heilen zu können. 

Zu solchen Irrtümern gelangt man, wenn man die synthetische Auffassung 
außer acht läßt, die den Arzt in der Wahl seiner Mittel leiten soll; so glauben 
im Gegensätze dazu viele, sehr klug daran zu tun, wenn sie die Mittel ana¬ 
lysieren und bis zum äußersten in Unterabteilungen zerlegen. Unter dem Vor¬ 
wände der Arbeitsteilung trachten sie so nach einem einzigen Ziel zum großen 
Schaden der Wissenschaft. 

Gewiß darf man dem Gelehrten nicht das Recht verwehren, seine ganze 
Tätigkeit auf ein einziges Problem zu beschränken; der unparteiische Forscher 
darf den Versuch machen, ein gegebenes Prinzip bei der Lösung der wider¬ 
sprechendsten und scheinbar widersinnigsten Probleme anzuwenden, da aus diesen 
Experimenten für den Dritten kein Schaden entsteht. Der Forscher wird dann 
seine wahren und unverfälschten Schlüsse daraus ziehen. Es wäre aber zum 
mindesten gewagt, dieses Recht der Ausnutzung eines einsaitigen Instrumentes 


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dem praktischen Arzt oder dem Spezialisten znznhilligen, dessen Existenz davon 
abhängt. 

Diese Beschränkung der eigenen Hilfsquellen, diese zu analytische Speziali¬ 
sierung der physikalischen Therapie führt zu einer Menge von Unannehmlichkeiten, 
die selbst mit dem besten Willen und reinsten Gewissen schwer zu vermeiden 
sind. Sie bewirkt, daß der Spezialist seine ganze Aufmerksamkeit einer einzigen 
physikalischen Kraft zuwendet, daß er sich eine zu einseitige Schätzung aneignet 
und sein therapeutisches Urteil fälscht; mit einem Wort, sie verhindert ihn, die 
anderen Heilfaktoren in Betracht zu ziehen, die für ihn nicht existieren. 

Unter diesen Umständen wird es nach und nach für den Spezialisten zur 
Gewohnheit, die von ihm angewendete Massage, Mineralwässer, Elektrizität als 
Universalmittel für alle Leiden zu betrachten, und so schadet er nicht nur vielen 
seiner Patienten, die er unbewußt anderer, vielleicht wirksamerer Mittel beraubt, 
sondern er bringt auch die von ihm ausgeübte Spezialität in Mißkredit. 

Ebenso würden wir auch den Arzt verurteilen, der, nachdem er aus der 
Pharmakopoe eins der wirksamsten Mittel, wie Chinin oder Quecksilber, aus¬ 
gesucht hat, dessen Indikation und Anwendung auf alle pathologischen Fälle aus¬ 
dehnen wollte. 

Die physikalischen Mittel sind sicher die kostbarsten und jedes unübertroffen 
in seinem Wirkungsbereich, aber man soll nicht die Grenzen ihrer rationellen, 
wissenschaftlich demonstrierten Indikationen überschreiten, und vor allem dürfen 
die verschiedenen Mittel nicht gegenseitig in ihre Rechte eingreifen. 

Auf dieser unter den verschiedenen physikalischen Kräften herrschenden 
Solidarität beruht der große Vorteil der physikalischen Therapie, nämlich der, 
eine wirkliche kausale Therapeutik zu begründen im Gegensatz zu der eben er¬ 
wähnten pharmazeutischen Therapie, die notgedrungen in den meisten Fällen eine 
symptomatische Therapeutik bleibt. Für den physikalischen Therapeuten ist es 
also in viel größerem Maße als für den gewöhnlichen Arzt absolut notwendig, 
eine genaue kausale Diagnose der Krankheit zu stellen, bevor er die Behandlung 
anordnet. 

Was tut er angesichts einer Neuralgie? 

Der Arzt soll dabei nicht ohne weiteres folgern: „Das Leiden des Patienten 
wird durch den Schmerz verursacht; mein Ziel muß also sein, den Schmerz durch 
das am schnellsten wirkende Mittel zu unterdrücken“. Bei dieser Beurteilung 
würde die ganze Pflicht des Arztes darin bestehen, dem Kranken eine Reihe von 
Morphiuminjektionen oder einer anderen anästhesierenden Substanz zu verabfolgen, 
oder ihn einer regelmäßigen Behandlung mit galvanischer Elektrizität oder einer 
Thermotherapie zu unterziehen. 

Im Gegensatz dazu haben wir aber alle die Überzeugung, daß es ab¬ 
solut notwendig ist, das kausale Element herauszuflnden; das Symptom, der 
Schmerz würde umsonst bekämpft werden, solange die anfängliche Ursache fort¬ 
besteht. Wenn man es versäumt, das kausale Element herauszufinden, begeht 
man nicht nur einen Irrtum, sondern einen schweren Fehler; denn während sich 
der Arzt mit der Anwendung von Palliativmitteln aufhält, schreitet der zugrunde 
liegende Krankheitsprozeß fort und überrascht den Arzt dann, wenn es keine 
Hilfe mehr gibt. 


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Lassen Sie uns zu unserem Beispiel zurückkehren und überlegen, welches 
die Ursachen sein können, die einer Neuralgie oder, genauer bestimmt, einer 
Ischias zugrunde liegen. Sie hat zahlreiche Ursachen, von denen jedoch zwei 
am häufigsten wiederkehren. Die Ischias ist gewöhnlich rheumatischen (infektiösen) 
oder gichtischen Ursprungs. 

Im ersten Falle bleibt der physikalischen Therapeutik wenig zu tun übrig, 
es sind dabei am meisten Karbolsäureinjektionen indiziert, außerdem Ruhe für 
das betreffende Glied, Hygiene und gewöhnliche Therapeutik. 

Im Gegensatz dazu ist bei gichtischer Ischias das Eingreifen der physi¬ 
kalischen Heilmethode von ausgezeichnetem Erfolge begleitet und sie allein ist 
imstande, das Leiden zu bekämpfen. 

Hier wird das kausale Element der Neuralgie durch uratische Depots fest¬ 
gestellt, die sich unter dem Neurilemm des erkrankten Nerven befinden und deren 
Vorhandensein den Schmerz verursacht. 

Infolgedessen muß die ganze Aufmerksamkeit des Arztes auf die Wieder¬ 
kehr in die allgemeine Zirkulation der gichtischen Ablagerungen gerichtet sein, 
die sich unter dem Neurilemm festgesetzt haben, nachdem die Ausstoßung der im 
Übermaß vorhandenen Harnsäure, die sich im Blutumlauf befindet, durch die natür¬ 
lichen Emuntorien bewirkt worden ist, oder nachdem eine normale Umgestaltung 
im Körper selbst vor sich gegangen ist. Dieser mannigfaltige und schwierige 
Erfolg wird erreicht, wenn man in rationeller Weise verschiedene physikalische 
Mittel ausnutzt. 

Die Pathologie lehrt, daß die Urate nur dann einen Niederschlag bilden, 
wenn das Blut davon übersättigt ist oder wenn durch noch nicht genügend ab¬ 
geklärte Vorgänge, die veränderte Azidität es daran verhindert, das Übermaß an 
Harnsäure in der Zirkulation aufgelöst zu erhalten. In diesem Falle bildet sie 
einen Niederschlag und setzt sich in denjenigen Geweben und Organen fest, die 
momentan gerade die stärkste Empfänglichkeit für sie haben. Dies sind die loci 
minoris resistentiae, die einer endogenen Ursache entspringen (besondere patho¬ 
logische Bedingung) oder auch einer exogenen, gewöhnlich rheumatischer (Kälte¬ 
wirkung) oder traumatischer Art. 

Hinsichtlich der Verschiedenheit des Sitzes dieser mangelnden Widerstandskraft 
unterscheidet man die verschiedensten krankhaften Symptome der harnsauren Diathese, 
nämlich: Neuralgien, deren Sitz das Neurilemm ist; ferner Hautaffektionen, wie 
herpes, ekxema, psoriasis, wenn die verschiedenen Hautschichten in Mitleidenschaft 
gezogen sind; ferner Asthma oder chronischer Bronchialkatarrh, wenn die bronchiale 
Schleimhaut mit angegriffen ist; dann verschiedene artkritische und gichtische 
Formen in den Fällen, wo die Gelenkfläche der locus minoris resistentiae ist. 

Daraus geht klar hervor, daß die gichtischen Depots, die sich in den Ge¬ 
weben befinden und die verschiedenen Symptome hervorrufen, nicht eher in die 
Zirkulation eintreten können, bevor der im Kreislauf befindliche Bestand an Harn¬ 
säure (infolge von Ausstoßung oder Oxydation, sei es spontan, sei es künstlich 
hervorgerufen) derartig reduziert ist, daß das Blut sie in den Grenzen einer nor¬ 
malen Sättigung aufgelöst halten kann. 

Hier findet sich die Erklärung für den nicht zu leugnenden Mißerfolg, der 
die verschiedenen steinlösenden und antigichtischen Mittel begleitet, deren Wir- 


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kung auf der Auflösung der Harnsäure beruht und die sich (bei dem Piperazin, 
Lysidin und dem Urezidin) besonders auf die in den Gelenken befindlichen gich¬ 
tischen Ablagerungen erstreckt. 

Wie verfährt nun die physikalische Therapeutik, um im Organismus diese 
Ausstoßung oder weitere Umformung der im Übermaß vorhandenen zirkulierenden 
Harnsäure zu bewirken und um die Resorption der in den Geweben festgesetzten 
harnsauren Salze wirklich möglich zu machen? 

Die physikalische Therapeutik wird sich vor allem bemühen, die Tätigkeit 
aller natürlichen Öffnungen anzuregen, also bei den Nieren, der Haut, den Langen 
und dem Darm, die bei harnsaurer Diathese gewöhnlich sehr träge sind und 
ungenügend arbeiten. 

So trägt besonders die Funktion der Nieren in Fällen, wo diese eine ana¬ 
tomische Veränderung erfahren haben (gichtische Nieren) durch verminderte Aus¬ 
scheidung der festen Bestandteile des Urins am meisten dazu bei, das Blut mit 
Harnsäure zu sättigen. Diese Nierenfunktion kann durch reichlichen Gebrauch 
geeigneten Mineralwassers, besonders solchen von schwachem Mineralgehalt, wie 
Fiuggi, angeregt und begünstigt werden. Denn man weiß heutzutage schon, daß 
bei harnsaurer Diathese dasjenige Mineralwasser am wirksamsten ist, das verhältnis¬ 
mäßig wenig feste Bestandteile hat; diese Eigenschaft befähigt es, eine größere 
Menge im Blute befindliche Harnsäure aufgelöst zu halten und durch den Nieren¬ 
filter weiterzuführen. 

Diese Verbesserung der Nierenfunktion durch Hi/dropinotherapic genügt in¬ 
dessen nicht, um eine genügende Blutreinigung zu sichern. 

Notwendigerweise muß man auch auf andere Hilfsmittel zurückgreifen, vor 
allem auf die Diaphorese, dieses große Emuntorium, dessen funktionelle Fähigkeit 
durch ihre Gefahrlosigkeit von besonderer Ausdehnung ist. 

Hier spielt die Thermotherapie ihre Rolle. 

Durch die Wirkung der Hitze auf die Hautoberfläche des Körpers sollen 
die dort befindlichen Gewebe stark hyperämisiert und eine sehr lebhafte Hyper- 
lunktion der Schweißdrüsen herbeigeführt werden, so daß der Schweiß die im Blute 
gesammelten abnormen Bestandteile, die Produkte der veränderten Ernährung in 
Fülle mit sich fortführt. 

Es ist hier nicht unsere Aufgabe, die verschiedenen Mittel, über die die 
Thermotherapie verfügt, um diesen Zweck zu erreichen, untereinander zu ver¬ 
gleichen. Wir wollen nur auf die hauptsächlichsten hin weisen, nämlich: Thermal¬ 
bäder oder künstliche warme Bäder, natürliche Schlammbäder, heisse Sandbäder, 
künstliche und natürliche Dampfbäder, Lichtbäder und türkische und russische 
Bäder. 

Alle, die sich mit der Materie beschäftigen, stimmen darin überein, daß sie 
unter den verschiedenen thermotherapeutischen Methoden diejenigen am höchsten 
bewerten, welche die reichlichste Transpiration bewirken und am besten vertragen 
werden; es ist die Anwendung trockener Hitze. 

Die Hitze der umgebenden Luft, in welcher die Transpiration bewirkt wird, 
begünstigt eine schnelle Verdunstung der aus den Poren der Haut heraus¬ 
tretenden Flüssigkeit, und durch diese Verdunstung entzieht man der Haut Wärme, 
so daß sie mit Leichtigkeit unglaublich erhöhte Temperaturen vertragen kann. 


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Unter den verschiedenen allgemeinen heißen, trockenen Luftbädern sind 
jedenfalls diejenigen vorzuziehen, die auch den Kopf mit der heißen Loft in Be¬ 
rührung bringen; die künstliche Hyperthermie bietet, wenn sie sich auch auf die 
Atmungswege erstreckt, noch einen besonderen Vorteil: durch die Mitwirkung 
der Lungen wird die Ausstoßung der Stoffwechselprodukte befördert, zu deren 
Zerstörung man diesen dritten mächtigen Hilfsfaktor mit Recht eingreifen 
lassen kann. 

Die Anteilnahme der Respirationswege an der Einwirkung der überhitzten 
Luft, wie bei den römischen Bädern, hat nicht nur den Vorteil, daß sie die 
Transpiration befördert, sondern sie ist auch eine Grundbedingung für die Sicher¬ 
heit und Unschädlichkeit. 

Bei derjenigen hyperthermischen Behandlung dagegen, die sich nicht auf 
den Kopf miterstreckt, wie z. B. bei den Lichtbädern von Kellog, sind Gehim- 
kongestionen unvermeidlich, und die fehlende Gleichmäßigkeit der Temperatur, 
die sich zwischen Haut- und Lungenoberfläche ergibt, genügt, um die schwersten 
Nachteile für das Herz und die zartesten Verzweigungen der viszeralen Blut¬ 
gefäße hervorzurufen. 

Wenden wir uns zum Darm. 

Die Tätigkeit der Darmschleimhaut kann durch tägliche salzige Abführungs¬ 
mittel oder noch besser durch Kochsalz oder schwefelsaures Natrium enthaltende 
Mineralwässer angeregt werden. Der Erfolg wird ein doppelter sein: erstens eine 
größere Elimination von Harnsäure durch die Darmschleimhaut, und zweitens eine 
regelmäßige Abführung der Verdauungsresidua, in welchen sich, neueren Forschungen 
zufolge, diejenigen Stoffe heranbilden, aus denen die Harnsäure entsteht. 

Nachdem so eine Ausstoßung der im Blute zirkulierenden aufgelösten Harn¬ 
säure auf den verschiedensten Wegen stattgefunden hat, ist es nicht mehr schwer, 
mit der Zirkulation die uratischen Depots fortzuführen; diese Tatsache wird dem 
Patienten durch das Aufhören und eine Milderung des Schmerzes zum Bewußt¬ 
sein kommen. 

Neben diesen Grundelementen der Behandlung bietet die physikalische Thera- 
peutik noch andere Hilfsmethoden, die das eine oder das andere Symptom direkt 
bekämpfen sollen. So eignen sich zur Abschwächung der Schmerzempfindlichkeit 
die galvanische Behandlung (Anode auf den Nerv), Hochfrequenzströme und 
leichte Massage der betreffenden Stelle; die Massage ihrerseits ist unentbehrlich, 
um die Ernährung der regionären Muskelmassen in Tätigkeit zu setzen, die in 
solchen Fällen gewöhnlich beginnende Atrophie aufweisen. 

Die physikalische Therapie hat jedoch hier noch nicht ihr Ende erreicht, 
wenn der Arzt mit einer wirklich rationellen Behandlung der gichtischen Neur¬ 
algie einsetzen und einen Rückfall verhindern will. 

Harnsaure Diathese zeigt sich gewöhnlich bei Personen von verminderter 
Ernährung und solchen, bei denen der regulierende Mechanismus der Stoffwechsel¬ 
vorgänge nicht mehr mit der Lebhaftigkeit und Regelmäßigkeit funktioniert, die 
er normalerweise haben sollte. So lange diese Veränderung des organischen Stoff¬ 
wechsels weiterbesteht, bedeutet die Ausstoßung der überschüssig zirkulierenden 
Harnsäure nur einen direkten und augenblicklichen Effekt der übermäßigen 
Wirkungsweise der Diaphorese; sobald diese aufhört und sobald sich die Ham- 


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säure allmählich im Blute anhäuft, zeigt dieses wieder seine ursprüngliche 
Sättigung unter Wiederholung der Krankheitserscheinungen. 

Die Beschleunigung des organischen Stoffwechsels erreicht man in erster 
Reihe durch methodische Muskelübung, denen alle Muskelmassen des Körpers 
und zwar jede von ihnen ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend unterzogen werden, 
wozu die Anwendung Zanderscher Apparate besonders anzuraten ist, — ferner 
durch geeignete Diät, bei der Fleisch, Kaffee und Spirituosen verboten sind. 

Ein rationelles Programm für radikale Behandlung von Ischias gichtischen Ur¬ 
sprungs muß auf die Mitwirkung von mindestens vier physikalischen Mitteln 
begründet sein; das wären Hydrotherapie, Thermotherapie, Kinesitherapie 
und Elektrotherapie; die Diätetik haben wir hier nicht mit zu den physi¬ 
kalischen Kräften gerechnet, obgleich sie in engster Beziehung zu ihnen steht. 

Die bis hierher aufgestellten Betrachtungen über Ischias gichtischen Ursprungs 
beziehen sich auch auf alle andern Äußerungen der neuro-arthritischen Diathese, 
also auf Gicht, Kalkulose, Hautaffektionen, Störungen des Verdauungs¬ 
apparates, chronischen Katarrh der verschiedenen Schleimhäute, inkl. 
der Bronchialschleimhaut, Neurasthenie, Hämorrhoiden, gesteigerten Blut¬ 
druck, dem Hauptfaktor der Arteriensklerose, etc. etc. All diese verschiedenen 
krankhaften Zustände Anden wirkliche und andauernde Heilung durch eine zu¬ 
sammengesetzte Behandlung, die in einer fundamentalen Behandlung der harn¬ 
sauren Diathese besteht, der noch verschiedene lokal einwirkende Kuren zu Hilfe 
kommen. 

So empfehlt sich lokale Anwendung trockener Hitze und manueller Massage 
bei gichtkranken Gelenken, abdominale Massage bei Leber- und Nierenstei .en, 
Hochfrequenzströme bei Dermatosen, abdominale Massage bei Verdauungsstörungen, 
medikamentöse Inhalationen und Pneumatotherapie bei Bronchialkatarrh und Asthma, 
geeignete Hydrotheraphie und spinale Galvanisation bei Neurasthenie, die lokale 
Anwendung der Hochfrequenzströme bei Hämorrhoiden und die Autokonduktion 
allgemein bei arterieller Hypertension. 

In einem andern Falle sieht sich der Arzt einer infantilen Lähmung gegenüber. 

Nicht selten gesteht er seine Machtlosigkeit ein und überläßt, indem er die 
ungünstigste Prognose stellt, den kleinen Patienten seinem Unglück und dem 
therapeutischen Nihilismus. Dagegen ist es zahlreichen erleuchteten und weniger 
skeptischen Ärzten bekannt, daß die Symptome vorangegangener akuter Polyo- 
myelitis zum großen Teil durch Anwendung einer geeigneten physikalisch-thera¬ 
peutischen Kur gebessert werden können. 

Aber viele unter ihnen haben, wenn sie auch von 0en besten Absichten ge¬ 
leitet werden, weder die Einsicht noch den Willen, den kleinen Patienten in ein 
organisiertes Institut für physikalische Therapie zu schicken, und glauben schon 
im Interesse des Patienten ihre Schuldigkeit getan zu haben, wenn sie selbst eine 
elektrische Behandlung anfangen oder ihn einem Spezialisten für Elektrotherapie 
anvertrauen. Und in dem letzteren Falle wird die elektrische Behandlung un¬ 
zweifelhaft in wissenschaftlicher und regelmäßiger Weise und mit Zuhilfenahme 
der vollkommensten Apparate vor sich gehen. 

Jetzt stellen wir die Frage: Genügt die Anwendung einer elektrischen 
Kur, selbst wenn sie alle Regeln der Wissenschaft befolgt, um alle polio- 


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myelitischen Läsionen zu berücksichtigen, die man gewöhnlich unter dem Namen 
„infantile Lähmung“ versteht. Obgleich diejenigen Mediziner, die sich aus¬ 
schließlich mit Elektrotherapie beschäftigen, diese Frage bejahen, müssen wir 
doch mit einem entschiedenen „Nein“ entgegentreten. 

Ein Elektrotherapeut hat, wenn er neben der Elektrizität keine andere 
Mittel anwenden wollte oder könnte, niemals erkennen können, wie weit man 
sozusagen einen Gelähmten wiederherstellen kann. 

Wenn wir kurz die rückbleibenden anatomischen und funktionellen Störungen 
analysieren, die sich bei vorangehender akuter Poliomyelitis zeigen, sehen wir, 
daß sie sich im wesentlichen aus den vier folgenden zusammensetzen: 

1. Lähmung — mit den Anzeichen der mehr oder weniger ausgebreiteten 
und vorgeschrittenen Degeneration der motorischen Nerven. 

2. Zirkulationsstörungen — besonders venöse Stasen — im Bezirk des 
erkrankten Nerven. 

3. Ernährungsstörungen — Atrophie der von den gelähmten Nerven 
abhängigen Knochen und Muskelmassen. 

4. Artikulare und periartikuläre Prozesse in der Kapsel, den Bändern 
und den Sehnen als Folge von Elastizitäts- und Spannungsveränderungen, die eine 
Steifheit und Erschlaffung der Gelenke bewirken. 

Nach diesem Stand der Dinge geben wir zu, ja, wir bestätigen sogar, daß 
die Elektrotherapie in Form von Kathodengalvanisation oder noch besser mittelst 
der verschiedentlichen sintisoidalen Ströme, die wir als ondulatorische und 
pulsierende kennen, auf diejenigen Nerven, deren Muskeln noch keine Um¬ 
kehrung der Formel der galvanischen Erregbarkeit erkennen lassen, eine derartig 
wiederbelebende Wirkung ausüben, daß sie bisweilen ihre normale Funktion wieder¬ 
erhalten. 

Die Erfahrung lehrt aber, daß die Elektrotherapie keinerlei Einfluß auf die 
tieferliegenden Zirkulationsstörungen hat, ebensowenig auf trophische Störungen 
der Knochen und Muskeln und alle anderen mechanischen Läsionen der Gelenke. 

Andererseits weiß man, daß die elektrische Reizung der Muskeln, auch nicht 
gelähmter, die Energie und Ernährung der Muskeln weder wiederhergestellt, noch 
erhöht, sondern sie ermüdet und erschöpft. 

Der Arzt muß also andere therapeutische Faktoren, oder genauer, andere 
physikalische Mittel eingreifen lassen, die der Elektrotherapie ebenbürtig sind: 
in erster Reihe die manuelle Massage. Die Massage erfüllt in vollkommener 
Weise den doppelten Zweck, die Blutzirkulation zu regulieren und die Ernährung 
der Muskeln in den gelähmten Gliedern zu befördern; gleichzeitig bildet sie eine 
mechanische Stimulation der muskulären Kontraktion. Die Wirkung der Massage 
auf die Blutzirkulation kann durch lokale Anwendung der Thermotherapie, z. B. 
mit Dowsingschen Lichtapparaten, bedeutend verstärkt werden. Ihre Anwendung 
findet kurz vor der Massage statt, und zwar bei einer mittleren Temperatur, die 
sich zwischen 70 und 85° bewegt, 10 bis 15 Minuten lang. 

Wir kommen zur letzten Kategorie der bestehenden Läsionen der Gelenke. 
Auch hier finden wir, daß die manuelle Massage das wirksamste Mittel ist, um 
die Muskeln zu spannen und die Elastizität und Tension der erschlafften Kapsel. 
Bänder und Sehnen zu erhöhen. In Verbindung mit geeigneten passiven Be- 


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wogungen wird eine ganz bestimmte Art der Massage bei ungünstigen Fällen 
dem deformierten und durch Retraktion der Kapsel, Bänder und Sehnen fixierten 
Gelenk die normale Beweglichkeit wiedergeben, falls ein chirurgisches Eingreifen 
nicht ratsamer ist. 

Um die Zahl der Mittel gegen die infantile Lähmung zu vervollständigen, 
müssen wir noch die Heilgymnastik hinzufügen. Die Reihe der bewunderns¬ 
werten Zanderschen Apparate bilden den wertvollsten Hilfsfaktor; durch ihn 
erzielt man eine wirkliche Neuerlernung der Bewegungen der Gelähmten. 
Auf diese Weise können sie die Fähigkeit wiedererlangen, psychomotorische 
Impulse auf die gelähmten Muskeln zu übertragen und mit lebhaften und bestimmt 
lokalisierten Bewegungen die direkten Nervenbahnen zu regenerieren, die noch 
nicht von der vollständigen Degeneration ergriffen worden sind. 

Zweifellos müßte der gesunde Menschenverstand dem Arzt raten, dem kleinen 
Patienten alle die genannten therapeutischen Hilfsquellen zugute kommen zu 
lassen, um ihm zur Wiedererlangung der verlorenen Beweglichkeit so weit wie 
möglich zu verhelfen. 

Das geschieht aber meistens nicht; denn zu den bereits entwickelten 
wissenschaftlichen Erwägungen kommen noch andere, beruflicher Art, auf Grund 
derer der Spezialist für Elektrotherapie (der gewöhnlich nicht darauf eingerichtet 
ist, die Massage und die anderen kinesitherapeutischen Manipulationen selber vor¬ 
zunehmen) gezwungen ist, seinen kleinen Patienten einem Spezialisten für Massage 
anzuvertrauen. Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß der Elektrotherapeut 
die vielleicht unbegründete Furcht hegt, daß der Kollege ebenso wie er aus¬ 
schließlich sein Gebiet versteht und von der Allmacht der Kinesitherapie so über¬ 
zeugt sein könnte, daß er diese Überzeugung auch seinem Patienten beibringt und 
ihm so die tatsächlichen Vorteile der Elektrotherapie entzieht. Umgekehrt kann 
sich der Patient in derselben kritischen Lage befinden, wenn er zuerst einem 
Spezialisten anvertraut wurde, der ausschließlich Kinesitherapeut ist. Es folgt 
daraus, daß ein an infantiler Lähmung leidendes Kind eine rationelle und wirksame 
Kur nur dann befolgen kann, wenn es ein Institut aufsucht, das sämtliche hier¬ 
genannten physikalischen Kräfte sowohl vom wissenschaftlichen als auch vom 
beruflichen Standpunkt aus unparteiisch betrachtet. 

Auch die Hydrotherapeuten verfochten bis vor kurzer Zeit diese übertriebene 
Spezialisierung. Für sie ist das Wasser — oder genauer gesagt das kalte Wasser — 
ein Mittel gegen alle Übel. Sie gehen von der Tatsache aus, daß der Kältereiz 
ein energisches Anregungsmittel des Nervensystems und einen mächtigen Faktor 
zur Beschleunigung des organischen Stoffwechsels bildet; dabei wollen sie aber 
nicht immer einen anderen ebenso wichtigen Umstand berücksichtigen: daß nämlich 
diese Wirkung nur dann ausgeübt werden kann, wenn der kranke Organismus 
imstande ist, eine nicht minder energische Reaktion entgegenzustellen. Nicht 
der Kältereiz, sondern die Reaktion bildet also den Heilfaktor der Hydrotherapie. 

Diese Reaktion nun ist gar nicht oder sehr schwer bei einer gewissen Kategorie 
Kranken zu erreichen, die der Hydrotherapie unzugänglich sind, z. B. bei den 
meisten Neuro-Arthritikern. 

Die Neuropathologen unterscheiden neuerdings Neurasthenie als Folge 
von Erschöpfung mit arterieller Hypertension und vorübergehender Depression 


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aller organischen Funktionen und Neuro-Arthritiker oder gewohnheitsmäßige 
Neurastheniker, die an einem erblichen Fehler und an hauptsächlich 
psychischen Störungen mit arterieller Hypertension leiden, bei denen die Er- 
nährungs- und Intoxikationsstörungen des Nervensystems die Ursache der Krank¬ 
heit bilden. 

Im ersten Falle handelt es sich um Individuen, deren organische und 
funktionelle Konstitution ursprünglich normal war und die nur momentan eine 
mehr oder weniger schwere Störung des Organismus durch äußere oder innere 
Ursachen erlitten haben; bei ihnen bewahrt der die Hitze regulierende Mechanismus 
die Fähigkeit, auf die geeigneten Stimulationen zu reagieren, besonders auf den 
Kältereiz der Hydrotherapie, der in ihm die latenten Kräfte wieder erweckt. 

Bei den Neuro-Arthritikern dagegen (wenigstens bei den meisten von ihnen) 
hat der die Hitze regulierende Mechanismus, — der zu den trägen und langsamen 
Ernährungsfunktionen in so enger Beziehung steht, — nicht mehr in sich die 
Kraft, um in entsprechender Form auf das Spiel der Stimulationen zu antworten, 
und das Endresultat der hypothermischen Anregung ist eine Störung der Zirku¬ 
lation. Mit anderen Worten: da bei diesen Individuen die Reaktion sich gar nicht 
oder nur unvollständig vollzieht, bleiben die peripherischen großen Gefäßnetze 
selbst im Zustande der Verengerung; daraus entsteht eine starke Erhebung des 
Blutdruckes, der bei den meisten dieser Fälle schon abnorm hoch ist, und eine 
größere Schwierigkeit, die Nahrungsüberreste, die die Zentralnerven vergiften, 
auszustoßen oder zu verwandeln. 

Aus diesen physiopathologischen Begriffen ergibt sich mit Deutlichkeit, dal) 
man mit Rücksicht auf die eben erwähnten Vorgänge eine diametral entgegen¬ 
gesetzte Behandlung einleiten muß. So wendet man dabei hypothermische Reize 
an, die diese beträchtliche Erweiterung des peripherischen Gefäßnetzes herbeiführen 
sollen und zu gleicher Zeit imstande sind, den Blutdruck zu erhöhen und mit Hilfe 
der lebhafteren Zirkulation und reichlicher Diaphorese die Ausstoßung und Ver¬ 
brennung der organischen Stoffe zu begünstigen. 

Bei diesem Verfahren kann die Thermotherapie durch methodische und 
rationelle Muskelübungen wirksam unterstützt werden; dies geschieht in Form von 
Sport oder auf mechanotherapeutischem Wege, da dieser mit Genauigkeit die hei 
jedem Patienten hervorgerufene Kräfteanspannung am besten dosieren kann. Und 
bei alledem sollte man nicht die noch geeigneteren Hilfskuren unberücksichtigt 
lassen, wie z. B. die Galvanisation, die Hochfrequenzströme, eine angemessene 
Diät, eine hydrominerale Kur usw. usw. 

Es ist deshalb auch begreiflich, warum die bekannten therapeutischen Institute 
ebenso wie die meisten Kabinette für Elektro- und Kinesitherapie sich allmählich 
in allgemeine Institute für physikalische Therapie umwandeln; dies geschieht 
zum größten Vorteil der Kranken und zu ihrem eigenen nicht weniger großen 
Nutzen. 

* * 

* 

Man muß nunmehr notwendigerweise zu der Überzeugung kommen, daß es 
nur wenige Krankheitsformen gibt, die man noch nach der vereinfachten Methode 
von ehemals behandeln kann. Der Physiotherapeut soll gewissenhaft mit allen 
physikalischen Mitteln arbeiten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich anerkannt 


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ist, nnd er soll sie nach seiner Weise anwenden, so wie der praktische Arzt alle 
pharmazeutischen Mittel anwendet. 

Es ist das eine absolute Notwendigkeit, das Studium und die praktische 
Anwendung der physikalischen Therapie auf einer Basis zu organisieren, die 
einen um so größeren Erfolg verspricht, je weiter sie ausgedehnt wird. Ein 
ideales Institut für physikalische Therapie muß unter seinem gastlichen Dache 
mindestens die folgenden Einrichtungen vereinen (diese zerfallen in wohl unter¬ 
schiedene, aber koordinierte Unterabteilungen, so daß sie ein harmonisches und 
synthetisches Ganzes bilden): 

1. Die Hydrotherapie muß durch einen Saal mit Druckduschen vertreten 
sein, der mit allen Apparaten ausgerüstet ist, die zur Anwendung von allgemeinen 
und lokalen Duschen, verschiedener Arten von Strahlen und verschiedener Tem¬ 
peraturen nötig sind. Er muß ferner Präzisionsinstrumente zur Messung der drei 
Grandfaktoren der Hydrotherapie aufweisen: die Temperatur, den Druck und die 
Dauer. 

2. Für die Kinesitherapie sollen Kabinette für manuelle Massage vor¬ 
handen sein, in denen sich Lager und Sessel befinden, die nach den praktischsten 
und zweckentsprechendsten schwedischen Modellen angefertigt sind; ferner ein 
Saal für mediko-mechanische Gymnastik, der eine vollständige Sammlung der 
.Apparate enthält, die zu passiven und aktiven Übungen, zur Massage, zur Vibro- 
therapie und den anderen mechanischen Verfahren nötig sind, die in vollkommener 
und bisher unübertroffener Weise das Zandersche System zur Ausführung bringt. 

3. Die mechanische Orthopädie, die zur Behandlung der Skoliose und 
der anderen Difformitäten des Skeletts angewandt wird; hierfür wäre es geeignet, 
einen chirurgischen Saal für die blutigen orthopädischen Operationen einzurichten. 

4. Die Elektrotherapie verlangt das Vorhandensein elektro - statischer 
Maschinen und elektro-dynamischer Apparate für die galvanischen, faradischen, 
sinnsoidalen, ein- und dreiphasigen pulsierenden oder ondulierenden Ströme, Hoch¬ 
frequenzströme, nach D’Arsonwal und die Zanietowskischen Kondensatoren. 

Diese Unterabteilung muß auch mit den Requisiten ausgestattet sein, die für 
die hydro-elektrischen allgemeinen und partiellen Bäder (vier-, drei- und zwei¬ 
zeilig) nnd für die elektrischen Fuß- und Handbäder gebraucht werden. . 

5. Die Röntgenstrahlen, die aus zwei Gründen notwendig sind: 1. weil 
die Radiographie und die Radioskopie künftighin zu einer genauen Diagnose un¬ 
entbehrlich sind; 2. weil die Radiotherapie schon solche Fortschritte gemacht hat, 
daß sie allein schon eine wichtige Unterabteilung der physikalischen Therapie bildet. 

6. Die Phototherapie, die sich vor allem auf die Originalapparate von 
Finsen und andere Apparate von bescheidenerem Umfang, aber ebenso großer 
Wirksamkeit gründet; dazu kommen noch die Einrichtungen zur Anwendung des 
farbigen Lichtes, des kalten diffusen Lichtes etc. etc. 

7. Die Thermotherapie, eine sehr wichtige Unterabteilung, die sowohl 
alle Formen der Behandlung mit trockener Hitze in sich schließt, wie römische 
nnd türkische Lichtbäder nach Kellog, Wärmelichtapparate nach Dowsing, 
Sandbäder, elektrischer Thermophore, als auch die Anwendungsarten feuchter 
Hitze, z. B. russische Bäder, Dampfkastenbäder und Dampfduschen, natürliche 
Schlammbäder etc. etc. 

ZeiUchr. I phy*ik. 11 . diät. Therapie Bd. IX. Heft 12. 4G 


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690 Carlo Cfolombo, Die Solidarität der verschiedenen physikalischen Behandlungsmethoden etc. 

8. Für die Pneumatotherapie muß ein pnenmatisches Zimmer für Bäder 
von komprimierter und verdünnter Luft vorhanden sein; ferner Apparate von 
Waldenburg znm Ein- und Ausatmen der komprimierten und verdünnten Luft, 
Apparate für Sauerstoff-Inhalationen, Wasserdampf, komprimierte Luft, medikamen¬ 
töse Inhalationen, Bäder für Quecksilber-Inhalationen etc. etc. 

9. Die Balneotherapie erfordert eine Inhalation, die ermöglicht, alle 
Arten thermomineraler Bäder zu verabreichen: also kohlensaure Bäder und solche, 
die man künstlich mit medikamentösen Substanzen herstellt etc. etc. 

10. Die Diätotherapie. Sie soll in einer Klinik ansgeübt werden, die mit 
einem zweiten Institut verbunden ist, in dem die Patienten wohnen und solche 
Nahrung erhalten, die nach diätetischen Vorschriften für jede einzelne Krankheits¬ 
form indiziert ist. 

Man darf auch nicht vergessen, daß die Diätetik in Zukunft nicht nur ein 
wertvolles Komplement jeder beliebigen Kur geworden ist, sondern daß auch bei 
vielen Krankheitsformen, die auf dem Gebiet der physikalischen Therapeutik liegen, 
die Diät die Grundlage, die conditio sine qua non des Erfolges bildet. 

Bei jeder dieser Unterabteilungen oder Abteilungen müssen je nach dem 
Zuspruch ein oder mehrere Ärzte angestellt werden, so daß die Behandlung per¬ 
sönlich von dem die Abteilung dirigierenden Arzte oder unter seiner direkten 
Aufsicht ausgeübt werden kann. 

Wenn es auch zur Aufrechterhaltung der regelmäßigen Funktion einer Ab¬ 
teilung nötig ist, daß der an einem Institut für physikalische Therapeutik an- 
gestellte Arzt sich einem einzelnen Zweig der physikalischen Therapie widmet, 
so darf er sich dennoch nicht nur mit diesem einen Zweig kristallisieren, sondern 
er soll sich auch mit dem Studium aller anderen beschäftigen und sie praktisch 
ausüben. Nur so kann er • sich ein gesundes therapeutisches Urteil bilden tmd 
andrerseits nicht in den Irrtum verfallen, den wir vorhin bei den Spezialisten 
mit Bedauern genannt haben. 

Mit ganz besonderer Sorgfalt aber muß man den Leiter eines solchen In¬ 
stitutes auswählen. Er muß sowohl ein guter Diagnostiker als auch ein voll¬ 
kommener Kenner aller seiner Instrumente und der dadurch erzielten Wirkungen 
sein. Vor allem muß er nach einmal gestellter Diagnose imstande sein, die 
genaue Indikation der Kur auszuarbeiten und sie anzuwenden, ohne sieh 
darüber Sorgen zu machen, ob die geeignetste Kur nicht vielleicht auf einem 
ganz anderen Gebiet liegt als auf dem physikalisch-therapeutischen. 

Auf dieser Grundlage werden die Institute für physikalische Therapie, wenn 
sie in der dargelegten Weise errichtet sind, sich sowohl bei den Skeptikern 
als auch bei den Ignoranten eine Stellung zu geben wissen und in der Lage sein, 
der leidenden Menschheit die ungeheure Wohltat zu erweisen, die aus der Mannig¬ 
faltigkeit und Solidarität der verfügbaren Mittel hervorgeht, eine Wohltat, die 
sich mit den Worten zusammenfassen läßt: 

„Viribus unitis fortior“. 


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Hermann Weber, Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


II. 

Mittel zur Verlängerung des Lebens. 

Nach der zweiten vermehrten Auflage des vor dem 
Royal College of Physicians in London am 3. Dezember 1903 gehaltenen Vortrags 
„On means for the Prolongation of life.“ 

Von 

Sir Hermann Weber M. D., 

Konsult. Arzt am Deutschen Hospital in London und an den Hospitälern für Schwindsucht in 

Ventnor und Mount Vernon. 

# (Fortsetzung und Schluß.) 

Sorgfältige Beachtung des Verdauungssystems und der Nahrung ist fast 
ebenso wichtig für die Verlängerung des Lebens, wie die Pflege der Zirkulations¬ 
und der Respirationsorgane. Hierfür aber lassen sich kaum feste, für alle gültige 
Regeln aufstellen, da die für den einen nötigen Regeln und Beschränkungen für 
den anderen unpassend sein könnten. Nahrungsmittel, welche bei einer Person 
schädliche Wirkungen haben, werden von der Mehrzahl gut vertragen, wie z. B. 
Rindfleisch, Eier, Hummer, Pilze, Erdbeeren usw. Es kommt auch oft vor, daß 
Speisen während einer Periode des Lebens gut vertragen werden, und während 
einer anderen nachteilige Folgen haben. Man muß in jedem einzelnen Falle die 
Konstitution, die persönlichen Eigentümlichkeiten und den Einfluß der Gewohnheit 
berücksichtigen, bevor man bestimmte Anordnungen empfiehlt. Ein Grundsatz 
jedoch gilt für alle Menschen, besonders aber für ältere Leute: daß sie große 
Mäßigkeit in allen Speisen, besonders den sehr nahrhaften, wie Fleisch, Eiern, 
Hülsenfrüchten, pflegen müssen. Der Begriff „Mäßigkeit“ aber ist wiederum von 
verschiedener Bedeutung für verschiedene Leute je nach Konstitution, Arbeit und 
Lebensweise. Ich will bald hierauf zurückkommen, aber vorher auf einen Irrtum 
hindeuten, der oft mit dem Begriff von Mäßigkeit in Verbindung steht. Es denken 
nämlich viele Leute, daß sie mäßig sind, wenn sie sich des Alkohols enthalten 
und daß sie dann große Mengen von Fleisch, Eiern und anderen sehr nahrhaften 
Speisen zu sich nehmen dürfen. Es ist dies aber ein gefährlicher Irrtum; es 
bilden sich meist langsam und unmerkbar Veränderungen in den Blutgefäßen, die 
zu Gicht, Erweiterung des Herzens, Arteriosklerose, Krankheiten der Leber usw. 
führen, wie dies kürzlich Bäumler klar gezeigt hat in seinem Artikel über 
Arteriosklerose (5). Ein übermäßiger Genuß von Fleisch und anderen purin- 
reichen Nahrungsmitteln erzeugt durch Erkrankung der Ernährungsgefäße Er¬ 
schwerung des Blutzuflusses zu den Geweben; das Übermaß erzeugt in der Tat 
Verhungerung der Gewebe, während die sehr mäßige, jedoch genügende Aufnahme, 

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welche oft fälschlich „Hungerdiät“ genannt wird, die Ernährung hebt. So 
auffallend daher es lautet, so ist es doch Tatsache, daß Übermaß oft eine Art 
von Verhungerung, Beschränkung dagegen Verbesserung der Ernährung bewirkt. 

Die meisten Menschen, welche zu starke Esser sind, mit oder ohne Alkohol¬ 
genuß, glauben, wenn man ihre Nahrungsmenge beschränken will, daß man sie 
aushungern will, und daß sie ihre Leistungsfähigkeit dadurch verlieren würden, 
und sie werden in dieser verkehrten Idee durch ihre Verwandten (besonders die 
Frauen) bestärkt. Sie schreiben jedes Gefühl von Mattigkeit, Kopfweh, Neuralgie. 
Abneigung gegen aktive Arbeit, welche bei jedem Menschen zuweilen anftreten. 
der Entziehung zu, und geben die Befolgung des Rates auf. Es ist zwar ganz 
richtig, daß bei manchen Menschen plötzliche starke Verminderung der Zufuhr 
schadet, wenigstens im Anfang; an eine allmähliche Verminderung aber gewöhnt 
sich der Körper schnell. Meine Erfahrung bei vielen Hunderten von Menschen 
berechtigt mich zu sagen, daß die allmähliche mit Urteil und Ausdauer durch¬ 
geführte Beschränkung die geistige und körperliche Arbeitskraft und den Froh¬ 
sinn befördert, und daß sie das frühzeitige Altern und die damit verbundenen 
Leiden bekämpft. Die meisten Menschen haben keinen Begriff davon, wie wenig 
Nahrung der Körper, besonders im Alter, bedarf. Die Untersuchungen des „Col- 
lective investigation Committee“ haben ergeben, daß nur 5 Proz. der Menschen, 
die über 80 Jahre alt wurden, starke Fleischesser waren, der Rest aß Fleisch 
nur in sehr geringen Mengen. (Humphry „Old Age“. Cambridge 1889, S. 127.) 
Dies stimmt ganz mit meinen eigenen Erfahrungen überein. Sir Henry Thompson. 
„Diet in relation to age and activity“; D. G. Keith in „Plea for a simpler life“ 
(1896) und „Fads of an old physician“ (1897) und Dr. Burney Yeo in „Food in 
health and disease“ haben vortrefflichen Rat gegeben, der aber leider wenig be¬ 
folgt wird. 

Schon 1858 hat der Venetianer L. Cornaro in der Beschreibung seiner 
eigenen Lebensweise, als er im 90. Lebensjahre war (Discourses on a sober and 
temperate life [16]), gezeigt, mit wie wenig Nahrung man gesund und glücklich 
sein und ein hohes Alter erreichen kann. Er war über 100 Jahre alt, als er starb. 
Nach Sir William Temple in dem Kapitel „On health and long life“ sind die 
Haupteigentümlichkeiten bei den Urvölkern: „Große Mäßigkeit, freie Luft, leichte 
Arbeit, wenig Sorge, Einfachheit der Diät, mit mehr Früchten und Gemüse als 
Fleisch.“ (71.) 

Bei meiner Beschäftigung mit diesem Gegenstand während mehr als fünfzig 
Jahren, bin ich imstande gewesen, die Lebensweise von mehr als 80 Personen 
nachzuforschen, welche ein Alter von 86—100 Jahren erreicht haben. Obgleich 
die Mehrzahl dieser Leute zu den wohlhabenden Klassen gehörten und nicht 
genötigt waren, sich einzuschränken, so waren doch unter denselben nur sechs, 
welche die Gewohnheit hatten, viel zu essen und zu trinken; viele von ihnen 
aßen und tranken auffallend wenig; einige lebten fast ganz von grünen Gemüsen. 
Kohlehydraten mit Zusatz von etwas Milch, Käse, Butter, gelegentlich Eiern und 
nur ganz ausnahmsweise Fleisch, Fisch oder Geflügel. Milch ist ein ausgezeich¬ 
netes Ersatzmittel für fleischliche Nahrungsmittel; sie enthält alle zur Ernährung 
nötigen Stoffe, bildet wenig Harnsäure, reizt weder die Nieren, noch die Leber, 
noch die Arteriolen und erleichtert die Arbeit des Herzens. 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


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Vegetarianer, sowohl strenge wie weniger strenge, können ein hohes 
Alter erreichen und tuen es oft; ich habe mich aber nicht überzeugen können, 
daß gesunden Personen ein mäßiger Genuß von Fleisch, Fisch, Geflügel und 
Wild etwas schadet. Trotzdem hat mich die Erfahrung gelehrt, daß die meisten 
Menschen sich bei einer vorwiegend vegetabilischen Nahrung mit Milchzusatz 
besser befinden und ein höheres Alter erreichen als starke Fleischesser. Manche 
Vegetarianer machen aber auch den Fehler, daß sie zu viel essen, besonders zu 
viele Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen und Linsen), ohne daran zu denken, daß sie 
dadurch zu viele Purinstoffe einführen, welche ebenso große Nachteile bringen, wie 
zu reichliche Fleischnahrung. 

Die sehr strenge Diät, welche Dr. A. Haig (30) vorschreibt, in welcher Fleisch¬ 
speisen, Tee und Kaffee gänzlich ausgeschlossen sind, paßt nur für eine Mino¬ 
rität, ist aber sicherlich nicht nötig für die Mehrzahl der Menschen. Wir haben 
eine Anzahl von solchen gesehen, welche nach der Befolgung von Dr. Haigs 
Regeln während mehrerer Monate sich genötigt fühlten, zu einem mäßigen Fleisch¬ 
genuß zurückzukehren wegen Abnahme an Kraft und Gewicht. Es wäre allerdings 
möglich, daß manche von ihnen besseren Erfolg mit der beschränkten Diät ge¬ 
habt haben würden, wenn sie ihre Abneigung gegen Milch hätten überwinden 
können. Auf diese Sache, wie auch so viele andere, passen Goethes Worte: 

„Eines ziemt sich nicht für alle, 

Suche jeder, wie er’s treibe“ . . . 

Diejenigen aber, welche behaupten, daß eine große Menge Fleischnahrung 
zur Erhaltung von geistiger und körperlicher Kraft nötig sei, befinden sich mehr 
im Irrtum als diejenigen, welche sie ganz verbieten. Ich bin in fortwährendem 
nahen Verkehr mit einer Reihe von Männern und Frauen zwischen dem 40. und 
70. Jahre gewesen, welche sich voller Gesundheit erfreuten, obwohl sie gar keine 
Fleischspeisen zu sich nahmen. Sie gehörten zu der eben erwähnten Minorität, 
weiche Dr. Haigs Regeln befolgten, nur daß sie zugleich mäßige Mengen von Tee 
und Kaffee nahmen. Es fehlt mir an genügender Erfahrung, wieviel und wie wenig 
nötig ist, um volle Kraft und Gesundheit zu erhalten. Verschiedene Physiologen 
haben darüber Versuche gemacht, unter den älteren besonders Voit und Plagfair, 
unter den neueren Prof. Chittenden (14), Sir Dyce Duckworth und Dr. Hut- 
chison (20). Ich habe aber in einer kleinen Anzahl von Fällen das Glück 
gehabt, Interesse für diese Frage zu erwecken und sie dazu zu bewegen, Beob¬ 
achtungen an sich zu machen mit Wiegen und Messen der Einfuhr. Ich will zwei 
dieser Fälle hier anführen, welche zwar keine genau wissenschaftlichen Werte 
haben, aber doch die Möglichkeit und*den Nutzen großer Beschränkung zeigen: 

1. L. T., 61 Jahre alt, konsultierte mich zuerst im November 1872 wegen An¬ 
fällen von Gicht und Hämorrhoiden. Sein Vater war im Alter von 66 Jahren an Gehirn¬ 
apoplexie gestorben, seine Mutter mit 68 an Cancer. Er selbst war ein muskulöser 
Mann von 6 Fuß 1 Zoll Höhe, 91 kg Gewicht. Er lebte auf seinem Landgut ohne 
eigentlichen Beruf, beschäftigte sich jedoch mit Literatur, aß viel Fleisch, machte sich 
wenig Bewegung und schlief täglich ungefähr zehn Stunden. 

Mein Rat war: Weniger Fleisch, mehr Gemüse, mehr Bewegung, dreimal wöchent¬ 
lich vier Unzen Friedrichshaller Bitterwasser; Beschränkung des Schlafes auf sieben Stunden. 

Nach einem Jahre fand ich entschiedene Besserung und Gewichtsabnahme von 
12 Pfd.; die Anfälle von Gicht waren aber noch nicht geschwunden. Er entschloß sich 


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jetzt, Metzgerfleisch ganz zu vermeiden. Bei seinem nächsten Besuch im Mai 1874 war 
eine weitere Besserung eingetreten, er war aber doch nicht zufrieden und ich bewog ihn 
zu folgender Nahrungsaufnahme während 24 Stunden: 

4 Unzen Fisch oder Geflügel, 

1 Pint (20 Unzen) Milch, 

2 Unzen Butter, 

8 ,, Braunbrot (Grahambrot), 

6 „ Kartoffeln, 

12 „ grünes Gemüse, 

2 bis 3 Äpfel, 

1 Unze Whisky. 

Bei dieser Diät, an die er sich streng hielt und welche von seinem intelligenten 
Arzte genau überwacht wurde, blieb er ganz wohl bis 1880, wo er durch den Tod 
seiner beiden einzigen Geschwister, nämlich eines Bruders an Apoplexie, 67 Jahre alt 
einer Schwester an Pneumonie im Alter von 65 Jahren, geistig sehr herabgedröekt 
wurde. Nach einer mehrmonatlichen Reise aber gewann er wieder seine Heiterkeit und 
blieb wohl bis zum Herbst 1890, wo sich eine chronische Bronchitis entwickelte. Er 
ließ sich nicht zu einem Klimawechsel bewegen, und starb im Dezember desselben Jahres 
im Alter von fast 80 Jahren. 

2. F. W., 41 Jahre alt, kam im März 1871 in meine Behandlung. Seine Familien¬ 
geschichte war ungünstig: Vaters Tod im Alter von 65 Jahren, als Ursache „Wasser¬ 
sucht“ bezeichnet, Mutters Tod im Alter von 61 Jahren ebenfalls „Wassersucht“. Von 
drei Brüdern war einer an „Phthisis“ gestorben, zwei lebende litten an Gicht. Patient 
führt ein sehr tätiges Leben auf dem Lande, mit Fischen, Jagen, Rudern; wurde aber 
während der letzten fünf Jahre häufig durch Gichtanfälle (echtem Podagra) daran ver¬ 
hindert. Er aß große Mengen von Fleisch und nahm täglich ein Pint (20 Unzen) Port¬ 
wein oder Sherry oder Champagner. Höhe 5 Fuß 5 Zoll, Gewicht 79 kg, Gesicht rot, 
Unterleib groß („alimentäre Plethora“). Der Urin war von mittlerem spezifischen 
Gewicht, enthielt große Mengen von Harnsäure und harnsauren Salzen und eine Spur 
von Eiweiß. Nach einer Kur in Karlsbad war der Urin frei von Eiweiß, der Unterleib 
wurde normal und er fühlte sich ganz wohl; aber nach einiger Zeit kehrten die Gicht¬ 
anfälle zurück, und im Jahre 1874 ließ er sich zu folgender Diät bewegen, welche ein 
guter Arzt auf dem Lande sorgfältig überwachte, mit häufiger Wiegung und Messung der 
Speisen und Getränke. 

Tägliche Ration: 3 Unzen Fleisch, Fisch oder Geflügel, 

6 „ Kartoffeln, 

16 „ grünes Gemüse, 

16 „ Milch, 

6 „ Braunbrot, 

1 Unze Butter, 

2 kleine Tassen schwachen Tee, 
l / 2 Flasche Zeltinger. 

An diese Diät hielt sich der Mann mit seltenen Ausnahmen; so oft er mehr Nahrung 
nahm, war er weniger wohl. Dabei verlor %r nach einigen Jahren die Gicht gänzlich: 
er machte sich viel Bewegung in freier Luft, übernahm dazu manche Arbeiten iu seinem 
Dorfe und Bezirke. Nach dem 70. Jahre verminderte er die Menge der Nahrung, ließ 
den Wein ganz weg und starb im Alter von 81 Jahren während des Schlafes. Beide 
Brüder waren vor 67 Jahren an „gichtischen Leiden“ gestorben nach längerem Siechtum 

Wir dürfen annehmen, daß in diesen beiden Fällen durch die große Ver¬ 
minderung der Nahrungsaufnahme die Krankheiten beseitigt und das Leben verlängert 
worden ist, denn alle Verwandte, welche die übliche reichliche Lebensweise geführt 
hatten, waren viel jünger gestorben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß noch weitere 
Verminderung in der Nahrungsaufnahme hätte gemacht werden können, wenn es 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 

nötig gewesen wäre; da sie sich aber bei der angeführten Menge ganz wohl be¬ 
fanden, so war es nicht nötig, weitere Versuche zu machen. 

Fast alle Autoren sind darüber einig, daß im Alter die Menge der Nahrung 
sehr beschränkt werden muß. Dr. George Cheyne sagt in einer seiner Regeln: 
„Daß bejahrte Leute die Menge und Beschaffenheit ihrer Nahrung allmählich 
herabsetzen müssen, mit der Zunahme ihrer Jahre, — selbst bevor ein entschiedener 
Abfall des Appetits sie dazu zwingt“ (13). Sir Henry Thompson sagt: „Mit 
zunehmendem Alter oder vielmehr abnehmender Tätigkeit muß weniger Nahrung 
genommen werden, wenn nicht das Individuum leiden will“ (73). 

Viele der alten Leute erschrecken darüber, daß sie magerer werden und 
glauben deshalb, daß sie mehr essen müssen; dies ist meistens ganz falsch. In 
der großen Mehrzahl der Fälle ist die Gewichtszunahme nach dem 70. Lebens¬ 
jahre nicht wünschenswert, und zunehmende Korpulenz muß im Gegenteil durch 
Menge und Beschaffenheit der Nahrung, durch Bewegung und andere Mittel be¬ 
kämpft werden. Eine ganz allmähliche Gewichtsabnahme wird meistens bei den¬ 
jenigen bemerkt, welche ein hohes Alter erreichen, und ist natürlich. Der Aus¬ 
spruch der Alten „Corpora sicca durant“ ist ganz richtig. 

In naher Verbindung mit der Nahrung steht das Kochsalz. Fast alle 
Nahrungsmittel enthalten sowohl Kochsalz als andere Salze (von Kali, Kalk, 
Magnesia und Eisen), welche in die Zusammensetzung des Körpers gehören, und 
der Zusatz von Salz ist meistens unnötig. Die Beifügung von einer kleinen Menge 
ist jedoch nicht schädlich, und für manche Menschen in sofern gut, als es die 
Speisen schmackhafter macht und diese größere Schmackhaftigkeit die Absonderung 
des Speichels und Magensafts begünstigt. Die Gewohnheit aber, große Mengen von 
Salz zu genießen, ist nicht zu empfehlen, und erzeugt Schaden bei vielen Leuten, 
welche an Gicht, Ekzem und einigen anderen Hautaffektionen leiden. Es ist 
bekannt, daß manche Arthritiker Natriumsalze schlecht vertragen, so ist es möglich, 
daß der Nachteil von dem Natriumelement abhängt. Die Behauptung, daß viel 
Kochsalz Cancer erzeugt, ist jedenfalls nicht bewiesen. 

Das Trinkwasser verdient mehr Aufmerksamkeit, als ihm gewöhnlich 
erwiesen wird. Ich kann nicht gründlich darauf eingehen; soviel jedoch muß ich 
sagen, daß es fast frei von organischen Stoffen sein und auch von anorganischen nur 
kleine Mengen enthalten sollte. Die Besorgnis, von der man zuweilen hört, daß 
sehr weiches Wasser nachteilig ist, darf als unbegründet bezeichnet werden. Da¬ 
gegen ist hartes Wasser, besonders mit starkem Gehalt an schwefelsauerem und 
kohlensauerem Kalk und an Eisen, vielen Leuten schädlich, durch Erzeugung von 
Verstopffing, Hämorrhoiden, Blasen- und wahrscheinlich auch Gallensteinen. Das 
aus Granit und Gneis entspringende Wasser bekommt den meisten Menschen 
besonders gut. 

Es ist aber nicht genug, nur von der Menge und Natur der Nahrungsmittel 
zu sprechen, sondern viel hängt ab von der Art und Weise des Genießens. 
Es gibt z. B. schwächliche Personen, welche während Wochen, Monaten und 
Jahren ihre Nahrung nicht verdauen können, außer wenn sie ganz im Bett bleiben; 
andere müssen zur Zeit der Mahlzeiten zu Bett gehen; sehr viele müssen wenigstens 
ihr Frühstück im Bett nehmen, und fühlen sich elend und unfähig zu allem 
während des ganzen Tags, wenn sie vor dem Frühstück aufstehen; andere müssen 


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nach den Mahlzeiten ruhen. Wieder andere leiden an Verdauungsstörungen, so¬ 
bald sie während des Essens sprechen; manche müssen ganz allein essen. Das 
Nervensystem spielt eben eine große Bolle bei der Verdauung. Viele Leute 
dürfen nie essen, wenn der Geist oder der Körper erschöpft ist, und ebenso¬ 
wenig, wenn der Geist im Zustand von Ärger oder Unruhe ist. 

Wichtig ist vor allem die Kegel, daß alle Speisen gründlich gekaut 
werden müssen, oft gepredigt, aber fast ebenso oft vergessen. Wie viele Arten 
von Verdauungsstörung, schwere Krankheiten des Magens und Darmkanals und un¬ 
vollständige Ernährung des ganzen Körpers werden nicht durch rasches Essen und 
Verschlucken der unvollständig gekauten Nahrungsmittel bedingt. ImLaufe der letzten 
Jahre haben besonders Dr. Harry Campbell (10), Dr. van Somering in Venedig 
(74) und W. Horace Fletcher (74) in überzeugender Weise die Aufmerksamkeit 
auf diesen Gegenstand gerichtet. Mit diesem Fehler ist oft ein anderer ver¬ 
bunden, nämlich das Hinabspülen der schlecht verkauten Nahrung, welcher be¬ 
sonders von denen begangen wird, die viel Flüssigkeit bei den Mahlzeiten 
nehmen, was schon an sich ungesund ist. Nichts sollte verschluckt werden, bevor 
es durch Kauen und Einspeichelung in einen dünnen Brei verwandelt ist. Viele 
Speisen, besonders die Kohlehydrate, w r erden unvollständig verdaut, wenn sie nicht 
schon im Munde gründlich mit Speichel vermischt werden. Auch flüssige und 
halbflüssige Nahrungsmittel, wie Haferbrei, Reissuppe, Milchbrei, Kaffee, Tee und 
Schokolade sollten nicht rasch verschluckt, sondern schluckweise langsam ein¬ 
genommen werden, so daß sie mit Speichel gemischt werden. 

Unter den günstigen Einflüssen gründlichen Kauens dürfen wir besonders 
die Verminderung der Gasentwicklung im Magen und Darmkanal und der fauligen 
Gärung nennen, mit welcher die Entwicklung von Mikroben und Ptomänen und 
die Absorption derselben in das Blut verbunden ist. 

Ein anderer Vorteil des vollständigen Verkauens besteht darin, daß eine 
geringere Menge von Nahrung nötig ist, weil ein größerer Teil im Darmkanal 
absorbiert und assimiliert wird. Aus demselben Grunde wird die Masse der 
Fäkalsubstanzen vermindert und die Stuhlentleerungen brauchen weniger reichlich 
und häufig stattzufinden, ohne die Nachteile, welche sonst mit Stuhlverstopfung ver¬ 
bunden sind. 

Da nun das gründliche Verkauen der Speisen ein mächtiges Mittel zur Er¬ 
haltung der Gesundheit ist, so versteht es sich von selbst, daß die Kauungsorgane 
und besonders die Zähne sorgfältig gepflegt werden müssen von der Jugend bis 
ins Alter. Wir müssen diesen Gegenstand den Zahnärzten überlassen, müssen 
aber darauf dringen, daß die Zähne bei den Kindern sowohl als bei Erwachsenen 
wohl beachtet werden müssen, daß die Belehrung über diesen wichtigen Punkt schon 
in der Kinderstube und in der Schule stattfinden sollte, und daß nach Verlust der 
natürlichen Zähne künstliche an deren Stelle benutzt werden müssen. Es ist 
wünschenswert, daß durch eine billigere Herstellung derselben auch den weniger 
Wohlhabenden dieses wichtige Mittel zur Erhaltung der Gesundheit und Ver¬ 
längerung des Lebens ermöglicht wird. 

Es würde hier zu weit fuhren, auf die Zubereitung der Speisen durch die 
verschiedenen Kochprozesse einzugehen, obgleich dies ein sehr wichtiger Punkt 
ist für die Wohlhabenden, ebenso wie für die Arbeiterklassen. Wir müssen jedoch 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


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darauf sehen, daß die Nahrung durch die Kochkunst nicht allein leicht verdau¬ 
lich, sondern auch schmackhaft gemacht wird, da das Essen nicht bloß eine 
Pflicht, sondern auch ein Genuß sein sollte. Durch das letztere wird der 
Zufluß von Speichel und Nahrungssäften vermehrt und die Verdauung wesentlich 
unterstützt. Schwache Personen mit schlechtem Appetit sollten Speisen bekommen, 
welche sie gern haben, und welche nach ihrem Geschmack zubereitet sind, so¬ 
weit dies der Zustand ihrer Verdauungsorgane gestattet. 

Wenn wir die Notwendigkeit der sorgfältigen Auswahl und der schmack¬ 
haften Zubereitung der Nahrung befürworten, so dürfen wir dadurch nicht in das 
entgegengesetzte Extrem verfallen, welches Metchnikoff mit Recht bekämpft, 
indem er schreibt: „Ich will mich damit begnügen zu sagen, daß die Mehrzahl 
der feinen Gerichte, welche in den Häusern, in den Hotels und Restaurationen 
der Reichen geboten werden, die Verdauungsorgane und ihre Sekretionen in einer 
schädlichen Weise anregen. Es würde ein wahrer Fortschritt sein, die künstliche 
Küche zu vermeiden und zu den einfachen Gerichten unserer Vorfahren zurück¬ 
zukehren“ (43). 

Die Laien verlangen oft von uns bestimmte Regeln über die Menge und Be¬ 
schaffenheit der Nahrung. Es ist dies, wie schon früher gesagt, unmöglich in 
befriedigender Weise für alle zu tun, weil die Verschiedenheit in den Erfordernissen 
verschiedener Leute so groß ist je nach Konstitution, Alter, Größe und Gewicht 
des Körpers, körperlicher und geistiger Tätigkeit, Verhältnissen der Muskulatur zu 
Fett und Knochenbau, meteorologischen und klimatischen und anderen Umständen. 

Regeln können nur gut sein, wenn sie dem individuellen Falle unter ge¬ 
gebenen Umständen angepaßt werden. Wir wollen jedoch eine grobe Abschätzung 
von Rationeu angeben, wie wir sie durch längere Beobachtung und Experimente 
vor 55 Jahren an sechs jungen Männern gefunden haben; sie befanden sich alle 
in guter Gesundheit, im Alter von 22—35 Jahren, zwischen 5 Fuß 7 Zoll und 
5 Fuß 9 Zoll Höhe und Körpergewicht von 70—78 kg. Sie waren täglich 6 bis 
8 Stunden geistig beschäftigt und gingen ungefähr 6—10 km. Die angegebene 
Lebensweise führten sie 3—6 Monate, mit Unterbrechungen von mehreren Tagen 
alle 3—4 Wochen. Sie waren während der ganzen Dauer des Experiments voll¬ 
ständig wohl und wechselten im Körpergewicht nur um 1—2 kg. Sie waren 
Studenten der Medizin oder junge Ärzte in Bonn. 

Die Rationen bestanden ungefähr aus: 

Milch 30 Unzen, 

Fleisch (gekocht) 6—8 Unzen, 

Grünem Gemüse und Frucht 16 Unzen, 

Brot 16 Unzen, 

Kartoffeln 6 Unzen, 

Butter 1—2 Unzen, 

Wasser 50 Unzen. 

Das Wasser wurde zum Teil als reines Wasser genommen, zum Teil in der 
Form von Kaffee, Tee, Wein oder Bier (nicht über 20 Unzen von nur einem 
derselben). 

In dieser Liste können Eier, Fisch, Geflügel und Käse für Fleisch substi¬ 
tuiert werden, wobei man natürlich bedenken muß, daß trockener Käse mehr 


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Protein und weniger Wasser enthält als Fleisch. Mehlhaltige Puddinge können 
an die Stelle von Brot und Kartoffeln treten. 

Der Vergleich der Speisenmenge dieser Versuchspersonen mit der den beiden 
früher erwähnten Arthritikern gestatteten, zeigt, daß die letzteren viel weniger 
genossen haben. 

Weitere Erfahrung hat mir gezeigt, daß die von uns genommenen Rationen 
mehr als genügend für gesunde Männer im mittleren Lebensalter, von 
mittlerem Gewicht, bei mäßiger körperlicher und geistiger Arbeit sind. 

Anf der anderen Seite gibt es krankhafte Zustände, wie Tuberkulose, bei 
welchen eine größere Menge von Nahrung, besonders von Milch, Butter und Fleisch 
nötig ist. Ebenso brauchen während der Periode des Wachsens Mädchen sowohl 
als Knaben, welche neben dem Lernen mit aktiven Spielen und anderen körper¬ 
lichen Übungen beschäftigt sind, mehr Nahrung. Dagegen sollten Leute, welche 
jenseits der Mitte des Lebens stehen, wir wollen sagen, über 45 oder 50 Jahre 
alt sind, mit etwa 3 / 4 der genannten Ration zufrieden sein, und nach 70 Jahren 
mit noch weniger. Solche Regeln aber gestatten manche Ausnahmen, je nach 
Gewohnheit oder ungewöhnlicher Tätigkeit. Soldaten zum Beispiel oder Arbeiter, 
wenn sie ungewöhnlich schwere Arbeit zu tun haben, brauchen mehr als die¬ 
jenigen, welche nur mäßige Tätigkeit haben; anf der anderen Seite kann die 
Nahrungsaufnahme vermindert werden bei denjenigen, die fast ganz ruhen. 

Das Verhältnis der verschiedenen Arten der Nahrung kann mit Nutzen nach 
verschiedenen Eigentümlichkeiten des Körpers eingerichtet werden. Leute mit 
stark entwickeltem Muskelsystem verbrauchen mehr Stickstoffsubstanz als solche 
mit schwacher Muskulatur; die ersteren sollten deshalb verhältnismäßig mehr 
Proteinsubstanz zu sich nehmen, um das Gleichgewicht zu erhalten. Die Gewohn¬ 
heit des tiefen Atmens erlaubt die Aufnahme einer größeren Nahrungsmenge, als 
die des oberflächlichen Atmens. Leichte Bekleidung bei kalter Umgebung erfordert 
mehr Nahrung, besonders von Fett und Kohlenwasserstoffsubstanzen. Noch manche 
andere Dinge beeinflussen die Menge des Nahrungsbedarfs; schon oben haben wir 
angedeutet, daß bei gründlichem Verkauen weniger gebraucht wird, als bei raschem 
Verschlucken unvollständig verkauter Speisen; ebenso übt das Kochen bedeutenden 
Einfluß aus, je nachdem durch dasselbe die Speisen leichter verdaulich gemacht, oder 
ein Teil der nährenden Stoffe derselben zerstört oder unverdaulich gemacht wird. 

Die Verteilung der Nahrungsmenge auf die 24 Stunden kann vielfach modi¬ 
fiziert werden, je nach dem augenblicklichen Gesundheitszustand, der Konstitution, 
der Beschäftigung, den sozialen Gebräuchen und der persönlichen Gewohnheit. 
Manche kräftige Personen nehmen den ganzen Nahrungsbedarf in einer einzigen 
Mahlzeit, andere in zwei Mahlzeiten, die Mehrzahl in drei, viele aber verteilen 
sie auf vier und fünf und mehr, was besonders bei schwächlichen Personen, 
Genesenden von akuten Krankheiten und Neurasthenikern ratsam ist. Manche 
Autoritäten behaupten, daß keine bestimmten Stunden für die Mahlzeiten anf- 
gestellt werden sollten, sondern man nur essen solle, wenn der Hunger dazu 
auffordere. Dies mag ganz gut sein für wenige unabhängige, einzeln stehende 
Leute, läßt sich aber nicht ausführen bei denen, die in Familien leben oder in 
Geschäften an gewisse Stunden gebunden sind. 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


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Mit der Nahrung wird gewöhnlich der Alkohol in Verbindung gebracht, 
obgleich er kein Nahrungsmittel ist. Ich will versuchen, über diesen viel 
bestrittenen Punkt so kurz als möglich zu sein. Sir Frederick Ireves hat 
kürzlich in einer Rede gesagt: „Alkohol ist ein Gift“ (73a), und dies ist ganz 
richtig, wenn er in größeren Mengen genommen wird und für viele Menschen 
schon in kleinen. Für gesunde Menschen ist der Genuß absolut unnötig und es 
würde besser sein, ihn ganz zu vermeiden. Viele Krankheiten der Leber, der 
Nieren, des Gehirns, der Blutgefäße (Arteriosklerosis) (5) und anderer Organe 
werden durch den Mißbrauch des Alkohols erzeugt; manches hoffnungsvolle Leben 
wird durch den Trunk zerstört; er ist die häufigste Ursache von Verbrechen 
und des Ruins nicht allein des Trinkers selbst, sondern auch seiner Familie; der 
Geist wird durch ihn verwirrt und zu Irrungen gebracht; die Wahrheitsliebe und 
das Pflichtgefühl werden dadurch zerstört. Die große und frühe Sterblichkeit der 
Wirte und der mit Alkoholverschank beschäftigten Personen ist so allgemein 
bekannt, daß gute Lebensversicherungsgesellschaften solche Leben entweder ganz 
abweisen oder nur in besonderen Ausnahmefällen und dann nur mit sehr erhöhten 
Prämien annehmen. Ganz kürzlich hat T. P. Whitaker (82) in einem sorgfältig 
bearbeiteten Vortrag vor der Gesellschaft der Versicherungsärzte gezeigt, daß die 
Lebensdauer der Abstinenten länger ist als die der mäßigen Trinker und der 
allgemeinen Bevölkerung. Whitaker hat in klarer Weise gezeigt, daß die 
Abstinenz von Alkohol die Gesundheit und Langlebigkeit befördert. 

Der regelmäßige Genuß geistiger Getränke stört bei jungen Personen die 
vollständige Entwicklung des Körpers und ist ihnen besonders schädlich. 
Dazu kommt, daß er in vielen Fällen nicht bloß zur Gewohnheit eines mäßigen 
Genusses im späteren Leben führt, sondern auch zum übermäßigen und zn wirk¬ 
licher Trunksucht. Er sollte deshalb in Schulen und im Hause gänzlich verboten 
werden. 

Alkohol kann ebenso wie andere Gifte als Arznei in verschiedenen Zuständen 
von Schwäche und Erschöpfung, für beschränkte Zeiten, benutzt werden. Auf 
diesen Punkt will ich jetzt nicht eingehen. 

Laien sowohl als Ärzte beurteilen häufig den Einfluß geistiger Getränke auf 
den Körper nur nach dem Alkoholgehalt. ! Dies ist aber nicht richtig. Die anderen 
Bestandteile sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Die Gärung des Zuckers, 
welche den Alkohol erzeugt, ist in vielen Flüssigkeiten mit der Bildung anderer 
Substanzen verbunden, welche zum Teil durch die Zusammensetzung der ursprüng¬ 
lichen Flüssigkeiten bedingt werden, zum Teil aber von anderen Umständen in 
der Zubereitung abhängen, wie zum Beispiel der Temperatur und des Luftzutritts. 
Geistige Getränke, welche viel Zucker, Dextrin, Hopfen, Eiweißstoffe, Salze, vege¬ 
tabilische Säuren und freie Kohlensäure enthalten, wie z. B. die verschiedenen 
Arten von Bier, haben nicht denselben Einfluß auf die Verdauungsorgane, das 
Nervensystem und Zirkulationsorgane, wie die Getränke, welche mehr oder weniger 
reine, mehr oder weniger verdünnte Lösungen von Alkohol darstellen, wie Kognak, 
Whisky und andere einfache Schnapsarten. So erzeugt Bier, infolge hauptsächlich 
der Purinkörper, die es enthält, bei vielen der regelmäßigen Biertrinker gichtische 
und rheumatische Leiden, und durch den Zucker und das Dextrin Korpulenz und 
die Nachteile und Gefahren, die mit derselben verbunden sind. Große Ver- 


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schiedenheit besteht in der Zusammensetzung verschiedener Arten von Bier und 
in der Wirkung auf den menschlichen Körper. 

Professor Bäumler (5) erwähnt ferner die Tatsache, daß Personen, welche 
viel Bier trinken, mechanisch ihre Blutgefäße überanstrengen und überausdehnen 
und dadurch ganz allmählich Erkrankung der Arteriolen und Kapillaren und später 
des Herzens erzeugen, dessen Arbeit mehr und mehr zunehmen muß durch den 
krankhaften Zustand der Blutgefäße. Meine eigene Erfahrung bestärkt Bäum- 
lers Ansicht in vollem Grade. Zwischen 1850 und 1870 waren viele deutsche 
Arbeiter in den Zuckerraffinerien des Ostendes von London beschäftigt. Viele von 
ihnen kamen als Kranke in das Deutsche Hospital in London mit verschiedenen 
Krankheitszuständen, welche zum Teil durch die große Hitze bedingt waren, der 
sie vom Morgen bis zum Abend ausgesetzt waren, zum noch größeren Teil aber 
von der kaum glaublichen Menge von dünnem Bier (8—12 Liter und mehr täglich), 
welches sie tranken um den brennenden Durst zu stillen. Hydrämie und Er¬ 
weiterung des Herzens waren häufige Zustände, ebenso wie verschiedene Formen 
von rheumatischen Leiden. Bei einem Manne von kanm 30 Jahren hatte sich 
ausgedehntes Atherom der Arterien, besonders des Gehirns, gebildet. 

Es ist eine ziemlich verbreitete Idee, daß Alkohol allen Leuten nützlich, 
daß er die Milch der Greise sei; es ist dies ein Irrtum, der schon manchen alten 
Leuten Schaden gebracht hat. 

Der regelmäßige Genuß größerer Mengen von geistigen Getränken erzengt 
bei den meisten Menschen krankhafte Veränderungen in den Arterien und Kapil¬ 
laren, im Gehirn und den Nervenfasern. Es ist wohl bekannt, daß Alkohol die 
Bildung der Zellen beeinträchtigt und besonders in der Leber, und daß hierdurch 
wahrscheinlich der Metabolismus gestört wird und, wie man annimmt, die Um¬ 
bildung der Purinkörper in Harnstoff. Er vermindert die Resistenzkraft des Körpers 
gegen „Erkältungen“, Mikroben und andere Krankheitsursachen, und diese Re¬ 
sistenzkraft ist einer der Hauptfaktoren in der Lebensverlängerung, welcher in 
jeder möglichen Weise gestärkt und nicht geschwächt werden sollte. 

Man hört fortwährend, daß es nicht schädlich und für die meisten sogar nütz¬ 
lich ist, geistige Getränke mit Mäßigkeit zu nehmen, aber es ist besonders die 
Auslegung dieses Wortes, welche so gefährlich ist. Viele Menschen halten sich für 
mäßig, wenn sie sich nie betrinken; viele von diesen trinken eine oder anderthalb 
Flaschen Wein oder 3—4 Gläser Schnaps oder 2—3 Liter Bier und halten sich für 
durchaus mäßig. Diese Art von Mäßigkeit ist für die meisten Menschen viel gefähr¬ 
licher, als ein gelegentlicher, aber seltener Rausch mit langen Zwischenzeiten von 
Enthaltsamkeit. Die langsame und unmerkliche Art, in welcher das täg¬ 
liche, sogenannte mäßige Trinken auf den Körper wirkt, macht diesen 
Irrtum so häufig und so gefährlich. Ich würde ungefähr den vierten Teil 
der ebengenannten Mengen als Mäßigkeit bezeichnen, welche der Mehrzahl er¬ 
laubt werden dürfte, jedoch durchaus unnötig ist. 

Es ist ein allgemein verbreiteter Irrtum, daß Alkohol das Gehirn anregt 
und den Geist in den Stand setzt, schneller zu denken und den Körper größere 
Anstrengungen zu ertragen. Sir Victor Horsley (32) hat klar nachgewiesen, 
daß diese Ansicht unbegründet ist; er verweist auf die wissenschaftlichen Experi¬ 
mente Professor Kräpelins, welche zeigen, daß Alkohol selbst in kleinen Mengen 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 701 

die höchsten Funktionen des Gehirns stört und die kontrollierende Kraft des großen 
und kleinen Gehirns lähmt. Die Erhöhung der Gehirntätigkeit, welche bei einigen 
Menschen durch den Alkohol bewirkt wird, ist nur von sehr kurzer Dauer und 
weicht schnell einer verringerten und verkehrten. Horsley erinnert an die etwas 
ähnliche Wirkung mancher anästhetischer Mittel. Ich habe oben die Menge an¬ 
gegeben, welche eine wohltätige Wirkung auf manche alte Leute in gewissen 
krankhaften Affektionen hat, zum Beispiel chronischer Bronchitis, wie D. Savill (65) 
dies bei bejahrten Kranken in dem Armenhaus-Hospital gefunden hat. In diesen 
wie in vielen anderen Sachen, besonders bei alten Leuten, darf die Gewohnheit 
nicht unberücksichtigt bleiben. Alte Leute, welche seit vielen Jahren an eine 
gewisse, — meist unnötige und selbst schädliche Menge von geistigen Getränken 
gewohnt sind, dürfen derselben nicht plötzlich beraubt werden, sondern nur all¬ 
mählich. In manchen krankhaften Zuständen jedoch muß die Entziehung ziemlich 
schnell und vollständig gemacht werden. Bei Personen zum Beispiel, welche 
kleine Mengen von Eiweiß im Urin haben, mit Symptomen von Arteriosklerosis 
kann man das Leben durch Entziehung von Alkohol und große Verminderung des 
Fleischgenusses sehr verlängern. Die Mehrzahl aber sind abgeneigt, solchen Rat 
zu befolgen und legen sehr häufig den Rat von Ärzten, wenn er nicht sehr be¬ 
stimmt gegeben worden ist, in der Weise aus, die ihnen angenehm ist. So ist 
es mir wiederholt vorgekommen, daß Leute gegen meinen strengen Rat angaben, 
daß Dr. X die starke Beschränkung für unnötig halte und ein „paar“ Gläser Wein 
erlaubt habe. Das „paar“ wurde multipliziert, die Fleischmenge wurde nicht ver¬ 
mindert, der Zustand verschlimmerte sich und führte in wenigen Jahren zum Tode. 
Das Gefühl von Sicherheit, welches diese Leute hatten, erinnerte mich lebhaft an 
die Worte von Hekate in „Macbeth“, welche so oft im Leben anwendbar sind: 

„And you all know, security 

Is mortals greatest enemy.“ 

Bevor ich die Alkoholfrage verlasse, drängt es mich, noch einmal auf den 
schon erwähnten Irrtum hinzudeuten, dem ich oft begegnet bin, nämlich, daß viele 
Leute glauben, daß sie, wenn sie sich der geistigen Getränke enthalten, so viel 
Fleisch essen und so viel Wasser bei den Mahlzeiten trinken dürfen, als sie Lust 
haben. Dieser Irrtum führt oft zu Korpulenz, zu Krankheit der Blutgefäße und des 
Herzens, zu Gicht, zu hydropischen Zuständen und frühem Tode. Die Wirkung ist 
viel schlimmer, als die von mäßigen Mengen von Alkohol bei mäßigen Mahlzeiten. 

Unter den sogen. Genußmitteln werden Tee und Kaffee in den meisten 
Ländern mit Vorliebe genossen, in einigen besonders Tee, in anderen mehr Kaffee. 

Tee wird von den meisten Menschen als ein angenehmes, unschädliches und 
sogar nützliches Anregungsmittel betrachtet. Wenn er in nur mäßiger Menge 
genossen wird, übt er einen belebenden Einfluß auf das Nervensystem aus, be¬ 
sonders bei körperlicher oder geistiger Ermüdung und ist für die Mehrzahl ohne 
schädliche Nebenwirkung; bei manchen Leuten aber, besonders solchen, welche 
an Dyspepsie und Herzschwäche leiden, erzeugt er Gasentwicklung und Störungen 
des Herzens und Nervensystems. Die Gewohnheit aber, welche bei manchen 
Klassen, besonders der ärmeren Arbeiter-Bevölkerung, besteht, täglich vier bis 
fünf Mahlzeiten von starkem Tee mit ungenügender wirklicher Nahrung zu nehmen, 
ist ohne Zweifel sehr schädlich; sie erzeugt Schwächung der Verdauungsorgane, 


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unvollständige Ernährung des ganzen Körpers, besonders des Herzens, Entartung 
der Arteriolen und Kapillaren; bei. den meisten Menschen entwickeln sich diese 
Veränderungen so langsam und unmerklich, daß sie unbeachtet bleiben und daß 
hierdurch diese Gewohnheit gefährlich wird. Wenn aber manche Autoritäten 
infolge solcher Erfahrung den Tee als ein Gift betrachten oder ihn als gleich 
schädlich wie den Genuß großer Mengen von Fleisch oder von geistigen Getränken 
bezeichnen, besonders als einen starken Gichterzeuger, so können wir diese An¬ 
sicht nicht teilen, immer vorausgesetzt, daß der Tee nur in mäßiger Menge ge¬ 
nossen wird. Es ist zwar richtig, daß die Teeblätter eine gewisse Menge von 
Pnrin (Methyl-Purin) enthalten, aber wenn die Menge des Genusses während 
eines Tages 4 bis 6 g nicht überschreitet, und wenn man den Tee nicht lange 
ziehen läßt, so ist keine Gefahr vorhanden, abgesehen von seltenen Ausnahme¬ 
fällen. Schwarzer Tee bekommt den meisten Menschen besser als grüner, und 
guter chinesischer besser als indischer, welcher stärker ist. Eine Mischung von 
einem Teil des letzteren mit zwei des ersteren ist für die Mehrzahl passend. 
Tee sollte nie gekocht, sondern durch Aufguß mit kochendem Wasser bereitet 
und nach 2 oder höchstens 5 Minuten getrunken werden. Diejenigen, welche Tee 
verbieten, bedenken nicht, daß gar manche Menschen dadurch, daß sie Tee als 
Reizmittel gebrauchen, vor dem Mißbrauch geistiger Getränke geschützt werden, 
welche unendlich viel schädlicher sind als Tee. Wir sehen ja, daß die Japanesen, 
welche meist vier- bis fünfmal täglich Tee trinken, dadurch nicht in derselben 
Weise beschädigt werden, wie die Europäer durch den Alkohol. Endlich müssen 
die Feinde des Tees doch zugeben, daß der Teegenuß die geistigen und besonders 
die moralischen Eigenschaften des Menschen nicht beschädigt, wie es der Alkohol 
tut, daß er die Neigung zu Verbrechen nicht fördert, daß er höchstens dem Tee¬ 
trinker selbst schadet, nicht der ganzen Familie, zu der er gehört und selbst 
weiteren Kreisen, wie dies bei dem Alkoholtrinker der Fall ist. 

Kaffee enthält außer dem Kaffein (welches dem Theein ähnlich ist) ein 
durch das Rösten erzeugtes flüchtiges öl, Zellulose und Extraktivstoffe. Während 
Kaffee bei vielen Menschen fast ebenso wirkt und vertragen wird wie Tee, ver¬ 
ursacht er bei einigen Verdauungsstörungen und Hämorrhoiden. Viele dagegen, 
bei denen Tee Flatulenz und Ohnmachtsgefühl erzeugt, vertragen Kaffee ganz 
gut. Parkes (59) empfahl ihn besonders für Soldaten bei anstrengenden Mär¬ 
schen. Beide, Kaffee und Tee, verlangsamen die Magenverdauung bei vielen 
Menschen, und der schwarze Kaffee nach dem Essen sollte von Dyspeptikern ver¬ 
mieden werden. 

Es kann kaum bezweifelt werden, daß sowohl Kaffee als Tee die meisten 
Menschen in den Stand setzen, sowohl geistige als körperliche Anstrengungen 
leichter zu ertragen. Diese Eigenschaft ist jedoch nicht frei von Gefahr, besonders 
in bezug auf geistige Arbeit. Ich habe nicht selten Gelegenheit gehabt, zu beob¬ 
achten, daß geistige Überanstrengung während Wochen und Monaten unter dem 
Einfluß von Kaffee und Tee fortgesetzt wurde, bis sie zur Erschöpfung des Nerven¬ 
systems führte, welche in manchen Fällen Jahre der Erholung erforderte, in 
einzelnen sogar nie vollständig beseitigt wurde. 

In bezug auf die Bildung von Harnsäure und die ihr zugeschriebenen Leiden 
werden gegen den Genuß des Kaffees ähnliche Einwürfe gemacht, wie gegen den 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 

des Tees. Meine Ansicht ist dieselbe, welche ich beim Tee ausgesprochen habe, 
und ich muß wieder Mäßigkeit betonen. Häufig betrachtet man die Gewohnheit 
deutscher Frauen, des Nachmittags einige Tassen Kaffee zu trinken, als Ursache 
mancher ihrer Leiden; es ist aber wahrscheinlich, daß die Kuchen und die Süßig¬ 
keiten, die dabei genossen werden und das lange Sitzen über dem Kaffee mehr 
Schaden tun, als der Kaffee selbst. 

Kakao ist in seiner Zusammensetzung verschieden, sowohl vom Tee als von 
Kaffee, obgleich das Theobromin chemisch sich vom Theein und Kaffein nur 
wenig unterscheidet. Die Kakaobohnen enthalten neben mehreren stickstoff¬ 
haltigen und stickstofffreien Substanzen viel Fett. Dieses letztere wird von 
manchen Leuten schlecht vertragen, so daß sie das von dem einfach gepulverten 
Kakao bereitete Getränk vermeiden müssen, während sie das von den Schalen 
und den sogen. „Cocoanibs“ bereitete ohne Nachteil genießen. Auch das künstlich 
entfettete Pulver bekommt besser, obgleich es gewöhnlich nicht ganz frei von 
Fett ist. Die gewöhnliche käufliche Schokolade ist meist mit viel Zucker ge¬ 
mischt und ist aus diesem Grunde vielen Dyspeptikern und zu Korpulenz Ge¬ 
neigten nicht zu raten. Gute,, nicht oder mit wenig Zucker bereitete Schokolade 
ist bei anstrengenden Märschen in Ermangelung anderer Nahrung sehr nützlich. 
Kakao und Schokolade stehen überhaupt den gewöhnlichen Nahrungsmitteln viel 
näher als Tee und Kaffee. 

Tabak ist für viele Leute ein angenehmes Genußmittel, beruhigt sie bei 
Nervenaufregung und läßt sie ruhiger auf unangenehme oder schwierige Verhältnisse 
blicken. Er wird auch von der großen Mehrzahl gut vertragen, wenn sie die Menge 
beschränken, z. B. auf eine, höchstens zwei mäßig große Zigarren oder drei bis 
vier Zigaretten oder zwei kleine Pfeifen. Das unmäßige Rauchen aber ist für 
die meisten Menschen schädlich, erzeugt Störungen des Herzens, des Magens und 
Halsorgane. Das Rauchen mit nüchternem Magen ist schädlicher als nach Mahl¬ 
zeiten. Das Rauchen in der frühen Jugend stört das Wachstum des Körpers und 
sollte durchaus verhindert werden. Manche gute Beobachter, wie Prof. Lazarus 
in Berlin, halten starkes Rauchen für eine der Ursachen von Arteriosklerosis und 
manches spricht zu gunsten dieser Ansicht. Dies veranlaßt mich, eine Arbeit 
von Dr. Michels und Dr. Parkes Weber „On arteritis obliterans“ (45) zu er¬ 
wähnen. Die Patienten waren russische und rumänische Juden, zwischen 30 und 
40 Jahre alt, ohne Syphilis oder andere krankhafte Komplikationen; gemeinsam 
war bei ihnen: 1. daß sie unzählige Zigaretten rauchten, 2. daß sie schlechte 
Nahrung hatten und wahrscheinlich auch diese in ungenügender Menge, 3. daß 
sie sehr viel starken Tee tranken. Ich bin geneigt, das übermäßige Rauchen 
als Hauptursache ihrer Krankheit anzusehen, obgleich die große Menge von Tee 
einen gewissen Anteil gehabt haben mag. 

Schnupftabak ist gegenwärtig außer Mode, und doch ist bei manchen an 
Stockschnupfen leidenden Menschen die tägliche Prise dadurch nützlich, daß sie 
die Nase offen hält; auch wird der Geruchsinn dadurch länger erhalten, indem 
der Tabak die Kapillaren der Schneiderschen Membran reizt und für sie eine 
Art von lokaler Gymnastik bildet. Viele Schnupfer behaupten, daß die regel¬ 
mäßige Prise die gewöhnlichen Schnupfen (Coryza) verhindert oder doch seltener 
macht. 


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Von großer Wichtigkeit für das Verdauungssystem und auch den ganzen 
Organismus ist ein regelmäßiger Stuhlgang. Hierin bestehen große Ver¬ 
schiedenheiten bei verschiedenen Menschen. Während manche sich nur wohl 
fühlen, wenn sie täglich zwei bis drei Entleerungen haben, finden diese bei an¬ 
deren nur alle zwei bis drei Tage einmal statt, ohne daß ihre Gesundheit dadurch 
gestört wird. Andere dagegen leiden sehr durch andauernde Verstopfung; es 
kommt zu Stauungen im Pfortadersystem, zu Hämorrhoiden, zu Autointoxikationen 
und oft zu Anämie. Aus meiner Erfahrung glaube ich annehmen zu müssen, 
daß dies viel häufiger in den wohlhabenden Ständen als in den Arbeiterklassen 
und der ärmeren Bevölkerung der Fall ist, welches wahrscheinlich der gröberen 
Nahrung zuzuschreiben ist, die von den letzteren genossen wird. 

Ein wichtiger Punkt ist, den Darmkanal an regelmäßige Entleerung zu einer 
bestimmten Tageszeit zu gewöhnen, eine Gewohnheit, welche von der Kindheit 
sorgfältig gepflegt werden sollte; der Morgen ist, wo es möglich ist, die passendste 
Zeit, außer bei Leuten, die an Hämorrhoiden leiden, für welche der Stuhlgang 
vor dem Zubettgehen den Vorteil hat, daß durch die Ruhe in der horizontalen 
Lage der Darm sich zurückziehen und die Hämorrhoidalvenen sich leichter ent¬ 
leeren können. 

Die Menge und Beschaffenheit der Nahrung ist von Wichtigkeit für Menschen 
mit trägem Darmkanal. Der Reiz der gewöhnlichen Speisen ist bei ihnen un¬ 
genügend, die Tätigkeit des Darmes anzuregen. Gröbere Brotsorten mit der 
Kleie vermischt, wie das englische Braun- oder Grahambrot, der westfalische 
Pumpernickel und das Kommißbrot sind für sie besser als das feine Brot, eben«' 
der reichliche Genuß von grünen Gemüsen, die zum Teil durch die unverdaulichen 
Fasern wirken. Ich erinnere an die oben erwähnte Beobachtung, daß die wenig 
wohlhabenden Klassen nicht so häufig an Verstopfung leiden. Die großen Feigen 
von Smyrna sind ebenfalls nützlich, zum Teil gewiß durch die Samen, zum Teil 
auch durch die übrige traubenzuckerreiche Substanz. Manche Fruchtarten, 
besonders Äpfel, gekocht, gebraten oder wenn sie weich und vollständig verkaubar 
sind, roh, haben ebenfalls eine gute Wirkung. Roh wirken sie meist mehr auf 
den Stuhlgang als gekocht. Bei manchen Leuten sind ein paar gute, rohe Äpfel 
nach dem Frühstück ganz hinreichend, um die gewünschte Regelmäßigkeit zn 
bewirken. 

Viele Personen glauben, daß es besser ist, nur die nahrhaften Teile der 
Speisen zu nehmen, welche nach ihrer Ansicht leichter verdaulich sind und ihren 
Verdauungsorganen Mühe sparen; sie ziehen Fleischextrakt dem Fleisch vor, 
Fruchtsäfte der ganzen Frucht; dies aber ist für die meisten gesunden Menschen 
ein großer Irrtum, sowohl aus dem oben gegebenen Grunde, daß der Darmkanal 
vieler Leute einer gewissen mechanischen Anregung bedarf, als auch deshalb, 
daß der Magen und Darmkanal ebenso an die ihnen obliegende Arbeit gehalten 
werden, wie die Muskeln, Blutgefäße und alle anderen Organe des Körpers. Ab¬ 
gesehen hiervon aber sind die ganzen Substanzen nützlicher als die Extrakte: 
Fleisch ist nahrhafter als Fleischextrakt, welches nicht die Muskelbildung, wohl 
aber die Gicht befördert; das feinste Weißbrot steht an Nahrungswert dem aus 
dem ganzen Mehle des Korns bereiteten Brote nach, außer für diejenigen, welche 
alle Purinkörper möglichst vermeiden müssen, weil das feinste Mehl fast frei von 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


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ihnen ist, während das ganze Mehl den Keim and die äußeren Schichten des 
Korns enthält, welche reicher an Purinkörpern sind. 

Wenn die passende Auswahl der Nahrungsmittel nicht genügt zur regelmäßigen 
Darmentleerung, so hilft häufig Massage des Unterleibs, die jedermann leicht er¬ 
lernen und an sich selbst ausüben kann. Ebenfalls von großem Nutzen ist die regel¬ 
mäßige Übung der Bauchpresse, welche noch andere wohltätige Wirkungen hat. 
Kontrahiert man langsam und gründlich die Bauchmuskeln, etwa 50—60 mal von 
oben nach unten, so komprimiert man nicht allein die Gedärme, sondern auch die 
Drüsen des Unterleibes und die Venen, verbessert die Blutzirkulation im Bauche 
selbst, regt das Herz zu vermehrter Tätigkeit an und stärkt die Bauchmuskeln. 
Diese Übung macht man am besten '/ 4 —'/ 2 Stunde oder auch unmittelbar vor dem 
zu bewirkenden Stuhlgang. Auch ein Glas kalten Brunnen- oder Mineralwassers 
(Selters, Fachingen, Apollinaris, Gießhübler etc.) oder eine Tasse schwachen Tees 
1—2 Stunden vor dem Frühstück genommen, haben oft den erwünschten Erfolg. 
Bei anderen hat ein Ritt oder ein rascher Spaziergang vor dem Frühstück die 
Wirkung. Ein anderes gutes Mittel ist ein während der Nacht um den Unterleib 
getragener nasser Umschlag. Wenn keines dieser Mittel nützt und die Gesundheit 
unter der Verstopfung leidet, so müssen leichte Abführmittel gebraucht werden, 
besonders bei älteren und gichtischen Menschen. Der fortwährende Gebrauch 
starker Abführmittel ist aber ein Fehler, den manche Leute begehen, die in einer 
Art hypochondrischer Furcht vor Verstopfung leben. Sie sollten bedenken, daß 
es für viele Menschen genügt, nur alle zwei (selbst drei) Tage einen gründlichen 
Stuhlgang zu haben, und daß auch manches von der Natur der Nahrung 
abhängt und von der Art, wie sie genossen wird. Wenn eine große 
Menge von Nahrung eingenommen wird, besonders solche, die viel unlösliche 
vegetabilische Fasern enthält, so sind stärkere Entleerungen nötig; wenn aber die 
Masse der Nahrung gering ist und nur wenig unlösliche Substanzen enthält, so 
daß fast alles im Darmkanal aufgesogen wird, so brauchen und können die Ent¬ 
leerungen nicht so häufig und so reichlich sein. Ferner ist zu berücksichtigen, 
daß durch gründliches Vorkauen und durch reichliche Beimischung von Speichel 
eine größere Menge der Speisen, besonders von Kohlehydraten, in einen Zustand 
gebracht wird, daß sie aufgesaugt werden können, daß dann eine kleinere Menge 
übrig bleibt, welche entleert werden muß, und daß die Entleerungen seltener statt- 
znfinden haben, wie dies van Somering (74) und Horace Fletcher (26) ge¬ 
zeigt haben. 

Gleich wichtig mit den Organen des Blutumlaufes und der Verdauung ist 
das Nervensystem, welches in der Tat alle anderen Organe beherrscht. Wir 
müssen es deshalb in jeder möglichen Weise zu ernähren und zu kräftigen suchen. 
Aach hier ist die Beschaffenheit der Kreislaufsorgane allwichtig. Entartung der 
Gehirngefäße und der dadurch bedingte Verfall der Struktur und der Funktionen 
des Gehirns sind häufige Ursachen frühzeitigen Todes, und die Neigung hierzu ist 
erblich. Sie läßt sich aber bekämpfen durch große Mäßigkeit im Essen und 
Trinken und reichliche körperliche und geistige Tätigkeit. Ich habe dies sehr 
oft beobachtet und in einer überzeugenden Weise in einer Familie, in welcher 
seit mehreren Generationen alle männlichen Glieder zwischen 56 und 64 Jahren 
an Apoplexie, Paralyse und anderen durch frühen Verfall des Gehirns bedingten Zu- 

Zeitichr. f. phynik. u. diät. Therapie Bd. IX. Heft IS. 47 


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ständen gestorben waren. Von fünf Brüdern in dieser Familie, welche zwischen 
25 und 40 Jahren unter meine Beobachtung kamen, führten zwei meinen Bat in 
gewissenhafter Weise aus, führten ein geistig und körperlich tätiges Leben, ver¬ 
bunden mit großer Mäßigkeit in allen Dingen, lebten bis über 70 und 73 Jahre 
und starben nicht an Gehirnentartung, sondern an Affektionen des Herzens und 
der Lungen, welche hauptsächlich durch ungünstige äußere Verhältnisse hervor- 
gebracht waren. Die drei anderen Brüder, welche weniger mäßige Lebens¬ 
gewohnheiten hatten und zuviel schliefen, starben zwischen 60 und 64 Jahren 
an Paralyse oder Apoplexie. Ich könnte viele ähnliche Erfahrungen in anderen 
Familien mitteilen, aber vielleicht weniger auffallend. 

Das Gehirn gewinnt wie alle anderen Organe durch körperliche l'bnng. 
indem die dadurch bewirkte vermehrte Herztätigkeit ihm mehr Blut zuführt und 
sowohl die Nervenzellen als die Arteriolen und Kapillaren in gesundem Zustand 
erhält. Tätigkeit, geistige wie vollkörperliche, hat aber noch eine andere mehr un¬ 
mittelbare Einwirkung auf die Ernährung des Gehirns. Jede willkürliche Bewegung 
und alles Denken ist bedingt durch eine Anregung, die von bestimmten Zentren 
des Gehirns ausgeht; wir dürfen annehmen, daß eine solche Anregung stets einen 
vermehrten Blutzufluß zu dem betreffenden Zentrum erzeugt, durch welchen so¬ 
wohl die Nervenzellen als die feinen Blutgefäße selbst ernährt, und im Arbeits¬ 
zustande erhalten und vor früher Entartung bewahrt werden. Mangel an körper¬ 
licher und geistiger Arbeit ist oft die Ursache frühzeitigen Gehiraverfalles. Wir 
beobachten dies so häufig an Männern, welche sich zu früh von Geschäften zo- 
rückziehen, oder an Offizieren und Beamten, welche durch die Gesetze des Dienstes 
gezwungen sind, mit 60 oder 65 Jahren zurückzutreten. Derartige Leute geben 
mit ihrem Geschäfte oder Amte oft auch andere Arten von Tätigkeit auf, zu 
denen sie nicht mehr gezwungen sind. Sie werden verstimmt, schlafen länger, 
bleiben länger bei den Mahlzeiten, rauchen mehr und unterlassen ihre gewohnten 
Ritte oder Spaziergänge. Krankheiten der verschiedensten Art und früher 
geistiger Verfall sind häufige Folgen. Sie sollten sich nach anderen geistigen 
Tätigkeiten umsehen und die Körperübungen mit Strenge aufrecht erhalten. Sie 
sollten sich mit Kunst, Literatur, Zoologie, Botanik, Geschichte, Gärtnerei, Land¬ 
wirtschaft, Reisen beschäftigen oder mit philanthropischen Angelegenheiten oder 
der Adoption und Erziehung eines Kindes. Sie könnten sich auch eine Art von 
Steckenpferd suchen, wie sie das Sammeln von Merkwürdigkeiten, Autographen, 
von Kupferstichen oder Photographien, von Münzen bietet, welches sie zum 
Studium der Geschichte, der Mythologie, der Geographie führte; selbst das 
Sammeln von Postmarken kann, in Ermangelung von etwas mehr Anregendem, 
Nutzen bringen. Die Wahl einer Nebenbeschäftigung sollte nicht zulange ver¬ 
schoben, sondern schon früh gemacht werden während des Bestehens des Haupt¬ 
berufs, denn viele Leute sind nach dem Zurückziehen im Alter von 60—65 Jahren 
nicht mehr imstande, eine neue geistige Tätigkeit zu verfolgen, wie es viele 
Menschen gibt, welche im Alter keine neuen Freundschaften anknüpfen können. 

Neben einem mehr ernstlichen Steckenpferd können Kartenspiele, Schach. 
Domino und ähnliche derartige Unterhaltungen sehr nützlich werden, besonders wenn 
durch Verminderung der Sehkraft das Lesen und Schreiben beschränkt werden müssen. 
Die Angehörigen müssen dafür sorgen, daß alte Leute Beschäftigung finden und 


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Uittel zur Verlängerung des Lebens. 


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nicht den ganzen Tag verschlafen oder müßig bleiben. Unter den Leuten, welche 
oft früher sterben als sie sollten, sind manche, welche bis zum Alter von 50 und 
60 Jahren ein gesundes Leben geführt hatten und gesund waren. So habe ich 
unter Bauern und Handwerkern Menschen gesehen, welche bis zum genannten 
Alter in großer Tätigkeit waren, dann die Sachen ihren Söhnen überließen und 
selbst hinter dem Ofen saßen, aber mit den gewohnten starken Mahlzeiten fort¬ 
fuhren, sich jedoch fast keine Bewegung machten und sich auch nur wenig geistig 
beschäftigten. Sie wurden nach einigen Jahren stumpf, zuweilen dickleibig und 
starben ungefähr um 70. Man mag dies ein anständiges Alter nennen, aber es 
war entschieden niedriger als es gewesen sein würde, wenn sie sich möglichst in 
Tätigkeit erhalten hätten. 

Abwechslung in der geistigen Beschäftigung ist eine wichtige Regel, 
welche hilft das Interesse an möglichst vielen Dingen wachzuerhalten und 
geistige Verkalkung zu verhindern. 

Jede geistige Beschäftigung führt zur Vermehrung des Blutzuflusses, zur Be¬ 
tätigung der feinen Blutgefäße und Ernährung der Nervenzellen, wie das schon 
erwähnte Experiment von Mosso andeutet (47). Ich könnte die auffallendsten 
Beispiele über die Wirkung des geistigen Zustandes auf das Herz, die Verdauung 
and alle Körperfunktionen beibringen, und kann mich nicht enthalten, wenigstens 
einen Fall zu beschreiben, den ich genau von Tag zu Tag beobachtet habe, da er 
einen nahen Freund von mir betraf. Ein Mann von großer Energie und Intelli¬ 
genz, welcher die Seele eines bekannten Hospitals gewesen war, fing mit etwa 
75 Jahren an schlaff und gleichgültig in der Verwaltung zu werden. Die Herz¬ 
tätigkeit wurde schwach und unregelmäßig, er verlor den ihm eigenen Ausdruck 
von Intelligenz und Festigkeit, der Speichel floß ihm aus den hängenden Lippen 
und er wurde triefäugig; die Blasen- und die Darmtätigkeit wurden träge, die Beine 
wurden ödematös und zuletzt entwickelten sich Ergüsse in die Pleura in seinem 
82. Jahre. Da wollte man plötzlich die Einrichtungen, die er im Hospital getroffen 
und geleitet hatte, umstoßen. Dies brachte ihn in eine ungeahnte Aufregung. 
Er fing an, Briefe zuerst zu diktieren, dann wieder selbst zu schreiben, berief 
Versammlungen zu sich, um die ihm notwendig erscheinenden Einrichtungen zu 
retten und es gelang ihm, dies zu tun. Wunderbar war die von Tag zu Tag sich 
entwickelnde Besserung. Die Pleuraergüsse und das Ödem schwanden; Augen 
und Lippen wurden wieder fast natürlich, und der intelligente Gesichtsausdruck 
kehrte zurück. Mehr als ein Jahr erhielt er sich in diesem günstigen Zustand, 
erlag aber dann einer Pneumonie im Gefolge von Influenza unter ungünstigen 
meteorologischen Einflüssen. Es war die Gehirnarbeit und die Freude über den 
Erfolg, welche diese kaum glaubliche Verbesserung erzeugten. Wunderbar ist die 
Wirkung von Erfolg und Freude; es zeigt dies die große Macht des geistigen 
Zustandes auf den ganzen Organismus. Die entgegengesetzten geistigen Verhält¬ 
nisse, wie Kummer und getäuschte Hofinung, erzeugen bei manchen Menschen den 
höchsten Grad geistiger und körperlicher Depression, gänzliche Gleichgültigkeit 
gegen die Angehörigen und Umgebung mit zuerst funktionellen dann organischen 
Veränderungen, besonders Erweiterung des Herzens und sogar Tod von wirklich 
gebrochenem Herzen. Verminderung des Atmens, Abschwächung der Herz¬ 
kontraktionen und unvollständiger Blutzuflnß zum Gehirn bilden die Mittelglieder 

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708 Hermann Weber 


zu der auffallenden Depression des Geistes und Körpers. Manchmal gelingt es 
uns eine günstige Wendung zu bewirken, durch Interesse an nahen Verwandten 
und Freunden oder durch einen anderen mächtigen Einfluß auf den Geist, welcher 
die herabgedrückten Funktionen des Gehirns und Herzens wieder anregt. Ich 
will nur einen von vielen Fällen dieser Art, die ich beobachtet habe, mitteilen: 
Eine stets gesunde Frau von 70 Jahren verlor plötzlich durch eine akute Krank¬ 
heit ihren Gatten, einen ausgezeichneten Arzt, den sie angebetet und mit dem 
sie alle Freude und alles Leid während ihrer langen glücklichen Ehe geteilt hatte. 
Sie war eine hochgebildete, sehr tätige Frau mit lebhaftem Interesse an ihrer 
ganzen Umgebung. Unmittelbar nach dem schweren Schlag wurde sie geistig 
sehr deprimiert und ganz hilflos. Der Zustand könnte geistige Lähmung ge¬ 
nannt werden oder akute Melancholie. Es war unmöglich, sie zum Lesen zu 
bewegen; sie saß meist in der Ecke ihres Zimmers, mit herabhängendem Kopf, 
seufzte häufig, nahm gar keinen Anteil an den Gliedern ihrer Familie, die sie 
immer geliebt hatte. Innerhalb von 3 Wochen hatte sich starke Herzerweiterung 
eingestellt, mit schwachem, unregelmäßigem Puls und systolischem Mitralgeräusch; 
die Beine wurden ödematös; der intelligente und sympathische Ausdruck des 
Gesichts hatte sich in den von Teilnahmlosigkeit und fast Blödsinn verwandelt. 
In diesem Zustande verblieb sie mehrere Wochen und man erwartete ihren 
baldigen Tod. Da brachte man ihr, als einen letzten Versuch, eine dringende 
Botschaft von einer Tochter, welche seit Jahren ihr Bett nicht hatte verlassen 
können, und einzig an dieser Mutter hing. Die Tochter flehte darum, sie noch 
einmal vor ihrem Tode zu sehen. Die Mutter wurde zu ihr getragen, und die 
mütterliche Teilnahme wurde durch den Zustand der Hilflosigkeit, des Kummers 
und der Liebe wieder erweckt. Sie nahm etwas Nahrung und Wein mit der 
Tochter, sie wurde wieder etwas geistig belebt, wurde eine zeitlang täglich zn 
der Tochter getragen, deren Freude über die Ankunft der Mutter wie ein mäch¬ 
tiger Reiz auf diese oder in der Tat auf beide zu wirken schien. Allmählich 
gewann die Kranke auch wieder Interesse an den anderen Familiengliedern, 
genas im Laufe von mehreren Monaten vollständig, mit Ausnahme einer gewissen 
Herzschwäche und blieb dann noch 15 Jahre der Mittelpunkt ihrer großen Familie. 

Es ist nicht leicht, die physische Wirkungsart von Glück und Freude auf der 
einen und von Unglück und Hoffnungslosigkeit auf der anderen Seite zu erklären. 
Beide wirken auf das Herz und den Blutumlauf, die ersteren anregend, die letzteren 
herabdrückend, aber der Geist wird doch jedenfalls zuerst in Anspruch genommen 
und wirkt, vermute ich, durch den pneumogastrischen Nerven. Bei der Beobachtung 
von Menschen unter dem Einfluß von Kummer und Hoffnungslosigkeit habe ich 
meist das Atmen oberflächlich von gelegentlichen Seufzern unterbrochen gefunden 
und die Pulsfrequenz sehr niedrig; ich habe dann weiter beobachtet, daß gleich 
nach dem Empfang von freudigen Kunden das Atmen tiefer und der Puls frequenter 
wurde, manchmal von 50 auf 70 und 75 stieg. 

Es ist oft unmöglich, Sorge, Kummer und geistige Angst durch freundlichen 
Zuspruch zu beseitigen; wir müssen ihnen unter solchen Umständen durch physi¬ 
kalische Mittel entgegenwirken, und unter ihnen üben die verschiedenen Arten 
von Bewegung in freier Luft sehr günstigen Einfluß aus. Noch wohltätiger ist 
in vielen Fällen die unablässige Erfüllung aller Pflichten im Berufe oder in anderen 


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Mittei zur Verlängerung des Lebens. 

Verhältnissen des Lebens. Wir haben oft gesehen, wie Männer und Frauen die 
schwersten Schläge dadurch überwunden haben, daß sie sich mit aller Macht in 
ihre täglichen Pflichten warfen und sogar neue hinzufugten. 

Da Freude eine so wohltätige Wirkung hat, da „ein fröhlich Herz das 
Leben lustig macht, ein betrübter Mut aber das Gebeine vertrocknet,“ so müssen 
wir suchen, Freudigkeit bei uns zu pflegen, und eines der Mittel ist Zufrieden¬ 
heit mit den Verhältnissen, in denen wir leben, und noch mehr mit uns selbst; wir 
müssen ein gutes Gewissen besitzen und festhalten. Hierzu müssen wir das 
Pflichtgefühl in uns rege erhalten. Ein Mensch, der weiß, daß er seine Pflicht 
tut, ist glücklich, wenn seine Verhältnisse befriedigend sind, und behält seinen 
Gleichmut, wenn sie es nicht sind, und ist leichter imstande sich herauszureißen. 
Wer aber unzufrieden mit sich selbst sein muß oder ein böses Gewissen hat, ist 
meist unglücklich, verliert die Hoffnung leichter, kann sich schwerer aus un¬ 
günstigen Verhältnissen herausziehen, wird häufig geistig deprimiert und verliert 
dadurch seine Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, eines der Hauptmittel für 
Lebensverlängerung. Das Gefühl der Pflicht sollte deshalb von der frühesten Zeit 
an erzeugt und durch das Leben gepflegt werden, in allen Dingen und im weitesten 
Sinne des Wortes, auch wenn kein geschriebenes Gesetz es befiehlt. Das Haupt 
der Familie zum Beispiel, welcher das Glück seiner Gattin und die Erziehung 
seiner Kinder vernachlässigt für selbstische, persönliche Genüsse, die Gattin, 
welche ihre Pflicht umgeht, Kinder zu gebären und zu säugen aus frivolen Motiven 
für Schmuck und leichtsinniges Gesellschaftsleben, ernten in vielen Fällen Unglück, 
Krankheit und Tod. Wiederholt ist es mir in meiner Erfahrung vorgekommen, 
daß Ehepaare in ihren jungen Jahren aus Genußsucht oder ähnlichen Gründen 
ihre Familie auf ein einziges Kind beschränkt hatten. Dieses Kind wuchs heran 
und war das Band ihrer Vereinigung. Das schon erwachsene Kind starb, und sein 
Tod verursachte das tiefste Unglück der Eltern; in einem Fall die schwerste, nie 
geheilte Melancholie der Mutter; in einem anderen dauernde Entfremdung zwischen 
den Gatten; in einem anderen Selbstmord. Wieder und wieder kamen mir Goethes 
Worte in den Sinn: „Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.“ 

Diejenigen dagegen, welche für die Familie Sorge tragen und Opfer bringen 
und sich auch an der Erleichterung der Lage der Kranken und Hilflosen be¬ 
teiligen, ernten Befriedigung und Glück, welche wie Sonnenschein auf den ganzen 
Körper wirken und so zur Verlängerung des Lebens und zu einem glücklichen Alter 
verhelfen. 

Ein weiterer Punkt der Selbsterziehung und des Pflichtgefühls ist die Be¬ 
herrschung unserer Leidenschaften. Wir dürfen uns nicht erlauben, über 
jede Unannehmlichkeit in Wut zu geraten, sondern müssen Eifersucht, Eitelkeit, 
Ehrgeiz, Neid und unerlaubten Geschlechtstrieb unterdrücken, denn das Nach¬ 
geben führt oft zu Unglücksgefühl, körperlichen und geistigen Krankheiten, frühem 
Tode und elendem Alter. 

Von größtem Einfluß auf die Erhaltung der Gesundheit ist ferner ein fester 
Wille, welcher von der frühen Jugend an ausgebildet werden muß. Viele von 
denen, deren Leben ich verlängern konnte, brauchten ihren starken Willen, um 
die Vorschriften, die ihnen anfangs lästig waren, auszuführen. „Ich will nicht 
früh alt werden“, sagten sie; „ich will meine geistigen und körperlichen Fähig- 



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710 Hermann Weber 


keiten solange als möglich erhalten“. Der Wille kann aber nicht allein durch Er¬ 
haltung der Gesundheit und Vermeidung von Krankheiten zur Verlängerung des 
Lebens fuhren, sondern er kann auch in entstandenen Krankheiten die Heilung 
befördern. Es ist dies ziemlich allgemein anerkannt in bezug auf Lungentuber¬ 
kulose, aber ich habe auch in anderen Krankheiten wunderbare Heilungen durch 
die Kraft des Willens gesehen. So zum Beispiel bei einem Manne von 60 Jahren, 
welcher seit mehr als 18 Monaten an Schwäche und Erweiterung des Herzens ge¬ 
litten hatte, zu welchen sich Cirrhose der Leber, Ödem der Beine und Ascites ge¬ 
sellt hatten, welcher schon sieben Punktionen erfordert hatte. Er war fest nie 
frei von Schmerz und Erschöpfungsgefühl und war von einer Lebensversicherung 
unbedingt zurückgewiesen worden. Er war zuerst über eine äußerst schlechte 
Prognose, die ihm der Arzt gegeben hatte, sehr deprimiert; schon am folgenden 
Tage aber raffte er sich auf und sagte, daß er nicht sterben dürfe, sondern gesund 
werden müsse wegen seiner großen Familie. Er fing an, meinen Rat, wie schwer 
er ihm auch erschien, auf das genaueste auszuföhren, sowohl in bezug auf 
Nahrung als auf Bewegung, Aufenthalt in freier Luft und Klimawechsel; er genas 
innerhalb von zwei Jahren und lebte in großer Tätigkeit bis zu hohem Alter. 
Selbst bei Kindern übt zuweilen der Wille einen großen Einfluß auf den Verlauf von 
Krankheiten. So steht noch lebhaft vor meinen Augen das Bild eines blassen, 
atemlosen Kindes von 7 Jahren, welches an Pleuropneumonie litt und wahrscheinlich 
auch tuberkulös war. Nach einer Konsultation zwischen mehreren Ärzten wurde 
der Mutter mitgeteilt, daß wenig Aussicht auf Genesung sei. Als ich einige 
Minuten später in das Krankenzimmer kam, und die Mutter weinte und schluchzte, 
rief das Kind fast atemlos aus: „Weine nicht, lieb’ Mamchen, ich werde wieder 
gesund werden, ich will nicht sterben!“ Eine Besserung stellte sich von jener 
Stunde an ein, leicht zuerst, aber deutlicher in den nächsten Tagen and führte all¬ 
mählich zu voller Gesundheit. Dieses Kind hat auch in späteren Jahren manche 
große Vorteile aus dem starken Willen gezogen. Man kann solche Ereignisse als 
Zufälligkeiten bezeichnen; da ich aber verschiedene Fälle von ähnlicher Natur 
beobachtet habe, so bin ich überzeugt, daß der Wille einen wichtigen Anteil ge¬ 
habt hat. Ein starker Wille ist in der Tat eine große Macht in Krankheiten 
sowohl, als in anderen Lebensverhältnissen. 

Die Betrachtung des Pflichtgefühls und des Willens bringt uns zu den 
Geisteskrankheiten, die so oft das Leben unglücklich machen und verkürzen. 
In vielen Fällen ist erbliche Neigung vorhanden, in den meisten derselben aber 
läßt sich diese erfolgreich bekämpfen durch Kräftigung und Erhaltung des geistigen 
Gleichgewichtes von früher Jugend an, durch gesunde Beschäftigung und Be¬ 
wegung im Freien, durch geistige und körperliche Mäßigkeit und anderweitige 
Förderung der körperlichen Gesundheit, durch Bildung eines zufriedenen und 
pflichttreuen Gemüts, durch passende gesellschaftliche Umgebung. Feuchters¬ 
ieben hat uns in seiner „Diätetik der Seele“ vortreffliche Vorschriften über diese 
wichtigen Verhältnisse gegeben. Während ich diese Arbeit schrieb, hat Sir 
Samuel Wilks (83) in der Lancet Rat gegeben über die „Bekämpfung erb¬ 
licher Neigungen“. Er beschäftigt sich zwar mit lasterhaften Neigungen, aber 
sein Rat gilt auch für andere geistige Abweichungen. Er empfiehlt besonders die 
Veränderung der Umgebung, den Wechsel aus dem Hause lasterhafter Eltern und 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 

Verwandten, in gesunde Umgebungen und Schulen, wo Selbstachtung, Rechtlich¬ 
keit und Unabhängigkeit ausgebildet werden und ein rechtmäßiger Verkehr mit 
den Nebenmenschen. Lord Bacon spricht in seinem „Advancement of learning“ (4) 
von der Heilkraft, welche das Wissen und Lernen auf Geisteskrankheiten ausüben. 

Vom Nervensystem unzertrennlich ist der Schlaf, diese wunderbare Funktion 
des Organismus. D’Oliver findet (54), daß während des Schlafs der arterielle 
Blutdruck fällt, der venöse steigt, und daß während des Schlafs die Gewebe 
gewissermaßen in Lymphe gebadet sind, welches zu ihrer Ernährung und Kräfti¬ 
gung führt. Die Menge von Schlaf, welche verschiedene Menschen brauchen, ist 
verschieden bei verschiedenen Personen, in verschiedenen Lebensaltern und selbst 
bei denselben Personen unter wechselnden Verhältnissen. Der Gegenstand hat 
noch kaum die Würdigung gefunden, die er verdient. Junge Kinder haben viel 
Schlaf nötig, und auch ältere brauchen mehr als Erwachsene bis zur Vollendung 
des Wachstums. Erwachsenen genügen meistens ö’/j bis 7 Stunden, obgleich viele 
sich 9 Stunden und selbst mehr gestatten. Beschäftigung, Lebensweise und Gewohn¬ 
heit sind von großem Einfluß, und auch hier gibt es gute und schlechte Gewohn¬ 
heiten. Zu wenig Schlaf während einer Reihe von Monaten, z. B. weniger 
als 5 )is 6 Stunden im Alter von 8 bis 14 Jahren, und weniger als 4 Stunden 
bei Erwachsenen, erzeugt nicht selten Störung der Verdauung, der Blutbildung 
and Ernährung, Abmagerung, Anämie, geistige Reizbarkeit, Neuralgien und andere 
krankhifte Zustände. Dies ist leicht verständlich, da Olivers eben erwähnte 
Erfahrmg zeigt, daß bei zu wenig Schlaf die Gewebe nicht die Zeit haben, sich 
völlig qi restaurieren. Olivers Erfahrung erklärt uns auch, warum junge Personen 
während des Wachsens viel mehr Schlaf nötig haben, und warum die zu große 
Beschräikung der Schlafzeit bei wachsenden Personen soviel nachteiliger ist als 
bei Erwachsenen. Die Gewohnheit, zu wenig zu schlafen, ist übrigens viel seltener 
als die «tgegengesetzte. Viele Kopfarbeiter geben sich nur 5 Stunden Schlaf 
und sogar noch weniger und genießen dabei volle Gesundheit bis ins hohe Alter, 
wenn sie sonst richtig leben. Viele Leute beunruhigen sich, wenn sie weniger 
als 6 bis »Stunden schlafen, und wenn sie mehrmals in der Nacht erwachen. 
Sie schade, sich mehr durch ihre unnötige Besorgnis, als durch die vermeintlich 
zu geringe (enge Schlaf. Wenn es gelingt, sie zu überzeugen, daß sie genügend 
Schlaf bekommen, und daß das ruhige Liegen im Bett an sich schon wesentlich 
zur Ernährun und Erfrischung des Körpers und der verschiedenen Organe führt, 
so schlafen si meistens bald besser. Manche Personen denken, sobald sie in der 
Nacht erwach«, an alle ihre Unannehmlichkeiten und mögliche Gefahren, und da 
nun in der Naht alles schwärzer aussieht als bei vollem Tageslicht, so nehmen 
sie aus Furcht vor dem Erwachen oder Wachsein entweder beim Zubettgehen 
oder beim erst* Aufwachen geistige Getränke oder Schlafmittel. Dies ist eine 
gefährliche Gewt^heit, und nur unter dem sorgfältig erwägten Rate des Arztes 
kann die Znflucht-u solchen Mitteln ausnahmsweise gestattet werden. Der häufige 
Gebrauch von Sciafmitteln schwächt das Herz, das Nervensystem, die Ver¬ 
dauung und die \derstandskraft des Körpers. Manchmal wird die Neigung 
schlecht zu schlafei<Jurch ein ganz leichtes Mahl vor dem Zubettgehen beseitigt, 
wie Milch, Milchsupi, Haferschleim oder ein einfaches Biskuit; Alkohol aber sollte 
vermieden werden; -ich beim Erwachen darf einmal in der Nacht eine solche 


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Hermann Weber 


leichte Nahrung genommen werden. Eine zu starke Abendmahlzeit, ein unpassendes 
Genußmittel wie Kaffee oder Tee, zu aufregende Arbeit oder Unterhaltung bilden 
oft den Grund; ungenügende körperliche Bewegung ist ebenfalls eine hänfige 
Ursache. In jedem Falle muß man nach den Ursachen suchen und sie beseitigen. 
Nicht selten kann man durch ein warmes Bad vor dem Zubettgehen helfen, in 
wieder anderen durch ein ganz kurzes, kaltes, in anderen durch eine feuchte 
Unterleibsbinde. Etwas zu wenig Schlaf ist übrigens bei der Mehrzahl weniger 
schädlich als zu viel — über 8 Stunden — bei Erwachsenen, besonders bei 
sogenannten Vollblütigen, bei welchen Neigung zu Entartung der Gehirngefäße 
und infolge davon Apoplexie oder früher Verfall der Gehirnfunktionen besteht 

Schon Immanuel Kant, der nicht allein ein großer Philosoph war, smdern 
auch gesunde Lebensanschauungen im allgemeinen besaß, deutet an, daß m viel 
Schlaf die Energie des Geistes und Körpers herabsetzt und das Leben verkürä (37). 

Sir George Sinclair sagt in seinem ausgezeichneten Buche (67): „fichts 
ist schädlicher als zu viel Schlaf. Er fuhrt zu Trägheit und Abstumpfung aller 
animalischen Funktionen und zur Schwächung des Körpers. Er trübt und ze-stört 
die Sinne und macht Geist und Körper unfähig zur Arbeit. Die durch den lagen 
Schlaf bedingte Verlangsamung des Blutumlaufs führt zu Korpulenz, Aufgedmsen- 
heit des Körpers und Neigung zu Wassersucht, Lethargie, Apoplexie und aderen 
Krankheiten.“ 

Die Nacht ist die Zeit für den Schlaf; das Schlafen während des "ages. 
welches für Kinder so nötig ist, sollte von gesunden Personen im mit/eren 
Lebensalter vermieden und auch von Greisen nur mäßig genossen werde. & 
gibt natürlich Ausnahmefälle, z. B. während der Genesung von Krankheitn und 
nach erschöpfender Arbeit des Geistes sowohl wie des Körpers. Die Langebigen, 
über die Humphry (34) nach den Resultaten des „Collective Investigatin Com¬ 
mittee“ berichtet, waren fast alle Frühaufsteher; und meine eigenen Erfhrungen 
stimmen hiermit ganz überein. 

Auf die Gefahr hin, von denen getadelt zu werden, welche 6 bis , Stunden 
Schlaf für unbedingt notwendig halten, und das Schlafen bei Tage mpfehlen, 
sobald der Schlaf während der Nacht hinter dem genannten Maß zrückbleibt, 
muß ich mir erlauben zu sagen, daß ich geistig oder körperlich arbei<nden Per¬ 
sonen stets geraten habe, zu derselben frühen Stunde aufzustehen, an* wenn sie 
später als gewöhnlich zu Bett gegangen waren oder schlecht geschifen hatten. 
Es versteht sich von selbst, daß ich gewisse Ausnahmen von mei*r Regel ge¬ 
stattet habe, z. B. bei Parlamentsmitgliedern, wenn die Sitzungen b ? spät in den 
Morgen gedauert hatten, oder bei Ärzten oder Pflegerinnen, webe die ganze 
Nacht am Krankenbett hatten zubringen müssen. Die meisten Leu», welche sich 
mit literarischen Arbeiten beschäftigen, haben leider die Gewißheit, in den 
späten Abend- und Nachtstunden zu arbeiten; sie sagen, daß gr in den frühen 
Morgenstunden ihre Gedanken nicht zusammenfassen können, während in den 
letzten Stunden vor und in den ersten Stunden nach Mitternacht^ 11 ' Geist rascher 
und schärfer arbeitet. Ich muß zugeben, daß dies so ist, abeb ur infolge einer 
schlechten Angewöhnung, und die Erfahrung hat mir gezeigt, & fast alle Leute 
sich an das Arbeiten in den Morgenstunden gewöhnen kön£? und dabei sich 
geistig und körperlich frischer befinden. Oft ist es der 1 qß Magen, der den 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 713 

Gedankenfluß in den frühen Morgenstunden langsam fließen läßt; dem ist aber 
leicht abzuhelfen durch eine Tasse Milch oder Kaffee oder Tee oder Schokolade 
oder ein Brötchen. John Wesley, der bekannte Theologe, stand während 
60 Jahren täglich um 4 Uhr auf, und schlief nie länger als 6 Stunden. Ich 
könnte viele Beispiele anfiihren von tüchtigen geistigen Arbeitern, welche von 
ihrer Jugend an des Morgens zwischen 5 und 0 Uhr aufstanden und arbeiteten, 
selbst wenn sie ein- oder zweimal wöchentlich erst um Mitternacht oder etwas 
später hatten zu Bett gehen können, und dabei bis 70 und 80 Jahre und länger 
lebten. Mehrere Richter aus meiner Bekanntschaft stehen während ihrer Arbeits- 
termine stets zwischen 4 und 5 Uhr auf, um die vorliegenden Fälle genau zu 
bearbeiten; einer derselben ist jetzt 88 Jahre alt und hat sich erst vor einigen 
Jahren zurückgezogen. 

Bevor wir die geistigen Verhältnisse und den Einfluß geistiger Arbeit auf 
den Körper verlassen, muß ich noch einmal mit Bestimmtheit meine auf Erfahrung 
begründete Überzeugung gegen die Ansicht aussprechen, daß durch reichliche 
Arbeit die Organe früher abgenutzt werden, als durch Müßiggang und Be¬ 
schränkung der Arbeit. Dieser Satz ist ganz gewiß falsch für ein gesundes 
Gehirn, vorausgesetzt, daß Überarbeit vermieden wird. Die geistigen Fähigkeiten 
sollten während des größeren Teils des Tages und während des ganzen Jahres, 
mit Einschluß der Feiertage, in Übung gehalten werden; aber es sollte ein 
Wechsel in der Arbeit sein, so daß eine Sphäre des Gehirns sich ausruht, während 
die andere arbeitet. Dr. Pollock (63) sagt mit Recht: „Mangel an Abwechslung 
erzeugt Ermüdung, frühes Altern des Geistes und Beschleunigung des körperlichen 
Verfalls.“ Die geistigen Fähigkeiten, wenn sie richtig geübt werden, behalten 
ihre Energie länger als die Muskulatur und das Verdauungssystem, wahrscheinlich, 
weil, wie Sir Crickton Brown andeutet (17 u. 18), die Stirnlappen des Gehirns 
erst spät ihre vollkommene Entwicklung erreichen. Jedenfalls finden wir unter 
Staatsmännern, Richtern, Rednern manche, welche ihre besten Leistungen nach 
dem Alter von 50 und selbst 60 Jahren verrichten. Wir haben glücklicherweise 
viele große Kopfarbeiter, die ein hohes Alter erreicht und ihre Fähigkeiten bis 
zum Tode erhalten haben, sowohl in den reinen Wissenschaften, als in der Kunst, 
der Politik, dem Rechte, der Theologie und der Medizin. Cicero sagt: „Die 
geistigen Fähigkeiten bleiben dem Alter erhalten, vorausgesetzt, daß sie fort¬ 
während geübt werden, und man braucht im hohen Alter nicht untätig, träge und 
schläfrig zu werden.“ Wir haben auffallende Beispiele unter Malern in Titian 
und Sidney Cooper; unter anderen Kopfarbeitern in Sophokles, welcher im 
Alter von 90 Jahren Tragödien schrieb, in Plato, Galen, Cato Censerius, 
Cicero, Michel Angelo, Heberden, Wesley, Samuel Rogers, Chevreul, 
Sir Henry Holland (dem Arzte), Wilhelm I. von Deutschland, Moltke, Bis¬ 
marck, Dr. Holyoke, dem amerikanischen Arzte, welcher 100 Jahre alt wurde, 
Leopold v. Ranke, Mommsen, Gladstone, Sir Henry Pitman, dem lang¬ 
jährigen Registrar des College of Physicians, welcher im 97. Jahre ist, Sir 
Manuel Garcia, dem Erfinder des Laryngoskops, welcher im vorigen Jahre (1905) 
sein lOOjähriges Jubiläum gefeiert hat, und in vielen anderen, welche ihre 
geistigen Fähigkeiten bis zum Ende ihres langen Lebens betätigt, und wahr¬ 
scheinlich dadurch ihre Langlebigkeit erhöht haben. 


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714 Hermann Weber 


Viele Leute scheinen unangenehm erstaunt gewesen zu sein durch den Ans¬ 
spruch Professor Oslers in seiner Abschiedsrede in der John Hopkins Uni¬ 
versität (56), daß die Menschen verhältnismäßig nutzlos seien nach dem Alter 
von 60 Jahren, und daß alle fortschritterregende Arbeit zwischen dem 25. und 
40. Jahre getan werde. Seine zum Teil scherzhaften Bemerkungen scheinen mi߬ 
verstanden worden zu sein. Ich verstehe Oslers Bemerkungen ganz wie Sir 
Samuel Wilks in seiner Arbeit „De senectute“ (84): daß nämlich die Haupt¬ 
tätigkeit, die schöpferische Periode mit ungefähr dem 50. Jahre aufhört, daß aber 
die Urteilskraft und die Fähigkeit zu viel nützlicher Arbeit bis zu viel höherem 
Alter fortdauert. „Männer, älter als 50 Jahre“, sagt Wilks, „können eine 
angemessene Stellung im Leben weiter erhalten. Die Arbeit, die sie dann ton, 
braucht nicht gerade bahnbrechend und neu zu sein, welche die Erhaltung 
derselben geistigen Fähigkeiten verlangen würde, die sie früher besessen hatten, 
sondern vielmehr die Benutzung der Kenntnisse, die sie früher gewonnen 
haben, und die Verwendung derselben zum Nutzen anderer, wie die Nestoren 
des Altertums.“ 

Von großer Bedeutung für die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens 
ist die Haut, zu deren wichtigen Funktionen die Entfernung mancher Schlacken¬ 
produkte des Stoffwechsels gehört. Diese Funktion wird im Greisenalter unvoll¬ 
kommen. Die Haut alter Leute ist meist trockener und kälter als in der Jugend, 
ohne Zweifel zum Teil durch Obliteration von vielen Kapillaren. Aktive Übungen 
sind auch hier wieder wichtig zur Aufrechterhaltung der Funktionen; von be¬ 
sonderem Nutzen aber ist das Bad. Viele Personen mit kräftigem Blutumlanf 
können von der Jugend bis ins hohe Alter kalt baden, während andere, besondere 
ältere, nur warme Bäder vertragen können; wiederum andere erzielen den größten 
Nutzen davon, daß sie zuerst in ein heißes Bad gehen, dann heißes Wasser ab- 
und kaltes zufließen lassen und am Ende über den Kopf oder den ganzen Körper 
mehrere Schwämme mit kaltem Wasser ausdrücken oder eine kalte Dusche 
nehmen. Das heiße Bad ist vorzuziehen bei chronischer Rheumarthritis und 
Neigung zu derartigen krankhaften Affektionen. Das heiße Bad erzeugt außerdem 
eine vorübergehende Änderung in der Blutverteilung im Körper; die Hitze zieht 
eine große Menge von Blut nach der Haut und zieht es ab von inneren Organen, 
was für manche Zustände von passiver Kongestion wichtig ist, aber auch zeigt, 
daß das heiße Bad nicht kurz nach Mahlzeiten genommen werden sollte, weil 
dann der Magen für seine Arbeit vermehrten Blutzufluß verlangt, nicht Entziehung 
wie sie durch das Bad bewirkt wird. Ähnlich auf die Blutverteilung wirken das 
heiße Luftbad, das Dampfbad und das elektrische Lichtbad. Der Nutzen des 
Bades, sowohl des kalten als des heißen wird durch tüchtiges Reiben der Haut 
mit einem rauhen Tuche nach dem Bade vermehrt; es wird hierdurch der Blut¬ 
umlauf in der Haut angeregt, und der Badende muß manche Bewegungen mit den 
Armen und dem Rumpfe machen, die er sonst nicht machen würde. In dieser 
Weise wirkt das Bad als eine Art von Gymnastik. Das Bad, besonders das kalte, 
aber auch das anfangs heiße dann kalte wirkt auch kräftigend auf das Nerven¬ 
system und befördert die Resistenzkraft des Körpers gegen sogenannte Ver¬ 
kühlungen. Die Japanesen haben die Bäder, besonders die heißen, in allen 
Ständen als einen Teil der täglichen Gewohnheiten eingeführt. 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


715 


Mit dem gewöhnlichen Wasserbade, kalt oder warm, läßt sich leicht ein 
kurzes Luftbad verbinden, indem man nach dem Abtrocknen und Abreiben den 
unbekleideten Körper einige Minuten lang der Luft aussetzt und dabei ver¬ 
schiedene gymnastische Übungen macht. Die Haut selbst und der Stoffwechsel 
werden dadurch günstig beeinflußt. 

Es würde zu weit führen, auf die Benutzung des länger andauernden Luft¬ 
bades ohne vorhergehendes Wasserbad, des Sonnenbades, des Sandbades, des 
Schlammbades, des Dampfbades, des türkischen und römischen Bades und des 
elektrischen Bades einzugehen, obgleich sich alle diese Arten von Bädern, je 
nach Verschiedenheit des Zustandes, als tägliche physikalische Mittel zur Erhaltung 
der Gesundheit verwenden lassen. 

Die Entblößung des Kopfes, d. h. das Gehen und Fahren ohne Kopfbedeckung, 
ist ein lokales Luftbad, welches die Kopfhaut stärkt, die Erhaltung des Kopf¬ 
haars begünstigt und vor manchen Erkältungen schützt. Der Gründer der Blue 
Coat schools (Blaurock-Schulen) hat Einsicht gezeigt durch das Gesetz, welches 
die Knaben zwingt, bei jedem Wetter ohne Kopfbedeckung zu gehen. 

Wenn keine Einrichtung für ein Vollbad vorhanden ist, so muß man sich mit 
einem Sitzbad und Ausdrücken von kalten Schwämmen über den Kopf begnügen, 
und wenn auch dies nicht zu haben ist, mit kalter nasser Abreibung. 

In Verbindung mit der Haut müssen wir einige Bemerkungen über das 
Kopfhaar machen, welches nicht allein eine Zierde, sondern auch ein Schutz¬ 
organ ist. Die Veränderungen des Haars mit zunehmenden Jahren sind sehr 
groß, und sie werden von Metchnikoff der Tätigkeit der Makrophagen zu¬ 
geschrieben (43). Es bestehen große Verschiedenheiten bei verschiedenen 
Menschen. Es gibt ganze Familien, deren Glieder schon mit 20 bis 30 Jahren 
grau werden, während bei anderen Familien die ursprüngliche Farbe bis zum 
höchsten Alter bleibt. Ähnlich ist es mit dem Ausfallen der Haare. Die bloße 
Veränderung der Farbe, besonders wenn sie Familieneigentümlichkeit ist, ist ohne 
Einfluß auf die Gesundheit und braucht nicht beachtet zu werden. Es kommt aber 
vor, daß ohne diese Familieneigentümlichkeit das Haar von Menschen im mittleren 
Alter fast plötzlich grau wird; wenn dies nicht Folge von akuter fieberhafter 
Krankheit ist oder von schweren geistigen Unruhen abhängt, so deutet es meist 
aof ernste Veränderungen in der Konstitution, welche die Aufmerksamkeit des 
Arztes in Anspruch nehmen sollten. 

Das mehr oder weniger frühe Ausfallen der Haare erzeugt Neigung zu 
Erkältungen durch Temperaturwechsel, Zugluft usw. Oft gelingt es durch Kühl- 
halten des Kopfes und Waschen mit kaltem Wasser, den Haarwuchs länger zu 
erhalteu. Noch nützlicher ist regelmäßige Massage des Kopfes, welche nicht 
im bloßen Reiben der Haare und der Kopfhaut bestehen sollte, sondern in aktivem 
Hin- und Herbewegen der Kopfhaut, verbunden mit einem gewissen Druck. 
Durch eine solche Massage wird die Ernährung der ganzen Kopfhaut befördert 
mit Einschluß der Nerven, der Kapillaren, der rete mucosum, der Haarfollikel, 
der Schweißdrüsen und der Fettdrüsen. Möglicherweise wird auch die Ernährung 
der Schädelknochen dadurch beeinflußt und der Neigung zu Atrophie entgegen¬ 
gewirkt. Ich habe wiederholt nicht allein die Erhaltung und einen gewissen 
Grad von Erneuerung der Haare von solcher Massage beobachtet, sondern auch 


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716 Hermann Weber 


das Schwinden mancher Formen von Kopfweh. Gute Zeiten für die Massage des 
Kopfes sind vor oder nach dem Morgenbad. 

Große Fortschritte sind im Laufe der letzten 25 Jahre in unserer Kenntnis 
verschiedener Drüsenorgane gemacht worden, besonders der Drüsen ohne Aus- 
führnngsgänge. Unsere Kenntnis ist immer noch sehr beschränkt, aber klinische 
Beobachtungen und Experimente haben jedenfalls schon klar gezeigt, daß diese 
Organe einen mächtigen Einfluß auf die Entwicklung und Gesundheit des 
tierischen Organismus ausüben. Dies ist besonders der Fall mit der Schilddrüse 
und Nebenschilddrüse. Die Krankheiten und die Exstirpation dieser Organe 
erzeugen auffallende Veränderungen im ganzen Organismus, besonders in den 
Funktionen des Nerven-, des Zirkulations- und des Hautsystems. Da einige 
Verfallssymptome des höheren Alters an krankhafte Veränderungen in diesen 
Drüsen erinnern [Horsley (31), Ewald (23 und 25), Lorand (41) und andere], 
so müssen wir uns bestreben, sie so lange als möglich in gesundem Zustande zu 
erhalten und vor Atrophie zu schützen. Die Berücksichtigung dieser Umstände 
und von Kochers Beobachtungen bei Exstirpation von Kröpfen haben mich 
bewogen, seit vielen Jahren meine Thyroidea und Parathyroidea, sowie die ganze 
vordere Halsgegend (das letztere besonders wegen der Blutgefäße und Nerven 
dieser Gegend) regelmäßig zu massieren und dies vielen älteren Leuten zu raten. 
Von diesem Verfahren glaube ich in vielen Fällen Nutzen gesehen zu haben, bei 
denen sich Symptome zeigten, die an Myxodema erinnerten, wie Aufgetriebenheit 
des Gesichts und der Hände, starkes Ausfallen der Haare, große Trockenheit der 
Haut, Veränderung in der Sprache und geistige Schwerfälligkeit, alles dies ver¬ 
bunden mit Schwund in der Schilddrüsengegend. Diese Erscheinungen besserten 
sich allmählich unter regelmäßiger Massage der Kehlkopfgegend, welche zugleich 
wieder eine gewisse Rundung annahm. Auch die unwillkürlichen Muskelzuckungen 
im Gesicht und wirkliche Krämpfe, welche von Veränderungen in der Parathy¬ 
roidea abzuhängen schienen, verminderten sich unter dieser Art von Massage. 

Wir sind nicht imstande, alle Drüsen des Körpers in so vollständiger 
Weise zu massieren, wie die genannten, weil sie zu entfernt von der Oberfläche 
liegen. Die Drüsen in der Unterleibshöhle können wir bis zu einem gewissen 
Grade durch Massage des Unterleibes beeinflussen, sowie auch durch Anwendung 
der Bauchpresse, von der wir früher gesprochen haben, und durch das Zusammen¬ 
drücken des Unterleibes bei tiefen Ausatmungen. Mehr zugänglich sind die 
Ohr- und Unterkieferspeicheldrüsen, deren Massage besonders nützlich ist, wenn 
bei alten Leuten statt des natürlichen dünnen Speichels eine mehr dicke, klebrige 
Flüssigkeit abgesondert wird. 

Da der menschliche Organismus ein ganzes ist, dessen einzelne Teile so 
innig miteinander verbunden sind, daß die Gesundheit des Ganzen von der jedes 
einzelnen Teiles abhängt, so müssen wir suchen, jedes einzelne Organ in Tätig¬ 
keit zu erhalten. Es gelingt uns dies freilich nicht immer. So steht es mit den 
speziellen Sinnen, deren Eindrücke für die Ernährung des Gehirns von großer 
Wichtigkeit sind. Sie haben die Neigung, allmählich stumpf zu werden. Bis zu 
einem gewissen Grade erhalten wir ihre Tätigkeit durch Befolgung aller Regeln, 
die wir zugunsten der Zirkulation, der Verdauung und der Ernährung gegeben 
haben. Massage der Augen, der Ohren und der Nase können einen günstigen 


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Mittel zur Verlängerung des Lebens. 717 

Einfluß ausüben, besonders Massage der Augen. Durch sorgfältige Vermeidung 
von Überanstrengung der Augen bei schlechtem Licht, bei zu langem Mikro¬ 
skopieren, beim Lesen während des Fahrens können wir unser Gesicht länger 
und vollständiger erhalten und somit einen der lästigsten Mängel des hohen 
Alters vermeiden. 

Unter den wichtigen Punkten, auf die ich nicht eingehen kann, sind die 
Kleidung, die Lage und Beschaffenheit des Hauses und der Zimmer, die wir be¬ 
wohnen und das Klima. Wir müssen jedoch bemerken, daß ein regelmäßiger Wechsel 
des Aufenthalts von 4 bis 6 oder 8 Wochen von großem Nutzen für Körper 
und Geist ist und wesentlich zur Verlängerung des Lebens beiträgt. Die Wahl 
des Ortes oder der Reiseplan muß von individuellen Verhältnissen abhängen. 
Für den einen ist der Aufenthalt am Meere, für den anderen sind Gebirge vor¬ 
zuziehen, für wieder andere eine Seereise von längerer oder kürzerer Dauer. 
Für viele ist es angenehmer, die ganze Zeit des Wechsels an demselben Orte 
znzubringen, für andere ist das Reisen von einem Orte zum anderen nützlicher. 
Das Reisen ist in der Tat ein wichtiges Mittel zur Lebens Verlängerung und 
nicht am wenigsten dadurch, daß es alle Leute zwingt, ihre Gewohnheiten und 
Gedanken für eine Zeitlang zu ändern. Sie müssen, wenn ihre geistige Reg¬ 
samkeit zu stocken beginnt, Plätze aufsuchen, welche ihr Interesse wecken 
durch Kunst, durch Geschichte, durch die Sitten der Bewohner, wie Ägypten, 
Griechenland, Rom, Neapel, Florenz, München, Berlin, Paris usw. 

Mit zunehmendem Alter nimmt die Widerstandskraft des Körpers ab, bei 
einigen mehr, bei anderen weniger, bei einigen früher, bei anderen später. 
Während in den kräftigen Perioden des Lebens Kälte, Hitze, Wind und Nebel 
leicht ertragen werden, erzeugen sie in höherem Alter, besonders bei solchen, 
welche sich nicht täglich im Freien bewegen, manuigfache Störungen der Gesund¬ 
heit und Gemütsdepression und führen dadurch zu verfrühtem Verfall der geistigen 
und körperlichen Kräfte. Es ist deshalb ratsam, für Personen, deren Wider¬ 
standskraft sehr geschwächt ist und welche im Norden wohnen, die kalten 
Monate des Jahres an wärmeren Orten zuzubringen, wie Ägypten, Algier, Korsika, 
Sizilien, Madeira, Pau, der westlichen Riviera, wo besonders die höher 
gelegenen Orte belebend wirken, wie Grasse, Costebelle und Cimiez. Das 
wärmere Klima dieser Orte wird durch Naturschönheit, durch Blumen, durch 
längeren Sonnenschein unterstützt, welche das Gemüt erheitern und den Körper 
verjüngen. Bei Hunderten von alten Leuten habe, ich beobachten können, daß 
die Winterkatarrhe und Winterrheumatismen, welche sie in nordischen Klimaten 
wochenlang zu Hause hielten und älter machten, an den genannten Orten weg¬ 
blieben und daß solche Personen wieder in den Stand gesetzt wurden, lange Gänge 
zu machen und regeren Anteil am Leben zu nehmen. 

Es sind noch manche Gegenstände, die ich besprechen könnte, allein ich 
habe die Grenzen der Zeit schon weit überschritten. Ich hoffe übrigens, daß die 
Befolgung der gegebenen Ratschläge bei vielen zur Lebensverlängerung beitragen 
wird, und daß, wenn es gelänge, eine allgemeine Gewohnheit richtiger Lebens¬ 
weise zu erzeugen, allmählich die Lebensdauer der ganzen Bevölkerung erhöht 
und von einer großen Anzahl die natürliche Lebensdauer von ungefähr hundert 
Jahren erreicht werden würde. Ich hoffe ferner, daß nicht allein die Dauer des 


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Lebens erhöht, sondern daß die Arbeitsfähigkeit länger erhalten und das Alter 
glücklicher und freier von Leiden gemacht werden wird. 

Lassen sie mich die Hauptpunkte kurz zusammenfassen: 

1. Alle Organe und Gewebe des Körpers in voller Kraft zu erhalten durch 
tägliche Bewegung im Freien, unterstützt durch Aimungs- und gym¬ 
nastische Übungen. 

2. Mäßigkeit zu halten im Essen, Trinken und allen körperlichen Genüssen. 

3. Für reichliche reine Luft im Hause zu sorgen und täglich solange als 
möglich in freier Luft zu sein. 

4. Die Widerstandskraft des Körpers gegen Krankheiten in voller Kraft zu 
erhalten, und die Neigung zu erblichen Krankheiten zu bekämpfen. 

5. Früh zu Bett zu gehen und früh aufzustehen und die Stunden des Schlafes 
auf 6—7, höchstens 8, zu beschränken. 

6. Die Haut in gesundem Zustand zu erhalten durch tägliche Bäder und 
Abwaschungen. 

7. Die geistigen Fähigkeiten durch regelmäßige Beschäftigung zu starken. 

8. Erziehung des Gemüts zu Teilnahme, Freudigkeit, Gemütsruhe und 
hoffnungsvolle Lebensanschauung. 

9. Erweckung des Pflichtgefühls in allen Verhältnissen des Lebens 
und eines starken Willens, welcher den Menschen zwingt, die Leiden¬ 
schaften zu bekämpfen, das Rechte zu tun und Schädliches, wie Alkohol 
zu vermeiden. 


Literatur. 

(Die Zahl der Werke über das Greisenalter, die Verlängerung des Lebens und die Uffi 
stände, welche sie beeinflussen, wie Nahrung und Lebensweise, ist so groß, daß nur eine kleine 
Anzahl angeführt ist, und viele verdienstvolle Werke nicht erwähnt sind.) 

(1) Allbutt, Prof., Clifford, „Rise of Blood pressure in later life“. Roy Med. Chir. Sot. 
Trans. Vol. 83, 1903. 

(2) Idem, „The prevention of Apoplexy“. Bristol Medico-Chir.-Journal, March 1905. 

(3) Allchin, Dr. W. H., „Senility“. Quain's Dictionary of Medicine. 2. Ed. 1894. 

(4) Bacon, Lord, „Historia vitae et mortis“. Opera omnia 1665. 

(5) Bäumler, Prof, Chr., „Ist Arteriosklerose eine allgemeine Krankheit?"* Berl. Klin. 
Wochenschr. 1905. 44 a. 

(6) Balfour, G. W., „The senile lieart“. 1884. 

(7) Brunton, Sir, Lauder, „Influence of stimulants and narcotics on health“. In ..th J 
book of Health“. London 1883, S. 183. 

(8) Idem, „On atheroma“. Lancet, October 1905. 

(9) Idem, „Disorders of Assimilation“. 1901. 

(10) Campbell, Dr. Harry, „Observations on Mastication. Lancet 1903, Vol. II. 

(11) Idem, „Respiratory exercises in thc treatment of disease**. London 1898. 

(12) Charcot, J. M„ „Le$ons cliniques sur les Maladies des Vieillards“. 2. Ed. 18i4. 

(13) Cheyne, Dr. George, „Essays on health and long life“. Collected Works III, 175i. 

(14) Chittenden Russell, K., „Physiological economy of Nutrition“. New York 1904. 

(15) Collective, investigation Committee. Brit. med. Journal 1888, Vol. I. 

(16) Cornaro, L., „Discourses on a sober life“. Engl. Übersetzung 1768. Ital. Ausgaben 
von 1558 und 1620. 

(17) Crichton-Browne, Sir J., „Old Age“. Brit. med. Journal. October 1891. 

(18) Idem, „The prevention of senility“. The Journal of preventive Medicine. August l&V 

(19) Dem an ge, „Etudes cliniques et anatomo-pathologiques sur la vieillesse“. Paris 1&&- 


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Mittel znr Verlängerung des Lebens. 


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(20) Duckworth, Sir Dyee, and Hutchison Dr. R., „Dieteties“. Allbutts System of 
Medicine, 2. Ed. 1905. Vol. I. 

(21) Ebstein, Prof. W., „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“. 

(22) Erdheim, Dr. J., „Zur normalen und path Histologie der glandula Thyreoidea, 
Parathyreoidea und Hypopbysis“. Beiträge z. path. Anatomie etc. Bd. 33. 1903. S. 1903 ff. 

(23) Ewald, Prof., „Die Erkrankungen der Schilddrüse“. Nothnagels Handbuch d. spez. 
Path. Bd. 22. Wien 1896. 

(25) Idem, „Myxodema“. Deutsche Klin. 1901, Berl. klin. Wochenschr. 1895, 1896, 1900. 

(26) Fletcher Horace, „The A.B.—Z. of Nutrition“. New York 1904. 

(27) Idem, „The new Menticulture“. New York 1903. 

(29) Haig, Dr. A., „Diet and food“. London 1902. 

(30) Idem« „Uric acid as a Factor in the causation of disease“. 1903, 6. Ed. 

(31) Hoffm.ann, Prof. A„ „Diätetische Kuren“, von Leydens Handbuch der Ernährungs¬ 
therapie. Leipzig 1897. 

(31) Horsley, Sir Victor, „On the thyroid and Pituitary bodies“. (Brown Lectures 1884.) 
Brit med. Journ. 1890. Februar. 

(32) Idem, „The effect of Alcohol on the human brain“. Brit. Journal of Snebriety 1905. 
Oktober. 

(33) Hufeland, Christ. W., „Makrobiotik“. 

(34) Humphry, Prof., „Old Age“. Cambridge 1889. 

(35) Hutchison, Dr. R, „Food and the principles of Dietetics“. London 1904. 

(36) Jeandelize, P., „Insuffisance thyroidienne et parathyroidienne“. Rev. Neurol. 
Paris 1903. S. 258. 

(37) Kant, Immanuel, „Von der Macht des Gemüts durch den bloßen Vorsatz seiner 
krankhaften Gefühle Meister zu werden“. Journal d. practischen Arzneykunde 1788. Vol. V. 

(38) Keith, Dr. George, „Plea for a simple life“. 1896. 

(39) Koenig, T , , Chem. Zusammensetzung der menschlichen Nahrungs- und Genu߬ 
mittel“. 1903. 4. Aufl. 

(40) v. Leyden, Prof. E„ „Handbuch der Ernährungstherapie“. Leipzig 1897. 

(41) Lorand, Dr. Arnold, „Sur les causes de la senilitg et son traitement hygienique 
et th6rapeutique“. Bruxelles 1905. 

(42) Mendelsohn, Dr. M., „Technik der Ernährung“, v. Leydens Ernährungtherapie. 

(43) Metschnikoff, Prof. Elie, „Etudes sur la nature humaine“. Paris 1903. 

(44) v. Mettenheimer, C., „Fragmente einer Diätetik des Greisenalters“. J. Betz, Memo¬ 
rabilien 1896. Vol XII. 

(45) Michels, Dr. E„ and Weber, Dr. J. Parkes, „Obiiterative Arteritis leading to 
Gangrene of the extremities“. Brit. med. Journ. 1905. 8. April. 

(46) Morris Malcolm, „The skin and hair“. Book of Health. London 1883. 

(47) Mosso, Prof. Angelo, „Sulla circulazione del Sangue nel Cerevello del Uomo“. 
Roma 1888. 

(48) Murray, G. R., „Diseases of the Thyroid Gland“. London 1900. 

(49) v. Noorden, Prof. C., „Lehrbuch vom Stoffwechsel“. 1896. 

(50) Idem, „Emährungstberapie bei Stoffwechselkrankheiten“. Leipzig 1897. 

(51) Oertel, Prof., „Respirations-Therapie“. Zicmssens Handbuch der allgem. Therapie 
1882. Vol. I. 

(52) Idem, „Allgemeine Therapie der Kreislaufstörungen“. Ziemssens Handbuch Vol. IV. 

(53) Oliver, Dr. George, „Blood and Bloodpressure“. London 1901. 

(54) Idem, „Recent studies on Tissue lymph circulation“. Lancet 1904. Vol. I. 

(55) Idem, „On haemomanomotry“. Lancet 1905. Vol. II. 

(56) Osler, Prof., „Valedictory address at John Hopkins’ University“. Journal of American 
Medicine 1905. März. 

(57) Oswald, A., „Die Schilddrüse und ihr wirksames Prinzip“. Biochem. Zentralblatt. 
Berlin 1902. Dezember. 

(58) Owen, Sir Isambard, „Report on the enquiry into the connection of Disease with 
the habits of intemperance“. Brit. Med. Journal 1888. Vol. I. 


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Hermann Weber, Mittel zur Verlängerung des Lebens. 


(59) Parkes, E. A., „A manual on practical Hygiene“. 1878. 5. Aufl. 

(60) Pel, Prof. P. K. y „Über die KunBt, gesund und glücklich zu leben und Krankheiten 
zu verhüten“. 1902. 

(61) v. Pettenkofer, Max, „Beziehungen der Luft zu Kleidung, Wohnung und Boden“. 
1877. 4. Aufl. 

(62) Pflüger, Prof. E. F. W., „Die Kunst der Verlängerung des menschlichen Lebens 1 . 
Bonn 1890. 

(68) Pollock, J. E, The influence of our surroundings on health“. Book of Health. 
London 1883. 

(64) Hübner, Prof., M., „Physiologie der Nahrung und der Ernährungstherapie“. Leipzig 1897. 

(65) Savill, T. G., „Old age in heath and disease“. Med. Soc. Transactions Vol. 21. 1897. 

(66) Idem, „On arterical sclerosis“. Trans. Pathol. Soc. London 1904. 

(67) Sinclair, Sir, John, „Code of heath and Longevity“. 5. Aufl. London 1833. 

(68) Straßburger, J., „Über die Bedeutung der normalen Darmbakterien für den 
Menschen“. Münch, med. Wochenschr. 1903. 

(69) Tatham, Dr., „Census of England and Wales of 1901“. 

(70) Taylor, J. M„ „How to postpone the degenerative effects of old age“. Journal of 
Balneology and Climatology“. October 1904. 

(71) Temple, Sir Wm., „Of health and longevity“. Coli. Works, Vol. III. 

(72) Thom W., „Human longevity, its facts and fictions“. 1873. 

(73) Thompson, Sir Henry, „Diet in relation to age and activity“. London, 
Warne 1901. 

(73 a) Tr ev es, Sir Fred er ick, „Alcohol aPoison“. Church of England Temperance. 1903. 

(74) Van Somering, „Was Luigi Cornaro right?“ Brit med. Assoc. Cambridge 1901. 

(75) Walker-Hall, „The Purin bodies of food stuffs“. London 1903. 2. Aufl. 

(76) Weber, Dr. F. Parkes, „Visceral Sclerosis and relative over-nutrition“ „Treatment 
1898. — Idem (mit Dr. Michels), „Obiiterative Arteritis“. 

(77) Idem, The Physiology and pathology of old age“. Allbutts System of Med. 1905. 
Vol. I. 2. Aufl. 

(78) Weber, Hermann, „On the hygienic and therapeutic aspects of climbing“. Lancet 
1898. Oktober. 

(79) Idem, „Verhütung der Senilitas praecox“. Zeitschrift für diätetische und physika¬ 
lische Therapie 1898. Bd. 1. 

(80) Idem, „Prevention of premature old age and Prolongation of Life to its natural term“. 
Allbutts System of Med. 1905. Vol. I. 2. Aufl. 

(81) Weir-Mitcbell, S., „Wear and tear“. 5. Aufl. Philadelphia 1891. 

(82) Whitaker, T. P., „Alcohol. Beverages and Life assurance etc.“ Life Assur. Med. 
Off. Assoc. 1904. 

(83) Wilks, Sir Sam., „On the corretion of hereditary tendenices“. Lancet 1903. Oktober. 

(84) Idem, „De senectute“. Lancet 1905. Dezember. 

(85) Yeo Burney, „Long life and how to attain it“. The 19. Century. 1880. Min. 

(86) Young, T. E., „Centenarians“. 1902. 


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F. Sylvan, Neuralgie und Muskelrbeumatismus etc. 


III. 

Neuralgie und Muskelrbeumatismus als 
Hindernis für Künstler und Künstlerinnen in ihrem Beruf. 

Von 

Dr. F. Sylvan in Berlin. 

Nicht selten hört man jange Künstler and Künstlerinnen sich beklagen, sie 
seien in ihrem Studium behindert, weil sie, sobald sie etwas geübt hatten, 
Schmerzen oder Müdigkeit spürten. In den meisten derartigen Fällen stellt sich 
bei einer Untersuchung heraus, daß es sich um ein bestimmtes Leiden, meist eine 
Neuralgie oder Muskelrheumatismus handelt, was den Patienten selbst bis dahin 
nicht klar wurde. Dieses bestimmt mich, durch folgende Zeilen die Aufmerksam¬ 
keit hierauf zu lenken. 

Von den Pianisten ermüden manchen, wenn sie eine Weile gespielt haben, 
die Hand oder der Arm, andere fühlen einen mehr oder weniger dumpfen Schmerz; 
ja es kommt selbst zu einem Krampf, Zittern oder Zuckungen in der Schulter, 
Arm oder Hand, oder auch nur in einem Finger. Trotzdem wird mit großer An¬ 
strengung weiter gespielt, bis es so schlimm wird, daß eine Ruhepause eintreten 
muß. Durch solche sich wiederholenden unfreiwilligen Pausen wird das Studium 
sehr gestört und mancher begabte junge Künstler hat wegen dieses Leidens seine 
Kunst aufgeben müssen, was um so bedauerlicher ist, da es nicht schwer hält, 
bei richtiger Erkenntnis der Sachlage und Behandlung diese Leiden zu heben. 

Bei den Violinisten finden wir ähnliche Beschwerden, nur sind bei ihnen 
andere Muskelgruppen und Nerven betroffen. Es sind immer diejenigen Muskeln 
angegriffen, welche am meisten arbeiten, bei den Pianisten hauptsächlich die 
Unterarmmuskeln (welche die Finger bewegen), bei den Violinisten meist die 
Muskeln der rechten Schulter und des linken Unterarmes. 

Auch bei Orchesterdirigenten kommt dieses Leiden vor, und sie haben 
wegen Müdigkeit oder Lähmungen im Arm die größte Mühe, ein Konzert zu Ende 
zu fuhren. 

Bei den Schauspielern und Sängern kommt öfter Rheumatismus in den Hals¬ 
muskeln vor, und die Betreffenden bekommen Schmerzen oder ein subjektives Er¬ 
müdungsgefühl bei langem und anhaltendem Sprechen oder Singen. Die kleineren 
Rollen machen ihnen keine besondere Schwierigkeit, aber bei den größeren 
Rollen spüren sie bald Müdigkeit, und ein lästiges Gefühl im Hals macht sich 
bemerkbar. Die Sänger und Sängerinnen können oft die hohen Töne nur mit 
großer Anstrengung singen und es folgt leicht eine geringe Heiserkeit. Direkte 
Schmerzen sind in vielen Fällen gar nicht vorhanden, aber wenn man die Hals¬ 
muskeln untersucht, findet man kleine Infiltrationen, die sehr druckempfindlich sind. 

Zciiechr. f. phy.ik. u. dlflt. Therapie Bd. IX. Heft IS. 48 


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722 


F. Sylvan 


Es kommt ebenfalls bei Sängern und Schauspielern vor, daß die Atmung 
dadurch beeinträchtigt ist, daß die Atmungsmuskeln von Rheumatismus angegriffen 
sind und deshalb die Atmung nicht so leicht vor sich geht. Manchmal fühlt 
der Betreffende Stiche zwischen den Schulterblättern oder in den Schultern. 

Ehe ich zur Besprechung der Heilungsmethoden übergehe, will ich die 
physiologische Müdigkeit erwähnen, welche fast jeder Anfänger spürt. Jede 
etwas anstrengende Muskelarbeit (also auch das mehrstündliche Spielen) ver¬ 
ursacht im Anfang Müdigkeit oder sogar Schmerzen, welche jedoch nach etwa 
14 Tagen nachlassen. Die Sportleute nennen es Sportschmerzen, und es tritt 
immer wieder auf, wenn sie nach einer Ruhezeit mit dem Sport wieder an¬ 
fangen. Bei den Musiktreibenden ist diese Erscheinung nicht so regelmäßig, es 
gibt Künstler, die es nie gekannt haben, und es kommt eigentlich nur bei 
Anfängern vor. Ich führe es darauf zurück, daß die meisten Anfänger in ihrem 
Eifer sich viel mehr anstrengen als nötig ist. Diese Schmerzen sind aber nicht 
krankhaft, erfordern demnach keine Behandlung, da sie nach kurzer Zeit von 
selbst verschwinden. 

Anders ist es, wenn die Schmerzen oder Müdigkeit durch Muskelrheumatismus 
oder Neuralgie verursacht sind. Hier bleibt der Zustand Monate oder Jahre 
schwankend; zeitweise ist es etwas besser, zeitweise schlechter, und häufig ist es 
so schlimm, daß der davon Befallene ganz nervös wird. Was soll man gegen 
diesen Zustand tun? Früher hat man bald dieses, bald jenes verordnet, aber oft 
mit wenig Erfolg. Mit Bädern und Luftkuren sowie Elektrisieren wurde wohl 
einiges erreicht, aber in vielen Fällen auch recht wenig. Besseren Erfolg brachte 
in manchen Fällen die Massage. Als wirksamste und erfolgreichste Methode 
erwies sich im Laufe der Zeit die schwedische Heilgymnastik und Massage, oder 
richtiger genannt: die schwedische manuelle Behandlung. 

Worin liegt nun der Vorzug der schwedischen manuellen Behandlung? In 
manchen Kreisen hat die schwedische Massage großen Anklang gefunden, und 
wer sie selbst erprobt hat, weiß auch ihre Vorzüge zu schätzen. Von großem 
Nachteil für sie ist es gewesen, daß neben denjenigen, welche die schwedische 
manuelle Behandlung ordentlich gelernt haben und ausfuhren, sich viele finden, 
welche ihre geringen und unvollständigen Kenntnisse der Massage unter dem Deck¬ 
mantel und Namen der schwedischen Massage verbergen und ausüben. Durch die 
Tätigkeit dieser Leute hat die schwedische manuelle Behandlung bis heute leider 
noch nicht die Verbreitung und das Vertrauen gefunden, das sie in der Tat 
verdient. 

Die schwedische Heilgymnastik wurde vor 90 Jahren von P. H. Ling in 
Schweden gegründet und von Branting, Kellgren u. A. weiter ausgebildet. Die 
Heilgymnastik besteht aus aktiven, passiven und Widerstandsübungen — manche 
rechnen auch gewisse Massagemanipulationen zu den passiven Übungen. Ferner 
wurde auch die älteste Art der Massage, d. h. Kneten und Streichen, in Anwendung 
gebracht. Zu diesen sind in späterer Zeit eine Reihe verschiedener, sehr wiik- 
samer Manipulationen, wie Vibrationen, Nervenfriktionen und Nerven Vibrationen, 
hinzugekommen, welche in ihrer Wirkung nichts mehr mit der ursprünglichen 
Massage gemeinsam haben. Auf diese passen die Namen Heilgymnastik und Massage 
nicht mehr; man bezeichnet sie zusammen mit den anderen als manuelle Behänd- 


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Neuralgie und Muskelrheumatismus etc. 


723 


lung. Da diese Methoden nur in Schweden gelehrt und fast ausschließlich von 
Schweden ausgeübt werden, nennt man sie zutreffend schwedische manuelle 
Behandlung. 

Der Name manuelle Behandlung hebt zugleich den Unterschied gegenüber 
der maschinellen oder Zanderschen hervor. Dr. Zander in Stockholm hat Apparate 
für einen Teil der heilgymnastischen Übungen konstruiert, welche in mancher 
Hinsicht wertvoll sind, aber für die hier in Frage kommenden Leiden, nur wie 
wir sehen werden, in einem Falle von Wert sind. 

Nach dieser kurzen Erklärung über den Begriff „schwedische manuelle Be¬ 
handlung“ wollen wir ihre Anwendung bei den obengenannten Leiden etwas 
näher betrachten. Diese Leiden lassen sich, wie oben erwähnt, in drei ver¬ 
schiedene Gruppen teilen: eine lediglich durch Schwäche veranlaßte, eine zweite 
durch Muskelrheumatismus hervorgerufene, und endlich eine dritte, die durch eine 
reine Neuralgie bedingt ist. 

Im ersten Fall ist nur eine Kräftigung nötig, die manchmal allerdings nur 
schwer erreicht wird. Aber durch geeignete Behandlung der Muskeln und Nerven 
wird die Ernährung derselben gebessert, und durch planmäßige Widerstands¬ 
übungen werden die Muskeln in kurzer Zeit kräftiger. Hierzu kann jeder allein 
selbst nützliche Übungen machen; deshalb will ich einige von ihnen nennen, 
wobei ich hervorhebe, daß neben den Übungen, welche den Arm kräftigen, auch 
solche, die die anderen Teile des Körpers kräftigen, nicht nur nützlich, sondern 
erforderlich sind. Als spezielle Armübungen empfehle ich Armstreckungen nach 
oben, vorn, außen und unten 5- bis 6 mal. Danach Hand- und Finger-Strecken 
und -Beugen 6- bis 8 mal. Man streckt und beugt abwechselnd die Finger und 
Handgelenk so ausgiebig wie möglich (man kann beim Strecken auch die Finger 
spreizen). Doch muß die Streckübung doppelt so energisch ausgeübt werden 
wie die Beugung. Beim Spielen arbeiten die Beugemuskeln fast allein, und des¬ 
halb muß man beim Gymnastizieren hauptsächlich das Strecken üben. Nachdem 
man die Finger und Hand geübt hat, muß man ein paar Minuten ansruhen, und 
dann macht man Strecken und Beugen des Ellenbogengelenkes 6- oder 8- bis 
10 mal. Selbstverständlich werden diese Übungen mit beiden Händen oder Armen 
zugleich gemacht. Diese Übungen kann man zweimal pro Tag vornehmen. Für 
diese Übungen können auch die Zanderapparate gebraucht werden. 

Im zweiten Falle, wo Muskelrheumatismus die Ursache ist, muß dieser erst 
geheilt werden, was wohl nur in seltenen Fällen durch die manchmal verordnete 
gewöhnliche Massage und planlose Übungen erzielt wird. Hier muß vor allen 
Dingen eine genaue Untersuchung sämtlicher Muskeln vorangehen, die beim 
Spielen oder Singen in Tätigkeit treten, also bei Pianisten und Violinisten Hand-, 
Arm- und Schultermuskeln, bei Sängern Hals- und Atemmuskeln. 

Dabei findet man dann hier oder dort oft auf mehreren Stellen verhärtete 
und empfindliche, größere oder kleinere Knötchen, welche Entzündungserscheinungen 
in den Muskeln darstellen und Schmerzen und Müdigkeit verursachen. Diese 
zu beseitigen, muß die erste Aufgabe sein. Ich muß hierbei noch betonen, daß 
es gar nicht leicht ist, diese Knötchen in den Muskeln zu finden. Wer es nicht 
gelernt hat, fühlt sie überhaupt nicht. Es gibt in jeder Muskelgruppe bestimmte 
Punkte, wo diese Knötchen Vorkommen, so daß derjenige, der in dieser Sache be- 

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F. Sylvan 


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wandert ist, sofort die Knötchen findet, dagegen derjenige, der planlos herum¬ 
sucht, wenig Aussicht hat, sie zu finden. 

Um diese Rheumatismusknoten zu beseitigen, muß man dieselben mit 
Petrissage, Hackungen, Vibrationen und ganz planmäßige Übungen behandeln. 
Es ist ganz verkehrt, nur einfach Beugen und Strecken der Finger, der Hand, 
des Unter- und Oberarms der Reihe nach zu verordnen. Die Übungen müssen 
so gemacht werden, daß diejenigen Muskeln, welche erkrankt sind, geübt werden, 
und besonders je nach den Entzündungserscheinungen blutableitende Übungen 
vorgenommen werden. Hierbei kann ich keine bestimmten Übungen angeben, weil 
sie in jedem Falle besonders zu treffen sind. Ich möchte nur betonen, daß die 
schwedische manuelle Behandlung, richtig ausgeftihrt, niemals ermüdend wirkt, 
sondern daß der Patient nach jedesmaliger Behandlung sich frisch und gestärkt 
fühlt. Mit der Faust so zu schlagen oder zu hauen, wie manche tun, bis der 
Patient sich wie zerschlagen fühlt, ist ganz verkehrt. 

Findet sich diese Krankheit in den Halsmuskeln, so ist sie ein Hindernis 
beim Singen oder anstrengenden Sprechen, was viel mehr zu beachten ist, als 
bisher geschah. In der medizinischen Literatur findet man kaum etwas darüber. 
In der Praxis wird wenig Gewicht auf dieses Leiden gelegt, oder dasselbe für 
etwas anderes gehalten. Ich gebe zu, daß heftige Schmerzen bei Rheumatismus 
in den Halsmuskeln nur selten Vorkommen, daß meist nur ein unangenehmes 
Ziehen oder ein geringer Schmerz vorhanden ist. 

Doch stellt sich bei längerem Singen oder Sprechen eine gewisse Müdigkeit 
ein. Bei der Untersuchung findet man dann harte, sehr empfindliche Knoten in 
den Muskeln, besonders in den vorderen seitlichen. Meistenteils kommt diese 
Krankheit durch Erkältung zustande; z. B. hat jemand, der im kalten Luftzug 
gewesen ist, gleich nachher ein Gefühl von Kälte und Unannehmlichkeit im 
Halse. Wenn man nun gleich einen kalten Umschlag (Prießnitzschen) macht und 
einige Stunden (über die Nacht) liegen läßt, so hören die Schmerzen oft sehr 
schnell auf. Diesen Umschlag kann man mehrere Tage wiederholen. 

Wenn aber nach einigen Tagen keine Besserung eintritt, muß der Sänger 
oder Schauspieler sich einer anderen Behandlung unterziehen, damit er nicht in 
seinem Beruf gestört wird. Hier ist die schwedische manuelle Behandlung an 
ihrem Platze. Durch Petrissage, Vibrationen und geeignete Widerstandsübungen 
wird der Rheumatismus aus den Halsmuskeln gewöhnlich in kurzer Zeit zum 
Schwinden gebracht. 

Die Dauer der manuellen Behandlung bei Muskelrheumatismus ist sehr ver¬ 
schieden. Es hängt meist davon ab, wie lange das Leiden schon bestanden hat. 
Wenn man die Behandlung der Krankheit wenige Tage nach ihrem Auftreten an¬ 
fängt, kann man in den meisten Fällen schon in einigen Tagen Heilung erreichen: 
manche Fälle jedoch, besonders bei schlechter Blutzirkulation, erfordern eine 
längere Behandlungszeit, etwa 3 bis 4 Wochen. Wenn der Rheumatismus schon 
lange bestanden hat, ist oft eine Kur von 4 bis 6 Wochen nötig, um Heilung zu 
schaffen. Länger als 6 Wochen sind nur in seltenen Fällen notwendig. 

Die letzte von den obengenannten drei Krankheiten, bei welcher neur¬ 
algische Schmerzen den Spielenden zu Ruhepausen zwingen, wird öfter mit den 
beiden anderen verwechselt. Und doch ist es für den Erfolg der Behandlung 


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Neuralgie und Muskelrheumatismus etc. 

sehr wichtig, diese verschiedenen Krankheiten auseinanderzuhalten, weil sie 
ganz verschieden behandelt werden müssen. Bei Neuralgien muß in erster Linie 
der kranke Nerv behandelt werden, und hier ist ebenfalls die schwedische ma¬ 
nuelle Behandlung das wirksamste Mittel, um eine dauernde Heilung zu erreichen. 
In diesem Falle sind Nervenfriktionen und Nervenvibrationen, wenn möglich 
Nervendehnung das wichtigste; zugleich kommen aber auch Widerstandsübungen 
zur Anwendung, um den Blutkreislauf zu verbessern und den Stoffwechsel zu ver¬ 
mehren und damit auch die Ernährung der Nerven zu verbessern. Die Schwierig¬ 
keit, bei dieser Behandlung einen schnellen und guten Erfolg zu erzielen, liegt 
darin, die Behandlung richtig zu dosieren. Zu kräftige Behandlung macht unter 
Umständen die Schmerzen nur noch schlimmer, und zu gelinde Behandlung erzielt 
andererseits keinen Erfolg. Das genaue Maß in jedem Falle abzupassen, lernt 
man erst durch große Erfahrung. Die meisten Fälle von dieser Krankheit werden 
mit der manuellen Behandlung in einer bis drei Wochen dauernd geheilt. Nur 
ganz veraltete und besonders schwere Fälle müssen länger behandelt werden. 

Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß die eben genannten Krank¬ 
heiten nicht immer getrennt auftreten, sondern daß z. B. Muskelrheumatismus 
und Neuralgie häufig zusammen Vorkommen, und muß man dann natürlich die Be¬ 
handlung danach einrichten. In diesem Falle jedoch werden beide in derselben 
Zeit zur Heilung gebracht, wie sie beim Auftreten jeder Krankheit für sich er¬ 
forderlich ist. 

Zu dieser kurzen Mitteilung haben mich vor allem zwei Umstände bestimmt. 
Einmal wissen wir, daß Leiden, wie sie hier geschildert, der ärztlichen Be¬ 
handlung oft hartnäckigen Widerstand entgegenstellen, andererseits sind ich wie 
andere, die die manuelle Behandlung anwandten, durch den guten und schnellen 
Erfolg derselben oft überrascht. Meine Absicht hierbei war in erster Linie, auch 
die Ärzte, welche dieser Methode kühl gegenüberstehen, zu veranlassen, in solchen 
Fällen diese anzuwenden und auf ihren Wert zu prüfen. 


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Referate Uber Bücher und Aufsätze. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


A. Diätetisches (Ernährungstherapie). 

Kolik, Frau Dr. M«, Wöchnerinnenkost« 

Deutsche Krankenpflegezeitung 1905. 20. März. 

Verfasserin wendet sich mit Recht gegen 
die beiden am häufigsten begangenen Fehler 
bei der Wöchnerinnenkost, das „Zu viel“ und 
das „Zu wenig“. Referent glaubt übrigens, 
daß häufiger in letzterem Sinne gesündigt wird 
und daß Verfasserin dies auch bis zu einem 
gewissen Grade tut, wenn sie rät, auch nach 
dem 10. Tage noch das Fett möglichst ein¬ 
zuschränken. Im übrigen wird man den Vor¬ 
schlägen der Verfasserin nur zustimmen, die 
um so nützlicher für jede mit der Wochen¬ 
pflege betraute Person sind, als die Bereitung 
der wichtigsten Speisen in allen Einzelheiten 
beschrieben wird. Leo Zuntz (Berlin). 


Alois Strasser, Albuminurie und physi¬ 
kalische Therapie« Referat, erstattet am 
IV. wissenschaftlichen Kongreß der Baineo¬ 
logen Österreichs (Abbazia, am 13. Oktober 
1904). Wiener Klinik 1904. Heft 12. 

Akute nephritische Albuminurie bedarf der 
Ruhe, verbietet jede Kälteanwendung und er¬ 
heischt laue und warme Bäder. Beim Ober¬ 
gang einer akuten in eine subchronische oder 
chronische Form tritt ebenfalls die Behandlung 
der eigentlichen Albuminurie anderen Symp¬ 
tomen gegenüber in den Hintergrund, bleibt 
aber doch ein wichtiger Bestandteil desselben, 
weil die Albuminurie mit ein Indikator für 
Veränderungen des Krankheitsprozesses ist. 
Übung des Herzens und des toxisch veränderten 
Gefäßsystems und Hautpflege sind von be¬ 
sonderer Wichtigkeit. Verfasser weist auf die I 
Krau s sehen Ausführungen über gewisse Formen 
der chronisch gewordenen Nephritis hin und 
skizziert in kurzen Zügen dessen hygienisch¬ 
diätetisches Regime. — Bezüglich der Be¬ 
wegungstherapie hält Verfasser mit v. Noorden 
Verzicht auf die Muskelarbeit nur dann für ! 
berechtigt, wenn das terminale Stadium heran¬ 


kommt. Weiter wird erwähnt, daß auch Ne- 
phritiker rechtzeitig trainieren müssen, am 
einer Herzschwäche vorzubeugen und die Zir¬ 
kulation auszugleichen. In manchen Fällen, 
besonders wenn sich Anasarka und Ödeme 
einstellen, ist auch Massage indiziert 

Fritz Loeb (Müncheni. 


Rudolph Kolisch, Die diätetische Be¬ 
handlung der Albuminurie« Referat, er¬ 
stattet am IV. wissenschaftlichen Kongreß 
der Balneologen Österreichs (Abbazia, am 
13. Oktober 1904). Wiener Klinik 1904. 
Heft 12. 

Das vorliegende Referat soll die Aufgabe 
erfüllen, in allgemeinen Zügen darzulegen, in¬ 
wieweit die ältere klinische Erfahrung mit 
den Ergebnissen der neueren physikalisch- 
chemischen Untersuchungen übereinstimmt und 
welche Resultate die letzteren für die diätetische 
Therapie der Albuminurie gezeitigt haben. 

Fritz Loeb (München). 


Fürst, Zur Frage des Entkeimens der 
Kindermilch im Hause« Archiv f. Kinder¬ 
heilkunde Bd. 38. Heft 1/2. 

Verfasser gibt der Milchpasteurisierung 
den Vorzug vor der Sterilisation, weil sie die 
Milch in ihrem Aussehen, Geschmack, physi¬ 
kalischen und chemischen Verhalten weniger 
alteriere, dabei aber der für die Praxis ,zu 
stellenden Anforderung durchaus genüge, eine 
Entwicklung und Vermehrung der in der Milch 
enthaltenen Keime für 24—30 Stunden zu 
verhindern; als besonders geeignet für den 
Hausgebrauch empfiehlt er den von Kobrak 
(Berliner klin. Wsch. 1902, Nr. 9) angegebenen 
Pasteurisierapparat, welcher nach Analogie des 
Soxhletapparates ein Entkeimen der Milch in 
luftdicht verschlossenen Einzelportionen ge¬ 
statte. Hirschei (Berlin'. 


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Referate Uber Bücher und Aufsätze. 


Goldst ein, Erhält unser Volk genug Fleisch! ' 

Therapeutische Monatshefte 1905. Nr. 3. 

Der Verfasser verneint diese Frage. Von 
den 31 kg Eiweiß, die der Kopf der Bevölkerung 
pro anno beansprucht, werden nur 25,8 % durch 
Fleischeiweiß gedeckt; es bleibt nach Abzug [ 
desselben ein Defizit von 23 kg pro Kopf und 
Jahr. Dieser vermindert sich durch Broteiweiß 
auf 16,5 kg, durch andere Kohlehydrate auf 
8 kg, durch Eiweiß aus Käse und Milch auf | 
7 kg, durch Heringskonsum auf 6,5 kg. Für j 
diese 6,5 kg fehlt die Deckung. Sollte diese ' 
durch Fleisch geliefert werden, so müßten an 
Stelle von 40 kg, die heute auf den Kopf der 
Bevölkerung kommen, 72.5 kg konsumiert 
werden. Da das Volk dazu zu arm ist, so * 
muß es zur Branntweinflasche greifen 

Naumann (Reincrz-Mcran). 

F. Joklik, Bemerkungen zu dem Aufsatze | 
des Herrn Dr. Goldstein: Erhält unser ' 
Volk genug Fleisch! Therapeutische Monats- ' 
hefte 1905. Nr. 3. 

Gegen die Goldsteinschen Zahlen pole¬ 
misiert F. Joklik-Prag; namentlich hält 
Joklik die Zahl für die Menge des aus Brot 
resultierenden Eiweißes wie den Kartoffelkonsum 
für erheblich zu niedrig aogesetzt; erberechnet 
den Kartoffelverbrauch auf 400 kg pro Kopf 
(gegenüber 180 kg nach Goldstein). Sodann 
weist er auf die von Goldstein außer Berech¬ 
nung gelassenen Nahrungsmittel: Eier, Gemüse, 
Fische, Obst etc. hin. Ein Nahrungsmangel 
bestehe zurzeit in Deutschland noch nicht, 
derselbe stehe allerdings bei dem enormen 
Anwachsen der Bevölkerung vor der Tür. Die 
Schlußfolge Goldsteins, daß Mangel an 
Nahrung den Alkoholismus verschulde, hält er 
für unzutreffend. 

ln einer auf diese Bemerkungen folgenden 
Duplik sucht Goldstein die Behauptungen 
Jokliks zuwiderlegen, namentlich diejenigen, 
die sich auf den Kartoffelkonsum beziehen. Er 
gibt zu, daß er den Eierverbrauch und die 
Fische außer den Heringen unberücksichtigt 
gelassen hat, von dem Defizit von 6,5 kg 
könnten also noch 0,25 kg für den Eier¬ 
verbrauch und 0,16 kg für den Fischgenuß pro 
Kopf und Jahr in Abrechnung gebracht werden. 
Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Alkoho¬ 
lismus und Fleischmangel habe er sich auf 
französische Statistiken gestützt. 

Naumann (Reinerz-Meran). 


Ed. Laval, Suites de l’opdration. Alimen¬ 
tation de l’op£r£. Bulletin m£d. 1905. 
Nr. 3. 

Wofern nicht bestimmte Indikationen für 
einen besonderen Ernährungsmodus vorliegen, 
empfiehlt Laval als Ernährung für die ersten 
Tage nach Operationen eine Milch- bzw. Suppen¬ 
diät, geht dann zu verschiedenen Piireearten 
und leichtem Fisch über und gibt dann erst 
weißes Fleisch. Für Patienten, die durch lang- 
dauornde Eiterungen oder Fieber geschwächt 
sind betont Laval die Bedeutung der Re- 
minerali8ienmg durch geeignete Medikation und 
Ernährung. 

Für die künstliche Ernährung mit dem 
Magenschlauche empfiehlt Verfasser zwei Mahl¬ 
zeiten innerhalb 24 Stunden zu geben, und zwar 
anfänglich nur 500—600 ccm auf einmal, später 
bis zu 1000 ccm Flüssigkeit. Bei rektaler Er¬ 
nährung muß dem Ernährungsklistier ein 
Reinigungsklysma vorausgehen; die Nähr¬ 
klistiere sollen etwa alle drei Stunden jeder 
zu 200—300 ccm Flüssigkeit 36° warm gegeben 
werden. Die von Laval empfohlenen Zusammen¬ 
setzungen sind die auch bei uns üblichen. 

Naumann (Meran-Reinerz). 


Linossier, Action de l’acide chlorhydriqne 
mädicamenteux snr la sderdtion chlor- 
hydrlqne de l’estomac. Sociötä de th6ra- 
peutique, Bulletin g6n6ral de thörapeutique 
1905. 23. Januar. 

L i n o s 8 i e r tritt der besonders von 
Lemoine (1893) ausgesprochenen Ansicht ent¬ 
gegen, daß die Salzsäuresekretion im Magen 
durch Zufuhr von HCl — etwa im Probe¬ 
frühstück — sich nicht wegen der ihr selbst 
eignen sekretionsbeschränkenden Wirkung 
beliebig vermehren lasse, sondern legt dar, 
daß die Salzsäure sekretionsbeschränkende 
(,mod6rateur“) Wirkungen besitzt, daß aber 
ein an Salzsäure reicherer Chymus sich erzielen 
lasse durch Verbindung mit sauerstoffhaltigem 
Wasser. R. Bloch fKoblenz). 

Oe feie, Würfelzucker als Nahrungsmittel 
bei Diabetes. Münch, med. Wochenschr. 1905. 
Nr. 21. 

Oefele hat von der Darreichung von Würfel¬ 
zucker bei Diabetes in Mengen von 35—100 g 
gute Erfolge gesehen. In allen Fällen, in denen 
nicht besondere Gründe für eine Steigerung 


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Referate über BUcbcr und Aufsätze. 


728 

der Zuckerausschoidung Vorlagen — als 
solche sieht der Verfasser ungenügende Be¬ 
wegung oder Übermüdung, heftige Gewitter 
und namentlich starke Gemütsbewegungen an 

— sank der Harnzucker und zwar manchmal 
auch dann, wenn eine Erhöhung sehr begreif¬ 
lich gewesen wäre. Die Verabreichung er¬ 
folgte zeitlich getrennt von der Eiweißnahrung 
in Form von Zuckerwasser, gezuckertem Kaffee 
oder ähnlichem unmittelbar vor Muskelarbeit. 
Leider macht jedoch der Verfasser alle An¬ 
gaben nur nach Prozenten, so daß man weder 
über die Toleranz der Patienten etwas erfährt 

— wozu freilich auch die Kenntnis von Art 
und Menge der vorher genossenen Kohle- - 
hydrate gehören würde —, noch sich ein Urteil 
über die Menge des nach der Zuckerdarreichung 
ausgeschiedenen Zuckers bilden kann. Immerhin , 
erscheinen die mitgeteilten Erfolge beachtens¬ 
wert und verdienen wohl Nachprüfung, zumal 
der Verfasser auch Verbesserung der Leistungs- I 
fähigkeit und des Gefühls der Leistungsfähigkeit | 
nach Zuckergenuß beobachtet hat. 

Plaut (Frankfurt a. M.). 

B. Hydro-, Balneo- und Klimato- 
therapie. 

W. Göbel, Die Basedowsche Krankheit nnd 
ihre Behandlung. München 1904. Verlag 
der Ärztlichen Rundschau (Otto Gmelin). 

Die von dem Verlag der „Ärztlichen Rund¬ 
schau“ herausgogebene Sammlung „Der Arzt 
als Erzieher“ sucht über die wichtigsten Fragen 
der Heilkunde wie der Gesundheitslehre all¬ 
gemeine Kenntnisse zu verbreiten, und in 
diesem Sinne sind die in gemeinverständlicher 
Darstellung gehaltenen Publikationen als wert¬ 
volle Ergänzungen moderner medizinischer 
Bestrebungen zu betrachten. Eins der Hefte ! 
dieser Sammlung behandelt obiges Thema, 
dessen Beurteilungsfähigkeit Laienkreise bis¬ 
her durchaus ermangelten, ln einfacher, an- 1 
schaulicher Darstellung gibt der Verfasser ein 
Bild vom Wesen, den Erscheinungen, der Bo- I 
handlung und Prophylaxe dieser Erkrankung 
auf der Grundlage wissenschaftlich fest¬ 
stehender Tatsachen. An einzelnen Stellen j 
w'äre es vielleicht vorteilhaft gewesen, nicht 
gar so kursorisch vorzugehen und das Thema 
etwas weiter auszuspinnen; vor allem ist zu 1 
vermissen, daß der Verfasser die hydrothera¬ 
peutische Behandlung des Basedow, die gerade | 
in letzter Zeit eine Reihe von ermunternden 


Publikationen gefunden hat, mit keinem Worte 
erwähnt. Vielleicht holt er dieses Versäumnis 
in einer späteren Auflage nach. 

J. Marcuse {Ebenhausen b. München). 

Bouloumld, Traitement hydromineral de 
l’entdrocolite mucomembraneuse. Annalee 
de la sociötä d’hydrologie medicale de Paris 
1901,05. 

Der Verfasser tritt mit Nachdruck für eine 
Behandlung der Enteritis membranacea mit 
einer Trinkkur ein, zumal da sich andere 
Behandlungsweisen der Krankheit gegenüber 
ohnmächtig zeigen. Am meisten indiziert sind 
die Wässer von Plombißres und von Chätel- 
Guyon; und zwar eignet sich das erstgenannte 
Bad mehr für die mit Verstopfung einher¬ 
gehenden Fälle, während bei begleitender 
Diarrhöe Chätel - Guyon in erster Reibe in 
Frage kommt. Wenn die Enteritis membranacea 
im Gefolge einer Unterleibskrankheit anftritt. 
müssen die Badeorte Bagneres de Barolle, 
Luxeuil und N6ris in Betracht gezogen werden. 
Vichy eignet sich für die Fälle, welche Leber¬ 
kranke betreffen, Vittel für Nierenkranke und 
Evian für Magenkranke. Freyhan (Berlin). 

N. Clemm, Eine neue therapeutische Ver¬ 
wendung der Kohlensäure. Pharmako¬ 
logische und Therapeutische Rundschau 1905. 
Nr. 13. 

Nach Achilles Rose (New York) sollen 
Mastdarmfisteln durch Einströmmungen von 
Kohlensäuregas günstig beeinflußt bzw. geheilt 
werden. 

Eigene Beobachtungen hat Verfasser nicht 
gemacht. Frankenhäuser (Berlin). 


Barbier, Les Sanatoriums maritimes de la 
cöte Atlantlque en France. Bulletin gdn£ral 
de thßrapeutique etc. 1905. iO. Juli. 

Barbier hat auf dem 11. Congr^s franyais 
de climatothdrapie et d’hygtene urhaine zu 
Arcaehon und Pau eioen Bericht über die wenig 
bekannten KüsteuBanatoricn Westfrankreichs 
erstattet. Dieselben eignen sich besonders für 
tuberkulöse, an Drüsen-, Gelenk- und Knochen¬ 
tuberkulose erkrankte, heriditär belastete und 
skrofulöse Kinder, schwächliche Leute, Rekon¬ 
valeszenten etc. Besonders sollen die Sanatorien 
zur Prophylaxe ernsterer Krankheiten dienen. 


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729 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Das erste derartige Sanatorium wurde von 
Dr. Armaingaud im Jahre 1882 bei Arcachon 
gegründet. Jetzt sind 26 Sanatorien vorhanden. 
Man muß bez. der klimatischen Bedingungen 
günstige und ungünstige Momente unterscheiden. 
Günstig sind die Gleichmäßigkeit der Tempe¬ 
ratur, die Reinheit der Luft und die Gleich¬ 
mäßigkeit der Feuchtigkeit und des Barometer¬ 
standes. Ungünstig sind die Anwesenheit von 
Jod und Kochsalz in der Luft, die heftigen 
Winde, die hohe See und das Geräusch von 
den Wellen, die starke Belichtung. In der 
„zone marine“, ganz dicht am Meere, kommen 
neben den günstigen auch die ungünstigen 
Momente in Frage. In der „zone maritime“, 
etwas weiter abwärts vom Meere, sichert man 
sich die günstigen Bedingungen fast vollständig 
und schließt einen großen Teil der ungünstigen 
aus. Ferner muß man nach dem Breitengrade 
vier verschiedene Klimaarten von Norden nach 
Süden unterscheiden, von denen die nördlichen 
infolge der Kühle, des höheren Feuchtigkeits¬ 
gehaltes und der stärkeren Luftbewegung 
größere Ansprüche an die Kräfte stellen als 
die südlichen, welche trockener und weniger 
windig sind. Am besten ist das Gebiet von 
etwa Arcachon an bis zur spanischen Grenze, 
ln diesem Gebiet bestehen neun Sanatorien, 
welche der Reihe nach bezüglich Klima, Innen¬ 
einrichtung, Kosten, Anzahl der Betten etc. 
beschrieben werden. In diesen neun Sanatorien 
werden auch Tuberkulöse und ernster Erkrankte 
anfgenommen. Man muß zugeben, daß Frank¬ 
reich in diesen Secsanatorien, welche im ganzen 
7000 Kranke aufnehmen können, ein außer¬ 
ordentlich wichtiges Mittel zur Hebung und 
Erhaltung der Volksgesundheit besitzt, zumal 
die Aufnahmepreise in diesen Sanatorien äußerst 
niedrige sind. 

Determann (Freiburg-St. Blasien). 


Max Herz, Die physiologischen Wirkungen 
des künstlichen Luftstrombades. Wiener 
mediz. Presse 1905. Nr. 39. 

Die durch einen Erhitzer oder Kühler 
beliebig zu temperierende Luft wird durch ein 
Gebläse in einen nach Art der elektrischen 
Lichtbäder eingerichteten Kasten durch am 
Boden desselben befindliche Öffnungen gepreßt; 
unter gleichzeitiger Anwendung der Licht- 
Wärmestrahlung wird die Applikation zum 
Lichtluftstrombad. Außerdem kann der Appa¬ 
rat zur lokalen Luftduschenbehandlung ver¬ 
wendet werden. Zu beachten ist, daß der 


Luftstrom eine viel energischere Temperatnr- 
wirkung als die ruhende Luft entfaltet Ver¬ 
fasser sucht durch die vielleicht noch zu 
vervollkommnende Einrichtung das schwer 
dosierbare Luftsonnenbad zu ersetzen. Ein 
Vorteil dieses Lichtluftstrombades gegenüber 
dem Wassorbad beruht wie beim Luftsonnen¬ 
bad in der länger anhaltenden Reaktion, wo¬ 
durch wahrscheinlich auch eine Besserung der 
Zirkulationsverhältnisse in der Haut und damit 
eine Abhärtung derselben erzielt werden kann. 

van Oordt (St Blasien). 

W. P. Northrop, Cold fresh alr treatment 
of pneumonia in infants and chlldren. 

Medical Record 1905. Nr. 7. 

WeitschweifigerBericht über einen geheilten 
Fall von Bronchopneumonie bei einem 14 Monate 
alten Mädchen. Verfasser ließ trotz des Winters 
Tag und Nacht die Fenster offen und sorgte 
zudem durch einen elektrischen Ventilator für 
Luftzirkulation. Gegen das Fieber ging er mit 
kalten Packungen, gegen mangelhaften Blut¬ 
kreislauf mit heißen Fußbädern vor, Flatulenz 
bekämpfte er mit heißen Salzwassereinläufen. 
Er schreibt den guten Erfolg vor allem der 
ständig im Krankenzimmer herrschenden frischen, 
kalten Luft zu, die nach seiner Ansicht das 
wirksamste Mittel gegen Toxinämie, Herz¬ 
schwäche und Verdauungsstörungen ist. Im 
übrigen gab er blande Diät und vermied Anti- 
pyretika. Laser (Wiesbaden). 

Schalenkamp, Die Inhalationen gas¬ 
förmiger Luftgemische aus der Groppe der 
schwefeligsanren Verbindungen bei Er¬ 
krankungen der Luftwege. Zeitschrift für 
Tuberkulose und Heilstättenwesen 1905. 
Bd. 7. Heft 5. 

Das Turiolignin wird wie das Lignosulfit 
aus der Ablaugo bei der Zellnlosefabrikation 
gewonnen und werden bestimmte Laugen, die aus 
besonders verarbeiteten Hölzern herstaramen, 
bevorzugt. Die Ester schwcfeligsaurer Ver¬ 
bindungen, der Gehalt an Terpenen, Phenolen 
Guajakol und Kresol erklären die exspek- 
torierende und antifötide Wirkung des zur 
Inhalation sich eignenden Präparates, das bei 
Bronchektasien, fötiden Bronchitiden, chro¬ 
nischen Bronchopneumonien, tuberkulösen Pro¬ 
zessen seinen Platz finden kann. 

J. Ruhemann (Berlin). 


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730 Referate über Bücher und Aufsätze 


C. Gymnastik, Massage, Orthopädie 
nnd Apparatbehandlung. 

Derlin, Beitrag xur Behandlung akuter 
Eiterungen mit Biergeher Stanungshyper- 
iinie. Münchener medizin. Wochenschrift 
1905. Nr. 29. 

Der Verfasser teilt aus seinem Material 
zwei Fälle von Sehnenscheidenphlegmoncn der 
Hand und einen Fall von Osteomyelitis des 
Oberarms mit, in denen es gelang, mit Hilfe 
der Bi ersehen Stauung und kleiner Inzisionen 
die Soldaten dienstfähig zu erhalten. Die 
Heilung erfolgte in auffallend kurzer Zeit im 
Vergleich mit den bisher üblichen Methoden. 
Derlin glaubt, daß das Verfahren bei größter 
Einfachheit unter Ausschluß von Schmerzen 
verstümmelnde Eingriffe vermeidet und die 
Heilungsdauer oft abkürzt. Perl (Berlin). 

Lossen, Biersche Siauungshyperämle bei 
Sehnenscheidenphlegmone. Münchener med. 
Wochenschrift 1905. Nr. 39. 

Lossen teilt aus dem Bürgerhospital in 
Köln, Abteilung Bardenheuer, drei Fälle von 
Sehnenscheidenphlegmone mit, die unter Bi er¬ 
sehe Stauung mit gutem funktionellen Resultat 
zur Heilung gekommen sind. Nach der Er¬ 
fahrung Bardenheuers hatten sich unter den 
bisher üblichen Behandlungsmethoden sämtliche 
vereiterte Sehnen entweder nekrotisch abge¬ 
stoßen oder krumm gezogen. 

Auch bei Gelenkvereiterung, Furunkeln, 
Fisteln aller Art usw. rühmt Lossen den guten 
Erfolg der Saug- und Stauungsbehandlung. Ein 
großer Teil früherer Mißerfolge wird auf mangel¬ 
hafte Technik zurückgeführt. 

Perl (Berlin). 

Preindlsberger, Weitere Mitteilung über 
Bückenmarksanftsthesie. Wiener klinische 
Wochenschrift 1905. Nr. 26. 

Mit Einschluß von 45 früher veröffentlichten 
Fällen hat P. die Rückenmarksanästhesie jetzt 
345 mal angewandt. Zur Verwendung kam stets 
Tropakokain, als höchste Dosis, bei Operationen 
in der Unterbauchgegend, 0,07 g. Bei etwa 
30% jener Fälle, die mit Allgemeinnarkose 
ausgeführt werden müssen, tritt die Spinal¬ 
analgesie an ihre Stelle. Bei den letzten 
292 Fällen war 16 mal eine oberflächliche, 
15 mal bei vollständigem Versagen der Wirkung 


eine tiefe Allgemeinnarkose erforderlich, zu 
der aber stets sehr geringe Mengen des Narko¬ 
tikums erforderlich waren. 3 mal mißlang die 
Punktion des Rückenmarkkanals. Von üblen Zu¬ 
fällen wurde ein schwerer Kollaps, 6mal leichte 
Kollapserscheinungen beobachtet Temperatnr- 
steigerungen, die wohl auf direkte Reizung des 
Wärmezentrums beruhen und z. T. bis 40,0° 
gingen, kamen in 14 Fällen vor. Leichter 
Kopfschmerz, der ein bis mehrere Tage anhielt 
trat in 41 Fällen, heftiger in zwei Fällen auf. 

Leo Zuntz (Berlin). 


Gerson, Eine Vereinfachung des abnehm¬ 
baren elastischen Gipskorsetts. Deutsche 
medizinische Wochenschrift 1905. Nr. 45. 

Gerson hat das früher von ihm angegebene 
abnehmbare elastische Gipskorsett welches 
hinten und vorn aufgeschnitten und elastisch 
zusammengeschnürt wurde, in der Weise 
modifiziert, daß nur vorn Segelleinenstreifen 
mit der Schnürvorrichtung angebracht werden 
und nur in der vorderen Mittellinie aufge¬ 
schnitten zu werden braucht. Das An- und 
Ablegen des Korsetts wird dadurch ermöglicht, 
daß nach Einfügung eines Leinen- oder Nessel 
tuchstreifens in das Gipskorsett der Gips in 
der hinteren Mittellinie wieder entfernt wird. 
Durch Einlegung von Wattebäuschen läßt sich 
auch mit diesem Korsett eine allmählich ver 
stärkte Redression erreichen. 

Nanmann (Meran-Reinerz). 


Mongour und Carles. Snr la ralenr des 
inject Ions d’alr dang le traitement des 
nerralgies. Le Balletin mödical 1905. 27. De 
zember. 

Verfasser haben die von Vignes, Cordier 
u. a. ausgebildete Methode der subkutanen 
Lnfteinblasungen gegen Neuralgien an einem 
größeren Material nachgepriift und ermutigende 
Resultate erzielt. Sie behandelten Fälle von 
Ischias, Interkostalneuralgie, lanzinierende und 
gürtelförmige Schmerzen bei Tabes und batten 
bei 38 derartigen Affektionen 23 Heilungen, 
sechs Besserungen und neun Mißerfolge, wobei 
zu bemerken ist, daß sich unter den Neural¬ 
gien Fälle von mehrmonatlicher bis zu drei¬ 
jähriger Dauer befanden. Die Methode scheint 
sich trotzdem besonders für frische Fälle in 
eignen, bei denen scharf umschriebene Schmerz¬ 
punkte gefunden werden. Spontane Schmerzen 
zu beseitigen gelingt nicht immer so sicher. 


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Referate über Bücher und Aufsätze. /31 


wie Druckpunkte unempfindlich zu machen. 
Das Verfahren ist nach Ansicht der Verfasser 
ungefährlich, leicht ausführbar und bisweilen 
noch wirksam, wo andere Methoden versagt 
haben. Mit einem Gebläse oder einer Spritze 
wird Luft subkutan an die Stelle des Druck¬ 
punktes gespritzt, die Menge richtet sich nach 
der Dehnbarkeit des Gewebes. Ein bisweilen 
danach auftretender Schmerz klingt bald ab, 
üble Zufälle wurden nie beobachtet. Nach 
Ansicht des Referenten hätten die Verfasser 
eindringlichst darauf hinweisen sollen, daß es 
unbedingt geboten ist, sich zur Vermeidung 
von Luftembolie vor der Injektion davon zu 
überzeugen, daß die Nadel nicht in einer Vene 
steckt W. Alexander (Berlin) 

Bejrer, Der Einfluß des Radfahrens auf das 
Herz. Münchener medizinische Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 30 u 31. 

Beyer hat den Einfluß des Radfahrens 
auf das Herz zum Gegenstand des Studiums 
bei Soldaten gemacht. Es handelt sich also bei 
der Untersuchung nur um gesunde junge Indi¬ 
viduen. Er kommt zu dem Schlüsse, daß das 
Radfahren einen spezifisch schädlichen Einfluß 
auf das Herz ausübt, und daß das jugendliche 
Herz gerade infolge der erheblichen Blutdruck¬ 
steigerung großen Gefahren ausgesetzt ist. 
Diese Blutdruck Steigerung kommt daher, daß 
nicht wie bei den meisten anderen körper¬ 
lichen Bewegungen ausgedehnte Muskelpartien 
in mäßigem Grade gebraucht werden und 
durch Aufnahme von Blut die durch vermehrte 
Herzarbeit verursachte Blutdrucksteigerung 
herabsetzen, sondern daß relativ beschränkte 
Muskelpartien in Anspruch genommen werden, 
welche bei der großen Herzarbeit nur einen 
geringen Ausgleich der Blutdrucksteigerung 
ermöglichen. Tatsächlich weisen Pulskurven, 
welche bei Radfahrern aufgenommen wurden, 
meistens die Zeichen der Spannung des Pulses 
auf. Außer der Steigerung des Blutdruckes 
ist die Erhöhung der Pulszahl das beim Rad¬ 
fahren am meisten auffallende Symptom. Be¬ 
sonders zwei Umstände lassen das Radfahren 
bezüglich seiner Wirkungen bedenklich er¬ 
scheinen. Einmal der, daß so häufig körperlich 
ungeeignete Leute radfahren, sodann die un¬ 
mäßige oder unzweckmäßige Ausübung dieses 
Sportes. Von den Folgen des Radfahrens für 
das Herz: Herzhypertrophio, akute Herz¬ 
erweiterung,Herzklopfen,nervöse Herzstörungen, 
hat Verfasser nervöse Herzstörungen am meisten 


bei seinen Fällen gesehen. Beyer meint, aus 
dem statistischen Material, welches ihm vor¬ 
liegt, entnehmen zu können, daß die Herz¬ 
krankheiten in den Armeen in den letzten 
20 Jahren sich verdreifacht haben, besonders 
deshalb, weil eine große Anzahl von Herzleiden 
schon im Zivilleben erworben werden, die dann 
bei größeren körperlichen Anstrengungen im 
Dienste hervortreten. Besonders bedenklich 
ist, daß Leute mit sitzender Lebensweise wie 
Schreiber, Buchhalter, Lehrer und Handlungs¬ 
gehilfen laut statistischem Nachweis am meisten 
das Radfahren betreiben. Gerade diese, welche 
die einzige freie Zeit der Sonntage zu großen 
Radtouren benutzen, werden sich relativ häufig 
überanstrengen. 

Man gewinnt aus dem Aufsatze den Ein¬ 
druck, daß das Radfahren tatsächlich nicht 
eine so harmlose Ausübung des Sports ist, wie 
man vielfach annimmt. 

Determann (Freiburg i. B.-St. Blasien). 

Brauer, Die praktische Durchführung des 

Uberdruckyerfahrens. Deutsche medizi n. 

Wochenschrift 1905. Nr. 38. 

Verfasser hat zur Durchführung seines 
schon vor l 1 /, Jahren angegebenen Überdruck- 
verfahrens zur Verhütung der Folgen eines 
offenen Pneumothorax einen Apparat kon¬ 
struiert, dessen Form und Handhabung er in 
der vorliegenden Abhandlung ausführlich be¬ 
schreibt. An den Apparat, welcher aus den 
Vorrichtungen zur Beschaffung, Leitung und 
Regulierung der Druckluft, dem Kopfkasten 
und den Vorrichtungen zur Eindichtung des 
Kopfes des Kranken bzw. der Hände des 
Narkotiseurs in diesen Kasten besteht, ist noch 
ein Roth-Drägerscher Sauerstoff-Narkose¬ 
apparat angegliedert. Der zu operierende 
Kranke atmet also mit der Druckluft, welche 
innerhalb der Lungen einen Überdruck schafft 
und dadurch den äußeren, infolge des Ein¬ 
dringens von Luft in den offenen Brustraum 
entstehenden Druck überwindet, gleichzeitig 
auch die zur Narkose nötigen Gase ein. Als 
einen wesentlichen Nachteil des Sauerbruch - 
sehen Verfahrens erachtet Verfasser die 
Schwierigkeit der Verständigung zwischen 
Operateur und Narkotiseur, eine Schwierigkeit, 
die bei seinem Verfahren vermieden ist 

Für uns würde von besonderem Interesse 
eine ev. Verwendbarkeit des Apparates für 
die Zwecke der Pneumatotherapie sein. Ver¬ 
fasser erwähnt indessen diesen Punkt nur 


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732 Referate über Bücher und Aufsätze. 


andeutungsweise und wird über die dies¬ 
bezüglichen Versuche, die bereits im Gange sind, 
später berichten. 

Gotthelf Marcuse (Breslan). 

D. Elektro-, Licht- n. Röntgentherapie. 

Philipp, Die Röntgenbestrahlung der Hoden 
des Mannes. Fortschritte auf dem Gebiete 
der Röntgenstrahlen 1904. 9. Dezember. 

In zwei Fällen ist dem Verfasser der Nach¬ 
weis gelungen, daß durch schwache Röntgen¬ 
bestrahlungen der Hoden des Mannes eine 
etwa l /a Jahr »P äter nachzuweisende voll¬ 
kommene Azoospermie erzielt werden kann. 

H. E. Schmidt (Berlin). 

Linser, Beitrag zur Histologie der Röntgen- 
Wirkung auf die normale menschliche Haut. 

Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen¬ 
strahlen 1904. 9. Dezember. 

Der Verfasser hat auch nach Röntgen¬ 
bestrahlungen, die nicht — wie bei früheren 
Untersuchungen — zurUlzeration geführt hatten, 
Gefäßveränderungen, dagegen keine Verände¬ 
rungen an den Epithelzellen nach weisen können; 
er hält daher nach wie vor die ersteren für 
da8 Primäre, die letzteren für das Sekundäre. 
Diese Befunde stehen im Gegensatz zu fast 
allen von anderen Autoren erhobenen. Auch 
Referent kann sich der Ansicht des Verfassers 
nicht anschließen. Es ist z. B. sicher, daß die 
Hodenepithelien zugrunde gehen, ohne, daß 
irgendwelche Schädigungen der Gefäße nach- 
zuweisen sind (Buschke und Schmidt, 
Dcrmatologenkongreß, Berlin, September 1905). 

H. E. Schmidt (Berlin). 

Hahn, Ein Beitrag zur Röntgentherapie. 

Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen¬ 
strahlen 1904. 9. Dezember. 

Der Verfasser hat beobachtet, daß die 
Röntgenbilder von Extremitäten, welche mit 
einer Esraarchsehen Binde auf die photo¬ 
graphische Platte festgebunden waren, be¬ 
sonders scharf wurden und führt das auf 
die erzielte Blutleere zurück. Das Blut ab¬ 
sorbiert ja sehr viel Röntgenstrahlen, wie 
aus dem tiefen Herzschatten, welchen man 
bei Durchleuchtung des Thorax auf dem 
Fluoreszenzschirm erhält, deutlich hervorgeht. 
Er empfiehlt daher Anämisierung der Haut 


! bei der Röntgentherapie durch Adrcnalin- 
Injektionen, um durch die erzielte Blutleere 
j eine größere Tiefenwirkung zu erreichen. 

H. E. Schmidt (Berlin). 


Holding, A warning and a protector for 
X-ray workers. Medical Record. New York 
1905. 25. März. 

Zum Schutze des Radiologen wird eine 
sechs Fuß hoho und drei Fuß breite Eichen¬ 
wand empfohlen, die auf beiden Seiten mit 
Bleiblech beschlagen ist und einen drehbaren 
Spiegel besitzt, in welchem die Fluoreszenz 
j der Röhre beobachtet werden kann. 

; H. E. Schmidt (Berlin). 


Morton, Radiottaerapy and Snrgery, irith 
a plea for preoperalire Radiation«. Medical 
Record. New York 1905. 25. März. 

Der Verfasser empfiehlt in jedem Falle 
von maligner Neubildung zunächst einmal die 
Röntgenbestrahlung, da häufig diese allein rar 
Heilung führt, ev. nachfolgende Operation. 
Aach nicht mehr operable Fälle werden durch 
die Radiotherapie bisweilen zu operablen um* 
gewandelt (?) H. E. Schmidt (Berlin). 


Tonsey, Chronic rhenmatism, goat and 
otber uric-acid diatheses treated by the 
X-ray, high frequency enrrents, and Tibra- 
tory massage. Medical Record. Newlork 
1904. Nr. 9. 

Verfasser wandte bei zahlreichen Gichtikern 
Röntgenstrahlen zur Behandlung lokaler Harn 
Säureablagerungen an, wobei er Hautreizungen 
sorgfältig vermied; er glaubt dabei schmerz¬ 
stillende und zerteilende Wirkung beobachtet 
zu haben. Mit der Vibrationsmassage des 
Bauches bezweckt er stärkere Blutzirkulatiou 
in den Baucheingeweiden und Anregung der 
Nerventätigkeit; bei Verwendung von Hocb- 
frequenzstrüraen mittelst besonderer kleiner, 
überall anwendbarer Elektroden glaubt er durch 
Einfuhr von Ozon in den Körper kräftigere Oxy¬ 
dation zu erzielen. Seine auf diese Weise 
behandelten zahlreichen Patienten wurden auf 
fallend rasch gebessert, ohne daß interne Mittel, 
abgesehen von kleinen Gaben Salophen, 
gebraucht wurden. Über besondere Diät findet 
sich kein Vermerk. Laser (Wiesbaden). 


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Referate über Bücher und Aufsätze. 


Klingiuüller und Halberstaedter, Über 
die bakterizide Wirkung des Lichtes bei 
der Finsenbehandlung. Deutsche medi¬ 
zinische Wochenschrift 1905. Nr. 14. 

Verfasser erörtern die Frage, ob es möglich 
ist, die innerhalb des Gewebes befindlichen 
Bazillen, also die Tnberkelbazillen beim Lupus 
vulgaris, bei der Applikationsweise des Lichtes 
abzutöten, wie es bei der üblichen Finsen¬ 
behandlung stattfindet. Sie konnten die von 
Nagclschmidt aufgestellte Behauptung, daß 
die Heilung des Lupus durch Licht in erster 
Reihe auf der Abtötung der Tuberkelbazillen 
beruhe, nicht bestätigen. Die Versuche sind 
so wohl durch Verimpfung auf Meerschweinchen 
von Lupusstückchen, die der Finsenbestrablung 
ausgesetzt waren, wie auch mit Reinkulturen 
von Tuberkelbazillen ausgeführt. Die mit dem 
belichteten Material infizierten Tiere sind 
sämtlich an Tuberkulose gestorben, wenn auch 
durchschnittlich etwas später als die zugehörigen 
Kontrolliere. Dieselben Resultate wurden auch 
bei denVersuchen mitStaphylococcuspyogeneus 
aureus erzielt. Auf Grund ihrer Untersuchungen 
kommen Verfasser zum Schluß, daß bei der 
Finsenbehandlung selbst verhältnismäßig ober¬ 
flächlich gelegene Tuberkelbazillen nicht ab¬ 
getötet werden, daß also die dem Lichte zu¬ 
kommende, sehr starke bakterientötende Kraft 
keine Rolle spielt bei der Behandlung der 
Hauttuberkulose, daß daher die so überaus 
günstigen Erfolge der Finsenbehandlung beim 
Lupus vulgaris nicht auf der bakteriziden 
Wirkung des Lichtes beruhen können. 

A. Braunstein (Moskau). 

Belot, Traftement du mycosis fongoide 
par la radlotblraple. La Presse mädicale 
1905. Nr. 3*2. 

Verfasser hat Fälle von Mycosis fungoides 
mit Röntgenstrahlen behandelt und so erhebliche 
Besserung erzielt, daß er die Methode zu 
weiteren Versuchen empfiehlt. In seinem Fall, 
der eine Reihe größerer Geschwülste am Gesicht 
und Rumpf darbot, wurden etwa zehn Ein¬ 
heiten H auf jeden Tumor mit Strahlen Nr. 4 
oder 5 des Radiochromometers angewandt, 
während die übrigen Teile mit Staniol bedeckt 
waren. So wurden wiederholt Sitzungen ver¬ 
anstaltet und cs ergab sich, daß sofort die 
Jucken und Schmerzen aufhören, innerhalb sechs 
Tagen bedeckten sie sich mit einem leicht 
bräunlichen Erythem und nach etwa 20 Tagen 


733 


begannen die Tumoren sich zu verkleinern und 
allmählich in ihrer Konsistenz zu erweichen. 
Die fast völlige Heilung erfolgte unter Zurück¬ 
lassung einer leichten Pigmentation. Diese 
Methode ist nach der Erfahrung des Verfassers 
die einzige, welche quoad valetudinem und 
namentlich, was das äußere Ansehen betrifft, 
brauchbare Resultate liefert. 

A. Braunstein (Moskau). 


E. Serum- und Organotherapie. 

II a n e 1, Arongons Antlstreptokokkenserum 
bei puerperaler Sepsis. Deutsche mediz. 
Wochenschrift 1905. Nr. 45. 

Hanel hat bei drei Fällen von Puerperal¬ 
fieber von der Anwendung des Aronsonsehen 
Antistreptokokkenserums sehr gute Erfolge ge¬ 
sehen. Besonders frappant war der Erfolg in 
einem Falle von schwerer puerperaler Sepsis, 
dem von seiten aller zugezogenen Ärzte eine 
sehr zweifelhafte Prognose gestellt worden 
war. Nach der ersten Injektion von 100 ccm 
Serum besserte sich das Allgemeinbefinden 
unter Temperaturabfall, nach der zweiten In¬ 
jektion stellte sich ein „geradezu kritischer 
und frappanter Umschwung ein“, der nach der 
Auffassung des Autors der spezifischen Wirkung 
des Serums zuzuschreiben ist 

Naumann (Meran-Reincrz). 


Hermann Frey, Meine Erfahrungen mit 
dem Antituberkulosesernm Marmorck. 

II. Serie. Wiener klin.-therap. Wochen¬ 
schrift 1905. Nr. 42. 

Auf Grund seiner Erfahrungen, die sich über 
2*/a Jahre erstrecken, ist der Verfasser zu der 
Überzeugung gelangt daß das Marmoreksehe 
Antituberkuloseserum eine deutliche spezi¬ 
fische Wirkung bei tuberkulösen Erkrankungen 
entfaltet. Um die Art dieser Wirkung zu 
veranschaulichen, werden in dieser Arbeit 
16 Krankengeschichten mitgeteilt. Die Patienten 
erhielten das Serum teils durch Einspritzungen, 
teils in Klysmen. Der Verfasser konnte nämlich 
feststellen, daß auch durch die Applikation 
per rectum volle Wirkung erzielt >vcrden kann, 
sobald man die Dosis entsprechend vergrößert. 
Es ist dies vor allem darum von Wichtigkeit, 
weil die vollkommen reizlose rektale An¬ 
wendung die Benutzung des Serums auch in 
den nicht seltenen Fällen gestattet, wo die 


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734 


Referate über Bücher und Aufsätze. 


Injektion heftige lokale Irritation verursacht. 
Die Wirkung des Serums zeigte sich meist am 
raschesten und auffälligsten in Abnahme des 
subjektiven Krankheitsgefühles und des Fiebers, j 
Der Husten wurde weniger quälend, der Aus* i 
wurf leichter. Langsamer, aber auch sicher | 
konstatierbar, war die Beeinflussung des ana¬ 
tomischen Prozesses. Bestehende Dämpfungen 
hellten sich auf und besonders nahmen die 
Rhonchi ab. Der Verfasser glaubt, daß das 
Serum in erster Linie antitoxisch wirkt. 

Böttcher (Wiesbaden). 

FenjrTessy* Der Schutz des Organismus 
den Giften gegenüber. Budapesti Orvosi 
üjsäg 1905. Nr. 45. 

Die Medikamente und Gifte erleiden im 
Organismus verschiedentliche chemische Ver¬ 
änderungen, denen zufolge dieselben ihre 
Wirkung total oder partiell verlieren können. 
In diesem Sinne dienen diese biochemischen 
Prozesse dem Organismus als Schutz den 
Giften gegenüber. In der Beurteilung dessen, 
ob die eine oder die andere dieser Verände¬ 
rungen den Charakter eines Schutzprozesses 
bildet, kann uns keine teleologische Auffassung 
leiten. Denn die Gifte erfahren im Organismus 
nicht deshalb eine Veränderung, damit sie 
unschädlich werden, sondern sie werden des¬ 
halb unschädlich, da sie Veränderung erfahren. 
Infolgedessen kann der chemischen Veränderung 
eines Giftes die Bedeutung eines Schutzprozesses 
zuerkannt werden: 1. wenn die neuerstandenen 
Substanzen nicht toxisch sind, 2. wenn der 
zur Umgestaltung dienende Prozeß die Ent- , 
stehung der hierzu vom Organismus entzogenen 
chemischen Substanzen, bzw. die Verbindung 
derselben mit dem Gift für den Organismus 
unschädlich ist und 3. wenn zwischen dem 
Grad der fraglichen Umänderung und der 
Intensität der Vergiftung ein verkehrtes Ver¬ 
hältnis nachweisbar ist, resp. wenn es gelingt, 
durch artifizielle Steigerung der beziehentlichen | 
Umänderung die Symptome der Vergiftung zu 
mitigieren. Auf Grund dieses Standpunktes I 
behandelt Verfasser die Oxydation, die Zer¬ 
setzung, die Reduktion und die Synthese der i 
Gifte. Die Oxydation kann als vollständig 
entgiftender Prozeß betrachtet werden und 
kann therapeutisch besonders zur Unschädlich¬ 
keitsgestaltung der noch nicht resorbierten, 
manchmal aber auch der schon im Blut ! 
zirkulierenden Gifte benutzt werden. Die 
Zersetzung und Reduktion besitzen vom 


Standpunkte der Entgiftung allein keine Be¬ 
deutung. Am wichtigsten sind diesbezüglich 
die Synthesen. Verfasser deutet auf den ver- 
schiedentlichen Verlauf und Chemismus der 
Säurevergiftung hin bei Karnivoren und Vege¬ 
tarianern, erörtert dann den chemischen Mecha¬ 
nismus und die Schutzbcdcutung der Leber- 
Retention der Metallgifte und Alkaloide. Von 
den biochemischen Synthesen der organischen 
Gifte behandelt er die Glykokoll — die Sulfur¬ 
säure, die Glykuronsäure — und die sulf- 
hydrilen Verbindungen. Die Entstehung von 
Hippursäure und Ätbersulfosäure hält er für 
Schutzprozesse; mit der therapeutischen An¬ 
wendung des Glykokolls und der Sulfate 
können die entsprechenden Synthesen befördert 
und hiermit die Intoxikationen mitigiert werden. 
Glykuronsäure-Synthese hält er nicht für einen 
Schutzprozeß, sondern für den chemischen 
Ausdruck der Vergiftung. Dann bespricht 
Verfasser die Entstehungsweisc, sowie die 
physiologische und pathologische Bedeutung 
der Glykuronsäure. Seiner Ansicht nach be¬ 
sitzt dieselbe in der Verbrennung des Trauben¬ 
zuckers keine selbständige, von der Synthese 
unabhängige Rolle und kann aus der Ver¬ 
mehrung der im Urin gefundenen gepaarten 
Glykuronsäuren nicht auf eine Störung des 
Stoffwechsels der Kohlenhydrate gefolgert 
werden, sondern bloß darauf, daß im Organis¬ 
mus eine auf Glykuronsäure-Synthese ge¬ 
eignete Substanz vorhanden war. Die Synthese 
mit SH kann als biochemischer Schutzprozeß 
der Organvergiftung betrachtet werden und 
ist geeigneterweise auch therapeutisch ver¬ 
wendbar. Die praktischen Ergebnisse der auf 
biochemischer Basis stehenden Therapie der 
Vergiftungen sind bisher verhältnismäßig sehr 
gering, da wir nicht immer imstande sind, 
zu erreichen, daß das Gegengift mit dem 
Gift in der geeigneten Zeit in dem die Ver¬ 
bindung bewerkstelligenden Organ zusammen¬ 
treffe. Die Immunität gowisser Tierarten 
einzelnen Giften gegenüber beruht nicht auf 
Serumimmunität, sondern auf Verschiedenheit 
des Stoffwechsels und des Chemismus der 
Gewebe. Mit dem Blutserum von artefinell 
immunisierten Tieren konnten bisher keine 
therapeutischen Erfolge erzielt werden, aber 
unmöglich können dieselben nicht genannt 
werden. Indem Verfasser darauf hin weist 
daß einzelne Organe der dem Morphium gegen¬ 
über immunisierten Tiere das Morphium in 
viel bedeutenderem Maße zu zersetzen im¬ 
stande sind, wirft er die Frage auf, ob auf 


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735 


Referate über Bücher und Aufsätze, 


dieser Basis die organotherapeutische Behand¬ 
lung der Vergiftungen nicht zu verwirklichen 
möglich wäre. J. Hönig (Budapest). 

A. Eulenburg, Zur Antlthyreoidinbefaand- 
lung der Basedowscben Krankheit. Berliner j 
klinische Wochenschrift 1905. 30. Oktober. 
Festnummer. 

Eulenburg hat das Antithyreoidin in einer 
Reihe von Fällen angewandt. Es wurde inner¬ 
lich zuerst in allmählich steigender, dann in 
fallender Dosis gegeben; begonnen wurde mit 
dreimal täglich je 10 Tropfen, am dritten Tage 
auf je 15, am fünften auf je 20, am siebenten 
auf je 25, am neunten auf je 30 Tropfen (also 
im ganzen 90 Tropfen pro die) gestiegen. Über 
letztere Dosis wurde nicht hinausgegangen. 
Vom elften Tage ab wurde dann wieder in 
entsprechender Weise mit der Dosis herunter¬ 
gegangen. Nach 18 Tagen waren so etwa fünf 
Flaschen (50 ccm) des Mittels verbraucht. Es 
wurde dann eine Pause von mindestens ein¬ 
wöchentlicher Dauer gemacht und darauf der 
Gebrauch des Mittels in kleineren Dosen (drei¬ 
mal täglich 10—20 Tropfen) noch kürzere oder 
längere Zeit fortgesetzt. In einzelocn Fällen 
wurde auch die ganze Kur nach 8—14 tägiger 
Pause in gleicher Weise nochmals wiederholt. 
Der Gesamtverbrauch des Mittels betrug dem¬ 
nach 5—10 Flaschen, die Kurdauer“ 32—50 
Tage. Da der Geschmack des Mittels wegen \ 
des Karbolgehaltes ziemlich unangenehm ist, 
verordnet es Verfasser nach dem Vorgang , 
Schulten in Himbeersaft. Bei der beschriebenen 
Art der Dosierung wurden keine auf das Prä¬ 
parat selbst zurückzuführenden üblen Neben¬ 
erscheinungen beobachtet. Nach Eulenburgs 
Erfahrungen ist das Antithyreoidin als eine 
willkommene Bereicherung des gegen Morbus 
Basedowii verfügbaren Heilschatzes zu be¬ 
zeichnen. Doch ist sein Wert nur ein begrenzter, 
mehr symptomatischer und palliativer. Fällen 
von entschieden guter objektiver und subjek¬ 
tiver Gesamtwirkung stehen solche mit nur 
ganz verschwindender und oberflächlicher oder 
gänzlich versageuder Wirkung gegenüber. Die 
Antithyreoidinbehandlung ist nicht imstande, 
die bisherige diätetisch-physikalischo Behand¬ 
lungsmethode des Morbus Basedowii zu er¬ 
setzen oder überflüssig zu machen; sic ergänzt 
und vervollständigt höchstens die Gesamterfolge 
dieser Therapie. Fritz Loeb (München). 


F. Verschiedenes. 

Goodwin Gant, Die Krankheiten des Mast* 
dar ras nnd des Afters. Deutsch von Dr. 
Rose. München 1904. Verlag von Seitz 
& Schauer. 

Ein echt amerikanisches Buch! Das Prin¬ 
zip der Arbeitsteilung resp. Spezialisierung auf 
die Spitze getrieben. Verfasser ist Professor 
der Chirurgie des Rektums. Sein Standpunkt 
ist extrem spezialistisch nach Arbeitsgebiet und 
Methode. Die Ausstattung des Buches, beson¬ 
ders auch mit guten Abbildungen, geht weit 
über das hinaus, was wir in Deutschland ge¬ 
wohnt sind. Das Buch wird dem Kenner dieses 
Gebietes vielerlei Anregung bringen, könnte 
den Anfänger dagegen nur verwirren, um so 
mehr, als die Klarheit der Darstellung mit der 
Instruktivität der Abbildungen nicht immer 
gleichen Schritt hält. Das mag aber teilweise 
an der Übersetzung liegen. 

Glücksmann (Berlin). 


Woskresenki, Über lokale StoTain- 
an&sthesle. Fortschritte der Medizin 1905. 
Nr. 18 

Das Stovain wurde in 30 Fällen der ver¬ 
schiedensten Art in Form einer V,— l%igen 
Lösung in Quantitäten bis 0,12 injiziert. Es 
trat stets und zwar fast augenblicklich eine 
vollständige Anästhesie ein. Irgend welche 
Intoxikationserscheinungen wurden nie wahr¬ 
genommen. Die Anästhesie dauert ca. 20 Mi¬ 
nuten. Die Wirkung bleibt scharf auf die In- 
jektionsBtellc beschränkt Die Wunden bluten 
nicht stärker als gewöhnlich, trotzdem das 
Stovain zu den vasodilatatorisch wirksamen 
Mitteln gehört. Hyperästhesien stellen sich 
— im Gegensatz zum Kokain —, nachdem die 
anästhesierende Wirkung aufgehört hat, nicht 
ein. V 3 0 /o*o e und 3 U %»£ e Stovainlösungen 
können mit gleichem Erfolge angewandt werden 
wie l%ige Kokainlösungen. 

Leo Zuntz (Berlin). 

Preleitner, Über Spinalanalgesie im Kindes- 
alter. Verhandl. der Gesellschaft der Ärzte 
in Wien. Wiener klin. Wochenschrift 1905. 
Nr. 26. 

Während bisher das Kindesalter als 
Kontraindikation für die Spinalanalgesie an¬ 
gesehen wurde, empfiehlt Preleitner dieselbe 
auf Grund der Erfahrungen in 40 Fällen als 


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736 


Tagesgeschichtliche Notizen. 


gefahrlos. Dieselbe ermöglicht die Ausführung 
von Operationen auch beim Bestehen der bei 
Kindern so häufigen Bronchitiden, und ver¬ 
hindert das Auftreten von Schluckpneumonien. 
In den 4ü Fällen trat völlige Analgesie 33 mal 
auf, fünfmal war sie ungenügend, zweimal ver¬ 
sagte sie ganz. Als Analgetikum wurden 1—2 ccm 
einer 3%igcn Lösung von /9-Eukäin verwandt. 
Die Injektion wurde in sitzender Stellung nach 
Tuffier ausgeführt. Häufig kommt es zu 
Beginn der Narkose zu einmaligem Erbrechet). 
Schwere Intoxikationserscheinungen kamen nur 
in einem Falle vor, dagegen fast stets in den 
nächsten Tagen Temperatursteigerungen, ohne 
daß aber der aseptische Heilungsverlauf je 
gestört wurde. Auffallend war in fünf Fällen 
eine Harninkontinenz, die mehrere Tage anhielt, 
um dann, ohne Spuren zu (unterlassen, zu ver¬ 
schwinden. Leo Zuntz (Berlin). 


Otto von Schroen, Der neue Mikrobe 
der Lungenpkthlse und der Unterschied 
zwischen Tuberkulose und Schwindsucht. 

(Mit 81 mikrophotographischen Abbildungen.) 
81 Seiten. München 1904. Verlag von 
C. Haushalter. 

Der Verfasser, Professor der pathologischen 
Anatomie in Neapel, geht vou dem Unter¬ 
schiede aus, der zwischen Tuberkulose und 
Schwindsucht gemacht wird. Der Tuberkel¬ 
bazillus ist der Pionier des phthisiogenen 
Mikroben, eines von Schroen gefundenen 


Fadenpilzes, der erst die Zerstörungen in der 
tuberkulösen Lunge hervorruft. Ob eine primäre 
„Phthise“ möglich ist ohne vorhergegangenc 
„Tuberkulose“, kann Verfasser nicht beweisen. 
Tuberkulose ist nur der durch den Tuberkel¬ 
bazillus hervorgerufene Krankheitsprozeß. Der 
Tuberkelbazillus erzeugt als Sekretionsprodukt 
einen spezifischen rhombischen Kristall. Der 
Mikrobe der Phthise ist ein verzweigter, frukti- 
fiziercuder, großer Fadenpilz. Zuerst gelangt er 
als feines Fädchen in die Lungencpithelien, 
bildet dann ein feines Netz in dem Zellproto¬ 
plasma, zuletzt wird die Zelle vom wachsenden 
Parasiten zerstört (Abbild. S. 26-29). Die zer¬ 
störte Zelle wird zum Ausgangspunkt einer 
zentrifugalen Ausbreitung des Erregers, einer 
Cavernenbildung. Der neue Mikrobe nimmt 
eine Sonderstellung in der Klasse der Hypho- 
myceten ein. Eine Reinkultur des Phthise- 
Mikroben ist in vitro nicht gezüchtet, nur in 
Tropfenkultur war der Mikrobe Vorhand«. 

Verfasser erörtert weiter die Beziehungen 
des Tuberkelbazillus und des Phthise-Mikroben 
zueinander und begründet durch nähere Be¬ 
schreibung die wesentlichen Unterschiede 
zwischen beiden. 

Die Arbeit rollt eine sehr wichtige Frage 
auf, die einer eingehenden Nachprüfung dringend 
bedarf, da hier ganz neue Befunde mitgeteilt 
| werden. Die beigegebenen Abbildungen sind 
so mangelhaft reproduziert, daß sie in der Mehr- 
. zahl gar keinen Einblick in die Präparate ge- 
I währen. W. Zinn (Berlin). 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Herr Geh. Med-Rat Prof. Dr. E. von Lcvdeu ist zum Ehrenmitglied des internationalen 
Komitees für den II. intornationalen Kongreß für Physiotherapie (1907) ernannt worden 

Der II. Kongreß der Deutschen Röntgen-Gesellschaft findet beschlußgemäß im Anschluß 
an den Cbirurgen-Kongreß am 8. und 9. April d. J. in Berlin statt. Vorläufige Tagesordnung: jj 
Sonntag, den 8. April, vormittags: Geschäftssitzung des Vorstandes. — Montag, den 9. Aprilt 
vormittags: 1. General-Versammlung, insbesondere Beratung und Annahme der Statuten. 

2. Vorträge und Demonstrationen. Nachmittags: Vorträge und Demonstrationen. Abends: 
Projektionsabend und nachher gesellige Zusammenkunft. — Anmeldungen für Vorträge und 
Demonstrationen sowie Anfragen werden an den derzeitigen Vorsitzenden, Herrn Prof. 

Dr. Eberlein, Berlin NW. 6, Luisenstraße 56, oder den Schriftführer, Herrn Dr. Mix 
Immelmanu, Berlin W. 35, Lützowstraße 72, bis spätestens zum 1. März d. J. erbeten, damit 
das definitive Programm rechtzeitig fertiggestellt werden kauu. _ 

n ri ll, Druck von W. Hiixenstein. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN ** 






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UNIVERSITY OF MICHIGAN 























































Oie Wirkung der bBhm. Bäder 


und naixiehtlich von Karlsbad beruht in der Hauptsache 
auf dem 

Gehalt an schwefelsaur. Natron 

Davon besiizt: 

Sprudel ^ **>.%... > 2,40 } P* 

Sehiossbruiin -li....... 2,3 i l fr 


Karlsbad 

Hersfeld 


LüJIüsbrunnen .. ,..,.. .2,28 

Der Brom und Lithium enthaltende Hersfelder 


ist von bewährter Heilkraft 

Krankheiten des Magens, des Darmes, Hämorrhoiden, der Mil*, 
der Leber, der Wleron, der Harnorgane, gegen Gicht, Zucker* 
fcrsnfcftett, Fettteibigkeit, Gallensteine dk durch Gicht hervor- 
gerufenen Erkrankungen der Atmungswege« 

Versand in Flaschen^ An A*ntö zu Versuchszwecken Vnenfcfjölthch und franko 
? 7 r Bahnstation dea Empfängern Zur Zäu gelangt nur ent¬ 

eisentes Wasser zum Veraasd, 

Auskunft erteilt die Hersfelder Brunnengeseilschaft Ä.-Q., Hersfeld. 


gegen 


Indizien bei 

Anämie, Rachitis, Neurasthenie, Kachexien 

und EfschSpfuogszu^ränden aller Arr sls wirksamstes Kräftigungsmittel und zuver¬ 
lässiges Nerventomkorn,. Ahsalut reizlos, tadellos heuern milch, wird gern genommen. 

Deo Herren Aerrtao stshen Frohen und Literatur Kottenlos zur Verfüßung. 

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WWMS: 

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Zur gefälligen Beachtung I 


Die vorzügliche Wirker, mkeit de* Elektrischen Vier-Zalleit-ßadäs, das über 
alle anderen Elektrtsafionsmeibodsn weit erhaben ist, und die daraus resul¬ 
tierende grosse Verbreit«»# dieses Apparates haben naturgeiHä»* dazugeführt, 
dass von Seiten verschiedener Fabrikanten Nacbahmangs-Apparate 
Markt gebracht worda« sind, dl* dt* Metren Aertte« mit »rt^bftren. de» Tat¬ 
sachen widersprechenden und auf Täuschung hSntlefendnrt Behauptungen üis 
Ersatz des Vier-Zetlen-Batius angepriesen werden. Her Viel¬ 

zahl der Eleklroilon haben diese ne»gyr 

vielmeh r 

alle zurück auf die gewöhnliche, eben mit dem Vier-ZeUett-liadg 

verlassene Art der Zuführung des elektrische« Stromes durch 

Elektroden, dieauf~tjie Maut riea Patienten aufqedrückt werden» 

Ob der Patient seine Hände und Fiiss« an die Mt«dWtrjatilei"»fid^lcik%V «^Cjr 

Elektrode selbst an de» Körper gelegt wird/ j£l dabei absoiat dasselbe!. 

Gerade die Stfomzuftihrunij spiet! bei der Vier-ZeUen-Bad-Elsktrtsaiion 
eine Hauptrolle, Etektrischen Vi«r-2ellen-Bade wird bekannt»!«!» der 

elektrische Strem von dem die Extremität umgebenden Wasser auf den Körper 
des Patienten übenjeleitei, daher sind die Eintrittsflächen für den 
Strom gros a, die.Strnmdir.hte bleibt auch boi Verwendung zistn- 

i m~. h s r i,e ulichsr Str-ommengen dennoch nur gering, derozufoifle 

fe hltjede aiektrolytische Wirkung und.41» EUklriaaiion *oihet 

ist vdilig schmerz- und reizlos. Ferner aber, und das ist ein Moment 
ypo unterscheidender Bedeutung, umschließt das Wasser der Zelte die ein- 
stets mit dem gleichen Bruck, es fehlen also 
jene Stromsch wankuftflan, welche bet Elektroden, die auf die Haut ge¬ 
setzt werden, infolge des wechselnde«» Druckes niemals itt vermeiden sind. 
im V ier-ZeUen-Barfe Tfihit weiter auch jene Polarisation der 

Elektroden, wetobebefipgtaiiis&beftElektf öden stets ei n tr itt. 

Bonb auch vW h^i»«t!achiHi ai»s blutet die Eiektrigalior» mit 

dem Viar-ZeUen-^ajle Ihre besnBderen Vof^ärie. Das Wasser der Zelie wird 

nach j»»fMinslluemGebrat|i^e^*bi>f bwAiePorzsIlah-Zolie seihst gereinigt. 

ÜT,j 'mit~Stof1 bedeckten Metaliclektroden liingegan können nicht nach jedeh» 

Gehraoch ausgewechssit werden und bei Ihnen tiagt stets die Gefahr vor, 

dass die vom Kflrper des Pattenten attf di»Elektrode grbrsebten Krankheits- 

stoffe aut den Nachfolger iHiertragen 

Und was ferner die Katapliore se anbetrifft, so fit diese ja allein nur im 
Vier Zfeilen-Bada wirksam zn ormfiglichen. 

Alle jene Nachahmungen des Elektrischer» Vier-Z^lifm-Bades 

schliessen eben immer nur an die äussere fNCnun des Appa¬ 

rate» an, mit dem inneren Wesen b»tol> ife;^> Olch>s ju ton . 

S-*ho *uc*t im Uriltei «es Br. Urahn " lieber «Inan »noeebee PuU Oe» »*cfctroeJtW> Vb»r 

MrtKh» S«mertMOB«i> zur Aalklür-iinp «ne Mtt-jfrtot iöd».< 0 s HeHMmtw) zyi 
Der*,»:«» Zelrtchrlfl « 6 r diitelische und physikstlscbe Tttrttie, I. &eu*n<lifr 1305. 


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f**r*v^irJs«K*H*tiud)< W;7^n«^rU&ad, 

k a r i sr A rt ' : * M$ 

, n * V **:, y * J»X*fcTirtfrf& . VtUMtosKQXto/fäll' . ^JiCÄ^KoXV'.^^ 5 Ü|i»,Hl < £ft 4WJ 44 *# 4*1 

Zitier •ül'-ddK. Jtatftefä Ji&uie*ÄianfMv* v„ 7Jjfcita»-.*■* rm» *»«$<&* -'f® 

**$^wi*<*h * w Am .4tdLd*v jiffitf fo gytf» 


JjlyOAGNa Bu.d^-AcÄt(kUtf'i>; 


f- fygd;«wn*tt«U;.*‘ jin K«>n, tty-MU | * 

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Dr. H. Teuscher, Nervenarzt, Dr. P. Teuscher, prakt. Arzt. — Prospekte. 
Neues Badehaus, elektrisches Licht, Zentralheizung. Winterkuren. 

Villa Emilia, Blankenburg (Schwarzathal). 

Heilanstalt für Nervenkranke 

ist das ganze Jahr geöffnet. 

Dr. Warda, früher I. Assistent von Herrn Geheimrat Professor Binswanger-Jena. 


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Kalk, ihr guter Gehalt an fast völlig gebundener Kohlensäure, die günstige andere Mineralisation 
machen sie zu einem wohlschmeckenden Tafelgetränk und zu einem Prophyfaktikum ersten Ranges 
gegen Nieren-, Harn- und Blasenleiden, Gicht und Diabetes mit allen Folgeerscheinungen usw. 

Die Linden Quelle findet wegen hervorragender Heilwirkung allgemeine freudige Aufnahme 
und ungeteilte Anerkennung der Aerzte. Prospekte und Proben für Aerzte und Krankenhäuser 

stehen jederzeit zur Verfügung. 

Käufl. ist die Linden-Quelle in allen Apotheken, Drogerien u. Mineralwasserhaiidlungen oder durch die 

Brunnenverwaltung Birresborn, Eifel. 

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Dr. M. Lehmann, Helllgegeiststrasse 43-44. Telephon-Amt I. No. IOO und 8344 
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kunft erteilt : Sanitätsrat Dr. Norbert von Kaan (Winter: lartmsbnumb.Mera). 



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benscht; Bür dann/ w h«l er imsumie sein, den feä'aUji#** hkhriiufAll in«n#idneft in. 
behandeln uud die atu meisten sweckm^ige 'Kamhra&tftta jt wte«beä Trielikftinejii^ri 
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(W*dl 2 lR.'Cb/rwrg. Zfifitr*(b 4 tttA 


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. , . . diese Nachteile sind zum ersten Mate in 

Kathreiners- Malzkaffee beseitigt ... . Vor allem 
fehlt jede nachteilige Striemig auf die Yerdauuhgv 
so dass das Präparat ganz' hesoruiers stau des in. 
vielen Fällen nur schädlichen Bohnenkaffees bet 
Kindern, B(^ichsücii.ttgeö, Mädchen und schwäch- 
liehen Frauen zu empfehlen ist, welch ‘letztere beiden 
Klassen so sehr zum Missbrauch von Kaffee neigen.“ 


Professor Dr. Hueppe 

bireXtar des Hygienischen Insfuurs der Universität Prag 


Ein noch wenig gekanntes, 
vielfach bewährtes Hilfsmittel 

der diätetischen Therapie und Krankenpflege ist frischer 
Traubensaft (nicht durch Gärung zersetzt), durch lange 
Fasslagerung weinartig veredelt, genannt Wormser Weiamost 

Alle nährenden und wirksamen 
Bestandteile der Traube sind in 
ihrem natürlichen Verhältnis zu* 
= einander darin erhalten, = 

ohne konservierende Zusätze, ohne Zuckerung 
und Verwässerung, also nicht entwertet, ideaPreiri, 
bequem dosierbar.-“ ^lieraiur u, Probe zu Diensten. 

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