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ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
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Original fro-m
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ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE
ORGAN DER GESELLSCHAFT DER BIBLIOPHILEN <E.V.>
DES VEREINS DEUTSCHER BUCHGEWERBEKÜNSTLER <E.V.)
UND DER WIENER BIBLIOPHILENGESELLSCHAFT
BEGRÜNDET VON FEDOR VON ZOBELTITZ
NEUE FOLGE
HERAUSGBGEBEN
VON
GEORG WITKOWSKI
DREIZEHNTER JAHRGANG
VERLAG VON E. A. SEEMANN IN LEIPZIG
1921
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Original frn-m
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Inhaltsverzeichnis.
7-too7
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LIBRARY
SCHOOL
I. Hauptblatt.
Seite
Arthur Bechtold: Ein Einblattdruck des „Landesvaters“. Mit einer Beilage. 25
Eduard Berend: Wieland und Clemens Brentano.125
Otto Clemen: Bemerkungen zu einigen Titeleinfassungen der Reformationszeit. Mit
einer Beilage. 65
— R. F. Raspe in der Universitätsbibliothek zu Cambridge (April 1779).122
Werner Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar. Mit zehn Bildern. 5
— Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek. DC—XI. 39
Erich Ebstein: Ein Silhouettenalbum aus der Göttinger Gesellschaft um 1785. Mit
acht Schattenrissen . 28
Felix Hasselberg: Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.105
Johann Georg, Herzog zu Sachsen: Das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Be¬
ständigen von Sachsen in der fürstlich Fürstenbergischen Sammlung in Donau-
eschingen. Mit acht Bildern. . 75
Johannes Hofmann: Lederschnittbände aus dem 15.Jahrhundert mit Kopien nach Stichen
des Meisters E. S. Mit fünf Bildern.101
— Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der Leipziger Stadtbibliothek. Mit acht
Bildern. 61
H. H. Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisße.131
Heinrich Klenz: Von raren Büchern.141
— Mikrologische Schriften I. 20
— Mikrologfische Schriften II. Fortsetzung u. Schluß. 40
Albert Leitzmann: Zwei Briefe Lichtenbergs aus England. 12
— Unbekannte Verse Lichtenbergs.129
Louis Liebmann: Die Zauberflöte — eine revolutionäre Oper. 32
Max Maas: Kleinigkeiten.111
Paul Alfred Merbach: Goethe-Dramen . 81
Curt Michaelis: Bibliographische Miszellen. 72
Hans von Müller: Harichs Hoflfmann . 69
Maximilian Müller-Jabusch: Unbekannte Dichtungen Fichtes?. 32
C. H. Rother: Nikolaus Laurentii und seine Danteausgabe vom Jahre 1481. 78
Georg Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der
warheyt“ von Hans Heinrich Freiermut (1524). Ein Beitrag zum Werke des
Urs Graf. Mit vier Bildern. 49
— Weiteres zu Hans Sächsischen Einzeldrucken mit Holzschnitten bestimmter Meister 117
Emil Waldmann: Arnolds Graphische Bücher. Mit einer Beilage.120
— Kunstfaksimiles. 97
Fedor von Zobeltitz: Rara et Curiosa. XVII—XX . 16
645;25
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IV
Inhaltsverzeichnis.
n. Beiblatt.
Briefe.
Pariser Brief. .
Römischer Brief
Wiener Brief
Spalte
• 97 , 145 , 193
. ... 148
<» 99 , 153 , 241
Von den Auktionen.
Auktion bei Sotheby in London
Spalte
IO3
Neue Bücher und Bilder.
Spalte
Olga Amber { ger: Zeitgenossen Chodowieckis . . . 196
Victor Auburtin : Pfauenfedern.196
Michael Babits : Der Storchkalif. 5
Henri Barbusse'. Klarheit.196
Max Barthel'. Das Herz in erhobener Faust . . 156
Bauernfeld'. Die Republik der Thiere und die Elfen-
Constitution.49
Peter Baum'. Gesammelte Werke.244
Aubrey Beardsley'. Venus und Taunhäuser . . . 157
Johannes R. Becher'. Um Gott. 197
Hellmuth Becker'. Chr. D. Grabbes Drama Napoleon
oder Die hundert Tage.198
Walter Behrend'. Ein Dichter der Zeit .... 6
Paul Bennemann : Musik und Musiker im alten Leipzig 7
Ariel Bension: Die Hochzeit des Todes .... 198
Christian Wilhelm Berghoeffer: Der Sammelkatalog
wissenschaftlicher Bibliotheken der deutschen
Sprachgebiete bei der Freiherrlich Carl von Roth-
schild'sehen öffentlichen Bibliothek.199
Anton Bergschmid : Sonnenstieg. 7
Friedrich von Bernhardt '. Eine Weltreise 1911/12
und der Zusammenbruch Deutschlands . 105
Joseph Bemhart'. Der Kaplan. 8
Hans Bethge : Jens Peter Jacobsen.245
Otto Julius Bierbaum: Briefe an Gemma . . . 245
Die Bilderhandschrift des Hamburgischen Stadtrechts
von 1497 im Hamburgischen Staatsarchiv . . 50
Heinrich Bischoff: Nikolaus Lenaus Lyrik, ihre Ge¬
schichte, Chronologie und Textkritik. Band 1 . 199
Ernst Blaß: Über den Stil Stefan Georges . . . 200
Franz Blei: Der bestrafte Wollüstling.158
Kurt Bock: Der große Pan. 9
Max von Boehn: Rokoko. 9
Erich Brandenburg: Die materialistische Geschichts¬
auffassung . 11
Felix Braun: Die Träume in Vineta.158
Maria Rafaela Brentano O. S. B.: Amalie Fürstin
von Gallitzin.200
Friedrich Brie: Ästhetische Weltanschauung in der
Literatur des XIX. Jahrhunderts.200
Lothar Brieger : Theodor Hosemann, der Maler des
Berliner Volkes.211
Johannes Buhler: Klosterleben im deutschen Mittel-
alter .246
Spalte
Georg Bünau: Zum , Hundertguldenhaus u. a. Er¬
zählungen für reife Menschen.246
— Der Mut des Egidi Duldmann u. a. Geschichten
und Novellen.200
Johann Bunkels Leben, Bemerkungen u. Meinungen
nebst dem Leben verschiedener merkwürdiger
Frauenzimmer.247
Martha Burkhardt: Chinesische Kultstätten und
Kultgebräuche. 201
Cätalogus Codicum Manu Scriptorum Bibliothecae
Monacensis.202
Helene Christaller: Die Liebe und der Tod . . 202
Otto Clemen: Beiträge zur Deutschen Kulturge¬
schichte aus Riga, Reval und Mitau .... 11
— Briefe an Elisa von der Recke.51
— Aus kurländischen Reisetagebüchem . . .’ . 51
William Cohn: Indische Plastik.203
Louis Couperus: Aphrodite in Ägypten .... 203
Max Creutz: Wilhelm Leibi — Kölner Kirchen . 247
Rudolf von Delhis: Philosophie der Liebe . . . 158
Max Deri: Die neue Malerei.248
Denis Diderot: Gesammelte Schriften.205
Deutsche Dichterhandschriften .248
Die Dichtung , hrsg. von W. Przygode, II, 1 und
„Bücher der Dichtung' 1 .249
Dichtungen des Ostens: Sadis Rosengarten — Der
Ölhändler und die Blumenkönigin — Arabische
Erzählungen aus der Zeit der Kalifen. . . . 203
BernhardDörries: Mittelalter. AchtSteinzeichnungen 12
F. M. Dostojewski: Die fremde Frau und der Mann
unter dem Bett — Der Idiot. 3 Bände — Die
Teufel. 3 Bände.159
Fjodor Dostojewski/: Das politische Gedicht auf die
europäischen Ereignisse von 1854.106
Max Dreyer : Die Insel.12
Emst Droem: Ex tenebris.249
Drucke der Dehmel-Gesellschaft.276
Paul Duysen: Jedermann der viehische Mensch 250
Ehrengabe deutscher Wissenschaft.205
F.H.Ehmcke: Drei Jahrzehnte deutscher Buchkunst
1890—1920.251
L. Enders: Schwarze Schnurren.206
E.Ermatinger: Die deutsche Lyrik in ihrer geschichtl.
Entwicklung von Herder bis zur Gegenwart. 2 Bde. 251
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Inhaltsverzeichnis.
V
Spalte
Gustav Emesti: Beethoven. Persönlichkeit, Leben
und Schaffen.206
Ernte : Jahrbuch der Halbmonatsschrift „Das lite¬
rarische Echo".251
Till Eulenspiegel. Dem Volksbuch nacherzählt von
Victor Fleischer.252
Hanns Heine Ewers: Vampir.206
Festgabe für Friedrich Clemens Ebrard zur Voll¬
endung seines 70. Lebensjahres am 26. Juni 1920 252
Festschrift für Bert ho Id Litzmann zum 60. Geburtstag 253
Bogdan D. Filow: Die altbulgarische Kunst ... 5 2
Jacob Fingermann : Menschen im Abgrund ... 13
Johannes Fischart'. Das alte und das neue System.
Neue Folge: Die Männer der Übergangszeit 52
Hans TV. Fischer: Das Schwert.253
Svend Fleuron : Strix. Die Geschichte eines Uhus 13
M.W.L. Foß: „England als Erzieher" . . . . 254
Theodor Fontane : Gesammelte Werke. Zweite Reihe
in fünf Bänden.14
Theodor Fontanes engere Welt. Aus dem Nachlaß
hrsg. von Mario Krammer.159
Erinnerungen von Josef Fouche\ Polizeiminister Na¬
poleons I. .160
Bruno Frank: Die Kelter.255
Hans Frank: Siderische Sonette.ic6
Walter Franke: Max oder die Seelenhaltung des
Schiebers.273
Die Freude. Blätter einer neuen Gesinnung. . . 255
Adolf Frey: Blumen.256
Gottlieb Fritz: Volksbildungswesen.160
Victor Gardthausen: Handbuch der wissenschaft¬
lichen Bibliothekskunde.207
Paul Gauguin: Briefe an Georges Daniel de Monfreid 161
Genius : Halbjahrsschrift für werdende und alte Kunst
1920.256
Georgiia. Das Wesen des Dichters — Stefan George: .
Umriß seines Werkes — Umriß seiner Wirkung 257
Gustav Adolf Gerbrecht: Heimwege.14
Goethes Faust. Erster Teil (Leipzig, J. J. Weber) . 257
Nikolai Gogol: Das Bildnis.207
Bruno Golz: Wandlungen literarischer Motive . . 53
Hans Gräber: Piero della Francesca.107
Schweizerische Graphik. Vier Bände.258
Johannes von Guenther: Der Erzzauberer Cagliostro 15
Victor Curt Habicht: Die selige Welt .... 16
Hagadah: Hebräischer Text.258
Oskar Hagen: Deutsches Sehen. 16
Max Halbe: Gesammelte Werke. 2. Band: Liebes¬
stücke . . 17
Fannina W. Halle: Altrussische Kunst.208
Richard Hamann: Rembrandts Radierungen. 3. Auf¬
lage .107, 208
Willi Handl: Die Flamme.209
Alfred von Honstein: Die Feuer von Tenochtitlan —
Die Sonnenjungfrau.258
G. F. Hartlaub : Kunst und Religion.17
Friedrich K. L. Hartmann : Weltgeschichte in ge¬
meinverständlicher Darstellung. Band 1—3 . . 54
Karl Paul Hasse: Die deutsche Renaissance. 1. Teil 209 v
Spalte
Wilhelm Hauff: Die Geschichte von dem kleinen
Muck. Kalif Storch. Mit Zeichnungen von
Karl Walser.56
Conrad Haußmann : Uralte Lieder aus dem Morgen¬
land .162
A.Hauschner: Nachtgespräche.259
Wilhelm Hausenstein: Bild und Gemeinschaft . . 161
— Zeiten und Bilder.20
Heinrich Heine: Sämtliche Werke. Registerband vön
Paul Neuburger.259
— Prinzessin Sabbath.260
Henry Heiseier: Die Magische Laterne .... 56
Norbert von Hellingrath: Hölderlin.260
Basilius Hermann O. S. B.:' Theoktista aus Byzanz,
die Mutter zweier Heiligen. 108
Max Herrmann: Cajetan Schaltermann 261
Leopold Hirschberg: Die Kriegsmusik der deutschen
Klassiker und Romantiker .22
Eduard Hitschmann: Gottfried Keller.57
Klara Hofer: Goethes Ehe.261
E. Th. A. Hoffmann : Signor Formica. Mit Radie¬
rungen von R. Hadl.262
— Zwölf Berlinische Geschichten aus den Jahren
1551—1816.210
A. von Hof mann : Das deutsche Land und die deutsche
Geschichte.$8
— Stil und Behaglichkeit.22
Johannes Hof mann : Die erste deutsche Schriftsteller¬
organisation und die Schriftstellerbewegung . . 262
Hölderlin: Die späten Hymnen.211
— Hyperion (Potsdam, Kiepenheuer).262
Rudolf Hübner: Die Staatsform der Republik . 108
A. Hulshof en M. J. Schretlen: De kunst der oude
boekbinders.211
Die Brautbriefe Wilhelms u. Karolinens von Humboldt 162
Otto Hupp: Wider die Schwarmgeister. Zweiter
und dritter Teil.162
Heinrich Eduard Jacob: Der Tulpen frevel . . . 213
Jahrbuch der Bücherpreise. Band XV/XVI . . . 213
— der Grillparzer-Gesellschaft, Band 26 ... . 24
— der jungen Kunst, hrsg. von Prof. Dr. Georg Bier¬
mann. Erster Band: 1920.109
— der angewandten Naturwissenschaften 1914—1919 22
Monty Jakobs: Ibsens Bühnentechnik.262
Karl Jellinek: Das Weltengeheimnis.163
Hanns Johst: Der König.163
Franz Kafka: In der Strafkolonie.59
Arthur Kahane: Die Tarnkappe.110
Kalender , Hamburger 1920.24
Harry Graf Kessler: Notizen Über Mexiko. 2. Aufl. 164
Adolf Kestenberg: Die Venus von Pharat ... 60
Graf Hermann Keyserling: Philosophie als Kunst 214
Theodor Klaiber: Die deutsche Selbstbiographie . 263
— Friedrich Theodor Vischer.25
Victor Klarwill: Der Fürst von Ligne . . . * 264
Heinrich von Kleist: Die Marquise von O ... Mit
Radierungen von Heuser.265
Friedrich Kluge: Deutsche Sprachgeschichte. . . 265
Karl Kobold: Alt-Wiener Musikstätten .... 61
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VI
Inhal tsverzeichnis.
Spalte
A. H. Koben Geschichte der religiösen Dichtung in
Deutschland.266
Hans Koester: Die ununterbrochene Reihe . . . m
Robert Kohlrausch : Deutsche Denkstätten in Italien.
Neue Folge.266
Fritz Körner 1 Das Zeitungswesen in Weimar (1734
bis 1849).61
Josef Körnen Das Nibelungenlied. (Aus Natur und
Geisteswelt 591. Band).267
Adolf Freiherr von Knigge : Die Reise nach Braun¬
schweig .266
Ernst Kriech : Die Revolution der Wissenschaft . m
Hans Timotheus Kroeber: Silhouetten aus Lichten-
bergs Nachlaß von Daniel Chodowiecki . . . 164
Georg Kulkai Der Stiefbruder.62, 112
Julius Kühn: Der Dichter und das All . . . . 112
Ferdinand Kümberger: Briefe eines politischen
Flüchtlings.62
Kunstschätze der Sammlung Dr. Max Strauß in Wien 214
Isolde Kurz: Legenden.215
Nikolaus Leskow: Die Klerisei.63
Frankfurter Liebhaberdrucke .267
Wolf gang Uepe: Elisabeth von Nassau-Saarbrücken 268
Th. Litt: Individuum und Gemeinschaft . . . . 165
Wilhelm Lobsiem Ebba Enevolds Liebe .... 26
V. Loewe und M. Stimming: Jahresberichte der deut¬
schen Geschichte. Jahrgang 1 (1918). . . . 113
E. K. Ludhard : Ostern, ein Mysterium in drei Aufzügen 64
Thomas Mann : Wälsungenblut.268
Friedrich Märker1 Lebensgefühl und Weltgefühl . 114
Harry Maynci Immermann. Der Mann und sein
Werk im Rahmen der Zeit- und Literaturgeschichte 166
Walter Meckauen Wesenhafte Kunst.115
Julius Meier-Graefe: Courbet.215
Bernd Melchers : Chinesische Schattenschnitte . . 216
Xaver Meschko : Das Paradies auf Erden . . . . 115
Fürstin Pauline Metternich-Sdndor: Geschehenes,
Gesehenes, Erlebtes.66
Kurt Erich Meuren Der große Trost.115
Alfred Richard Meyer-Presse . I.Druck: Luther, Die
Deutsche Litaney; 2. Druck: Klopstock, Über
die ernsthaften Vergnügungen des Landlebens 67
Agnes Miegel: Gedichte und Spiele.268
Matthias Mieses: Die Gesetze der Schriftgescbichte 27
A. Miethe : Die Technik im zwanzigsten Jahrhundert.
5. Band.116
Paula Modersohn-Becker : Briefe und Tagebuchblätter 167
Henry Monnier: Die Geschichte des Spießbürgers 273
Moreau und Freudenberg : Trois suites d'estampes
pour servir ä l histoire des modes et du costume
des Frangais dans le dix-huitifcme sifecle . . . 167
Hans Joachim Moser : Geschichte der deutschen
Musik, r. Band.168
Georg Hermann Müller: Richard Wagner in der
Mai-Revolution 1849.67
Thomas Murner: Von dem großen Lutherischen Narren 168
Mynona : Die Bank der Spötter.116
Martin Andersen Nexö: Die Familie Frank . . . 117
Martin Andersen Nexö : Die Leute auf Dangaard . 269
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Spalte
Martin AnderseneNxö: Stine Menschenkind. III.Teil:
Der Sündenfall — IV. Teil: Das Fegefeuer . . 269
Albert Neuburger : Die Technik des Altertums . . 169
Friedrich Neumann: Geschichte des neuhochdeut¬
schen Reimes von Opitz bis Wieland .... 29
Arnold Neuweiler: Massenregie.117
Wilhelm Niemeyer: Oluf Braren, der Maler von
Föhr, 1787—-1839.270
Carl Nüssen: Dramatische Darstellungen in Köln
von 1526—1700 (Veröffentlichungen des Kölni¬
schen Geschichtsvereins 3).1x8
Früdrich Nietzsche : Lieder des Prinzen Vogelfrei
(4. Band „Der Strahlenkranz“).270
Novellen in Gelb.270
Hermann Oncken : Lassalle. 3. Aufl. 68
Ovid: Drei Bücher über die Liebeskun&t und Heil¬
mittel gegen die Liebe, hrsg. von Otto M. Mittler 118
Palatino-Bücher .271
Viktor Panin: Die schwere Stunde.29
Jean Paul: Die wunderbare Gesellschaft in der Neu¬
jahrsnacht. (München, R. Piper & Co., und Heidel¬
berg, R. Weißbach).271
Charles Peguy: Die Litanei vom schreienden Christus 170
Peladan: Der Sieg des Gatten.119
Josef Friedrich Perkonig: Maria am Rain .... 70
— Trio in Toscana.170
Leo Perutz: Der Marques de Bolibar.120
Kurt Pfister: Rembrandt. 3 °
Die deutsche Philosophü der Gegenwart in Selbst¬
darstellungen .272
Franz Pocci: Kasperl wird reich.216
Max Pulver: Das große Rad.217
Bö Yin Rä: Das Buch vom Jenseits.30
Hans Josö Rehfisch: Das Paradies.171
Robert Riemann: Rednerschule.121
— Schwarzrotgold.272
Max Roden: Anrufung.I 7 1
Hans Rose: Tagebuch des Herrn von Chantelou über
die Reise des Cavaliere Bernini nach Frankreich 71
Hans Roselieb: Der Erbe.217
Toni Rothmund: Das stumme Klavier.121
James Rousseau: Robert Macaire. — Die Portier¬
frau. 2 Bändchen.273
J. J. Rousseau: Die neue Heloise (Berlin, Pantheon-
Verlag) .274
Alfred Salmony: Die chinesische Landschaftsmalerei 208
Hugo Salus: Das neue Buch.71
Karl Scheffler: Der deutsche Januskopf . . . . 217
Arthur von Schendel: Die schöne Jagd 218
Erich Scheurmann: Das Papalagie.72
Augustus Schmehl: Die Bekehrung der Äbte 73
Wilhelm Schmidtbonn: Die Passion. 74
Hermann Schneider: Uhland.122
Gertrud Schneider-Enges: „Gine“.219
Rene Schickele: Weiß und Rot (Gedichte) — Schreie
auf dem Boulevard — Die Mädchen (Drei Er¬
zählungen) — Meine Freundin Lo. Eine Ge¬
schichte aus Paris — Am Glockenturm (Schauspiel) 218
Karl Schottenloher: Philipp Ulhart.219
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Inhaltsverzeichnis.
VII
Spalte
Schücking, Levin L.: Die Charakterproblerae bei
Shakespeare.173
Alex. Schnüttgen: Kölner Erinnerungen . . . . 172
Wilhelm von Scholz : Gesammelte Werke 1 — 3 . . 171
Franz Schuberts Briefe und Schriften, hrsg. von
O. E. Deutsch.123
Lothar Schücking: Ein Jahr auf Oesel 124
J. G. Seeger: Kilian Kötzler.176
Jules Siber: Paganini.124
Richard Smekal : Altwiener Theaterlieder von Hans¬
wurst bis Nestroy.177
Martin Sommerfeld : Friedrich Nicolai und der Sturm
und Drang.274
Hugo Sonnenschein: Erde auf Erden.62
— Die Legende vom weltverkommenen Sonka . . 176
Johann Steinwert von Soest: Der Sänger und Arzt 177
E. Stemplinger u. H.Lamer: Deutschtum und Antike 178
Leo Stemberg: Im Weltgesang — Der Heldenring
— Der Venusberg — Du schöner Lärm des Lebens 220
Die Stillen. Dichtungen ......... 221
August Strindberg: Ausgewählte Romane — Aus-
gewählte Dramen.221
Karl Hans Strobl: Umsturz im Jenseits .... 222
Moritz Stübel: Chodowiecki in Dresden und Leipzig 31
August Supper: Der Weg nach Dingsda. . . . 222
Eckart von Sydow: Die deutsche expressionistische
Kultur und Malerei.223
Ludwig Tieck : Das Leben des berühmten Kaisers
Abraham Tonelli.223
Christine Touaillon: Der deutsche Frauenroman des
18. Jahrhunderts.178
Heinrich v. Treitschkes Briefe, hrsg. von Max Corni-
celius. 3. Band.179
Spalte
Arnold Ulitz: Der Arme und das Abenteuer . . 31
W. Graf Uxhull-Gylienband: Archaische Plastik der
Griechen.208
Willibrord Verkade O.S.B.: Die Unruhe zu Gott . 179
Albert Verwey: Europäische Aufsätze.275
Karl Victor: Die Lyrik Hölderlins.224
Richard Vieweg: Robert Prechtls Alkestis und ihr
griechisches Urbild.125
Helene Voigt-Diederichs: Abendrot.179
Voltaire: Kandide oder: Es ist doch die beste Welt 180
Vom Altertum zur Gegenwart. 2. Auflage . . . 275
Hermann Wagner: Schießl. Der Roman eines Gauners 12 5
Robert Walser : Komödien.181
Conrad Wandrey: Theodor Fontane.125
Weber-Rieß: Allgemeine Weltgeschichte, 3. Auf!.,
Bd. 1. 54
Frank Wedekind: Gesammelte Werke. 7. u. 9. Band 276
Felix Weltsch: Gnade und Freiheit.126
Johann Karl Wezel: Herrmann und Ulrike . . . 127
Martina Wied: Bewegung.62
Meir Wiener: Die Lyrik der Kabbalah .... 224
— Messias.128
Oskar Wiener: Das Haupt der Medusa .... 75
— Im Prager Dunstkreis. 75
Friedrich Wilhelm Waiblinger : Phaeton . . . 181
Der dramatische Wille. Bd. 1—7.129
Karl Woermann: Geschichte der Kunst. Bd. V 225
Friedrich Wolf: Die schwarze Sonne.224
Paul Zech: Das Terzett der Sterne.130
Heinrich Zerkauten: Der wandernde Sonntag . . 225
Emile Zola: Gesammelte Novellen.226
Stefan Zweig: Drei Meister: Balzac, Dickens,
Dostojewski.181
Kleine Mitteilungen.
Spalte
Bibliophilie und hohes Alter . .... 34
Buchwidxnungsbildern, Zu den 278
Druckfehler-Berichtigung . 278
Gesellschaft der Bücherfreunde zu Chemnitz . . . 132
Goethebildnis des Schweizers Lips ... ... 232
Gutenberjggesellschaft in Mainz.182
(Hirschberg, Leopold) In eigner Sache.130
Koehler u. Volckmar, Kompendien*Kataloge von 232
Kortums Jobsiade und Niebergall’s „Der tolle Hund“ 132
Lieder, Zwei Sammlungen französischer historischer 227
Mansion, Colard, der Genosse Caxtons .... 134
Menzel, Neues von.182
Meyer, Conrad Ferdinand, Der bibliophile ... 32
Spalte
Musterdrucke von Ernst Engel in Offenbach . . 133
„Neuen Zeitung aus Brasilien“, Zur.229
Osiandcr, Friedrich Benjamin, als Epigrammatiker
und seine Necrologe für Girtanner, Lichtenberg
und Pfeffel.34
Persische Manuskripte.183
Reclam, Der verjüngte.133
Reinigung alter Drucke . .33
Schlesische Gesellschaft der Bücherfreunde ... 35
Schmierentheater-Zettel . .76
Setzerteufeleien.227, 278
Ungarische Gesellschaft der Bibliophilen (Magyar
Bibliophil Tärsasäg).35
Kataloge.
Spalte 36, 135, 184, 232, 279.
Anzeigen.
Spalte 37, 78, 137, 185, 233, 281.
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Original fram •
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zu dem Aufsatz:
Die Landesbibliothek in Weimar
Von Professor Dr. Werner Deetjen.
Bild i. Conrad Samuel Schurzfleisch (1641—1708), der erste Direktor der Bibliothek.
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Bild 2. Aus dem Fremdenbuch des Jahres 1802 : Eintragung des Dichters Heinrich v. Kleist.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
3
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• 9 . <i
<• *
f. * Jf*
e «
Bild 6. Aus einem Missale um 1550
(im Besitz der Weimarer Landesbibliothek).
Bild 7. Aus einem Psalterium nach 1440
(im Besitz der Weimarer Landesbibliothek).
Bild 8. Aus einer Karolingischen Vulgata
(im Besitz der Weimarer Landesbibliothek).
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ien: Die Landesbibliothek in Weimar.
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Die Landesbibliothek in Weimar.
Vortrag,
gehalten bei der Tagung des Vereins Deutscher Bibliothekare am 26. Mai 1920
von
Professor Dr. Werner Deetjen in Weimar.
Mit zehn Bildern.
M eine Damen und Herren l In unmittelbarer Nachbarschaft der geweihten Räume Goethes
gedenken wir seines Wortes, eine Bibliothek sei das gesammelte Kapital vieler Genera¬
tionen, das geräuschlos unberechenbare Zinsen trage. Dies Wort trifft auch auf die
Anstalt zu, durch welche ich Sie heute fuhren darf. Seit mehr als zwei Jahrhunderten wirkt
diese fürstliche Schöpfung fortzeugend, eine der edelsten Pflegstätten deutschen Geisteslebens.
Als ihren Begründer haben wir den Herzog Wilhelm Emst von Sachsen-Weimar anzusehen,
der seit 1690 die von seinen Vätern und der Jenaischen Linie ererbten Bücher- und Hand¬
schriftenschätze durch bedeutende Erwerbungen zu vermehren begann. Einen erheblichen Zu¬
wachs erhielten seine Sammlungen vor allem 1704 durch die an seltenen geschichtlichen Werken
reiche, mit großen Kosten auf ausgedehnten Auslandsreisen erworbene Bibliothek des Schlesiers
Balthasar Friedrich von Logau, eines Sohnes des bekannten Epigrammatikers, die von einem
Sohne des Dichters Andreas Gryphius in Breslau verwaltet worden war. Es sind sämtlich
schöne Pergamentbände, die auf der vorderen Schale in Gold gepreßt die Anfangsbuchstaben
des Besitzernamens zeigen.
1706 wurde der erste Direktor der fürstlichen Bibliothek ernannt; es war der Wittenberger
Universitätsprofessor Konrad Samuel Schurzfleisch , ein weitgereister Mann, glänzender Redner
und gewandter, wie produktiver Schriftsteller, dazu ein Polyhistor im wahrsten Sinne des
Wortes, der zumal über ungewöhnliche Kenntnisse des Altertums verfügte; seine Zeitgenossen
nannten ihn eine lebendige Bibliothek und ein wandelndes Museum. Schurzfleisch behielt seine
Professur bei und brachte nur die Ferien in Weimar zu, um dort seines Amtes zu walten.
Im Aufträge seines Herzogs unternahm er eine Reise nach Hamburg, wo die Bibliothek des
hochgelehrten Marquard Gude versteigert wurde. Aus dessen Beständen vermehrte er die Wei¬
marer Bibliothek mit vielen seltenen und kostbaren Büchern. Bei seinem schon 1708 erfolgten
Tode wurde Schurzfleisch von der ganzen wissenschaftlichen Welt betrauert und in zahlreichen
Gedichten in deutscher und lateinischer Sprache als Stern erster Größe gefeiert (s. Büd 1).
Sein Nachfolger als Bibliotheksleiter wurde sein Bruder Heinrich Leonhard Schurzfleisch, der
sein Amt zunächst auch von Wittenberg aus versah, wo er ebenfalls als Universitätsprofessor
wirkte, aber 1713 ganz nach Weimar übersiedelte. 1722 starb auch er, und seine und seines
Bruders Bibliothek ging in die fürstliche Sammlung über. Sie war reich an Handschriften und
kostbaren Wiegendrucken. Die Bücher sind ganz mit handschriftlichen Bemerkungen durch¬
setzt, die vielfach mehrere Bogen umfassen, und zu den Manuskripten gehört eine noch
ungedruckte Sammlung von eigenhändigen lateinischen Briefen berühmter Gelehrten an Conr.
Sam. Schurzfleisch.
1723—28 hatte der als Göttinger Universitätslehrer später berühmt gewordene Humanist
Johann Mathias Gesner die Leitung der fürstlichen Bibliothek und die Einrichtung des Münz¬
kabinetts, das aus der 1700 erworbenen Haugwitzschen Sammlung hervorging und seitdem
mit der Bibliothek verbunden blieb. Gesner begann mit Ordnungsarbeiten, schuf einen Nominal¬
katalog in neun Foliobänden, bereitete einen Sachkatalog vor und lieferte den ersten gedruckten
Bericht über die ihm anvertrauten Schätze: „Notitia Bibliothecae Vimariae praesertim Schurz-
fleischianae. Vimariae 1723.“ Da ihn sein Schulamt stark in Anspruch nahm, mußte er die
Katalogisierungsarbeiten zum Teil durch Schüler machen lassen, und so erwies sich das Ge¬
leistete bald als unbrauchbar.
1728 starb Herzog Wilhelm Ernst, und sein Nachfolger Ernst August, der den Wissen¬
schaften wenig Interesse entgegenbrachte, entließ Gesner und übertrug die Leitung der Bibliothek
einem Pagenhofmeister, der fünfzehn Jahre hindurch das Einträgen des allerdings damals unbedeu¬
tenden Zuwachses versäumte und die Vorgefundene Ordnung zerstörte. Nach seinem Tode wurde
XIII, 1
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
die Aufsicht über die Bibliothek zwei Regierungsbeamten an vertraut, deren einer, Wilhelm
Emst Bartholomaei, später die Bibliothekarstelle erhielt. Als sein Gehilfe stand ihm sein jüngerer
Bruder, der Kirchenhistoriker Johann Christian Bartholomaei, der sich schon lange eingehend
mit den Bücherschätzen beschäftigt hatte, zur Seite und folgte ihm 1753 nach seinem Hin¬
scheiden im Amt
Mit ihm, der übrigens ein Nachkomme Lucas Cranachs war, kam der rechte Mann an
die rechte Stelle. Bartholomaei war zwar keine Persönlichkeit von so bedeutendem wissen¬
schaftlichen Ruf wie Schurzfleisch, aber für sein Amt wie geschaffen. Mit unermüdlichem
Fleiß und größter Pflichttreue sorgte er für die kostbare Sammlung. Ohne einen Gehilfen
begab er sich an die schwierige Arbeit. Er ging zunächst die ganze Bibliothek Band für
Band durch, verbesserte den Gesnerschen Nominalkatalog, trug alle noch nicht verzeichneten
Bücher sorgfältig ein, sonderte die Doppelstücke aus und stellte die Ordnung wieder her.
Vor allem begann er einen großen Realkatalog, an dem er bis zu seinem Tode unablässig
gearbeitet hat und den ihm das Schicksal noch zu vollenden vergönnte. Das Werk umfaßt
60 Foliobände und ist nach einem ausführlichen, bis ins Einzelne gehenden Plan geschaffen,
der einen klaren Überblick über alle Wissensgebiete verrät, wenn auch die Anordnung nicht
in allen Fächern glücklich ist. 6 Bände enthalten die theologische, 12 die juristische, 5 die
medizinische und naturwissenschaftliche, 29 die geschichtliche, 4 die philologische und 2 die
technische Literatur. Bartholomaei beschränkte sich nicht darauf, die Haupttitel wiederzugeben,
sondern gab auch einen Auszug von all dem, „was in größeren Werken sich zerstreut findet,“
auch fügte er, wo es ihm erforderlich schien, dem Titel literarische Bemerkungen hinzu, Zeugnisse
einer umfassenden Belesenheit.
Die Bibliothek war anfangs in mehreren schönen Sälen des alten Schlosses, der sogenannten
Wilhelmsburg, untergebracht, in denselben Räumen, in denen einst im 16. Jahrhundert die
bekannte Disputation zwischen den Theologen Victorin Strigel und Mathias Flacius stattfand.
Da der Raummangel fühlbar wurde, faßte die Herzogin Anna Amalia 1760 den Entschluß,
das dem Residenzschloß gegenüber gelegene grüne oder Gartenschloß für die Bibliothek
umbauen zu lassen. Das Gebäude, in dem sich die Sammlungen noch heute befinden, ist
1562—68 von Herzog Johann Wilhelm nach seiner Rückkehr von seinem ersten französischen
Feldzuge mit Hilfe der französischen Subsidiengelder erbaut worden. Zwischen dem jetzigen
Bibliotheksturm und dem Hauptgebäude stand früher ein schlankes Türmchen, das als Treppen¬
haus diente, und das Ganze, von außen mit Giebeln, Arkaden und bunten Malereien aus¬
geschmückt, machte einen äußerst zierlichen Eindruck. Davor lag ein Garten im altfranzösi¬
schen Geschmack, der sich über den ganzen Fürstenplatz und den von dem jetzigen Fürsten¬
hause bedeckten Raum erstreckte (s. Bild 5 und 9).
Den Umbau des Gartenschlosses, das als Geburtsstätte Bernhards des Großen, des be¬
kannten Feldherm des 30 jährigen Krieges gilt, und in dem 1636—40 der Plan zu der Wei-
marischen Bibel ausgearbeitet wurde, vollzog der Landbaumeister Straßburg nach Vorschlägen
Bartholomaeis und unter Anlehnung an die Wolfenbüttler Bibliothek in zweckmäßiger Weise
und mit edelstem künstlerischen Geschmack in Anlage und Durchführung. Der Hauptsaal ist
nach der Parkseite und nach dem Fürstenplatz mit je einem Gange eingefaßt, über denen
sich, getragen von zwölf Pfeilern auf Rundbogen, eine größere und darüber in etwas geringerem
Abstande eine zweite Galerie erhebt Die rings um den Saal laufenden Galerien bilden einen
ovalen Mittelraum. 1765 waren die Bauarbeiten vollendet, und ein Jahr darauf konnten die
Bibliothek und das Münzkabinett samt den zahlreichen Fürstenbildnissen, die schon früher die
Räume geschmückt hatten, in das von der kunstsinnigen Fürstin geschaffene neue Heim über¬
siedeln. Anna Amalia, die selbst über eine ansehnliche Sammlung von Büchern und Kupfern
verfügte und Gelehrte wie Christian Joseph Jagemann, den trefflichen Kenner der italienischen
Sprache und Literatur, und den Kunstschriftsteller Karl Ludwig Femow als ihre Privat¬
bibliothekare anstellte, hat durch diese Tat die Bibliothek vor dem Untergange gerettet, denn
1774 wurden die Räume, in denen die Bücherschätze früher geborgen waren, bei dem Schlo߬
brande ein Raub der Flammen. Schon Emst August Constantin hatte der Bioliothek seine
eigene schöne Sammlung überwiesen und alljährlich eine bestimmte Summe zur Vermehrung
ausgesetzt. Anna Amalia fuhr mit dieser Fürsorge fort. Durch den Verkauf von Dubletten
beschaffte sie neue Mittel, vermehrte den Anschaffungsfonds und machte bedeutende Schenkungen.
In der Erkenntnis „Was man nicht nutzt, ist eine schwere Last“ wurde die Bibliothek
nun mehr als früher zur öffentlichen Benutzung freigegeben. In unseren Ausleihjoumalen prangen
berühmte Namen: Wieland, Goethe, Herder, Schiller und andere mehr. Viel haben ihre
Träger der Bibliothek zu danken, ungezählte Bände sind durch ihre Hände gegangen und
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
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haben ihr Schaffen befruchtet. Wir besitzen in unseren Ausleihbüchem bedeutsame literatur¬
geschichtliche Quellen, die noch nicht genügend ausgeschöpft sind. 1 2 3 Außer den Klassikern
fanden sich von Jena her auch gern die Romantiker ein, und einer von ihnen, Clemens Brentano,
ließ sogar eine Szene seines „Gustav Wasa 11 in der Weimarer Bibliothek spielen.
Immerhin war Bartholomaei bei der Ausleihe noch nicht so vorurteilslos, wie wir es
gewohnt sind. Sein Biograph berichtet*: „So bereitwillig er auch war, jedem, der sich auf der
herzoglichen Bibliothek einfand, die Merkwürdigkeiten derselben vorzuzeigen: so war er doch
viel zu gewissenhaft, als daß er allen ohne Unterschied solche Bücher, die der Religion und
den guten Sitten offenbar schädlich sind, und woran in einer vollkommen eingerichteten
öffentlichen Bibliothek kein gänzlicher Mangel seyn darf, vorlegen sollte. Er verbarg sie viel¬
mehr vor denjenigen, auf deren Herzen sie einen schädlichen Eindruck hätten machen können,
und bewahrte sich dadurch für der Verschuldung des Gewissens welche diejenigen auf sich
laden, welche durch ihre Unvorsichtigkeit Anlaß zu dem Verderben eines Herzens geben.
Noch weniger würde er jemals dergleichen ungedruckte schädliche Schriften durch den Druck
gemein gemacht haben, da er es für eine Pflicht eines rechtschaffenen Bibliothekars hielt,
solche geheim zu halten/ 1 Noch im Frühjahr 1773 bekennt der Berliner Buchhändler August
Mylius nach einem Besuch in Weimar 8 : „Ich habe mich gewundert, auf der Bibi. Bücher ver¬
schlossen zu finden, die sogar in Leipzig öffentlich verkauft werden, z. B. Dictionnaire philo-
sophique und andere Sachen von Voltaire >La libert6 de pens£e pp.<“ Ein freierer Geist
begann erst zu herrschen, seit Goethe und Herder in Weimar wirkten.
Bei Anschaffungen wurde damals Vollständigkeit nur in den literarischen Erscheinungen
erstrebt, die sich auf das Fürstenhaus und die Landesgeschichte bezogen. Im übrigen wurden
nach Möglichkeit alle Wissensgebiete berücksichtigt und z. B. Theologie, Medizin, Naturwissen¬
schaften und Jurisprudenz, die jetzt zurücktreten müssen, keineswegs vernachlässigt. Freilich
erhob man zum Grundsatz, in erster Linie solche Werke zu erwerben, die um ihrer Kost¬
barkeit willen nicht leicht von Privatpersonen angeschafft werden konnten.
1776 starb der treue Bartholomaei, der sich im Dienste der Bibliothek aufgeopfert hatte,
tief betrauert von seinem Fürsten, dem jungen Carl August, der, vorgebildet von Wieland und
Knebel, inzwischen den Thron seiner Väter bestiegen hatte. Mit seinen Katalogen hat sich
Bartholomaei ein bleibendes Denkmal geschaffen. Wir haben ihm außer den genannten u. a.
noch das Verzeichnis der über 1000 Nummern umfassenden Binderschen Katechismussammlung
zu verdanken. Vor ihr stand einst bewundernd Jean Paul und konnte sich nicht enthalten,
dem ältesten kleinen lutherischen Katechismus für Ansbach und Bayreuth ein ihn interessierendes
Titelblatt zu entnehmen, weichen Raub er freilich im „Kampaner Tal“ offen eingestand.
Ferner schuf Bartholomaei den zweibändigen Katalog der 2000 Urdrucke Luthers und seiner
Zeitgenossen, die im Verein mit der Reformationsabteilung unseres Münzkabinetts höchst be¬
deutsames Material zur Reformationsgeschichte bilden und durch eine Sammlung von mehr
als 600 Bibeln glücklich ergänzt werden.
Sein Nachfolger Joft. Christoph Spilker begann den Gesnerschen Nominalkatalog, der
nicht mehr genügte, ganz umzuarbeiten; aus 9 wurden 40 Bände, aber die Arbeit schritt nur
langsam vorwärts, und Spilkers Verwaltung ließ auch sonst zu wünschen übrig. Neues Leben
erblühte erst, als 1797 für den verstorbenen Geh. Rat Schnauss Goethe im Verein mit seinem
früher an der Bibliothek als Akzessist tätig gewesenen Ministerkollegen Voigt die Oberaufsicht
übernahm. Er griff frisch und energisch in die Verwaltung ein, steuerte der eingerissenen
Unordnung, ließ seit Jahren verliehene Bücher einfordern und gab neue zweckmäßige In¬
struktionen, die z. T. heute noch gelten. Die Beamten wurden streng beaufsichtigt und mußten
Diarien über ihre Tätigkeit fuhren. Wenn er auch im ganzen bei der Durchführung der
Bestimmungen den Benutzern weitherzig entgegenkam, so wußte er, wenn es erforderlich war,
doch mit Säumigen und Nachlässigen ohne Ansehen der Person ein kräftiges Wort zu sprechen.
Da es damals noch an einem Museum fehlte, ließ er die wertvollsten Bilderwerke von allge¬
meiner Bedeutung in einem besonderen Raum mit ständigem Wechsel jedem Anteilnehmenden
zu bequemer Besichtigung auslegen. Zahlreiche Anschaffungen sind seiner persönlichen An¬
regung zu verdanken, und anläßlich der Übernahme der von Carl August erworbenen Bibliothek
1 Schillers EnUeihungen verzeichnete mein Kollege Dr. Paul Ortlepp in einer Abhandlang über „Schillers
Bibliothek“, die dem Zuwachsverzeichnis für die Jahre 1911—13 (Weimar 1914) vorangeht.
2 [C. W. Schneider] Leben und Charakter des seligen Herrn Bibliothekars Joh. Christ Bartholomaei zu Weimar.
Weimar 1778. S. 37 f.
3 Zeitschrift für Bücherfreunde II, 1, S. 23.
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
des Sprachforschers Büttner war er eifrig bemüht, eine engere Beziehung zu den Jenaer
Bibliotheken herzustellen. 1
Bei allen diesen Bestrebungen fand Goethe einen kundigen und fleißigen Gehilfen in dem
Registrator Christian August Vtdpius, dem Bruder Christianes, der 1805 zum Bibliothekar auf¬
rückte. Der Verfasser des „Rinaldo Rinaldini“, der fruchtbare Dramatiker und Belletrist, war
auch ein kenntnisreicher Gelehrter, der die Schätze der Bibliothek wohl zu nutzen verstand
und mit Erfolg um ihre Bereichung bemüht war.
Vor allem aber wurde Goethe in seinem heißen Bemühen um die Bibliothek durch den
Herzog Carl August selbst unterstützt, der gleich dem Freunde auch Einzelheiten des Betriebes
seiner Beachtung für wert hielt. Wie ernst der Fürst es mit der richtigen Auswahl bei der
Vermehrung der Bestände nahm, davon zeugen u. a. in unserer Handschriftenabteilung zwölf
Bände, enthaltend ausführliche Berichte über englische Literatur, die der weimarische Ge¬
schäftsträger in London J. Chr. Hüttner seit 1814 .seinem Fürsten zu dessen Orientierung bei
Anschaffungen senden mußte. Auf Carl Augusts Veranlassung wurden nach der Säkularisation
der Klöster in den Erfurter Klosterbibliotheken wertvolle alte Breviere, Psalterien und Me߬
bücher mit schönen Miniaturen gekauft; vorher schon hatte der Fürst Gelegenheit genommen,
Minnesänger- und Meistersängerhandschriften zu erwerben, und ebenso haben wir ihm im
wesentlichen die bedeutende Sammlung von Studentenstammbüchern zu verdanken, die einen
hohen kulturgeschichtlichen Wert besitzt und gern von Forschern der akademischen und
Familiengeschichte benutzt wird. Ferner überwies Carl August seine Militärbibliothek und
Kartensammlung. Die letztere enthält eine handschriftliche Karte Europas vom Jahre 1495
spanischer Herkunft, eins der vier Originale der ältesten Karte Deutschlands von dem Kardinal
Nicolaus von Cusa (1491) und zwei Weltkarten aus den Jahren 1527 und 1529, von denen
die eine von Diego Ribero, dem Kosmographen Karls V., ausgeführt worden ist
Als die Franzosen 1806 nach der Schlacht bei Jena Weimar besetzten, mußte auch die
Bibliothek ihren Tribut zahlen; das Münzkabinett, auf das die Feinde es in erster Linie
abgesehen hatten, war zwar nach Allstedt gerettet, aber aus der Kartensammlung wurden
mehrere hundert Stück entwendet.
Ein halbes Jahr später schloß Anna Amalia, Weimars Pallas, wie der getreue Wieland
sie nannte, ihre Augen für immer. Nun siedelte auch der letzte Rest ihrer reichen Bücher¬
und Notenschätze, von denen sie schon 1774 einen großen Teil überwiesen hatte, aus dem
geschmackvollen Gemach im obersten Stock des Wittumspalais in das Bibliotheksgebäude
über, darunter die aus dem Nachlaß Gottscheds gekauften dramatischen Werke, die Grundlage
für seinen „Nöthigen Vorrath zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst“. 1808
folgte die Sammlung ihres Bruders, des Herzogs Friedrich August von Braunschweig-Öls,
und in denselben Jahren die Hinterlassenschaften Fernows und des Engländers Gore. Von
der letzteren seien besonders einige Mappen mit Aquarellen erwähnt, die zum Teil Goethes
„Belagerung von Mainz“ erläutern.
Da das frühere Gartenschloß keinen Raum mehr bot, um alle Schätze aufzunehmen,
wurde in den Jahren 1803—05 das Treppenhaustürmchen abgebrochen und statt seiner mit
bescheidenen Mitteln nach Süden ein Anbau errichtet. 1820—23 ließ Carl August den benach¬
barten Turm der alten Stadtbefestigung zur Aufnahme der Militärbibliothek und Kartensammlung
einrichten und durch einen Söller mit dem südlichen Anbau verbinden. Der Verkehr zwischen
den einzelnen Stockwerken wurde durch eine aus dem Weidaer Schlosse übernommene, um
einen Stamm gearbeitete Wendeltreppe des 17. Jahrhunderts ermöglicht. In diesem Turm
fanden auch die kostbaren archäologischen, geographischen und naturwissenschaftlichen Kupfer¬
werke ihre Unterkunft, die ebenso wie die Militärbibliothek, die Kartensammlung, die AbteÜung
der französischen Revolutionsliteratur und andere Gruppen in besonderen Katalogen verzeich¬
net wurden.
Am 7. November 1825 waren 50 Jahre seit Goethes Ankunft in Weimar vergangen;
zu seinen Ehren fand in der Bibliothek unter festlichen Gesängen und Ansprachen eine Feier
statt, bei der eine auf den Jubilar geprägte Medaille in das Postament der Rauchschen Büste
niedergelegt wurde. Der Kanzler von Müller wies in seiner Rede mit Recht darauf hin, daß
kein würdigerer Ort für die Feier gedacht werden konnte, als die „stillen, der Betrachtung
des Vergänglichen wie des Unvergänglichen geweihten Hallen“, der Bibliothek, als die „ehr¬
würdigen Räume, welche die Schätze der Forschung und Weisheit bewahren, aus welchen
Sein hoher Geist Leben und Nahrung sog, wo er seine eigenen unsterblichen Werke als so
1 Vgl. Düntxcr, Zentralblatt für Bibliothekswesen I, S. 89 ff.
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
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viel heilige Pfänder des Lichtes und der Wahrheit gleich leuchtenden Sternen strahlen ließ“,
„in dem Mittelpunkte einer Anstalt, die seine leitende Hand, seine befruchtende Tatkraft seit
so langen Jahren schirmte, fortbildete, beseelte.“
Kaum ein Jahr später wurde der Saal durch einen neuen Gedächtnisakt geweiht; er galt
diesmal Schiller, dem einst aus den Bänden der Bibliothek „der Geschichte Flut auf Fluten“
entgegengeschwollen waren, „verspülend, was getadelt, was gelobt“ Nach seinem Hinscheiden
war seine von Klauer hergestellte Totenmaske der Bibliothek überwiesen worden. Jetzt wurde
seine Marmorbüste, geschaffen von Danneckers Meisterhand und durch Carl August von den
Hinterbliebenen erworben, hier — der Trippelschen Goethebüste gegenüber — aufgestellt und
der aus der Kassengruft des Jakobsfriedhofs gerettete Schädel im Postament niedergelegt
Bald darauf wurden auch die übrigen Reste des großen Toten in einem Interimssarge im
Erdgeschoß des Bibliotheksgebäudes vorübergehend beigesetzt, bis sie 1827 mit dem Schädel
in der Fürstengruft ihre endgültige Ruhestätte fanden.
An Goethes letztem Geburtstage [28. August 1831] schließlich fand seine eigene von
David d*Angers geschaffene Kolossalbüste im Saal ihren Ehrenplatz; den Festakt beschloß
der von dem Kanzler von Müller gedichtete, von Chdlard vertonte Chor:
„So feiern wir die edlen Züge,
Stolz blickt das Auf zu ihnen auf ,
Und — was der Zeiten Lauf auch füge —
Hier geht ein ewig Leben auf;
Hier , wo der Fürsten heil*ge Ahnen
An jedes Herrliche uns mahnen ,
Wo rings umher in Lebensfülle
Gewaltet ein erhob*ner Wille,
Hier, zu des Vaterlandes Ruhm ,
Strahl * uns Sein Bild im Heiligthum.**
Die Büste ist eine Leihgabe des Goethe-Nationalmuseums, aus dessen Besitz wir auch
Goethes Notensammlung bei uns beherbergen, während andererseits manches Bibliotheks¬
eigentum dort seinen Platz gefunden hat Wie diese beiden Institute verknüpft ein enges Band
auch die Bibliothek und das Goethe- und Schiller-Archiv, dem unsere wertvollsten Hand¬
schriftenschätze aus Weimars Blütezeit zur Bewahrung übergeben wurden und dessen Hüter
für ihre Editionen und Forschungen von uns das geistige Rüstzeug empfangen.
Dem engeren Kreise Goethes gehörte von den Bibliothekaren auch Friedrich Wilhelm
Riemer an, der neun Jahre in seinem Hause als sein literarischer Amanuensis und als Lehrer
seines Sohnes wirkte. Von 1814—1820 bekleidete er den Posten des zweiten Bibliothekars,
dann widmete er sich seinen philologisch-lexikographischen Studien und arbeitete erst während
der letzten Krankheit von Vulpius 1825—27 gemeinsam mit dem Sekretär Kräuter wieder
an der Bibliothek. Auch betraute Goethe damals Joh. Peter Eckermann mit Bibliotheksarbeiten,
in der Hoffnung, damit seine Anstellung vorzubereiten. Im Sommer 1827 war Eckermann,
von Goethe ständig beraten, an dem neuen biographischen Katalog tätig, der uns heute noch
die besten Dienste leistet, zumal da er neben Büchern auch Zeitschriftenaufsätze verzeichnet.
Als Vulpius 1827 seinen langen Leiden erlag, sollte Riemer die erste, Eckermann die zweite
Bibliothekarsstelle erhalten; die Besetzung wurde zunächst aufgeschoben und nach dem Tode
Carl Augusts ganz aufgegeben, da die Regierung des Großherzogs Carl Friedrich nur auf
Ersparnisse bedacht sein mußte und sogar die Fortsetzungen kostbarer Werke, die Carl August
aus seiner Schatulle angeschafft hatte, abbestellen ließ.
Endlich 1837 bekam die Bibliothek in Riemer wieder einen Oberleiter. Sein Nachfolger
wurde 1847 Ludwig Preller , bis dahin Universitätslehrer in Kiel, Dorpat und Jena, der sich
durch seine mythologischen Werke einen ehrenvollen Platz in der wissenschaftlichen Welt
erwarb, aber auch der Bibliothek durch seinen dreibändigen Handschriftenkatalog, der heute
freilich nicht mehr genügt, einen nicht zu unterschätzenden Dienst geleistet hat. Unter seiner
Leitung entstand der nördliche Anbau des Bibliotheksgebäudes, der im ersten Stock den
Asuleiheraum und das Lesezimmer, im zweiten das Amtszimmer des Direktors und die Hand¬
schriftenabteilung zugleich mit dem Münzkabinett birgt. An Goethes hundertstem Geburtstage
wurde der Neubau mit einer würdigen Ansprache Prellers eingeweiht. Mit seinen Vorlesungs¬
und Druck-Manuskripten, seiner Korrespondenz und einer umfassenden Sammlung von Pro¬
grammen und anderen Einzelstudien aus der Archäologie und klassischen Phüologie hinterließ
uns Preller eine wertvolle Gabe.
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
In der Leitung der Bibliothek folgte ihm sein Freund, der liebenswürdige, geistvolle
Adolf Schöll t einst in Stuttgart der Schüler Gustav Schwabs, alsdann Privatdozent in Berlin,
Professor der Archäologie an der Universität Halle und später Leiter der Weimarer Kunst¬
sammlungen. Seine feinsinnigen Arbeiten führten ihn vom klassischen Altertum zu Goethe und
der Weimarer Blüteperiode. Aber auch für die Literatur seiner Zeit hatte er tiefes Verständnis,
und freundschaftliche Beziehungen verbanden den selbst poetisch Begabten mit Eichendorff,
Uhland, Fr. Th. Vischer, Hebbel, Geibel, Auerbach, Klaus Groth, Hoffmann von Fallersleben.
Unter Schöll abeitete Jahrzehnte hindurch der Germanist Reinhold Köhler, und so wurde
er auch sein Nachfolger. Köhler war ein schlichter, anspruchsloser Mann, der aber durch
seine staunenswerte Gelehrsamkeit im Laufe der Zeit zu Weltruf gelangte. Der stille Sammler,
Bücherfreund und -Kenner hat den Lockungen eines akademischen Lehrstuhls stets wider¬
standen, da er sich von der geliebten Bibliothek nicht trennen mochte und die Arbeit in der
Studierstube als sein eigentliches Feld ansah, dazu war er in seiner hilfreichen Art das Muster
eines Bibliothekars. Zahlreiche bedeutende Gelehrte des In- und Auslands haben damals
unsere Bibliothek besucht, um sich von dem feinen, sinnigen Kenner der Sagen- und Märchen¬
welt belehren zu lassen. Eine Sammlung von vielen tausend Briefen, die Forscher aus fast
allen zivilisierten Ländern an den auf dem Gebiete der Völkerkunde und vergleichenden Literatur¬
geschichte nahezu Allwissenden gerichtet haben, gibt uns einen Begriff von der unbegrenzten
Hochachtung, die Köhler in der Wissenschaft genoß. Mit dem handschriftlichen Nachlaß ging
auch seine Bibliothek nach seinem Tode in unseren Besitz über; sie ist gesondert aufgestellt
und wird aus dem Von seinen Schwestern gestifteten Fonds beständig vermehrt Die folklo-
ristische Abteilung ist mit Fug als eine „wahre Schatzkammer für Sagen- und Märchenforschung* 1
bezeichnet worden. Bedeutungsvoll sind besonders die vielen Einzeldrucke und Sonderabzüge,
die er durch seine persönlichen Beziehungen zu den Verfassern oder Herausgebern erhielt Ein
gedruckter Katalog, der allerdings der Bearbeitung bedarf, liegt vor. — Köhler war der erste
Hüter der Bibliothek der deutschen Shakespearegesellschaft, die seit deren Gründung (1864)
in unseren Räumen untergebracht ist und eine Fülle von Gesamt- und Einzelausgaben shake¬
spearescher Werke enthält, dazu annähernd die gesamte Forschung über den Dichter, seine
Vorläufer und Zeitgenossen umfaßt
Ludwig Preller durfte sich enger Beziehungen zu der einst von Schiller bei ihrem Einzug
begeistert begrüßten Großherzogin Maria Paulowna rühmen. Er hielt der klugen Fürstin
wissenschaftliche Vorträge und wußte ihre Freigiebigkeit für die Bibliothek zu interessieren,
die ihr viel zu verdanken hat Ranke, der sie die „große Almosenspenderin des Landes**
nennt, erzählt: „Wenn die Bibliothek ein Buch braucht, zu dem ihr Fonds nicht hinreicht,
so wendet man sich an sie, und sie verfehlt nicht es anzuschaffen.** Dasselbe liebevolle Ver¬
ständnis wie sie brachten der Bibliothek auch ihr edler Sohn Großherzog Karl Alexander
und seine Gemahlin die Großherzogin Sophie entgegen; ihr nieermüdendes Interesse erfuhren
Adolf Schöll und besonders Paul von Bcjanoivskt, der, weltmännischer als Köhler, im edelsten
Sinn ein Fürstendiener war und, mehr historisch-politisch orientiert, zum Historiographen des
Großherzoglichen Hauses wurde. Unter seiner Verwaltung wurden verschiedene fürstliche
Hinterlassenschaften der Bibliothek einverleibt, besonders die große Bücher- und Notensammlung
der Großherzogin Paulowna und die Bücher- und Kartensammlung des Herzogs Bernhard,
des begabten zweiten Sohnes Karl Augusts, in der besonders Reise- und militärwissenschaft¬
liche Literatur gut vertreten sind. Bojanowski, der 1915 hochbetagt starb, hat unter anderem
das Verdienst, durch mehrere aus unseren Akten geschöpfte Studien die Grundlage zu einer
Geschichte unserer Bibliothek geschaffen zu haben. Wir begrüßen es mit freudigem Dank,
daß seine Tochter Eleonore, die Biographin der Herzogin Luise, in des Vaters Fußtapfen
tretend, im Begriff steht, uns den langersehnten Führer durch unsere Sammlungen zu geben.
Unsere Bibliothek kann jetzt nicht als eine rein wissenschaftliche weitergeführt werden,
sie darf nicht nur *die Bedürfnisse weniger Gelehrten befriedigen, sondern muß bei dem
immer stärker werdenden Bildungsstreben weiteren Kreisen dienen. Nur auf zwei Gebieten
trachten wir nach einer gewissen Vollständigkeit, auf dem der Dichtung und Literaturgeschichte
der klassischen Periode und der sächsisch-thüringischen Geschichte und Landeskunde. Von
1872—1914 wurden alle drei Jahre gedruckte Zuwachsverzeichnisse herausgegeben. Die ins
Ungemessene gesteigerten Druck- und Papierkosten haben bisher das Erscheinen weiterer
Verzeichnisse verhindert, und wir mußten uns seit 1916 begnügen, allmonatlich in den hiesigen
Zeitungen die wichtigsten Neuerwerbungen anzuzeigen. Da diese zugleich mit den neuesten
Zeitschriftenheften im Lesezimmer ausgelegt wurden, ist das Interesse des Publikums gewachsen
und die Benutzung stärker geworden denn je.
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Deetjen: Die Landesbibliothek in Weimar.
11
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, nun mit mir den Weg zu beschreiten, den
Goethe von seinem Heim so oft gegangen ist, nach der Großherzoglichen Bibliothek, die im
vorigen Jahre den Namen „Landesbibliothek“ erhalten hat. Wenn Sie mit mir durch unsere
Räume wandern, so werden Sie sehen, daß die Vielheit unserer Sammlungen, zu denen auch
ein Kunst- und Raritätenkabinett gehört, dem Ganzen einen uneinheitlichen Charakter verleiht.
Während andere Bibliotheken, die von altersher dasselbe Gepräge trugen, dieses allmählich
abstreiften und einige Teile ihrer Sammlungen an Institute abgaben, die zu ihrer Aufnahme
geeigneter schienen, hat unsere Bibliothek im ganzen ihren alten Charakter bewahrt. Die
Verwaltung hat infolgedessen mit Schwierigkeiten zu kämpfen, und es wird Ihren bibliotheks¬
technisch geschulten Augen mancher Mißstand auffallen, den Raumnot und vor allem Mangel
an Personal verursacht haben.
Schon 1857 mußte Adolf Schöll in seinem verdienstlichen Buch „Weimars Merkwürdig¬
keiten einst und jetzt“ erklären, die stete Bereicherung der Bücherbestände sei so bedeutend,
daß die Erweiterung des Gebäudes, die man 1849 vorgenommen hatte, auf die Dauer nicht
genügen werde. Obwohl seitdem die Zahl der Bände durch die jährlichen Anschaffungen und
die Überweisungen aus dem Besitz des Großherzoglichen Hauses auf mehr als das Doppelte
gestiegen ist, konnte eine bauliche Erweiterung bisher nicht unternommen werden. Es ergibt
sich daraus besonders der Mißstand, daß die Literatur zahlreicher Fächer nicht in sich ge¬
schlossen aufgestellt, sondern auf verschiedene Räume verteilt ist. Das Suchen der Bücher
wird infolge dieser Zersplitterung und Unübersichtlichkeit sowie durch die zahlreichen Sonder¬
kataloge einzelner Abteilungen erheblich erschwert, zumal das Signaturenwesen überaus ver¬
zwickt ist und die Strazzen irrige Angaben enthalten. Eine völlige Umordnung ist nurjiurch
einen Anbau und bedeutende Vermehrung des Personals zu erreichen.
Etatmäßig angestellt sind der Direktor, ein Bibliothekar und der Hausmeister, außer¬
etatmäßig wirken zwei wissenschaftliche Hilfsarbeiter, von denen der eine sich dankenswerter
Weise uns unbesoldet zur Verfügung stellt, und nur periodisch können wir außerdem eine
Hilfsarbeiterin heranziehen. Da unsere Bibliothek mindestens 350000 Bände umfaßt, dazu
mehrere Tausend Handschriften, Karten, Noten, das Münzkabinett und andere Sammlungen,
werden Sie begreifen, daß nicht alle Arbeiten so erledigt werden können, wie wir es
wünschten, und die für einzelne Abteilungen begonnenen neuen Zettelkataloge nur sehr lang¬
sam fortschreiten. Aber ich hoffe, daß Sie die bestimmte Physiognomie unserer Bibliothek,
die so ausgeprägte historische Züge einer großen geistigen Vergangenheit trägt, fesseln wird,
und daß Sie sich dem ästhetischen Reiz, den unser monumentaler Saalbau in seiner edlen,
schlichten Schönheit ausübt, nicht werden entziehen können. Durch die Bilder und Büsten
der Großen, die hier gewirkt, ist er eine Ruhmeshalle Weimars geworden. Als solche kenn¬
zeichnet ihn auch das Bild an der obersten Decke, das den Besucher des Hauptsaals von
oben her grüßt; es stellt den Ruhmesgenius dar, nach Annibale Carracci von Heinrich Meyer
(dem Freunde Goethes) gemalt Es gibt jedenfalls keine zweite Stätte, an der den Besucher
so ganz die Wahrheit des Goethe-Wortes durchdringt:
„0 Weimar , Dir fiel ein besonder Los
Wie Bethlehem in Juda , klein und groß.**
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12
Zwei Briefe Lichtenbergs aus England.
Von
Professor Dr. Albert Leitzmann in Jena.
N och immer kommen erfreulicherweise von Zeit zu Zeit unbekannte Briefe Lichten¬
bergs ans Tageslicht, ebenso viele neue kräftige Zeugen seiner genialen, geistreichen
Laune, die ihn auch uns Heutigen lieb und vertraut gemacht hat Zwei prächtige
Nummern aus der Zeit des englischen Aufenthalts lege ich hier seinen Freunden und Ver¬
ehrern vor, die den weltgewandten Mann und seinen feinen Geist in hellem Lichte zeigen.
Der erste fand sich im Nachlaß Emil Palleskes, dessen Schwiegersohn, Herr Direktor C. F. Müller
in Frankfurt a. M., mir ihn freundlich zugänglich machte; den zweiten besitzt das Goethe-
und Schillerarchiv in Weimar. Während dieser bisher ganz unbekannt war, war von jenem
nur ein knappes Viertel gedruckt (Briefe i, 216; Nr. 114).
i . 1 2 3
Mein lieber Dieterich,
Kew den 28. Jenner 1775.
Alle Deine Sachen haben hier einen gantz allgemeinen Beyfall, und ich hoffe, es soll gute Folgen
haben. Ein gelehrter Engländer kam neulich in Elmsley’s* Laden noch ehe die Sachen angekommen
waren,, und fragte ob er noch keine Exemplare hätte, es habe ihm einer seiner Freunde, der eines ge¬
sehen hätte, gesagt es übertreffe alles, was man bisher in England in dieser Art unternommen hätte.
Das war nun freylich etwas zu starck ausgedruckt, Du siehst aber doch daraus wie sie davon dencken.
Wie sehr alles dem Könige* gefällt, habe ich Dir schon geschrieben. Ich habe auch gesprochen,
und Du und Dein Eifer für die Ehre der Universität (denn daß dieses allein Dich angetrieben und nicht
der Profit, der auf diese Art in Deutschland nicht gesucht werden müste, habe ich ihm schon gewiß
6 mal gesagt) sind dem Könige jezt so bekannt, als der Eifer irgend eines seiner Unterthanen in
Deutschland. Es ist alles zum besten vorbereitet, ich habe ihm mit denselben Worten als ich sie hier
hinschreibe gesagt: daß Du einer größeren Aufmunterung würdig wärst, als Du bisher
genossen, allein Dein Anliegen muß auch von Dir selbst oder von sonst jemand noch angebracht
werden, denn der König ist ein viel zu Einsichtsvoller Herr, als daß er auf die Worte eines eintzigen
gleich Entschlüsse fassen solte. Hinüber 4 5 in Hannover wäre ein Mann dazu. Es ist unbeschreiblich
wieviel der König auf ihn hält. Als ich neulich einmal mit ihm von der Postkutsche sprach, wendete
sich der König gantz nah zu mir und sagte: nicht wahr das ist ein rechter Mann, Hinüber.
Du kannst ihm dieses bey Gelegenheit wissen lassen. Von dem Hauß und Deinen ehmals erhaltenen
Versprechungen will ich bey jeder Gelegenheit reden, verlaß Dich darin auf mich. Gott weiß, ich habe
bisher so offt mit dem Könige von Dir geredet, ohne noch bisher meiner eignen Umstände mit einer
Sylbe gedacht zu haben.
Ich bin bisher von allerley Uebeln, Zahnweh, Hals undOhrenweh, gefallenen Zapfen, Schlaflosigkeit
und der gleichen so mitgenommen worden, daß ich mir kaum mehr ähnlich sehe. Ich darf jezt keinen
Wein und kein englisches Bier trincken; mein bestes Getränck ist China Mixtur. Ich habe mir einen
Zahn von einem englischen Dentisten ausziehen lassen wofür ich eine halbe Guinee habe bezahlen müssen.
Lord Boston 6 ist sehr übel und wird wohl, wo es sich nicht bald giebt, die große Tour nach dem
Himmel antreten. Der älteste Jrby heyrathet eine gewisse Miß Methuen ein Mädchen von 17 Jahren;
Ihr Vater giebt ihr gleich mit ins Hauß 25000 Pfund, wenn er stirbt, so bekomt sie leicht vier bis
5 mal so viel mehr. Jrby schenckt ihr eine Uhr für 120 Guineen. Und das ist noch alles Kleinigkeit.
Die Hertzogin von Devonschire hatte am 18 Jenner bey dem Ball in St James für 100000 Pfund Ju¬
welen am Leibe, und vor einigen Tagen starb ein Mann, der 400000 Pfund baar Geld hinterließ und
Güter die Jährlich 20000 Pfund einbringen. Meinem Hauß hier in Kew gegen über steht das Land-
hauß eines Kaufmanns, das besser ist, als das Königliche worin der Printz von Wallis wohnt. Auf
einem Pferderennen in meiner Nachbarschafft verlohr ein gewisser Ml O’ Kelly 3000 Pfund in einem
Nu, und theilte die Banknoten unter seine Gegner aus mit einer so kalten Mine, als wenn es Makulatur
wäre. Nach jedermanns Geständniß ist Ueppigkeit, Bosheit und Liederlichkeit in London noch nie so
1 Adressat ist Lichtenbergs intimster Freund, der Buchhändler Johann Christian Dieterich in Göttingen.
2 Berühmter Buchhändler in London.
3 Georg III.
4 Karl Heinrich von Hinüber, Justizrat.
5 William Lord Boston, dessen Söhne Frederick und William Jrby Lichtenberg als Hofmeister betreut hatte.
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Leitzmann: Zwei Briefe Lichtenbergs aus England.
13
hoch gestiegen gewesen als jezt. Es vergeht kein Abend daß ich will nicht sagen eine, sondern 3, 4
oder 5 Strasenräubereyen begangen werden, der nächtlichen Einbrüche und andrer Diebereyen nicht
zu gedencken. Man henckt sie zu Dutzenden und schickt sie zu halben hunderten nach Amerika, das
alles achten sie nicht. In diesem Monat sind drey Kerl wegen Nothzucht in Arest gekommen, das wäre
nun für London in einem Monat nichts, aber das macht das Verbrechen eigentlich Londonisch daß
2 von den Mädchen 7 und die dritte 8 Jahr alt gewesen ist. Zween davon haben die Belagerung auf-
heben müssen und haben an dem Pranger gestanden, welches, nach dem das Verbrechen mehr oder
wenig Niederträchtigkeit verräth, eine Strafe ist die sich mit dem Tod endigen kan; der dritte der
seine Vestung eingenommen und schändlich mißhandelt hat, muß dafür hängen.
Ancher, der bey Dir gewohnt hat, ist jezt in London und wieder 10 mal schlimmer daran, als ihn
HErr D£ Tolle 1 gefunden hat, ich fürchte er wird endlich davon bleiben müssen, oder wie ein Englän¬
der einmal von dieser Todes Art sehr witzig gesagt hat: er wird endlich zu eben der Pforte aus der
Welt hinaus gehen zu welcher er hereingekommen ist. Ich wundere mich hierüber bey einem solchen
Menschen wie Ancher nicht, denn solchen Unfällen hier, bey so unzähligen und offt äußerst reitzenden
Gelegenheiten zu entgehen, muß man entweder sehr viel gute Erziehung genossen haben, oder sehr viel
Ueberlegung besitzen oder impotent seyn, und keines von den dreyen läßt sich eben von HErm A. sagen.
Meermann und Erb habe ich auch in London und zwar in dem Comödien Hauß gerade als Garrick
agirte angetroffen, sie kamen in dieselbe Loge, sie haben mich nach der Hand zweymal besucht und
ich erhielt Erlaubniß ihnen des Königs Observatorium zu zeigen. Jezt sind sie in Frankreich.
Vor acht Tagen besuchte mich hier ein gewisser HErr Schröter aus Weende und fragte, ob keine
. Briefe von Herrn Syndicus Heß an ihn, in einem Einschluß an mich gekommen wären. Ich habe keine •
gesehen. Der Mann ist nach der Hand auch in London bey mir gewesen. Er reiset des Landbaues
wegen und ist auch in Frankreich und Holland gewesen. Ob ich gleich den Menschen nie gesehen hatte,
so kam er mir doch so angenehm als ein bekannter, denn es ist ein wahres Vergnügen für mich zuweilen
e inm al wieder mein mütterliches Deutsch so recht von der Leber weg schnacken zu können. Dencke
nun gar was es geben müste wenn Du einmal in die Stube trätest
Deine Uneinigkeit mit Boie* thut mir leid. Ich wäre aber ohne Deine Versicherung überzeugt
gewesen, daß Er schuld hat. Gieb nur acht, er wird einen Freund nach dem andern verliehren. Ich lebe
nun der angenehmen Hofnung, daß der Musen Almarlach besser werden wird, wenn das rasende Oden-
Geschnaube heraus bleibt. Ich gebe es zu daß es Menschen geben kan, die in einer solchen Zeile
die Tritte des Allmächtigen und das Rauschen von Libanons Cedern zu hören glauben, aber ich bitte
Gott daß er alle guten Leute in Gnaden vor solchen Nerven bewahren wolle. Nichts ist lustiger als
wenn sich die Nonsense- Sänger über die Wollustsänger hermachen, die Gimpel über die Nachtigallen.
Sie werfen Wielanden vor, daß er die junge Unschuld am Altar der Wollust schlachtet, blos, weil der
Mann, unter so vielen verdienstlichen Werken, die die junge Unschuld nicht einmal versteht, auch ein
paar allzu freye Gedichte gemacht hat, die noch über das mehr wahres Dichter Genie verrathen, als alle
die Oden voll falschem Patriotismus für ein Vaterland, dessen bester Theil alles das Zeug zum Hencker
wünscht. Die Unschuld der Mädchen ist in den lezten 10 Jahren, da die Comischen Erzählungen 8 her¬
aus sind, nicht um ein Haar leichter zu schlachten gewesen als vorher, hingegen sieht man täglich wie
der gesunde Menschenverstand unter Oden-Klang am Altar des mystischen Nonsenses stirbt. HErr
Hölty ist, meines Erachtens, ein wahres Dichter Genie und gewiß ein Verlust für den Musen Almanach,
Claudius in seiner Art, wenn er weniger Original scheinen wolte, und Hentzler der jüngere 4 in seiner
Art. Mich dünckt so wie Hölty zuweilen zu dichten dazu gehört natürliche Anlage, allein wie die mei¬
sten übrigen, weiter nichts als daß man ein vierthel Jahr ähnliche Werckchen ließt.
Kew. Den 4 ten Februar 1775.
Es ist gut, daß ich diesen Brief nicht fortgeschickt habe, so kan ich ihn noch mit einer ange¬
nehmen halben Seite vermehren. Heut habe ich eine Unterredung von drittehalb Stunden mit beyden
Majestäten gehabt. Mein lieber Dietrich ich habe für Dich gesprochen, wie für einen Bruder, wie für
mich selbst, sage ich deswegen nicht, weil ich nicht für mich selbst spreche. Der König ist von Deinen
Arbeiten und Unternehmungen so eingenommen, daß Dein Pindär 8 heute das erste Wort war, als er in
die Stube trat, (denn da die Königin jezt nicht spazieren geht, so war ich bey ihr schon ehe der König
kam:) nicht allein das, sondern er ist für Dich eingenommen. Dieses machte mir Muth und ich sprach
mit ihm grade von dem Hauß, und von Deinen Umständen, und die Königin half mir (ich hatte ihr
1 Arzt in Göttingen.
2 Heinrich Christian Boie, Mitglied des Hainpbunds und Herausgeber des Göttingischen Musenalmanachs.
3 Von Wieland, erschienen 1765.
4 Peter Wilhelm Hensler, Lyriker, Landsyndikus in Stade.
5 Heynes Ausgabe des Pindar war 1773 in Dieterichs Verlag erschienen.
XIII, 2
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Leitzmann: Zwei Briefe Lichtenbergs aus England.
vorher schon davon gesagt) sie sagte ein solcher Mann solte unterstüzt werden, der König hörte es
mit der grösten Aufmercksamkeit und Nachdencken an, als ich ihm sagte es wäre zu fürchten, daß das
Hauß verkauft würde, so sagte er: o das müste nicht seyn. Also ich bitte Dich mein lieber Freund
nutze diesen Zeitpunckt und stelle alles vor, (nur gehe Hannover nicht vorbey, das könte in hundert
Stücken gefährlich werden) sage Brandes 1 2 und Schernhagen 1 alles aufrichtig, und alsdann mache, daß
eine Bittschrifft deutsch, kurtz, und von einer guten Hand geschrieben hieher an den König gelangt,
ich stehe für den guten Erfolg. Denn wenn Du wüstest wie der König von Dir gesprochen, mit wie
viel gantz besonderer Gnade, Du sprängst über Deine höchste Presse, ich muß Dich aber nicht stoltz
machen. HErr HofRath Heyne 3 ist gantz der Mann des Königs, er spricht allemal von ihm, wenn Du
wieder etwas schönes druckst, so laß es ja von Heynen seyn. Der Bischoff von Chester, geistlicher
Informator der beyden ältesten Printzen, dem der König das Buch geliehen, hat mit Enthusiasmus so
wohl von dem Werck selbst, als von dem Druck geurtheilt, und dieses hat des Königs Vergnügen über
beyde noch mehr vermehrt. Ich habe sogar von der Schrifftgießerey heute geredet. A propos der König
wünscht noch ein Exemplar von Pin dar zu haben, es müste aber ein eben so schönes seyn, vielleicht
giebt jemand das seinige wieder heraus, ich mercke wohl, daß es ein Geschenck für den Bischoff von
Chester werden soll. Ich sage jezt nichts weiter, und schließe nur noch mit der aufrichtigen Ver¬
sicherung, daß ich von des Königs Aufmercksamkeit auf Dich und alles was Dich angeht viel zu wenig
gesagt habe, und daß Du jezt bey ihm so stehst, als Du es immer wünschen kanst, und ich sehe nicht
wie es möglich ist Dich jezt noch mehr zu empfehlen. Ich sage Dir, er hat Deinen Namen heute gewiß
auf io mal genennt. Ob ich gleich meinetwegen nichts dagegen einzuwenden habe, wenn Du jederman
sagtest was ich Dir hier schreibe, so wirst Du doch so weise seyn und einen weißlichen Gebrauch davon
machen, denn ein neidischer Teufel hat Wege sich Dinge zu Nutze zu machen, die eine aufrichtige
Seele gar nicht kennt.-
Mit meiner Gesundheit sieht es höchst einfältig aus, und ich will froh seyn, wenn ich noch ein
Schnippelchen von Leben nach meinem Vaterland zurück bringe. Ich trincke nun alle Tage ein 6 Zoll
hohes Glas China-Mixtur, aber ohne sonderlichen Erfolg.
Was sagst Du zu Jrby’s Geschmack an Christelchen und Luischen ? 4 5 Ich hätte lieber gewünscht,
daß es etwas anderes gewesen wäre, die beyden Dinger kosten über 18 Thaler, dafür hätte man etwas
haben können, was beyden besser gefallen hätte. Aber Jrby wolte dieses haben, so muste ich es ge¬
schehen lassen. Ich habe 2 Kupferstiche aus einem Calender geschnitten um daraus den Kopfputz der
englischen Damen (nicht ihre Gesichter) kennen zu lernen. Der Kerl hat abscheuliche Gesichter gemahlt.
Er hätte von jeder Auf Wärterin ein besseres nehmen können. Wenn Du je nach England kommen
soltest und wärest Du 80 alt, so wirst Du gewiß über die Mädchen erstaunen. Die, die mir hier in Kew
mein Bette macht, ist 16 Jahr alt, trägt eine Päpagey grüne Schlender mit einem schwartzen Schürtz-
gen und schwartzen frisirten Hute, unter dem sie so hervor sehen kan, daß einem weh und bange
wird, dabey plaudert sie ein so feines englisch, daß man wenigstens wünschen solte ihr Schüler zu seyn,
wenn man auch nicht ihr Liebhaber seyn könte. In diesem Artikel, Freund, übertrifft England die
gantze Welt, deswegen ist auch Ancher der gantz Europa gesehen hat wieder hieher gekommen. Höchst
schön, ohne den Stoltz, den die Mannspersonen haben, sondern so gefällig, als wenn sie sonst kein
Mensch verlangte, sind fast alle, und ein gewisser Schrifftsteller, ich glaube es ist ein Frantzose ge¬
wesen, der gesagt hat England sey der Himmel der Mannspersonen, hat gewiß nicht Unrecht. Glaube
mir. Ich verachte hiermit mein liebes Vaterland gar nicht, ich sage nur, daß Schönheit und Gefällig¬
keit unter dem Frauenzimmer hier häufiger sind, als in Deutschland. Wenn ich hier über Zahnschmerzen
klage, so ist es nichts seltnes 2, drey Frauenspersonen um mich herum wimmern und klagen zu hören,
die helfen wollen und so thun, daß es allemal eine Freude ist, es mögen nun dieses Complimente seyn
oder nicht, das ist mir, dessen Hertz fest ist, gleichgültig.
Nun noch etwas. Auf der zweyt lezten Seite in meinen Anmerckungen zu Mayers Werck 8 habe
ich durch Einschaltung einer halben Zeile einen schändlichen Fehler hinein corrigirt. Es muß da in der
Note heißen observanti , anstatt observans. Corrigire es doch, oder lasse es corrigiren, damit nicht
ein Tropf, der sonst nichts versteht als ein bisgen Grammatick, Anstos daran nimt. In allen hiesigen
Exemplaren habe ich es corrigirt. Elmsley ist ein ehrlicher vortrefflicher Mann. Ich habe ihn zweymal
besucht. Morgen gehe ich nach der Stat London, um wenigstens einen Monath da zu bleiben, alsdann
komme ich wieder hieher.
1 Emst Brandes, Geheimer Kabinettsrat in Hannover.
2 Johann Andreas Schernhagen, Geheimer Kanzleisekretär in Hannover.
3 Christian Gottlob Heyne, der berühmte Altertumsforscher, Professor in Göttingen.
4 Er hatte Dieterichs Töchtern zwei kostbare englische Damenhütchen schicken lassen, die aber der königliche
Kurier sich weigerte, nach dem Kontinent mitzunehmen. (Vgl. Briefe 1, 226 Anm.)
5 Tobias Mayen Opera inedita , die 1775 erschienen waren.
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Leitzmann: Zwei Briefe Lichtenbergs aus England.
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Grüße mir Christelchen und alle Kinder, Madame Suchfort nicht zu vergessen. Du hast brav
gethan die Marie zu grüßen. Grüße sie auch jezt wieder. Ich werde mich gnau erkundigen wenn ich
nach Göttingen komme. (Dieses ist ein Steinkohlen Caminflecken)
GC Lichtenberg.
An HErra Dumont und Stöckern mache mein Compliment.
London den 5 Febr.
Mit dem grösten Misvergnügen erfahre ich bey meiner Ankunfft allhier, daß der Courier das
Kästgen mit dem Kopfputz zurückgelassen hat. Er darf solche Sachen nicht nehmen. Wie schön sie
gewesen sind kanst Du daraus schließen, daß HErra Jrby's Schwester gleich den für Luisgen behal¬
ten hat. Indessen kommt vielleicht künfftig etwas angenehmeres, denn mir gefiel es nicht, weil es erst¬
lich nicht deutsche Mode, und dann eher für einen Hof, als Göttingen war, denn die Dingereben konte
man mit einer Hand bedecken und doch kosteten sie das grose Geld, sie waren in dem Geschmack von
N° 8, aber ohne Band, sondern so fein gearbeitet, daß sie in der Ferne aussahen, wie mit Blümgen
durchsezter Schaum, und zwar von dem Schaum, aus welchem, ich weiß nicht wie lange vor Christi
Geburt die Venus sich entsponnen hat.
Einliegenden Brief laß doch gleich an Kästners Köchin bestellen, er ist von meinem MI Urian 1 ;
der an HErra Backhaus 1 ist von mir. Lebe wohl. Heute gehe ich in das Parlement.
2 .»
Wohlgebohraer Herr Kew, den 16 August 1775.
besonders Hochzuehrender Herr HofRath.
Meine lange Abwesenheit von London und damit nothwendig verbundenen Zerstreuungen sind
Ursache warum ich Ew. Wohlgebohren Schreiben noch nicht beantwortet habe, und warum ich es
jezt nur mit wenigen Worten beantworten kann. Heute ist des Bischofs von Osnabrück Geburtstag,
den ich mit feyera helfe, und ich schreibe blos an diesem Tage, da gewiß kein Mensch in Kew Briefe
schreibt, um einen Brief des Herrn Salgas 4 (so heißt er eigentlich:) den er mir zur Bestellung gegeben
hat zu begleiten, um ihn nicht noch über einen Posttag liegen zu lassen. Der gute Mann ist während
meiner Abwesenheit von London etlichemal in meinem Hauße gewesen, ipd weil er nicht eher schreiben
wolte bis er mich gesprochen hatte, so hat er seine Antwort so lange verschoben. Heute habe ich den
König im Garten von Richmond auf 8 / 4 Stunden gesprochen. Ew. Wohlgebohren sind sein Lieblings
Professor, so wie Pütter* der Königin ihrer, ich bin nie bey ihm ohne daß er wenigstens ein paar Minu¬
ten von Ihnen redet. Ich wohne nun wieder in Kew und speiße mit der bekannten Mamsell Schwellen¬
berg, Herrn de Luc • und noch einer Hofdame. Vermuthlich bin ich vor Ende des Octobers wieder bey
Ihnen, wenn ich wohl genug bin die Reise zu unternehmen, und wenn ich Hofnung habe dort besser
leben zu können, ohne dieses komme ich nie wieder. Herrn Salgas Addresse ist To Ml Salgas oder
wenn Ew. Wohlgebohren seinen Vornahmen im Brief sehen können noch besser.
Heute haben wir gantz genau um halb sieben zu Mittag gegeßen, der König gieng um 12 nach
der Stadt und wurde so lange da aufgehalten, und ehe er wieder hier ist, dürfen Wir Hofleute keinen
Löffel anrühren.
Ich bitte mich Dero Frau Liebsten und Herrn HofRath Kästner 7 gehorsamst zu empfehlen,
der ich mit wahrer Hochachtung verharre
Ew. Wohlgebohren
gehorsamster Diener
G. C. Lichtenberg.
Diesen Abend habe ich in des Königs Zimmern einige Quarteten angehört, wobey Bach* den
Flügel, Abeil• den Baß, ein gewisser Cramer aus Manheim 10 ein groser Violinist die erste und ein
anderer, Nikolai, die zweyte spielte. Die Mannspersonen, die außer dem König und den Königlichen
Kindern zuhörten, waren Herr Salgas, Herr de Luc und ich.
1 Lichtenberg meint seinen Bedienten, der in zarten Beziehungen zu der genannten Köchin stand.
2 Kommerzienrat und Kleiderstoffhändler in Göttingen.
3 Adressat ist der Altertumsforscher Heyne in Göttingen.
4 Prinzenerzieher in London (vgl. Briefe 1, 220).
5 Johann Stephan Pütter, berühmter Jurist in Göttingen.
6 Jean Andr6 Deine, Geolog und Meteorolog, Vorleser der Königin Sophie Charlotte von England.
7 Abraham Gotthelf Kästner, der bekannte Epigrammdichter, Professor der Mathematik in Göttingen.
8 Johann Christian Bach, Johann Sebastians Sohn, Musikmeister der Königin.
9 Karl Friedrich Abel, Gambenspieler, Kammermusikus der Königin.
10 Wilhelm Cramer, Violinspieler, der Vater des bekannten Klavierpädagogen.
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i6
Rara et Curiosa.
Von
Fedor von Zobeltitz auf Spiegelberg.
XVII—XX.
XVÜ. Einen hübschen Beitrag für die Zwangserziehung zur allgemeinen Zufriedenheit
finde ich in einem Verlegerflugblatt von 1800, in dem Sam. Christ. Wageners „Patriotisches
Archiv für Deutschland“ angekündigt wird. Es heißt da:
„Dieses allgemeinnützige Werk, dessen Ankauf und Verbreitung dem Wunsche Sr. Maj.
des Königs gemäß ist, ward deshalb auf höchstdessen allergnäd. Spezialbefehl von einem
hohen General Directorio zu Berlin sämmtlichen Krieges- und Domänen-Kammereien der
Preußischen Staaten durch folgendes Rescript bekannt gemacht:
Wir Friedrich Wilhelm, König etc. Unserm etc. Es hat der Feldprediger Wagener zu
Rathenow im vorigen Jahre eine periodische Schrift, unter dem Titel: Patriotisches Archiv
für Deutschland, angefangen herauszugeben, deren Tendenz dahin gerichtet ist, der Zügel -
losigkeit im Urtheilen und Handeln, wenn auch nicht durchaus und auf Einmal, doch zum
Theil und nach und nach, Einhalt zu thun, den Zeitgeist allgemach zu gemäßigteren Ueber-
zeugungen umzustimmen, und die Neuerungssüchtigen zu vermehrter Zufriedenheit, zu billigeren
Prätensionen an die ersten, sowie an die untergeordneten Machthaber in Monarchien, und zu
kaltblütigerer Anerkennung der Vorzüge monarchischer Staatsverfassungen vor gewaltsam gebil¬
deten Republiken zurücke zu führen . Zu mehrerer Erreichung dieses von dem p. Wagener
beabsichtigten patriotischen Zweckes, hat derselbe gebeten, ihm durch eine zu veranlassende
Empfehlung seines Journals behülflich zu seyn. Wir befehlen Euch demnach, dieses den
wahren Patriotismus und die Moralität zu befördernde Buch den bemittelten Kämmereien zu
empfehlen, damit sie einige Exemplare davon ankaufen, aus dem Extraordinario der Käm¬
mereien bezahlen, und den Gewerken oder anderen bürgerlichen Associationen, bei welchen
die heilsame Absicht dieser Schrift den besten Eingang finden, und die wirksamste Gemein¬
nützigkeit erlangen wird, mittheilen mögen. Zur leichteren Anschaffung dieser Quartelschrift
will der Herausgeber den Jahrgang zu dem von 4 Thlr. auf 3 Thlr. herunter zu setzenden
Preise ablassen. Sind Euch in Gnaden gewogen. Berlin, den 1. April 1800. Auf Sr. Königl.
Maj. allergnäd. Specialbefehl. Schulenburg. Heinitz. Werder. Voß. Hardenberg. Schrötter.
An sämmtliche Kammern.“
Und, fügt der Verleger (Maurer in Berlin) hinzu, „da es zur Sr. Königl. Maj. allergnä¬
digstem Wohlgefallen gereichen wird, die Käufer dieser patriotischen Quartalschrift namentlich
aufgefuhrt zu sehen“, so sollen sämtliche „patriotische Beförderer“ in der vorgedruckten
Abonnentenliste mit vollen Namen angegeben werden. Wagener war der Verfasser der
„Gespenster“, der „Neuen Gespenstererzählungen“, der „Unbegreiflichkeiten“ und ähnlicher
Schauergeschichten, hat aber auch ein Buch „Naturwunder und Länder-Merkwürdigkeiten“
erscheinen lassen, und es im Untertitel als „Beytrag zur Verdrängung unnützer und schädlicher
Romane“ bezeichnet Ob sein „Patriotisches Archiv“ wirklich den Erfolg gehabt, den höchst¬
sein allergnädigster König ihm gewünscht hat, ist mir unbekannt geblieben. Immerhin ver¬
stand man damals den Rummel.
XVIIL Spontinis Oper Olimpia mit der Textübersetzung von E. T. A. Hoffmann wurde
in Berlin am 14. Mai 1821 zum erstenmal aufgefuhrt Vom Textbuch erschien eine Ausgabe
auf besserem Papier in Kleinquart und eine gewöhnliche in Oktav für das Theaterpublikum,
beide 63 Seiten umfassend, in demselben Druck und mit dem gleichen Titel: Olimpia. Eine
ernste Oper in drei Aufzügen, von dem ersten Kapellmeister und Generalmusikdirektor
Herrn Ritter Spontini. Berlin 1821. Das Personenverzeichnis enthält die Besetzung der
Hauptpersonen in der Uraufführung: Cassander (Herr Bader), Antigonus (Herr Blume), Statira
(Mad. Milder), Olimpia (Mad. Schulz), der Hierophant (Herr Hillebrand), ein Priester (Herr
Devrient Jun.), Sostenes (Herr Freund). 1823 erschien der Klavierauszug mit nur gering¬
fügigen Änderungen des Textes. Außer diesen drei Ausgaben gibt es noch spätere Text¬
abdrucke, die bei den Logenschließern verkauft wurden. Eine solche von 1851 fiel mir
jüngst in die Hände. Titel: Arien und Gesänge aus Olimpia. Große Oper in drei Akten.
Musik von Spontini. Berlin 1851. (Preis: 5 Silbergroschen.) 63 Seiten. Am Schluß: Berlin,
gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei.
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Fedor von Zobeltitz: Rara et Curiosa.
17
Wie sich der Hoffmannsche Text in den dreißig Jahren verändert hat, mag an einigen
Stellen des ersten Aktes erläutert werden. (Die szenischen Klammerbemerkungen sind im
Textbuch von 1851 ganz fortgelassen worden.)
I#3I.
Hierophant.
Die Könige, die mit Donnergeschossen des Ge-
walt'gen,
Wilden Kampfs den Erdball erschüttert zum Fall,
Sie schwören ab im Tempel ihr blutgierig Hassen.
Antigonus thront hier bei dem heiligen Feste.
Antigonus (bei Seite).
Die Zeit ist da, sein Inn'res zu erspähen.
Ich muß durchschaut, was er birgt in der Brust!
(laut:)
Ein’gen wir uns, o Herr! und von den wilden Meu¬
tern
Laß uns befreit das Reich, schon zu lang trug's
die Schmach.
Tirannei zügellos hat befleckt seine Fluren;
Alexanders heilig Grab trägt des Mord’s blut’ge
Spuren.
Cassander.
Könnt's gescheht, daß der Mächt’ge dämpfe diese
Gluth;
Von der Höh seines Throns vernichte die stolze
Brut.
Könnt's gescheht, daß er lebt!
Ja! — blut'ge Thränen wein* ich um ihn!
Sie sühnen niemals das Verbrechen,
Das geopfert den Helden durch mich den Ver-
räthem,
Deren Neid, deren Haß er fiel!
So ziehen die einschneidenden Textveränderungen, sicher auch von musikalischen
Varianten begleitet, sich durch das ganze Buch. Eine völlig neue Übersetzung des Originals
ist ausgeschlossen, der Bearbeiter fußt überall auf der Hoffmannschen Verdeutschung. Aber
war schon Hoffmanns Übersetzung kein Meisterstück, so ist es die Bearbeitung erst recht
nicht Spontini war 1842 von seinem Amt als Generalmusikdirektor in Berlin zurückgetreten
und starb als päpstlicher Graf Sant’Andrea am 24. Januar 1851. Die Berliner Uraufführung
der „Olimpia“ (der 1819 die Pariser vorangegangen war) fand noch unter der Intendanz des
Grafen Brühl statt Ihm folgten Graf Redern und Herr von Küstner und 1851 Botho
von Hülsen, der ab leitende Kapellmeister Taubert, Nicolai und Dorn beibehielt Vielleicht
wurde erst unter ihnen die Bearbeitung der Partitur und des Textbuches der „Olimpia“ in
die Wege geleitet. Näheres und weiteres darüber überlasse ich Hans von Müller. Ich
begnüge mich mit der Anregung.
XDC. Die Mitglieder des Leipziger Bibliophilen-Abends erhielten im vorigen Jahr als
Extragabe einen Neudruck von Detmolds reizender Humoreske Die schwierige Aufgabe , mit
köstlichen Radierungen von Hans Alexander Müller. Der kleine Scherz erschien zuerst in
den satirischen Randzeichnungen, die der hannoverische Advokat Johann Hermann Detmold
drucken ließ, als er im Mai 1843 wegen seines passiven Widerstands gegen die neue Ver¬
fassung und seiner heftigen Zeitungspolemik halber zu einer Gefängnis- und Geldstrafe ver¬
urteilt wurde. Über die verschiedenen Ausgaben der „Schwierigen Aufgabe“ bringte Grise-
bach in seinem Weltliteratur-Katalog (Nr. 2105) eine kurze Andeutung, die amüsante Geschichte
verlohnt aber einer noch näheren Untersuchung.
Hierophant.
Die Könige, die mit des Mächtigen Donner
Den Erdball erschüttern durch blutigen Kampf,
Sie schwören ab im Tempel ihr tödtliches Hassen.
Antigonus thront hier bei unser'm Götterfeste.
Antigonus.
Die Zeit ist da, sein Inn’res zu erspähen,
Ich muß erschau’n, was er birgt in der Brust!
Verbunden laß, o Herr! uns von den wilden Schaaren
Das ganze Reich befreien; schon zu lang hat die
Wuth
Der frechen Tyrannei des großen Königs Erbe
Bis auf den Grund zerstört, seinen Thron frech
entweihet.
Cassander.
Gäb’ ein Gott, daß Alexander mit mächt’ger Hand,
Von dem Throne herab zermalmte die stolze Brut!
Gäb* ein Gott, daß er noch lebte! —
Antipater! Ha, mein Fürst, nicht länger schmäh 1
auch Du
Ihn durch schwarzen Verdacht, der schwer sein Grab
belastet!
Mein Vater war schuldlos am Morde seines Herrn!
Nein, er beging es nie, dies verruchte Verbrechen!
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Fedor von Zobeltitz: Rara et Curiosa.
Von den „Randzeichnungen“ besitze ich die beiden Originalausgaben: die erste Braun¬
schweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn, 1844, Titel, Vorwort, Inhalts¬
angabe und 116 Seiten. Sie enthält außer der „Schwierigen Aufgabe“ noch das harmlosere
„Kindermarchen“ Die zweite Auflage mit denselben Erzählungen erschien ebenda im gleichen
Jahre und in gleichem Umfang. Auf der ersten Seite des Vorwortblattes wird die einleitende
Bemerkung zur ersten Auflage wieder abgedruckt, unterzeichnet „Hannover, den 22. Sep¬
tember 1843“, auf der Rückseite befindet sich aber noch ein weiteres Vorwort „Zur zweiten
Auflage folgenden Wortlauts:
„Durchgreifende Aenderungen der »schwierigen Aufgabe 1 erschienen sowohl vom künst¬
lerischen Standpunkte aus nothwendig als aus anderen Rücksichten angemessen, und mochten
deshalb, beim Anlaß einer zweiten Auflage, um so eher vorgenommen werden, als der Ver¬
fasser durch eigene Strenge am besten erweisen zu können glaubte, wie dankbar er das
nachsichtige Wohlwollen empfunden, welches dem Werkchen von mehreren Seiten zu Theil
geworden. Hannover, den 27. Juni 1844.“
Zwischen beiden Ausgaben liegt also eine Zeitdifferenz von neun Monaten, und sie
hatte genügt, den heftigen Mann etwas zu zähmen — die „anderen Rücksichten“, nämlich
die auf die pfaffisch-reaktionären Strömungen im Lande, waren doch wohl gewichtiger als
der veränderte „künstlerische Standpunkt“. Ich setze den Inhalt der „Schwierigen Aufgabe“
als bekannt voraus, zumal sie auch (nach dem Text der zweiten Auflage) in dem Neudruck
der „Randzeichnungen“ vermehrt mit des Verfassers Lokalscherz „Anleitung zur Kunst¬
kennerschaft“ (zuerst Hannover, Hahnsche Hofbuchhandlung, 1834) bei Reclam enthalten ist.
Die zweite Auflage folgt der ersten wortgetreu bis auf Seite 48, d. h. der Satz von Bogen 1
bis 3 wurde einfach übernommen. Dann folgt auf Seite 49 eine Einfügung in der Ansprache
des Kanzleirats Vaumeyer über die beschmutzte Rücken Verlängerung der Venusstatue im
Flachsenfingener Kunstklub, um die die ganze Geschichte sich dreht. Die Einfügung ist so
unbedeutend wie zwei weitere auf Seite 50 und 53 oder die Verdeutschung des Ausdrucks
„statum quo zu lassen“ in „Nichts zu ändern“. Dann aber folgt die erste Abschwächung
des Witzes in der Rede des Konrektors Kuhmeyer zur Verteidigung der schmutzigen Hinter¬
backen der Klubvenus. Er sagt in der ersten Auflage: „Ist dieser Schmutz nicht Zeuge,
daß wir unsere Hände an diese Formen gelegt haben, um uns zu vergewissern, uns zu über¬
zeugen, wie klassisch schön, wie antik göttlich dieselben sind? Als jener griechische Weise
einen Backenstreich erhielt, hing er ein Täfelchen an die geschwollene Backe, darauf stand:
,Das hat der und der gethan.* Er that das zum Schimpfe dessen, der ihn geschlagen, wir
wollen es umgekehrt machen: wir wollen zu unserem Ruhme an der schmutzigen Stelle eine
Tafel auf hängen: ,Das haben wir gethan'.“ Diese Sätze sind, obwohl kein Leser darüber
erröten dürfte, in der zweiten Auflage fortgefallen. Nun wird der Autor aber immer
schämiger. Jetzt tritt nämlich in der ersten Auflage Pastor Wehmeyer auf, ein grotesker
Eiferer, der den beratenden Herren eine seitenlange, häufig unterbrochene Strafpredigt hält
Dieser prächtige Zelot ist aus der zweiten Auflage gänzlich verbannt und an seine Stelle
ein blasser Landrat Wemeyer (ohne h) eingeschoben worden, der aus dem historischen Recht
des Gewordenen sich für die Beibehaltung des Schmutzes ausspricht und von dem Advo¬
katen Emeyer heftig bekämpft wird. Die Satire in der folgenden Diskussion streift vor¬
sichtig das politische Gebiet, um nach einer längeren Ausführung des sehr korrekten Regie¬
rungsrats böneyer allmählich wieder in die Unterhaltung der ersten Auflage einzulenken,
wenn auch noch weiter mit einigen Auslassungen und neuen Einschiebseln. Immerhin bleibt
der Justemilieu-Vorschlag des Regierungsrats, die beschmutzten Teile der Statue abzuschaben
und dann weiß zu übertünchen. Da von dem Pastor Wehmeyer fernerhin auch in der Erst¬
ausgabe keine Rede mehr ist, so tritt von Seite 81 ab diese wieder in ihr volles Recht D. h.
die zweite Auflage gleicht der ersten völlig in den ersten drei und im sechsten Bogen, neu
gedruckt wurden dafür nur die Mittelbogen 4 und 5. Eine Wiederholung der Erstausgabe
veranstaltete 1887 Robert Lutz in Stuttgart (mit hübschen Illustrationen von E. Klein) unter
dem seltsamerweise veränderten Titel „Das schwierige Problem“. Von seinem Rückfall in
die Zahmheit hat Detmold sich übrigens schnell erholt In der Paulskirche war er der größte
Krakehler der Rechten und ärgerte die Linke gewaltig durch seinen von Adolf Schrödter
wundervoll porträtierten „Piepmeyer“, dessen getreues Abbild vorjährig auch in Weimar
aufgetaucht sein soll.
XX. Über die Aufnahme der Natürlichen Tochter Goethes bei der Erstaufführung in
Berlin haben L. Geiger im Jahrbuch (15 und 18) und Paul Hoffmann im Euphorion (18)
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Fedor von Zobeltitz: Rara et Curiosa.
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berichtet, meist nach Briefen von Fichte und Zelter, die damals anwesend waren. Nun lese
ich in der Monatsschrift Brennus, August- und Septemberheft 1803, zwei Briefe an Md. S—n
in K . . . „über Göthe’s Eugenia“ von Friedrich Schulz in Weimar, eine Inhaltsangabe des
Dramas, die (laut Goedeke 3. Aufl. IV, III, 366 unten) von Nicolovius in seinem mir nicht
zur Hand liegenden Buche „Uber Goethe“, Leipzig 1828, abgedruckt wurde. Angefügt sind
dem Bericht zwei Sonette des Herrn von Berg „An Göthe’s Eugenia“ und „An die Braut
von Messina“. Im Septemberheft des „Brennus“ findet sich im „Tagebuch des königlichen
Nazional-Theaters vom 16. Juli (soll heißen Juni) bis zum 1. August 1803“ neben einer
Besprechung der Aufführung der „Braut“ und einigen kurzen Theaternotizen aber auch noch
folgende Bemerkung über das Verhalten des Publikums bei der Premiere der „Natürlichen
Tochter“ am 12. Juli: „Eine kleine Anzahl von Personen, worunter ein — berühmter — Bild¬
hauer gewesen seyn soll, erlaubte sich — vielleicht nicht aus den reinsten Absichten — am
Schlüsse der Vorstellung zu pochen. Dieser Gemeinheit wurde, zur Ehre dieser Personen,
nicht gedacht, und sie lieber der ewigen Vergessenheit übergeben werden, wenn man nicht
besorgen müßte, dem großen Dichter und den wahrhaft Gebildeten Deutschlands mögte die
Unverschämtheit einiger bedauernswürdigen geistlosen Geschöpfe, als die Stimme Berlins,
über sein göttliches Werk zu Ohren gebracht werden, und — darum muß jeder, dem die
Achtung und der Ruhm Berlins theuer ist, der nicht will, daß dieser Name mit Schande
gebrandmarkt werde, die Sache anzeigen, wie sie sich wirklich verhält. Die große Mehrheit,
entrüstet über jene Frechheit, gab nun ihren Beifall desto wärmer und lebendiger zu erkennen.“
Dieser Bericht stimmt mit den Äußerungen Zelters und Fichtes und des Professors
Georg Sartorius (Hoffmann, Euphorion 18) durchaus überein. Im „Brennus“ heißt es dann
weiter über die erste Wiederholung der „Natürlichen Tochter“ am 13. Juli: „Die heutige
Vorstellung übertraf die erste im Einzelnen und im Ganzen.“
Gleichzeitig mit dem „Brennus“ entdeckte ich in Kisten auf dem obersten Boden meines
Landhauses noch eine ganze Anzahl weiterer Zeitschriften aus urgroßväterlicher Zeit, darunter
den Vorgänger des „Brennus“, die National-Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Gewerbe
in den Preußischen Staaten , nebst einem Korrespondenzblatte. Diese Monatsschrift wurde im
Januar 1801 (im Verlage von I. G. Braun in Berlin) von G. J. L. von Rohr und O. F. Th.
Heinsius ins Leben gerufen. Rohr war ein ehemaliger Offizier, Heinsius der bekannte Sprach¬
forscher, zuletzt auch Rektor des Grauen Klosters, seit 1806 (mit Unterbrechung durch die
Okkupation) Herausgeber des trefflichen „Preußischen Hausfreunds“ und seit 1811 (mit
Janisch und Heyne) des Jahrbuchs „Hertha, Germaniens Schutzgeist“. Weder über die „Na-
tional-Zeitschrift“ noch über den „Brennus“ habe ich etwas finden können; Salomon und
Geiger erwähnen beide nicht (Frensdorff-Berlin bot 1907 das erste Quartal des „Brennus“ an).
Die meisten Beiträge in der „National-Zeitschrift“ erschienen anonym. Für den Verfasser der
durch den ganzen Jahrgang laufenden Abhandlung „Zustand des preußischen Kriegswesens
im 18*" Jahrhundert“ möchte ich Julius von Voß halten. Interessant sind die Aufsätze über
die Halberstädter literarische Gesellschaft (Heft 4) mit einigen Bitterkeiten auf Fischer,
Klamer Schmidt und den alten Gleim, über die älteren Berliner Privattheater (Heft 9) und
über Dittersdorfs Aufenthalt in der preußischen Hauptstadt (Heft n). Beachtenswert sind
auch die ausführlichen Besprechungen über das Nationaltheater, beispielsweise über die Erst¬
aufführung der „Jungfrau von Orleans“ (Heft 10), ferner der Nekrolog über Fleck (Heft 11).
Mit dem zwölften Heft ging die Zeitschrift ein, und der Verlag kündigte für 1802 an ihrer
Stelle den „Brennus. Eine Zeitschrift für das nördliche Deutschland“ an, die Rohr allein
redigierte, deren Mitarbeiter aber Heinsius blieb. Das „Tagebuch des königl. National-
Theaters“ wird hier fortgesetzt und zeichnet sich wieder durch recht gute Beiträge aus.
Gubitz lieferte für die Vierteljahrsbände hübsche Titelkupfer. —
Nebenbei sei bemerkt, daß ich unter diesen alten Zeitschriften auch noch die ersten
vier Jahrgänge des Beobachters an der Spree (1802—1805) fand. Das seinerzeit vielgelesene
Wochenblatt hat nicht den geringsten literarischen Wert; Geiger und Salomon haben mit
ihrem vernichtenden Urteil über diesen Berliner Klatschvetter durchaus recht Selten
geworden mag der Beobachter freilich sein, man pflegte ihn wohl kaum aufzuheben. Ebrard-
Liebmann suchten für ihre Monographie „Johann Konrad Friederich“ nach einigen (späteren)
Jahrgängen, mußten aber (S. 307) erklären: „Leider war nichts von dem Blatt aufzufinden.“
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Mikrologische Schriften.
Von
Dr. Heinrich Klenz in Berlin - Steglitz.
L
D ie mikrologischen Schriften befassen sich eigentlich mit „Kleinigkeiten" und zwar be¬
handeln sie Nichtiges als etwas Wichtiges. Der Philosoph d'Alembert sagt: „Die Pünkt¬
lichkeit in Kleinigkeiten ist die Tugend der Narren", und der satirische Publizist W. L.
Wekhrlin (in Webers Auswahl 1823 S. 217) fügt hinzu, man müsse diesen zugestehen, „daß
sie Kleinigkeiten nur deswegen mit so vieler Gravität behandeln, weil sie ihnen durch das
Mikroskop ihrer Imagination sehr groß Vorkommen". Etwas anderes ist: „das Kleine in
einem großen Sinne behandeln", was Feuchtersieben als „Hoheit des Geistes“ bezeichnet,
während er „das Kleine für groß und wichtig halten" ebenso zutreffend „Pedantismus" nennt.
Ersteres verrät nämlich eine humoristische Weltanschauung, letzteres ruft eine unfreiwülige
Komik hervor. — Zu der mikrologischen Literatur gehören aber auch die übergründlichen
' Schriften. Denn, wie J. A. Bernhard (Curieuse Historie derer Gelehrten 1718 S. 280) richtig
bemerkt, „bei nötigen Sachen kann sich einer auch zulang auf halten und andere, die von
ebensolcher und noch größerer Wichtigkeit, dabei verabsäumen". Von den eigentlichen
mikrologischen Schriften handelt Bernhard in einem besonderen Kapitel mit der Überschrift
„Von Gelehrten, die sich über nichtswürdigen Materien aufgehalten“ (S. 635—639). Sonst
finden sich über unsem Gegenstand zerstreute Notizen in J. B. Menckes zwei Reden von der
Charlatanerie, die zuerst 1715 lateinisch erschienen sind und von denen ich die deutsche
Ausgabe des Jahres 1716 benutzt habe, sowie in dem von ihm begründeten, von Jöcher fort¬
gesetzten Gelehrten-Lexikon, zumal in der Ausgabe von 1733. Später hat Carl Julius Weber
in seinem „Demokritos" vielerlei beigebracht: in des III. Bandes letztem Kapitel, „Der Geist
des scholastischen oder gelehrten Zeitalters", und in mehreren Kapiteln des XI. Bandes.
Schon der Basler reformierte Theolog Samuel Werenfels ruft in seiner Abhandlung
de logomachiis eruditorum [d. i. von den Wortschlachten der Gelehrten, Amsterdam 1702,
auch Frankfurt 1736] aus: „Wer dürfte nicht lachen, wenn er hört, daß unter den Gelehrten
gestritten wird, ob der Fisch, der den Jonas hinuntergeschluckt hat, ein Männchen oder ein
Weibchen gewesen sei; welchen Fuß zuerst Äneas in Latium aufs Land gesetzt habe [hierüber
stritten sich — nach J. L. Guez de Balzac ’s Barbon, bei Mencke S. 94 — Palämon und Orbilius
(seit 63 v. Chr. in Rom)]; welches die Form der römischen Hefteln gewesen sei; und sechs¬
hundert andere Dinge dieser Art." (Lateinisch zitiert von Bernhard S. 639.) Ähnliche
mikrologische Fragen , mit denen sich die Akademien beschäftigten, waren nach W. L. Wekhrlin
(in Webers Auswahl 1823 S. 109): „Wer erfand die Mausfallen? In welcher Sprache redete
Bileams Esel? War Behemoth ein Elefant, Haifisch oder Werwolf? 1 Muß das Wort.. . mit
oder ohne Accent gelesen werden?" Weber führt XI, Kap. 1 unter anderen folgende Fragen
auf, um welche sich die Theologen stritten: „Was hatte der Engel Gabriel für Federn im
Flügel? Hatte schon Adam einen Nabel? Welcher Art war die Schwalbe, die so ungebührlich
mit Tobias’ Augen umging, daß er blind wurde? Hat sich wohl Püatus mit Seife gewaschen,
I Das Wort „Behemoth" stammt aus dem Ägyptischen und bedeutet „der Ochse des Wassers“. Nach
mohammedanischer Sage heifit so ein ungeheurer Fisch, der zu den Trägem der Erdscheibe gehören soll. Die älteren
Übersetzer geben B. durch „Elefant“ wieder. So schrieb auch der Altdorfer Theologie-Professor Joh. Wilh. Baier
(1675—1729) „de Behemot et Leviathan elephante et balaena“ (Jöcher). Gegen eine andere Deutung trat 1748 der
Buttstädter Superintendent Laurentius Reinhard auf mit seinem „Unumstößlichen Beweis, daß der Rhinoceros oder das
Nashorn unmöglich könne der Behemot sein, dessen Hiob 40, 10 f. [15 fr.] Meldung geschieht“ (Dunkels Hist-Crit.
Nachrichten II 2) 1756 S. 355). Nach G. Barzilai (1870) ist unter B. das Mammut zu verstehen. Sonst halten es
die neueren Erklärer für das Nilpferd, Hippopotamus amphibius (s. Fritz Hommel, Die Namen der Säugetiere bei den
südsemitischen Völkern, 1879). — Der Leviathan ,, den Baier (s. vorhin) für einen Walfisch hielt, bedeutet eigenüich ein
„gewundenes“ Tier, ein schlangenartiges Ungeheuer und bezeichnet in den Psalmen ein Seeungetüm, bei Hiob 40, 25 ff.
das Krokodil. — Für das Nashorn hält in der neueren Zeit ein Teil der Erklärer das Hiob 39, 9 ff. vorkommende Tier,
hebräisch D’}, das in der Septuaginta durch ftovoxeQtoe übersetzt und danach von Luther durch „Einhorn“ wieder*
gegeben und von Späteren als „Büffel“ ausgelegjt ist; während andere bald diese bald jene Antilopenart annehmen
(schon früher dachten einige an die Gazelle) und noch andere (darunter Hommel) den Wisent.
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Klenz: Mikrologische Schriften.
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ehe er Jesum verurteilte? Was war Pilatus für ein Landsmann? Hat David vor Saul ein
Adagio oder ein Allegro gespielt? Was war es für ein Baum, auf den Zachäus gestiegen?
Woraus bestand die Salbe, die Maria dem Herrn brachte? Machte der Rock, über den die
Kriegsknechte das Los warfen, die ganze Garderobe des Welterlösers aus? Ist das Tal Josaphat
groß genug, das Weltgericht abzuhalten? Wieviel kostete wohl der Wein auf der Hochzeit
zu Kana?“ Und Kap. 7 erzählt er von einem Rabbiner, der, den Talmud in der Hand, die
Fragen aufgeworfen habe: „Wie viele Schuhe tief ist das Rote Meer beim Durchzug der
Kinder Israels gewesen, und haben sie von den Wachteln auch die Beinchen mit verschluckt?“
Er habe von den verschiedenen Arten des Maßes, Schuh genannt, gesprochen, die Haupt¬
sache aber unentschieden gelassen, und bei der zweiten Frage behauptet, die Beinchen der
Wachteln seien weich geworden wie Butter. Ebendort kommt Weber auf mikrologische
Fragen der Philologen zu sprechen: „Man sollte es nicht für möglich halten, daß die Herren
untersuchten, ob Aneas mit dem rechten oder linken Fuß ans Land getreten [s. oben], und
Venus an der rechten oder linken Hand von Diomedes verwundet worden [daß er dies nicht
genügend untersucht habe, wurde dem Zopyrion von Maximos Tyrios (gegen Ende des 2. Jahrh.
n. Chr.) vorgeworfen; nach Mencke S. 94, der Conrings Brief an H. Meibom zitiert]; wieviel
Ruderer Ulixes am Bord gehabt, und wie sich Achilles wohl genannt habe, da er als Mädchen
zu Skyros lebte; ob die Griechen ihre Eierkuchen mit Speck oder Butter zurichteten, und
ob die Haustüren der Römer aus- oder einwärts sich öffneten; wie groß das Faß des Diogenes
und wie schwer die Keule des Herkules gewesen sei, und wie die Griechen wohl hießen, die
im Trojanischen Pferde steckten; wie lang wohl der Schwanz von Tobias’ Hündlein gewesen,
und wie oft wohl Cicero bei seinen Reden gehustet oder sich geräuspert habe, und ob er
seine Werke wohl im Schlafrock schrieb; in welcher Melodie die Sirenen sangen“ usw. Kap. 6
sagt Weber von den Historikern: „Die Herren Professoren, die eine dicke Abhandlung darüber
schreiben können, ob ehemals die Landfriedensbrecher die Hunde haben führen oder tragen
müssen [darüber schrieb nach Webers Ritterwesen 2. A. 1835 III S. 389 der Pfarrer Oetter,
Augsburg 1784], oder: »Waren die, welche Christum kreuzigten, wirklich Westfalen? 4 , werden
immer seltener, wenn auch die Altertumsuniversität nicht zu verkennen ist: ich selbst kannte
noch den Mann, der Rücksicht auf den Umstand nahm, ob Cäsar mit 23 Wunden oder mehr
oder weniger verwundet worden sei, und ihm war es keine Kleinigkeit, den Irrtum zu be¬
richtigen, daß dieser oder jener König, der nachts 12 Uhr gestorben sein soll, sich bereits
um 10 Uhr in die Ewigkeit zu erheben geruht hätte.“
Auf anderes Hierhergehöriges geht Weber Bd. III Kap. 23 ein, wo es heißt: „Mikrologie
war der Geist jener Zeiten . . . wer muß nicht wieder lächeln zu Salmasius’ [158.8—1653]
gelehrten Abhandlungen über die goldenen Äpfel der Hesperiden, die er endlich für Pomeranzen
erklärt, ein deutscher Gelehrter aber für Zitronen? So schrieb auch der Lübecker Goetze
[George Heinrich, Superintendent, 1667—1728] über Gelehrte, die Schuster oder Schneider
gewesen, Lukas geheißen, ertrunken, erfroren und unverehlicht geblieben sind [das sind doch
nur zum Teil mikrologische Arbeiten!]; Hommel [1722—81, Professor der Rechte in Leipzig]
gab uns ein Register von Juristen, die Heilige und Hurenkinder waren, lange Nasen, Buckel
oder böse Weiber hatten, dem Trünke, der Wollust, der Verschwendung usw. sich hingaben;
Baillet [1649—1706] schrieb von Gelehrten, die etwas hatten schreiben wollen, und Ancillon
[1659—1715] von solchen, die gar nicht geschrieben haben, die doch in unsern Zeiten wirklich
eine Merkwürdigkeit sind. Können wir es den Historikern jener Zeit übelnehmen, wenn sie
bei Throninsassen und Adel die geringste Kleinigkeit historisch wichtig fanden? Man schrieb
Dissertationen aus Veranlassung seines Namens, z. B. Müller von Müllern und Mühlen, Lämmer¬
mann [1724] über das Lämmerrecht, Biermann de eo quod justum est circa ebrium [,von
dem was Rechtens ist bezüglich eines Betrunkenen 4 ]. In diesem Felde zeichneten sich vor¬
züglich die lieben Juristen aus und schrieben de Cicerone jurisconsulto [d. i. als Rechtsgelehrten],
de jurisprudentia Horatii, Virgilii et Plinii, regis Davidis et St. Pauli und de Luthero jurisconsulto. 44
Hierzu einige Bemerkungen: Schon Jean Paul hat im Quintus Fixlein, 2. Zettelkasten, mikro¬
logische Schriften von Goetze und Hommel, sowie die von Baillet und Ancillon erwähnt; wenn
er aber noch Bernhards gedenkt, der von Gelehrten geschrieben habe, „deren Fata und
Lebenslauf im Mutterleibe erheblich waren 44 , so ist dies nur ein Kapitel in Bernhards „Historie
derer Gelehrten“. Ein gewisser B. R. Testor lieferte 1756 ein „Verzeichnis großer Männer, die
sich totgelacht haben 44 ! Beim „Lämmerrecht 44 ist einzufügen, daß ein Jurist Biener über das
Bienenrecht und der Nürnberger Ratskonsulent Christ. Leonh. Leucht über das Licht- und
Fensterrecht (1717) geschrieben hat. Bei dieser Gelegenheit mögen noch folgende Schriften
de jure . . . erwähnt werden: des Leipziger Professors Andreas Mylius Nasenrecht (aus der
XIII, 3
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Klenz: Mikrologische Schriften.
2. Hälfte des 17. Jahrhunderts) (Webers Demokrit VIII Kap. 22); des Jenaer Professors Joh.
Volkmar Bechmann (1624—89) Dissertation de jure facetiarum (Recht der Scherze) (ebenda VH,
Kap. 2, wo auch eine Diss. von Jenichen de eo quod justum est circa jocos et facetias an¬
geführt wird); des Marburger Professors Kornmann (wohl Joh., f 1656) Abhandlung de jure
virginitatis (Recht der Jungfernschaft); J. H. Blocks Dissertation de jure salutationis: vom
Recht des Grüßens, 1695; Joh. Georg Dofehlers (t 1749 als Kanzler und Konsistorial-Präsident
in Gera) Jenaer Dissertation de jure florum: vom Blumen-Rechte, 1717 (1697?, sieh Dunkel I
S. 190); des Halleschen Professors Joh. Samuel Stryk Abhandlung de jure spectrorum (Ge¬
spensterrecht), 1700; des Rintelner Professors Heinrich Ernst Kestner Abhandlung de jure
tabaci, d. h. vom Recht des Tabaks, 1700 (deutsch 2. Aufl. Waldenburg 1716); des Groninger
Professors Alex. Arnold Pagenstecher Abhandlung de jure ventris, d. h. vom Recht des Bauches,
Bremen 1704; des Helmstedter Professors Joh. Paul Kreß Dissertation de jure Hagestolziatüs,
1727 (sieh Göttens Gelehrtes Europa 1735 S. 717); des Tübinger Juristen Hofmann Disser¬
tation Solani tuberosi esculenti jura, ,der eßbaren Kartoffel Rechte 1 , 1774 (Webers Demokrit XI
Kap. 2); Treibers Spatzenrecht, Klübers Hundsrecht und Müllers Bienenrecht (alle drei bei Jean
Paul, Flegeljahre 2. Aufl. Nr. 19); eine Abhandlung: de jure barbae: vom Bart-Rechte (im
Anhang der angeblich aus dem Französischen übersetzten Satire „Rasibus od. Proces, welcher
den Capuziner-Bärten gemacht worden“ von 1760, aber früher entstanden); sogar ein „Recht
der Hahnreye“ (Wekhrlins Geist, 1823 S. 260). Professor H. E. Kestner schrieb auch de
Cicerone, jurisconsulto in tractatu de officiis, 1719 sowie de jurisprudentia regis Davidis, 1706
(Dunkel III 1) 1757 (S. 235 f.). Der Leipziger Professor der Rechte Aug. Cornel. Stockmann
gab eine Chrestomathia juris Horatiana in sechs Teilen 1801—8 heraus. — Weber fahrt im
Demokrit III Kap. 23 fort: „Apinius schrieb eine Dissertation, ob es recht sei, den Hunden
die Ohren abzuschneiden.“ Gemeint ist wohl der Nürnberger Professor, spätere Braunschweiger
Rektor Sigism. Jak. Apinus, 1693—1732; er schrieb nach Jöcher de eo an liceat brutorum
animalium corpora mutilare, d. h. ob es erlaubt sei, der Tiere Körper zu verstümmeln.
Andere kuriose Dissertationen in lateinischer Sprache aus der ersten Hälfte des 18. Jahr¬
hunderts sind z. B. folgende: J. G. Lairiz, De oblationibus in ecclesia per sacculum sonantem,
vom Klinge[l]-Beutel, 1705. — Joh. Paul Kreß (Rechtsprofessor in Helmstedt), De dardanariatu
Josephi, von Josephs Korn-Handel, ca. 1710 (Götten a. a. 0 . S. 713). — G.Slevogt, De vocatione
ad pastoratum sub conditione matrimonii, von der Vocation unter die Schürtze, Leipzig 1739.
— C. U. Grupen, De donationibus ante nuptias et an osculo virginitas delibetur. Ob die
Jungferschafft durch einen Kuß verlohren gehe? Frankfurt 1741. Gelehrte Abhandlungen
über den Kuß schrieben schon früher Jacob Herrenschmid, f 1641 als Superintendent in Nörd-
lingen: Osculologia theologico-philologica (Jöcher; Jean Paul, Hesperus III, 31. Hundposttag);
der Dichter Martin Kempe aus Königsberg: Dissertatio historica-philologica gemina: prior de
osculorum genere ejusque variis speciebus, posterior de osculo Judae, Leipzig 1665, sowie
Frankfurt 1690, auch Philologema de osculo, womit er 1665 zu Jena die Magisterwürde er¬
worben (vgl. Webers Demokrit II Kap. 25), und der Philolog Joh. Friedr. Heckei aus Glauchau,
t 1700 zu Ölsnitz im Vogtland: Diss. de osculis (Jöcher).
Dann heißt es bei Weber a. a. O. weiter: „Und Groß schrieb von der Größe Adams,
widerspricht zwar den Rabbinen, daß der Urpapa 100 Schuh gemessen habe, beschäftigt sich
aber doch damit, ob er schon Schuhe getragen habe. Trug er welche, so war er allerdings
der erste Schuster; einen recht langen Bart mag er auch gehabt haben, da es noch keine
Barbiermesser gab, sowie überhaupt kein Messer, da Adam und Eva in den Apfel gebissen
haben.“ Nach Demokrit I Kap. 14 hat „M. Groß 1727 die Dissertation Quanta Adami statura
fuerit? [,Wie groß mag Adams Gestalt gewesen sein? 4 ] geschrieben, wo er zwar über dessen
Fußstapfe von 7 1 / a Spanne Länge und 3 */ a Breite auf Ceylon lacht, sich aber doch etwas
Großes denkt, als Ebenbild Gottes und da der Autor selbst Groß hieß 44 . Der französische
Akademiker Nicolas Henrion [Numismatiker, 1663—1720] gab Adam, nach Jean Paul (Sieben¬
käs 2. A. 1817 Kap. 4), 123 Fuß 9 Zoll und Eva 118 Fuß 9 8 / 4 Zoll. Man könnte eine kuriose
Adams-Literatur zusammenstellen. So erschienen z. B. 1564 zu Eisleben „Elegantiarum veteris
Adami decades sex, Formular-Büchlein der alten Adamssprache 44 von dem Mansfeldschen
Schloßprediger Cyriacus Spangenberg (neu herausgegeben von Heinr. Rembe 1887) *; 1703
bzw. 1711 „De bibliotheca Adami schediasma“ und „De reliquiis Adami Protoplasti“ [,Von
dem literarischen Nachlaß Adams des Ersterschaffenen 4 ], beides von dem Dresdner Pastor
1 Der Lübecker Rektor Job. Heinr. von Seelen hielt, nach Göttens Gelehrtem Europa 1735 S. 189, seit 1721
Schulreden „von den Biblischen Schulen, z. B. der Schule im Paradiese, der Schule Adams“.
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Klenz: Mikrologische Schriften.
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Paul Christian Hilscher; und 1717 zu Altdorf „De Adami Logica 1 , Metaphysica, Mathesi,
Philosophia practica et libris“ von Vit. Hier. Regenfus, Eugenius Philalethes d. i. Thomas
Vaughan (f 1666) schrieb eine Magia adamica (aus dem Englischen übs. u. d. T. „Das Alter¬
tum der Magie von Adam an“ Hof 1735). Der Wittenberger Professor Abraham Calovius
(1612—86) machte Adam zum ersten Theologen (Webers Ritterwesen 2. A. 1835 II S. 401).
Nach anderen sollte er zwei Psalmen gedichtet haben (Demokrit XI Kap. 7).
Auch wird in Webers Demokrit III Kap. 23 des Gedichtes ohne „r“ von Cardone, der
Krebsreime u. dergl. kurz gedacht. Über Cardone berichtet Jöcher nach Toppi Bibliotheca
Napoletana: „C., Vincentius, ein Dominikaner und Poet, geboren zu Atessa in dem Neapoli¬
tanischen, lebte im Anfänge des 17. Jahrh., konnte den Buchstaben R nicht aussprechen und
schrieb deswegen ein Gedicht von der Liebe unter dem Titel: l’R sbandita [,das geächtete
R‘], darinne in etlichen 1000 Versen kein R zu finden ist. Er gab sich auf dem Titel den
Namen Gio. Nicola Ciminello Cardone.“ Jean Paul erwähnt ihn im Hesperus IV, 37. Hund¬
posttag, im Jubelsenior S. 162 und im Museum Nr. II. Das Gedicht erschien im Jahre 1614.
Nach Jean Paul (Mus.) verfaßte auch Brockes (1680—1747) ein Gedicht von 70 Versen und
(Jubelsen.) ein Rektor Uhse eine Weihnachtspredigt, beidemal ohne ein einziges R. Ich fand
noch italienische Predigten ohne diesen Buchstaben, gehalten von Don Luigi Casolini, dem
die Aussprache desselben wie dem Cardone versagt gewesen sein soll, und gedruckt 1819
in Capitale della Toscana, also Florenz. In dem zu Berlin 1773 anonym erschienenen „Etwas,
nebst einem Anhänge“ befinden sich ganze Lieder ohne R. Dann ließ Gottlob Wilhelm
Burmann in Berlin „Einige Gedichte ohne den Buchstaben R“ erscheinen (1788; neuste, ver¬
mehrte Ausg. 1796). Nach Brümmers Dichterlexikon veröffentlichte Franz Rittler 1813 den
Roman „Die Zwillinge“ ohne R. Dieser erlebte sogar 3 Auflagen, wie E. Schulz-Besser
(Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. I Heft n) angibt, der noch eine Erzählung ohne R von
demselben Verfasser aus dem gleichen Jahre, eine Nachahmung der „Zwillinge“ von Leop.
Kolbe 1816 und zwei derartige Erzählungen von Paul v. Schönthan 1883 verzeichnet (siehe
auch die Zeitschrift f. B. III Heft 2). Andererseits verfertigte Nikodemus Frischlin (1547—90)
ein aus zwei Distichen bestehendes lateinisches Gedicht, in welchem ebenso wie in der Über¬
schrift alle Wörter mit einem R anfangen; es befindet sich auf dem Titelblatt der gegen
Jacobus Rabus gerichteten Satiren und ist von Bernhard S. 514 mitgeteilt. So schrieb, nach
Jöcher, schon der musikgelehrte Benediktiner Hucbald (ca. 840—930) ein Gedicht von
300 Versen an den Kaiser Carolus Calvus, darin alle Wörter mit C anfangen; ferner Christian
Pierius aus Cöln (Ende 16. Jahrh.) ein Gedicht von dem gekreuzigten Christus, worin eben¬
falls alle Wörter mit C anfangen, sowie eins unter dem Titel Maximilianus, worin sie mit M
anfangen; Marius Favorinus (um 1540) aber ein Gedicht von 400 Versen, die alle mit P
anfangen, zu Ehren des Papstes Paulus III. Dem kann ich hinzufügen, daß der Rostocker
Theologie-Professor Joachim Hartmann (1715—95) ein lateinisches Gedicht von i 1 /* Folio¬
seiten verfaßte, in dem alle Wörter mit einem V anfangen. Solche Gedichte mit demselben
Anfangsbuchstaben in allen Wörtern oder wenigstens in allen Zeilen heißen „tautogrammatische* 1 ;
dagegen werden die Schriften, in denen ein bestimmter Buchstabe gänzlich fehlt, „leipogram-
mattscke M genannt. Schon der griechische Grammatiker Tryphiodoros aus Ägypten soll um
500 n. Chr. eine „’O^uoxteloc 7.euTOYpa|ji|xaT0<;“ abgefaßt haben, in deren erstem Gesänge kein
a, in deren zweitem kein ß usw. vorgekommen sei (Suidas s. v. Nforcup). Auch Ratzeberger
(Literar. Almanach für 1827 S. 124) führt an, daß ein Fabius Claudius Gordianus 24 Bücher
geschrieben habe, in deren erstem kein a, in deren zweitem kein b usw. vorgekommen sei;
das Werk sei 1696 von Jakob Homey herausgegeben worden. Über Dichtungen ohne „s“
siehe die - Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. III Heft 4. Die KrebsrHme — lateinisch versus
cancrini —, auch anazyklische oder palindrome Verse genannt, die von hinten gelesen ebenso
lauten wie von vorne, soll nach Menckes Charlatanerie 1716 S. 171 Anm. und nach Jöcher,
welche sich auf Frehers Schauplatz S. 690 beziehen, Joh. Heinr. Risius oder Riese (1596—1669,
aus der Grafschaft Sponheim, zuletzt Superintendent in Hatzfeld) erfunden haben; er verfaßte
ein ganzes Gedicht in solchen Versen, Tuba pacis, d. h. Friedensposaune. Einzelne Verse
dieser Art kommen schon früher vor, z. B.: Si se mente reget, nön tegeret Nemesis, welcher
I Über die Logik der Engel („de angelorum logica“) schrieb nach Ratzebergers Literarischem Almanach für
1832 S. 140 ein Gerhard Meier, geboren 1664 in Hamburg (wohl der als Superintendent in Bremen 1723 gestorbene
Theologe). Ratzeberger führt noch ebenda S. 37 f. an: „Ein gewisser Dornmeier [nach Jöcher Andreas Julius Dorn¬
meyer, 1674— 1717, aus Lauenstadt im Hannoverschen, Rektor des Friedrich-Gymnasiums zu Berlin] versprach, ein
eigenes Buch de philosophia Diaboli [„über die Philosophie des Teufels“] zu schreiben, und hat in einer ,Philologia
biblica* Kap. 31 sogar Proben davon gegeben.“
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24.
Klenz: Mikrologische Schriften.
dem polnischen Reformator Johannes a Lasco (f 1560) zugeschrieben wird, und der noch
ältere: Signa te, signa, temere me tangis et angis, den der Teufel, als er den heiligen Johannes
von Nowgorod nach Jerusalem hin und her tragen mußte, gemacht haben soll, weswegen man
solche Verse auch versus diabolici nannte. Weitere sind: Roma tibi subito motibus ibit
amor. — Aspicel nam raro mittit timor arma nec ipsa. — Otto tenet mappam, madidam
mappam tenet Otto (modern). Auch im Griechischen gibt es dergleichen, z. B.: Nt^ov avopjparo,
p) p.ovocv o<|nv (Brunneninschrift im Hofe der griechischen Dreieinigkeitskirche zu Konstantinopel,
früner auf dem großen Marmorbecken der Sophienkirche; „Wasche die Sünden ab, nicht nur
das Gesicht“). Eine Unterart sind Verse wie: Sacrum pingue dabo, non macrum sacriffcabo
(Hexameter; das Opfer Abels) — Sacrificabo macrum, non dabo pingue sacrum (Pentameter;
das Opfer Kains). — Weber führt auch „den vollkommensten Hexameter in zwei Worten:
Consternabuntur Constantinopolitani“ an. Anderswo fand ich ihn sogar erweitert zum Distichon,
aus nur vier Wörtern bestehend, in der Fassung: Conturbabantur Constantinopolitani /
Innumerabilibus sollicitudinibus, und als Verfasser den gelehrten böhmischen Edelmann Bohuslaw
Lobko witz-Hassenstein (1462—1510) genannt. — Mikrologische Verskünstler waren ferner der
Dresdner Poet Georg Kleppisius, der in seinem Proteus Poeticus vom Jahre 1617 den 1617 mal
veränderlichen Hexameter: Dant tria jam Dresdae, ceu sol dat, lumina lucem, und sein Bruder
im Apoll Karl Goldstein, der im Jahre 1618 den 1618 mal ab wechselbaren Hexameter: Ars
non est, tales bene structos scribere versus [d. h.: Es ist keine Kunst, solche gut gebauten
Verse zu schreiben] zum besten gab (Joh. v. Bessers Schriften 1732 S. 847). Diese beiden
Chrono-Hexameter wurden noch übertroffen durch Kaspar v. Dachröden’s Vers: Det, meus
sit, justus, rogo jasper[?], psallere Jesus, der sich sogar 3059 mal verändern läßt und dessen
Variationen das zu Erfurt 1621 erschienene Gedicht „Ingenii lusum tempore luctus“ bilden
(Forts, u. Ergänzgn. zu Jöchers Gelehrten-Lexikon von Adelung II Sp. 600; Beitrag von Lessing).
— Man drechselte auch rhopalische Verse, d. i. keulenförmige, in denen jedes folgende Wort
eine SUbe mehr hat als das vorhergehende, z. B.: Rem tibi confeci, doctissime, dulcisonoram.
Selbst Verse, deren sämtliche Wörter zugleich zwei verschiedenen Sprachen angehören, wurden
fabriziert; wie nachstehende Zweizeiler zum Lobe der hl. Jungfrau Maria, die sowohl lateinisch
als auch italienisch sind: In mare irato, in subita procella
Invoco Te, nostra benigna stella,
d. h. etwa: Auf wildem Meer, im Sturmgewüte
Dich ruf* ich an, du Stern der Güte
(W. Langewiesche, Wolfs 1919 II S. 97).
Schließlich gedenkt Weber a. a. O. der Wortstatistik, die ein Holländer der Heiligen
Schrift hat angedeihen lassen. Dieser „fand, daß die Bibel aus 3 566227 Wörtern bestehe,
der Name Jehovah* 6855 mal, ,und‘ 46227 mal, das Wörtlein ,flugs* aber nur einmal vor¬
komme, und der 117. Psalm das mittelste Kapitel sei“. Aus der Buchstabenstatistik, die an
der Heiligen Schrift geübt wurde, fuhrt Jean Paul im Quintus Fixlein, 2. Zettelkasten an, daß
in der hebräischen Bibel nach den Masoreten z. B. das Aleph (A) 42 377 mal, in der Lutheri¬
schen Bibel aber nach der Erlanger Bibelanstalt das deutsche A 323015 mal vorkomme, welch
letzteres sonderbarerweise auch die Summe aller Buchstaben im Koran sei.
(Fortsetzung folgt)
Alle Rechte Vorbehalten, — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Wttkom$ßn\ Ldprig-G., Ehren*tem*tr. 20, Verlag von B. A. Seemann-Lapmg, HoepHalstr. 11 a
Druck von Brmt Hedrich Alach f., G. m. b. //.-Leipzig, Hotpitaktr. na.
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25
Ein Einblattdruck des „Landesvaters“.
Von
Dr. Arthur Bechtold in München.
Mit einer Beilage.
D er „Landesvater“ hat seinen Namen bekanntlich nach der dem Preise des Landesherm
gewidmeten Strophe eines alten, beim Brüderschaftstrinken gesungenen Kommersliedes
erhalten 1 2 ; beim Absingen dieser Strophe wurden die Hüte mit dem Degen durchstochen.
Zu den drei Strophen, aus denen das Lied ursprünglich bestand, gesellten sich im Laufe der
Zeit noch mehrere; die Verse der eigentlichen Landesvaterstrophe konnten von jedem Sänger
beliebig durch andere, schon vorhandene oder dem eigenen Witz entsprungene, ersetzt werden.
Durch solche mutwillige, oft anstößige Improvisationen, die bald einen der Hauptreize der
Feierlichkeit bildeten, gestaltete sich die beabsichtigte Huldigung vor dem Landesfürsten mit¬
unter geradezu zu einer Verhöhnung desselben, so daß im letzten Drittel des achtzehnten
Jahrhunderts der „Landesvater“ in einen recht schlechten Ruf geraten war. Lied und Brauch
wären, wie so viele andere Lieblingslieder der Zeit, vielleicht der Vergessenheit verfallen, wenn
nicht 1871 der Kieler Studierende August Niemann die edleren Bestandteile in sein „Vaterlands¬
lied bei entblößtem Haupt und Degen“ hinübergerettet hätte. Welche Wandlung der Sitten,
der Denkart und des Geschmackes liegt zwischen diesen ernsten, weihevollen Klängen und
dem ungeschlachten Burschensang der Rokokozeit 1
Von dem älteren „Landesvater“ sind vier Fassungen bekannt. Die früheste befindet sich
in einem kurz nach der Mitte des Jahrhunderts, wahrscheinlich zu Halle gedruckten Lieder¬
buche, der „Ganz neu zusammengetragenen Liebes-Rose“. Auf sieben Strophen erweitert,
erscheint das Lied auf einem von den Gebrüdern Keil veröffentlichten Jenaischen Blatte um
1775. Der berüchtigte Haifische Magister Kindleben geriet, als er 1781 eine Sammlung von
Studentenliedem herauszugeben beabsichtigte, — der Druck scheiterte an der Verweigerung
der Druckerlaubnis durch Friedrich den Großen — auch über den „Landesvater“, den er auf
seine platte, geist- und poesielose Weise veränderte. Eine vierte Fassung endlich ist in dem
1794 angeblich zu Altorf, in Wirklichkeit zu Tübingen entstandenen „Akademischen Lust-
wäldlein“ eines pseudonymen Herkules Raufseisen enthalten, auf das Hoffmann von Fallers¬
lebens zuerst aufmerksam gemacht hat.®
Tübingen war fast ausschließlich von Landeskindem, meistens Theologen, besucht worden
und hatte wenig Verkehr mit den in Mittel- und Norddeutschland gelegenen Mittelpunkten
akademischen Lebens unterhalten; dieser Umstand, im Verein mit gewissen schwäbischen
Charaktereigentümlichkeiten, dem Ablehnen von Neuerungen und dem zähen Festhalten am
Althergebrachten, könnte erklären, daß der einmal eingebürgerte Wortlaut sich hier länger
erhalten hat als anderwärts.
Es scheint indessen, daß der neue Landesvater überhaupt sich nur sehr langsam durch¬
setzte, zunächst vielleicht nur auf den größeren und gesitteteren Universitäten Leipzig, Halle
und einigen anderen, die zu diesen in Beziehungen standen. Noch in der 1795 zu Halle er¬
schienenen zweiten Aullage des verbreitetsten Kommersbuches, der „Auswahl guter Trinklieder' 1 ,
steht neben dem „Landesvater“ Niemanns der des Magisters Kindleben. Daß noch nicht mehr
Texte zum Vorschein gekommen sind, hat seinen Grund darin, daß es bis zum Ende des
18. Jahrhunderts gedruckte studentische Liederbücher nicht gab; die Lieder vererbten sich
mündlich oder handschriftlich von einer Studentengeneration auf die nächste.
Der Zahl der bisher bekannten Texte kann ich einen weiteren beifugen.
1 Vgl. Hoffmann von Fallersleben, Findlinge 1 (Leipzig 1860) S. 36—51: „Der Landesvater in seiner ursprüng¬
lichen Gestalt 11 . — W. Fabricius, die deutschen Corps. Berlin 1898. S. 119—125, 341. — Flegler, Kommen und
Landesvater. Akadem. Monatshefte in. — A. Kopp, Deutsches Volks- und Studenten-Lied in vorklassischer Zeit (Berl. 1899)
S. 230—233.
2 Das einzige bekannte Exemplar in der Univ.-Bibl. Tübingen. Neu herausg. von A. Kopp. Leipzig 1918.
XIII, 4
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2 6
Bechtold: Ein Einblattdruck des „Landesvaters“.
Die katholische Universität Würzburg hatte bis 1773 unter der Leitung der Jesuiten
gestanden und mehr den Charakter einer Schule als den einer Universität getragen. 1 Von dem
lärmenden Studententreiben, wie es sich zu Jena und Gießen, aber auch auf den fränkischen
Universitäten Erlangen und Altorf in Studentenorden und Landsmannschaften ungehemmt ent¬
falten konnte, war Würzburg auch noch längere Zeit nach der Aufheburg des Jesuitenordens
unberührt geblieben; es fehlte jede. Tradition, an die man anknüpfen konnte. Die 1785 für
die Studierenden erlassenen Statuten heben noch mit Befriedigung hervor, daß „die von vielen
übel verstandene akademische Freyheit, so manche in einer zügellosen Lebensart suchen, auf
unserer Akademie gänzlich unbekannt seyn soll.“ Erst 1792 vernehmen wir von einem Ver¬
such Jenaischer Amicisten, ihr dortiges Verbindungsleben nach Würzburg zu übertragen; man
ließ von Jena Gesetze, Reden und Lieder kommen. Es soll jedoch viele Mühe gekostet
haben, den Orden aufrecht zu erhalten, da die eingesessenen Würzburger Studierenden, denen
diese Art der Geselligkeit fremd war, sich ablehnend verhielten und es vorzogen, ihre Unter¬
haltung im Kreise bekannter Familien zu suchen. 2 Andere Unternehmungen hatten besseren
Erfolg; jedenfalls stand schon wenige Jahre später auch in Würzburg das Verbindungsleben
in voller Blüte. Es ist, als hätte es nur eines Anstoßes von außen bedurft, um noch kurz vor
der Neige des Jahrhunderts die engen Gassen der alten Bischofsstadt am Main mit der so lange
entbehrten sporenklirrenden Poesie und Romantik des Burschenlebens zu erfüllen.
Das erste bis jetzt aufgetauchte Zeichen des nunmehr erwachenden Burschengeistes ist
ein gedrucktes Liederprogramm, welches aus dem Nachlasse des kürzlich verstorbenen Würz¬
burger Privatgelehrten Dr. Z. in meinen Besitz gekommen ist. Die Zeit seiner Entstehung
ist begrenzt durch die Regierung des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal (1779—1795),
dessen Name zweimal, in dem „Landesväter“ und in einem anderen Liede, genannt wird. Nach
dem oben Gesagten können wir diese Zeit noch weiter auf die Jahre 1792—1795 verengern.
Lettern und Vignetten verraten die Druckerei des Würzburger Universitätsbuchdruckers Franz
Emst Nitribitt; von ihm sind, außer einer großen Zahl von Dissertationen, Vorlesungsverzeich¬
nissen und dergl., eine Reihe von Schriften gedruckt, welche aus Anlaß der zweiten Säkularfeier
der Universität 1782 erschienen sind. Daß auch unser Liederprogramm für einen bei dieser
Gelegenheit abgehaltenen festlichen Kommers der Studentenschaft bestimmt gewesen sein
v könnte, halte ich für ausgeschlossen; der Würzburger Student von 1782 verstand noch nicht
zu kommersieren.
Dies führt uns auf den Kreis, aus dem aller Wahrscheinlichkeit nach die kleine Lieder¬
sammlung hervorgegangen ist. Der Geist, der uns aus den Gesängen entgegenweht, ist kein
einheimisches Würzburger Gewächs; der in ihnen geschilderte Studententyp ist der des Jena-
ischen „Renommisten", des „Burschen von ächtem Schrot und Korn“; wie er erst jetzt, zum
großen Mißvergnügen des Hofes und der Bürgerschaft, auf den Straßen Würzburgs in Er¬
scheinung trat Es ist ein Kommers ganz nach jenaischem Vorbild, Lieder, „wie man in Jena
singt“. Einige sind wirklich in Jena entstanden; sollte ein Zufall noch eine spätere jenaische
Fassung des „Landesvaters“ zutage fördern, so würden wir ohne Zweifel die gleiche wie
auf unserem Blatte ^erkennen. ,
In der Tat lassen sich eine Menge Fäden, die in dieser Zeit von Jena nach Würzburg
führen, nach weisen; die Beziehungen dauerten bis ins 19. Jahrhundert Man kann sagen, daß
bald nach der Zeit, da jenaische Amicisten Würzburg entdeckten, diese Hochschule geradezu
eine jenaische Kolonie zu werden begann; nach jenaischer Art wurde das Verbindungswesen,
Trinken und Duellieren, das ganze Studentenleben eingerichtet Von ehemaligen Mitgliedern
der fränkischen Landsmannschaft zu Jena wurde noch 1805 die heute noch als Korps bestehende
fränkische Landsmannschaft zu Würzburg gegründet. 8 Daß das vorliegende Kommersprogramm
einer gleichnamigen Vorläuferin derselben seine Entstehung verdankt, könnten die Worte „Pro
Salute Franconicorum “ bei dem bekannten Kommersliede beweisen.
Die hier beigegebene Nachbildung enthebt mich der Wiedergabe der Liedertexte. Der
„Landesvater“ bildet, wie man sieht, den Rahmen für die übrigen Gesänge; ihm gehören
die vier ersten und die beiden letzten Strophen an. Die erste, zweite und vierte Strophe
1 Über die Anfänge Würzburger Verbindungslebens vgl. meine Aufsätze: Würzburger Studentenleben im 18.
Jahrhundert. Arch. d. Hist. Vereins f. Unterfranken 52. Bd. — Würzburger Studentenleben zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Kartell-Zeitung des S. V. Jahrg. XXX.
2 Graf Guido von Taufldrchen, oder Darstellung des zu Jena aufgehobenen Mosellaner- oder Amicisten-Ordens.
Weifienfels und Leipzig 1799. S. 158. Der Verfasser dieses Buchs soll der Hofkommissär F. in J.*** (Jena) gewesen sein.
3 R. Mauermeier, Das Korps Franconia zu Würzburg. München 190$.
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Bechtold: Ein Einblattdruck des „Landesvaters“.
27
entsprechen mit einigen Änderungen den drei ersten der jenaischen Fassung von 1775, sowie
der Tübinger, ebenso ist die letzte Strophe allen Fassungen gemeinsam. In der vorletzten, stärker
veränderten „Auch mein Mädchen .. erkennen wir noch die Strophe des Jenaischen Textes:
„Die Friquette ,
Die Brünette ,
Sei bei jebetn 33urfc$en:@<$maujj;
Pereat »er fte touchiret
Unb fid) über fte moquiret
Pereat fein ganjeS Jpau$!"
Noch nirgends mitgeteilt ist die dritte Strophe „Junge lauffe .. .“ Die nicht gerade ge¬
schmackvollen Verse gehörten vielleicht ursprünglich zu einem anderen, möglicherweise zu
einem Tabakliede; wir befinden uns ja in einer Zeit, in der viele Lieder erst im Begriffe
sind, ihre endgültige Form zu erhalten, Strophen abgetrennt und mit solchen anderer Lieder
zu neuen Liedern vereinigt werden usw. Die Form ist seit Opitz nicht selten; ich erinnere
an die Stelle in Opitz’ Lied: „Ich empfinde fast ein Grawen“:
„Jjotla, Junger gef) unb frage
2Bo ber befle Drum? mag fein.
9iimb ben Ärug unb fuße £Bein ..
an das ebenfalls aus dem Kreise Opitz’ stammende „Mein Freund dir will ich eins singen“,
bei dem die Aufforderung an den Jungen den Refrain bildet. Aus dem 18. Jahrhundert nenne
ich das Lied „Verlaßt, ihr Musensöhne“ mit seiner Strophe:
„9hm, 2R5b<ben, fjolt un* <pfdffen
£oIt 9Jterfeburger ©irr..
Die übrigen Lieder sind mehr bder minder verändert die üblichen, in allen gleichzeitigen
Kommersbüchern zu findenden; den Wortlaut der Lieder „Will mir Minerva nicht“ und „Ein
reiches Weib macht alles gut“ haben Robert und Richard Keil in ihren „deutschen Studenten-
liedem des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts“ nach alten Handschriften mitgeteilt.
Von dem letzteren Lied, einem der zynischsten der ganzen Zeit, scheint in Würzburg nur
die Strophe gesungen worden zu sein:
„Sin ret$e* 2Beib ma$t aUe$ gut,
Obgleich ber ^urfäe uiel »ertbut,
3um Vivat , jum Vivat ber ganjen Compagnie!“
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28
Ein Silhouettenalbum
aus der Göttinger Gesellschaft um 1785.
Von
Dr. Erich Ebstein in Leipzig.
Mit acht Schattenrissen.
„Die Porträtsilhouette des 18. Jahrhunderts .. . wird heute nicht allein
deswegen unser Interesse beanspruchen, weil technisch damals diese
Kunst sich streng und reif dokumentierte, sondern mehr wohl stoffliche
Reize für uns um der silhouettierten Persönlichkeiten willen haben“. 1
Von diesem Gesichtspunkt aus waren die Veröffentlichungen der
Ayrerschen (1899), der Esmarchschen (1903), der Leisewitzschen (1905)
und der Merckschen (1909) Sammlungen auch gerade für die Göttinger
Persönlichkeiten mit großer Freude zu begrüßen.
Was mir aber immer wieder aufgefallen ist, daß gerade die Damen
der damaligen Göttinger Gesellschaft nur sehr spärlich vertreten waren.
Nur Philippine Gatterer, die Göttinger Professorentochter, macht eine Aus¬
nahme. Aber niemals sind mir bisher Silhouetten von Bürgers drei Frauen Dorette und
Auguste (Molly) Leonhart und von Elise Hahn, dem Schwabenmädchen, begegnet.
Durch einen glücklichen Zufall gelangte ich vor kurzem in den Besitz eines Silhouetten¬
albums, das ehemals der in Jahren 1784—86 in Göttingen studierende ungarische Edelmann
Gregorius Franz von Berceviczy (1763—1822) dort angelegt hat. Sie befanden sich zwar
nicht mehr in dem Originalband, sondern sie sind später — um sie besser zu erhalten —
in einen mit reicher Goldpressung versehenen Pergamentband geklebt.
Mir ist die Persönlichkeit Berceviczys, der später um den Wendepunkt des 18. Jahr¬
hunderts für Ungarn eine große Bedeutung als volkswirtschaftlicher Schriftsteller gewonnen
hat, seit 1897 bekannt aus der Buchveröffentlichung seines Enkels, betitelt: „Aus den Lehr-
und Wanderjahren eines ungarischen Edelmannes im vorigen Jahrhunderte“. (Leipzig,
Georg Heinrich Meyer.) Aus diesem interessanten Buch, das der wesentliche Schlüssel für
die im Album wiedergegebenen Silhouetten ist, ergibt sich z. B., daß Berceviczy 2 3 im Sommer
1785 hören wollte: „Übungen in der deutschen Sprache im feinen Stil bei Bürger .“ Als
Berceviczy Göttingen mit seinem Freunde Podmanyitzky verließ, gab Bürger ihnen beiden
am 2. April 1786 einen kurzen Empfehlungsbrief an Ramler mit (Vierteljahrschrift für Littg. IV,
1891, S. 260.) Podmanyitzky 8 ist abgebildet, Bürger nicht. Aber Lichtenbergs wohlgetroffene
Silhouette 4 5 erscheint, und am gleichen Tage wie Bürger schreibt Lichtenberg „diesen beyden
jungen, Ungrischen, protestantischen Cavalieren“ ebenfalls einen Empfehlungsbrief (Briefe,
Band II, S. 258), und zwar an Nicolai. Lichtenberg charakterisiert sie u. a. als „Leute vom
vortrefflichsten Charakter“. Auch die beiden Grafen Ladislaus und Stephan Teleky stehen zu
Lichtenberg in Beziehung; er meldet sie seinem Bruder (Briefe II, 228) am 20. Mai 1785 als
seine Zuhörer in seiner Physikvorlesung. Auch Berceviczy notiert (S. 23) ihre Ankunft
und macht folgende Bemerkung dazu: ,,Man zeichnet hier die Grafen sehr aus, dafür müssen
sie auch alles doppelt bezahlen.“ Die ganze ungarische Kolonie verläßt im Laufe des Jahres
1786 Göttingen. z. B. gehen die Grafen Teleky nach England (B. 33).
Mit dem Fürsten Lichtenstein und dem Prinzen von Nassau ist Berceviczy schon im
Herbst 1784 ziemlich bekannt (B. 19, 21), er macht mit ihnen und dem Grafen Breuner
Schlittenfahrten. Jeden Sonnabend (B. 30) hat Berceviczy mit seinen Freunden einen Club,
wo sie zusammen spielen und soupieren: darunter sind von den abgebildeten: Graf Brenner,
Bern stör ff, Herr von Döring , Fagel zweimal. (Vgl. Pütter 2, S. 19—21.)
Von den von Berceviczy besuchten Kollegien geben die an seine Mutter gerichteten
Briefe Auskunft Er hört bei Meiners 6 u. a. Geschichte der Menschen und bei Beckmann
1 Knudsen , Die Chr. D. Meyersche Silhouettensammlung. Z. f. Bücherfr. N. F. V, 2, 194.
2 B. mit nachfolgender Seitenzahl bezieht sich auf das Buch über Berceviczy.
3 Vgl. Schmidt, Caroline 2, 232; Goethe und die Romantik 1, 228 u. 369.
4 Vgl. Eb&tein, Lichtenbergs Mädchen. München 1907, S. 80 und Merck (Tafel LI)
5 Vgl. die ähnliche Silhouette bei Merck (Tafel XLVII).
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Ebstein: Ein Silhouettenalbum aus der Göttinger Gesellschaft um 1785.
29
Dorothea Schlözcr.
August Ludwig Schlözcr.
Handelswissenschaft und
Warenkunde (B. 16). Mit
den Professoren Schlözer 1 2 3
und Feder 9 ist er am
besten bekannt Bei dem
ersteren hat er schon ge¬
speist, zu dem letzteren
kann er alle Sonntage
kommen (B. 19). Dabei
wird von Lavater erzählt
(B. 23), daß, als man ihm
gleichzeitig die Silhouette
eines Straßenräubers und
dieFeders vorgelegt habe,
Lavater Feder für den
Räuber und den Räuber
für den Professor der
Philosophie hielt Bei
Chr. G. Hayne (gemeint
ist Heyne) hörte er Archäologie, dann auch bei Gatter er* und bei Konsistorialrat Leß.
Der ungarische Edelmann rechnete es sich zur hohen Ehre an, auch in den Familien
seiner Lehrer zu verkehren. So sehen wir Frau Heyne (eine ähnliche Silhouette findet sich
in: Schattenrisse aller teutscher Frauenzimmer. Halle 1785 S. 210), dann Frau Meiners, geb.
Achenwall (ebenda S. 290) . . . Außerdem erscheint Frau Feder .
Von den Göttinger Pröfessorentöchtem erscheint der entzückende Schattenriß von
Charlotte Michaelis , der Tochter des Orientalisten und der Schwester von Caroline. Charlotte,
die den Sohn des Buchhändlers Dieterich heiratete, starb, wie das Kirchenbuch besagt, „im
Wochenbett an einer Inflammation“ — im Alter von 27 Jahren — am 2. April 1793 „kaum
zwölf Monden vereint“, wie die Verse auf dem Grabstein auf dem Göttinger Kirchhof vor
dem Weendertor anheben. Zu ihrer Charakteristik sei auf Erich Schmidt’s „Caroline“ (1913)
verwiesen und auf Fr. FrensdorfTschen soeben erschienene Studie „Die Heimat Carolinens“.
Von Heynes Töchtern erscheint Madame Farster geb. Heyne 4 ,
geb. 1764, auf der
Silhouette ist sie also
etwa 20 Jahre alt:
am 7. September
1785 hatte die Ver¬
mählung mit Förster
stattgefunden. Bei
der andern silhouet-
tierten Tochter Heynes
kann es sich um die
älteste aus Heynes
zweiter Ehe — Wil¬
helmine (nannte sich
später Minette) oder
um die Zweitälteste
— Jeanette — han¬
deln. (Vgl. L. Geiger,
Th. Huber. 1901, S. 15
und M.Eckardt, Briefe
aus alter Zeit. Han-
Frau Forkel, geb. Wedekind. nOVer I91 3 , S. 1 8.) Louise Böhmer.
1 Vgl. die ähnliche Silhouette bei Merck (Tafel XLVI 1 I).
2 Vgl. Merck (Tafel XLVI).
3 Vgl. Hennings Sammlung von Schattenrissen (1782) Nr. 53.
4 Ein Jugendbildnis von Therese Heyne bei v. Hanstein, Die Frauen in der Geschichte des deutschen Geistes¬
lebens. 2. Buch, Lpz. o. J., S. 336.
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30
Ebstein: Ein Silhouettenalbum aus der Göttinger Gesellschaft um 1785.
Alexander von Podmaniczky.
Mit Louise Böhmer (Louise
Auguste Elisabeth) ist die
Tochter des Göttinger Pro¬
fessors Georg Ludwig Böhr
mer gemeint (geb. 16. Sep¬
tember 1768, f 13. März
1823). Sie ist noch vor
ihrer am 17. Oktober 1786
mit Georg Jacob Friedrich
Meister vollzogenen Ver¬
mählung dargestellt. Sehr
wertvoll erscheint mir fer¬
ner der Schattenriß der
Dorothea von Schlözer\ ge¬
boren am 10. August 1770.
Wilhelm Heinse kommt in
einem an Fritz Jacobi ge¬
richteten Briefe aus Rom,
Fräulein Heyne.
vom 16. März 1782, auf die
„reizende elfjährige Tochter“ des „trocknen Schlözer“ zu sprechen, „ein Kind, das ganz artig
italienisch spricht, lateinisch, französisch und spanisch zu lesen angefangen hat, das Klavier
spielt, Bravourarien singt, und voll Lebhaftigkeit ist. Ich bin manchen Morgen und Nachmittag
mit ihr in dem weiten Rom herumgezogen, und sie war fast besser zu Fuß, als der Seeheld
Klingen“ (Ausgabe von Schüddekopf, Briefe II, 155.) Da Berceviczy Ostern 1786 Göttingen ver¬
ließ, wird der Schattenriß vor dieser Zeit angefertigt sein und di^unge Gelehrtin etwa ein Jahr vor
ihrer Promotion am 19. September 1787 zeigen; sie wird „virgo erudita“ genannt und von dem
gleichzeitig promovierten G. A. Bürger heißt es, „cuius poemata cum voluptate legit Germania“.
Ganz besonderes Interesse erregen die Schattenrisse der Frau Forkel und der Frau
Volborth. Berceviczy war im Volborthschen Hause ein gern gesehener Gast und ist dort
„sehr gut aufgenommen worden. Er ist Pastor 1 2 bei der Marienkirche, sie ist eine der ersten
Damen, spielt sehr schön Clavicord und singt.“ (B. 24 u. 29 f.) Berceviczy bringt seine Ruhe-
und Erholungsstunden dort meistens mit Musik zu. „Die Frau ist der interessanteste Teil
des Hauses_ In Göttingen interessiert sich sozusagen, alles für sie. Sie sucht sich also eine
Gesellschaft nach ihrem Geschmack aus, die dann freilich gut gewählt ist... Kein Wort ist da
umsonst gesprochen, alles ist überdacht und fein, keine Zweideutigkeit, nichts Unreines. Diesen
Umgang halte ich fiir mich sehr nützlich“. Diese Charakteristik paßt zu dem, was Consentius
(Bürgers Gedichte II, 364) bemerkt: „Für den Göttinger Klatsch war damit — in diesem Falle
ohne Grund — schon gesorgt“. Bürger hat sie nämlich in einem fragmentarischen Gedicht
(Consentius, ebenda S. 112) als „Aspasia“ bezeichnet. Ich gebe es nur auszugsweise wieder.
. . . „Ich sah Aspasien im Venus Wagen fahren . . .
Ein ganzes Heer von Grafen, von Baronen
und Junkern zog. Es zog Rat, Domherr, Supemdent
Professor, Baccalaur, Hofmeister und Student,
Ein buntes Quodlibet aus allen Erdenzonen.
Die Herrn von Bercewitzy , . . .
.sah ich wie Sklaven ziehen.
Mir fiel . . .
Selbst Luther , — Ehren Luther! — ins Gesicht
Nur Vollhorth nicht!
Mit Luther hatte Bürger schon 1776ZUU111. (Hannov. Geschbll. 1903,8.409.) Er trat jederzeit
geschminkt auf die Kanzel. Seine Tochter Mademoiselle Luther erscheint auch im Schattenriß.
1 Von ihr kenne ich die Büste von Trippei 1782 und ein Bild (beide auf der Univ.-Bibl. in Göttingen.): ein
von Fiorillo gezeichnetes und von Schwenterley 1790 gestochenes Blatt liegt mir in photographischer Nachbildung
vor. (Vgl. Aug. Reuter, Dorothea Schlözer. Göttingen 1887, S. 10. u. 14 f.) Inzwischen gab Falckenheiner (Göttinger
Blätter 1920, Nr. 21—24, S. 17—24) „Einiges über die Büsten und Bildnisse der Dorothea von Schlözer“ heraus.
2 Seine Silhouette aus früherer Zeit bei Zimmermann (Leisewitzens Silhouettensammlung): Jahrbuch des Ge¬
schichtsvereins für Braunschweig: 4. Jahrg. (1905) S. 143 t.
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Ebstein: Ein Silhouettenalbum aus der Göttinger Gesellschaft um 1785.
31
Frau Farkels Bild zeigt, daß sie — die etwa Zwanzigjährige (geb. 22. Februar 1765) —
eine Schönheit war. Auf sie bezieht sich Bürgers Gedicht: „Hört, Enkel, hört . .“, das ich
im Oktober 1905 — nach der Bürgerschen Handschrift faksimiliert — in der Z. f. Bücher¬
freunde mitgeteilt habe. Bürger nannte sie auch „Furciferaria“ (Furcifer = Galgenstrick). Die
Einsicht in die Göttinger Matrikelbücher und Logislisten gestattete mir, die im Silhouetten¬
album Dargestellten einzeln nach¬
zuweisen. Ich erwähne: Georg von
Döring aus Hannover, Heinrich
und Jacob von Fagel aus Haag
(Holland), den Hofmeister Thomas
Theophil Ried(e)l aus Ungarn, den
Hofmeister Andreas Schäfer aus
Regensburg, Burkhard Christo-
pho?us von Vitinghoff aus Riga
und des H(eiligen) R(ömischen)
R(eiches) Ritter Jacob Friedrich
Wagner von Wagenberg aus Wien.
Drei Bilder sind in Rötel¬
manier radiert; zwei hat Zimmer 1
gezeichnet und der Göttinger
Stecher Riepenhausen radiert. Sie
stellen die beiden Brüder und
man rechts Bücher und links eine geöffnete Notenrolle. Berceviczy spielte als Student Violine
und trat dort in Gesellschaften auf (s. oben).
Damit glaube ich auf teilweise neues und interessantes Silhouetten-Material zur Geschichte
des gesellschaftlichen Lebens in Göttingen 8 um 1785 hingewiesen zu haben, aus einer Zeit,
da Göttingen auf der Höhe seines Ruhmes stand und die „Königin der Universitäten 1 ' hieß.
Georg Christoph Lichtenberg.
Grafen Fr . J. und Philipp Anton
Schenk zu Castelle dar. (Vgl
Pütter 2, S. 20.), das dritte wird
aller Wahrscheinlichkeit nach
einen der englischen Prinzen dar¬
stellen, die damals in Göttingen
studierten (Pütter a. a. O. S. 16;
Lichtenbergs Briefe II, 246; Frens-
dorff in der Z. d. hist. V. f. Nieder¬
sachsen 1905). üercewiczy ist mit
ihnen gut Freund und hat schon
mit ihnen gespeist. (B. 45 f.).
Von Berceviczy selbst enthält
das Album einen Stich von „Lö¬
schenkohl in Wien“. Unter dem
Medaillonbild, das sicherlich einer
Zeitschrift 2 entstammt, bemerkt
1 Samuel Zimmer (1751 —1818) war Maler und Univ.-Zeichner in Göttingen. (H. W. Singer, Allgem. Künstler¬
lexikon, Band 5 [1901], S. 150.)
2 Ich konnte die Zeitschrift nicht ausfindig machen.
3 Die Durchsicht des früher angelegten Silhouettenbuches von Carl Schubert auf der Göttinger Univ.-Bibliothek
(Cim. Cod. Ms. hist. lit. 103) hat mir wieder viele lehrreiche Vergleiche gestattet. Ich kann hier nur verweisen auf
Gatterer (S. 16), eine sehr ähnliche von Heyne (S. 17), Feder (S. 21) und Schlözer (S. 22), dagegen ähneln die von
Lichtenberg (S. 24) und Meiners (S. 25) kaum denen in meiner Sammlung. Auch ein „ von Podmanitzky “ — aus Ungarn,
Student der Rechte, ist (S. 102) abgebildet, der in Göttingen von 1775—79 die Rechte studierte. Als Charakteristik
heißt es von ihm: „spielte ein schönes Clavier und war fast in allen Sätteln gerecht. Ging auf Reisen und war 1782
Concipiste bei der Ungarischen Hofkammer.“ Vielleicht ein älterer Bruder unseres Podmanyitzky, der im Herbst 1784
nach Göttingen zum Studium der Rechte kam.
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Unbekannte Dichtungen Fichtes?
Von
Maximilian Müller-Jabusch in Charlottenburg.
V r on 1804 bis 1806 gab der damals gerade der Berliner Pepiniöre entlaufene, noch nicht
zwanzigjährige K, A. Vamhagen — das seinen Vorfahren abhanden gekommene Adels¬
prädikat von Ense holte er erst später wieder aus der Rumpelkammer hervor — zu¬
sammen mit Adalbert von Chamisso einen Musenalmanach heraus, dessen dritten Jahrgang
Ludwig Geiger in den Berliner Neudrucken 1889 wieder veröffentlicht hat Der Almanach
gehört zu den Seltenheiten. Als Geiger seine Neuausgabe veranstaltete, besaß die Berliner
Bibliothek nur den dritten Jahrgang, den zweiten trieb Geiger in der Bücherei der Göritz-
Lübeck-Stiftung auf, und von dem ersten konnte er nur berichten, daß ein Exemplar sich in Goethes
Handbibliothek befinde. Inzwischen hat die Berliner Bibliothek alle drei Jahrgänge erworben.
Geiger hat seiner Neuausgabe eine ausführliche Einleitung vorangestellt, in der er den
Kreis der damaligen literarischen Jüngsten Berlins, in dem der Almanach entstand, schildert
Neben den beiden Herausgebern war in erster Linie Wilhelm Neumann beteiligt, die beiden
Schlegel waren der Gruppe wohlgesinnt, selbstverständlich auch, daß man Goethe hoch ver¬
ehrte. Der erste Jahrgang des Almanachs, den man nach seinem Umschläge den „grünen“
nannte, erregte blitzwenig Aufsehen. Trotzdem gelang es den Herausgebern, für den zweiten
Jahrgang einen ganz bedeutenden Mitarbeiter zu finden, nämlich Fichte . Die Freude darüber
löst sofort ein Sonett an ihn aus, das N. (Neumann) und Ch. (Chamisso) zusammen verfassen
und an den Anfang des Büchleins, das in diesem Jahrgang bei dem Verleger Frölich in
Berlin erschien, stellen. Dann folgen zwei nicht mit Namen gezeichnete Sonette Fichtes, die in
der von seinem Sohne besorgten Gesamtausgabe seiner Werke im achten Bande auf Seite 161
abgedruckt sind. Eine Quelle ist im Gegensatz zu dem in der Gesamtausgabe vorher abge¬
druckten Sonett, das zuerst im Schlegel-Tieckschen Musenalmanach erschien, nicht angegeben.
Sie sind unter der Überschrift Sonette als 1 und 2 bezeichnet, ein drittes (Nichts ist, denn
Gott, und Gott ist nichts denn Leben) ist angehängt Im Musenalmanach findet sie sich auf
Seite 2 und 3, sie lauten:
Sonett .
Wenn dir das inn're Götterwort wird spruchlos,
Verblasset auch die äußerliche Spürung:
Was dich umgiebt, verlieret die Verzierung,
Was von dir ausgeht, ist nur schnöd* und ruchlos.
Die Blüte deines Lebens steht geruchlos,
Was andre leitet, das wird dir Verführung,
Denn du bist außerhalb des All Berührung;
Und so wird dir der äuß*re Laut auch spruchlos;
Das innen Todte glänze noch so scheinsam,
Doch treibt dich fort zu ungemeßner Wehmut —
Die unaufhaltsam schon dich griff — die Brandung.
Drum bleib* ich selber in mir selber still und einsam.
Und pflege fort, in kindergleicher Demuth,
Das Unterpfand der einst*gen frohen Landung.
Sonett.
Was meinem Auge diese Kraft gegeben,
Daß alle Mißgestalt ihm ist zerronnen.
Daß ihm die Nächte werden heitre Sonnen,
Unordnung Ordnung, und Verwesung Leben? —
Was durch der Zeit, des Raums verwormes Weben
Mich sicher leitet hin zum ew*gen Bronnen
Des Wahren, Guten, Schönen und der Wonnen,
Und ihm vernichtend eintaucht all mein Streben?
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Müller-Jabusch: Unbekannte Dichtungen Fichtes?
33
Das ist’s: seit in Uraniens Aug*, die tiefe,
Sich selber klare, blaue, stille, reine
Lichtflamm', ich selber still, hineingesehen;
Seitdem blieb dieses Aug* mir in der Tiefe,
Und ist in meinem Sein — das ewig Eine,
Lebt mir im Leben, sieht in meinem Sehen.
In den Werken finden sich folgende Abweichungen: Sonett i # Zeile 2: äußere Verspürung;
Zeile 7: Des Alls; Zeile 13: mit kindergleicher. Sonett 2: Zeile 7: Des Schönen, Wahren,
Guten; Zeile 8: Und drin; Zeile 9: Uranias.
Das erste Sonett ist mit zwei Sternchen, das zweite mit drei Sternchen unter dem Texte
gezeichnet Genau so hatte Fichte seinen Beitrag im Schlegel-Tieckschen Musenalmanach
(Was regst du, mein Wein, in dem Faß dich?) mit drei Sternchen bezeichnet Die Autor¬
schaft Fichtes an diesen beiden Sonetten dürfte also unbestreitbar sein.
Nun hat es aber den Anschein, als ob der Almanach, dessen meiste Beiträge anonym
oder mit Decknamen erschienen, noch darüber hinaus Gedichte von ihm enthält Varnhagen
erklärt in seinen Erinnerungen (Band 1, Seite 320) ausdrücklich: Fichte hat vier Gedichte
beigesteuert Er gibt aber nicht an, um welche Gedichte es sich handelt In „Fichtes Leben
und litterarischer Briefwechsel“ ist (Band 1, Seite 350) nur ganz allgemein gesagt: „Fichte
hoffte ungemein viel von der literarischen und poetischen Begabung der beiden jungen Männer
(L e. Varnhagen und Chamisso) und überließ ihnen für ihren Musenalmanach, das >grüne Buch«
genannt, seine philosophischen Sonette, welche dort zuerst anonym veröffentlicht wurden.“
Das vermag auch keinen neuen Hinweis zu geben. Varnhagen selbst erzählt später (Seite 335),
es habe den Rezensenten der Jenaer Literaturzeitung gereizt, daß Gedichte mit Sternchen
versehen seien, was eine Nachahmung des Schlegel-Tieckschen Musenalmanaches war. Er
ahne nicht, daß in beiden Fällen derselbe Verfasser, eben Fichte, verdeckt wurde.
Auch damit kommen wir nicht viel weiter, denn außer den beiden Sonetten tragen noch
22 Beiträge Sternchen statt der Automamen, und von ihnen sind allein 16 wiederum Sonette.
Allerdings sind diese Sternchenbeiträge im Inhaltsverzeichnis in zwei Gruppen geschieden,
von denen die eine zwei Übersetzungen lateinischer Hymnen, die andere alles übrige umfaßt
Danach scheint der eine Stern also zwei Autoren zu decken. Nehmen wir die Tatsache hinzu,
daß die beiden unzweifelhaften Beiträge Fichtes einmal mit zwei Sternchen, das andere Mal
aber mit drei Sternchen gezeichnet sind, so ist rein äußerlich die Möglichkeit, daß ihm auch
Beiträge mit einem Sternchen zuzuschreiben seien, gegeben, und die beiden Hymnen würden
zusammen mit den Sonetten die von Varnhagen angegebene Zahl der Beiträge ergeben. Es
kommt hinzu, daß die Redaktion recht mangelhaft war, was sich allein schon aus dem Inhalts¬
verzeichnis ergibt. In der Regel kommen darin die Verfassemamen vor den Beiträgen. Am
Schlüsse sieht das Register aber so aus:
*
Hymnen aus dem Lateinischen Seite 16
i; Auf Marias Geburt (O quam decora)
2. Die unbefleckte Empfängniß Maria's. (Nunquam serenior)
**
Sonett Seite 2
***
Hier fehlt also die Seitenangabe für den Dreistem-Beitrag (nämlich Seite 3) und der
Titel kann auf beide Chiffem bezogen werden.
Rezensionen des Almanachs gibt es in zwei Zeitschriften. Daß die Jenaer Literatur¬
zeitung ihn besprach, erwähnte Varnhagen schon in seinen Erinnerungen. Der Almanach hat
hier aber seltsamerweise sogar zwei Besprechungen, eine in einem Sammelreferat vom 2. Mai
1805, die A.—z. gezeichnet ist, die andere in einer besonderen, ganz ausführlichen Besprechung
vom 6. Mai, gezeichnet M. Z., die besonders bösartig ist und sozusagen an diesem Muster¬
beispiele das Almanachunwesen allgemein abschlachten will. Die erste Besprechung tadelt
mit vornehmlicher Schärfe die Nachdichtungen der lateinischen Hymnen:
„Sonst gibt es auch Übersetzungen in diesem Almanach, worunter Hymnen aus dem Lateinischen,
die aber freilich nicht zu ihrem Vorteil an die trefflichen Nachbildungen ähnlicher lateinischer Gesänge
im Schlegel- und, Tieckschen Almanach erinnern." In der zweiten Besprechung findet sich folgende
Stelle, mit der man Vamhagens oben wiedergegebene Äußerung vergleichen wolle: „. .. die übrigen
xni, 5
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Müller-Jabusch: Unbekannte Dichtungen Fichtes?
Poeten Robert, Eduard, Ernst, Anthropos, Wolfart, *, **, *** usw., vermutlich lauter erwählte Namen,
die weiter nichts zur Sache tun, als daß mit ihnen schon die Nachbildung beginnt, denn man erinnert
sich, daß in dem Musenalmanach von 1802 . .. auch dergleichen als Novalis, Bonaventura, Jehumanus,
auch Sternchen ... vorkamen“ und „Hymnen aus dem Lateinischen durften nicht fehlen; die Vf. haben
sich sogar in ihrer Auswahl bis zur unbefleckten Empfängnis der Jungfrau erhoben.“
In beiden Besprechungen sind also die Hymnen besonders hervorgehoben, die Sonette
dagegen nicht
Merkwürdiger als diese Besprechungen ist ein Artikel in der von Biester herausgegebenen
Neuen Berlinischen Monatsschrift (1805, Bd. 2, Seite 57), der unter der Überschrift „Ein Ber¬
linischer Musenalmanach" das Büchlein nach stramm antiromantischen* Prinzipien verreißt.
Hier wird auch eines der beiden Fichteschen Sonette vorgenommen:
„Ein Almanach ohne Sonette wäre itzt, wie der Gast im Evangelium ohne hochzeitliche Kleider.
Nein! man hat nicht Lust, sich in die Finsternis hinauswerfen zu lassen, wo Heulen und Zähneklappen
ist; lieber heult man gleich selbst und macht, daß den Zuhörern die Zähne klappern. Hier ist eine
Probe davon aus dem Anfang des Sonetts S. 2.“
Es folgt dann die erste Strophe des Sonetts, das im einzelnen mit bissigen Bemerkungen
zerpflückt wird. Besonders peinlich empfindet der Rezensent die möglicherweise katholische
Tendenz, und deshalb wendet er sich nach einer langen Abschweifung allgemein anti¬
klerikaler Natur gegen die Hymnen:
„... Und nun zurück zu unserem Almanach, dessen Dichter man für verkleidete Kapuziner halten
möchte. Denn nicht das Erhebende, Schöne, Geistige, Phantasiereiche, dessen so viel in der katholi¬
schen Religion ist, wissen sie auszuwählen, sondern legen uns zur Empfehlung gerade das Ungenie߬
barste vor: Unverständliche Dogmen, tändelndes Wörter- und Bilderspiel, mystische Allegorien, und
Verse, wie sie zu so altfränkischer Ware passen. Damit man sehe, was hierin möglich sei, was in einem
Musenalmanach für das Jahr 1805 in Berlin wirklich gedruckt steht, schreibe ich das Unglaubliche ab:
die gereimte Übersetzung eines gereimten, lateinisch-katholischen Kirchenliedes, einen Gesang auf die
unbefleckte Empfängnis Marias! Es ist, man zweifele, wie man wolle, ein Faktum; die Verse stehen in
dem genannten Musenalmanach S. 17, sage siebzehn. Und der Verfasser dieser Verse? Es wäre merk¬
würdig zu wissen , ob es der ist , welcher haiblaut dafür angegeben wird.
Ein munterer Freund hat parodierende Verse an den Verfasser des deutschen Gesanges gemacht
und mir mitgeteilt Da, als Aktenstück, der Gesang hier gedruckt stehen muß, so liefere ich zur Er¬
heiterung bei diesem Anblick eines Dichters von der traurigen Gestalt, auch die Parodie.“
Es folgen nun nebeneinander die Wiedergabe der Hymne „Die unbefleckte Empfängniß
Maria’s“, die in der Neuen Berlinischen Monatsschrift in drei Teile mit Sonderüberschriften
zerlegt ist; m der hier folgenden Wiedergabe ist der Text der Hymne selbst nach der Schreib¬
weise im Almanach gegeben.
An die unbefleckte Empfängniß Maria*s.
Niemals erquickender,
Niemals entzückender
Föbus sich wiese;
Als da erneuet ward.
Höher geweihet ward
Das Paradiese.
Marienlied.
Dieses beladet nicht,
Innerhalb schadet nicht
Teuflische Lugsucht,
Noch der versagete
Kläglich gewagete
Biß in die Trugfrucht.
Dieses verderbten nicht,
Diesem vererbten nicht
Giftige Düfte:
Nährend durchgehen es.
Klärend durchwehen es
Heilige Lüfte.
An den Verfasser des nebenstehenden Gedichts.
Niemals wohl närrischer
Und dabei herrischer
Föbus sich wiese:
Als da erneuert ward,
Als da geleiert ward
Das Paradiese.
An den Verfasser.
Dieses beladet wohl.
Überall schadet wohl
Alberne Reimsucht;
Und der versagete
Kläglich gewagete
Grif nach der Goldfrucht.
Alles verderbet Ihr,
Denn Ihr vererbet hier
Thörigen Dünkel.
Kühnlich zwar zeigt er sich;
Doch bald verkreucht er sich
Schmählich im Winkel.
Google
Original fro-m
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Müller-Jabusch: Unbekannte Dichtungen Fichtes?
35
Wie im gedrängten Heer
Stehn in ihm eng umher
Tugenden-Blüthen;
Saugen ohn* Überdruß
Nektar vom Überfluß
Göttlicher Güten.
Marienlied.
Mitten im Schwebe-Raum
Thut es den Lebebaum
Treuiglich warten:
Lebebaum Jesus ist
Unser Herr Jesus Christ;
Gehn wir zum Garten
Gehn wir, er offen ist,
Kühnlich zu hoffen ist.
Sind wir da, siehe,
Dies Paradiese sieh,
Wie es sich wiese nie
Jungfrau'n Marie.
Wie im gedrängten Heer
Stehn um Euch eng umher
Läppische Affen;
Hören ohn* Überdruß
Narrheit im Überfluß,
Staunen und gaffen.
An den Verfasser.
Wankend im Schwebe-Raum
Glaubst Du den Lorbeerbaum
Föbus's zu warten.
Doch es ist dürres Reiß.
Hörst Du der Musen Geheiß:
Raus aus dem Garten!
Fort, weil er offen ist.
Und noch zu hoffen ist,
Wirst Dich bekehren!
Denn solche Poesie
Wie sie sich wiese nie,
Mag niemand hören.
An diese Hymne schließe ich die im Almanach an erster Stelle stehende an:
Auf Maria*s Geburt.
Hellglänzend steigt her,
Auroren bleicht er, —
Dein Aufgang, du Überschwängliche;
Mond, Sonne bist du.
Das Lichtreich bist du,
Maria, das unvergängliche.
Ich will alleine
So deinem Scheine
Nachgehn hienieden im Flimmerlicht:
Mond, Sonne bist du.
Die Fackel bist du,
Hinleitend zur Quelle vom Himmellicht.
Irrt wer in Wogen
Von Nacht umzogen,
Geworfen im Kahne, dem krachenden;
Mond, Sonne bist du,
Der Leuchtthurm bist du
Dem Segler zum Porte, dem lachenden.
Darum der Theuren
Geburt wir feiren
Wohl über den Erdkreis, den schwebenden;
Seit sie die Sfären
Gewollt entbehren,
Maria, die Mutter der Lebenden.
An der Besprechung der Monatsschrift, die sonst übrigens keine Rezensionen zu bringen
pflegt, ist der Angriff auf den ungenannten Verfasser der Hymnen merkwürdig. Der Rezensent
drückt sich zwar hypothetisch aus, aber die ganze Art des Angriffs läßt die bestimmte Rich¬
tung gegen einen Autor, den der Rezensent wohl kennt aber nicht nennen will, erkennen.
Und hier liegt die Vermutung, daß mit dem Angegriffenen Fichte gemeint ist, durchaus auf
der Hand und wird noch dadurch wahrscheinlicher, daß der Mitarbeiter der Monatsschrift
sich schon im Anfang das Fichtesche Sonett zum Angriffspunkt erkoren hat
Eine andere Quelle macht die Wahrscheinlichkeit so gut wie zur Gewißheit Im damaligen
Berlin spielte als Kritiker eine ganz bedeutende Rolle der Livländer Garlieb Merkel, einer der
wütendsten Feinde der Frühromantik und ein heftiger Gegner Goethes. In seinen „Briefen
an ein Frauenzimmer über die wichtigsten Produkte der schönen Litteratur“, im Feuilleton
der Haude und Spenerschen Zeitung, das er redigierte, und in dem von ihm herausgegebenen
„Freimüthigen“ hatte er Plattformen genug, um diesen Kampf nach bester Klopffechtermanier
zu fuhren. Merkel wandte sich auch gegen den Almanach. Vamhagen erzählt darüber (S. 305):
„Am schlimmsten aber verfuhr Garlieb Merkel mit uns, der verrufene kleine Kritiker, der den Ver¬
stand und Geschmack gegen die neue Schule zu verfechten unternommen hatte und in diesem Kampfe
das possierlichste Schauspiel und die traurigsten Blößen gab. Doch galt er bei vielen Leuten noch als
eine Stütze der guten Litteratur. . .“
Freilich beziehen sich diese Worte Vamhagens auf den ersten Jahrgang des Almanachs.
Eine Besprechung dieses ersten Jahrganges mit Merkels Namen ist mir aber ebensowenig
bekannt wie eine des zweiten, wenn nicht diese Kritik in der Neuen Berlinischen Monats¬
schrift von Merkel herrühren sollte und Varnhagen sich im Jahrgang geirrt hat, was nach
so vielen Jahren ja möglich ist. Allerdings ist Merkel sonst nicht Biesters Mitarbeiter, aber
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Müller-Jabusch: Unbekannte Dichtungen Fichtes?
vielleicht lag ihm daran, an einem sonst nicht gewohnten Orte anonym aufzutreten, und dem
Stil nach könnte der Aufsatz schon von ihm herrühren.
Grund zum Angriff gegen Fichte hatte er, denn dieser hatte ihm wohl zuerst, als er nach
Berlin kam, einen Besuch gemacht, sich dann aber scharf gegen ihn erklärt, ja gelegentlich
drucken lassen: „Wenn man einem Hunde das Vermögen der Sprache beibringen könnte, so
würde dieser eine Ästhetik entstehen lassen, nach welcher jeder Spitz die Fehler in Herrmann
und Dorothea so fertig nachweisen könnte, als es jetzt nur Gottfried Merkel vermag.“ Als
eine Antwort hierauf wäre in diesen Jahren, in denen die literarischen Pamphlete wie die
Pilze aus der Erde wuchsen, eine so bissige Parodierezension schon denkbar. Denn auch die
von Vamhagen erwähnte abfällige Kritik Merkels, sei es nun die angeführte oder nicht, rief
ein Gegenunternehmen der Getroffenen hervor. Vamhagen berichtet darüber (S. 350):
„Für dieses Mißgeschick... mußte uns ein literarischer Streifzug trösten, der gegen Garheb Merkel
ausging. Berlin hatte uns das Treiben dieses Kritikers im widrigsten Eindruck aufgefrischt, einige ge¬
druckte Stellen über ihn von Jean Paul Richter, von Schlegel und anderen lagen zu erneutem Gebrauch
fertig; handschriftliche Scherze und Bitterkeiten fanden sich dazu, und alles dies zusammen gepackt
erschien als Testimonia auctorum de Merkelio gedruckt, um der eben angekündigten Ausgabe seiner
sämtlichen Schriften empfehlend vorauszulaufen. Das Büchlein, mit einer Fratze geziert, sauber ge¬
druckt und geheftet, machte Glück. Die Teilnahme Bemhardis wurde sorgfältig verschwiegen . .
Dieses Pamphlet, im Untertitel „Paradiesgärtlein für Garlieb Merkel“ genannt und angeb¬
lich in Köln bei Peter Hammer verlegt, an dem neben Vamhagen und Bemhardi noch Wil¬
helm Neumann beteiligt war, erschien im Herbst 1805; derZeitpunkt könnte ein, freilich nur
schwaches, Argument für Merkels Autorschaft an der Rezension bilden.
Daß Merkel aber den intensivsten Anteil an diesem Almanache genommen hat, geht
aus seinen autobiographischen Schriften hervor. In den 1839 erschienenen „Darstellungen und
Charakteristiken aus meinem Leben“ behandelt er im zweiten Bande auch Fichte und seine
Beziehungen zu ihm. Für uns sind folgende Stellen auf S. 121 und S. 122 wichtig: „... ging
er (Fichte) nach Berlin, wo er darzuthun suchte, der Sinn der Wissenschaftslehre stimme völlig
überein mit der Christlichen Religion, ja sogar Gedichte im Style der altfränkischen Tieck-
schen Manier, die fromm aussahen.“ Diesem Satze ist folgende Fußnote angehängt:
„Sie bewiesen nur, daß der tiefe Denker keinen Beruf zum Dichten habe und klangen gar ergötz¬
lich. Mir schwebt ein Fragment eines derselben im Gedächtniß und ich will es hersetzen als Beleg zu
dem, was ich über sie sagte:
Niemals erquickender, .
Niemals entzückender .
Phöbus sich wiese, .
Als da erfunden ward, Lebensbaum Jesus ist.
Als da ward offenbart, Unser Herr Jesus Christ!
Das Paradiese. Geh*n wir in Garten! —
Diese merkwürdige Verirrung eines sonst so ausgezeichneten Kopfes wurde in einem poetischen
Taschenbuche gedruckt/*
Mir scheint, daß diese Stellen die Beweiskette schließen. Merkel konnte, da seine Zeitschrift
bei demselben Verleger Fröhlich wie der Almanach erschien, sehr wohl unter der Hand sicher
erfahren haben, wer die Autoren waren, wenn nicht die Autorschaft Fichtes überhaupt ein öffent¬
liches Geheimnis in den literarischen Kreisen Berlins war. Und daß da nicht irgend eine Ver¬
wechslung vorliegt, sondern daß der Umstand, daß Fichte der Übersetzer der beiden Hymnen
war, einen nachhaltigen Eindruck auf Merkel machte, sieht man daran, daß er die Verse noch
nach mehr als 30 Jahren mit so geringen Abweichungen vom Original aus dem Gedächtnis
reproduzieren konnte, wie denn freilich sein Gedächtnis überhaupt recht zuverlässig ist
Wenn also wirklich, wie Vamhagen behauptet, — und daran zu zweifeln ist kein Anlaß
— Fichte vier Gedichte für den Berlinischen Musenalmanach von 1805 beigetragen hat, so
dürften die beiden bisher noch nicht identifizierten Gedichte die aus dem Lateinischen über¬
setzten Hymnen auf Marias Geburt und die unbefleckte Empfangniß Marias sein. Dagegen
spricht nichts, dafür so vieles, daß ich den Indizienbeweis erbracht zu haben glaube.
Für den Dichterruhm Fichtes ist damit freilich wenig gewonnen, denn das heutige Emp¬
finden wird den Kritikern des Almanachs mehr oder weniger beistimmen, aber die Kenntnis
der Persönlichkeit ist damit vielleicht um eine Linie verfeinert Und recht interessant ist die
Tatsache für die damaligen literarischen Zustände Berlins.
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Die Zauberflöte — eine revolutionäre Oper.
Mitgeteilt von
Dr. Louis Liebmann in Frankfurt a. M.
I n den längst vergilbten Blättern „Reich der Toten (Neuwieder Zeitung)“, Jahrgang 1817,
Nr. 98, Seite 78off., fand ich den im Titel angegebenen Aufsatz, der wohl jetzt gerade
auf erneutes Interesse zählen darf. Er lautet:
„So viele tausend Menschen in Deutschland, die durch den Zauber der Mozartischen Musik seit
mehr als 25 Jahren in jene allberühmte Oper gelockt wurden, hätten sich wohl nicht beifallen lassen,
daß dieselbe ein Machwerk der damaligen französischen Jakobiner sei und keinen anderen Zweck habe,
als alle Tronen umzustürzen. Gleichwohl hat ein eifriger Royalist jener Zeit diese Behauptung auf-
gestellt, und da man auch jetzt wieder hinter zufälligen Erscheinungen große gefährliche Dinge arg¬
wöhnet, so wird es unseren Lesern nicht unangenehm sein, zu erfahren, was jener scharfsinnige Jakobiner¬
riecher sogar aus unserer armen Zauberflöte zu machen gewußt hat. — Er beginnt mit dem Komödien¬
zettel. Die Personen sind:
Die Königin der Nacht (bedeutet die vorige Regierung).
Pamina, ihre Tochter (bedeutet die Freiheit, welche immer eine Tochter des Despotismus ist).
Tamino (bedeutet das Volk).
Die drei Nymphen (Damen) der Königin der Nacht (bedeuten die Deputierten der drei Stände).
Sarastro (bedeutet die Weisheit einer besseren Gesetzgebung).
Die Priester des Sarastro (bedeuten die Nationalversammlung).
Papageno (bedeuten die Reichen).
Papagena (bedeutet die Gleichheit).
Monostatos, der Mohr (bedeutet die Emigranten).
Sklaven (bedeuten die Diener und Söldner der Emigranten).
Drei gute Genien (bedeuten Klugheit, Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe, welche Tamino leiten).
Die Idee, fährt er nun weiter fort, die diesem Stücke zugrunde liegt ist: Die Befreiung des fran¬
zösischen Volkes aus den Händen des alten Despotismus durch die Weisheit einer besseren Gesetzgebung.
Gang des Stückes:
Tamino wird von einer ungeheuren Schlange (dem bevorstehenden Staatsbankerott), die ihn zu
verschlingen droht, verfolgt. Die Königin der Nacht will ihn gern retten, da auf der Existenz des
Tamino auch die ihrige beruht. Sie kann es aber nicht allein und braucht ihre drei Nymphen dazu,
die auch das Untier vernichten. Tamino bricht in lauten Dank gegen seine Erretterinnen aus und
erhält von ihnen noch außerdem ein vorzügliches Geschenk, eine Zauberflöte (die Freiheit, für sein
Bestes sprechen und sich beklagen zu dürfen.) Zugleich trägt ihm aber die Königin auf, ihre Tochter
aus den Händen eines grausamen, wollüstigen und tyrannischen Königs, des Sarastro zu befreien, der
sie ihr geraubt habe und in einer Höhle verborgen halte. Um den Tamino destomehr zu diesem Unter¬
nehmen zu entflammen, verspricht sie ihm diese Tochter dann zur Ehe; welches aber ihr wahrer Ernst
nicht ist, da sie schon längst dem Monostatos von der Königin der Nacht zur Gemahlin versprochen
worden ist. Tamino schwört der Königin, alle Kräfte anzuwenden, ihr die geraubte Tochter wieder¬
zuschaffen. Die Königin läßt ihm durch die Nymphen sagen, daß er sich bei seinem Abenteuer nur
ganz auf die Leitung der drei guten Genien verlassen sollte. Nun tritt er wirklich in Begleitung des
Papageno (der Reichen, die, wie bekannt, darum, daß sie vor der Revolution so sehr vom Adel und
der Geistlichkeit zurückgesetzt wurden, sehr gern durch ihren Einfluß die Staatsveränderung bewirken
halfen) seine Reise in die Staaten des so sehr verschrieenen Sarastro an. Aber wie erstaunt er, als er
in diesem gerade das Gegenteil von dem findet, was er erwartet hatte! Sarastro ist zwar ein mächtiger
und glänzender König, aber diese Macht und dieser Glanz sind nicht auf den Ruin der Untertanen,
nicht auf den Schweiß und das Blut seines Volkes, sondern auf die beste Regierungsform begründet,
daher ihn auch seine Untertanen innig lieben und unter seinem weisen Zepter höchst glücklich sind.
Er erscheint auf einem von wilden Tieren gezogenen Triumphwagen anzudeuten, daß gesetzgebende
Weisheit die natürliche Roheit des Menschen mildert, und daß ihr die ganze Welt mit Freuden sich
unterwirft.
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38 Liebmann: Die Zauberflöte — eine revolutionäre Oper.
Statt den Tamino, wie dieser glaubte, feindselig zu behandeln, kommt ihm Sarastro mit Liebe
entgegen: sagt ihm, daß er von der Königin der Nacht betrogen, offenbar in sein Unglück rennen
würde, wenn er willens wäre, den Versuch zur Ausführung seines Vorsatzes zu wagen und bietet ihm
freiwillig an, ihn in den Tempel der Ehre und Glückseligkeit zu führen, wenn er ihm folgen wolle.
Tamino, gerührt von der Güte des trefflichen Alten, überzeugt von der Wahrheit seiner Äußerungen,
überläßt sich nun mit ganzer Seele dem Sarastro, besonders da ihm dieser feierlich verspricht, ihm die
holde Pamina zur Ehe zu geben. Sarastro beruft nun seine Priester zusammen, um ihnen vorzutragen,
daß er den Tamino wert halte, in den Tempel der Ehre und des Glückes aufgenommen zu werden und
läßt sie darüber abstimmen. Auch diese halten ihn einstimmig dessen würdig; ihre Verhandlungen
darüber drücken sie durch weit schallende Sprachrohre aus zum Zeichen, daß sie an den ganzen Erd¬
boden gerichtet sind.
Auch erleuchten die Priester bei der Aufnahme des Tamino die grausen vollsten Orter mit Fackeln,
anzudeuten, daß endlich auch die Fackel der Aufklärung in die finstersten Gegenden des Weltalls
dringe. Ehe aber Tamino wirklich in den Tempel des Glückes gelangen kann, muß er sich alle die
mühseligen Vorbereitungen gefallen lassen, welchen ein jeder Eingeweihte sich unterwerfen mußte.
Hierher gehört das ihm auferlegte Schweigen, das Verweilen an grausenvollen Ortern und endlich
die fürchterliche Probe des Feuers und des Wassers. Alles das besteht Tamino, überzeugt von der Güte
des alten Sarastro, mit dem standhaftesten Mute und wird endlich mit seiner Pamina in den Tempel
des Glückes aufgenommen, wo sie seine Gattin wird. Sein Begleiter Papageno, der anfangs, so lange
das Abenteuer recht nach Wunsch ging, guten Mutes und selbst prahlerisch war, ist im Grunde ein
schwacher und roher Mensch, der, so gern er auch glücklich sein möchte, doch jede Anstrengung und
Schwierigkeit haßt und sich nicht gern etwas versagt. Während Tamino geduldig alle auf erlegte Proben
aushält, denkt er nur an seine plumpen Vergnügungen, Fressen und Saufen. Er sieht indes bald ein,
daß dies alles doch nicht wahrhaft glücklich macht und will daher, seines Lebens satt und furchtsam
vor kommenden Gefahren, sich aufhängen. Zur rechten Zeit wird er jedoch noch durch die drei guten
Genien eines Besseren belehrt und gibt, wiewohl immer höchst ungern, dem alten Weibchen — heute
Papagena genannt — (der Gleichheit, als der ältesten Eigenschaft des menschlichen Geschlechtes) —
seine Hand, das sich nun wieder in ein holdes Mädchen verjüngt und den Papageno glücklich macht.
Das Auszeichnende an Papageno ist: Schöne Federn über den ganzen Leib, wegen seiner Eitel¬
keit. Die Hirtenpfeife bezeichnet seine Roheit, und das Glockenspiel (wonach alles tanzen muß, als
eine Wirkung des Reichtumes) gleicht dem Schalle des Goldes, das in den Händen der Reichen zirkuliert.
Monostatos (die Emigranten) sucht auf alle Weisen dem Glücke des Tamino Hindernisse in den
Weg zu legen, durch List und Trug, auch durch Gewalt; so daß er am Ende die Pamina gar töten will.
Aber Sarastro straft ihn dafür. Noch einmal rafft er seine letzten Kräfte zusammen, um mit der
Königin der Nacht einen Sturm auf den Tempel des Glückes zu wagen; aber er wird auf ewig mit ihr
in den Abgrund gestürzt, nachdem er vorher feierlich geschworen hat, daß er mit seiner geliebten, ihm
an Schwärze gleichenden Königin stets verbunden bleiben wolle.
Die wilden Tiere, die auf die süßen Töne der Flöte ihre Wildheit auf einige Zeit ablegen, sind
Löwen (Wappen der Niederlande), Leoparden (England), Adler (Österreich, Rußland und Preußen).
Die übrigen bedeuten die kleinen Staaten.
Nun was sagen dazu unsere Leser? Hätten sie wohl jemals dergleichen in der Zauberflöte ge¬
sucht? — An diesem Beispiele aber mögen sie erkennen, wie scharfsinnig der Argwohn ist und wie er
die unschuldigsten Dinge zum Gegenstände der Verfolgung zu machen sucht.“
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39
Spenden aus der Weimarer Landesbibliothek.
Von
deren Direktor Professor Dr. Werner Deetjen.
IX. Zum Tiefurter Journal.
W ährend bisher nur sechs Exemplare des Tiefurter Journals bekannt waren, hat sich
hier ein siebentes gefunden, das fünfte in Weimar. Es stammt aus dem Besitz des
Großherzoglichen Hauses und ist vor einigen Jahren der Bibliothek überwiesen
worden. Vermutlich wurde es erst im neunzehnten Jahrhundert von Kräuter für die Gro߬
herzogin Maria Paulowna unter Zugrundelegung alter Stücke zusammengestellt, indem dieser
das Fehlende aus anderen Exemplaren, besonders dem Herderschen, abschreiben ließ. Die
in den alten Stücken anfangs nicht vorhanden gewesenen Kompositionen trug Kräuter selbst
nachträglich lein. Der stattliche, guterhaltene Folioband ist im Gegensatz zu allen anderen
Exemplaren vollständig, d. h. er umfaßt alles, was der siebente Band der Schriften der Goethe-
Gesellschaft bringt, freilich auch nicht mehr. Die überall fehlenden Stücke 17 und 41 hat
Kräuter durch Umstellung des Materials zu ersetzen versucht, aber der Versuch ist als mi߬
glückt abzulehnen.
Vorhanden ist in dem neu aufgefundenen Exemplar das sonst nur zweimal existierende
„Avertissement 14 , ebenso die Bemerkung am Ende des ersten Stückes: „Man unterzeichnet
sich usw. 44 Handschriftliche Eintragungen aus alter Zeit nennen als Verfasser von Nr. 2 in
Stück 3 (Schriften der Goethe-Gesellschaft VII, S. 21 ff.) Wieland, der Mitteilung an die
Herausgeber (ebenda S. 39 fr.) Merck, des Beitrages „Aus dem Malebarischen 44 in Stück 19
(ebenda S. 151) den Prinzen August, in Nr. 49 „An Laura, früh 44 Einsiedel. Die Vermutungen
v. d. Hellens finden hier also eine neue Stütze. Beiträge Herders sind mehrfach mit einem
H. unterzeichnet, und nach dem Aufsatz „Verstand und Herz 44 ist eine Abschrift von Herders
späterer Bearbeitung eingeheftet. Das in allen Exemplaren titellose Gedicht „Sey gegrüßet,
süße Liebe 44 (Schriften S. 171 f.) trägt hier die Überschrift „Neue Liebe 44 .
X. Hebbel als Entleiher.
Der Nachlaß meines hochverdienten Vorgängers Reinhold Köhler birgt ein an ihn
gerichtetes Blatt von Hebbels Hand aus der Zeit, da der Dichter zur Uraufführung der
„Nibelungen 44 in Weimar weilte.
Herrn Dr. Köhler, Wohlg.
Hiebei 7 Bücher.
Hiebei, mein verehrter Herr Doctor, mit herzlichem Dank die mir anvertrauten Bücher, an
Zahl sieben, zurück. Entschuldigen Sie, daß Sie mich gestern Abend nicht fanden, eine ganz un¬
vorhergesehene Einladung, die sich nicht ablehnen ließ, entzog mich dem Erbprinzen. 1 2 Emp¬
fehlen Sie mich dem Herrn Hofrath Preller* und behalten Sie mich in freundlichem Andenken.
Weimar d. 20 May 1861. ^
Fr. Hebbel.
Nach dem noch vorhandenen, von Hebbel Unterzeichneten Leihschein hatte der Dichter
am 14. Mai 1861 folgende Werke von der großherzoglichen Bibliothek entliehen:
Wolzogen , Karl August Alfred Freiherr von: Über Theater und Musik. Breslau 1860. 8°.
Stahr, Adolf: Weimar und Jena. Ein Tagebuch. 1. und 2. Thl. Oldenburg 1852. 8°.
2 Bde.
Heine, Heinrich: Der Salon. 1.—4. Bd. Hamburg 1834— 4 °- 8°. 4 Bde.
1 Das bekannte Hotel am Markt.
2 Ludwig Preller, 1847—1861 Oberbibliothekar in Weimar.
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40
Klenz: Mikrologische Schriften. II.
XL Wieland als Mitarbeiter der Erfurtischen Gelehrten Anzeigen.
Bernhard Seuffert spricht in seinen Prolegomena zu einer Wieland-Ausgabe (Berlin 1909.
Verlag der Königl. Akademie der Wissenschaften. V, S. 20) und in den Beiträgen zur Wie¬
land-Bibliographie (Mitteilungen des österreichischen Vereins für Bibliothekswesen) XI, S. 160
die Vermutung aus, Wieland sei der Verfasser einer Besprechung von „Heinrich und Emma,
ein Gedicht aus dem Englischen des Prior. In der Richterischen Buchhandlung 1772“, die
sich in Stück 9 und 10 der Erfurtischen Gelehrten Zeitungen für das Jahr 1772 findet. Diese
Vermutung wird durch einen Brief des Erfurter Literarhistorikers Joh. Georg Meusel an den
Weimarer Bibliotheksakzessisten Joh. Samuel Gottlob Schwabe (Erfurt, 23. Jan. 72) bestätigt,
in dem es u. a. heißt: „Von Hrn. Wieland werden Sie bald vortreffL Artickel in unsem Zei¬
tungen zu lesen bekommen, z. E. von Priors Heinrich und Emma.“ (Handschriftlich unter den
Schwabiaha der Landesbibliothek.)
Mikrologische Schriften.
Von
Dr. Heinrich Klenz in Berlin-Steglitz.
II. (Fortsetzung und Schlufi.)
B ernhard hat zwei Gruppen von mikrologischen Schriften aufgestellt Die erste umfaßt die
Encomia oder Lobschriften auf solche Gegenstände, die allgemein des Lobes nicht für
wert erachtet werden. „Die Titel der Bücher“, heißt es bei ihm S. 636f., „legen öfters zeitlich
an Tag, daß das nigrum [,das Schwarze 1 d. h. der Druck, der Text] derselben wenig in recessu
[d. h. hinter sich] habe. Denn es haben viele von dem Lob geringgeschätzter Tiere geschrie¬
ben, als von dem Lob des Flohs, so ist Philanders belobter Flohe bekannt, vom Lob der
Fliegen und vieler andern mehr. Caspar Dornavius [1577—1632, zuletzt Leibarzt zu Brieg,
vorher Rektor] hat dergleichen Schriften zusammengetragen und dieselben unter dem [hier
genauer wiedergegebenen] Titel: Amphitheatrum sapientiae socraticae joco-seriae, h. e. encomia
et commentaria autorum prope omnium, quibus res aut pro vilibus vulgo aut damnosis habitae
stylo patrocinio vindicantur, exornantur 1619 zu Hanau in zwei Quartbänden herausgegeben.
Des Griechen Marcion Rede von dem Lob des Rettichs, des Pythagoras Buch vom Knob¬
lauch, des Diokles Lobrede von der Rübe, des Chrysippos und Cato vom Kohl, des Phanias
von der Nessel hat er nicht mit einrücken können, weil sie verloren gegangen. Und bei
einer solchen Arbeit hat mancher viel Zeit verschwendet; die Ursache und Gelegenheit dazu
mag wohl die Hoffart sein, indem diese Schriften an Tag legen sollen, daß ihre Verfertiger
geschickt sind, auch einer Laus einen Panegyrikus zu halten/' Dornavius selbst hatte 1617
ein „Encomion Scarabaei“, ein Lob des Mistkäfers, geschrieben. Im Jahre 1676 erschien zu
Nijmegen eine Sammlung unter dem Titel: Admiranda rerum admirabilium encomia, hoc est
dissertationum ludicrarum necnon amoenitatum scriptores varii, des Inhalts: Puteanus, Ovi
encomium (Lob des Eies); Melan(ch)thon, Laus formicae (L. der Ameise); Scribonius, Muscae
encomium (L. der Fliege); Lipsius, Laus elephantis; Calcagninus, Encomium pulicis (L. des Flohes);
Heinsius, Laus pediculi (L. der Laus); Cardanus, Encomium podagrae; Pirckheimer, Apologia
podagrae; Menapius, Encomium febris quartanae (L. des Quartanfiebers); Gutherius, Tiresias
sive caecitatis encomium (L. der Blindheit); Jonston, Laus senis (L. des Greises). Zu dem
Lob des Flohes sei bemerkt: Es gibt eine „Dissertatio juridica de eo quod justum est circa
Spiritus familiäres foeminarum h. e. pulices, quaestionibus theoretico-practicis rarioribus adomata,
variis variorum dicasteriorum praejudiciis aucta“ (d. h.: Juristische Abhandlung über das was
Rechtens ist in betreff der Hausgeister der Frauen d. i. der Flöhe, mit seltneren theoretisch¬
praktischen Fragen versehen, um verschiedene Vorentscheidungen verschiedener Gerichte ver¬
mehrt). Der Verfasser bezeichnete sich als Opizius Jocoserius (der Zuname bedeutet einen
Scherzhaft-Emsthaften, also etwa einen Humoristen), Dr. juris aus Verona. Die erste Aus¬
gabe der oft aufgelegten, 24 Quartseiten umfassenden Schrift erschien 1683 in Marburg.
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Klenz: Mikrologische Schriften. II.
41
Später wurde sie von dem wirklichen Verfasser, dem Marburger Rechtslehrer Otto Philipp
Zaunschliffer 1 (1653—1729, aus Hanau) als Nr. I zusammen mit folgenden Schriften unter
dem gemeinsamen Titel Tractatus varii de pulicibus herausgegeben: II. Laus et defensio pulicum
(d. h.: Lob und Verteidigung der Flöhe), ex Masenii (Jac., SJ., 1606—95) Exercitationibus;
HI. Vituperium et damnatio illorum ejusdem autoris (d. h.: Tadel und Verurteilung jener von
demselben Verfasser); IV. Floiä Griffholdi Knickknackii ex Floi'landia cortum versicale de
flohis swartibus illisque deiriculis, quae minschos fere omnes, mannos, weibras, jungfras etc.,
behuppere et spitzibus suis schnabUs steckere et bitere solent (ein maccaronisches Gedicht,
zuerst 1593 erschienen; mit Übersetzung, Anmerkungen und einer Nachschrift hrsgeg. von
Warbiz, Kolberg 1830, mit Anmerkungen hrsgeg. von Dr. Sabellicus d. i. Ed. Wilh. Sabell,
Heilbronn 1879). In deutscher Übertragung kam jene juristische Dissertation 1702 heraus.
Sie wurde seit 1823 fälschlich Goethe zugeschrieben und erschien unter dessen Namen lateinisch
und deutsch 1839 in Berlin. Eine neue Ausgabe veranstaltete 1879 Dr. Sabellicus. Hier
dürfte auch angeführt werden, was Jean Paul in den Palingenesien 1798, 6. Reise-Anzeiger
beibringt: „Pasquier [Etienne, Pariser Jurist, 1529—1615] faßte [im J. 1579] auf einen Floh,
der auf dem Busen des Fräuleins des Roches saß, etwas ab; und so machte jeder von den
anwesenden Gelehrten sein Gedicht auf den Floh, der eine ein spanisches, der andere ein
griechisches usw. Diese Blumenlese wurde gedruckt“ (Auch in Wielands Miscellaneen unter:
Roches.) Aus der englischen Literaturgeschichte ist bekannt, daß John Donne (1573—1631,
zuletzt Theologe) ein Gedicht auf den Floh (The Flea) gemacht, der ihn und seine Geliebte
gestochen und den diese nicht töten solle, da er ja in sich beider Blut vereinige.
Der Arzt und Naturforscher Franciscus Ernst Brückmann in Braunschweig veröffentlichte
anonym 1727: „Die neu-erfundene curieuse Floh-Falle zu gänzlicher Ausrottung der Flöhe“ usw.
(2., vermehrte Aufl. 1727, 3. Aufl. 1729, 4. Aufl. 1739; vgl. Götten 1735 S. 661) auf 94 Oktav¬
seiten mit einem Kupfer. Das „Schreiben eines deutschen Flohs, welcher mit Herrn Gustav
Nicolai die Schnellfahrt durch die hesperischen Gefilde gemacht hat, an seine Freundin, eine
Wanze in Italien. Frei nach dem Flohitanischen übersetzt von K. E. L. R. S. Adamsohn“
(Meißen 1836) soll eine Spottschrift des Grafen Algarotti auf G. Nicolai’s Buch „Italien wie
es wirklich ist“ sein. Ob eine von Hugo Hayn beabsichtigte Bibliographie „de pulicibus“
erschienen ist, habe ich nicht ermittelt. — Jean Paul bietet eine neue Zusammenstellung von
Enkomien im Jubelsenior 1797 S. 98: „In unsern Tagen darf man alles loben: die Narrheit
wie Erasmus [von Rotterdam: Encomium moriae, Paris 1509; deutsch: von S. Frank, hrsgeg.
von E. Goetzinger 1884; mit Anmerkungen des Listrius, Berlin 1719; von W. G. Becker 1780;
ferner Berlin 1781, neue Ausg. 1918], den Esels-Schatten wie Archippus [Jean Paul erwähnt
noch in den Grönländischen Prozessen 2. A. II Nr. II ,Geßners Traktat De antiqua asinorum
honestate*, d. h. von dem Ansehen der Esel bei den Alten; Weber nennt im Demokrit VI
Kap. 20 Agrippa und Geßner; es muß »Gesner* heißen, denn die Schrift ist Joh. Matthias
Gesner’s Socrates sanctus paederasta, Göttingen 1769 angehängt; — es gibt ferner Laus asini,
d. i. Lob des Esels, von Daniel Heinsius, Leiden 1629, und Ch. Franc. Paullini handelt in
seinem Buche ,De asino* 1695 auch ,de Claris asinis et asellis*, von berühmten Eseln und
Eselinnen], den Steiß wie Cölius Calcagninus [Kanonikus in Ferrara, f 1540; er schrieb aber
kein encomium podicis, sondern pulicis, siehe oben], den Teufel wie Bruno, ja den Nero wie
Linguet [über die beiden letzteren siehe meine in der »Zeitschrift für Bücherfreunde* veröffent¬
lichten ,Gelehrten-Kuriositäten*, Kap. V: »Enthusiasten*, Abschnitt »Retter ].** Nachzutragen
sind: das Lob (^pw^tov) des Todes, von Alkidamas, einem Schüler des Sophisten Gorgias
(um 400 v. Chr.); das Lob der Kahlköpfigkeit, von dem Neuplatoniker Synesios (ca. 375—i" 415
als Bischof), ins Lateinische übersetzt von Beatus Rhenanus (f 1547); Encomium ebrietatis,
d. i. Lob der Trunkenheit, von Christoph Hegendorff, 1519; Laus ululae, d. i. Lob der Eule,
von Curtius Jael, Glaucopoli ca. 1640 (Dunkels Hist.-Crit. Nachrichten I 2 1753 S. 237); Lob
der Poltronnerie (Feigheit), vom Grafen John Rochester (1647—80, Günstling des englischen
Königs Karl II.); ßloge de l’Enfer, d. i. Lob der Hölle, 1759, 2 Bände (Webers Demokrit III
Kap. 18). Das unter Liscows Namen erschienene „Lob der schlechten Schriftsteller**, Hannover
1794 konnte für eine neue Ausgabe von dessen Satire „Die Vortrefflichkeit und NothWendig¬
keit der elenden Scribenten gründlich erwiesen“ von 1736 angesehen werden, doch macht schon
der Zusatz: „von einem gebeugten schlechten Schriftsteller** stutzig; Verfasser soll der 1821 ver¬
storbene Theologe Joh. Jak. Stolz sein. liloge du pet [d. i. Lob des Furzes], Dissertation
historique, anatomique et philosophique sur son origine, ses vertus, sa figure, les honneurs
r Aus den Anfangsbuchstaben OPZ hatte er den Falschnamen Opizius gebildet.
XIII, 6
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42
Klenz: Mikrologische Schriften. II.
qu’on lui a rendus chez les peuples anciens et les faceties auxquelles il a donn£ lieu, von
Mercier, Paris 1798 1 ; Illoge des Perruques, enrichi de notes par le Docteur Akerlio, Paris
(1800); Illoge du rien, d. i. Lob des Nichts (Webers Demokrit XI Kap. 10); Lob der grauen
Farbe, von Gottlob Wilh. Burmann (f 1805) (ebda. Kap. 20).
Die zweite Gruppe Bernhards betrifft mikrologische Schriften über Perücken u. dergl.
Er sagt S. 638: „Als die Perücken auf kamen, ist ihretwegen vieles pro et contra geschrieben
worden. Hadrianus Junius [holländischer Arzt und Altertumsforscher, 15II—75] hatte noch
vor diesem Streit de coma [,vom Haar'] geschrieben. Der gelehrte Salmasius [1588—1653]
schrieb einen Traktat davon, welcher zu den Worten in den Sorberiana p. 32 Anlaß gegeben:
,daß von Kleinem große Männer sich femhielten, sei nicht so leicht, wie daß kleine Großes
anfingen, — sagte mir D. Boswell, als auf das Buch des Salmasius vom Haar die Rede kam'.
Monsieur Thiers [Jean-Baptiste, 1641—1703] hat auch davon was zusammengetragen. Rango
gab 1663 de capillamentis seu vulgo Parucquen zu Magdeburg einen Traktat in 12 heraus."
Der zuletztgenannte, mit Vornamen Conrad Tiburtius, wirkte damals als Rektor in Berlin; er
war 1639 in Kolberg geboren und starb 1700 als Professor der Theologie und General-
Superintendent in Greifswald. Auch VaL Erfurth aus Weißenfels schrieb eine ,Aia<jX£i[>u; historico-
philologica de capillamentis, von Barücken', Leipzig 1673. Gegen die Perücken eiferte nach
Vehse (Sächs. Höfe 1854 IV, S. 82) „schon im Jahre 1605 ein Prediger zu Wernigerode, Mag.
Andreas Schoppius, in einer merkwürdigen Predigt. Es war eine Predigt über den Spruch
Christi: ,Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählet'. Sie ward gedruckt,
enthielt 8 Bogen und folgende 4 Hauptstücke: ,1. Von unsres Haares Ursprung, Art, Gestalt
und natürlichen Zufällen. 2. Vom rechten Gebrauch des menschlichen Haares. 3. Von der
Erinnerung, Ermahnung, Wapung und Trost von den Haaren genommen. Und 4. wie sie
christlich zu führen und zu gebrauchen sind.'" Alles, wie es scheint, bei den Haaren herbei¬
gezogen 1 Eine „Histoire des perruques'' schrieb ein zweiter J.-B. Thiers 1777 un< ^ der Berliner
Kritiker Friedrich Nicolai 1801 u.d. T.: „Über den Gebrauch der falschen Haare und Perrucken
in alten und neuern Zeiten“ (mit 66 Kupfern). — Nach Ratzebergers Literarischem Almanach
für 1831 S. 208 verfaßte ein Professor Joachim zu Halle eine Abhandlung „über den Bart
des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg"; er war wohl beeinflußt durch die Namens¬
gleichheit, wie die obengenannten, und mag selbst einen langen Bart gehabt haben. Ein
anonym erschienenes, äußerst seltenes „Bartbuch" wird aus solchem Grunde mit großer Wahr¬
scheinlichkeit dem Dresdner Hofbildhauer Balthasar Permoser (1651 —1732) zugeschrieben,
welcher der Perückenmode zum Trotz langes Haupthaar und einen Bart von einer viertel
Elle trug (s. Hans Beschomers Permoser-Studien, 1913). Der Verfasser dieses Buches führt
auf seinen Bart seine Munterkeit und Befreiung von vielen Krankheiten zurück, preist den
Vollbart überhaupt, wie später der Politiker und Sprachforscher Graf Gustav v. Schlabrendorf
(1750—1824, aus Stettin, f in Paris) in seinen Kernsprüchen auf den „Männerbart" (s. Vam-
hagen von Ense in Räumers Historischem Taschenbuch III, 1832, S. 247 fr.). Eine „Apologie
der Backenbärte und Hahnkämme" schrieb Karl Gottlieb Prätzel 1814 in der Leipziger Zeit¬
schrift „Winter-Monate".
Bernhard weist noch in einem anderen Kapitel, als das oben bezeichnete ist, auf eine
Gruppe von Untersuchungen hin, die auch hierher gehört. Er sagt nämlich S. 280, daß
Kardinal Perron [f 1618 in Paris] diejenigen für unglückliche Leute gehalten habe, welche
auf Erfindung folgender sechs Stücke viel Sorge und Fleiß angewendet: der Quadratur des
Kreises, der Vervielfältigung des Kubus [Verdoppelung des Würfels = Delisches Problem*],
des Perpetuum mobile, des Steins der Weisen, der Astrologie oder Stemdeuterei und der
Magie. Der Quadratur und dem Perpetuum mobile wird in Menckes Charlatanerie 1716 S. 189
1 Verwandte Schriften und: De peditu e>usque speciebus crepitn et visio, aus dem 17. Jahrh. (in späteren
Sammelwerken, z. B. Amsterdam 1737). — Oratio pro crepitn ventris habita ad patres crepitantes ab Em. Mardno,
eedesiae Alonensis decano, Cosmopoli ex typ. soc. Patrum Crepit&ntium 1768. — L’art de plter, 1776. So angeführt
in Webers Demokrit XII Kap. 19, dem „Kapitel Pfui". Eine neue Ausgabe davon scheint zu sein: Peteriana ou
manuel thtorique et pratique de Part de peter, vesser et roter; termind du prince Pet-en-I’air et de la reine des
Amazones; le tout r6digd par un merdeui Paris um 1850. — Berthe ou le Pet m&norable, 1807. (Weber a. a. O.)
— La Cr^pitonomie, 1815. (Ein Lehrgedicht; bei Weber a. a. O. ist „Crepitomanie“ wohl Druckfehler [Titel nach
XI Kap. 21].) — La Soci£t£ des Francpeteurs. (Weber.) — „Ein deutscher Arzt, Seeger [? Georg, Professor in Thora
und Danzig, f 1678], schrieb mit Fleiß, nach vielen Experimenten, den Tractalus de crepitu ventris, gab ihn aber nie
heraus ob ignobilitatem materiae [d. h. wegen der Unfeinheit des Gegenstandes]. 4 * (Weber; mit der an erster Stelle
genannten Schrift identisch?)
2 Hiermit, sowie mit der Trisektion des Winkels (d. h. ihn in drei gleiche Teile zu zerlegen) beschäftigten sich
gern die alten griechischen Mathematiker.
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Klenz: Mikrologische Schriften. II.
43
Anm. „die genau ausgerechnete latitudo maris (Breite des Meeres)“ an die Seite gestellt. Was
die Quadratur des Kreises anlangt, so soll sie schon in einem ägyptischen Buche aus der
Zeit zwischen 2000 undT700 v. Chr. (übersetzt und erklärt von Eisenlohr 1877) Vorkommen.
Der griechische Philosoph Anaxagoras soll sie 434 v. Chr. im Gefängnis gezeichnet haben,
wie Plutarch in seiner Schrift von der Verbannung, Kap. 17 berichtet. Um 1050 schrieb
Franco von Lüttich über die Quadratur des Kreises sechs Bücher, von denen aber nur Bruch¬
stücke erhalten sind. Nicolaus Cusanus (1401—64) gab vor, die Quadratur mit alleiniger
Benutzung von Zirkel und Lineal gefunden zu haben, und Carolus Bovillus (um 1510) ver¬
kündete diese Konstruktion von neuem. Auch der Pariser Professor Orontius Finäu9 (1494—15 5 5)
„schrieb sich die Erfindung der Quadratur des Zirkels vergeblich zu“ (Jöcher). Herrn. Schubert
(Mathematische Mußestunden, Bd. III, 3. Aufl. 1909, S. 169 fr.) gedenkt noch eines Simon Van-
Eyck, gegen Ende des 16. Jahrh. Dann trug der scharfsinnige, aber eitle Josephus Justus
Scaliger „seine vermeinte Entdeckung“ 1592 in der Schrift Nova Cyclometria vor, „und zwar
mit großer Zuversicht, wodurch viele hinter das Licht geführt wurden, daß sie meinten, er
habe es getroffen; aber Vieta, Hadrianus Romanus und Qavius warfen seine Gründe über
den Haufen, s. Montuclas Histoire des recherches sur la quadrature du cercle, Paris 1754“
(Dunkels Hist-Crit. Nachrichten III 1) 1757 » S. 150). Desgleichen wird von dem Kopenhagener
Mathematiker Christ Longomontanus (1562—1647), Tycho Brahes Gehilfen, berichtet, daß er
„sich rühmte, die Quadratur des Zirkels erfunden und gezeigt zu haben, darüber aber mit
Joh. Pell in Streit geraten“ (Jöcher). Nach Schubert (a. a. O.) dankte Longomontanus in der
Vorrede seiner „Inventio quadraturae circali“ innigst Gott für die Lösung der Aufgabe. Weiter
nennt Schubert den Neapolitaner Johannes Baptista de la Porta (1546—1615). Der Jesuit
Gregorius a Sancto Vincentio (1584—1667, aus Brügge) „schrieb“ nach Jöcher „ein groß Werk
de quadratura circuli“. Sogar der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588—1679) beschäftigte
sich mit dem Problem in „De problematis physicis“ sowie in einer zweiten Schrift (Schubert
a. a. O.) Auch Job Ludolf (1649—1711), anfangs Professor der Mathematik in Erfurt, dann
Bürgermeister daselbst, bemühte sich um die Quadratur des Kreises und „meinte verschiedene-
mal, auf dem rechten Wege zu sein, fand aber jederzeit bei genauerer Untersuchung selbst,
wo etwa ein Versehn mit untergelaufen. Endlich geschah es kurz vor seinem Tode, daß er
gewiß glaubte, hinter solches Geheimnis gekommen zu sein. Zu dem Ende ließ er ein Schema
in Kupfer stechen und nebst einem kurzen Berichte Sonntags an die Kirchtüren anschlagen.
Allein wenige Tage hernach zeigte ihm eine in der Mathematik geübte Person den Ungrund
seines vermeinten Fundes, wie er in der Rechnung geirrt habe“ (Jöcher). Aus dem 18. Jahr¬
hundert nennt Schubert die Franzosen Olivier de Serres, Mathulon, Basselin, Liger und Clerget,
sowie den polnischen Oberstleutnant Corsonich. Im Jahre 1775 machte die Pariser Akademie
bekannt, daß sie fortan keine Abhandlung über die Quadratur des Kreises, wie auch über
das Perpetuum mobile zur Prüfung annehme. Aber der Berliner Lehrer Hesse brachte 1776
eine Quadratur in seinem Rechenbuche, und um dieselbe Zeit verteidigte der Stettiner Pro¬
fessor Bischoff eine Lösung, die vorher vom Rittmeister Leistner, vom Prediger Merkel und
vom Lehrer Böhm veröffentlicht war (Schubert a. a. O. — Lessing verfaßte 1751 ein Sinn¬
gedicht „Auf Herr Merkein, den Erfinder der Quadratur des Cirkels in Schwaben' 1 ). Im Jahre
1882 lieferte der jetzige Münchener Professor Ferdinand Lindemann den ersten genauen Beweis,
daß es unmöglich ist, mit Zirkel und Lineal ein Quadrat zu konstruieren, welches einem vor¬
liegenden Kreise inhaltsgleich ist
Das Perpetutm mobile glaubte noch 1910 der phantastische Schriftsteller Paul Scheerbart
(1863—1915, aus Danzig, f in Lichterfelde) erfunden zu haben; er erzählte die Geschichte
seiner Erfindung, die er beim Reichspatentamt anmeldete, in einem besonderen Büchlein. Im
übrigen sehe man die Nachrichten von Frida Ichak über das P. m. (Leipzig 1914), die aus
97 Schriften von Erfindern und Betrügern geschöpft hat
In noch höherem Schwange waren die Bemühungen um den Stein der Weisen. Ihn soll
z. B. Paracelsus (1493—1541) „in seinem 28. Jahre bekommen haben und mit dem Gold¬
machen umgehen können; deswegen er mit dem Gelde so verschwenderisch gewesen, daß
er oft nicht einen Heller, des morgenden Tages aber ganz frühe den Schubsack voller Geld
gehabt“ (Jöcher); und Johannes Grassäus (aus Pommern, Rat des Kurfürsten von Köln, f 1623
in Livland) „soll den lapis philosophicus wirklich erfunden haben“ (ders.). Der Helmstedter
Professor Gottfried Christoph Beireis (1730—1809) „hat sich zwar nie der Kunst des Gold-
machens in direkter Rede gerühmt, doch nicht widersprochen, wenn sie ihm zugeschrieben
wurde; auch ist es wahr, daß er in seinen Vorlesungen die Möglichkeit des Goldmachens
noch in späten Jahren zu verstehen gab, indem er Proben davon vorwies, die er wie aufs
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44
Klenz: Mikrologische Schriftea II.
Geratewohl aus seinen Louis 3 orrollen nach dem Gepräge und der Jahreszahl 1760 hervor¬
suchte, und dann an der Farbe und dem Striche auf dem Probierstein mit Kennerblick für
chemisches Gold erkannte“ (H. Lichtenstein in Räumers Histor. Taschenbuch N. F. VIII 1847,
S. 267). Eine „Verteidigung der Alchimie“ schrieb 1789 der Bochumer Arzt Carl Arnold
Kortum, der Verfasser der Jobsiade. Weiteres siehe in den Schriften von Willy Bein (1915)
und E. O. v. Lippmann (1919).
Eine Astrologie als System schrieb noch 1816 der Erlanger Professor Joh. Wilh. Andr.
Pfaff und kam 1821 darauf zurück. Neuerdings hat die Graphologin Frau Elsbeth Ebertin in
Delmenhorst „Königliche Naivitäten“ gestellt und „Wirkungen der Gestirneinflüsse“ angegeben
(beide Schriften aus dem Jahre 1916) sowie in diesem Sinne eine Zeitschrift „Zur Einführung in
die Wissenschaft der Sterne“, seit 1918 das Jahrbuch „Ein Blick in die Zukunft?“ herausgegeben.
Mit Fragen aus der Magie und ihr verwandtem Aberglauben beschäftigen sich beispiels¬
weise folgende Schriften: Joh. Wolfs Disputatio, num daemon cum sagis generare possit (d. h.:
ob ein Teufel mit Hexen zeugen könne), Wittenberg 1676; — J. Clodius* Opusculum de spiritibus
familiaribus, von vertraulichen und Hülffs-Geistern, Wittenberg 1678 (auch Halle 1743); —
J. H. Stöckharts Dokimasia Spiritus erudito familiaris (d. h.: Untersuchung über den Hilfsgeist
des Gelehrten), Leipzig 1679; — Georg Adam Struves (Professors in Jena, f 1692) Quaestio
de proba per aquam frigidam sagarum, von der Wasser-Probe der Hexen, im Anhang zu
dessen Werk: De indiciis, Jena 1714; — C. F. Romanus’ Schediasma, an dentur spectra, magi
et sagae, vulgo: Ob wahrhafft Gespenster, Zauberer und Hexen seyn, Leipzig 1717; —
S. Schelgvigius' De apparitionibus mortuorum vivis #ex pacto factis, von der abgeredeten Er¬
scheinung nach dem Tode, Wittenberg 1746.
Hier kann das Problem der Geschlechtsbestimmung angeschlossen werden; denn „die
Bestimmung des Geschlechts des Menschen nach unserem Wunsche ist“, wie der Biologe
Carl Correns 1912 auf der Naturforscher-Versammlung zu Münster dargelegt hat, -„praktisch
ebenso unmöglich, wie die Quadratur des Zirkels oder das Perpetuum mobile es theoretisch
sind“. Daß man sich schon im Altertum damit beschäftigt hat, zeigen einige Stellen in Plinius’
Naturgeschichte. Dort heißt es Buch XX, Kap. 23 von der Distel (carduus): „Sie soll, wenn
man es glauben will, an der Gebärmutter etwas dazu beitragen, daß Knaben erzeugt werden.
So schreibt nämlich Chaireas von Athen und auch Glauktas [2. Hälfte 3. Jahrh. v. Chr.].“
Ferner XXVI 15 von zwei Arten Bingelkraut (mercurialis): „Das Thelygonon [d. h. »mädchen¬
erzeugendes 1 Kraut] soll als Trank die Empfängnis von Mädchen bewirken. Das Arsenogonon
[d. h. ,knabenerzeugendes 1 Kraut] ... soll als Trank die Erzeugung von Knaben zur Folge
haben, wenn wir es glauben wollen.“ Und XXVII 8 von dem Crataeogonum, d. h. ,zeugungs¬
starken' Kraut, worunter der Pfirsichblättrige Knöterich verstanden wird: „Wenn den Samen
Frau und Mann vor der Mahlzeit mit Wein in einer Gabe von 3 Obolus in ebensoviel Cyathus
Wasser 40 Tage lang vor der Empfängnis trinken, so soll die Frucht männlichen Geschlechts
werden.“ Später handelte von der Kunst, Söhne oder Töchter zu zeugen, z. B. N. Venette in
seinem Buche „Von Erzeugung des Menschen oder eröffnete Liebes-Werke verehelichter Per¬
sonen“ (aufs neue übersetzt und vermehrt Leipzig 1698). Mit einer besonderen Schrift trat
wohl zuerst der Franzose Saury hervor; sie erschien 1782 zu Frankfurt a. M. in deutscher
Übersetzung u. d. T.: „Physikalisch-moralisch-medizinische Mittel, nach Willkür Knaben oder
Mädchen zu zeuge*n“, scheint aber nicht viel Beachtung gefunden zu haben. Um so mehr
Aufsehen erregte das nicht lange danach herauskommende Buch von Joh. Christ. Henke:
„Völlig entdecktes Geheimnis der Natur, sowohl in der Erzeugung des Menschen als auch in
der willkürlichen Wahl des Geschlechts der Kinder“, Braunschweig 1786. Der Verfasser war
Organist in Hildesheim. Jean Paul erwähnt ihn in einem Briefe an Oerthel (Nachlaß II 1837,
S. 320 f.). Weber gedenkt seiner in „Deutschland“ IV 1828, S. 40 bei Hildesheim: „An der
St Martins-Kirche stand Organist Henke, der nach langwierigen unermüdeten Versuchen das
Geheimnis erfand, Knaben oder Mädchen nach Willkür zu erzeugen, und sein Büchlein trug
ihm — 3000 Dukaten, weit mehr als seine Orgel, ob er gleich die Natur weniger traf, als
Pedal und claves [d. i. Tasten]. Mich kostet [das Buch] nur 12 Kreuzer, was anfangs 1 Dukaten
kostete, und viele mögen nach mißmutigen Versuchen den Weg der Zeitungen gewandert
sein.“ Vergleiche dazu Webers Demokrit XI, Kap. 5, wo noch die Rede ist von Henkes
„häufigen, emsig wiederholten und mit gehöriger Vorsicht angestellten Versuchen, wie er
meldet“, und es weiter heißt: „Aber vergebens drückten knabenlose Lehensbesitzer den rechten
oder Knaben-Hoden, Bürger und Bauern aber, die keine Buben zur Armee liefern wollten, den
linken; niemand fand seine Wünsche befriedigt, als der Herr Organist von Hildesheim, der
sich mit seinem Geheimnis, die angenehmen Versuche nicht gerechnet, einige tausend Dukaten
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Klenz: Mikrologische. Schriften. XL
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verdiente. Millot ist vielleicht glücklicher, der jene Unterschiede im Eierstock findet, und
vielleicht wird noch alles durch ein Setzen a priori ins reine gebracht, durch das reine: Ich
will; ich glaube aber, bei allen Zeugungstheorien gelingt die Praxis am besten, wenn man es
hält wie der gemeine Mann.“ Der Verfasser einer neueren Anleitung hat die Stelle in Plinius’
Naturgeschichte VIII 45: „Nach der Sage gibt es, wenn die Stiere nach der Begattung sich
nach der rechten Seite hin entfernen, männliche, wenn sie aber links abgehen, weibliche Kälber“
(Übersetzung von Külb VIII 1850, S. 992 Anm.) seiner Theorie zugrunde gelegt. Aus der
neuesten Zeit sind zu nennen: Heinrich Janke (1823—99, aus Cöslin, Kreisgerichtsrat a. D. in
Berlin), Die willkürliche Hervorbringung des Geschlechts bei Mensch und Haustieren, Berlin 1887,
4. Aufl. 1896; kleine Ausg. 1890, 2. A. 1896. — E. Renschäd, Das gelöste Problem, Knaben
und Mädchen nach Wunsch zu zeugen, Berlin 1893. — E . Seligson , Zeugung von Knaben und
Mädchen, München 1895. — Leopold Schenk (1840—1902, aus Ungarn, ordentlicher Professor
der Medizin an der Wiener Universität), Einfluß auf das Geschlechtsverhältnis, Magdeburg 1898,
3 Auflagen; Lehrbuch der Geschlechtsbestimmung, 1901. Nach der Theorie Schenk ergibt
Stickstoffnahrung Knaben, während Kohlehydrate die Geburt von Mädchen bewirken. Sie
soll am Zarenpaare ihre praktische Anwendung gefunden haben. Über Schenks vorzeitige
Pensionierung siehe seine Broschüre „Aus meinem Universitätsleben“, 1900, 6 Auflagen. —
Friedrich Robert, d. i. Friedr. Rob . Ehlers (geb. 1858 in Hamburg, Schriftsteller in Schöneberg
bei Berlin), Die Lehre von der Entstehung des Menschen und die Vorausbestimmung des
Geschlechts, 1906; Knabe oder Mädchen nach Wunsch und Wülen der Eltern, 1907, 3. Aufl.
1909. — Otto Schoener (Dr. med. zu Rottach am Tegernsee), Die praktische Vorausbestimmung
des Geschlechts beim Menschen, 1911. — Margarethe Meyer (geb. 1881 in Berlin, Gattin des
Rechtsprofessors Polenske in Greifswald), Die Menschenzucht; „zeigt“ laut Anzeige im Literatur-
Kalender 1917, S. 2150, „wie eine Frau nach Belieben Knaben oder Mädchen in die Welt
setzt“. — Reinhold Gerling (geb. 1863 in Posen, Schriftsteller in Oranienburg),'Knaben oder
Mädchen nach dem Wülen der Eltern. Die Entstehung der Geschlechter im Lichte wissen¬
schaftlicher Forschung und praktischer Erfahrung, 2. Aufl. 1918. — L. Zappold (Gutsverwalter),
Wodurch erzielt man bei Menschen und Tieren willkürlich männliches Geschlecht? — Im
allgemeinen vgl: Lenhossök, Das Problem der geschlechtsbestimmenden Ursachen, Jena 1903;
Carl Correns und Rieh. Goldschmidt, Die Vererbung und Bestimmung des Geschlechtes, 1913;
Paul Kämmerer, Geschlechtsbestimmung und Geschlechtsverwandlung, zwei Vorträge, 1918.
Als „ein aufgelöstes Problem“ bezeichnete der frühere Gymnasiallehrer Dr. med. et phü.
Joh. Geo. Karl Schlüter (f 1803), Übersetzer von Ovids Kunst zu lieben'usw. sowie von Petronius,
auf dem Titel seine Beantwortung der Doppelfrage: „ Wie ist die Unschuld unsrer Frauen¬
zimmer zu erhalten und ein jedes Mägdchen an einen Mann zu bringen?“, 2 TeÜe, Altona 1796
(Hayn, Bibliotheca Germanorum erotica 2. Aufl. 1885, S. 283).
Mikrologischer Art sind auch meistens die Ante-Schriften (lat. ante s. v. w. vor), deren
es zweierlei gibt Die eine, wohl ältere Gruppe umfaßt lauter Schriften, welche von einer
Kultur vor der Sintflut handeln. So schrieben nach Ratzeberger 1827 S. i2of. Johann Mader
[Rektor zu Schöningen im Braunschweigischen (1626—80)]: De scriptis et bibliothecis
antediluvianis, Jena 1687; Gottfried Vockerodt [1665—1727, Rektor in Gotha]: Historia
societatum et rei literariäe ante diluvium, Jena 1704; und Jak. Friedr. Reimmann [1668—1743,
zuletzt Superintendent in HÜdesheim, der Begründer der Literaturgeschichte in Deutschland]:
Versuch einer Einleitung in die Historiam literariam antedüuvianam, Halle 1709. Über die
letzte Schrift urteilte damals der Kritiker Gottlieb Stolle: „Man muß sich verwundern, wie
der Herr Autor so viel von einer Historie sagen können, davon man so gar wenig Nachricht
hat Ich glaube wohl, daß vielen seine Mutmaßungen und besonderen Meinungen nicht an¬
stehen werden“ usw. Der Gießener Rechtslehrer Immanuel Weber (1659—1726), der „stets
sonderbare Gegenstände zu seinen Dissertationen wählte“, wie er z. B. de Pustero — ein
angebliches altdeutsches Götzenbild — schrieb (Webers Deutschland III 1828, S. 239), schrieb
auch, nach Jöcher, de xpetuxpccYCa antediluvianorum, d. h. vom Fleischessen der Vorsintflut¬
lichen. Auch Friedr. Max. Klingers „Reisen vor der Sündfluth“, Bagdad (Riga) 1795, ließen
sich hier wohl anschließen. Zur zweiten Gruppe gehören Schriften wie die in Göttens Ge¬
lehrtem Europa 1735, S. 149 bzw. 122 angeführten: Manichaeismus ante Manichaeos, Ham¬
burg 1707, von dem späteren Hamburger Professor und Hauptpastor Joh. Christoph Wolf
[1683—1739]; und die Disputatio de Machiavellismo ante Machiavellum, Wittenberg 1719, von
dem späteren Hamburger Professor Hermann Samuel Reimarus [dessen »Fragmente eines Un¬
genannten 1 Lessing veröffentlichte; 1694—1768]. Auch eine Schrift „Machiavellus ante
Machiavellum“ von Christian Hofmann fand ich angegeben.
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Klenz: Mikrologische Schriften. II.
Lassen wir auf die Behandlung nach Gruppen nun einzelne mikrologische Schriften und
Verwandtes nach der Zeitordnung folgen. Schon aus dem Altertum werden mehrere Bei¬
spiele angeführt. Bei Bernhard heißt es S. 637: „Demetrios von Konstantinopel [?, um 300
v. Chr.j schrieb auf Befehl seines Königs ein weitläuftig Buch vom Habicht, worinnen er
meistens die Zeit mit der Erzählung der Krankheiten, welchen dieser Vogel unterworfen, und
auf was Weise ihm zu Hülf zu kommen sei, zubringet . . . Aristomachos von Soloi brachte
in Erforschung der Natur der Fliegen und in Abmessung der Flöh Sprünge ganzer 60 Jahr
zu [nach Plinius’ Naturgesch. XI 9 widmete er 58 Jahre den Bienen]. Lipsius meldet in seinem
Dialogus de recta linguae latinae pronuntiatione cap. 2 von dem römischen Redner Messalla
[ca. 64 V. Chr. — f 13 n. Chr.], daß er von dem einzigen Buchstaben S einen vollkommenen
Traktat geschrieben." Mencke, der auch Messalla erwähnt und hinzufiigt, daß ebenso weit¬
läufig Martin Fogel vom deutschen B gehandelt, fuhrt S. 120 noch an, daß Nikanor sechs
Bücher über den grammatischen Punkt geschrieben habe; nach Jöcher erhielt jener Alexandriner
von dieser Schrift rcepl den Zunamen „Stigmatias“. — Der Grammatikus Didymos von
Alexandria (um Christi Geburt) „schrieb 4000 Bücher, wo er gelehrte Untersuchungen anstellte
über das Vaterland Homers und die Mama des Äneas, über Anakreon, ob er mehr gesoffen
als gehurt habe, und ob Sappho eine öffentliche Hure gewesen sei, und anderes, das man nach
Seneca (Epist 88) wieder verlernen müßte, wenn man es wüßte" (Webers Demokrit VI, Kap. 5).
Tertullianus (ca. 160—225) wird wegen seiner Schrift de pallio, einer übergründlichen
Verteidig^ung des griechischen Mantels, den er statt der römischen Toga angelegt hatte, von
Werenfels (s. o.) hierher gerechnet (s. Bernhard S. 638). Über den Auferstehungsleib machte
Origenes \i& 2 —252) genaue Angaben, wie auch später der lutherische Dogmatiker Johann
Gerhard (1582—1637, Professor in Jena) und der englische Mediziner Bemard Connor (Ende
17. Jahrh.). Vgl. Jean Paul, Die unsichtbare Loge 1826 II, S. 188, wo es heißt: „Der meisten
Glieder, die wir bei der Auferstehung nicht wiederkriegen, z. B. Haare, Magen, Fleisch, H_
und andre — daher freilich der große Connor leicht verfechten kann, ein auferstandener Christ
falle nicht größer aus wie eine Stechfliege —, solcher Glieder hatte sich die amputierte Junta
schon vor der Auferstehung entladen"; mit der Anmerkung: „Nach den ältern Theologen
(z. B. Gerhard, Loci [communes] theologici, Tom. VIII p. 116 r. —) stehen wir ohne Haare,
Magen, Milchgefaße usw. auf. Nach Origenes stehen wir auch ohne Fingernägel und ohne das,
was er selber schon in diesem Leben verloren [er soll sich aus Mißverstehen von Matth. 19, 12
entmannt haben], auf. Nach Connor, Med. mystic. art. 13 kommen wir mit nicht mehr Materie
aus dem Grabe, als wir l>ei der Geburt oder Zeugung umhatten." Gerhards wird von Jean
Paul auch in „Selina" 1836, S. 163 f. gedacht.
Albertus Magnus (1193—1280) „untersuchte äußerst gründlich die Fragen, in welcher
Gestalt der Engel Gabriel der Maria erschienen sei, als Taube oder Schlange, als Männlein
oder Weiblein, schwarz oder weiß, morgens oder abends; ob Maria weiß oder brünett gewesen,
von welcher Farbe Augen und Haare, schlank, dick, groß oder klein . .. und welcher Tief¬
sinn gehörte nicht dazu, 230 Fragen zu fragen und zu beantworten über die einzigen Worte
des Evangeliums: missus est?" (Webers Möncherei II 1819, S. 371 f.) — Über die Gestalt der
Engel entfachte noch 1718 der Duisburger Theologie-Professor Joh. Christian Loers (1675—
1743) einen lebhaften Streit durch seine Abhandlung „de corporibus angelorum" (,von den
Körpern der Engel 4 , 2. Auf!. 1723, auch in den Dissertationes theologicae 1737 mit des
Utrechter Professors Jacob Ode Entgegnung; s. Dunkel II 2) 1756, S. 311 f.). Des Dr. Mises
(d. i. der Leipziger Psychophysiker Gustav Theodor Fechner) „Vergleichende Anatomie der
Engel 44 1825, wonach die Engel keine Beine haben (Ratzebergers Literar. Almanach ftir 1830,
S. 165), gehört zur komischen Literaturgattung. Was im besondem die Cherubim anlangt, mit
denen sich schon der Gießener Theologe David Clodius (t 1687) abquälte, so erklärte sie der
Göttinger Orientalist Joh. David Michaelis (1717—91) in seiner Commentatio de Cherubis equis
tonantibus Hebraeorum für die Pferde am Donner-Wagen (W)) Gottes, deren Hufe die Blitze
hervorbrächten; während F. Nork (Hebräisches Wörterbuch 1842, S. 331) in ihnen die
vier Jahrquadranten: Stier — in dem anstatt im Widder die Sonne früher die Frühlingsgleiche
bildete —, Löwe, Adler (anstatt des Skorpions) und Mensch (Wassermann) erblicken möchte,
und der Naturforscher Karl Sajo sie in seiner Studie „Aus dem Leben der Käfer 44 den Skara-
bäen oder pockennarbigen Pillenkäfern Palästinas zurechnet (s. Berliner Tageblatt 1914, Nr. 161).
Der italienische Humanist Franciscus Philelphus ( 1398—1481) „machte aus allen grammati¬
kalischen Kleinigkeiten wichtige Dinge. Er stellte mit einem Griechen namens Timotheos
wegen der Quantität einer gewissen Silbe eine Wette an, mit der Bedingung, daß wenn
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Klenz: Mikrologische Schriften. II.
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Philelphus verspielen würde, so sdlte Timotheos eine Summe Geldes bekommen; würde aber
der letzte unrecht haben, so sollte er seinen Bart abscheren lassen. Als nun Philelphus
gewann, mußte Timotheos seinen Bart einbüßen, obgleich er flehentlich um dessen Erhaltung
bat.“ (Jöcher; vgl. Mencke S. 119, wonach Ph. den Bart dem T. heruntergeschnitten und als
ein Siegeszeichen mit sich herumgetragen, und Bernhard S. 213; auch Jean Paul, Quintus
Fixlein, 2. Zettelkasten.) Der Florentiner Humanist Angelus Politianus (1454—94) zankte 9ich
zeit seines Lebens herum, ob man sagen solle: Vergilius oder Virgilius, Carthaginensis oder
Carthaginiensis, primus oder preimus u. dergl. (Mencke S. 118 Anm.). In den Briefen des
Julius Cäsar Scaliger (14^4 — 1^5^) findet sich eine ganze Rede über das Wort ineptus (eigtl.
»unpassend*) (Bernhard S. 637). Derselbe stritt sich mit Hieronymus Cardanus (1501—76)
erbittert, „ob das junge Böcklein so viel Haare im Fell habe, als Vater Bock** (Webers
Demokrit XI, Kap. 10). Paulus Manutius (1512—74) und Dionysius Lambinus (1520—72)
hatten einen Streit darüber, ob man consumtus oder consumptus schreiben solle (Mencke
a. a. O. unter Berufung auf Boccalinis Ragguagli di Pamasso). Ein gewisser Agnus Benignus
Sanrey schrieb über die richtige Aussprache des Namens Paracletus ein ganzes Buch (Mencke
S. 121). Caspar Scioppius (1576—1649) untersuchte, „ob das Album [eigtl. Weißes] der Römer
ein weißes oder schwarzes Brett gewesen sei (Webers Demokrit XI, Kap. 7). Claudius Saltnasius
(1588—1653) „verlangte noch kurz vor seinem Tode eine Feder, um den Unterschied zwischen
sagum und toga recht bestimmt anzugeben, und malte noch das pilum der Römer; und
Christine [Königin von Schweden] sagte von ihm: ,Er weiß den Stuhl in allen Sprachen zu
nennen, aber nicht sich darauf zu setzen 1 ** (ebenda; vgl. Thümmels Reise in die mittäglichen
Provinzen von Frankreich I 1791, S. 276). Nach Mencke S. 193 f., der Naudäus zitiert, disputierte
Demonsius [wohl de Mont-Josieu, um 1583] auf das mühsamste darüber, was der vierte Teil
des Nichts sei, und schrieb Bouveüius ganze Bücher über die Frage, was noch weniger als
nichts sein könne. Unter den beabsichtigten Schriften des Altertumsforschers Johann Sckeffer
(1621—79, aus Straßburg, Professor zu Upsala) werden eine Abhandlung über das Wort
momentum und eine über die Bedeutung von miles auf alten Inschriften in der Suecia literata
p. 299 genannt (Bernhard, S. 638).
Der Geraer Professor Hogel rechnete, nach Ratzeberger 1827, S. 125, mühsam aus, daß
die Welt am 26. September Anno 1 erschaffen sei; s. Manuductio ad historiam universalem,
Leipzig 1712, S. 32. — Eine Berechnung der Osterdaten bis zum Jahre 22000 n. Chr. lieferte
der Prediger und Astronom Wilhelm Lehmann (1800—63) (s. W. Ahrens, Gelehrten-Anekdoten
1911, S. 89).
Ein übergründlicher theologischer Statistiker war der Berliner Pastor Johann Peter Süßmilch
(1707—67), Verfasser des Werkes „Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des mensch¬
lichen Geschlechts** (1741). Seiner gedenkt Weber im Demokrit DI, Kap. 18 mit den Worten:
„Wo nehmen wir Platz her beim Jüngsten Gericht für die Millionen, die gerichtet werden?
Süßmilch hat uns hierüber mit seiner gewohnten Gründlichkeit beruhigt**
Gegen des theologischen Schriftstellers Heinrich Jakob Sivers (1708—58, aus Lübeck,
Kandidat daselbst, später Pastor zu Norrköping, zuletzt dänischer Hofprediger) „wortreiche
pedantische Nichtigkeit (wie sich Max Koch treffend ausdrückt), die in seiner „Geschichte
des Leidens und Sterbens, der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi, mit kurzen exe¬
getischen Anmerkungen erläutert und mit einer Vorrede von den Feinden und Freunden des
Kreuzes Christi** auftrat, richtete 1732 der Satiriker Christian Ludwig Liscow die „Klägliche
Geschichte von der jämmerlichen Zerstörung der Stadt Jerusalem, mit kurzen aber dabei
deutlichen und erbaulichen Anmerkungen, nach dem Geschmacke des Herrn S. erläutert**.
Dessen „Vitrea Fracta, oder des Ritters Robert Clifton Schreiben an einen gelehrten Samojeden,
betr. die seltsamen und nachdenklichen Figuren, welche derselbe auf einer gefrorenen Fenster¬
scheibe wahrgenommen**, ist ebenfalls auf Sivers gemünzt, der auch Naturforscher sein wollte,
am Ufer der Ostsee nach seltenen Steinen gesucht und einen „musikalischen Stein**, auf dem
er Noten erblickte, beschrieben hatte. (Meister, Charakteristik deutscher Dichter II 1787,
S. 89 f.; vgl. meinen Artikel „Sivers** in der Allg. Deutschen Biographie.)
Michael Ranft untersuchte die Frage: „Ob Christus wirklich in der Nacht und in einem
Stalle geboren worden**, Zeitz 1740, und erließ noch in demselben Jahre von Eisenberg aus
ein „Sendschreiben an Hm. Mag. Joh. Gottlieb Vorsatz, worinnen die Meinung, daß Christus
weder in der Nacht, noch in einem Stalle geboren worden, verteidigt wird**.
Anton Friedrich Büsching (1724—93), seit 1766 Gymnasialdirektor in Berlin, beschrieb
seine ,»Reise von Berlin nach Kyritz in der Priegnitz, die er vom 26. September bis 2. Ok¬
tober 1779 verrichtet hat**, auf 560 Seiten. „Wie gut,** bemerkt Weber (Deutschland III 1828,
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4 »
Klenz: Mikrologische Schriften. II.
S. 345), „daß der berühmte Geograph keine Reise durch Deutschland mit gleicher Gründ¬
lichkeit geschrieben hat! Der geistvolle Nicolai ermüdete schon mit 12 Bänden, Büsching hätte
uns unter ioo Quartanten nicht losgelassen, und eine Reise um die Welt von seiner Feder
hätte man wahrscheinlich eher gemacht als gelesen.“ Nach demselben (Deutschland IV, S. 287)
ging Büsching auch in seiner Selbstbiographie (1789), „vorzüglich bei seiner Geburt und Taufe,
noch weit gründlicher zu Werke, als selbst Pütter“
Über den Göttinger Staatsrechtslehrer Johann Stephan Pütter (1725—1807, aus Iserlohn),
der „vollkommen wußte, was Rechtens ist, aber nicht immer, was recht ist“ (ebenda S. 62),
heißt es im Demokrit XI, Kap. 2: „Gesetzt, P.’s langweiliges Juristenleben von 70 Jahren sei
einer Schilderung von 800—900 Seiten wert gewesen, wozu die geistlose Wiederholung seiner
vier Kollegien, seiner Jahresreisen nach Pyrmont, die Angabe bloß adeliger Zuhörer und seiner
vornehmen Bekanntschaften im Bade?“ Diese Selbstbiographie ist 1798 in zwei Bänden er¬
schienen. — Ein „Muster eines reisenden Pedanten“, der „alles pedantisch nach der Schule
beurteilte und nach seinem kleinen Karlsruhe“ und der „dem Publikum so viele Abgeschmackt¬
heiten auftischte ohne allen Witz und Beobachtungsgeist“, nennt Weber (Deutschland I 1826,
Vorrede, sowie S. 250, 373 und II 1827, S. 318) den Karlsruher Professor der Naturgeschichte
Sander [? Heinrich, geb. 1754].
Der Oberkonsistorialrat J. E. Silberschlag bemühte sich, die biblische Schöpfungsgeschichte
natürlich zu erklären in seiner „Geogenie oder Erklärung der mosaischen Erderschaffung nach
physikalischen und mathematischen Grundsätzen“ (3 Teile mit 14 Kupfern, Berlin 1780—83).
Webers „alter Rechtslehrer“ — wahrscheinlich Joh. Burkhard Geiger in Erlangen, geb.
1743 (vgl. zu ^ er ganzen, hier nur in ihrem ersten Teil gebrachten Stelle Demokrit VII, Kap. 3)
— „mochte ganz ernsthaft die Frage untersuchen, ob Lazarus sein Testament, wenn er eins
gemacht hätte, bei seiner Wiedererweckung hätte umstoßen können“ (Demokrit XI, Kap. 2).
„Brennecke [? Jak. Andreas, geb. 1765 in Magdeburg, Kandidat der Theologie, Hauslehrer
und Dichter] wollte beweisen, daß Jesus nach seiner Kreuzigung noch 27 Jahre auf Erden
grwandelt habe“ (Webers Möncherei III 2) 1820, S. 348). Darauf erfolgte von Joh. Georg
Tinius, dem Bibliomanen (siehe meine „Gelehrten-Kuriositäten“, Nr. I) eine „Biblische Prüfung
von Brenneckes Beweis, daß Jesus nach seiner Auferstehung noch 27 Jahre auf Erden ge¬
lebt“ (Zeitz 1820).
Aus dem 18. Jahrhundert sind weiter zu erwähnen: der Pater Martorelli, welcher zwei
Quartbände oder 800 Quartseiten über ein zu Portici gefundenes altes Tintenfaß schrieb
(Jean Paul, Das Kampaner Thal 1797, Holzschnitterklärung VIII, und Webers Demokrit HI,
Kap. 23); der Prediger Petersen, welcher nicht nur die Schlacht am Teutoburger Wald auf
den 15. August des Jahres 9 ansetzte, sondern sogar die Stunde bestimmte, in der sich Varus
entleibte: zwischen 8 und 9 Uhr (Webers Deutschland IV 1828, S. 281); und der Ausleger
der Apokalypse Michael Friedrich Semmler, über den sich der Satiriker Johannes Falk 1796
in den „Gebeten“ lustig machte mit den Versen:
„Kurz, eher wollt* ich gleich das Maß der Cherubimmen
Mit Semmler euch genau nach Zoll und Fuß bestimmen.“
Dem zuletztgenannten verwandt war der katholische Theologe Joseph Baute (1843—
1917, außerordentlicher Professor zu Münster i. W.), der sich mit der Eschatologie d. h. der
Lehre von den letzten Dingen auf das eingehendste beschäftigte und, nachdem er in seiner
Dissertation über die Beschaffenheit des menschlichen Leibes nach der Auferstehung gehandelt
hatte, 1882 die Örtlichkeit der Hölle sowie 1883 die des Fegfeuers gründlichst untersuchte,
weswegen man ihn als „Topographen der Hölle“ oder „Höllen-Baedeker“ bezeichnete. Die
Hölle hatte sich schon viel früher ein gewisser Schwind vorgenommen, der sie in der Sonne
gefunden zu haben glaubte, wogegen aufzutreten der Lübecker Pastor Heinrich Scharbau im
IV. Teile seiner Parerga Philölogico-Theologica 1724 sich gemüßigt fühlte (Götten 1735, S. 181).
Noch zu Anfang 1914 rechnete der englische Professor H. H. Turner den Fahrpreis für
ein Billett 3. Klasse nach der Sonne aus. Er soll nach ihm 20 Millionen Mark betragen;
denn selbst wenn man einen Schnellzug benützte, der 90 Kilometer in der Stunde zurücklegt,
würde man zu jener Fahrt 175 Jahre brauchen. Und erst heutzutage?! . ..
Atle Rechte Vorbehalten . — Nachdruck verboten .
Ftlr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-G.. Ehrensteinstr. so, Vertag von B. A. Seemann-Leipzig, Hoapitalatr. x i a
Druck von Bmst Hedriek NachfG. m. b. H.- Leipzig, Hospital>tr. xx a.
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49
Die beiden Holzschnitte der
Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“
von Hans Heinrich Freiermut (1524).
Ein Beitrag zum Werke des Urs Graf.
Von
Professor D. Dr. Georg Stuhlfauth in Berlin.
Mit vier Bildern.
U nter der reichen Fülle reformationspolemischer Flugschriften gehört die des sonst un¬
bekannten Nürnbergers Hans Heinrich Freiermut in Zürich mit dem Titel: „Triumphus
veritatis . Sick der warheyt“ 1 2 3 zu den bekanntesten. Sie verdankt diesen Vorzug dem
größeren der beiden Holzschnitte, der ihren lateinischen Titel als Überschrift über sich auf
breitem Band innerhalb des Bildrahmens wiederholt und um seiner Darstellung willen als
Illustration zur Geschichte der Reformation verhältnismäßig häufig — freilich mehr häufig als
gut — abgebildet wurde* (Bild 3).
Dieser Holzschnitt ist aus zwei Stöcken zusammengesetzt: von ihnen hat der eine den
Umfang der Oktavseiten des Büchleins, dem er zugehört, der andere die mehr als doppelte
Breite derselben. Beide Teile sind in der Weise aneinandergefugt, daß der erste Holzstock
auf der Rückseite des Titelblattes abgedruckt ist, der zweite größere auf einem Sonderblatte,
das an jenes bündig angeklebt und an seiner Rückseite leer ist So hat unser Holzschnitt¬
bild eine Höhe von 172 mm und eine Gesamtbreite (einschließlich der Rahmenlinie) von
417 mm. Durch entsprechendes Zusammenfalten ist sein Breitformat der des Buches angepaßt.
Die Darstellung bietet einen großen feierlichen Aufzug n. 1 .: Triumphus veritatis, zu dem
der Text — 2034 Verse 8 — die dichterische Beschreibung und Erklärung ist. Alle am Zuge
Beteiligten sind durch Beischriften bezeichnet, zugleich mit einem Buchstaben (A — L) als
Hinweis auf die ihnen in den Mund gelegten Worte der Dichtung.
Im Mittelpunkt steht die merkwürdige, enggedrängte Gruppe von Mönchen und Priestern
mit Tierköpfen, geführt von einem vergrämt nach rückwärts blickenden Papste mit zer¬
brochenem Doppelkreuze und einem Bischof mit zerbrochenem Krummstabe an seiner rechten
Seite, denen die Tiara bzw. die Mitra vom Kopfe fällt, und einem Kardinal und gefolgt von
sonstigen Geistlichen und Mönchen. Von ihrer Gesamtheit, insbesondere von ihrem Haupte,
dem Papste, ist erfüllt, was über ihnen geschrieben steht: Revelatus est homo peccati, filius
perditionis et abominatio, quem percussit deus virga oris sui. 4 * * * Allen sind die Hände gefesselt
nnd sie alle umfaßt eine starke Kette, die am Schweif des Pferdes des ihnen voranreitenden
Ritters, Huttens, befestigt ist Dieser, mit einem Palmenzweig in der Rechten, reitet neben einer
Gruppe her, die den verhältnismäßig ausgedehntesten Bestandteil des ganzen Zuges bildet,
und die sich zusammensetzt aus Patriarchen, Propheten und Aposteln; jene, Patriarchen und
Propheten tragen auf einer Tragbahre einen gotischen Schrein, „Das grab der heyligen
schlifft“, diese folgen; unter den Patriarchen und Propheten unterscheiden wir besonders Moses
mit den Hörnern und David mit der Krone, unter den nachfolgenden Aposteln Petrus mit
dem Schlüssel, Paulus mit dem Schwert und Jakobus den Jüngeren mit dem Bogen des Woll-
1 Was wir von dem Verfasser wissen, nämlich seinen Namen, seine Herkunft und seinen Wohnsitz, sagt er
selbst im Schlufiteil eben unserer Schrift (v. 2000—2003. 2034); auf dem Titelblatt steht sein Name ebensowenig wie
sie Druckort oder Druckjahr angibt; dabei mufi dahingestellt bleiben, ob der Zuname nicht ein Pseudonym ist.
2 Ich verzeichne: Fr. von Besold, Geschichte der deutschen Reformation, 1890, Tf. zwischen S. 354/5; Welt¬
geschichte, hrsg. von J. von Pßugk-Hartung, Berlin, Ullstein & Co. [Bd. 4], S. 355; Paul Drews, Der evangelische
Geistliche (Monographien z. deutschen Kulturgeschichte, hrsg. von Georg Steinhausen, Bd. 12), Jena 1905, S. 23, Abb. 18;
P. Schreckenbach u. Frz. Neubert , Marti® Luther, Leipzig (1916), S. 112.
3 Gedruckt bei Oskar Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit. Hannover 1856—1858, II,
196—251, dazu Anmerkungen S. 352—373.
4 Dieser Text ist nicht wörtlich aus der Bibel übernommen, sondern aus mehreren Vulgatastallen selbständig
zusammengearbeitet. Zu Revelatus — perditionis cf. II Thess. 2 8 ... revelatus fuerit homo peccati, filius perditionis;
zu abominatio cf. Deut.,l7 4 , 23 18 , Prov. 3 M , ia M , I5 9 , i6 ft , Lc. iö 1B ; zu quem — sui cf. Jes. ii 4 . . et percutiet terram
virga oris sui . ., auch Prov. 3 14 Tu virga percuties eum . . .
XIII, 7
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50 Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“.
webers. 1 Sie werden unter einem hohen Tore von danksagendem Volke feierlichst begrüßt;
ihnen voran breiten zwei Jünglinge ihre Kleider auf den Weg; vom Altan über dem Tore
grüßen schmetternde Trompeten der drei „Engel“, und durch das Tor selbst drängen zahl¬
reiche Bekränzte, Männer und Jünglinge, mit Palmwedeln hervor. Im Vordergründe streuen
vier Kinder Blumen aus ihren Körben. Als Beschluß des ganzen Zuges erscheint hinter der
erstbeschriebenen Mittelgruppe, im Gesamtbilde gerade den kleineren Holzstock ausmachend,
der auf reichgeschmücktem Wagen thronende „Salvator“ mit der Weltkugel auf dem Schoße
und sprechend erhobener Rechten. Der Wagen wird gezogen von den vier Evangelisten¬
symbolen; der Engel-Matthäus trägt, auf dem zwischen dem Markus-Löwen und dem Johannes-
Adler in der Mitte gehenden Lukas-Stiere reitend, eine Fahne mit der Aufschrift — ich löse
die Abkürzungen auf —: Regi autem saeculorum immortali invisibili, soli deo honor et gloria
in saecula saeculorum. Amen. 2 3 * Geleitet werden die Tiersymbole von Luther diesseits, von
Karlstadt jenseits; beide tragen einen Palmzweig in den Händen. Ersterem folgen zwei Kinder,
die, gleich den vorgenannten auf der linken Hälfte des Blattes, Blumen aus ihren Körben
streuen. Über dem Heiland schweben zwei Engelkinder, Posaune blasend; fünf andere ganz
in der Höhe halten eine Tafel, auf der wir das Wort Christi lesen: Ego sum via, veritas
et vita. Johan. io 7 . Und hinter dem Wagen schreitet, dem Volke unter dem Tore gegenüber
entsprechend, eine ebensolche Schar von Männern und Jünglingen — auch eine Frau ist hier
zu erkennen —, alle wie jene Palmwedel in den Händen tragend: die Schar der heiligen
Märtyrer, mit Lob und Danksagung „wegen jrer erlösung“.
Unter dem Holzschnitte, außerhalb des Bildspiegels, steht in drei Druckzeilen:
Distychon Hermanni Bu. Pas.
Hec vis hoc decus est non enarrabile uerbi,
Quo premitur plus, hoc vincit ab hoste magis. 8
Was der ganze Aufzug zu bedeuten hat, ist nach dieser Beschreibung offenbar. Es soll
gezeigt werden der Siegeszug, genauer der Triumphzug der in der Reformation wieder¬
erstandenen Wahrheit des Evangeliums. Am treffendsten drücken den Sinn der Darstellung
die Worte der Apostel in der Dichtung aus, wenn sie den frommen Christen zurufen:
/ jefud (Sfjrift n>ar menfcp onb gott
(Der onf? all mit feint bittem tobt
ÖrlÄgt f)at oon be* teuffei* gwalt /
©on tobt onb fünben manigfalt)
Der fert ba f>er / onb triumphiert
©on fepncn fpnben / bie ba fiert
Der putten gfangen onb gebunben /
©lit bem n>ort gotte* oberO]n>unbcn /
Da* bet Snbchrifl tpeff \)tt oergraben /
©nb§ aber »efeunb wiber pabcn
Durch ben getreten gotte* fnecht
©fnrtiitum fcutljer / wie jr* fecht
Da* er ben wagen felber fiert /
©ff bem bie warhept triumphiert /
Da* iji ber milt her jefu* €hnft
Der ban bie warheot felber ijt.
Ör ifi ber weg onb auch ba* leben /
Durch ben euch wirbt all fänb oergebeit.
Aus der Darstellung selbst bleibt noch die Frage zu beantworten nach dem Verständ¬
nis jener eigentümlichen kuttentragenden Tierkopfkarikaturen und ihrer durch besondere
Attribute gekennzeichneten Genossen, die im Gefolge des Papstes und als dessen Leidens-
1 Vgl. bezüglich des letzteren z. B. „Der heiligen leben“, neugedruckt, (Straflburg, Martin Flach), 1521,
S. ^CXXII r nebst Holzschnitt S. XXXI r , ferner etwa die Darstellung Lukas Cranachs itn Wittemberger Heiligthums¬
buch h II r oder Virgil Solis’ in der Apostelserie (Kupfer) Pass. IV S. 116: 559, 13. Zum Instrument, dem Wollbogen,
selbst vgl. überdies noch den Holzschnitt bei Ernst Mummenhoff , Der Handwerker in der deutschen Vergangenheit
(Monographien z. Kulturgeschichte, hrsg. v. Gg. Steinhausen. 8). Jena 1901, S. 16.
2 I Tim. i 17 .
3 Den Pentameter entnehme ich Schade a. a. O., S. 353, da er in dem mir zu Gebote stehenden Exemplar
der Preuß. Staatsbibliothek (Yh 186) weggeschnitten ist.
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Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“. 51
Oie H ütcnTcb Gfrcbk^f t,
gefahrten das Hauptschaustück des ganzen Zuges aus¬
machen. Für vier der fünf Tierkopfgestalten hat die
Deutung bereits Hans Sachs in seinem berühmten Ge¬
dicht „Die Wittenbcrgisch Nachtigall“ vom Jahre 1523 1
uns an die Hand gegeben. Es sind alles bekannte
Papisten und Luthergegner, die uns in ihnen entgegen¬
treten. Halten wir uns an die Reihenfolge, in der sie
in unserem Bilde erscheinen, so fallt uns als erster in
die Augen der Bettelmönch mit dem Katzenkopfe:
Thomas Murner, der Straßburger Franziskaner; ihm zur
Rechten schreitet Professor Dr. Johannes Eck von
Ingolstadt mit dem Eberkopfe; sein Nebenmann wie¬
derum ist Hieronymus Emser der „Bock“ zu Leipzig,
während die Reihe an der uns abgewendeten Seite
schließt mit dem in Hans Sachsens Wittenbergischer
Nachtigall nicht genannten, aber in anderen Quellen
bezeugten Universitätsprofessor Jakob Lemp zu Tübin¬
gen 2 , der den Kopf eines Hundes trägt; der fünfte
Papist mit einem Tierkopfe marschiert in der nächsten
Reihe: es ist Augustin Alveld, der Barfüßermönch, in
der Polemik Luthers und seiner LYciinde „der Esel zu
Leipzig“. 8 Außer diesen fünf haben nun noch zwei
weitere Personen besondere Erkennungsmarken erhal¬
ten; sie besteht bei dem einen Kleriker in einer ge¬
krönten schwarzen Ratte, die ihm auf den Kopf ge¬
setzt ist und ihn als den Rattenkönig von Köln, den
Ketzermeister Jakob von Hochstraten, bezeichnet, bei
dem anderen in einem Blasebälge auf der Brust und einem Hammer in der Hand, zwei Werk¬
zeugen, die diesen als Hcnscl Schmidtknecht, d. i. den Generalvikar Johann Faber (Fabri)
von Lcutkirch zu Konstanz ausweisen.
\ ..
Bild 1 .
So bekannt im allgemeinen dieser große Holzschnitt ist, so wenig ist cs der so viel
kleinere der eigentlichen Titelseite unserer Flugschrift (Bild 2). Sein Umfang beträgt ein¬
schließlich der Einfassungslinie nur 137 mm Höhe X 113 mm Breite. Er zeigt über einer
zackigen Berglandschaft, die von einer Kirche mit einem in ganzer Breite ihrer Schmalseite
♦ vorgelegten massigen, helmlosen Turme belebt ist, einen in Querlage nach rechts von vier Teufeln
schwebend emporgetragenen feisten Papst im Bildnis Leos X. vor dem über Wolken im
Strahlennimbus erscheinenden und Urteil sprechenden Heiland mit der Weltkugel. Die Tiara
fällt dem Papste vom Haupte. Zwei Engel stoßen ihn mit ihren Kreuzen hinab, ein dritter
schwebt von links oben mit erhobenem Schwerte gegen ihn an; eine dicke beflügelte Gestalt
mit turbanartiger Kopfbedeckung und einem Szepter in der Linken, vermutlich der oberste
der Teufel und das Widerspiel des Papstes, der in der Flugschrift selbst gelegentlich als „der
römische Türk“ bezeichnet ist 4 , packt diesen, der in seiner jammervollen Lage mit beiden
Händen abwehrt, am Hermclinkragcn. Unten auf der Erde erheben links und rechts Mönche
mit einem Bischof rechts an der Spitze knieend und betend Blick und Hände nach oben.
Es ist eine „Apothese“ des Papstes im Sinne und Geiste Luthers und der Reformation:
des Papstes Himmelfahrt wird zu einer Höllenfahrt.
Bleibt dieses Titelbild nach seinem äußeren Umfange sowohl wie nach seinem Inhalte
erheblich zurück hinter dem Holzschnitt der Rückseite, so ist seine Bedeutung um so größer
1 Abgedruckt in Hans Sachs. Hersg. von A. v. Keller uud E. Goetze, Bd. 6, S. 368—386; vgl. ebda. Bd. 24,
Enr. 6 und Bd. 25, nr. 82.
2 Über ihn vgl. Otto Clernen , Die Luterisch Strebkatz, Archiv für Reformationsgeschichte 2, 1904/1905,
S. 78 ff., Exkurs: S. 90—93.
3 Cf. zu dieser Titulierung außer der gen. Hans Sachs-Stelle besonders Luthers Werke, Weimarer Ausgabe
Bd. 6, S. 280. 284.
4 Vers 347 f. (in den Worten Luthers):
3u letft ber v6mf(l) Titvrf fotmnen i|l
(Den man fonfl nent ben 2Intt$rifi).
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52 Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“.
für die Entscheidung der Frage, der wir uns nunmehr
zuzuwenden haben, für die Frage nach dem Künstler,
der sie beide geschaffen hat. Denn daß eine Hand
beide Kompositionen entworfen und beide Holzschnitte
gezeichnet hat, bedarf keiner weiteren Beweisführung.
Wer ist diese Hand?
3 -
Es ist Gemeingut aller, die diesen Blättern nahe¬
gekommen sind, daß der große Holzschnitt Triumphus
veritatis keine selbständige, eigene, neue Schöpfung,
sondern eine Nachbildung ist jener Komposition, die als
Triumphus Capnionis die Schrift Ulrich von Huttens
Triüphus Doc. Reuchlini (Hagenau, Thomas Anshelm,
1518), 4 01 , schmückt (Bild 4). Wem dieses Original ver¬
dankt wird, ist bis heute so wenig erkannt, wie man
ein Urteil darüber abgegeben hat, wer den ihm nach¬
gebildeten Triumphus veritatis gezeichnet. Sicher ist,
daß der Zeichner des Triumphus veritatis ein anderer
ist als der des Triumphus Capnionis. Bleibt nun der
künstlerische Ursprung dieses berühmten Blattes auch
weiterhin im Dunkeln, so glaube ich für den Holzschnitt
des Triumphus veritatis und den ihm zugehörigen und
künstlerisch gleich zu wertenden eigentlichen Titelholz¬
schnitt den Meister gefunden zu haben.
Auf die Spur führten mich jene geistlichen Tiermasken im großen Triumphzuge der
Wahrheit. Sie begegnen uns mehrfach, wie in der Literatur, so in der Kunst bzw. im
reformationspolemischen Holzschnitt der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie begegnen
aber insbesondere auf einem Titelholzschnitte, dessen künstlerische Verwandtschaft mit unseren
beiden Holzschnitten, d. i. vor allem mit* dem kleinen der Titelseite, evident ist. Es ist der
Titelholzschnitt einer gleichfalls reformationspolemischen und gleichfalls ohne Angabe des
Druckortes und Druckjahres herausgekommenen, aber gleichfalls in beiderlei Hinsicht mit hoher
Sicherheit zu bestimmenden Flugschrift: Die Luterisch Strebkatz 1 2 3 4 5 (Bild 1). Sie gibt, auch sie
in Versen (nach einem Vorwort in Prosa), eine Anrufung Luthers an Christus und dessen
ihm Beistand im Kampfe verheißende Antwort und anschließend eine satirische Abfertigung des
Papstes und seiner ohnmächtigen Helfershelfer. 8 Entstanden und gedruckt ist die interessante
Schrift wahrscheinlich schon Sommer oder Spätsommer 1 524/ Ihre Heimat ist Niederdeutsch¬
land (Wittenberg?). 6 * Als Druckort gilt Hagenau. 6
Ihrem Inhalte entspricht ihr höchst sinnvolles und packendes Titelbild. Was das Büch¬
lein in Rede und Gegenrede ausführt, das wird uns hier in lebendiger Zeichnung vor Augen
gestellt: Luther im Ziehspiel mit dem schwer bedrängten, von den Führern des Papismus
umgebenen Papste. Die Austragung des Kampfes geschieht am Fuße eines Bergmassivs
links, an dem auf mittlerer Höhe eine romanische, vom Rundchor gesehene Kirche mit
niederem, aber wiederum wuchtigem, helmlosem Westturme lehnt und über dem zwei Wolken
1 Genauer Titel: [Ulr. von Hutten ,] TrnFphus || Doc. Reuchlini || Habes Stv || diose lcctor, Jo || annis Capris || nis
viri praestantissimi Enco || mion. Triumphanti illi ex || deuictis Obscuris viris, Id || est Theologistis Colo || nienT &
Fratribus de || Ordine: Praedicato || rum, ab Elcutherio Byzeno decanta || tum. (Hagenau, Thomas Anshclm, 1518.) 4 0 .
Dieser Druck ist sehr selten; seit dem 16. Jahrh. wird gewöhnlich die 2. oder 3. Ausgabe erwähnt, erstcre mit dem
Titel: Joannis Reuchlini viri clarissimi Encomion. Cf. Ulr. v. Hutten , Schriften, hrsg v. Ed. Böcking, Bd. I, S. 26*
(Bibliographie) und Bd. 3, S. 413—448 (Text nebst Praefatio editoris). Der Holzschnitt ist auf besonderem Blatt vor
dem Titel der Originalausgaben eingebettet. Eine Abbildung in Faksimile bei E.J. H. Münch , Des teutschen Ritters
Ulrich von Hutten sämmtliche Werke, 2. Teil, Berlin 1822, und L. Geiger , Renaissance und Humanismus in Italien
und Deutschland (Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen. II, 8), Berlin 1882, Einschalttafel S. 522/523.
2 Berlin, Preuß. Staatsbibliothek, Yhi. Cf. Schade a. a. O. Bd. 3, 112 —135, dazu Erläuterungen S. 255 — 261.
3 Vgl. die sehr sachkundige Besprechung Clemens a. a. O.
4 S. unten!
5 So Schade a. a. O. S. 261, desgl. Alfred Götze bei Clemcn a. a. O. S. 87.
6 So Karl Schottenloher , Denkwürdige Reformationsdrucke mit dem Bilde Luthers, Zeitschrift f. Bücherfreunde
N. F. 4, 1912/13, S. 229. Hans Koeglcr , Beiträge zum Holzschuittwerk des Urs Graf, Anzeiger f. schweizerische Altertums¬
kunde N. F. 9, 1907, S. 139 (darnach auch Georg Stuhlfauth , Deutsch-Evangelisch 2, 1911, S. 374) dachte an Basel
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54 Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“.
w
cl
4 *.
jagen. Luther, im Mönchsgewandc, links,
mit dem rechten zurückgesetzten Bein
knieend, während das linke aufgestellt ist,
neigt den Oberkörper vor und hält mit
starken Händen den Stamm eines einfachen
Kreuzes umklammert, an dem in kleiner
Figur der Kruzifixus hängt. Ihm gegen¬
über hat der Papst, mit dem er durch
ein beiden Gegnern um den Hals gelegtes
Tuch-Band verbunden ist, allen Halt ver¬
loren: der Kopf ist ihm stark hcrunter-
gezogen, die dreifache Krone fällt ihm vom
Kopfe, die hölzerne Gebißstange in seinem
Munde gibt seinem breiten und blöden Ge¬
sichte einen fast tierischen Ausdruck, aus
seinem geplatzten Beutel rollen die Gold¬
stücke auf den Erdboden, mit denen er
seine Getreuen zu bezahlen gedachte. Er
hat das Spiel verloren trotz der Schar
seiner Freunde, die, gutenteils in der aus
dem Triumphus veritatis schon bekannten
Verwandlung uns bereits vertraut, um ihn
versammelt sind: die einen — Emscr der
Bock, der, ohne im geringsten von ihm
beachtet zu werden, auf Luther eindringt,
Murner der Kater, Hogstraten der Ratten¬
könig, im Vordergründe Eucharius Henner,
der geistliche Richter des Bischofs zu Speier,
der als drolliges Eichhörnchen an Luthers
Kutte nagt 1 2 — eifrig und teilnahmsvoll
sich um ihn bemühend, die anderen —
Lemp der Hund und Dr. Eck der Eber —
zusammen beratend, die dritten — Johannes
Cochläus, damals Domdekan zu Frank¬
furt a. M., mit der Schnecke auf dem Kopfe
und dem großen Kochlöffel auf der Schul¬
ter, Johann Fabcr (Fabri) von Lcutkirch
mit dem Hammer auf der Schulter u. a.
— mit mehr oder weniger innerer Anteil¬
nahme ratlos und tatlos zuschauend.
Den Schöpfer aber dieses Holzschnittes
hat uns Hans Koegkr genannt: es ist Urs
Graf.*
Vergleicht man nun mit diesem Holz¬
schnitt die beiden der Flugschrift „Trium¬
phus veritatis. Sick der warheyt“, so er¬
gibt sich sogleich, daß zwischen ersterem
und vor allem der kleineren Titelkompo¬
sition dieser Veröffentlichung die engste
künstlerische Verwandtschaft besteht, eine
Gemeinschaft des Stiles und der Formen,
die beiderseits die Herkunft aus einer und
derselben Künstlerhand bezeugt. Ist es
erforderlich, auf Einzelheiten hinzu weisen?
1 Vgl. CUmen a. a. O. S. 86 f.
2 Vgl. Hans Koegler a. a. O. Zu Kocglcrs
Bibliographie betr. Urs Graf tritt hinzu Jlf. Wacker-
nagcly Basel (Berühmte Kunststätten 57). Leipzig,
E. A. Seemann, 1912, passim (s. Register).
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Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt". 5 5
Man sehe beiderseits die Landschaft und ihre Staffage, die Wolkenbildung, die vierschrötigen
Köpfe der Figuren, auch die Gewandbehandlung und Faltenbildung 1 Ist aber das Titelbild der
Flugschrift Freiermuts von dem Meister des Holzschnittes der „Luterisch Strebkatz" gezeichnet,
so folgt, daß sämtliche drei Holzschnitte, d. h. die beiden Titelbilder der beiden Schriften
einschließlich des großen Blattes an der Rückseite des Titels zum „Triumphus veritatis" von
Urs Graf herrühren; denn daß dieser große Holzschnitt mit dem kleineren Titelholzschnitt
wiederum einen gemeinsamen Urheber hat, ist ohne weiteres ersichtlich. Man kann gegebenen¬
falls gegen die Zuweisung des Holzschnittes der „Luterisch Strebkatz" an Urs Graf Bedenken
haben. Aber solches Bedenken würde nichts ändern an der Zuweisung unserer drei hier
besprochenen Holzschnitte an einen und denselben Künstler. Da wir aber keinen Grund und
kein Recht sehen, die Autorschaft des Urs Graf, die Koegler im Rahmen des Gesamtwerkes
dieses Meisters für den Holzschnitt der „Luterisch Strebkatz" ausgesprochen hat, anzufechten
oder zu bestreiten, so muß Urs Graf nunmehr auch als der Schöpfer der beiden Holzschnitte
der Freiermutschen Broschüre gelten, wie er nach Koeglers Urteil als der Schöpfer des Titel¬
bildes der „Luterisch Strebkatz" gilt. 1
Gedruckt ist, nach Schades überzeugender Begründung, Freiermuts Büchlein aller Wahr¬
scheinlichkeit nach nicht in der Schweiz, sondern wohl im nördlichen oder nordwestlichen
Deutschland. „Wenn man nicht die Übersendung des Manuskripts in eine vielleicht gar mehr
niederdeutsche Gegend und den Druck daselbst. . . annehmen will, so muß man sich ent¬
schließen, den uns zu Gebote stehenden alten Text für einen Nachdruck eines älteren aus
1 Wie übrigens dieses Titelbild lehrt, versteht man unter dem Strebkatzziehen (auch Luderziehen genannt) ein
Kraftspiel, in welchem zwei durch ein Band, einen verknüpften Tuchstreifen oder Strick um die Nacken verbundene
Gegner um die Meisterschaft ziehen. In derb-lächerlicher Auffassung zeigt das Spiel eine Randleiste der früheren Aus¬
gaben von Seb. Brants Basler Narrenschiff (z. B. 1499, 1509); es begegnet ferner auf der Seite eines um 1495 in
Reutlingen gedruckten Kalenders in der Hand des links und rechts auf dem Steckenpferd sitzenden Christkindes (cf.
Paul Heitz^ Dreißig Neujahrs wünsche des 15. Jahrhunderts, Straßburg i. E., Heitz, 1917). Weitere Beispiele s. Alfred
Götze , Die hochdeutschen Drucker der Reformationszeit, Straßburg 1905, S. 100. Die früheste bekannte Darstellung
hat Erich Ballerstedt nachgewiesen über dem Haupteingange (nach der Marktstraße) des 1455 erbauten Teiles des
Rathauses zu Hannover in seinem vortrefflichen Aufsatz „Das Strebkatzenziehen, ein Kraftspiel des Mittelalters, und seine
Spuren in deutscher Sprache und Kunst“, Hannoversche Geschichtsblätter 4, 1901, S. 97—107; doch ist er im Irrtum,
wenn er in dem Gegenstand, den die Gegner hier und anderwärts im Munde haben, meint als Streitobjekt (Knochen
oder Wurst) deuten zu müssen; in Wirklichkeit ist es ein hölzerner Knebel oder eine Gebißstange, wie sie z. B. der
eine der beiden an den Pfahl gebundenen Männer hat, während ihn der Henker blendet, in dem Holzschnitt des Georg
Pencz auf einem Einblattdruck des Hans Sachs, s. Heinrich Pöttinger , Die Holzschnitte des Georg Pencz, Leipzig
1914, Tf. 16 [Nr. 25] (Abb. auch Zeitschrift f. Bücherfreunde N. F. 2, a , 1911, S. 242 zu P. Buchwaldy Über einige
Verleger und Illustratoren des Hans Sachs, ib. 233 ff.) oder wie er sich dargestcllt findet über dem Lutherkopfe des
Septiceps Lutherus-Holzschnittes, s. meine Abhandlung „Das Bild als Kampflosung und als Kampfmittel in der
Kirchengeschichte“, Wege und Ziele 2, 1918, S. 464 nebst Abbildung. Im übertragenen, bildlichen Sinne (== sich
herumreißen, sich streiten) ist die Wendung „die Strebkatz ziehen“ oder dergl. der Literatur geläufig; sie wird gerne
von streitenden Ehegatten gebraucht, insbesondere aber auch wiederholt von dem Kampf Luthers mit dem Papsttum,
so außer in der schon von Koegler a. a. O. S. 139, Anm. 1 zitierten Stelle des Schriftchens „Ein grosse clag der armen
Leyen . . .“ (o. O, u. J.: Basel, 1523), (Weller 2384), daß die Pfaffen umsonst versucht hätten, die Laien gegen Luther
aufzubringen,
„vnd wolten uns in das spil hetze,
dörffent doch nit jre zeen wetzen
mit dem Luther vmb ein zipfel rissen“,
in Hans Heinrich Freiermuts „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“, wo Hutten von dem Reformator sagt ( Schade
a. a. O. II, S. 203):
Mit dem [Wort Gottes] so hat er vmb sich gschlagen,
Dem Endchrist vnd jn allen zwagen.
Hat die strebkatz mit in gezogen.
Das haüpt dem Bapst zür erden gbogen.
Auch bei Hans Sachs in dem Spruchgedicht „Ein nützlicher rath den jungen gsellen, So sich verheyraten wollen“, 1549
{Hans Sachs. Hrsg. v. A. v. Keller und E. Goetze. Bd. 4, 328—330, cf. Bd. 24, Enr. 217 und Bd. 25, nr. 3025) heißt es:
Woist dus denn bendigen mit zorn
Mit rauffen, schlagen vnd rumorn,
So must du mit dem alten fratzen
Dein lebtag ziehen die Strebkatzen
Oder der narr bleyben im hauß.
Weitere Nachweise s. außer bei den schon genannten Autoren in den Wörterbüchern von Grimm und von Schmeller
s. v. Katze bzw. Strebkatz, ferner bei Karl Goedeke , Johannes Römoldt. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen
dramatischen Literatur des XVI. Jahrhunderts, Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen, Jg. 1852 (Hannover 1855),
S. 380; Oskar Schade , Satiren und Pasquille, II, S. 364 zu 259; III, S. 257 zu 116, 19 ; Otto Clemen , Die Luterisch
Strebkatz, a. a. O. S. 80 f.
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56 Stuhlfauth: Die beiden Holzschnitte der Flugschrift „Triumphus veritatis. Sick der warheyt“
der Schweiz zu halten, der aber ganz verloren gegangen zu sein scheint“ 1 Bezüglich der
Autorschaft der beiden Holzschnitte ist diese Frage des Druckortes ohne Belang; denn wie
sie auch entschieden werden mag, gewiß scheint mir, daß die Holzschnitte in engster Ver¬
bindung mit der Entstehung des Manuskriptes, nicht mit der des Druckes gezeichnet sind.
Was endlich die Entstehungszeit unserer Holzschnitte betrifft, so läßt auch sie sich ziemlich
genau festlegen. Bei dem innigen Zusammenhänge zwischen Schrift und Bild ist es von be¬
sonderem Werte, zu wissen, wann die Schrift entstanden ist. Nun läßt sich aus Verszeile
1240 „im jubeljahr, als würt noch heur“ mit Bestimmtheit entnehmen, daß das Gedicht im
Jahr 1524 geschrieben ist. Denn das Jubeljahr, das „noch heur“ wird, ist das des Jahres 1525,
das aber bereits am Abend vor „Neujahr“, d. i. am Weihnachtsabend 1524 — Neujahr wurde
mit Weihnachten begonnen — durch den Papst eröffnet wurde. 2 * * * Damit ist auch die Datierung
der beiden Holzschnitte gegeben; ihre Entstehung, jedenfalls die des großen Blattes, geht der
Abfassung der Dichtung unmittelbar voraus, fallt mithin in das Jahr 1524.
Aus der Schrift selbst aber läßt sich nun, wie mir scheint, noch ein weiterer Anhalt
entnehmen über das zeitliche Verhältnis zwischen der anonymen Flugschrift „Die Luterisch
Strebkatz“ und ihrem Titelholzschnitt einerseits, der Schrift Freiermuts und ihren beiden Holz¬
schnitten andererseits. Es kommt hier in Betracht die in der Anm. zu S. 55 bereits angeführte
Stelle aus der Rede Huttens, insbesondere das Reimpaar 259 f.:
Hat die strebkatz mit in gezogen.
Das haüpt dem Bapst zür erden gbogen.
Lesen diese Verse sich nicht — trotz aller Vertrautheit des Verfassers mit der Art des
Spieles als solchen — wie eine Beschreibung just des Holzschnittbildes der „Luterisch Streb¬
katz“? Daß dieses Freiermut Vorgelegen und er es bei der Niederschrift seiner Dichtung vor
Augen gehabt, liegt um so näher, nachdem wir wissen, daß derselbe Meister Urs Graf seinen
Zeichenstift beiden Verfassern zur Verfügung gestellt hat. Ich möchte deshalb diesen Um¬
stand mit als Stütze ansehen für die Annahme, daß Freiermut seine Verse schrieb zu einer
Zeit, als ihm „Die Luterisch Strebkatz“, jedenfalls des Urs Graf Titelbild zu ihr, bereits vor
Augen lag. 8
Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen:
1. Die beiden Holzschnitte der Schrift des Hans Heinrich Freiermut „Triumphus
veritatis. Sick der warheyt“ gehen auf denselben Meister zurück, der den Titel¬
holzschnitt der Schrift „Die Luterisch Strebkatz“ zeichnete, d. i. Urs Graf;
2. die Entstehung der drei Holzschnitte fallt in das Jahr 1524 und zwar geht die
Komposition der „Strebkatz“ jenen des Triumphus veritatis voran;
3. dasselbe zeitliche Verhältnis gilt auch für die beiden Dichtungen: „Die Luterisch
Strebkatz“ ist entstanden vor dem „Triumphus veritatis“ Freiermuts.
1 Schade a. a. O. S. 372.
2 Vgl. auch Schade a. a. O. S. 373. Schade hat aber nicht beachtet, daß man damals das neue Jahr mit
Weihnachten begann.
3^ Auch Cletnen a. a. O. S. 90 bemerkt, ohne jedoch Gründe anzufiihren, von der Schrift Freiermuts: „wahr¬
scheinlich bald nach der Strebkatz entstanden“; diese datiert er Ende 1524, s. ebd. S. 87.
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57
Zu dem Aufsatz:
Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der Leipziger Stadtbibliothek
Von Dr. Johannes Hofmann
Bild i. Der Große Kurfürst von Brandenburg und seine Gemahlin Dorothea (1671)
Bild 2. Der schlesische Dichter
Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1667)
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FIDE -PIETATE SPE ET BENEF1CIO
58 Hofmann: Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der Leipziger Stadtbibliothek,
Bild 3. Leipzig (1649)
Bild 4. Oer berühmte Jurist Benedict C'arpzov,
*c*it 1O20 Beisitzer des Leipziger Schoppenstuhls (1649)
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Bild 6. Benedict Carpzov, gestochen von Joh. Dürr
nach einem Bilde der Margaretha Rastaim (1051)
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6i
Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der
Leipziger Stadtbibliothek.
Von
Dr. Johannes Hofmann, Bibliothekar an der Stadtbibliothek in Leipzig.
Mit acht Bildern.
D ie Leipziger Stadtbibliothek besitzt in dem Stammbuch des Magisters Frentzel ein ganz
besonders wertvolles Stück, wie es nur selten zu finden ist.
Magister Johannes Frentzel, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in
Leipzig lebte, wird Sammlern von Leipziger Kupferstichen, namentlich von Leipziger Porträts
aus jener Zeit, nicht unbekannt sein. 1 Frentzel lieferte oft für die in Kupfer gestochenen
Bildnisse nach der Sitte der Zeit deutsche und lateinische Lobsprüche, mit Vorliebe Akro¬
stichen und Anagramme (s. Bild 6), und neben dem „Dürre excudif 1 oder Römstedt sculpsit“
findet sich häufig auf Leipziger Bildnissen jener Zeit auch das „ Mgr . Joannes Frenzei fecit\
Zedlers Universallexikon und Jöchers Gelehrtenlexikon geben einige Lebensnachrichten über
ihn. Darnach war er „ein gekrönter kaiserlicher Poete“, Professor der Poesie an der Universität
Leipzig, wie später Ernesti, Christ, Bel, Clodius, Reiz und Eck, Vicar des Domstiftes zu
Magdeburg, Canonicus von Zeitz und Collegiat des großen Fürstenkollegiums zu Leipzig. Ge¬
boren war er am 8. Mai 1609 in Annaberg, gestorben ist er am 24. April 1674 in Leipzig.
Ferner erfahren wir durch die genannten Quellen nur noch, daß er einen guten lateinischen und
deutschen Vers gemacht habe, absonderlich in Anagrammatibus und Sonetten glücklich ge¬
wesen sei, und daß von ihm erzählt wird, daß er, wenn er ein Anagramm hat machen sollen,
sich „auf der Erde herumgewälzet“ habe.
Frentzels Stammbuch besteht fast durchweg aus Pergament und ist beinahe Blatt für
Blatt mit Malereien geschmückt. Die nur beschriebenen Blätter bilden die Ausnahme. Solche
reich ausgestattete Stammbücher sind in bürgerlichen Kreisen außerordentlich selten. Es um¬
faßt 428 Blätter, von denen allerdings 185 als bloße Schutzblätter leer sind. Von den Per¬
sonen, die sich eingeschrieben haben, haben sich nur etwa 25 mit einem Spruch und ihrer
Namensunterschrift begnügt. Alle anderen haben irgend ein Kunsterzeugnis hinzugefugt oder
hinzufügen lassen, und zwar die meisten ihr eigenes Bild. Nicht weniger als 83 Porträts und
15 Doppelporträts enthält das Stammbuch. Andere, über 20, haben ihre Wappen malen lassen,
das übrigens auch bei den Porträts bisweilen noch angebracht ist Auch allegorische, bi¬
blische, mythologische Darstellungen, Landschaften und Städteansichten fehlen nicht. Alle diese
Bilder sind teils in Wasserfarben, teils in Gouache, viele aber auch, besonders die Porträts,
in Öl auf Pergament gemalt. Nur drei Blätter sind gezeichnet, eins ist ein kolorierter Kupfer¬
stich, fünf sind in Seide gestickt. Der Kunstwert der einzelnen Blätter ist natürlich ver-
' schieden. Unter den Porträts, die meist in einem Oval links in der unteren Hälfte des Blattes
angebracht sind, finden sich neben guten Leistungen eine kleine Anzahl wahrer Meisterstücke
von außerordentlicher Feinheit der Ausführung, überwiegend freilich die untergeordneten Mach¬
werke gewöhnlicher Stammbuchmalerei.
Zu den hervorragenden Persönlichkeiten, die ihre Bildnisse spendeten und eigenhändig
Unterzeichneten, gehören vor allem viele Mitglieder des sächsischen Fürstenhauses, voran
Kurfürst Johann Georg I. mit seiner Gemahlin Magdalena Sibylla (1654), aber auch der Grpße
Kurfürst von Brandenburg mit seiner Gemahlin Dorothea (1671) (s. Bild 1). Heerführer wie
Torstenson, Königsmark und Axel Lilie haben ihr Wappen und einen Spruch gespendet.
Axel Lilie schrieb zum Beispiel ein:
„Disteln stechen , Nesseln brennen ,
Wer kann alle falschen Herzen kennen .“
Von berühmten Juristen sind Veit Ludwig von Seckendorff (1672) und Benedict Carpzov
(1649) (s. Bild 4) im Bilde vertreten. Auch der bekannte norddeutsche Dichter Johann Rist (1658)
(s. Bild 7) und der schlesische, Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1667) (s. Bild 2) haben
sich eingeschrieben und ihr Porträt gestiftet Unter den übrigen bildlichen Darstellungen ist wohl
1 Vergleiche: Gustav Wustraann „Der Leipziger Kupferstich im 16., 17. und 18. Jahrhundert“ (Neujahrs¬
blätter der Bibliothek und des Archivs der Stadt Leipzig III, 1907) Seite 23 fr., und Wustmanns Aufsatz Über das
Stammbuch im Leipziger Tageblatt am 14. April 1890.
XIII, 8
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62 Hofmann: Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der Leipziger Stadtbibliothek.
das interessanteste die Gegenüberstellung eines ärmlichen, von einem Engelreigen umtanzten Klage¬
hauses und eines reichen, von Teufeln umschwärmten Trinkhauses (nach Pred.Salom. 7,3), nach dem
Hausgiebel zu schließen, Augsburger oder Nürnberger Arbeit. Sehr hübsche Blätter befinden sich
sich auch unter den Landschaften und Städteansichten (Leipzig und Dresden) (s. Bild 3 u. 5).
Frentzel hat sein Stammbuch kurz vor seinem Tode, 1672 oder 1673, in eine blaue
Samtdecke mit gravierten Silberbeschlägen einbinden und dabei die Blätter, die früher sicher¬
lich lose in bunter Reihe durcheinander lagen, in eine gewisse Ordnung bringen lassen. Durch
elf Blätter, die vom Besitzer selbst herrühren und lediglich der Einrichtung des Buches ge¬
widmet sind, wird das Stammbuch eröffnet. Von diesen zeigt eins das Bild des Besitzers
selbst, andere allegorische Darstellungen, in denen Frentzel wieder mit erscheint, die übrigen
tragen Verse von ihm. Außer seinem gereimten Lebenslauf enthält ein Blatt die Wünsche,
die er für sein Stammbuch hat:
„Was bittlich ick begehr 9 und gleichsam will ererben
Im Zierrat meines Buchs , zum Denkmal großer Gunst ,
Das sei kein Fluchwort nicht , noch Scherz von schnöder Brunst ,
Besondern was mich lehrt recht leben und wohl sterben.
So jemand noch dazu mir wollte lassen setzen
Ein Bild durchs Malers Hand , ein Wappen oder Schild ,
So würd !* um so viel mehr mein Wunsch dadurch erfüllt ,
Dieweil ich mich hieran auch pflege zu ergötzen.**
' Nach den 11 Eröffnungsblättem folgen zunächst alle fürstlichen Personen, Adliche, Kriegs¬
leute, Hofleute, hohe Beamte, Gelehrte, darunter viele Leipziger Universitätslehrer und Geist¬
liche, dann sonstige Beamte, Künstler, zuletzt Frauen. Die Blätter verteilen sich über einen
sehr großen Zeitraum. Sie stammen meistens aus den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren.
Auf einem auf Atlas gedrucktem Titelblatt, das zu den 11 Eröffnungsblättern gehört, steht
die Jahreszahl 1646. In diesem Jahre hat sich also Frentzel das Stammbuch angelegt. Einige
Blätter stammen jedoch auch aus einem früheren Stammbuche, das er schon in den dreißiger
Jahren, jedenfalls als Student, benutzt hat, zum Beispiel das seiner Mutter vom Jahre 1635.
Nach seinem Tode haben sich nur zwei Personen im Jahre 1707 eingeschrieben, Verwandte
von solchen, die bereits drin standen.
Über die Künstler der einzelnen Bildwerke erfahren wir leider aus dem Stammbuch
sehr wenig, da sie sich nur ein paarmal nennen. So tragen die Bilder des jungen Prinzen
Johann Georg und der Prinzessin Erdmuthe Sophie (Seite 21 u. 22) \ beide vom Jahre 1661,
die Bezeichnung A. Weber fecit. Ein Porträt aus Halle vom Jahre 1673 (Seite 64) ist be¬
zeichnet d?la Borie pinxit. Auf einer Mondlandschaft von 1670 (Seite 182) nennt sich Georg
Schultz, „Conterfeier" in Breslau, als Künstler. Daß zahlreiche Illustrationen des Frentzelschen
Stammbuches in engem künstlerischen Zusammenhang mit dem ebenfalls reich ausgestatteten
Breslauer Stammbuch des Zacharias Allert, das die Breslauer Stadtbibliothek besitzt, stehen,
ist bei der Universitätsjubiläumsausstellung in Leipzig festgestellt worden, wo Gelegenheit war,
beide zu vergleichen. * Auf zwei Allegorien in Wasserfarben haben sich Valtin Wagner (1652)
(Seite 177) und Daniel Bretschneider „der Eitere“ (1649) (Seite 178) als „Mahler“ genannt.
Valentin Wagner ist in Dresden um 1650 als Bildnismaler nachweisbar. 8 Unter änderen
malte er den Kurfürsten Johann Georg I., und es kann vermutet werden, daß auch das Bild
des Kurfürsten und der Kurfürstin (Seite 12) von seiner Hand stammt. Da Daniel Bret¬
schneider d. Ä. (geb. um 1550 in Dresden) im Juli 1623 das letzte Mal genannt wird, kann
hier wohl nur Daniel Bretschneider d. J., der Sohn des Daniel Bretschneider d. Ä., als Künstler
in Betracht kommen. Er lebte 1623—1658 in Dresden und pflegte vor allem die Miniatur¬
malerei auf Pergament und Marienglas. 1 2 3 4 Von ihm stammen sicherlich auch noch andere
gemalte Blätter des Stammbuches. Daß er sich hier als der Ältere bezeichnet, hat seinen
Grund vielleicht darin, daß ein noch jüngerer Maler mit demselben Namen, von dem wir
nichts wissen, damals sich betätigte. Durch die allegorischen Bilder, die Frentzel selbst als
Einführungsstücke in dem Buche hat anbringen lassen, lernen wir eine Leipziger Malerin
kennen, die dem Kenner der Leipziger Geschichte dem Namen nach sehr wohl bekannt ist,
vor allem als Porträtmalerin und durch die zahlreichen Proteste der Leipziger Innungsmaler
1 Die in Klammern hinzugefügte Seite bezeichnet stets die Seite im Stammbuch.
2 Siehe Katalog der Universitäts-Jubiläums-Ausstellung Leipzig 1909, Seite 35 und Seite 120 u. 121.
3 Vergleiche Naglers Künstlerlexikon.
4 Vergleiche Allg. Lexikon der bildenden Künstler von Thieme und Becker, IV. Bd., Seite 592.
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Hofmann: Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der Leipziger Stadtbibliothek. 63
wegen ihrer „vielfältigen Störerei“. Auf einem dieser Bilder (Seite 10) bezeichnet sich Frentzel als
„inventor“, und als Malerin wird Margaretha Rastrum genannt, die Frau eines Organisten in Pegau. 1 2 3 *
Da diese Blätter nur sehr mittelmäßiges Können verraten, verdankte sie ihren Ruf jedenfalls nur
ihrer Porträtmalerei. So zeigt das Bildnis des Magister Frentzel (Seite 1), das zu den Eröffnungs-
blättern gehört, und zweifellos auch ein Werk der Rastrumin ist, schon eine bessere Arbeit.
Von ganz besonderer Bedeutung ist das Stammbuch für die Leipziger Porträtforschung.
Wenn einmal die Geschichte des Leipziger Porträts im 17. Jahrhundert geschrieben wird, darf
die Porträtgalerie im Frentzelschen Stammbuch nicht unberücksichtigt bleiben. Daß auf diese
Weise auch Ergebnisse gewonnen werden können, soll in folgendem kurz angedeutet werden.
Es liegt nahe, die von Frentzel angeregten und mit Epigrammen versehenen Porträt¬
stiche mit den entsprechenden gemalten Personen in seinem Stammbuche zu vergleichen.
So weit mir die Stiche zugänglich waren, konnte ich im ganzen 26 Porträts des Stamm¬
buches mit gestochenen Bildnissen vergleichen. Es ergab sich bei den meisten eine auf¬
fallende Ähnlichkeit, oft sogar vollständige Übereinstimmung zwischen den gemalten Miniatur¬
porträts und den Stichen. Da die Übereinstimmung oft so klar zutage tritt, kann mit ziem¬
licher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß dem Stecher ein Bild von demselben
Maler als Vorlage gedient hat, dem das gemalte Porträt in Frentzels Stammbuch zuge¬
schrieben werden kann. Da aber neben dem Stecher auf den gestochenen Bildnissen öfters
der Maler der Vorlage sich nennt, können mit einer gewissen Vorsicht auf diesem Wege
die Maler der Stammbuchporträts sich ermitteln lassen. Daß diese Folgerung nicht zu
kühn ist, dafür sprechen auch die engen Beziehungen, die Frentzel zu den damaligen Leipziger
Porträtstechern und dadurch wieder zu den Porträtmalern hatte. Auch war es in einigen
Fällen möglich, Stiche nach verschiedenen Vorlagen zum Vergleich heranzuziehen, von denen
aber nur einer mit dem Porträt im Stammbuche tatsächlich übereinstimmte.
Die Gegenüberstellung von Porträtminiaturen und Stichen ergab kurz folgendes:
Infolge ihrer großen Ähnlichkeit, die oft an Übereinstimmung grenzt, kann mit Hilfe
des Stiches auf den Maler bei folgenden Porträts des Stammbuches geschlossen werden:
Benedict Carpzov, der bekannte Jurist (Seite 44) [1649] — Stich von Joh. Dürr nach einem
Bilde der Margaretha Rastrum 2 [1651] (s. Bild 4 u. 6).
Johannes Fritzsch, Advokat. (Seite 131) — Stich von J. Dürr nach einem Bilde der Margaretha
Rastrum [1657].
Philipp Müller, Universitätsprofessor (Seite 143) [1651]. — Stich von Joh. Caspar Höckner
nach einem Bilde der Margaretha Rastrum [1653].
Joh. Hülsemann, Superintendent an der Thomaskirche (Seite 91) [1655]. — Stich von J. Dürr
nach einem Bilde der Margaretha Rastrum [1651]. 8
Samuel Lange, Superintendent an der Thomaskirche (Seite 93) [1662]. — Stichi von J. Dürr nach
einem Bilde der Margaretha Rastrum [1661]. Mit einem anderen Stich von Romstet
nach einem Bilde von Johannes Wolfersdorff [1668] sind keine großen Überein¬
stimmungen vorhanden. Diesem Stich ähnelt dagegen das Bild in der Thomaskirche.
Martin Geier, Superintendent an der Thomaskirche (Seite 110) [1649]. ~ Stich von J. Dürr
nach einem Bilde von Christoph Spetner [1658]. Keine große Ähnlichkeit mit dem
Stich von C. Romstet nach einem Bilde von Sam. Bottschild.
Christian Lange, Superintendent an der Thomaskirche (Seite 89) [1648]. — Stich von J. Dürr
nach einem Bilde von C. Spetner [1651].
Daniel Heinrici, Doktor der Theologie (Seite 92) [1657]. — Stich von B. Paravicinus nach
einem Bilde von C. Spetner [1664].
Paul Wagner, Assessor etc. (Seite 129) [1665]. — Stich von C. Romstet nach einem Bilde
von C. Spetner [1665].
Franciscus Romanus, Universitätsprofessor (Seite 125) [1667] (s. Bild 8). — Stich von C. Romstet
nach einem Bilde von C. Spetner [ohne Jahr].
1 Vergleiche Naglers Ktinstlerlexikon und G. W. Geyser „Geschichte der Malerei in Leipzig von frühester Zeit
bis zum Jahre 1813“ (Leipzig, 1858) Seite 42 ff.
2 Dieser Stich stimmt auch vollständig mit einem auf der Universitätsbibliothek befindlichen Porträt von Benedikt
Carpzov überein, das zweifellos auch der Rastrumin zugeschrieben werden muß. Nach demselben Bilde stach im Jahre
1673 Joh. Reihhold Schildknecht einen mäfligen Stich. Dagegen weist ein Stich von J. Dürr vom Jahre 1663 nach
einem jedenfalls späteren Bild derselben Künstlerin verschiedene Abweichungen auf (eine Hand, Haartracht, Nasenlöcher).
Zwei weitere Stiche von N. Houbelinus und M. Bernigeroth haben zu dem Porträt des Stammbuches keine Beziehungen.
3 Hülsemann hat sich Seite 90 schon einmal malen lassen, vermutlich von Christoph Spetner [1648]. Spetner
ist von 1615—1680 in Leipzig nachweisbar. Vergl. Geyser S. 46 ff.
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64 Hofmann: Das Stammbuch des Magisters Frentzel auf der Leipziger Stadtbibliothek.
Elias Sigismund Reinhart, Superintendent an der Thomaskirche (Seite 94) [1669]. — Stich von
C. Romstet nach einem Bilde von B. Bleck 1 [ohne Jahr]. Auch außerordentliche Ähn¬
lichkeit mit dem Bilde in der Thomaskirche.
Johann Benedictus Carpzov, Pastor an der Thomaskirche (Seite 109) [1649]. — Stich von J. Dürr
nach dem Leben [1652]. Trotz der Ähnlichkeit mit diesem Stich hat vermutlich
auch C. Spetner das Miniaturporträt im Stammbuch gemalt.
Weitere sieben Porträts des Stammbuches stimmen mit Stichen überein, auf denen aber
kein Maler angegeben ist. Bei den meisten von ihnen kann man auch C. Spetner als den
Künstler vermuten.
Hieraus ergibt sich, daß ein großer Teil der Leipziger Persönlichkeiten in Frentzels
Stammbuch vermutlich von der Rastrumin und Spetner gemalt worden sind. Merkwürdiger¬
weise ließ sich Spetners Mitobermeister der Malerinnung, Erasmus Lüderitz, im Stammbuche
nicht nachweisen, obwohl er als Porträtmaler damals einen großen Ruf hatte.
Daß man diese Vermutungen wagen kann, läßt sich noch durch Vergleigung einiger
Professorenbilder des Stammbuches mit den entsprechenden in der Matrikel der Universität
und der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig stützen. Es ergibt sich da etwa
folgendes. In den beiden Matrikelbänden der Universität B 8 a und B 8 b , die mit dem Winter¬
semester 1634 beginnen 2 3 * * * * , nennt sich nur bei dem gemalten Porträt des Rektors Johannes
Hoppe (W. 1644) [in B8 a ] der Künstler: „C. Spetner “. Hoppe kommt leider im Stammbuch
nicht vor. Vollständige Übereinstimmung selbst in der Größe herrscht zwischen dem Bild
in der Matrikel [inB8 b ] und dem des Stammbuches (Seite 140) von dem Rektor Leonhard
Behr v. Ursinus (S. 1654). Auch hier ist vermutlich Spetner der Künstler. Auch zwischen
den Rektorbildern der Matrikel von Quirinus Schacher (W 1645) [in B 8 a und B 8 b ] und Johannes
Preibisius (W 1654) [in B 8 b ] und denen int Stammbuch (Seite 62 u. 84) sind enge Beziehungen.
Man kann auch hier auf denselben Künstler (Spetner?) schließen. Auch drei eingeklebte Stiche
fanden sich in der Matrikel, in B 8 a und B 8 b der Kupferstich von dem Rektor Samuel Lange
(W. 1663) von J. Dürr nach einem Bilde der Margaretha RaStrum, allerdings bis auf Gesicht
und Hände übermalt oder mit farbigem Stoff überklebt, in B. 8 b die Stiche des Rektors Martin
Geier (W. 1659) von J- Dürr nach einem Bilde von Chr. Spetner und des Rektors Johannes
Ittigius (S. 1670) von Christan Romstet. Auch dieser Kupferstich hat große Ähnlichkeit mit
den gemaltem Bilde des Johannes Ittigius im Stammbuche (Seite 141). Welche von den
übrigen gemalten Porträts der Matrikel vielleicht der Rastrumin oder sogar Lüderitz zuge¬
wiesen werden müssen, kann hier nicht näher untersucht werden. Da auch die Porträts von
Friedrich Leibnitz 8 (Seite 83) und Johannes Preibisius (Seite 84) im Stammbuch von derselben
Hand wie die entsprechenden Bilder der Dekane in dem Promotionsverzcichnisse der philo¬
sophischen Fakultät (Matricula Facultatis Philosophiae 1616—1671) zu stammen scheinen,
so beweist das, daß die Porträtmalerei im damaligen Leipzig nur von einer kleinen Maler¬
gruppe gepflegt wurde, die in Stil und Technik sich sehr ähnelte, und denen man immer
wieder bei großen Bildnissen oder Miniaturen aus der damaligen Zeit begegnet.
Es muß zugegeben werden, daß es ziemlich schwierig ist bei der im allgemeinen mittel¬
mäßigen Porträtmalerei, um die es sich hier handelt, einzelne Typen durch Vergleichung
allein festzustellen, zumal da uns Aktenhinweise gänzlich im Stich lassen. Es ist aber der
einzige Weg, der bis zu einem gewissen Grade zu Ergebnissen führt. Hier konnte er nur
angedeutet werden. Um die Geschichte des Leipziger Porträts im 17. Jahrhundert erschöpfend
zu behandeln, müßten zum Beispiel die Porträts der Juristenfakultät, der Stadtrichter, der
Kramermeister, der Universitätsbibliothek, Stadtbibliothek usw. noch zum Vergleich heran¬
gezogen werden. Ich habe nur noch die Bilder der Superintendenten im Chor der Thomas¬
kirche mit den entsprechenden in Frentzels Stammbuch verglichen. Es ergaben sich auch
da, wie schon angedeutet wurde, überraschende Ähnlichkeiten, die zweifellos sehr enge Be¬
ziehungen voraussetzen. Hoffen wir, daß sie bald einmal in ein helleres Licht gerückt werden.
1 Benjamin von Block lebte von 1664 ab nach seiner Rückkehraus Italien in Regensburg, und starb daselbst 1690.
(Vergleiche Allgem. Lexikon der Bildenden Künstler, Bd. 4, Seite 122.)
2 Vergleiche die Einleitung zu Georg Erler: Die jüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559 —1809, II. Band.
3 Vergleiche: Wilhelm Stieda „Professor Friedrich Leubnitz, der Vater des Philosophen“. (Berichte über die
Verhandlungen der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse, 69. Band,
7. Heft, 1917) Seite 24 u. 25. Die Vermutung Stiedas, daß beide Bilder, im Stammbuch und in der Matrikel, von
Daniel Bretschneider dem Jüngeren stammen, ist zweifellos irrig, vor allem da dieser nicht, wie Süeda behauptet, in
Leipzig gelebt hat.
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Titelbordüre bei Thomas Anshclni in Hagenau 1520
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Titelbordüre bei Joh. Knoblouch in .Straßburg 1523
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Titelbordüre bei Ge<wg Rhaw in Wittenberg 1529
Zu Otto Cie men,
Bemerkungen zu einigen Titeleinfassungen der Reformationszeit
Beilage zur Zeitschrift für Bücherfreunde ,
XIII. Jahrgang, Heft 3
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65
Bemerkungen zu einigen Titeleinfassungen
der Reformationszeit
Von
Professor Dr. Otto Clemen in Zwickau i. S.
Mit einer Beilage.
I.
I n jenem Aufsatz von dem Altdorfer Professor Georg Christoph Schwarz, mit dem das Studium
der Titeleinfassungen der Reformationszeit zwecks Bestimmung „heimatloser“, d. h. ohne
Impressum erschienener (und oft auch anonymer und pseudonymer) Drucke einsetzt, in Strobels
Neuen Beyträgen zur Literatur besonders des 16. Jahrhunderts 2 (1791), wird S. 107, Nr. 11 eine
Bordüre beschrieben, der die Gruppe unten charakteristisch ist, wo „ein auf dem Rücken
liegender nackter Junge von sechs anderen geflügelten, deren einer eine Schalmei bläst, an
den Haren und Beinen über eine Schüssel oder einen Brunnenhals gezerrt“ wird. So die
Beschreibung der Gruppe bei A. v. Dommer, Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek
1516—1520, Leipzig 1888, S. 267, Nr. 156. Ähnlich bei Alfred Götze, Die hochdeutschen
Drucker der Reformationszeit, Straßburg 1905, S. 85, Nr. 82. Vielleicht soll die unsrer Fuchs¬
taufe entsprechende Feier der Deposition, durch die Neulinge von älteren Kommilitonen unter
allerlei Vexationen in die Reihe der cives Academici aufgenommen wurden, dargestellt sein.
Die Bordüre (Bild 1) kommt bei Thomas Anshelm und, „nur anders und schlechter geschnitten“,
bei Joh. Prüß in Straßburg vor. Schwarz war es noch entgangen, daß beide Male zwei ver¬
schiedene Ausfertigungen vorliegen, v. Dommer konnte die Bordüre mit Sicherheit nur auf
Drucken von Thomas Anshelm in Hagenau von 1518, 20 und 21 und andererseits auf einem
Prüßschen Druck von 1521 feststellen. Da Schwarz das Vorkommen der Bordüre bei Prüß schon
für 1515 behauptet hatte, was er aber nicht nachprüfen konnte, wagte er nicht zu entscheiden,
ob bei Prüß oder bei Anshelm das Original zu finden wäre. Götze geht von der Prüßschen Aus¬
fertigung aus, der er den Zeitraum von 1515—22 beigibt, und fahrt fort: „Besser geschnitten bei
Thomas Anshelm in Hagenau 1518—21“, wagt also gleichfalls vorsichtigerweise nicht zu ent¬
scheiden, ob Prüß oder Anshelm die Originalität zukomme. Joh . Luther , Centralblatt für
Bibliothekswesen 21, 86, hat dann Götze rektifiziert: Anshelm habe das Original. Wie steht’s?
Zunächst hat Schwarz recht, wenn er die Bordüre schon 1515 bei Prüß konstatiert Sie
schmückt folgenden Druck, der am 26. Dezember 1515 die Prüßsche Presse verließ: Vocabulorum
in Joannis Coclei Grammaticam collectaneum (Charles Schmidt, Repertoire Bibliographique
Strasbourgeois III, Strasbourg 1893, p. 32 n. 12). Käme die Bordüre nun bei Anshelm erst
von 1518 ab in Hagenau vor, dann hätte Prüß die Priorität zu beanspruchen. Und doch hat
Anshelm den Originalholzstock besessen; er hat ihn schon 1513—16 in Tübingen benutzt
Die Bordüre erscheint nämlich auf folgenden Drucken: Jakob Henrichmann, Grammaticae
institutiones-Heinrich Bebel, Ars versificandi, April 1513 (= Steiß , Der erste Buchdruck
in Tübingen, Tübingen 1881, S. 101, Nr. 45); Joh. Brassicanus, Institutiones grammaticae,
Juli 1515 (Nr. 74); Athanasius-Reuchlin, In librum psalmorum [Aug.—Sept 1515] (Nr. 78);
Wimpfeling, Elegantiae maiores [1514—Sept 1515] (Nr. 79); Franciscus Philelphus oder vielmehr
Maphaeus Vegius, De educatione liberorum, Sept. 1515 (Nr. 80); Fr. Philelphus, Epistolae, Jan.
1516 (Nr. 82). Dazu noch der zweifelhafte Tübinger Druck Anshelms Steiff S. 203, Nr. 14
(1516). — In Hagenau hat Anshelm dann unsere Bordüre schon 1517 verwandt; sie ziert
folgenden"Druck: Aristophanes, Plutus, griechischer Text, Nov. 1517 (Vorwort von Mosellan
an Joh. Cäsarius, Leipzig, 25. Aug. 1517; vgl. 0 . G. Schmidt , Petrus Mosellanus, Leipzig 1887,
S. 26). Die Bordüre ist mir ferner noch auf folgenden Drucken von Anshelm in Hagenau
begegnet: Melanchthon, De artibus liberalibus oratio Tubingae habita, Juli [1518] (Steiff, S. 218,
Nr. 35; S. 242, Nr. 42); Lucian-Mosellan, Dialogi duo, Charon et Tyrannus, s. d. u. Okt 1518;
Hutten, JTriumphus Capnionis [Ende 1518] (vgl. Böcking, Opera Hutteni I, Index S. 26*;
Strauß , Ulrich von Hutten, 4.—6. Aufl., Bonn 1895, S. 155; Kalkoff, Ulrich v. H. und die
Reformation, Leipzig 1920, S. 67); Jacobus Faber Stapulensis, De Maria Magdalena et triduo
Christi disceptatio, Dez. 1518; Lucian-Pirkheimer, Rhetor, Jan. 1520; Lucian-Pirkheimer,
Fugitivi, März 1520; Joannes Franciscus Picus von Mirandula, De reformandis moribus oratio,
März 1520 (Bild 1); Luthers lateinische Rede und Erklärung vom 18. April 1521 (W. A.
7 t 816 B; v. Dommer S. 114, Nr. 220).
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66
Clemen: Bemerkungen zu einigen Titeleinfassungen der Reformationszeit.
' Merkwürdig ist, daß der Nachschnitt unserer Titeleinfassung bei Prüß erst 1521 wieder
auftaucht; Prüß hat ihn bis 1524 benutzt. Vgl. folgende Drucke: Luther, Von der Freiheit
eines Christenmenschen 1521 (W. A. 7, 16 G. Weller 1527) 1 2 3 ; Sendschreiben an die Gemeinde
in Eßlingen 1523 (W. A. 12, 152B); An die Ratsherren 1524 (W. A. 15, 17G); Karlstadt,
Von den Empfahern des heil. Sakraments 1521 (Centralblatt für Bibliothekswesen 21, S. 212,
Nr. 56); Von,.beiden Gestalten der heiligen Messe, 2. Juni 1522 (ebd. S. 220, Nr. 73); Send¬
brief meldende seiner Wirtschaft 1522 (ebd. S. 225, Nr. 85); Sant Ulrichs des heiligen Bischoffs
zu Augspurg vertütschte cristliche schrifft oder antwort an Babst Nicolaum Mai 1521 (Weller 195 7)*;
Evangelium Joh. verdeutscht 1522 (nicht die Übersetzung Luthers, sondern die des Nikolaus*
Krumpach; W. A. Deutsche Bibel 2, 212, Nr. 4). Nicht ganz sicher ist es, ob der W. A. 11,
309 J angeführte Lutherdruck „Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei“ die Nachschnitt¬
oder die Originalbordüre aufweist, ob er also aus der Presse des Joh. Prüß in Straßburg oder
des Thomas Anshelm in Hagenau hervorgegangen ist. Gegen die Herkunft des Drucks aus
der letzteren Offizin spricht die Entstehungszeit: 1. Hälfte 1523; denn Anshelm ist zwar
wahrscheinlich erst bald nach dem 3. Mai 1523 gestorben, hat aber 1523 wohl überhaupt
nicht mehr gedruckt; seine letzten datierten Drucke sind von Sept. 1522. 8 Dagegen spricht
für die Herkunft unseres Druckes aus der Prüßschen Presse die folgende doch wohl sicher
auf ihn zu beziehende Stelle aus einem Briefe des Nikolaus Gerbel an Joh. Schwebel, Straßburg
11. oder 9. Juni 1523: „Edetur ... et Lutheri ad Iudaeos libellus doctissimus" (W. A. 11, 307). 4 5 6
v. Dommer und Götze notieren auch noch einen zweiten Nachschnitt unserer Bordüre,
den Joh. Schöffer in Mainz verwandt hat. Ich habe ihn auf den drei Chrysostomusübersetzungen
von Okolampad vom März, April und August 1522 gefunden. 8
Ein roher Nachschnitt nur der Kindergruppe unten endlich begegnet in einer aus vier
Stücken zusammengesetzten Titelfeinfassung für Oktavformat auf folgendem einer mir unbe¬
kannten Presse entstammenden Druckwerkchen von 1519: Dialogus mire iocosus in Rubei
laudem conscriptus.®
II.
A. v. Dommer beschreibt S. 265, Nr. 148 eine Titeleinfassung für Oktavformat, die er
auf dem unter Nr. 352 von ihm erwähnten Drucke (= W. A. 11, 458 A; Charles Schmidt VII,
Nr. 272; s. Bild 2) des Joh. Knoblouch, Straßburg 1523, angetroffen hat. Sie begegnet auch
auf der Ausgabe des Neuen Testaments des Erasmus, die Knoblouch am 9. Juni 1523 er¬
scheinen ließ (Schmidt VII, Nr. 259).' v. Dommer bemerkt, daß die Bordüre in demselben
Jahre bei Martin Flach in Straßburg vorkomme — er hat dabei wohl die am 2. Dezember
1523 bei Flach erschienene Übersetzung der Vaterunserauslegung des Erasmus (fehlt bei
Panzer und Weller; = Schmidt VI, Nr. 73) im Auge —, und ich möchte dazu noch nach¬
tragen, daß auch Joh. Schott in Straßburg, und zwar noch 1528, den Originalholzschnitt ver¬
wandt hat: Otto Brunfels, Loci omnium ferme Capitum evangelii secundum Matthaeum,
Marcum, Lucam, Joannem, actorum etiam apostolicorum, Untertitel zu den Lod aus der
Apostelgeschichte (= Schmidt II, Nr. 106). Charakteristisch ist unserer Bordüre (Bild 2)
unten die Vase mit der Inschrift AROHS. Was bedeutet diese Inschrift?
Man* fühlt^ sich zunächst versucht, an eine Abbreviatur zu denken. Die Inschrift könnte
etwa verderbt sein aus Oraps, und dies wieder wird eine Zusammenziehung der dem Eisenacher
Franziskaner Joh. Hilten (gest. ca. 1500) 7 zugeschriebenen Weissagung „Omnia redibunt in
pristinum statum“ sein. 8 Oraps kann aber auch eine andere Bedeutung haben. Beim Ab¬
bruch des St Sebastianaltars in der Augustinerkirche zu Gotha 1531 fand man hinter dem
Altar und der Wand folgendes Distichon:
MC quadratum LX quoque duplicatum
Oraps peribit et Huss Wiclefque redibit.
1 Der Druck Weller 1842 scheint nie existiert zu haben; die Angabe bei Weller beruht wohl auf einer Ver¬
mischung des oben genannten Druckes mit Panzer 1046 (W. A. 7, 18).
2 Vgl. Beiträge zur bayer. Kirchengesch. 6, 124, Nr. 3.
3 Vgl. A. Hanauer, Les imprimeurs de Haguenau, Strasbourg 1904, p. 62.
4 Bei Ch. Schmidt wird freilich dieser Druck nicht erwähnt. Die übrigen oben genannten Drucke sind bei ihm
verzeichnet: p. 37 n. 28. 38, 32. 39, 37. 37, 29. 31. 30. 36, 26. 38, 32.
5 Vgl. Schweizerische Theologische Zeitschrift 33 (igrö) 70 f. Nr. i, 2, 3.
6 Vgl. Beiträge zur Sächs. Kirchengesch. 12, 77 A. 40.
7 Vgl. über ihn Theolog. Realenzyklopädie 8 8, 78—80.
8 Hilten würde dann die Lehre von der änoxataaraais navrwv vertreten haben, wie der pantheistische Denker
Amalrich von Bena Anfang des 13. Jahrhunderts, die Brüder und Schwestern des freien Geistes und die nieder¬
ländischen Schwärmer, gegen die Luther 1525 polemisierte (W. A. 18, 549).
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Clemen: Bemerkungen zu einigen Titeleinfassungen der Reformationszeit.
67
In diesem Zusammenhang könnte Oraps eine Zusammenziehung aus Ora pro nobis sein
und auf die Anrufung der Heiligen, die also 1520 verschwinden sollte, gehen. 1
Oder ist AROHS das erste Wort einer Zauberformel, eines rca>IvBpo[Jiov oder versus recurrens,
ähnlich der bekannten Satorformel (Sator arepo tenet Opera rotas), die seit undenklichen Zeiten
und bei den verschiedensten Völkern als Feuerlöschmittel, gegen den Biß toller Hunde, gegen
Krankheiten und Behexungen und zu allen möglichen Zaubereien verwandt wird? 2 Mit Leich¬
tigkeit läßt sich etwa folgendes magische Quadrat herstellen:
AROHS
R O N O H
I ON ? NOt
y H O N O R 1 *
S H O R A
Wir haben ferner eine kleine seltsame Tischrede Luthers aus der Zeit vom 7. April bis
1. Mai 1532 (W. A. 2, 103, Nr. 1454): „Arof Hebraice vnziuer“. Das klingt fast wie ein schüchterner
Erklärungsversuch unserer Inschrift. Hatte ein Tischgenosse Luther unsre Bordüre vorgelegt?
Am plausibelsten erscheint mir die folgende Deutung: Der Holzschneider verwandte als
Motiv den Altar aus dem Wappen Reuchlins von 1492, das in den Rudimenta Hebraica 1506
und in De arte cabbalistica 1517 begegnet 8 Der Altar trägt in zwei Zeilen Majuskeln die
Inschrift ARACAP || NIONIS. Der Holzschneider sah sich aber gezwungen, die Inschrift zu
verkürzen. Da er sie nicht verstand, zog er sie einfach in AROH [satt N]S zusammen.
III.
Christian Schuchardt, Lucas Cranach des Älteren Leben und Werke 2 (Leipzig 1851),
S. 293, Nr. 143 behandelt eine Titeleinfassung, die er mit Recht unter die Cranachschen ein¬
reiht Er beschreibt sie folgendermaßen: „In der Fußleiste ein Brunnen, an welchem mehrere
Apostel und andere ihren Durst stillen oder bereits gestillt haben. In der übrigen gebirgigen
Landschaft, in deren Mitte das Viereck des Titels gesetzt ist, sieht man mehrere Figuren,
deren eine nach einer Burg links oben geht; weiter unten an dieser Seite sind zwei Männer
im Gespräch.“ Joh. Luther y Die Titeleinfassungen der Reformationszeit 1 (Leipzig 1909) hat
Tafel 27 diese Bordüre (Bild 3) abgebildet und bemerkt in der Einleitung, daß sie bei Georg
Rhaw in Wittenberg 1525—34 vorkomme. Zu den mit dieser Bordüre geschmückten Rhawschen
Drucken gehören z. B. die beiden folgenden 1529 erschienenen: 1. Die „Verantwortung“ des
Naumburger Predigers Joh. Langer von Bolckenhain an den Bischof Philipp von Freisingen und
Naumburg (s. Bild 3). Joh. Langer in der Biographie seines gleichnamigen Ahnen (Correspon-
denzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 9, 111) meint, die
Bordüre stelle dar, „wie die Wanderer nach dem himmlischen Jerusalem aus dem frischen
Quell schöpfen und trinken, damit sie den steilen Berg erklimmen und das Ziel erreichen
können.“ 2. Der „wahrhaftige Bericht, daß das Wort Gottes ohne Tumult, ohne Schwärmerei
zu Goslar und Braunschweig gepredigt wird“ von Antonius Corvinus (Abbild, des Titelblatts
in Katalog 22 von Martin Breslauer, Berlin W 15: Das schöne Buch im Wandel der Zeit, S.41).
Georg Geisenhof in seiner Corvinusbibliographie (Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächs.
Kirchengesch. 5, 9) weiß auch mit der Bordüre nichts Rechtes anzufangen: „Harzlandschaft. ..,
im Hintergründe hoch oben- auf den Bergen zwei Burgen, an verschiedenen Punkten der Land¬
schaft zwölf Wanderer; davon erquicken sich im Vordergründe sechs an einer Quelle, die
anderen sechs wandern bergauf oder stehen und reden mit einander.“ Aber Schuchardt ist
mit seiner Erklärung, daß die zwölf Wanderer die Apostel sind, schon auf dem rechten Wege.
Nur, daß er nicht erkannt hat, welcher Vorgang aus dem Leben der Apostel dargestellt ist.
Hier kommt uns nun zu Hilfe ein Gemälde in der Alten Pinakothek in München von ca. 1470
1 Unschuldige Nachrichten 1706, 313. Jetzt wird auch die Tischrede Luthers W. A. 5, 700, Nr. 6504 verständlich.
2 Vgl. Reinhold Köhler, Kleinere Schriften III, Berlin 1900, S. 564 ff. S. Seligmann , Die Satorformel, Hessische
Blätter filr Volkskunde 13 (1914), S. 154 ff. Nikolaus Rusch , Heilsegcn aus den Ostseeprovinzen, Separatabdruck aus
der Rigaschen Zeitung 1910.
3 Vgl. L. Geiger , Joh. Reuchlins Briefwechsel, Tübingen 1874, S. 54. Eine verkleinerte Wiedergabe des Wappens:
„Im Morgenrot der Reformation“, S. 297.
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Clemen: Bemerkungen zu einigen Titeleinfassungen der Reformationszeit
„in der Art des Michael Wohlgemuth“ \ das zweifellos entweder (direkt oder indirekt) die Vor¬
lage zu unserer Titeleinfassung ist oder auf dieselbe Vorlage zurück weist Es stellt das Aus¬
einandergehen der Apostel in ihre verschiedenen Missionsgebiete dar, nachdem sie zu Pfing¬
sten in Jerusalem den heiligen Geist empfangen hatten. Namen und Reiseziele der Apostel
sind hier in ihren Heiligenscheinen eingeschrieben. Der aus der Feldflasche Trinkende ist
demnach Petrus, der aus dem Brunnenbecken Schöpfende bezw. seine Flasche unterm Wasser¬
strahl Füllende Johannes usw. Die Gruppierung und Haltung der Gestalten ist im einzelnen
verschieden, die ganze Komposition aber im wesentlichen ist dieselbe.
Verwandt ist die Darstellung desselben Vorgangs auf einem Gemälde von Hans Baidung
gen. Grien von 1521 auf der Rückseite eines den Tod der Maria darstellenden Gemäldes
desselben Künsders in St Maria auf dem Kapitol zu Köln.* „Zur Linken ein prächtig natura¬
listisch gezeichneter breitästiger Baum, unter welchem ein viereckiger Brunnentrog sich befindet,
an welchem sich vier Apostel mit Pilgerstäben in der Hand zum Trinken niedergelassen haben;
einer derselben ist im Begriff Wasser zu schöpfen. . . Im Vordergrund rechts ein zusammen¬
geschnürtes Reisebündel. Von vom rechts nach hinten links schlängelt sich der Weg an
einigen kahlen und nur mit wenigen Bäumen bewachsenen Hügeln entlang. Auf diesem Wege
ziehen die Apostel in die Ferne; ganz hinten kniet einer vor einem Kreuze; diesem folgt ein
zweiter, den Stab auf dem Rücken; weiter nach vorn umarmen sich zwei unter Tränen. 1 2 3 4 5 *
Auch hier ein Brunnentrog, ein schöpfender Apostel und zwei sich umarmende. . . Nach einer
gemeinsamen literarischen Quelle habe ich vergebens geforscht.
IV.
Sehr selten sind solche Titeleinfassungen, die für ein einzelnes bestimmtes Druckwerk
mit Beziehung auf den Inhalt desselben hergestellt wurden, „sprechende Titeleinfassungen 44 ,
wie ein von Joh. Luther (wohl in Anlehnung an „redende Wappen 44 ) glücklich geprägter Aus¬
druck lautet Als eine solche „sprechende Titeleinfassung“ könnte man auffassen diejenige,
welche die 1522 bei Martin Flach in Straßburg erschienene Ausgabe der Spalatinschen Über¬
setzung von Melanchthons loci communes ziert. Der Titel lautet: „Die haubt artickel vrid
fürne || sten puncten der gantzen hayligen || schrifft .. . ayn wunder || güts biechlin || Von allen
stenden der gantz||en Christenhayt dienlich. || 44 8 Die letzten Worte des Titels scheinen den
Drucker veranlaßt zu haben, eine Bordüre zu verwenden, die oben und unten je 6, an den
Seiten je 2 X 7 Wappen, die Wappen der Reichsstände, zeigt. Jedoch ist diese Bordüre nicht
Original, sondern Nachschnitt des Rahmens zum Titelholzschnitt eines bei Hans Schönsperger
in Augsburg 1520 erschienen Foliodrucks. 4 Zweifellos ab „sprechende Titeleinfassung 44 anzu¬
sehen ist aber eine sehr gut gezeichnete und auch sehr gut geschnittene Bordüre, die sich
auf folgendem Drucke findet: „Vnterrede vnd an || schiege zu kriegs || Ordnung wid- 1 | der die
Tur- 1 | cken. || Wittemberg. || 1527. || 44 24 Quartblätter. A. E.: „Gedruckt durch Hans Lufft am.
24. || tag Januarij, Im Jar 1527. || 44 Es ist der Neudruck eines Gesprächs zwischen einem Ein¬
siedel, einem Ungarn, Türken und Zigeuner, das als „Türkenbüchlein“ 1522 in mehreren Aus¬
gaben erschienen ist ft :
Panzer 1573 (vorh. z. B. in Zwickau, Druck von Joh. Prüß in Straßburg) 6 ,
Panzer 1574= Weller 2286,
Panzer 1575 = Weller 2287 = Weigel-Kuczynski 2647,
Weller 2285 (auch in Rothenburg ob der Tauber),
Weller 2288 (vorh. z. B. in Zwickau).
Die Bordüre (Bild 4) ist durch Doppellinien in sechs Felder eingeteilt. Oben halten zwei
Störche ein Schild mit eingedruckter Inschrift; seitlich links (vom Beschauer) der Türke, rechts
der Zigeuner, unten links der Ungar, rechts der Einsiedler, „fast alt und mit einem langen
grawen bart 44 (Bl. Aij a ); in der Mitte, von zwei braven Landsknechten gehalten, wieder ein
Schild mit eingedruckter Inschrift
1 Abgebildet bei Emst Heidrich y Die altdeutsche Malerei, Jena 1909, Tafel 87.
2 Vgl. Gabriel v. Tifrey , Verzeichnis der Gemälde des Hans Baidung gen. Grien; Strafiburg 1894 (— Studien
zur deutschen Kunstgesch. I. Bd., I. Heft), S. 29.
3 Weller 2216. Supplemente, Melanchthoniana I 1, Leipzig 1910, S. XXIV, Nr. 2. Bei Charles Schmidt fehlt
dieser Druck.
4 Panzer, Zusätze 995 1 . Vgl. die Abbildung des Titelblatts in dem Prachtwerk „Im Morgenrot der Reformation“,
Uersfeld 1912, S. 59.
5 Vgl. Gottfried Niemann , Die Dialogliteratur der Reformationszeit, Leipzig 1905, S. 63. 66.
6 Fehlt bei Charles Schmidt.
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6g
Harichs Hoffmann.
Von
Hans von Müller in Berlin.
E llinger hat 1894 seinem ‘E. T. A. Hoffmann’ den Untertitel „Sein Leben und seine Werke“
gegeben. Wie dieses Buch — das erste, das seit Hitzigs Biographie von 1823 dem
Dichter gewidmet worden ist — behandelt auch die Schrift Harichs 1 neben Hoffmanns
Leben dessen Werke, u. z. in größter Ausführlichkeit; so ist dem Murr-Kreisler-Werk eine
zusammenhängende Darlegung von 64 Seiten (II 222—86, die Seite zu 39 Zeilen) gewidmet.
Die folgende Besprechung, die übrigens auf einer ersten Kenntnisnahme beruht und nicht den
Anspruch erhebt, in jedem Punkte endgültig zu sein, betrachtet beide Bestandteile gesondert.
Ferner ist vorauszuschicken, daß der Referent genötigt ist, sich wegen seines eigenen
Anteils an dem im Buche Vorgebrachten mit dem Autor auseinanderzusetzen. Er bittet es
also zu entschuldigen, daß er hier ausnahmsweise gegen den guten Brauch vielfach von sich
selber spricht und sich dabei, um nicht den Caesar zu mimen, der ersten Person Singularis bedient.
I. Hoffmanns Werke.
Harich, den Kurt Aram in der Täglichen Rundschau irrtümlich als Philologen gefeiert
hat, ist seinem inneren Wesen nach nicht ein. Gelehrter: er hat von der Literatur über Hoff¬
mann außer einigen Mitteilungen Maassens ernsthaft nur meine Publikationen studiert, und
auch diese nur, soweit sie bis /p/j erschienen und 1918 noch zu kaufen waren. Er ist erst
recht kein Forscher: er hat nur solche Tatsachen gefunden, die sich bei aufmerksamem Lesen
— freilich einer in Deutschland überaus seltenen und nicht hoch genug zu rühmenden Tugend 1 —
von Hoffmanns Dichtungen aus diesen selbst ergeben. Aber er ist ein künstlerisch lebhaft
empfindender Mensch mit einem Temperament, das dem Hoffmanns immerhin verwandt
ist: und wenn es sich wie hier darum handelt, einen immer noch verkannten Dichter der
Gegenwart nahezubringen, ist künstlerisches Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, die eigene
Begeisterung auf den Leser zu übertragen, freilich unendlich viel wertvoller als Begabung für
historische Feststellungen.
Harich bekennt sich zu der Rangordnung von Hoffmanns Produktion, die ich im Jahre
1902 (im Februar in der ‘Insel’ und im November in der Einleitung zum Kreislerbuch) in
scharfem Gegensatz zu den beiden Hoffmannbiographen des 19. Jahrhunderts aufgestellt habe:
als Hauptwerke erscheinen darnach 1) die beiden frühen musikalischen Novellen ‘Ritter Gluck'
und ‘Don Juan’, 2) die drei großen Märchen ‘Der goldne Topf’, ‘Klein Zaches’ und ‘Prinzessin
Brambilla', 3) die drei Romane ‘Die Elixiere des Teufels’, ‘Fragmentarische Biographie des
Kapellmeisters Kreisler’ (unvollendet) und ‘Schnellpfeffers Flitterwochen vor der Hochzeit’ (kaum
begonnen). Harich analysiert und bespricht diese Dichtungen mit großer Hingebung und mehr¬
fach mit großem Glück, so daß kein Freund Hoffmanns — den Referenten durchaus einge¬
schlossen — diese Ausführungen ohne Bereicherung lesen wird. Neben der Biographie Kreislers
kommen auch die Elixiere zu ihrem Recht, die ich infolge einer entschiedenen Vorliebe für
jene nie ohne Vorurteil habe lesen können; Harich weiß auch nach den glänzenden Ausführungen
in Paul Suchers klassischem Hoffmann-Werk von 1911 (das ihm anscheinend unbekannt ge¬
blieben ist) ausgezeichnete Bemerkungen über den Roman zu machen. Und den drei großen
Märchen reiht er mit Recht als viertes den ‘Meister Floh’ an, dem ich, abgestoßen durch die
Unausgeglichenheit der stückweise entstandenen Teile, nicht ganz gerecht geworden war.
Auch die geringeren Werke Hoffmanns finden durchweg eine eingehende und in der Regel
zutreffende Beurteilung.
Freilich überschreitet Harich gelegentlich seine Kompetenz, indem er Anläufe zu historischer
und literarhistorischer Kombination nimmt Für beides nur je zwei Beispiele: 1) Harich bezweifelt,
ohne einen Grund dafür auch nur anzudeuten, Hitzigs Zeugnis, daß die Sängerin Bettina, die
Heldin des ‘Sanctus’, eine ihm (Hitzig) befreundete Dilettantin war (Holtze hat sie 1910 identi¬
fiziert mit Betty Marcuse). 2) Er hält den modernen, von Kleist und Arnim als Jakobiner
verabscheuten Verwaltungsbeamten Hardenberg für das Modell des depossedierten Duodez¬
fürsten Irenäus, weil jener [gleich seinen Nachfolgern Bismarck und Bülow] ebenfalls mit den
1 G. T. A. Hoffmann. Das Leben eines Künstlers, dargestellt von Walther Harich. 2 Bände. Berlin, Reifl [1920].
Lex.-8°. 290, 386 S., 7 Bl. ,
XIII, 9
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7o
Hans von Müller: Harichs Hoffmann.
Jahren den Fürstentitel erlangt hat 3) Harich führt mit besonderem Nachdruck an einer
ganzen Reihe von Stellen die innerlich und äußerlich gleich unmögliche Hypothese vor, daß
das ‘Fragment aus dem Leben dreier Freunde’ (das im Herbst 1816 in Berlin aus einer auf
den Tag feststellbaren Beobachtung entstand) auf die Leipziger ‘Scenen aus dem Leben zweier
Freunde’ zurückgehe: ein dritter Freund sei eben in Berlin hinzuerfunden 1 4) Er erklärt es
für „keineswegs ausgeschlossen“, daß Kind (der Handlung und Titel des ‘Freischützen’ bekannt¬
lich dem Gespensterbuche seiner beiden nächsten Freunde Apel und Laun entnahm) erst
durch Hoflfmanns Dichtungen zu seinem Text angeregt worden sei. Ein seiner Verantwort¬
lichkeit bewußter Forscher würde so unsubstantiierte Vermutungen zum mindesten nicht aus¬
sprechen, selbst wenn sie ihm einen Augenblick durch den Kopf gehen sollten.
Dagegen weiß Harich gut Bescheid in der Kunst und Musik von Hoflfmanns Zeit und
versteht es vortrefflich, die Urteile des Dichters in ihrer Freiheit und ihrer Befangenheit zu
würdigen. Freilich macht er Ellingers auf sorgfältigster Prüfung beruhende Charakteristik des
Musikkritikers Hoffmann (in Bd. 13 seiner ausgezeichneten Gesamtausgabe von Hoflfmanns
Werken) keineswegs entbehrlich.
Im Ganzen ist Harich in seinen Ausführungen über Hoflfmanns Werke ein Nachfolger,
wie ich ihn mir nur wünschen kann, indem er aus eigener Kraft ein stattliches Gebäude
errichtet, für das ich nur den Grundriß gezogen habe.
II. Hoflfmanns Leben.
Der biographischen Arbeit im engeren Sinne, die immerhin, dem Untertitel des Werkes
entsprechend, den größeren Raum einnimmt, kann ich dagegen ein auch nur ähnliches Lob
nicht erteilen. Denn hier ist von einer eigenen Leistung kaum die Rede . Harich hat erstens
nicht eine einzige Tatsache selbständig ermittelt, zweitens hat er kaum einen von Hoflfmanns
Bekannten neu geschaut, drittens hat er — und das scheint mir den Ausschlag zu geben —
den ganzen Aufbau von Hoflfmanns Leben fertig von mir übernommen.
Für meine eingehend kommentierte Ausgabe von Hoflfmanns Briefwechsel und den (leider
noch nicht kommentierten) Abdruck der Tagebücher spricht Harich seine Anerkennung in
einer Weise aus, die mich und auch ihn selbst auf das höchste ehrt. Aber was er sonst von
meinen Arbeiten übernommen hat, wird (trotz gelegentlicher Zitate für Einzelheiten) seinen
Lesern schwerlich auch nur entfernt klar werden 1 ; die eingangs genannte Rezension des klugen
und keineswegs voreingenommenen Kurt Aram beweist das. Ich muß also, so peinlich das
ist, hier persönlich meine Sache führen.
Die Skizze von Hoflfmanns Entwicklung, die ich 1902 im Kreislerbuch gegeben hatte,
habe ich in der Folge im einzelnen berichtigt und näher ausgeführt in den Vor-, Zwischen-
und Nachbemerkungen zu Hoflfmanns Briefwechsel (im Druck seit 1904, erschienen 1912);
ich verweise insbesondere auf die lange Note am Fuße der Seiten XLV/VII des ersten Heftes,
auf die drei dort zitierten Schmutztitel des zweiten Heftes und auf den Exkurs des dritten
Heftes „über die zweckmäßigste Anordnung einer Gesamtausgabe von Hoflfmanns Schriften“
(S. 6 77 —84), insbes. die Abschnitte 1 und 3 C. Das Bild, das auf diesen Seiten von der
Entwicklung des Dichters Hoffmann gegeben wird, kontrastiert auf das lebhafteste mit dem
1823 von Hitzig entworfenen und 1894 von Ellinger in allem wesentlichen übernommenen.
Harich copiert es Zug für Zug mit Einschluß der Schlagworte ‘Juliens Seelenbräutigam’ für
den Dichter der Jahre 1810—22 und ‘Der Vizekopf’ (in Anlehnung an einen immerhin etwas
anders gemeinten Scherz Hoflfmanns) für das produzierende Organ des Unterhaltungsschrift¬
stellers der Jahre 1818—22.
So hatte ich gewissermaßen das Fachwerk oder, mit einem moderneren Bilde, die Eisen¬
konstruktion für eine Biographie des Dichters bereitgestellt. Harich hat diesen Rahmen mit
den gleichfalls fast ausnahmslos von mir aufgesuchten, gebrochenen und behauenen Werk¬
steinen ausgefüllt — wobei es freilich, wie es bei einer solchen Arbeit von zweiter Hand
natürlich ist, nicht ohne eine Anzahl von Lücken und Fehlgriffen abgeht, auf die im einzelnen
einzugehen hier nicht der Ort ist. Einige Wände und Erker konnte er aber bereits fix und
fertig aus meinen Beständen übernehmen, wie noch kurz zu zeigen ist:
Einerseits habe ich einzelne besonders schwer erkennbare Perioden von Hoflfmanns Ent¬
wicklung in selbständigen Arbeiten erzählenden Charakters dargestellt — wiederum in schärf-
I Wenn Harich auch selten so weit geht, eine handgreifliche Anleihe ausdrücklich dbzuUugnen: s. II 197 Z. 16—14
v. u. und vgl. dazu die Ausführungen auf der zweiten Hälfte der folgenden Seite über das der ‘Brautwahl’- Fabel
zugrundeliegende Jugenderlebnis Hoffmanns, die fast Satz für Satz aus meinem Nachwort zur 'Brautwahl* stammen.
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Hans von Müller: Harichs Hoffmann.
7i
stem Gegensatz zu den Meinungen des neunzehnten Jahrhunderts und mehr auf Grund von
z. T. gewagten Kombinationen als von aufgefundenen Dokumenten: so 1908 Hoffmanns Ver¬
hältnis zu der Cousine, die ich Minna Doerffer nenne, (Mitte 1796 bis Anfang 1802) und
1913 die letzten Monate seines Aufenthalts in Posen und das Leben in Plock mit seinen
nervösen Anläufen zu künstlerischer Produktion (Anfang 1802 bis März 1804). Harich annektiert
beide Schriften in der Weise, daß ganze Bogen seines Werkes reine Auszüge daraus dar¬
stellen; er nennt aber nur die eine, und auch diese nur als Quelle für eine einzelne, durch¬
aus nebensächliche Feststellung.
Andrerseits habe ich an verschiedenen Stellen die wichtigsten Bekannten Hoffmanns
charakterisiert, wie sie mir persönlich nach jahrelangem intimen geistigen Umgänge erscheinen:
ich nenne die beiden Hippel, Härtel und Rochlitz, Kunz und Pückler. Harich übernimmt diese
teils in Verehrung und Liebe, teils in Haß und Hohn, in jedem Falle sicherlich sehr subjektiv
gezeichneten Charakterbilder mit Haut und Haaren. (Allerdings nennt er in diesen Fällen
meist seine Quelle; ich möchte aber — freilich nicht für die Dummen — in dem Sinne des
Skeptikers Nietzsche erklären, daß dies meine Meinungen sind, zu denen nicht so leicht ein
anderer das Recht hat.) Wo dagegen Harich nicht ein fertiges Portrait vorfand, wie bei Hitzig
und^Hampe, da wird auch sein Leser bei ihm keins finden.
Im ganzen kann ich dem Biographen Harich das Zeugnis ausstellen, daß er das Lebens¬
bild geliefert hat, das ich nach Vollendung der Tagebuchausgabe Ende 1914 geliefert haben
würde, wenn ich damals der Forschung Valet gesagt und mich auf das ruhigere Gebiet der
Darstellung zurückgezogen hätte. Ich habe es aber auch nach dem Druck der Tagebücher
trotz schwerer Bedrängnisse für meine Aufgabe gehalten, die eigentliche Forschertätigkeit,
die Äpfel von den Bäumen pflückten, die ich seit 1901 gepflanzt hatte,
wenn auch in beschränktem Umfange, fortzusetzen 1 — auf die Gefahr hin, daß andere unterdes
Schriftstellerisch ist Harichs Bearbeitung auch der biographischen Partien im ganzen vor¬
trefflich. Der Druck des Buches ist gut und der Einband auch der wohlfeileren Exemplare
geschmackvoll. Das Papier ist dünn (wenn auch fest und kaum durchscheinend), sodaß das
Werk sehr gut in Einen Band hätte gebracht werden können; das hätte den Preis ermäßigt
und die Benutzung erleichtert, zumal nur ein Inhaltsverzeichnis (am Anfang des Ganzen) und
ein Register (am Schluß) gegeben wird.
Alles in allem ein schönes Buch. Doch wird man begreifen, daß ich persönlich es nur
mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge genießen kann, ähnlich wie Goethe die elegante,
noch heute begehrte Berliner Gesamtausgabe seiner Schriften mit den schönen Kupfern Chodo-
wieckis — ohne daß ich mich mit Goethe oder Harich mit Himburg vergleichen will.
I Von den in den Jahren 1915—17 beendeten biographisch-literarhistorischen Arbeiten, die Harich nicht mehr
benutzt hat, sind bisher erschienen:
1) 1916 der Aufsatz ‘Murr und sein Herr 1818—22’ (19 S., in der für den Insel-Verlag veranstalteten Sonderausgabe
von Murrs ‘Lebens-Ansichten’),
2) 1918 die Schrift ‘Drei Arbeiten Hoffmanns aus den ersten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III. Nebst anderen
Mitteilungen aus Hoffmanns Leben, insbesondere über seine Beziehungen zum Berliner Theater unter Iffland und
seine Freundschaft mit dem schlesischen Musiker Johannes Hampe’ (80 S. Gr.-8°, bei Georg Müller),
3) 1921 biographische und ästhetische Anmerkungen (90 S. Gr.-8°) zu 'Zwölf Berlinischen Geschichten Hoffmanns aus
den Jahren 1551 —1816’ (ebenda).
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72
Bibliographische Miszellen.
Von
Curt Michaelis, Bibliothekar in München.
6. Ein unbeachtetes Schriftchen Immermanns.
I n Immermanns Leben und Werken II, 311 ff., erzählt Gustav zu Putlitz von der Aufführung
des Shakespeareschen Lustspiels „Was Ihr wollt“ im Fasching 1840 durch eine Künstler¬
schar in Düsseldorf auf einer eigens dazu konstruierten Shakespearebühne; zur Erbauung
letzterer hatte Tiecks Novelle „Der junge Tischlermeister“ die Anregung gegeben. Vergleiche
auch die Erwähnung bei Maync, Immermann S. 537.
Putlitz spricht dann von einer Art Album, das zur Erinnerung daran geschaffen wurde;
das Album habe eine Reihe von Kostümbildem der Aufführung enthalten, sowie einen Text
dazu von Immermann; ein Teil desselben findet sich weiterhin abgedruckt
Da Putlitz keinen Titel des Albums angibt, das sehr selten zu sein scheint, gebe ich ihn
hier nach einem Exemplar, das sich im Besitz des Münchner Antiquars J. Halle befindet, wieder:
Was ihr wollt. || Düsseldorf, den 29^? Februar 1840. || Denkblätter || für || die Genossen
des Festes. || [Lithogr. Bühnenbild.] || Die Bühne. || (Erklärung der Buchstaben des Bühnen¬
bildes in 6 Zeilen.)
Titel (vorderes Umschlagblatt), 6 Bl. lithogr. Figurinen mit Unterschriften, 1 Bl. Noten
(Lied des Narren), Hinteres Umschlagblatt (auf der Verso-Seite der lithogr. Theaterzettel),
sämtlich in Querfolio; 2 Bl. Text in Hoch-4. Die Lithographien sind bezeichnet: Gedr. bei
W. Severin Ddorf. Am Schluß des Textes: Verlag von Julius Buddeus.
Immermanns Text beginnt mit den Worten: In einem Kreise hiesiger Künstler und anderer
Freunde der Poesie entstand der Wunsch usw. Der Text schließt: Zu wünschen wäre, daß
einmal eine größere deutsche Bühne, dem hier von Dilettanten gemachten Versuche nachahmte.
Zur richtigen Behandlung Shakespeares und dessen eigentlichen Erwerbung für unser deutsches
Theater dürfte damit ein Vorschritt gethan seyn. Düsseldorf, den 26. April 1840. Immermann.
Nach Putlitz war Wiegmann der Zeichner der Ansicht des Theaters. Die sehr hübschen,
außerordentlich schwungvollen Figurinen sind wohl von Wilhelm Camphausen. Immermanns
Text fehlt in dessen Werken.
7. Zu Hain Nr. 16170.
Hain gibt zu Wimphelings Schrift: De triplici candore Mariae (Speier, Conr. Hist, 1493)
an: 34 ff. Mir liegt ein im Handel befindliches Exemplar des Buches vor, das nur 34 Blatt
enthält; es fehlen im poetischen Text a5 und a6. Vielleicht hat Hain von diesem seine Zählung
abstrahiert; das Exemplar der Münchner Staatsbibliothek, deren Inkunabelschätze Hain ja meistens
bearbeitete, hat vollzählig 36 Blätter. Die Unvollständigkeit des oben erwähnten Handels-
exemplares läßt sich übrigens leicht schon nach den Angaben des letzten Blattes, das die
mendae castigatae enthält, feststellen.
Nur um zu zeigen, daß eine genau beschreibende Bibliographie endlich eine unentbehr¬
liche Notwendigkeit ist, gebe ich hier noch einige Zitate:
Wiskowatoff 37 Anm. i; Goedeke I 9 , 407, 9b; Charles Schmidt in der Histoire litt^raire
de l’Alsace (Index bibliographicus) II, 318, 5 erwähnen die Schrift ohne weitere Angaben.
Panzer IV, 511 gibt an: cum sign. A—E. Graesse im Trdsor VI, 2, 459 sagt in der Anmer¬
kung zu Wimphelings De conceptu: II y en a une ed. ant^rieure s. 1 . ni d. in-4 0 . (34 ff. ä 34 1 .)
et une autre post&ieure s. 1 . 1493 in-4 0 . (36 ff.), was insofern ungenau ist, als neben dem Jahr
der Widmung (1493) der Ort: Spirae steht Der Inkunabelkatalog des Brit. Museums II (1912),
506 hat richtig: 3611.
Auf jeden Fall ist Hains Angabe danach zu verbessern.
Noch ein derartiger Fall von Flüchtigkeit. In der Monographie über Anton Woensam
(S. 33) gibt Merlo als Umfang des bei Peter Quentell in Cöln 1532 erschienenen Werkes von
Nausea: Libri Mirabilium Septem, 66 Bl. an, in dem er den Druckfehler des letzten Blattes
ohne Prüfung übernimmt Das Buch hat 76 Blätter.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Wttkovnki , Leipsig-G.. Ehrensteinstr. so, Verlag von B.A. 5>r*ia*«-Leipiig, Hoepitalatr. na
Druck von Ernst Hedrich NachfG. tn.b.H.- Leipzig, Horpitaktr. na.
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Zu dem Aufsatz:
73
Das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Beständigen von Sachsen
in der fürstlich Fürstenbergischen Sammlung in Donaueschingen
Von Johann Georg, Herzog zu Sachsen
Bild j
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Bild 4
Original frn-m
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74 Johann Georg von Sachsen: Das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Beständigen.
Bild 6
Bild 8
.. .
75
Das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Beständigen von Sachsen
in der fürstlich Fürstenbergischen Sammlung in Donaueschingen.
Von
Johann Georg, Herzog zu Sachsen.
Mit acht Bildern.
Tt ls ich im Sommer 1919 die Bibliothek in Donaueschingen besuchte, wurde mir auch
/ \ das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Beständigen von Sachsen (gest. 1533)
2 * V vorgelegt. Ich erkannte sofort, daß die herrlichen neun vollständigen Miniaturen aus
der Schule von Lukas Cranach sein müßten. Durch Erkundigung bei Professor Bruck ergab
sich, daß das fragliche Buch bisher in der Literatur nicht erwähnt sei. Der Besitzer Fürst
von Fürstenberg und der Bibliothekar Dr. John haben mir in der liebenswürdigsten Weise
eine eingehende Erforschung und Vornahme von photographischen Aufnahmen gestattet, wofür
ich hier meinen herzlichsten Dank aussprechen möchte.
Zunächst einige Worte darüber, wie das Buch nach Donaueschingen gekommen ist. In
demselben steht vorn: „Dies Betbüchlein ist des frommen Churfürsten zu Sachsen Herzog
Johanneen hoch löbliches und seliges Gedächtnis gewesen. Und mir Günther Hervog durch
Nickel von Enden alter Rentmeister Dienstag nach Egidy 1533 geschenkt.“
Wer dieser Günther Hervog ist und von Nickel von Enden, habe ich nicht feststellen
können. Weiter steht in dem Buch „Ex bibliothekce Wisensteigensi 1626.“ Wir mir Dr. John
mitteilt, hatten die Grafen Helfenstein eine Bibliothek in Wiesensteig im heutigen Württemberg.
Der letzte Graf Helfenstein Georg Wilhelm, gestorben 1627, war ein großer Bücherfreund.
In Donaueschingen befindet sich ein Verzeichnis seiner Bücher, das 418 Nummern enthält.
Unsere Handschrift scheint ab Nr. 21 als Über passionis Crbti aufgeführt zu sein. Wahr¬
scheinlich hat es Georg Wilhelm 1626 erworben. Seit 1594 besaßen die Helfensteiner die
Herrschaft Meßkirch, die dann um 1627 mit dem dritten Teil von Wiesensteig an die Familie
Fürstenberg fiel. In derZeit zwischen 1627 und 1752 ist die Wiesensteiger Bibliothek nach
Meßkirch gebracht worden, verwutlich 1628 oder 1629. Seit 1768 ist die ganze Bibliothek
von Meßkirch in Donaueschingen, nachdem Teile schon früher dorthin gebracht worden waren.
Das Buch ist später, als es geschrieben und ausgemalt worden war, in gepreßtem Leder
gebunden worden. Auf der vorderen Seite steht in Spiegelschrift 1549, auf der Rückseite in
gewöhnlicher 1563. Das sind also die frühesten Daten für die Entstehung. Mir scheint, als
ob der ganze Einband aus einer Zeit stammt. Auf der Vorderseite ist in der Mitte Christus
im Strahlenkranz, umgeben von Putten, die in einem Rechteck angebracht sind. Auf dem
äußeren Rechteck wechseln immer Verkündigung, Taufe, Kreuzigung und Auferstehung. Die
Rückseite stimmt damit überein, nur daß in der Mitte der Erzengel Michael dargestellt ist.
Wann und wo der Einband angefertigt ist, dürfte schwer zu sagen sein. Die Geschichte des
Buches schweigt ja zwischen 1533 und 1626 ausgenommen die andere ebengenannte Jahreszahl.
Das Gebetbuch enthält zwölf Gebete, von dem zehn auf Gedanken des hl. Augustinus
zurückgehen. Das elfte ist das bekannte Gebet des Königs Monasse, das als gute Vor¬
bereitung zur Beichte bezeichnet wird. Ich will hier nicht näher auf diese Gebete eingehen, nur
bemerken, daß sie so abgefaßt sind, daß sie ebensogut ein Katholik als der andersgläubige Kurfürst
beten konnte. Für eine Geschichte des Gebetbuchs in dieser Zeit wäre eine Untersuchung von
großem Wert. Die meisten haben eine farbig ausgeführte Initiale, die aber beim zehnten Gebet
fehlt .Überraschenderweise sind die rot geschriebenen Überschriften immer durchgestrichen.
In dem Buche befinden sich, wie ich schon sagte, neun vollständige Miniaturen, auf die es
hier vor allem ankommt Die erste (Bild 1) zeigt uns den stehenden Christus, der ein blaues
Kleid und einen roten Mantel in Form eines Pluviales trägt. Das Haar ist nicht gescheitelt, das
Haupt ein klein wenig nach links geneigt, die Füße nackt. Um das Haupt ist ein Glorienschein,
in dem der Nimbus angedeutet ist. Zu beiden Seiten desselben sind je sechs kleine Engel in
Wolken, von denen man zum Teil nur die Köpfe sieht. Unter der Wolke ist der Himmel
blau, weiter unten die Luft weiß, die Landschaft ist durch Sand und Gras dargestellt.
.Die zweite Miniatur (Bild 2) zeigt uns Christus als Schmerzensmann sitzend und gegen
einen Baum gelehnt. Er ist nackt, nur mit dem Lendentuch bekleidet. Die Linke stützt das
Haupt, die Rechte liegt auf dem linken Bein. Das allein sichtbare linke Auge blickt unsäglich
traurig. Vor Christus kniet ein Mann, in dem man wohl den Kurfürsten erkennen kann, in
XIII, 10
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j6 Johann Georg von Sachsen: Das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Beständigen.
rötlichem Gewand mit einem Hermelinkragen. Die Rechte stützt sich auf dem Boden, die
Linke ist erhoben. Haar und Vollbart sind braun. Neben ihm liegt seine Kopfbedeckung.
Den Hintergrund büdet eine Landschaft mit einer Burg und einer Kirche. Vor den Bergen
ist ein Mönch zu sehen. Der Himmel glänzt goldig. Es scheint Abendstimmung zu sein, die
ja zu der ganzen Darstellung sehr gut paßt
Dem dritten Bilde kann ich nur den Titel „Domine quo vadis“ geben. Christus in ein
langes violettes Gewand gekleidet, schreitet von links nach rechts. Er trägt das schwere
Kreuz, an dem das Kopfende fehlt, auf dem Haupt eine geschlossene Dornenkrone. Die Füße
sind nackt Vor ihm kniet ein Mann mit zum Gebet erhobenen Händen und fragendem Aus-
druck in den Augen, den man nach dem Typus nur für den Apostel Petrus vermuten kann.
Freilich ist er als Aussätziger dargestellt. Vielleicht ist damit der sündige Mensch gemeint.
Die Landschaft zeigt Berge, Bäume und einen See. Der Himmel ist tief blau.
Bild 4 zeigt den Heiland in Halbfigur in Wolken. Das Gewand erinnert an das bei i.
Die Rechte segnet, die Linke hält den Reichsapfel. Um ihn ist Glorienschein. Zwei Engel
knien auf Wolken. Unten knien rechts vier Männer, der in ganzer Figur dargestellte scheint
der Kurfürst zu sein, wenn auch das Profil nicht ganz zu erkennen ist Sein Gewand ist rötlich
und blau. Er hat die Hände gefaltet. Zu seinen Füßen liegt die Kopfbedeckung. Von den
drei andern Männern vorn sieht man nur Köpfe und Hände. In der Mitte kniet eine Frau,
die man ganz von hinten sieht Sie trägt einen violetten Mantel und eine weiße Haube. Sollte
das die Kurfürstin sein? An ihrer linken Seite kniet eine Frau in rotem Mantel und weißer
Haube. Das blaue Gewand ist noch etwas sichtbar. Das Gesicht zeigt sich im Profil. Es
folgen dann noch drei Frauen. Die eine hat einen grünlichen Mantel. Man sieht ihre gefal¬
teten Hände. Von der zweiten zeigen sich Gesicht und gefaltete Hände, von der dritten nur
ein Teil des Gesichtes. Alle drei haben weiße Hauben. Die Landschaft stellt ein Wiesen¬
tal dar, hinter dem sich höhere bewaldete Berge erheben. In dem Tal geht ein Jäger mit
seinem Hund. Am Ende des Tals ragt eine Kapelle, in deren Tür eine Frau tritt.
Bild 5 stellt den Heiland mit Wunden bedeckt dar, an die Geißelsäule, die einer roma¬
nischen gleicht, gebunden. Er ist nur mit dem Lendentuch bekleidet. Das Haupt ist etwas
nach rechts gewendet Die Geißeln liegen auf dem Boden. Die Szene geht in einem schlichten
Raume vor sich, das ein Fenster hat Unter diesem kniet der Kurfürst, der hier deutlich zu
erkennen ist. Er hat einen roten Mantel mit gelbem Umschlag und ein grünes Gewand an.
Das Haupt ist mit einer Art Haube bedeckt Die Kopfbedeckung hat er in der Hand.
Bild 6 zeigt den Heiland als Schmerzensmann mit ausgebreiteten Armen in Halbfigur
in den Wolken von Glanz umgeben, also eine ganz seltene Darstellung. Unten in der Mitte
kniet links ein Mann, rechts eine Frau, die man nur von hinten sieht. Er ist in einein röt¬
lichen Mantel gekleidet und hat die Hände gefaltet. Sie hat einen blauen Mantel und die
Hände gefaltet Rechts von ihr knien drei Frauen mit erhobenen Händen. Die eine ist grün,
die beiden andern rot gekleidet. Nur von der am weitesten rechts sieht man das Gesicht.
Neben dem Mann knien zwei Männer mit erhobenen Händen, deren Gesichter man ganz sieht.
Der eine ist blau, der andere rot gekleidet. Die Landschaft zeigt eine Wiese und bewaldete Berge.
Auf Bild 7 steht der Heiland als Schmerzensmann neben der Geißelsäule. Das Haupt
bedeckt mit der Dornenkrone und umstrahlt von Glorie, zeigt tiefen Emst. Die Hände sind
erhoben. Aus ihren Wunden strömt Blut, ebenso wie aus den Fuß wunden. Die Geißelsäule
ist von Stricken umwunden. Die Szene ist anscheinend der Kerker, dessen Decke durch
Balken gebildet ist Durch das vergitterte Fenster sieht man auf einen Schneeberg.
Büd 8 (hier nicht wiedergegeben) zeigt Christus am Kreuz in sehr edeler Haltung. Leider
ist der linke Arm etwas lädiert. Umgeben ist er von Dunkelheit. Am Fuße kniet links ein
bärtiger Mann, der die Hände zum Gebet erhoben hat. Bekleidet ist er mit einem rötlichen
Gawand. Der grüne Mantel ist so umgeschlagen, daß man das gelbe Futter sieht. Neben
ihm knien vier Männer. Der vorderste ist violett gekleidet und hat die Kopfbedeckung auf.
Von den drei andern sieht man nur die Köpfe. Rechts vom Kreuz kniet eine Frau mit
einem Pelzkragen. Sie ist in einen bläulichen Mantel gekleidet und hat die Hände zum Gebet
erhoben. Neben ihr knien vier Frauen. Die vorderste im violetten Kleid sieht man nur von
hinten, von den anderen nur die Köpfe. Die Landschaft zeigt einen See, der auf einer Seite
von Wiese, auf der andern Seite von Wald und Schneebergen umgeben ist.
Auf Bild 9 endlich (in unserer Wiedergabe Bild 8) erscheint Christus links oben in der
Wolke und wendet sich nach links. Auch die Arme sind nach dieser Seite gerichtet. Die
Kleidung ist wie i. Rechts unten knien Leute in zwei Reihen hintereinander. Vorn links ist
es wieder der Kurfürst in grünem Mantel und violettem Gewand, mit dem Schwert an der
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Johann Georg von Sachsen: Das Gebetbuch des Kurfürsten Johannes des Beständigen. 77
Seite. Vor ihm liegt der Kurhut. Hinter ihm knien zwei Frauen, die vordere in violettem
Gewand. Von der hinteren sieht man nur die Haube. Neben dem Kurfürst kniet ein älterer
Mann mit langem Bart in rotem Gewand. Dahinter knien drei Männer. Nur beim vorderen
sieht man etwas von dem gelben Gewand, sonst nur die Gesichter. Alle knien auf einem
sandigen Wege. Dannn folgt eine Wiese. Links ist ein Stück eines Sees sichtbar, an dem
drei Häuser stehen. Dahinter erhebt sich ein Schneeberg.
Wenn man das Buch genau betrachtet, kommt man zu der Ansicht, daß entschieden
noch drei weitere Miniaturen geplant waren. Dann würde sich vor jedem Gebet eine Miniatur
befinden. Für die eine ist sogar noch die leere Seite vorhanden. Das Buch ist also nicht
fertig geworden, wahrscheinlich weil Johann vorher starb. Die Miniaturen sind also wohl
Anfang der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts entstanden, da der Kurfürst 1533 starb.
Was nun den Wert der Künstler betrifft, so bin ich nach eingehender Betrachtung und
Rücksprache mit den Professoren Sauer und Hantzen in Freiburg i. B. zu folgender Ansicht
gekommen: Die Miniaturen 5 und 7 dürften vielleicht von der Hand des älteren Cranach
sein, eventuell auch 3. Sie sind zweifellos künstlerisch die bedeutendsten, am gedankentiefsten,
am klarsten im Strich, am besten in der Farbengebung. Auf Bild 5 entspricht das Bild des
Kurfürsten am meisten den authentischen, die es von ihm gibt. Auch Christus ist ganz so,
wie Cranach ihn immer darstellt Bild 8 gemahnt etwas an solche Darstellungen, wie sie
sich öfter von dem jüngeren Cranach erhalten haben. Da er damals erst 16 oder 17 Jahre
(geboren 1515) alt war, so ist besser an einen unbekannten Schüler seines Vaters zu denken.
Von den weiteren scheinen mir Bild 1 und 2 von einer dritten Hand zu sein, die ich nicht
näher bestimmen kann. Auf Bild 2 ist, wie ich schon bemerkte, der Kurfürst dargestellt.
Von einem Porträt kann man kaum sprechen. Ich vermute vielmehr, daß der Maler ihn
nie gesehen und vielleicht nach Angaben gemalt hat. Die übrig bleibenden Bilder 4, 6 und
9 dürften meinem Gefühl nach auf eine vierte Hand zurückgehen. Sie sind die schwächsten.
Namentlich wirken die Farben etwas schreiend. Bemerkenswert ist bei ihnen die gute Be¬
obachtung der Landschaft. Man könnte annehmen, daß der Maler die Alpen gesehen hat.
Unverkennbar sind hier Beziehungen zur Dobauschule.
Professor Bruck, der nur die Photographien gesehen hat, spricht in einem Briefe die
Ansicht aus, daß keine Miniatur von Lukas Cranach selber sei. Er meint, sie seien alle von
demselben Maler, und zwar von demjenigen, den er Hans Molner nenne. Das Braunrot sei
für ihn charakteristisch. Dieses ist mir aber auf den Bildern nicht aufgefallen. Sein Gutachten,
das er diesem Briefe beigefügt hat, führe ich hier im Wortlaut an:
„Die Bilder 5 und 7 sind sicher von einem Meister, dann aber auch 1. Hierzu bietet
der Vergleich die Fußbildung, die Ohrenbildung, die Augen und der Nasenansatz, sowie die
Bildung des Mundes. In diese Reihe gehört auch Bild 3, das auch im Faltenwurf mit seinen
Faltennestern mit Nr. 1 übereinstimmt. Sehr charakteristisch bei i, 3, 5 und 7 ist die merk¬
würdige Ausbildung des übertrieben starken Hinterkopfes.
„Bild 1 führt nun zu Bild 4, bei dem die Halbfigur in derselben Kopf-, Gesichts- und Hand¬
bildung (sogar mit derselben Mantelschließe) vorkommt, auch die Engelsköpfe. Hier bei Bild 4
ist auch die Landschaft mit dem spitz auslaufenden Baumschlag zusammengehörig mit Bild 3.
„Nun zeigt sich beim Bilde 4 am Faltenwurf der mittelsten vom Rücken gesehenen
knienden Frau ein sehr eigenartiger Faltenwurf. Das sonst, anders wie bei den guten Werken
Cranachs, hier ziemlich leblos und glatt in breiten Flächen oder Röhrenfalten gehaltene Ge¬
wand ist da, wo es auf der Erde anliegt, also vom Knie bis zum Fußknöchel) in genestelte
Falten gelegt, sich sonst dem Körper breiter anschmiegend. Dieselbe Gewandbehandlung zeigt
sich beim Knienden auf der Kreutztragung Bild 3 und beim knienden Kurfürsten (wenn auch
hier nicht so ausgeprägt) auf Bild 5.
„Nun zeigt aber auch die Figur auf Bild 2 dann beim Knienden von rückwärts gesehen,
auf Bild 6; bei den Knienden auf den Bildern 8 und 9 dieselbe sehr charakteristische Falten¬
bildung. Landschaftlich gehören wohl sicher die Büder 2, 3, 4, 6 und 8 zusammen.
Eine Übereinstimmung in bezug auf die Ausbildung der Frauen- und Männerköpfe be¬
steht bei den Bildern 4, 6, 8 und 9. Anatomisch ist auf den Bildern 2, 5, 6, 7 und 8 der
Körper Christi gleich, was bei den sehr kurzen Unterschenkeln, den schematisch gebildeten
Bauchmuskeln den beiden scharf gezeichneten Brustteilen und besonders den dicken, wie ge¬
schwollen gebildeten Oberarmansätzen in die Erscheinung tritt“
Trotz Brucks großen Autorität und Sachkenntnis auf dem Gebiete von Cranachs Schaffen
kann ich mich doch nicht zu seiner Ansicht bekehren. Die Gründe meiner Ansicht habe ich
weiter oben schon entwickelt. Andere mögen entscheiden, ob er oder ich recht habe.
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7 8
Rother: Nikolaus Laurentii und seine Danteausgabe vom Jahre 1481 .
Unmöglich ist es, in einem kurzen Aufsatze alle Probleme, die ich hier berührt habe,
eingehend zu behandeln. Worauf es mir hauptsächlich ankommt, hoffe ich erreicht zu haben:
nämlich die Wissenschaft auf dieses köstliche Werk aufmerksam zu machen. Mögen andere
hier weiter arbeiten.
Nikolaus Laurentii und seine Danteausgabe
vom Jahre 1481.
Von
Universitätsbibliothekar Dr. C. H. Rother in Breslau.
B ei dem weittragenden Einfluß, den die über die* Alpen gewanderten deutschen Drucker
in Italien durch die Anwendung ihrer schwarzen Kunst ausübten und bei der geradezu
erstaunlichen Fruchtbarkeit, die sie bis zur Wende des 16. Jahrhunderts und darüber hinaus
entwickelten, nimmt es nicht wunder, wenn die Deutschen auch unter den Herausgebern von
Dantes Göttlicher Komödie in erster Reihe stehen. Unter den bis 1500 annähernd 20 bekannt
gewordenen Danteausgaben verdanken wir den ersten datierten Druck dem deutschen Wander¬
drucker Johann Neumeister, den er 1472 in dem umbrischen Städtchen Foligno zusammen
mit Emiliano Orsini herstellte, und dem vielleicht die in demselben Jahre durch Magister
Georgius et Paulus Teutonici zu Mantua verfertigte Ausgabe den Rang streitig macht Ganz
besondere Beachtung verdient aber auch die große monumentale Ausgabe der Göttlichen
Komödie, die in Florenz am 30. August 1481 die Offizin des Meisters Nikolaus Laurentii aus
der Diözese Breslau verließ, und die am Schluß das Impressum trägt: FINE DEL COMENTO
DI CHRISTOPHORO LANDINO FIORENTINO SOPRA LA COMEDIA DI DANTHE
POETA EXCELLENTISSIMO. ET IMPRESSO IN FIRENZE PER NICHOLO DI LORENZO
DELLA MAGNA. A DI XXX. DAGOSTO M. CCCC. LXXXI.
Bedeutsam ist diese Ausgabe nicht allein darum, weil sie zum ersten Male den Kommentar
des gelehrten Professors der Beredsamkeit in Florenz Landino (1424—1504), der lange Zeit
hindurch die Danteerklärung beherrschte, brachte, sondern weil sie die erste illustrierte gedruckte
Ausgabe der Divina Comedia überhaupt ist. Nicht daß es an bildlichen Darstellungen zu Dante
bis dahin gefehlt hätte, denn auch die Zahl der illustrierten Dantehandschriften ist nicht gering,
und der vor 1333 geschriebene Kodex 313 in der Nationalbibliothek in Florenz ist der früheste
Beweis hierfür: aber die Illustrationen zum Inferno unserer Danteausgabe gehören zu den
frühesten Belegen der italienischen Kupferstechkunst, die uns bekannt sind. Außerdem war
Nikolaus Laurentii der erste, der den technisch schwierigen Versuch machte, den Kupferstich
als Buchschmuck nicht auf Einzelblättern zu verwenden, sondern die Stiche in die Textseiten
einzudrucken. Und noch eins: als Zeichner dieser Stiche galt allgemein bis Ende des vorigen
Jahrhunderts kein Geringerer als Sandro Botticelli und als Stecher der Florentiner Goldschmied
Baccio Baldini, eine Annahme, die in der Lebenbeschreibung Botticellis bei Vasari: Botticelli,
per essere persona sofistica, commentb una parte di Dante, e figorb lo Inferno, e lo mise in stampa
eine Hauptstütze fand. Nachdem aber die Zeichnungen zur Göttlichen Komödie auf 88 Pergament¬
blättern, die bis 1882 in der Handschriftensammlung des Herzogs von Hamilton zu Hamilton
Palace in Schottland im Verborgenen geruht hatten, nach Ankauf durch das Berliner Kupfer¬
stichkabinett von F. Lippmann mit Sicherheit sowohl durch den Stilcharakter wie auch durch
die Signatur des Meisters: Sandro di Mariano als jene Danteillustrationen Botticellis erwiesen
wurden, von denen eine Handschrift aus dem 16. Jahrhundert in der Biblioteca Nazionale zu
Florenz betreffend „Nachrichten von Florentiner Künstlern von Cimabue bis Michelangelo“
berichtet: Dipinse e storib un Dante incartapecoro aloremo die piero francesco de Medici, will
man in den Kupferstichen von 1481 nur noch freie Nachbildungen eben genannter Zeichnungen
sehen. Dieser Meinung gegenüber bleibt die Ansicht, daß es auch Früharbeiten Botticellis sein
können, bestehen. In jedem Falle aber behalten die Kupfer in der Ausgabe des Nikolaus
Laurentii schon deshalb ihren besonderen Wert, weil sie nicht nur für die Beschäftigung Botticellis
mit Dante einen zeitlichen Anhalt gewähren, sondern, da trotz des glücklichen Fundes von
acht weiteren Pergamentblättem durch Strzygowski in der Vaticana zu Rom, die Zeichnungen
zu Inferno 2—7, 11 und 14 bislang verloren sind, wir uns durch die Stiche eine ungefähre
Vorstellung von der Komposition und den Motiven jener verlorenen Zeichnungen machen können.
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Rother: Nikolaus Laurentii und seine Danteausgabe vom Jahre 1481.
79
Über den Lebensgang des Meisters, dem wir diesen Dantedruck verdanken, wissen wir
leider noch herzlich wenig. Er selbst nennt sich in den Schlußschriften seiner Ausgaben
Nicolaus Laurentii , oder Nicolaus dioeceseos Wratislaviensis , Nicolaus Alemanus , auch in der
italienischen Form Nicolo Todescho oder Nicolo di Lorenzo della Magna , wobei die letzten
Worte gewiß als eine Art Metathesis für dell’ Allemagna zu deuten sind. Auch die Bezeich¬
nung Nicolaus oder Maestro N, ja sogar nur N. genügt ihm. Sein frühestes Druckwerk ist
die in Florenz am 26. Juli 1477 erschienene Ausgabe der quaestiones super libros de anima
des Erzbischofs von Toledo Alphonsus de Vargas (f 1366). Dieser Druck erschien also zwei
Jahre später, als wir die ersten gedruckten Literaturdenkmale in Schlesien aus der Druckerei
des Caspar Elyan nachweisen können. Eine Beziehung zwischen diesen beiden ersten, aus
Schlesien stammenden Druckern herzustellen, ist mir bisher nicht gelungen. Während Conrad
Sweynheim und Arnold Pannartz 1467 in Rom und 1469 Johann und Wendelin von Speier
in Venedig den Ruhm von Prototypographen für sich in Auspruch nehmen können, fand
Nikolaus Laurentii in der Stadt am Arno die Druckereien des einheimischen Goldschmiedes
Bernardo Cennini und seit 1474 auch die der rührigen Dominikanermönche des Klosters
Ripoli zum hl. Jakob bereits in Tätigkeit vor. Mit den letzteren, unter denen Fra Domenico
da Pistoja und Fra Pietro da Pisa namentlich als Drucker hervortraten, ging Nikolaus Laurentii,
wie schon Johann Petri aus Mainz vor ihm, eine Geschäftsverbindung ein, wie uns durch eine
Urkunde in dem Staatsarchiv zu Florenz verbürgt ist. 1 Der Vertrag, geschlossen am 11. No¬
vember 1480, sollte zwischen dem Leiter des Klosters, dem bereits erwähnten Fra Domenico,
dem Papier- und Buchhändler Bartolus und dem Humanisten Bartolommeo Fonzio als Rechts¬
vertreter unseres Meisters Nikolaus „olim Laurentii de Alantania, impressoris librorum u eine
Genossenschaft bei gleichem Gewinnanteil der drei Teilhaber bis Juni 1483 begründen.
Während Bartolus die geschäftliche und finanzielle Leitung übernehmen und Sorge tragen
sollte, daß die Pressen des Fra Domenico und Nikolaus Laurentii ständig beschäftigt würden,
legte der Geschäftsvertrag den beiden Druckherren die Verpflichtung auf, daß sie attendant
et personaliter incumbant formationi et itnpressioni librorum ... cum omni diligentia et sedulitate,
que ad artem attineret , eine Bestimmung, die gewiß eines berechtigten Grundes nicht ent¬
behrte, zumal auch in der Danteausgabe von 1481 etliche Umstellungen und Fehler Vor¬
kommen. Die zu dem gemeinsamen Geschäftsbetriebe notwendigen Typen, Druckgeräte und
Werkzeuge brauchten nicht neu beschafft zu werden, da Dominikus und Nikolaus, wie es
heißt, copiam habent et habundant gittinis litteramm et punteüis, stannis et quolibet alio instru¬
menta idoneo et requisito. Auch des Nikolaus Laurentii Sohn Gianni, der 1482 und 1483 als
Drucker erwähnt wird, knüpfte geschäftliche Beziehungen zur Druckerei des Klosters an, wie
aus dem noch erhaltenen Rechnungsbuche des Klosters hervorgeht.
Von den Druckerzeugnissen des Meisters Nikolaus, die seinen Namen tragen, sind uns
bis i486 — das letzte datierbare Werk wurde am 15. Juni i486 vollendet — folgende mit
sieben verschiedenen Typen gesetzte Schriften (darunter die editio princeps des Celsus’ de
medicina und die mit 31 Kupferkarten ausgestattete geographia des Berlinghieri) bekannt:
1477, 26. 7. Alphonsus Toletanus: quaestiones super libros Aristotelis de anima Hain 877
1477, 10. 9. Antonio Bettini: Monte Santo di Dio H. 1276
1478 Com. Celsus: de medicina libri 8 H. *4835
,1478, 15. 6. Petrus de Crescentiis: della agricultura H. 5837
1480, 30. 8. Rob. Caracciolus: quadragesimale [ital.] H. 4448
1481, 30. 8. Dante Alighieri: la divina comedia H. ^5946
1482, 22. 10. Cherubini da Spoleto: regula vitae spiritualis H. 4935
1483, 31. 7. Cherubini da Spoleto: regula vitae spiritualis [ital.] H. 4938
1485, 16. 4. Gilibertus: sermones super Cantica Canticorum H. *7773
1485, 29. 12. Leo Bapt. de Albertis: de re aedificatoria H. * 419
1486, 15. 6. Gregorius Magnus: moralia in Job [ital.] H. *7935
s. a. Aristoteles: ethica ' H. 1753
„ Belcari: vita del beato Giovanni Colombino H. 2747
„ Franc. Berlinghieri: geographia H. *2825
„ Dom.Cavalca: Trattato contra il peccato dellalingua detto Pongie lingua H. 4771
„ Mars. Ficinus: de christiana religione H. 7069
„ Mars. Ficinus: della christiana religione H. 7071
„ Christ. Landinus: disputationes Camalduenses H. 9852
I Abgedruckt bei Dem. Marzi: I tipografi tedeschi in Italia durante il secolo XV. Beihefte zum Zentralblatt
für Bibliothekswesen, H. 23 (1910), S. 549 ff.
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Rothcr: Nikolaus Laurentii und seine Danteausgabe vom Jahre 1481.
Außerdem werden ihm auf Grund der Typenvergleichung noch etwa 25 Ausgaben zu¬
geschrieben, die entweder nur den Druckvermerk Florenz, oder weder eine Angabe des Druck¬
ortes noch des Druckers aufweisen. Daß mit dem Jahre i486 die Druckertätigkeit des Nikolaus
Laurentii einen Abschluß gefunden hat, läßt sich mit Sicherheit nicht behaupten, und Guiseppe
Ottino vermutet in seiner Schrift: di Bernardo Cennini (Florenz 1871), daß Nikolaus noch
1491 in Gemeinschaft mit Lorenzo Margiani gedruckt habe.
Nikolaus Laurentii hat in der Geschichte der Typographie sich vor allem dadurch einen
bleibenden Ruf gesichert, daß er, wie bereits kurz angedeutet, den Kupferstich als Buch¬
schmuck auf die Textseiten eindruckte. In seiner deutschen Heimat verwendete man damals
noch fast ausschließlich den Holzschnitt zur Ausschmückung und Verzierung von Büchern,
und weder Martin Schongauer, noch der sog. Meister der Spielkarten noch der Meister E. S.
haben den Weg zum Buch gefunden. In Florenz aber, in dessen Mauern nach legendenhafter
Tradition der Goldschmied Maso Finiguerra den Kupferstich (1460) erfunden haben soll
(obwohl wir fast 20 Jahre vorher datierte Stiche in Deutschland nachweisen können), war
die Kjipferstechkunst zu schönster Blüte gediehen und hatte den Holzschnitt, dessen ersten
Produktionen wir hier erst in den neunziger Jahren des Quattrocento begegnen, zur Seite
gedrängt. Schon 1477 unternahm es Nikolaus Laurentü, das Büchlein II Monte Santo mit
gestochenen Bildern zu zieren, so daß ihm also die Priorität vor der mit Kupferkarten ver¬
sehenen Ptolemäusausgabe aus der Offizin des Konrad Sweynheim und Arnold Bücking 1478
in Rom und vor den ersten in Deutschland mit Stichen versehenen Büchern, den zwischen
1479 und 1491 von Georg Reyser in Würzburg und Eichstädt gedruckten Missalien, gebührt.
In dem Monte Santo treten die drei Stiche, die gleichfalls Botticelli zugeschrieben werden,
noch als ganzseitige Bilder auf den Blättern des Buches selber auf, und der Text ist auf
ihre Rückseite gedruckt. In der Danteausgabe von 1481 aber ist zum ersten Male Text und
Stich auf einer Seite vereint. Dies setzt aber eine ganz hervorragende Druckertechnik voraus,
da für den Hochdruck, dem sich Holz- oder Metallschnitt gut fügte, und für den Kupferstich
mit seinem Tiefdruckverfahren ganz verschiedene Arten des Drückens angewandt werden
mußten. An diesen technischen Schwierigkeiten und wohl auch an den damit verbundenen
hohen Kosten mußte die Absicht, vor jedem einzelnen Gesänge ein Kupfer einzudrucken,
scheitern. Denn die meisten der uns bekannten Exemplare haben nur zwei Stiche eingedruckt
und für die übrigen war am Anfänge jedes Gesanges der Raum weiß ausgespart geblieben.
An diese Stelle hat man in einzelnen Exemplaren die besonders abgezogenen Kupferstich¬
vignetten eingeklebt, deren Zahl zwischen 2—17 schwankt. Zu den am reichsten ausgestatteten
Ausgaben gehören das Exemplar der Nationalbibliothek zu Paris, das außerdem 16 Feder¬
zeichnungen enthält und für das man schon 1792 die stattliche Summe von 1030 fr. zahlte,
das der Magliabechiana in Florenz und im Britischen Museum. Ein Exemplar in der Sammlung
des Lord Spencer enthält außerdem noch eine im Gegensinne ausgeführte Nachbildung zu
Gesang III, also insgesamt 20 Kupfer. 1 Daß die Illustrierung nur bis zum 19. Gesänge durch¬
geführt ist, hat wahrscheinlich seinen Grund darin, daß Botticelli im Herbst 1481 in Rom im
Aufträge des Papstes Pius IV. zwei große Wandgemälde an der südlichen Langseite der Six¬
tinischen Kapelle ausführte und darum seine Dantearbeiten abbrach, so daß dem Stecher
weitere Vorlagen fehlten. Für die Tatsache, daß überhaupt nicht mehr als 19 Stiche aus¬
geführt wurden, spricht der Umstand, daß für die 88 Holzschnitte der Danteausgabe vom
31. März 1487 aus der Offizin des Bonino de Boninis zu Brescia die Kupferstiche von 1481
nur bis zum 19. Gesang des Inferno als Vorbild dienten, dann aber eine andere Vorlage ein¬
setzte. Auch in den Holzschnittausgaben, die in Venedig im März 1491 und November 1493
von Bernardinus de Benaliis, November 1491 von Petrus Cremonensis und Oktober 1497 von
Petrus de Quarengeniis gedruckt wurden, ist die Anlehnung an die Kupferstiche von 1481,
und wie bei allen diesen Ausgaben nicht an die Zeichnungen festzustellen, ein Beweis, welch
hohen Ansehens sich die Danteausgabe des Nikolaus Laurentii schon damals erfreuen konnte.
x Vgl. Dibdin: Bibliotheca Spenceriana VI. S. 108—114. — Sämtliche Stiche sind abgebildet in den „Works
of the Italian Engravers of the fifteenth Century" by G. W. Reid, London 1884 und in den „Zeichnungen von Sandro
Botticelli zu Dantes Götti. Comödie“ hrsg. von F. Lippmann, Berlin 1896.
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Goethe-Dramen.
Ein Versuch von Paul Alfred M erb ach in Berlin. 1
„Was denn auch komme, nehmts in Goethes Sinn!
Dem Dichter nicht, uns selber zum Gewinnt
Wieviel der Huldigungen ihm auch quillen,
Des Opfrers Schale kann das Meer nicht füllen:
Das bleibt sich ewig gleich im unermeß’nen Schoße!
Wer es verehrt, den zieht empor das Große 1“
(Aus K. Gutzkows Prolog zur Aufführung des Königs¬
leutnants im Frankfurter Stadttheater am 27. Aug. 1849.)
I n der „Allgemeinen Theaterchronik“ 1849 heißt es: „Daß Goethe Dichter ist, macht ihn
nicht unfähig, dramatischer Held zu sein... Zum Helden eines historischen Dramas gehört:
Dienst für die Menschheit ... daß er diesen Dienst mit Absicht getan... Das Erste ist bei
Goethe nicht zu bezweifeln... seine Bedeutung für die Menschheit schließt das absichtsvolle
Ringen aus... der Mangel der Absicht aber macht Goethe zum Helden eines historischen
Dramas unfähig... Goethedramen werden uns in Goethes Privatleben einführen ... sie werden
Goethe in seiner eigenen Werdung und Entwicklung darstellen...“*
Der hier in Frage kommende Stoff, dessen Vollständigkeit kaum zu erreichen ist, folgt
der Biographie. Freilich „erhalten diese sämtlichen Darstellungen des Dichters ihre besondere
Bedeutung durch die jeweiligen geistigen Strömungen ihrer Zeit, und in ihnen machen sich
alle literarischen Phasen des 19. Jahrhunderts geltend. Hier öffnet sich der Forschung ein
weites Feld.“ 8
Mit dem Werben Johann Caspar Goethes um Elisabeth Textor beginnt die Dramen¬
reihe : Ingo Krauss (z. Z. Spielleiter am Stadttheater zu Altona a. E.) hat es in dem — noch
ungedruckten — Lustspiel „in drei Akten und einem Vorspiel“ Der Stadtschultheiß von Frank¬
furt (unter Benutzung des gleichnamigen Romans von Otto Müller) 4 dargestellt; die Urauf¬
führung des sehr frischen und lebendigen Stückes hat am 30. Juni 1914 im Züricher Stadt¬
theater stattgefunden. Die Handlung spielt 1745; sie ist mit reichlicher poetischer Freiheit
gestaltet, denn die spätere Frau Aja liebt keinen anderen als den Kaiser Karl VII., der ge¬
rade in Frankfurt weilt. Auch der Schultheiß Textor verweigert dem stolzen und reichen
Dr. J. C. Goethe die Hand seiner Tochter, weil der Freier sich seines Vaters schämt, der als
ehrbarer Schneider nach Frankfurt kam und dort durch Heirat mit einer Wittib zu Gelde
gelangte. Der gute, kranke Kaiser Karl ist der Retter in der Not: er versöhnt den Stadt¬
schultheiß mit dem nunmehr Kaiserlichen Rat Goethe und führt der jungen Elisabeth, die ihn
wie ihren Abgott liebt, den Mann zu, den das Schicksal für sie bestimmt hat. Ein lose
angehängtes Nachspiel verlegt um einer Variation des Sterns von Bethlehem willen Johann
Wolfgangs Geburt auf die Mitternachtsstunde; unbedingt nötig ist für den Bau des Stückes,
das beträchtliches Bühnengeschick beweist, dieses Anhängsel nicht. Johann Caspar Goethe
in der äußeren und inneren Pedanterie seines Wesens und der kernige, kluge, leicht zu Spott
neigende Stadtschultheiß ebenso wie die „immer weiß und reinlich gekleidete“ Cornelia Goethe,
des Dichters Großmutter, sind in den wichtigen Zügen ihres Wesens gut charakterisiert;
einmal geht es ohne eine visionäre Prophezeiung freilich nicht ab: Elisabeth Textor kommt
zum ersten Male in das weite Haus auf dem Hirschgraben und erzählt der alten Magd Gertrud
... „mir war’s mit einem Male, die ganze Stube stände in lichtem Glanze. Und sah vor mir
ein gar herzig Knäblein, das war angetan mit einem bunten Röckchen und ... trug ein Flor-
mützchen... und lächelte mir zu, als ob es mich kenne und streckte die Ärmchen gegen mich
und wuchs zusehends und ward ein herrlicher Jüngling ... er hatte in dem Arm eine güldene
Leier, auf dem lockigen Haupte aber einen grünen Kranz von Lorbeer und leuchtete mich
an mit seinen strahlenden braunen Augen und schritt auf mich zu, breitete die Arme und
schloß mich an sein Herz.“
Das bekannteste der hierhergehörigen Dramen ist Karl Gutzkows im Frühjahr 1759 spie¬
lender Königsleutnant. Die Handlung formt und verknüpft Stücke aus dem dritten Buche
von Dichtung und Wahrheit 5 ; es wurde im Mai und Juni 1849 aufgeregtester Stimmung“
für Frankfurt a. M. geschrieben...® „Tag für Tag zogen unter den Fenstern meiner Wohnung
die Kanonen gegen den badischen Aufstand vorüber; da sollte der behandelte Stoff dem
bedrückten Herzen Ermutigung bringen... der säkulare Hinblick auf Goethe konnte vorzugs¬
weise nur die Erinnerung an seine Jugend wecken...“ Es erübrigt sich hier, auf das Lust-
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Merbach: Goethe-Dramen.
spiel näher einzugehen; interessant aber ist es, zu beobachten, daß Gutzkow damals die Ab¬
sicht gehabt hat, noch andere Episoden aus Goethes Leben zu dramatisieren; in dem Prologe,
der der Aufführung des Königsleutnants am 27. August 1849 im Frankfurter Stadttheater
voraufging, heißt es 7 :
. .. Der Autor, der es wagt, aus meinem
Und meiner Kunstgenossen Mund zu sprechen,
Versuchte, was aus Goethes Jugendzeit
Nicht allzuzart der Hand des Scenenbildners
Für unsre etwas derbe Kunst entfloh.
Sich einzufangen, bildlich zu gestalten.
Zu Kränzen zu verbinden, dessen ersten
Als Festesgruß er vor Euch niederlegt.. .
So heimelt sich vielleicht ein zweites einst
In traulicherem Rahmen Eurem Urteil an:
Der deutsche Goethe, den die Kaiserkrönung,
Von der er selbst erzählt, auf unser Volk,
Die alten Lieder, alten Kriegsgeschichten,
Die Sagen und die Minne wies, die ihn
Im Uberstrom erwachender Gefühle
An Gretchen fesselte... das junge Herz!
Über diese Absicht Gutzkows drangen damals noch weitere Einzelheiten in die Öffentlich¬
keit; in der Allgemeinen Theaterchronik vom 23. Okt. 1849 heißt es 8 : „Gutzkow arbeitet an
einem zweiten Goethestück, das die Kaiserkrönung in Frankfurt und des Dichters Liebschaft
mit Gretchen zum Gegenstände haben wird. Diesem beinahe fertigen Drama werde, wie
man sagt, ein drittes folgen, das Goethe während seines Aufenthaltes in Leipzig als Student
im Umgang mit dem drolligen Behrisch und anderen in Wahrheit und Dichtung genannten
Personen schildern soll." Aus diesen dramatischen Plänen Gutzkows ist nichts geworden;
Herr Prof. Dr. H. H. Houben hatte die Freundlichkeit, in seinem reichen Material festzustellen,
daß sich bis zum Ende der fünfziger Jahre in den Briefen des Dichters keine Äußerung findet,
die auf eine beabsichtigte Fortsetzung des Königsleutnants Bezug hätte.
Fast den gleichen Stoff wie Gutzkow behandelte Alfons Matthes (1911) in einem „dra¬
matischen Lebensbilde" aus dem Jahre 1761 „Jung-Goethe“; ein „nach erhaltenen Andeutungen
wiederhergestelltes Goethe’sches Zwischenspiel" von Apollo und Daphne ist in die Handlung
als Mittelpunkt eingefligt Matthes wollte hier „das sieghafte Durchdringen des früh sich
zeigenden Genius in einem für seine spätere Entfaltung typischen Einzelfall unter dem Beistände
der Mutter und entgegen den Hemmungen allzu strenger väterlicher Zucht" darstellen; ein kind¬
licherer Goethe als bei Gutzkow ist hier in glücklicher Weise gezeichnet... man soll aber „in
diesem Kinde schon den ganzen Menschen, auch etwas von seiner künftigen Größe erkennen“.
Mit gutem Gelingen ist die historische Wahrheit bis in kleine Einzelheiten festgehalten und wohl
nicht mit Unrecht dem jungen Goethe, der noch nicht zwanzigjährig „Die Mitschuldigen" schreiben
konnte, hier mit zwölf Jahren eine Lebensreife zugetraut, wie er sie in der Bearbeitung der Daphne¬
fabel zu bewähren hat. Der Ton der Kinderkomödie ist durchgehends festgehalten; das Ganze
wirkt wesentlich frischer und natürlicher als die gespreizte Zeichnung Gutzkows.
Die Liebesepisode des jungen Goethe mit dem Frankfurter Gretchen ist, soviel ich sehe,
zweimal in ein szenisches Gewand gekleidet worden. Der vielgewandte und vielgewanderte
Johann PeterLyser veröffentlichte 1845 m den Sonntagsblättern (Wien) 1845 (Nr.45/6, S. 1051/61)
ein einaktiges Schauspiel Margarete, das 1766 in Frankfurt a. M. spielt und die Geschwister
Margarete und Heinrich sowie Brakenburg, Fabrice, Lerse und Wolfgang auf die Bretter
bringt® Hier erscheint Goethe, der von einer Dame zu spielen war, so, wie er sich in Dich¬
tung und Wahrheit selbst schildert... „die Worte, die er spricht, sind seine eigenen ... so zag¬
haft und doch so besonnen war der Dichter". Über die Entstehung der Bluette berichtet
Lyser selbst a.a. O.: „Ich hatte es erst als Novellette geschrieben und teilte diese in Leipzig
einer hübschen Schauspielerin mit, welche meinte, mit wenigen Änderungen könne dies ein
ganz hübsches kleines Drama werden, ich möge es dazu umarbeiten und sie wolle den Goethe
spielen. Ich formte mit leichter Mühe die Novelle in ein Drama um, um so leichter, als sie
meist aus Dialog bestand. Das kleine Stück ist am 28. August 1845 in Breslau zur Auf¬
führung gelangt und soll gefallen haben."
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Merbach: Goethe-Dramen.
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Am 6. und n. November desselben Jahres wurde die Kleinigkeit in Breslau wiederholt;
ob sie auch an anderen Bühnen gegeben wurde, vermag ich nicht zu sagen. In einem „sauber
und traulich gehaltenen, bürgerlichen Zimmer mit altertümlichem Geräte" spielen die von
Goethe geschaffenen Gestalten in sein Leben hinein: Margarete ist das Gretchen aus dem
Faurt; ihr Verhältnis zu ihrem Bruder ähnelt dem aus den Geschwistern; der junge Goethe
ist 1 lit festen, markigen Strichen charakterisiert. Er liebt Margarete .und erklärt Lerse, daß
er ‘ 'ch durch nichts von ihr abbringen lasse; Lerse ist der kluge Freund, der alles zum
Gute n lenkt Fabrice und Brakenburg bewerben sich ebenfalls um Margarete; der entsagende
Liebaaber aus dem Egmont führt Margarete heim: ihr Bruder hat Geld defraudiert, Braken¬
burg ersetzt die Summe und gewinnt das Mädchen. Er weist Goethe auf seinen Beruf, den
er erfüllen müsse. Wenn einst sein Name auf aller Lippen schweben würde, werde Margarete
das Gefühl beseligen, seine erste und schönste Liebe gewesen zu sein. Lerse reißt Goethe aus
seinen Träumen, dieser überwindet sich selbst und segnet das Paar.
Als „ein Spiel aus dem Leben des jungen Goethe" bezeichnet sich ein freundlich-anspruchs¬
loser Einakter Artur Seehofs 10 , der nach der brieflichen Mitteilung des Verfassers ein „Zeitver¬
treib" war und hier nur der Vollständigkeit wegen Platz finden möge. Am Abend des
3. April 1764 spielt die Kleinigkeit; Wolfgang, der eine Art Gelegenheitsdichter für seine
Spielgefährten ist, kommt von der Kaiserkrönung; durch den Verrat eines nicht auftretenden
Freundes, der sich obendrein noch als Betrüger erweist, wird sein heimliches Verhältnis zu
Gretchen — der hier leise mütterliche Züge angedichtet werden — verraten; der Vater Caspar
Goethe kommt dazu und „der Armut Kind will dem Sohne kein Hindernis sein", sie geht
in ihre Heimat zurück.
Der Leipziger Student Goethe ist nur einmal im Drama aufgetreten: In einem „Genre¬
lustspiel“ hat Friedrich Prinzenhausen „Deutsche Dichter" 11 vereinigt: Gottsched, Geliert, Goethe
„Studiosus der Jurisprudenz", dazu kommen noch die Neuberin und Käthchen Schönkopf.
Eine Begegnung Goethes mit Gottsched in dessen Studierzimmer bildet die Schülerszene aus
dem Faust nach; eine Unterredung zwischen ihm und Behrisch, dem Hofmeister des Grafen
Lindenau, bringt einen titanischen Monolog, der mit den hohen Worten beginnt: „Wo finde
ich Wahrheit?" Goethe verbrennt seine Gedichte; nach einer Quälszene zwischen ihm und
Käthchen holt ihn der „wüste Patron" Wild zu genialischem Studententreiben nach Auerbachs
Keller ab. Später erlebt Goethe in Gottscheds Empfangszimmer die Vernichtung des Hans¬
wursts, den er in Versen apostrophiert. Behrisch beschließt den Akt mit einem Hymnus auf
Goethes Zukunft (ein oft wiederkehrender Bestandteil aller dieser Dramen!). Das Stück ver¬
läuft im Sande. Goethe verzichtet auf das „wüste Stürmen und Drängen" und bekennt Geliert
gegenüber: „Ich bin ein Dichter!"
Wird hier ein flüchtiges Bild des jungen Goethe geboten, so begnügt sich Ernst Johann
Groth in dem Einakter Madame Breitkopf (1896) 12 , die Umwelt seines Verkehrs ansprechend
und anspruchslos zu zeichnen. Die Einweihung des Silbernen Bären zu Leipzig 1767, die
dortige Aufführung der Minna von Barnhelm, Die Laune des Verliebten spielen mit hinein.
Im Hause der Madame Breitkopf finden sich zur Probe für die Einweihung Friederike Oeser,
Corona Schröter, Käthchen Schönkopf, Madame Stock und ihre Töchter, Demoiselle Gottsched
und Goethes Wirtin zusammen; Goethe kann wegen einer leichten Indisposition nicht erscheinen.
Für den Zeitraum von 1771—1776 hat Jul. Kühn 18 das Thema des jungen Goethe im
Spiegel der Dichtung seiner Zeit erschöpft Er weist darauf hin, daß die wichtigste Epi¬
sode aus Goethes Leben in dieser Zeit, die Idylle von Sesenheim 14 — schon Gutzkow hatte
in der Vorrede zum Königsleutnant den Gedanken ausgesprochen, daß sie sich „als drama¬
tischer Gegenstand empfehle" — in den fünziger Jahren, als sentimentale Züge und Neigung
zum Idyllischen sich in der deutschen Dichtung stark bemerkbar machten, „der Vorwurf zu
zahlreichen dramatischen Dichtungen geworden ist". Mit einem in Sprache und Szenen-
fuhrung gleich hilflosen „Charakterlustspiel" von Christem 16 : Sesenheim oder Die beiden
Görgen (1845) beginnt die Reihe. Friederike und ihre Eltern, die Studenten Goethe und
Weyland, der Gärtnerbursche Görge und Bärbchen sind die handelnden Menschen; um mit
der Geliebten erneut zusammen sein zu können, verkleidet sich Goethe als Gärtnerbursche,
versöhnt Bärbchen mit Görge, um schließlich mit Friederike dem Vater die gegenseitige
Liebe zu bekennen.
Das Verkleidungsmotiv in doppelter Variation — Goethe als armer Theologe und dann
als Bauernbursche — nahm Leonhart Wohlmuth in seinem zweiaktigen Schauspiel Sesen¬
heim 16 (1852) wieder auf; die Personen bleiben die gleichen wie bei Christern, nur Friede-
rikens Schwester Maria kommt noch hinzu. Weyland hat die Fäden der Handlung, die den
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Merbach: Goethe-Dramen.
aus Goethes Selbstbiographie bekannten Verlauf nimmt, in der Hand; das sentimentale Motiv
der Entsagung wird breit ausgesponnen: Friederikens Glück muß vor Goethes Lebensaufgabe,
die hier ex eventu konstruiert wird, zurücktreten.
Eduard Schüllers dreiaktiges „Liederspiel“ Das Pfarrhaus von Sesenheim (f 85 8) 17 , — Karl
Eberwein (1786—1868) vertonte die zahlreich eingeflochtenen Goetheschen Gedichte — bringt
die beinahe gleichen, anekdotisch gefärbten und geschilderten Vorgänge in etwas breiterer
Fassung. Wenigstens ward der Versuch einer psychologischen Entwicklung der Hauptfiguren
gemacht, der Entsagung Goethes und Friederikes ganz geschickt das Sichfinden des Studiosus
Weyland und Olivie Brions gegenübergestellt; ganz von ferne spielt die Welt des Faust mit
hinein. Goethe erzählt von dem „großen Zauberer“ beim abendlichen Zusammensein unter
Friederikens Linde, eigentlich aber nur, damit der König in Thule gesungen werden kann.
Angehängt ist ein sentimentaler Epilog Sein Feierabend: dem sterbenden Greis erscheint
Friederike als Schatten ... „Sie hat mir verziehn“.
Die bisherigen Stücke hatten sich mit dem Sesenheimer Abschnitte dieser Goetheschen
Entwicklungsstufe begnügt. Albert Grün schilderte in seinem vieraktigen Jamben-Schauspiele
Friederike (1859) 18 , das der „Priesterin auf der Bühne, Marie Seebach“ gewidmet ist und
nach einer längeren literarhistorischen Einleitung und Begründung des Stoffes in dem Wort:
„Sie litt für ihn, er siegte für uns Alle“ den Sinn der Geschehnisse zusammenfaßt, die ganze
Straßburg-Sesenheimer Zeit Goethes. Salzmann, die Tischgenossen und der Studentenkreis
Goethes greifen ein; das Verkleidungsmotiv ist natürlich auch hier angewendet, Goethes
Interesse für den Umbau des Pfarrhauses von Sesenheim geschickt als dramatisches Motiv
benutzt Das Stück ist reichlich breit
Carl Heckei fällt 1880 in dem „idyllischen Drama 11 Friederike von Sesenheim — „Deutsch¬
lands Frauen und Mädchen gewidmet“ — trotz des Jambengewandes und der drei Akte völlig
wieder in die moralisierende Anekdote zurück, die ziemlich ungelenk und hilflos dem vor¬
gezeichneten Gang der Geschehnisse folgt, ohne den Versuch, dem Wesen der dabei beteiligten
Personen irgendwie nahe zu kommen, wie dies Albert Grün als Erster wenigstens gewollt hat.
In einem Bauernhof bei Straßburg, an einem Sommerabend 1771. ließ Hans Karl Abel
in dem Festspiel zur Einweihung des Goethedenkmals in Straßburg am 1. Mai 1904 die Con-
ceptio divina Goethes, die Erkenntnis seines Dichtertums vor sich gehen, die sich von der
ländlich-neckischen Episode ganz wirkungsvoll abhebt An der Größe von Erwins Münster
richtet er sich auf und der Zug seiner dichterischen Gebilde ruft ihn zur Tat und zu neuen Ufern.
Eine knappe Szenenfolge Robert Walsers, die allerdings Lenz in den Mittelpunkt stellt (1912),
gehört in ihren ersten Teilen in diese Zeit, sie trifft die Sprache des Sturmes und Dranges
sehr gut, und wuchtet die innere Linie dieses Zerrissenen und Gescheiterten prachtvoll heraus.
Auf der Plattform des Münsters kommen Lenz und Goethe zusammen, der bei aller Knapp¬
heit mit geradezu expressionistischen Mitteln aus seinem Wesen und Blute heraus gezeichnet ist.
Ist hier der Geist der Zeit trefflich getroffen, so verfällt Paul Burg in dem „Stück aus
Goethes jungen Tagen“, Sesenheim (1913) *°, wieder völlig ins Anekdotisch-Kleinliche; mit
Briefen und zufälligen Begegnungen arbeitet der bescheidene Einakter, der ganz lyrisch-senti¬
mental verläuft. Wally Belgards Text zu der Oper Friederike v. Sesenheim von Arthur Alt -
mann in Königsberg (Manuskript, 1916) ist mir nur durch eine vom Verfasser übermittelte
Inhaltsangabe bekannt geworden. Das Werk mischt ganz geschickt Wahrheit und Dichtung:
gelegentlich der Hochzeitsreise des Dauphin Ludwig und der Marie Antoinette lernen Goethe
und Lenz Friederike kennen und lieben; beide werden nach Sesenheim eingeladen. Von den
Töchtern des Tanzmeisters Lemaitre aber liebt die hysterische Lucinde Goethe und verflucht
in ihrer Raserei die, welche es wagen würde, nach ihr den Geliebten zu küssen. Ihrer
jüngeren Schwester erzählt Goethe vom werdenden Götz, sie gibt ihm die Anregung zur
Gestalt der Adelheid; Lenz will mit einem Gedichte Friederikens Hand gewinnen, doch Goethe
meint, daß Frauen nur des Wesens Macht bezwinge. In Sesenheim gewinnt Goethe die Liebe
der Pfarrerstochter, Lenz will sich durch die Erzählung von Lucindens Fluch rächen, ohne
daß er verhindern kann, daß der Nebenbuhler ihm die Erkorene nimmt Bei Goethes Doktor¬
schmaus gelangt dann eine Szene aus dem Götz — Adelheid und Franz, dargestellt von
Goethe und der jüngeren Tanzmeisterstochter — zur Aufführung, der Dichter widmet sich
dann fast ausschließlich ihr; Lenz pocht deswegen noch einmal Friederike gegenüber auf Goethes
Untreue, doch sie selbst löst das Verlöbnis, da sie dem Geliebten keine Fessel sein will.
An Lucindens Fluch knüpft auch das bescheiden-harmlose Singspiel Wilhelm Jacobys
Sah ein Knab’ ein Röslein stehn an (1919), das mit Liedern reichlich ausstaffiert im Volks¬
ton ohne Ansprüche zu wecken und zu stellen, die bekannten Ereignisse vom Lieben und
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Merbach: Goethe-Dramen.
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Scheiden des Prinzen aus Genieland und des Pfarrerlrindes behandelt und nur der Vollständig¬
keit wegen genannt sei.
Zeitlich schließt sich hier ungefähr eine einaktige Verskomödie von Louise Colet-Revoil
La jeunesse de Goethe an 91 , die im Pariser Theätre de la Renaissance am 20. Juni 1839 zur
ersten Aufführung kam. Lavater und Schlegel treten darin mit auf. Goethe liebte ein Mädchen
und ward von ihr wiedergeliebt. Charlotte aber verheiratete sich, ihr Mann stirbt und sie
erinnert sich ihres früheren Liebhabers. Goethe ist in Frankfurt in einer Versammlung witziger
Köpfe, als Charlotte, als Schauspielerin verkleidet, ihn aufsucht, um sich von ihm prüfen zu
lassen. Der Liebesdialog zwischen Faust und Gretchen wird von beiden probiert. Goethe
erkennt die frühere Geliebte, Charlotte entflieht Der Freundeskreis übt eine beißende Kritik
an den Frauen im allgemeinen, in die Goethe mit einstimmt, der aber trotzdem in der Wut
beschließt, die erste Frau, die ihm begegnet, zu heiraten, das aber ist Charlotte (1!).
Nicht viel höher als dieses Machwerk, dem ein. pikanter Schuß Frivolität als mit¬
schwingender Unterton beigemischt ist, steht der Dreiakter Charlotte von Emile Souvestre
und Eugene Bourgeois aa , der im Pariser Theätre du Vaudeville am 25. Juli 1846 zur ersten
Aufführung gelangte. Goethe ist hier nur eine fast zufällige Nebenfigur des Vorspieles La
fin d’un roman; das Stück selbst spielt sich zwischen Werther, Albert und Charlotte ab.
Kurd v. Schlözer sah es in Paris und schrieb darüber am 7. August 1846 an seinen Bruder 98 :
Monsier Werther und Madame Charlotte sind wieder aufgestanden und entlocken den Be¬
sucherinnen des Vaudeville allabendlich heiße Tränen. Monsier Goethe erscheint, prachtvoll
gelockt und gepudert, auf der Szene. Er hat ganz zufällig einen neuen Roman fix und fertig
und gibt ihn an Monsier Werther, der ganz entzückt von der Divinationsgabe des Verfasser
ist, denn er kommt durch die Lektüre dieses Romans auf den Gedanken, daß er sich eigent¬
lich zu erschießen habe. Also ein umgekehrter Jerusalem... WertherII endet aber beim
Lampenlichte der Pariser Bühne gar nicht so einfach; die Pistole des Lebensmüden versagt,
worauf er kurz entschlossen Charlotte heiratet. - Der folgende Akt ist noch überraschender,
aus dem „reveur allemand“ wird ein leichtsinniger Franzose. Durch seine Untreue bringt er
Madame zur Verzweiflung, sodaß sie sich zum Schluß vergiftet
Wie stark das Anekdotische in der dramatischen Behandlung der Persönlichkeit Goethes
überwiegt, zeigt die nachfolgende Gruppe zusammengehöriger Stücke, die alle auf eine No¬
velle Levin Schückings Der gefangene Dichter zurückgehen. 94 Die frisch und anschaulich
geschriebene Erzählung berichtet von einem Besuche Goethes 1772 bei Merck in Darmstadt
und den sonderbaren Folgen, die sein Eindringen in den verbotenen Teil des landgräflichen
Parkes hat. Eine Verkleidung — in einen Gärtnerburschen wie bei den Sesenheim-Stücken
— wird auch hier zur Schürzung des Knotens verwendet, beinahe wird Goethe unter die
Rekruten des Landesherrn gesteckt, und als er eine Nacht in Haft zubringen muß, formt
sich ihm, angeregt durch Karoline von Hessen, der erste Keim zum Tasso. Schön im Jahre
der ersten Veröffentlichung dieser Novelle, 1858, hat Franz Evenbach sein zweiaktiges Lust¬
spiel „nach Schücking“ unter Beibehaltung des Originaltitels geschrieben, das am 7. Juli auf
der Münchener Hofbühne mit Josef Julius Straßmann als Goethe zur Darstellung gelangte ;
die Dialogstellen der Vorlage sind hier stellenweise wörtlich übernommen worden. Ein
„heiteres Genrebild in drei Akten“ im 18. Jahrhundert ließ 1862 A. Diezmann folgen (auf¬
geführt am 1. November 1862 im Leipziger Stadttheater); er will „ein treues Bild der genial¬
lustigen Jugendzeit des Dichters“ geben, fügt daher der Novelle manches an kleinen Einzel¬
zügen hinzu, ohne damit die Flüchtigkeit der Zeichnung überwinden zu können. Ohne diese
Zutaten suchte Heinrich Hollpein in dem dreiaktigen Lustspiele Rekrut und Dichter 1867
auszukommen; dieser etwas schwerfälligen Arbeit erwies das Wiener Burgtheater am 4. Januar
1864 die Ehre der Wiedergabe, in der Adolf Sonnenthal — als Goethe — August Förster,
Zerliner Gabilion — als Landgrafenpaar — und Christine Hebbel — als Hofdame — mitwirkten.
Die episodenhafte Kleinigkeit, um die es sich doch hier handelt, wird von Hollpein mit be¬
trächtlicher Umständlichkeit behandelt und der Versuch, Goethes genialen Frohsinn anschau¬
lich zu machen, erstickt in dem Unvermögen, den hierfür charakteristischen Ton zu treffen.
Carl Fiedler (1873), Fritz Folger (1885) und Erich Wulffen (1897) sind dann wieder zur ein¬
aktigen Behandlung zurückgekehrt, wobei Folger sich damit begnügt, die Schückingsche Er¬
zählung unter stärkster und wörtlicher Anlehnung an das Original zu dialogisieren; Carl Fiedler ,
dessen Arbeit im Stuttgarter Hoftheater zur Aufführung kam — der spätere Heldentenor
Stritt gab damals den jungen Goethe! — kommt über beträchtliche Längen und Trivialitäten
nicht hinaus und nur Erich Wulffen, der durch kriminalpsychologische Arbeiten manches auch
zur Klärung und Erklärung literarischer Gestalten und Werke beitrug, vermag in seinem „Tasso
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Original ftom
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Merbach: Goethe-Dramen.
in Darmstadt“ die Vorlage in eigener Weise umzubilden. In anmutig-pointierter Sprache,
die etwas von der tänzelnden Grazie des 18. Jahrhunderts an sich hat, huscht die Szenenreihe
vorüber und eine wirkungsvoll gesteigerte Unterredung zwischem dem Landgrafen und seiner
Tochter Luise, der späteren Gattin Carl Augusts, zeigt die Grundlagen der großen Weimarer
Zeit an: „Meine Streiter . . . werden es sein, aus deren Werken deutscher Sprache, Denkart
und Empfindung die künftige Generation die Begeisterung und Stärke saugen muß, ehe Ihre
Grenadiere der Zukunft, Herr Vater, das große Werk vollbringen können.“
★
An der Spitze der Dramen aus Goethes Weimarer Zeit stelle ich ein zweiaktiges
„Comddie-Vaudeville“ Eugene Scriöe’s, das er unter dem Titel Maitre Jean ou la com^die ä la
cour in Gemeinschaft mit H. Dupin verfaßte und das am 14. Januar 1847 i m Pariser Th^ätre
du Gymnase zur Aufführung kam. 26 Es spielt im Schlosse zu Tiefurt, bringt Jean Wolfgang,
„aubergiste“, des Dichters Großvater, und diesen selbst auf die Bühne sowie Marguerite, ein
Fräulein aus dem Gefolge # der Herzogin von Stadion („sie figuriert als Maitresse des Erbgro߬
herzogs von Weimar oder wird es jeden Moment“.) 26 Mit der Aussicht der baldigen Heirat
Carl Augusts und eines dauernden Verbleibens Goethes an seinem Hofe schließt das mit
etlichen Gesangseinlagen durchsetzte anspruchslose Stück, das eine Kritik im Journal des
D£bats (18. Januar 1847) a ^ s »Machwerk streng verurteilte“.
Auf breiter sachlicher Basis baut der unter dem Pseudonym „von Einem“ schreibende
W. v. Biedermann sein „Schauspiel in fünf Handlungen“ Doctor Goethe in Weimar (1864) auf,
das dort und in Ettersburg Anfang 1776 spielt In redseliger Umständlichkeit wird hier mit
einem Aufgebot von 23 Personen — von hier an kehren der Herzog, Anna Amalia, Luise,
Charlotte von Stein, Louise v. Göchhausen, Wieland fast in allen Stücken wieder — die
Anekdote verwertet, wie die feindliche Hofpartei dem Eindringling Goethe beim Kartenspiel
im Weimarer Schlosse eine Falle stellen will und den Besuch des von dem großen Fried¬
rich von Preußen empfohlenen Gleim gegen ihn ausspielen möchte.
Elise Henle (recte Levi, 1832—92) führt mit ihrem vieraktigen, ehrfurchtsvoll Heinrich
Laube gewidmeten Original-Lustspiel — in Versen — Aus Goethes lustigen Tagen (1878)
in dasselbe Jahr 1776 und bringt einen Maskenscherz Goethes auf die Bühne, der infolge
eii^er Wette mit J. H. Merk — dessen Charakteristik der Verfasserin recht gut gelungen ist —
als Bürgermeister Heinzmann von Weimar auf einer Redoute der Herzogin Amalie unerkannt
erscheint und des ehrsamen Stadtgewaltigen Sohn Georg in dessen Schwester Ernestine ver¬
kleidet, wodurch eine Reihe lustiger Verwechslungen und Irrungen entstehen. Um dem über¬
mütigen Goetheschen Treiben ein ernsteres Gegengewicht zu geben, wird er in kurzer Szene
gezeigt, wie er dem treuen Philipp Seidel ein Stück der Schülerszene diktiert, wobei Elise
Henle sich selbst eine Art „Urfaust“ konstruiert! Im Juni 1920 wurde das Stück unter dem
Titel: Ein Maskenscherz, heiteres Singspiel aus Weimars Blütezeit und in einer Jambenumforinung
R . Wredes mit zahlreichen eingeflochtenen Goetheschen Liedern im Berliner Luisentheater gegeben.
R . Schade und E. Labes haben in einem Doppeldrama Weimar (Sonnenkinder) (aufgeführt
im Bremer Deutschen Theater im Februar 1918) eine halbhistorische Liebesepisode Goethes
aus dem Jahre 1776 und das Alterserlebnis mit der Szymanowska (1827) gestaltet; die Figur
der Jugendliebe Alma kehrt in Goethes Enkelin gleichsam wieder.
Nach einer „Novelle aus der Jugendzeit des klassischen Weimar“ 27 Hohe Freunde von
Robert Heller — und unter gelegentlicher Benutzung von A. Diezmanns oberflächlichem Buche
Goethe und die lustige Zeit in Weimar sind zwei Lustspiele entstanden, die 1778 in Weimar
spielen; das eine (1864) erschien anonym unter dem Titel „Weimar 1778“ 28 , das andere, Der
Wildfang aus Lauterbach (1872) stammt von Emst Siewert, Im Mittelpunkte beider Werke
— das anonym erschienene ist dem andern an Frische und Lebendigkeit des Dialoges und
der Szenenführung wesentlich überlegen — steht eine ergötzliche Verwechslungsszene: des
Freiherrn v. Hartleben Tochter Eleonore hält den scharmierenden Herzog Carl August für den
von ihr und von dem heimlich geliebten Kavallerieleutnant und Vetter L. v. Villwitz glühend
bewunderten und verehrten Goethe. Dieser hat etwas onkelhafte Züge, er beseitigt die leisen
Irrungen, die Herzogin verzeiht dem herumschweifenden Gatten, der brausende Most der ersten
Weimarer Monate beginnt sich zum Weine zu klären. Emst Siewert braucht zur Schürzung
und Entwirrung der „Konflikte“ noch Goethes Widersacher Görz und die Göchhausen.
Zeitlich folgt das dramatische Gedicht von Deinhardstein 29 Fürst und Dichter, das in
Weimar 1779 spielt Zu Deinhardsteins Hans Sachs-Drama hat Goethe bekanntlich den
Prolog geschrieben und die Zeitgenossen sahen das Goethe-Stück als einen — freilich miß-
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Merbach: Goethe-Dramen.
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glückten — Dank dafür an. Es wechselt zwischen Prosa und jambischen Versen; die in der
deutschen dramatischen Literatur des 19. Jahrhunderts immer wiederkehrende Audienzszene
zwischen König Philipp und Posa spielt sich hier zwischen Carl August und Goethe ab. Eine
Prophezeiung auf Weimars Zukunft und Bedeutung nimmt sich in des Herzogs Munde recht
unbeholfen aus und Goethe zitiert als Antwort darauf das bekannte Schillerwort von dem
Sänger und dem König, das Schiller aber erst 22 Jahre später geschrieben hatl Dies Ge¬
spräch wird von einem unbedeuteten Kanzellisten belauscht, daraus entwickelt sich die matte
Intrige des Stückes. Auch hier droht Goethe infolge mancher Mißverständnisse Weimar zu
verlassen, das Distichon „Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine“ wird
gegen ihn beim Herzog ausgespielt, bis sich alles zur Zufriedenheit auf löst, um so mehr als
auch eine Nebenhandlung zu einer glücklichen Heirat führt.
Deinhardstein macht nicht den leisesten Versuch, die Charakteristik Goethes tiefer an¬
zulegen; dasselbe ist auch von Otto Franz Gensichens vieraktigtem Schauspiel Ilm-Athen (1910)
zu sagen 80 , das sich über die Jahre 1782 bis 1788 erstreckt. Die Wandlung Goethes von
Corona Schröter über Charlotte von Stein zu Christiane Vulpius vollzieht sich in jambischen
Versen von alltäglichster Nüchternheit. Alles bleibt an der Oberfläche und nur die Namen
der großen Zeit Weimars sind verwendet.
In den Monaten vor Goethes Italienfahrt spielt das — nur im Manuskript vorliegende —
Schauspiel in fünf Bildern 0 . R. Brades: Charlotte von Stein, das u. a. im Ettersburger Park
die Aufführung der Prosa-Iphigenie mit Corona Schröter bringt, trotz einer nicht unbeträcht¬
lichen Breite in Art und Ton der Charakteristik und Durchführung das Wesen der handelnden
Menschen durchschimmern läßt, aber doch nicht das hier zu fordernde Seelendrama, sondern
nur eine Bilderfolge ist
„In der Nacht vor Goethes Abreise nach Italien“ spielt der Einakter von Carl Arthur
Müller, Goethe-Tasso (1853), der e * n Bekenntnis der Liebe des Dichters zur Herzogin Louise
als treibendes Motiv bringt. „Hier haben sich zwei Seelen aufgefunden, die gleichgewichtig
zu einander streben“ sagt die Herzogin zur Göchhausen. Nach einer Aussprache mit Louise
zieht Goethe von dannen. Die anspruchslose Kleinigkeit ist weit davon entfernt, den Ge*
fühlskomplex, der Goethe einst über die Alpen trieb, irgendwie zu erschöpfen.
In die Italienische Zeit des Dichters führen die „Vier Episoden aus dem Leben eines
Großen“, Goethe in Rom, von Augusto Jandolo 81 (deutsch von Ludwig Pollak, 1914). Die
Liebe zu der schönen Mailänderin Maddalena Ricci vereint die vier Vorgänge: ein Abend bei
dem englischen Kunstfreunde Jenkins, ein Abend im Cafe Greco „am letzten Donnerstag des
Carnevals bei Sonnenuntergang“, eine Sitzung des Dichterklubs Arcadia, der Abschied der
Liebenden im Atelier der Angelica Kauffmann. Etliche Nebenfiguren sind dem Verfasser
ganz gut gelungen; aus der unbedeutenden Liebeständelei aber wird ein aufwühlendes Seelen¬
drama, Maddalena zur mutvoll Entsagenden, Goethe ein im Innersten getroffener Liebhaber.
Wilhelm Walloth hat sein einaktiges Schauspiel Goethes Traum in die Zeit von des
Dichters römischen Aufenthalt verlegt; der Grundgedanke der Dichtung ist die Idee der
ewigen Wiedergeburt: Antinous, der schönste Mensch des klassischen Altertums, hat in Goethe
seine geistige Wiederauferstehung gefunden . . . Arbeiter graben eine antike Statue aus der
Erde; eine Reisegesellschaft kommt hinzu: Goethe, Angelica Kauffmann mit ihrem Gatten,
der der Typus des Philisters ist, und Tischbein. Der Ausgangspunkt der Traumhandlung ist
Goethes Liebe "zu Angelica ... sie sind trunken von Schönheit.. . die ermüdete Gesellschaft
will am Orte der Ausgrabungen übernachten ... im Traume erscheint dem Dichter Hadrians
Gattin, Sabina, d. i. Angelica, Apollo und der Bildhauer der Antinous-Statue, d. i. Tisch¬
bein ... in einem kurzen Wirklichkeitsnachspiel findet Goethe wieder zu sich selbst zurück.
In einem „Spiel in drei Akten aus der Goethezeit“ Christiane haben Lothar Schmidt und
Emil Schaeffer (1914) den Versuch gemacht, die Vorgänge vom Juni 1788 bis zum Februar
des folgenden Jahres anschaulich zu machen, ohne dabei Goethe, mit Ausnahme der Schlu߬
szene, auf die Bühne zu bringen. So bleiben eigentlich nur etliche anekdotische Bildchen
aus Altweimar übrig. Corona Schröter und Charlotte von Stein sagen sich freundliche Bos¬
heiten, Herzog und Herzogin-Mutter sind mit dem Ehepaare Stein im Junozimmer des Goethe¬
hauses zur Begrüßung des aus Italien Heimkehrenden bereit, Wieland, die Göchhausen und
Karoline Herder bei der Stein versammelt, um auf Goethe zu warten, der! den vierten Tasso-
akt lesen soll, sich aber bei Christiane versäumt... eine Theaterprobe von Jery und Bätely
führt ins Wittumpalais und zu einer Unterredung der Herzogin Amalie mit Christiane, der
solange zugesetzt wird, bis sie ihre Mutterschaft gesteht.
Den Zeitraum von 1782 bis 1790 umspannt — wie eine dramatische Biographie —
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Merbach: Goethe-Dramen.
das fünfaktige Drama Friedrich Schiller von Ludwig Eckhardt (1859), das * n seinem letzten
Akte in einem „Saal bei Goethe" dessen Unterredung mit Schiller bringt, nachdem etliche
alberne Verwechslungsszenen — Stadelmann mimt auswärtigen Besuchern gegenüber den
Dichter und Geheimrat — vorausgegangen sind. Nach einer Anweisung des Verfassers soll
am Schlüsse Rietschels Doppelstandbild auf der Bühne in Gegenwart Carl Augusts und et¬
licher Jenenser Studenten erscheinen.
Ein dreiaktiges „Schiller"-Drama von J. N. Fontaine (1853) 8a spielt 1790 in Dresden,
wo bei Madame de Rosendorf, der Mutter der Laura, Iffland, Schiller, Goethe und zwei fran¬
zösische Adlige Zusammentreffen. Die ursprüngliche Abneigung Schillers gegen Goethe
schwindet, die Abreise der beiden nach Weimar bedeutet für Schiller den Beginn eines neuen
Lebens. Goethe ist hier nur eine repräsentative Nebenfigur.
Die einaktige Bluette dramatique Goethe en Italie von der sonst deutschschreibenden
Auguste Cornelius (1867) geht in Venedig Anfang der neunziger Jahre vor sich. Eine Begeg¬
nung mit Baron und Baronin v. Holdheim führt zu etlichen läppischen Verwechslungen mit
einem Cicerone und benutzt Goethes Namen nur als Aushängeschild.
Tiefer dringt in das Wesen Goethes der Einakter Euphrosyne von Otto Franz Gensichen
(1878) 88 , der im August 1792 vor dem Gartenhause spielt. Goethe und Christiane Ncumann
studieren die Geschwister, seine Abreise in die Champagne steht bevor. „Ein Dämon wirrte
meinen Sinn und störte meiner Seele Gleichgewicht... ich darf ihm nahe stehen, zwar näher
kaum, als jene Rosen, deren Duft ihn freut." Heinrich v. Blumenthal gewinnt der jungen
Christiane Neigung; er will der Schauspielkunst sein ganzes Ich weihen. „Dem Gotte, der
mich machtvoll ruft, zu folgen ... nicht nennen kann ich ihn, doch sein Prophet heißt Goethel"
Und Goethe ringt sich in einem Monologe zu sich selbst durch: „Fort Ihr selbstischen Ge¬
danken, an Eurem Werden ward ich selbst ein Anderer“ und währerid der Probe einer Szene
aus Shakespeares König Johann erkennt Euphrosyne: „Da fühlte ich, wie hoch ich ihn be-
wundre, doch daß ich ihn nicht lieben kann und darf."
Der Zufall wollte, daß kurz hintereinander 84 Goethes Mutter und das Frankfurt von
1792 zum Mittelpunkte eines Lustspieles gemacht wurden: 1919 veröffentlichte Martin Freksee
(Hannover) Frau Frohnatur und 1920 schrieb Paul Wertheimer (Wien) Die Frau Rat. Wert¬
heimer kommt ganz ohne den Dichter aus, Frehsee bringt ihn nur in der allerletzten Szene
auf die Bühne, alle Sorgen hebend, die in bewegten Zeiten — Frankfurt ist von den Fran¬
zosen besetzt — Frau Ajas Herz erfüllt haben. Aber in beiden Stücken ist der Dichter all¬
gegenwärtig und beiden Verfassern ist es gelungen, die Wärme und den Humor, die leuch¬
tend-behagliche Liebenswürdigkeit der Frau Rat lebendig werden zu lassen. Während bei
Frehsee nur die Anwesenheit Carl Augusts festere Fäden zu Goethes Gestalt zieht und es
sich sonst mehr um Frankfurter Angelegenheiten handelt (z. B. die Liebesepisode zwischen
dem bekannten Schauspieler Großmann und der Nichte der Frau Rat, Marie Melber), hat
Wertheimer das Weimarer Haus am Frauenplan mit dem im Frankfurter Hirschgraben da¬
durch fester verkettet, daß Goethe Christiane zu seiner Mutter schickt, die sich dort unter
dem Namen Scheiblein einführt. Ein im Hause einquartierter französischer Offizier umwirbt
Christiane. Frau Rat, die plötzlich in ihr die Vulpius erkennt, stellt sie auf harte Probe,
doch dies verzögert nicht das gute Ende. Die Wärme der Frau Rat kommt prächtig zum
Ausdruck, die feingezeichnete Episode mit der alten Rothschild erhöht ihr Charakterbild;
Tasso und Faust spielen mit hinein.
In das gleiche Jahr 1792 führt ein einaktiges „Charakterbild" Reinhold Lenz (1876) von
Arthur Paullöva f das in der Waldeinsamkeit bei Berka des Dichters geistigen wie seelischen
Zusammenbruch schildert, ohne den genialischen Zügen des ewig Zerrissenen irgendwie gerecht
zu werden. Goethe erscheint nur als der „Kammerpräsident am Hofe Carl Augusts".
Ein kleiner Einakter von Ernst Wiehert\ Weimar (1900) spielt in der thüringischen Resi¬
denzstadt Anfang Januar 1800. Im Gasthofe zum Erbprinzen schwatzen etliche Philister und
Künstler am Stammtische. Jenenser Studenten randalieren, ein Fremder hält ihnen eine
nationale Standrede und wird verhöhnt. Goethe kommt hinzu, nimmt den Fremden in Schutz
und stiftet Frieden, indem er selbst etwas von einer höheren nationalen Aufgabe sagt Das
Stückchen ist reichlich unbedeutend und sollte s. Z. — angeblich — dazu dienen, einen das
19. Jahrhundert charakterisierenden Einakterzyklus verschiedener Autoren einzuleiten.
Hilflos-hausbackene Nüchternheit ist das „deutsche Spiel" Kotzebues Rache von Anton
Ohorn (1916), das die Intrigen schildert, mit denen 1802 August v. Kotzebue die Freundschaft
zwischen Schiller und Goethe sprengen wollte. Goethe fungiert hauptsächlich als Heirats¬
vermittler und ist bedenklich sentimental angehaucht.
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Merbach: Goethe-Dramen.
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Das einaktige Genrebild „nach einer Wahren Begebenheit“ Aus Weimars schönen Tagen
oder Bei Schiller und Goethe zu Gaste von Gustav Körner (1892) ist eine läppische Nichtig¬
keit, die sich 1803 auf der Kegelbahn abspielt; das dreiaktige Lustspiel Diogenes auf der
Redoute von Siegfried Mauermann (1914) geht im Februar 1804 vor sich und will den tollen
Übermut einfangen, den Heinrich Voß als Wielandscher Diogenes den Heroen von Weimar
gegenüber — denen sich diesmal Madame de Stael gesellt — auf einer Redoute verübt.
Das ist leidlich gelungen, doch bleibt die literarische Satire etwas dünn.
In dem einaktigen „komischen Genrebild“ Goethe hinter den Kulissen von Theobald
Klarer (1859)das in die Welt einer Wandertruppe führt, ist Goethe nur als stumme
Schlußfigur verwendet.
Die bekannte lustig-traurige Begebenheit der deutschen Theatergeschichte, wie ein vier¬
beiniger Hund über Goethe den Sieg davontrug, ist von Albert Lindner in dem dreiaktigen
„Zeitbild“ Der Hund des Aubry 86 (1869) verwertet worden. Dieses „explosive Ende eines*
längst innerlich unhaltbar gewordenen Zustandes“ konnte in der Hand eines großen Ironikers
zu einem Abbild des Theater-Mikrokosmos werden: Lindner, dessen Kraft damals schon im
Erlahmen war, hielt sich nur an die tatsächlichen Ereignisse. Caroline Jagemann, die in Ver¬
bindung mit dem von Goethe zurückgewiesenen Journalisten Cohn steht, „will selbst Haupt des
Theaters sein“: „Es ist das einzige Mittel, mir die Macht über Carl August zu sichern“. Der zweite
Akt spielt auf der Weimarer Bühne während einer Tellprobe. Die Botschaft von der Ankunft des
Hundes trifft ein. Goethe schließt die Szene: „Man kann mir das Theater entreißen, aber man
kann es nicht unter meinen Händen beschimpfen“. Der Dreiakter liegt in zwei Fassungen —
mit und ohne Carl August — vor; es ist mehr eine Skizze als ein ausgetragenes Werk.
Das reifste aller der hierher gehörigen Stücke, das einzige, von dem man mit Recht sagen
kann, daß es seinem erhabenen Gegenstand genügt, ist das vieraktige Schauspiel Ernst
Lissauers Eckermann 87 (1920, noch Manuskript). Wie ein Kleiner an einem Größten ver¬
brennt und wie dies Verbrennen sein Glück und Beruf, Inhalt und Wert wird, das ist hier
mit künstlerischer Eindringlichkeit gestaltet. Eckermanns Braut Marianne Gärtner kommt zu
ihm nach Weimar, auf daß er zwischen ihr und Goethe wähle; ein Posten in Hannover winkt,
aber Eckermann „lebt in einem beständigen Fest; um Goethe sein, ist wie ein tätiger Sonntag...
ich kenne kein größeres Glück, als um ihn sein und seine Herrlichkeit zu verkünden... mein
Warten wird mit gemauert... ist winziger Dienst. am großen Gebirg... es gibt ein Etwas,
das ist über dem Selbst“. In Goethes Bannkreis tritt Marianne und seine wuchtende Ab¬
geklärtheit formt sie um:... „nun wird unsere Liebe eingemauert ins große Gebirg... trennend
hat er uns getraut...“ Hier ist wirklich einmal erreicht, daß Goethe in Rede und Wirkung
so geschildert ist, wie er war, sein Tun und Wesen wird anschaulich: der Greis am Abend
seines Lebens (das Stück spielt nach Augusts Tode). Unter den Goethedramen ist so wenigstens
einmal ein Kunstwerk zustande gekommen.
★
An die dramatischen Dichtungen, die Goethes Leben in einzelnen Bildern verwerten,
reihen wir die dem Dichter geltenden freundlichen und feindlichen Äußerungen, die sich der
dramatischen Form bedienten und seine Gestalt auftreten ließen.
Nur verhüllt erschien diese in Heinrich Leopold Wagner , Prometheus, Deukalion und
seine Rezensenten (1775), in taktloser Nachahmung eigner ähnlicher Scherze Goethes. Zur
Zielscheibe wurde er in August v. Kotzebues Expectorationen, ein Kunstwerk und zugleich
ein Vorspiel zum Alarcos (1803). 88 Hier treten auf: Goethe der Große, Falck der Kleine,
A. W. Schlegel der Wütende, Fr. Schlegel der Rasende, mehrere stumme, gekochte und ge¬
bratene Personen. Die bekannte, teilweise unflätige Schmähschrift malt ihn als Literatur¬
papst, dem kein Mittel zu schlecht sei, aufstrebende Talente zu unterdrücken, und der die
schweifwedlerischen Lobhudeleien seiner Kreaturen als tägliches Brot genießt.
Im Gegensatz hierzu stellt die Szenenfolge Der deutsche Parnaß von „Dichterrecht
Ehrendeutsch“, d. i. Adolph Wilhelm Schneider , im Jahre 1820 Goethe verehrungsvoll in den
Mittelpunkt. Die seltene Literaturkomödie — „Ad imitandam dictionem Aristophanis“ steht
auf dem Titelblatt — verdient sorgsame Beachtung.
Nach Goethes Tode tauchen etliche „Totengespräche“ auf 89 ; hierhin gehört das Opus
einen Anonymus ... S (1833): Dramatisches Gespräch im Reiche der Todten zwischen Schiller,
Wieland, Kotzebue und Goethe. Goethe erscheint erst in der vierten Abteilung und zieht in
langem Monologe, der durch reichlich holprige und ungeschickte Verse charakterisiert ist,
gleichsam die Summe seines Erdendaseins, verweilt dann ausführlicher bei der französischen
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Merbach: Goethe-Dramen.
Revolution, den Wandlungen Napoleons und des neuen Königtums und kommt in hausbacken¬
philiströser Art zu dem Schluß:
Von Allem, was auf Erden ich erlebte,
Bleibt mir das längst bekannte Resultat,
Daß Alles dort vergänglich ist und eitel,
Und daß allein nur frohe Augenblicke
Des Lebens viele Plagen uns versüßen.
Doch diese Augenblicke zu benützen,
Das verstehen nur wenig Sterbliche.
Nicht gänzlich fremd war ich in dieser Kunst;
Darum versöhnte ich mich mit dem Leben
Und endete dasselbe ohne Klagen.
Schiller, Wieland, Iffland und Kotzebue erscheinen, um Goethe bei seiner Ankunft in den
seligen Gefilden zu begrüßen: „Besonders glücklich werden wir uns schätzen, wenn Niemand
uns zuvorgekommen ist“. Schiller bemerkt dann:
Bei seiner Ankunft im Elysium
Hat uns Freund Kotzebue das Wichtigste
Von dem, was sich bis dahin auf der Erde
Ereignet hatte, mitgeteilt. Doch soll
Seit jener Zeit bis jetzt sich ferner noch
Ganz unerhörtes zugetragen haben.
Wir bitten Dich daher, Freund Goethe, gieb
Uns Nachricht jetzt von diesen großen Dingen,
Denn Antheil nehmen wir noch an der Welt.
Goethe berichtet trocken von dem Befreiungskämpfe der Hellenen, von Geschehnissen
in Frankreich und Deutschland, vom „Bruderzwist um den Besitz des schönen Portugals“,
von der Cholera und bittet die Freunde schließlich: „Verschont nun möglichst mich mit
Politik“. Des Weiteren läßt sich dann Goethe der Aufforderung Wielands und Iftlands ent¬
sprechend über die literarischen Zustände Deutschlands aus, wo nicht ohne Satire bemerkt
wird: „Wir dürfen... wohl sagen, daß der deutschen Dichtkunst Ära mit uns geschlossen
ist.“ „Novellen machen noch ihr Glück... Journale... erscheinen jetzt im Überfluß; doch
sterben so manche gleich nach der Geburt. .. Sie sind der Born, woraus man Weisheit und
Vergnügen schöpft.“ Diese Journale werden scharf hergenommen, Angelica Catalani und
Henriette Sontag von Goethe erwähnt, „Paganini hat alle (d. h. Musiker von Kreutzer bis
Spohr) durch seine Zaubereien auf der Geige in schmähliche Vergessenheit gebracht“, und
schließlich wird vom Theater gesagt, es mangelte „die gute, alte Schule, der Künstler wurde
nicht durch Dichter eingeladen, in seiner Kunst das Höchste zu erstreben.“ „Nur Fremdes
macht noch auf der Bühne Glück... von Allem, was im Himmel und auf Erden... jemals
sich ereignet hat, holt man den Stoff herbei“. Goethes Gefährten beklagen einstimmig diese
Zustände und Goethe schließt mit den Worten: „Laßt also uns den Göttern danken, daß sie
uns jener Welt entnommen haben“ und befürwortet die Gründung eines engen Freundschafts¬
bundes. Poetisch ist dieses Opus wertlos; die satirisch gemeinten Stellen sind ohne Schlag¬
kraft und Witz, langatmig und ungeschickt.
Im gleichen Jahr 1833 erschien ein „dramatischer Dialog“ Goethe und Satan von Leopold 0 . 40 ,
der in Knittelversen eine philosophisch-poetische Auseinandersetzung bietet und schwäch¬
lich die Schülerszene des Faust nachahmt Die anonyme Neue romantische 'Hundekomödie
aus dem Jahre 1836 beschäftigt sich im Anschluß an zwei Aufsätze aus dem Stuttgarter
Morgenblatt mit den Angriffen Menzels gegen Goethe; Menzel erscheint als kläffender Hund
und Goethe würdigt ihn im Elysium etlicher abweisender Antworten auf seine Anwürfe.
Ein sonderbares Opus ist das umfangreiche „dramatische Gedicht in drei Abteilungen“
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer von Jens Beggesen (1764—1826) 41 , das eine
Abrechnung mit der nordischen Romantik darstellt und wo Goethe als Martin Opitz eine
kurze, an sich unbedeutende Rolle spielt.
In Leonhart Wohlmuts „Festspiel zur Feier von Goethes hundertjährigem Geburtstage“
Goethe in Walhalla (1849) vereinigten sich in Hermanns Hain in Walhalla um die Priesterin
Velleda Hermann, Barbarossa, Luther, Friedrich der Große, Schiller, Goethe und die Helden
der Walhalla. -
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Merbach: Goethe-Dramen.
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„Eine materialistisch-poetische Gehirnsecretion“ Goethe im Fegefeuer von Dr. Mantis
(1856) stellt eine Satire auf die konsequenten Materialisten dar (Moleküleschott und Hahne-
büchner treten auf), die alle höhere Religiosität usw. aus der Welt verdrängen wollen und
den von ihnen mißverstandenen Goethe dabei als Eideshelfer benutzen möchten.
Das Vorspiel zu Arnold Ruges Trauerspiel Die neue Welt, Goethes Ankunft in Walhalla
(1856) 42 , ist ein wunderliches Produkt. Iphigenes, der Hüter von Walhalla, zeigt in tragischen
Trimetern den Geistern der deutschen Heroen an, daß Goethe erscheinen werde, um den
Thron unter ihnen einzunehmen. Schiller und Hegel fügen sich darein, Joseph Görres agitiert
sogar für eine Empfangsfeierlichkeit, nur Schelling zieht mißmutig den Überrock an und
empfiehlt sich mit den Worten: I geh nach Karlschbad; grüsch euch Gott. Riemer und Reimer
kommen von Weimar als Goethes Vorläufer. Als dieser endlich erscheint, schüttelt ihm
Hegel die Hand mit den Worten: Willkommen, Alter; Schiller spricht: Seien Sie herzlich
mir gegrüßt. Goethe setzt sich zurecht, wie sein Herrgott im Faust; vor ihn tritt Heinrich
Mephison (Heine?), von vielem Gesindel begleitet. Dieses sucht in Goethe den Vertreter
des genialen Egoismus und glaubt wahrscheinlich, nun gehe auch im Himmel der Karneval
der freien Liebe los. Aber Goethe erhebt sich mit Donner und Blitz, und auf Platens Rat
wird Mephison samt Gesindel von Iphigenes vor die Tür geworfen.
„Elysische Scenen“ Satyros (Satyros als Prolog: Gestern und Heute), die anonym 1860
erschienen, stellen mehr eine Verherrlichung Schillers an seinem 100. Geburtstage dar, Goethe
ist nur eine uncharakteristische Dialogfigur; ein sonderbares Erzeugnis ist auch A New Pan¬
tomime von E. V. Kenealy (1829—80) aus dem Jahre 1863, die Tod, Höllen- und Himmel¬
fahrt Goethes zum Gegenstände hat... er ist als herzloser Verführer geschildert und wird
vom Teufel geholt, Gretchens Liebe erschließt ihm aber doch noch den Himmel. Im Jahre
1870 erschien in „Berlin, Wien und Königsberg“ eine gegen Zustände an den Berliner Hof¬
theatern gerichtete Satire: Der Hülsen-Baum an der deutschen Dramenenge des Dichtungs¬
todes; Große heroische Zukunftsoper von Gabriel Mephisto (d. i. Dr. Henriko Starke, ein damals
in Königsberg bekannter und wirkender Kritiker), Musik von Walga Waglawai; diesem geht
vor: Die Unsterblichen, ein Prolog in einem halben Akt. Hier tritt neben Schiller, Lessing
und Shakespeare auch Goethe auf, „in der Gegend von Weimar“; die Dichter ergehen sich
in Klagen, wie ihre Werke auf Erden und auf den deutschen Bühnen behandelt werden. Den
Schluß mögen zwei neuere Ironisierungen der Goethe-Philologie machen: % Wügands „Himmels¬
komödie in zwei Vorgängen“ Das Goethefest (1900), wo der Goetheforscher seinem erha¬
benen Gegenstände in ähnlicher Weise — hier nur im Gefilde der Seligen — begegnet,
wie in der ulkigen Kabarettszene Goethe von Friedeil-Polgar, wo der Olympier höchstselbst
aus dem Jenseits wiederkehrt, um einem Philologen im Examen beizustehen... er fallt aber
durch, da er nicht alle Daten seines Lebens kennt! Wiegands schöne Verse Gottvaters an
Goethe mögen das Ende dieser Ausführungen bilden:
Doch wart * nur , sie werden Dich doch erkennen
Und Dich mit rechtem Namen nennen ,
Als den , der ihnen die Pfade wies
Zu der Menschheit herrlichstem Paradies :
Wo Schönheit und Liehe und rechtes Entfalten
Zu seligstem Bund sich umschlungen halten.
*
All die hier geschilderten Versuche, Goethe im Drama zu gestalten, und ihm nach
irgend einer Seite hin gerecht zu werden, haben keine vollwertige Dichtung gezeitigt; auf
der Bühne hat keines der Stücke — mit Ausnahme des Gutzkowschen Königsleutnants —
festen Fuß gefaßt. Sie sind ein Nebenbeitrag zu dem großen Gegenstand der deutschen
Geistesgeschichte „Goethe im Urteile der Mit- und Nachwelt“, der seine Ergänzung in der
auch einmal notwendigen Betrachtung Goethe im Liede finden müßte. Manche Formen des
literarischen Geschmacks und der dichterischen Gestaltung finden wohl im Laufe des 19. Jahr¬
hunderts in dieser Dramenreihe ihren Niederschlag; auf literarische Streitigkeiten in drama¬
tischer Form folgt die Vorliebe für die sentimentale Idylle in den Friederikenstücken; dann als
Seitenkanal naturalistischer Strömungen die Kleinmalerei. Erst die erneute Verinnerlichung
der Weltanschauung und damit der Dichtkunst vermag vielleicht in unserer Gegenwart ein
Goethe-Drama hervorzubringen, das hinter seinem hohen Vorwurf nicht allzuweit zurückbleibt.
★
XIII, 12
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92
Merbach: Goethe-Dramen.
Anmerkungen:
1 Als bibliographische Zusammenstellungen, die dieser Arbeit zur Quelle dienen konnten, nenne ich: J. Kehrei n,
Deutsche Geschichte aus dem Munde deutscher Dramatiker, 1872, S. 187/8 (wiederholt fast nur die Angaben der
schier unerschöpflichen stoffgeschichtlichen Fundgrube, die H. Kurz’ Geschichte der deutschen Literatur — es kommt
hier der vierte Band in Betracht — darstellt); Goedekes Grundriß, Bd. 4, 2, 1910, S. 267/73, wo aber in den
153 Nummern des Abschnittes Dichtungen über Goethe fast nur Lyrik angeführt ist; Antiquariatskatalog von Jos.
Baer-Frankfurt a. M., 1912 (Deutsche Literatur, Sammlung Kurl Wolff), S. 89/93 (N r - 562/93); Katalog der Samm¬
lung Kippenberg, Leipzig, 1913, S. 87/9 (Nr. 1125/55). Die Rostocker Dissertation von W. Dähne: Schiller im
Drama und Festspiel, 1909, 99 S., bot ebenso wie die Studie von Fr. Hirth: Schiller im Roman und Drama (Zeitschr.
f. Lit usw., Beilage des Hamourger Korrespondenten, 1913, Nr. 10) manche Hinweise, wozu noch Ausführungen in
den Blättern für literarische Unterhaltung, 1854, 2, S. 760/1 über Schiller als französische Dramenfigur gehören. Die
Arbeit von O. Kanehl über den jungen Goethe im Urteil des jungen Deutschlands, die eine sehr beachtenswerte Vor¬
studie zu dem noch zu schreibenden Buche über Goethe im Urteile seiner Zeit und Nachwelt bietet, enthält für
Goethe als dramatis persona nichts; die Ausführungen Jahreszeiten 1850, 1, 1850, S. 247 sind wertlos, desgleichen
die Zusammenstellung in der Dissertation von W. Wilmsmeier: Camoens in der deutschen Dichtung, Münster 1913.
Von den mir bekannt gewordenen Stücken — L. Geiger hat mit 36 Goethedramen (Der Tag, Berlin, 1917,
Nr. 51) die Zahl der hierher gehörigen Werke wesentlich zu niedrig angesetzt — waren folgende mir nicht erreichbar:
a) Ed. Boas, Am Musenhof zu Weimar, Lustspiel in 4 Akten (Jahreszeiten, Hamburg, 1851, 2, Sp. 1332).
b) Karl Sondershausen, Ilm-Athen, ein Tag in Alt-Weimars Park, Drama (Allgemeine Theaterchronik, 1870, S. 103).
c) Jul. W. Braun, Der Hofriemermeister, Schwank in 1 Akt, 1874 (nach freundlicher Mitteilung von Herrn Dr. H.
Stümcke-Berlin, der mir für diese Arbeit manchen wertvollen Hinweis vermittelt hat).
d) Hromata Josef Dietl: Die Lustigen von Weimar, Drain. Ged., 1905 (Aug. Ludwig: Goethes Lieder, ein Stimmungs¬
bild in 1 Akt, 1905).
e) Hans v. Bieberstein: Der Herr Geheimrat (aufgeführt Karlsbad, 5. März 1911); bei Hinrichs 1912, 1, S. 64 als
Erzählung zitiert.
f) L. H. Langaardt: Auf Goethes Spuren (aufgeführt Sommertheater Marbach, 9. 7. 1912).
g) „1813“, ein Jahrhundertfestspiel in 15(1) Teilen, aufgefUhrt im Sommer 1913 im Naturtheater Park Meusdorf bei
Leipzig (nach einer Annonce in der B[erliner] Z[eit] am Mittag, 31. Mai 1913, wo das vollständige Personenver-
zeichnis abgedruckt ist). Nicht erreichbar waren auch (Katal. Kippenberg, Nr. 1153, 1155): U. v. Levetzow und
der 70jährige G., eine Weimarer Szene mit Tanz. Ged. und aufgef. von Marg. und Alf. Heymel anläßlich der
Hochzeit von Rieh. v. Kühlmann und Frl. Marg. v. Stumm 1906. — Jul. Haarhaus: Eine Abendgesellschaft bei
der Herzogin Anna Amalie. Dram. Szene mit musikalischen und deklamatorischen Vorträgen, 1916. — In dem
Schauspiel von W. Dominius, Alt-Weimar, das 1806 spielt, tritt Goethe nicht auf.
2 Allgemeine Theaterchronik 1849, Nr. 104, S. 413/4.
3 Jul. Kühn: Der junge Goethe im Spiegel der Dichtung seiner Zeit (Beiträge zur neueren Lit.-Gesch., N. F.,
Heft 1), 1912, S. 109. — Kühn folgt mit Recht, da er ja nur einen Ausschnitt geben will, der Chronologie der von
ihm behandelten Stücke, während ich eine Chronologie Goethes — sit venia verbot — geben will.
4 Der „Familienroman aus dem vorigen Jahrhundert“ von Otto Müller: Der Stadtschultheiß von Frankfurt
(Stuttgart, 1859; 258 Seiten) reicht vom Spätsommer 1744 bis in die Mittagsstunden des 28. August 1749 und schließt
— wie mit einem Fanfarenton — mit dem Rufe: „Er lebtl“ Die Stadtschultheißin Textor aber stürzte durch’s Kabinet
nach der hinteren Stube und jubelte, daß man’s durch das ganze Haus hören konnte: Räthin, er lebtl“ (Ursprünglich
erschien der Roman unter dem Titel Kaiser und Stadtschultheiß, eine Frankfurter Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert,
im Frankfurter Museum, 1855, Nr. 1/13, 1856, Nr. 1/10). Den gleichen Stoff behandelt ein anonymes „Charakter-und
Sittengemälde aus der Zeit kurz vor Goethes Geburt“ Vor hundert Jahren in der Didaskalia (Frankfurt a. M.), 1849,
Nr. 195/228. Zu den Zusammenstellungen, die M. Ostrop und A. Ludwig im Literarischen Echo, 1918, Sp. 1128/9, 1451
über Goethe im Roman gegeben haben, möchte ich in diesem Zusammenhänge etliche Ergänzungen mitteilen:
a) Dietrich: Göthe oder Prinz Lieschen der Zweite; Merkur (Dresden), 1829, Nr. 74/9 (Wolfgang G., ein vaga¬
bundierender ehemaliger Landgeistlicher aus Hinterporomern, gibt sich gelegentlich als der wirkliche G. aus).
b) Lud. Köhler: Goethe oder Der deutsche Dichter in Rom; Abendzeitung (Dresden), 1841, Nr. 93/8.
c) K. Sondershausen: Ein Blatt aus Goethes Lorbeer, Wahrheit und Dichtung; Frankfurter Konversationsblatt 1842,
Nr. 275/7.
d) „Goethes Studentenjahre heißt ein als demnächst erscheinend angekündigter Roman bei dem Verleger Franz Peter
in Leipzig“ (Das Vaterland [Darmstadt], 9. September 1843). Gläser: Goethes Studienjahre, Novellistische Schil¬
derungen aus dem Leben des Dichters 1846.
e) Alexander Lacy: Santa Casa (d. i. das Goethehaus in Frankfurt a. M.); eine Episode aus Goethes Jugendzeit,
Teil 1, 268 S.; Teil 2, 188 S.; 1853.
f) „Ida v. Düringsfeld macht Goethe zum Helden eines Romans“ (der Nordöstliche Erzähler, Hamburg, 1856, S. 400).
g) H. Rau: A. v. Humboldt, Roman, 1860 (darin G. als handelnde Person).
ga) Ferdinand Schräder: Der Musensohn aus Frankfurt; Erzählung; in: Leipziger Journal 1861, Nr. 165/247.
h) H. Marggraff: Eine Wette Goethes; humoristisches Genrebild aus Goethes Leben; in: Volkskalender für 1863
(herausgegeben von Karl Steffens) S. 90/116 (vgl. unten unter k).
i) Louise Mühlbach: Deutschland in Sturm und Drang. Historischer Roman. Zweite Abteilung: Fürsten und
Dichter. Jena 1867; Band 1—4; 239, 271, 271, 292 Seiten. (1. Buch: Die neue Zeit — 2. Buch: Der neue Preußen¬
könig— 3. Buch: Dichterherzen — 4. Buch: Herz und Welt.) (Die Anordnung des Stoffes bringt es mit sich, daß
Goethe hier nur episodisch auftritt; die italienische Reise und die Begegnung mit Schiller werden etwas ausführlicher
behandelt Die anschauliche Schreibweise der Verfasserin, die sich manchmal zu temperamentvollem Vortrage erhebt,
trägt mit dazu bei, auch die Charakteristik Goethes recht lebendig zu gestalten.)
k) Eine Wette Goethes; Novelle (Hamburger Theaterchronik, 29. Juni bis 3. August 1867).
l ) Karl Neumann-Strela: Euphrosyne; Theaterroman (Leipziger Novellenzeitung 1867, S. 465/679 passim).
m) idem: Madame Schlanzowsky und die Kirchkernpromenade, in: Mit dem Zopf, 1868, S. 71/100 (behandelt Goethes
Theaterleitung in Weimar nach dem Tode der „Euphrosyne“).
n) M. Ring: Schillers Liebe und Freundschaft, Novelle (Der Bazar, 1871, Nr. 12/8).
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Merbach: Goethe-Dramen.
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o) H. E. R. Belani: Goethe und sein Liebesieben. Historischer Novellenkreis. Leipzig, 1866; Verlag von C. F. Schmidt.
(Aus dem Vorwort: Alles was wir seither an Mitteilungen über Goethes reiches Liebesieben besitzen, ist nichts als
Material zu einer umfassenden novellistischen Darstellung desselben ... diese Novellen sind nicht blofi eine Kompi-
lation von Goethes Selbstbekenntnissen, sondern auch eine Umdichtung derselben in eine andere, ebenso sehr den
Geist anziehenhe wie die Unterhaltung fesselnde Kunstform.) /. Teil; 284 Seiten: Goethe als Knabe und sein
erstes Liebenwehen; Genrebild und Novelette. Gretchen aus Frankfurt; Novelle. Anette (Kätchen) aus Leipzig;
Novelle. Friederike Oeser aus Leipzig; Novelle. Charitas Meixner in Worms; Novelette. Emilie und Lucinde in
Strafiburg; Novelle. II. Teil; 278 Seiten: Friederike Brion aus Sesenheim; Idylle. Charlotte Buff; Erzählung.
Lili; Novelle. III. Teil; 300 Seiten: Charlotte von Stein; Erzählung. Emma Lyonna und die schöne Mailänderin;
Bilder aus dem Süden. Christiane Vulpius; ein Lebensbild. Minna Herzlieb; Novelle. Bettina; ein Capriccio.
Die zwei letzten: Ulrike von Levezow und Marie Sczymanowska.
p) Robert Springer: Anna Amalia von Weimar und ihre poetische Tafelrunde. Romantisches Zeitbild. Berlin, 1875;
Band 1 und 2, 272 und 261 Seiten. „Nirgends finden wir ein helles, ähnliches biographisches Bild von der Herzogin
Amalia und selbst die Romandichtung hat sich bisher noch nicht zur Aufgabe gemacht, die hehre Gestalt dieser Fürstin,
umgeben von ihren poetischen Paladinen, in den Vordergrund eines anmutigen Bildes zu stellen; diesen Zweck hat
der Verfasser dieses Buches zu erreichen beabsichtigt. Bei der Reichhaltigkeit an Handlung . . . bedurfte es nur . . .
einer romantischen Anordnung des Stoffes und der Lokalbezüge, um ein Werk zu schaffen, welches sich zwar auf
kulturhistorische Studien stützt, aber in einer dem Roman verwandten Form ein Bild gibt, worin Anna Amalia
zum ersten Male als seelenvolle Leiterin ihrer genialen Tafelrunde erscheint und zugleich das Treiben der groß-
sinnigen Menschen, welche mit ihrem Dasein verknüpft waren, in treuer Charakteristik vorgestellt werden sollte.“
Auch dieses Buch erhebt sich nicht zu irgendwelcher eindringenderen Zeichnung der handelnden Menschen und
Goethe bleibt mit allem Reichtume seiner äufieren Geschehnisse doch nur ein wesenloser Schemen, dem etliche
Zitate in den Mund gelegt sind und dem eine Reihe bekannter Erlebnisse gleichsam angedichtet werden.
q) Karl Neumann-Strela: Die Weihnachtsglocken; in: Theaternovellen, 1882, S. 56/67. — Rob. Brandt: Mehr Licht,
Bilder aus Goethes Leben, im Dresdener Anzeiger 1899, Nr. 236/8. — A. v. d. Elbe (Decken): Brausejahre; Bilder
aus Weimars Blütezeit; 1908.
r) Ed. Korrodi: Der kleine Goethe, Novelle; in: Der Aar, 1913, S. 625/34.
s) K. A. Schmidt: Goethe-Novelle; in: Der Zeitgeist (Beilage zum Berliner Tageblatt), 1914, Nr. 32.
t) H. Böhlau: Der gewürzige Hund, Roman, 1916 (darin Goethe als handelnde Person).
u) H. Schönfeld: Christiane; Novelle; in: Der Weltspiegel (Beilage zum Berliner Tageblatt), 1920, Nr. 26.
5 Peter Müller hat in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Königsleutnants (Gutzkows Werke, Bd. 1, Leipzig,
Bibliographisches Institut, o. J., S. 279/80) diese Umformungen und Verknüpfungen gut zusammcngestellt.
6 Vorwort Gutzkows zum Königsleutnant; ibidem.
7 Allgemeine Theaterchronik 1849, S. 434. Als Kuriosum möchte ich aus Saphirs Humorist 1849, Nr. 198 ein
„Festprogramm zum Goethefest“ mitteilen, wo in Frankfurt a. M. die Iphigenie in folgender Besetzung gespielt werden sollte:
Iphigenie: Die deutsche Einheit
Thoas: Der alte Bundestag
Orest: Ein „ 0 “Rest von einem freisinnigen König
Pylades: Herr v. Gagern und Busenfreund von Orest
Areas: Der Frankfurter Senat, Diener des Thoas
8 S. 520; ibidem S. 384 war bereits angekündigt worden: Goethes Jugend, Erster Teil: Der Königsleutnant;
ein Manuskriptdruck des Stückes in der Frankfurter Schauspielhausbibliothek trägt nach P. Müller a. a. O. S. 409 und
411 den gleichen Vermerk von Gutzkows Hand.
9 Vgl. darüber Fr. Hirth, J. P. Lyser, 1911, S. 408/9; dazu an zeitgenössischen Stimmen aus dem Jahre 1845:
Allgemeine Theaterchronik, S. 56; Das Vaterland (Darmstadt), S. 324; Charivari (Leipzig), S. 1982; Gesellschafter
(Berlin), S. 896. — Nach Der Komet, 1845, Nr. 62 soll das „Zeitgemälde“ Lysers — der als Verfasser allenthalben
unbekannt blieb — auch in Buchform erschienen sein.
10 Das Stück wurde in einer öffentlichen Vorstellung der Kasseler Ortsgruppe des Schillerbundes am 7. Sep¬
tember 1911 gespielt.
11 Allgemeine Theaterchronik 1855, S. 83 — Herr Prof. Dr. M. Herrmann-Berlin machte mir den Bühnen¬
manuskriptdruck des Stückes aus der Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke freundlichst zugänglich.
12 aus Deutsches Frauenlebcn, Dramatische Kulturbilder, II, S. 33/66.
13 Vgl. Anmerkung 3. J. Kühn behandelt a. a. O. folgende hierher gehörige Werke:
I. Der vorweimarische Goethe 1771/75.
1. J. M. R. Lenz: Zum Weinen oder Weil ihrs so haben wollt, ein Trauerspiel. (Fragment; nach
Kühn’s Feststellungen entstanden 1771).
2. Fr. M. Klinger: Das leidende Weib (entstanden 1774/5).
3. H. J. Wagner: Prometheus, Deukalion und seine Recensenten (entstanden 1775).
4. J. J. Hetlinger: Menschen, Thiere und Goethe, eine Farce (entstanden 1775).
5. J. M. R. Lenz: Pandaemonium germanicum (enstanden 1775).
6. Siegfried v. Goue: Masuren oder der junge Werther. Ein Trauerspiel aus dem Illyrischen. Frankfurt
und Leipzig 1775.
II. Der weimarische Goethe 1776.
7. Wieland: An Psyche (Gedicht).
8. Fr. H. v. Einsiedel: Schreiben eines Politikers an die gelehrte Gesellschaft.
9. Charlotte von Stein: Rino, eine Schauspiel in drei Abteilungen.
10. J. M. R. Lenz: Henriette von Waldeck; „Scene“.
11. J. M. R. Lenz: Tantalus; ein Dramolett, auf dem Olymp.
12. J. M. R. Lenz: Der Waldbruder (Roman).
13. F. H. Jacobi: Eduard Allwills Papiere (Briefroman).
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Merbach: Goethe-Dramen.
Im Anschluß an diese Aufstellung nenne ich noch eine aus dem Jahre 1775 stammende Kleinigkeit von Christian
Gotthold Contius: „Wieland und seine Abonnenten. Ein musikalisches Drama halb in Reimverslein, halb in un¬
gebundener Rede gestellt“. Im Verzeichnis der „redenden Personen“ heißt es nur: „Herr Göthe bedankt sich blos
bei Herrn Jakobi und geht alsdann wieder foit“; auf Seite 20 lauten die betreffenden Worte: „Zu viel Ehre, Herr
Kanonikus, bin’s nicht im Stande, es wieder zu verschulden“.
14 Die stofflich hierher gehörige Oper von Franz Dubitzky (Text von Kothe): Friederike von Sesenheim ist
mir leider nicht zugänglich gewesen. Von den epischen Behandlungen des Stoffes nenne ich zunächst das in Hexa¬
metern abgefaßte Gedicht Ad. Böttgers: Goethes Jugendliebe, 1862; Die „Dichtung“ von Moritz Horn: Goethe in
Straßburg und Sesenheim (Kassel, 1875; 120 Seiten) umfaßt in äußerlich wie innerlich gleich starker Anlehnung an
Hermann und Dorothea die ganze Straßburger Zeit Goethes in folgenden Abschnitten: Die Ankunft — die Tisch¬
gesellschaft — Goethe in Gesellschaft — Lucinde — Herder und Goethe — Friederike; in Wortwahl, Aufbau und
Stimmung ist das anspruchslose Werkchen eine fast sklavisch anmutende Nachahmung des genannten Vorbildes.
Einen „Liebessang vom Rhein“ nennt G. A. Müller-Sesenheim sein episches Gedicht: Die Nachtigall von Sesen¬
heim; Goethes Frühlingstraum, dessen Vorspruch aus dem Frühling 1894 datiert und das „in treuer Verehrung“
„Goethes letzter Liebe“ Ulrike v. Levetzow gewidmet ist. In reimlosen Vierfüßlern wird in folgenden Abschnitten
die Geschichte frisch und anschaulich — und mit guten Bildern der in Frage kommenden Sesenheimer Goethe-Stätten
geschmückt — erzählt: Ein guter Jahrgang — Beim Welschkornbasten — Ein Herbstesritt — Die Begrüßung — Erster
Blick und erstes Plaudern — Friederikens Lieder 1 . — Neuer Tag und neue Dinge — Des Eisenmännleins Mahnbrief
und der Ritter Abschied — Goethes Lieder — Ein Befreiungsfest — Wiedersehen — Im Nachtigallenwäldel — Im
Pfarrstuhl — Friederikens Lieder II. — Das Frühlingsfest — In den Fischerhütten — Des Glückes Wendung — Das
End’ vom Lied. — O. Fr. Gensichen: Das Haideröslein von Sesenheim, Berlin, 1896, 318 S. ist eine Biographie der
Fr. Br., die populäre Darstellung mit wissenschaftlicher Genauigkeit der Angaben glücklich verbindet.
15 Das Stückchen erlebte nach den zeitgenössischen Quellen (Der Sammler, Wien, 1845, S. 803; Berliner
Figaro, 14. Januar 1846; Freikugeln, 1846, Nr. 4) das wohlverdiente Schicksal, ausgepfiffen zu werden, als es im
Hamburger Thaliatheater aufgefiihrt ward; nach Originalien (Hamburg) 1845, Sp. 1159/60 erließ der Verfasser eine
Bekanntmachung in den Zeitungen . . . „ich bin unwillig gegen die Direktion des Theaters, daß diese mir nicht ge¬
raten habe, einen bessern Schluß dem Werke zuzufügen“; auch als das Stück am 28. November des genannten Jahres
nochmals gespielt ward, erscholl „zum Schluß gellendes Zischen und Schreien“. Die von Dr. A. Wollheim heraus¬
gegebenen „Fliegenden Blätter Nr. 2“ (Wandsbeck, H. G. Voigt’s Buchdruckerei, 1847) enthalten unter Nr. IV auf
Seite 24 folgende Anzeige: Ein dem Herausgeber zugesandter Aufsatz: über den Verfasser von Sesenheim, und dessen
unwürdiges literarisches Treiben kann nicht aufgenommen werden, da es sich nicht der Mühe verlohnt, das Subjekt,
welches derselbe behandelt, in irgend einem anständigen Blatte zu besprechen.
16 Goethe und Friederike von demselben Verfasser (1860) ist mit dem obengenannten Werke völlig identisch;
die zweite Auflage erschien 1871 unter dem Titel Goethe im Elsaß.
17 Vgl. dazu Echo, 1858, S. 38; Allgemeine Theaterchronik 1860, S. 345/6.
18 Vgl. dazu Blätter f. lit. Unterhaltung 1860, S. 11/7.
19 Die Schaubühne 1912, Nr. 16, S. 453/7; Die Szenenfolge sei hier angedeutet: Sesenheim Stube. Friederike
und Lenz — Friederikens Kammer. Dämmerung, Lenz allein — Straßburg. Auf dem Münster Goethe und Lenz —
Gasse. Es regnet. Lenz allein — Weimar. Saal im Schloß. Die Herzogin. Lenz — Terrasse. Ausblick in den Park.
Lenz allein — Nacht. Zimmer der Hofdame so und so. Gräfin Lenz — Arbeitskabinett des Herzogs; Goethe („Er
ist ein Esel“) und Herzog.
Das im Friederikenalbum (Liedergaben deutscher Dichter und Dichterinnen; Lahr, 1867), S. 81/168 veröffent¬
lichte, Georg Herwegh „in Verehrung zugeeignete" dreiaktige Versdrama Reinhold Lenz von Friedr. Geßler spielt
zwar 1772/3 „abwechselnd in Straßburg, Sesenheim und einem Nachbardorf *, bringt Goethe aber nicht auf die Bühne,
sondern versucht, „die tragische Gestalt Lenzen’s im Drama festzuhalten“. „Die Liebesidylle in drei Büchern“ Friederike
von Sesenheim; Wahrheit und Dichtung nach Goethe, von Carl Hermann Schauenburg, 1869, sei hier ebenfalls nur wegen
ihrer Anlehnung an Hermann und Dorothea — hier stehen z. B. die Namen der Parzen über den Gesängen! — erwähnt.
Die „dialogisierte Idylle aus Goethes Studententagen“ Auf der Pfarre von Sesenheim von Jul. Herrn. Klemm (zitiert
in Br. Volger, Sachsens Gelehrte, Künstler und Schriftsteller, 1908, S. 68) ist mir nicht erreichbar gewesen.
20 Xenien 1913, I, S. 210/22, 273/87.
21 Nach Flora, Originalchronik für die gewählteste schönwisscnschaftliche Literatur des In- und Auslandes, 1839,
S. 432 hieß das Stück ursprünglich Goethe oder das Eldorado von Frankfurt; vergl. darüber Gesellschafter vom
21. August 1839; Der Freimüthige vom 15. Oktober 1840; Zeitung Ihr die elegante Welt 1840, S. 182; Berliner Fi¬
garo 1839, S. 656; Der Humorist (Wien) vom 25. Juli 1839; Allgemeine Theaterchronik vom 4. Juni 1840, wo auch
etliche Verse als Probe mitgeteilt werden. Ebenda 1842, S. 526 wird eine Anekdote erzählt: „Heute hat der Goethe
im Theater gesungen“, und dazu bemerkt . . . „so einzig scheint es demnach nicht, wenn in neuerer Zeit. . . eine
französische Schriftstellerin Goethe auf der Bühne singen läßt“; ich habe die Richtigkeit dieser Angabe nicht nach¬
prüfen können. Hier möchte ich auch bemerken, daß ich einen Roman von Pauline Riboyet: La fille de Goethe
(Allgemeine Theaterchronik 1859, S. 202) nicht festtustellen vermag. Ein Stück von Henri Blaze de Bury: La jeu-
nesse de Goethe ist anscheinend nie gedruckt worden; die Angabe der Allgemeinen Theaterchronik 1867, S. 534, daß
Meyerbeer dazu 1859 eine Musik komponiert habe, wird mir in dankenswerter Weise von G. R. Kruse-Berlin bestätigt;
Meyerbeer hat sich dabei anscheinend — genaues läßt sich nicht sagen, da die (möglicherweise) im Nachlaß vor¬
handene Partitur dort immer noch nicht zugänglich ist — auf eine melodramatische Untermalung und lyrische Aus¬
füllung des Textes beschränkt; die für das Pariser Odeontheater geplante Aufführung ist nicht zustande gekommen.
22 Eine deutsche Übersetzung von Franz Karl Hiller, Wiesbaden, 1846 (Allgemeine Theaterchronik 1846, S. 443)
war mir nicht erreichbar.
23 Deutsche Revue, September 1816, S. 272.
24 Erschienen in Gesammelte Erzählungen und Novellen, 3. Teil 1859, S. 1/103; vorher in der Gartenlaube
1858, Nr. 619. — Eine bei Kippenberg a. a. O. erwähnte dramatische Behandlung dieser Novelle durch Hildebrand
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Merbach: Goethe-Dramen.
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(Pseudonym für Fr. Volger oder umgekehrt?) habe ich nicht nachweisen können, desgleichen blieb mir ein ,,im Theater
an der Wien zur Aufführung kommendes“ Schauspiel Goethe und die landgrähn von Hessen von Fr. v. Krüger, das
in der Leipziger Illustrierten Zeitung vom 16. April 1863 erwähnt wird, unbekannt. — Novellen von L. Schücking
sind auch noch anderweitig dramatisiert worden: ich erwähne z. B. das Lustspiel von Ludwig Böcker Lalagc nach
der Erzählung Die Visitenkarte (1873). Nach Allgemeine Theaterchronik 1866, Nr. 51 und Deutsche Romanzeitung
1866, S. 640 ist L. Schückings Novelle C. Krüger viermal dramatisiert worden; von Ch. Birch-Pfeiffer unter dem Titel
Der Herr Studiosus, von Cölestin in Leipzig und von Stoltze in Wien unter dem Schückingschcn Titel und von Simon
in Mannheim unter dem Titel Wo ist die Frau?
25 Oeuvres compl&tes II, 31, 1884, S. 211/89.
26 Frankfurter Konversationsblatt 1847, Nr. 31.
27 Ausgewählte Erzählungen Bd. 3, 1862.
28 Das Stück wurde unter dem Titel Fräulein v. Hartleben oder Trau, schau, wem? am 13. Januar 1864 am
Kaiserlichen Deutschen Hoftheater in Petersburg zum ersten Male gespielt. — Hierher gehört zeitlich auch das ganz
kurze Auftreten Goethes in einem kleinen Rahmenspiele „Rokoko“ Rudolf Presbers, das am 17. Februar 1916 im
ehemaligen Kgl. Schauspielhause in Berlin eine Aufführung von Goethes Fischerin und Mozarts Gärtnerin aus Liebe
— im Park bei Weimar an den Ufern der Ilm — umschloß.
29 Ges. dram. Werke, Bd. 4, 1851, S. 1/176; das Stück stammt — nach einer Notiz im Telegraphen für
Deutschland 1847, S. 692 — aus dem Jahre 1847.
30. Die einzelnen Aufzüge sind hier genau datiert: Akt 1 spielt am 25. Mai 1782 (Aufführung der Iphigenie
im Park zu Ettersburg); Akt 2 am 1. Juli 1786 — wie die beiden folgenden — im Garten hinter Goethes Garten¬
haus in Weimar — mit den Schlußworten: Nun steht es fest, ich reise nach Italien; Akt 3 am 18. Juni 1788 (end¬
gültige Auseinandersetzung mit Charlotte v. Stein und Begegnung mit Schiller).
31 Zum ersten Male aufgeführt im Teatro Argentina in Rom am 7. Januar 1913; in einem „Prolog“ heißt es:
mögen die Zuhörer nicht etwa erwarten, die Seele des großen Dichters vor ihnen ganz entfaltet zu sehen! — Das
Schlüsselstück der Charlotte v. Stein Dido (1794) und die kurze, reichlich uncharakteristische Goethe-Episode in
W. Henzens Schiller und Lotte (1894) seien hier nur kurz erwähnt.
31a Der Bühnenspiegel vom 10. März 1912.
32 Vgl. dazu Europa 1853, S. 310/2 und Abendzeitung 1854, II, Nr. 21.
33 Abgedruckt im Salon 1877, 2, S. 1096/1123; das Stück wurde am 28. August 1877 zum ersten Male im
Hamburger Thaliatheater gegeben. Ich erwähne hierzu noch einen Aufsatz von O. Fr. Gensichen über Euphrosyne und
Goethe in der Deutschen Buhnengenossenschaft 1877, Nr. 8 sowie zwei Dinge, die trotz ihres Titels nicht hierher ge¬
hören: Jeanne Marie, Euphrosyne, aus dem Leben einer Künstlerin in unserer Zeit, in Europa, 1849, Nr. 4/6, und
das 1877 unter dem Titel Euphrosyne erschienene Buch von Roquette, das in Rom spielt und nicht von Goethe handelt.
34 Ich erwähne noch eine „Gelegenheitsszene“ von Ad. Glaser Die Frau Rat, die im Hoftheater zu Braun¬
schweig am 27. August 1873 ein einziges Mal gespielt ward und ungedruckt blieb; die Bibliothek des Landestheaters
zu Braunschweig stellte mir den Text des Stückchens, das eine kurze Begegnung der Madame de Stael mit Frau Aja
bringt, in dankenswerter Weise zur Verfügung. Außerdem zitiere ich noch eine Briefstelle der Charlotte Birch-Pfeiffer
an Heinrich Laube vom 23. Mai 1850 (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Bd. 27, 1917, S. 43): Haben
Sie noch den Gedanken, Goethes Mutter auf die Bühne zu bringen? Lassen Sic mich darüber etwas wissen, denn
mir spielt derlei im Kopfe und ich mache nichts, woran Sie die Hand legen, denn wie Sic jene Zeit verstehen, das
beweist Ihr Gottsched.
35 Nach Allgemeiner Theaterchronik 1859, S. 378 ist der Name Pseudonym. — Das einaktige Lustspiel von
edr. Helbig, Nach Goethe (Ed. Blochs Theaterkorrespondenz, Nr. 121, ohne Jahr) hat mit Goethe selbst nichts zu
tun. — Die kleine „Dichtung“ von Carl Große (1859), der nach einer Notiz in dem handschriftlichen Kataloge der
Staatsbibliothek in Berlin Weimarischer Bibliotheksdiener war, Goethe und Schwan in Töplitz 1813, behandelt in
echten Knittelversen hilflosester Prägung die Begegnung Goethes mit dem preußischen Rittmeister Schwan, der nicht
weiß, wen er vor sich hat und die gröbsten Urteile über Goethes Werke diesem gegenüber unverblümt äußert; zum
Schluß mengt sich auch noch der Herzog von Weimar mit hinein . . . „mit Stolz jedoch dacht er noch oft an das
Glück Der Bekanntschaft mit Goethe in Töplitz zurück !**
36 Über dieses berüchtigt gewordene Stück, daß so von größter theatergcschichtlicher Bedeutung ward, seien
hier (vergl. dazu H. Landsberg in der Zeitschr. f. Bücherfreunde 11, II, S. 335/42 und Voßische Zeitung 1907, Nr. 95)
noch etliche Notizen angeführt, die einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Geschichte des deutschen Publikums und
Geschmacks bieten. Im Stuttgarter Morgenblatt 1815, S. 1124 wird über eine Wiener Aufführung ausführlich be¬
richtet (über einen Bericht aus Strahlsund vom gleichen Jahre vergl. Neue Zeit, 1880, S. 237) . . . „Ohnmächten
wechselten mit einem Faustkampfe um den Platz . . . man behauptet, daß die Rolle keinem Pudel gehöre, weil das
Tragische nicht in seiner Natur liege ... ein Hühnerhund wird zu gleichem Zwecke abgerichtet . . . welcher sogar
die Erde, unter der sein Herr begraben liegt, aufkrazt und dem Mörder durchs Fenster nachspringt «ibidem S. 1044).
Die Allgemeine Theaterzeitung 1817, S. 72 meldete aus Dresden daß dort das Stück siebenmal hintereinander ge¬
geben wurde . . . sogar ein zweiter Teil mit einem ganz neuen Hunde soll im Anzuge sein und in Regensburg machte
ein Stück Der Pudel als Schildwache ungemein viel Glück. Im Theater in der Josephstadt (Wien) wurde am 26. Juli
1817 Der Zweikampf mit dem Hunde, großes romantisches Schauspiel nach dem Französischen von Aug. Joh. Adam gegeben
und in den Miscellen der Wiener Allgemeinen Theaterzeitung vom 28. Juli 1817, Nr. 90, S. 356 heißt es von einer neuen
Pudelkomödie: Herr Eckschlager, Sekretär des Theaters in Baden und Preßburg, ein wirklich vielseitiges Talent,
Dichter und Tonsetzer, Zeichner und Kapellmeister, Dekorationenmeister und glücklicher Erfinder mehrerer mit Bei¬
fall gesehener Tableaus, kurz alles in einer Person und sonach eine Perle für jedes Provinzialtheater, hat eine neue
Pudelkomödie geschrieben, einen wahren Kassenretter. Die Idee ist neu und anziehend. Es tritt nämlich darin eine
Prinzessin auf, die in geheimer Liebe mit einem Prinzen lebt; der Vater will dem ihm zuwidren Verhältnis ein Ende
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Merbach: Goethe-Dramen.
machen und bittet einen Zaubrer um seinen Beistand. Der Zaubrer ist so grausam, den im weifien Kleide mit
blauer Schärpe herumwandelnden Prinzen, in einen weißen Pudel mit blauem Halsband zu verwandeln, weil er weiß,
daß die Pudelhunde der Prinzessin unausstehlich sind. Hierauf folgen nun ganz seltsame Auftritte. Die Prinzessin
haßt den Pudel, ohne zu wissen, daß er in jeder Hinsicht ihr treuester Hund ist. Endlich küßt sie ihn doch, als er
ihr das Leben rettet, und siehe da, der Prinz steht wieder vor ihr. Die Direktionen mögen sich zu dieser Pi&ce Glück
wünschen; die Schicksälskomödien haben bis jetzt wie die Pudelstücke Glück gemacht — hier ist ein Pudel-Schick¬
salsdrama. Im Theater an der Wien wurde 1822 (nach Dresdner Abenzeitung 1822, Nr. 3) das Stück wieder auf¬
genommen . . . „Es ist dieser Hund ein ganz neuer Schauspieler, der erst vom Theater in Baden gekauft worden ist.
Bei seinem ersten Auftritte war der Debütant recht bei Laune, aber bei der zweiten Darstellung widersetzte er sich
halsstarrig seiner Pflicht.“
Aus dem gleichen Jahre stammt die bekannte Posse von Pius Alexander Wolff (Holteis Jahrbuch deutscher
Nachspiele, 1. Jahrgang, 1822, S. 33/76); in einer Art von Prolog heißt cs da:
Dem Schauspiel-Personale
Geschah dadurch kein Tort. Es dachte, schimpft nur zu,
Dem Hund geschieht es recht. Uns bleibt solange Ruh.
Der ganze Fehler war, daß es ein Hund gewesen.
Denn war der Mensch ein Hund, ein Mensch zum Hund erlesen,
War alles contentirt.
Ein Gedicht von H. Döring im Freimütbigen (Berlin), 1823, 1, Nr. 21 Der Hund des Aubry möchte ich hier noch
erwähnen und hinzufügen, daß nach Allgemeiner Theaterzeitung 1836, S. 500 das Stück in Agram noch eine Erweiterung
erfuhr . . . „ein Herr Friedland hat ein Vorstück dazu geschrieben: Der Kampf mit dem Hunde des Erschlagenen“.
37 Ein von Stefan Großmann geplantes Lustspiel Eckermann (Vorwärts, 20. Februar 1920) ist bis jetzt nicht
ausgeführt. — Aus dem ersten Akte des Lissauer’schen Stückes sei noch eine Satzfolge zur Charakteristik Goethes angeführt:
„Manchmal erscheint er mir wie ein Bergwald, der steigt an allen Seiten über die Hänge hin. Und er ist
ganz gemischt . . . immer wachsend . . . immer blühend . . . immer grün . . . immer weiß . . . immer in dem Bergwald
wird eine Frucht reif. . . immer just geht eine Blüte auf . . . immer geht ein völliger Duft aus in großen Wellen von
dem Bergwald . . . das ist so am Alltag . . . manchmal aber erscheint er mir wie ein Eis- und Feuerberg zugleich . . .
außen umzogen mit weißen Hängen . . .“
38 Über die hierhergehörige „zweyaktige Posse in gewogenen Versen“, von „Angelus Cerberus“ Die ästhetische
Prügelei oder der Freimüthige im Faustkampfe mit der Eleganten, 1803, in der Goethe kurz als Er selbst und Kotzebue
als Eisenstirn auftritt, vergl. die ausführliche Analyse mit Textabdruck in L. Geigers Firlifimini und andere Curiosa,
1885, S. 104/41, und Erich Eckertz, Die Verfasser zweier antiromantischer Satiren (Euphorion 14. Bd., S. 67 ff.).
Die erstmalig im Komet 1836, II, Beilage Der Luftballon, Nr. 33/7 veröffentlichte Satire „Der Thurm zu Babel“ (vgl.
Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts, Nr. 91/100, Aug. Sauer, Die deutschen Säkulardichtungen
an der Wende des Jahrhunderts, 1901, S. 380/407, dazu Kommentar S. 602/8) ist von L. Geiger in Aus Alt-Weimar,
1897, S. 12/8 analysiert worden. Sauer a. a. O. sucht den unbekannten Verfasser in einer Persönlichkeit aus Bren¬
tanos Umgangskreise; Geiger a. a. O. zeigt, daß hier jede Beziehung zu und auf Kotzebue — die sonst derartigen
Stücken damals immer die charakteristische Note gibt — fehlt und daß es sich fast ausschließlich auf Weimarer und
Jenaer Verhältnisse und Persönlichkeiten bezieht. Goethes große Rede am Anfang ist eitel Selbstverherrlichung; zum
Schluß wankt der Turm und stürzt; nur Goethe „fällt mit Anstand wie Cäsar“. Zu Pater Brey und Immermanns
Eintreten für Goethe gegen Pustkuchen verweise ich auf W. Deetjen, Immermanns Jugenddramen, 1904, S. 103/14.
39 Eine kurze Szene, Goethes Eintritt ins Elysium, in der Goethe nur wenige Worte spricht, von Treumund
Wellentreter in der Zeitschr. f. d. eleg. Welt 1832, Nr. 68.
40 Vgl. dazu Bl. f. lit. Unterhaltung 1833, Nr. 282; Allg. Theaterchronik, 1834, S. 546.
41 Abgedruckt in poetische Werke in deutscher Sprache, Teil 3, 1836. S. 3/312; das umfangreiche Werk hat
folgende Einteilung: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Ein dramatisches Gedicht in drei Abteilungen.
Des vollendeten Faust’s erster Teil. Die Philisterwelt oder Romanien im Wirtshause. Komödie als Vorspiel. Des
vollendeten Faust’s zweiter Teil. Erste Abteilung. Die romantische Welt oder Romanien im Tollhause. Comi-Tragödie
in sieben Aufzügen. Erste Abteilung. Des vollendeten Faust's zweiter Teil. Zweite Abteilung. Die romantische Welt
oder Romanien im Tollhause. Comi-Tragödie in sieben Aufzügen. Zweite Abteilung.
42 Vgl. dazu Bl. f. lit. Unterhaltung 1856, I, S. 280; Frankfurter Museum, 1856, Nr. 18; Über die kurze
Szene von Leonhardt Wohlmuth: Goethe in Walhalla, 1849, vergl. W. Dohm, Das Jahr 1848 im deutschen Drama
und Epos, 1912, S. 124. A. Tischlein’s dramatische Skizze in einem Akte: Ein Besuch auf Erden, 1849 ist völlig
unbedeutend; auch das F. Wehl’sche Festspiel zur hundertjährigen Geburtstagsfeier Goethes: Der Triumph des Genies
(Album zum Besten Notleidender im sächsischen Erzgebirge, herausgegeben von Wilhelm Scherffig, 1852, S. 231/74)
ist ohne jeglichen Wert; ein dramatischer Scherz Goethe in der Unterwelt von van de Velde, der, als handschriftlich
vorhanden, Euphorion 10, S. 166 erwähnt ist, war mir nicht erreichbar.
Die bekannte Begegnung Goethes mit Beethoven im Jahre 1812 ist von Gust. Adolf Nadler (nach einer Notiz
Hans Volkmanns in der „Musik“ 5, 1, 1905, S. 262/3) um 1872 in einem einaktigen dramatischen Genrebild, das
erst Beethovens zerrissener Schuh, dann Beethoven in der Heimat hieß, nach Bonn verlegt worden, das bekanntlich
Beethoven seit 1792 nicht wiedergesehen hatte. Beethoven soll Goethe in einer Gesellschaft vorgestellt werden, auf
dem Wege dahin bemerkt er in seinem Schuh ein bedenkliches Loch und tritt bei einem Schuster ein. Dessen
Tochter entpuppt sich als Sängerin und [erringt durch natürliche Anmut des Vortrags den Beifall des Komponisten.
Als sie, von Beethoven begleitet, ein Goethesches Lied anstimmt, wird der zufällig vorübergehende Dichter durch
Wort und Ton angelockt und macht nun bereits in der Schusterfamilie die Bekanntschaft Beethovens. „Eine bühnen¬
sichere Hand formte hier einen flotten Schwank.“
Die „Drei Stationen aus Goethes Erleben“ Seine Freundin von Otto Grund, die Ende April 1921 im Stadt¬
theater zu Düsseldorf zu Uraufführung gelangten, sind mir leider nicht zugänglich gewesen; sie seien hier aber der
sachlichen Vollständigkeit wegen erwähnt.
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Kunstfaksimiles.
Von
Emil Waldmann in Bremen.
D ie Reproduktion wird immer unheimlicher. Sie gehört jetzt beinahe in das Gebiet der
Fälschung. Mit der Vervollkommnung der photographischen Techniken, mit der Ver¬
feinerung des Farbendruck- und des Lichtdruckverfahrens hat die Reproduktion eine
•Höhe der Leistungsfähigkeit erreicht, die man noch vor einem Jahrzehnt kaum voraussehen
konnte. Kupferstiche, farbige Radierungen, Handzeichnungen, Aquarelle und Pastelle werden
mit einem so hohen Grad von Treue wiedergegeben, daß schon ein sehr geübtes Auge dazu
gehört, um eine gute Reproduktion gleich als solche zu erkennen. Rodin hat Lichtdrucke
nach einer seiner Kaltnadeiarbeiten als Originale signiert, ohne den Betrug, zu dem man ihn
verleitete, zu wittern. Und wenn man heute die Handzeichnungspublikationen durchblättert,
wie sie seit einigen Jahren unter künstlerischer Leitung von Julius Meier-Graefe die Maries-
Gesellschaft in Dresden, im Verlage von R. Piper & Co., München, herausgibt 1 , die Skizzen
deutscher und französischer Meister des 19. Jahrhunderts, die Daumier-Aquarelle und die van
Gogh-Zeichnungen, die Cezanne-Aquarelle und die Rötelzeichnungen von Hans von Maries,
die Landschaftsaquarelle von Dürer und die Sepiazeichnungen der Venezianer des Rokoko,
und wenn man sich einmal vorstellt, man würde eines schönen Tages ein solches Blatt unter
Glas und Rahmen, ohne den Blindstempel der Maröes-Gesellschaft mit dem Ganymed, bei einem
Antiquar finden — so ist man nicht ganz sicher, ob man es nicht am Ende doch als ein
Original anspräche. So raffiniert ist der Druck, an dem unsere größten Lichtdruckanstalten,
Frisch oder die Reichsdruckerei oder Hanfstaengl, beteiligt sind, schließlich ausgefallen, nach
endlosen Versuchen und ewig wiederholten, nie befriedigten Korrekturen. Wenn für ein ein¬
farbiges Rötelblatt von Hans von Maröes vier oder fünf Lichtdruckplatten übereinanderge¬
druckt werden, um auch die feinsten Differenzen der Strichstärke herauszubringen; wenn für
ein Cezanne-Aquarell, für ein Renoir-Pastell so lange gearbeitet, gedruckt, retuschiert, verstärkt
oder abgeschwächt wird, bis auch die leiseste und leichteste Schwebung eines Pinselstriches
oder das zarteste Geriesel des Pastellstriches in all seiner Durchsichtigkeit gegeben ist, so daß
sich dieser Strich dem Gesamtgewebe der Töne im Druck so logisch einfügt, wie im Original
— dann weiß man manchmal nicht, wo denn die Grenze gegen das Gebiet der Fälschung
noch liegt. Zwar ist die „Fälschung“ nicht sklavisch zu verstehen. Zusätze, die nicht von
der Hand des Künstlers stammen, wurden nach Möglichkeit gelöscht, allzu störende Flecke,
spätere Aufschriften und Sammlerstempel entfernt; und die Quadrierungen bei Zeichnungen
von Hans von Maröes, die ja von Schülern stammen, vorsichtig ausgemerzt. Aber man fragt
sich dennoch, ob durch derart täuschende Reproduktion der Wert des Originals nicht eher
beeinträchtigt werde, insofern, als das Sammeln der Originale unter dem Angebot der wohl¬
feilen Faksimiles nun leiden würde und der Sinn für die Einmaligkeit einer Handzeichnung
sich mit der Zeit abstumpfen möchte.
Diese Gefahr ist unbegründet. Zunächst kommen ganz selbstverständlich zur Reproduktion
nur solche Werke, die, da sie längst klassiert sind, so ungeheuer hoch auf dem Kunstmarkte
bezahlt werden, daß bei ihnen von einem „Angebot“ keine Rede sein kann. Es gibt keinen
Markt für Aquarelle von Cözanne oder Rubens oder Daumier, für Zeichnungen von Maröes
oder Degas, für Pastelle von Renoir oder Sepias von Tiepolo. Wer solche Kostbarkeiten
haben will, würde heute die Laterne des Diogenes brauchen. Wenn man Handzeichnungen
alter Meister möglichst naturgetreu reproduziert — wie es seit Jahrzehnten in immer weiter¬
getriebener Verfeinerung geschieht — man denke an die Prestelgesellschaft-Publikationen 1 —
so ist nicht einzusehen, weshalb man vor den großen Künstlern des 19. Jahrhunderts Halt machen
sollte. Dadurch, daß diese Faksimiles wegen der Kompliziertheit der technischen Herstellung und
der Mühe der künstlerischen Aufsicht nie sehr billig sein können, kommen sie ja ohnehin nicht
in allzu viele Hände. Dreitausend Mark für zwanzig Reproduktionen nach Renoir-Pastellen kann
nicht jeder ausgeben, und so existiert praktisch gar nicht die Gefahr, es setze nun ein über¬
großer Konsum an Reproduktionen zum Schaden der Originale und ihrer Schätzung ein.
Im Gegenteil, die Schätzung der Originale wird steigen. Denn, das Umgehen mit Fak¬
similes bleibt ja letzten Endes kein mechanisches Verhalten. Man begnügt sich nicht, oder
wenigstens nicht auf die Dauer, mit den Faksimiles. Sondern, wenn die erste Neugier gestillt
I Siehe Zeitschrift für Bücherfreunde, Jahrgang XI, Seite 58.
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9 8
Waldmann: Kunstfaksimiles.
ist, wächst die Sehnsucht nach dem Original. Man sieht es wieder an, mit ganz neuen Augen
und sehr geschürften Sinnen. So, wie auf dem Gebiete der Kennerschaft das Fälscherwesen
den Schrittmacher bedeutet für die Wissenschaft, so wird auf dem Gebiete des ästhetischen
Genusses das Faksimile der Schrittmacher unserer Augen und unserer Augenphantasie. Was
uns heute wie absolute Treue vorkommt, ist übermorgen wahrscheinlich nur bedingte Treue.
Denn in jedem Original steckt ein unreproduzierbarer Rest. Der unmittelbare Ausdruck der
Künstlerhand und der Künstlerhandschrift, der so nur einmal, nur unter dem Zwange der
niemals wiederkehrenden künstlerischen Inspiration, Form gewann, ist nun einmal auf keine
mechanische Weise nachträglich einzufangen. Und diesen Rest, das heißt also: die eigentlichen
Zeichen des Schöpferischen, sehen wir dann im Original nur um so großartiger und lebendiger. Wir
schärfen unsere Organe für das wahrhaft Künstlerische auf diese Weise wie durch einen Zwang.
Als vor einigen Jahrzehnten die ersten Lichtdrucke nach Dürer-Kupferstichen bei Armand
Durand erschienen, waren auch die Kenner entsetzt über diesen unerhörten Grad von ge¬
treuer Wiedergabe; man glaubte, weiter ginge es nun nicht, und niemand würde mehr die
Stiche von Dürer sammeln, aus Angst vor mechanisch hergestellter Fälschung. Aber nichts
davon trat ein. Dürers Stiche werden mit immer größerer Leidenschaft gesammelt und immer
höher bewertet, und die Lichtdrucke von Armand Durand gelten heute nicht einmal mehr
der Wissenschaft als zuverlässiges Material. Die Originale, die ihnen zugrunde liegen, sind
ja nicht einmal mit ortostatischen Linsen aufgenommen, und ein wenig Hin- und Hermfcssen
in den Diagonalen und ein kurzer Vergleich mit denselben Maßen eines unbezweifelbaren,
durch Provenienz gesicherten Originalabdrucks würde den Charakter der Nachahmung evident
machen, wenn es dieses Beweises noch bedürfte und man hicht vielmehr, durch Verfeinerung
des Qualitätsgefühls, längst gelernt hätte, einen solchen Lichtdruck, früher Faksimile genannt,
schon von weitem als Reproduktion zu erkennen. Je weiter die Technik kommt, desto feiner
wird unser Qualitätssinn, um so höher bewerten wir den unreproduzierbaren Rest des Ori¬
ginals. Diesen erzieherischen Gewinn kann man neben dem Genuß an den geradezu herrlichen
Blättern, die uns die Maries-Gesellschaft bietet, nicht hoch genug bewerten. Jetzt und viel¬
leicht für ein Jahrzehnt bedeutet uns ein Faksimile nach einer Maries-Zeichnung höchste künst¬
lerische Freude. Wenn in dreißig Jahren solche Reproduktion als „immerhin unvollkommen“
gelten sollte — glücklich unsere Kinder, die dann in den Originalen noch mehr Künstlerisches,
Einmaliges entdecken als wir.
Man wird bedauern, daß diese Dinge teuer und daher nicht der Jugend, den jungen
Künstlern und Kunsttreibenden zugänglich sind. Hier ist vorgesorgt. Alle Akademien, Kunst¬
schulen, Kunstinstitute können unentgeltlich von der Maries-Gesellschaft Einzeldrucke solcher
Faksimiles (Einzeldrucke sind nicht im Handel 1 ) beziehen, gegen die einzige Verpflichtung, die
Blätter dauernd in ihren Studienräumen gerahmt auszustellen. Natürlich sind das nicht Drucke
von der gleichen Korrektheit, wie sie in den Mappen liegen, sondern Drucke mit leichten
Fehlern und kleinen Ungenauigkeiten, Fehlfarben im Papier zum Beispiel; aber immerhin so
gute Drucke, daß sie mindestens als Vorbild und Mahnung ihren künstlerischen Dienst tun.
Eine Akademieklasse, die geschmückt ist mit zehn Faksimiledrücken nach Hans von Maries
oder mit Dürer-Aquarellen, muß schließlich andere Resultate zeitigen als eine gewöhnliche
Klasse 1 Merkwürdigerweise haben bisher nur sehr wenige Kunstinstitute von dieser liberalen
Einrichtung der Maries-Gesellschaft Gebrauch gemacht; vielleicht weil sie nicht genügend be¬
kannt war und man die Maries-Gesellschaft wegen ihrer sonstigen verlegerischen Tätigkeit für
ein Unternehmen hält, das nur den Ansprüchen des Bibliophilen gerecht werden will. Etwas
so Kostbares allerdings wie Ovids „Liebeskunst“, von Wieynk auf Kupfer geschrieben und
von Andri Lambert mit schönen radierten Zierstücken versehen, wendet sich naturgemäß an
einen kleinen Kreis, ebenso wie der von E. R. Weiß geschriebene und radierte griechische
Text der Sappho'schen Gedichte. Aber in solchen Solitairs erschöpft sich ja die Tätigkeit
der Maries-Gesellschaft durchaus nicht, sie dient auch der lebenden Kunst mit großer Energie.
Rudolf Großmanns Graphik hat eigentlich hier, besonders durch seine radierte Mappe „Herbarium“,
aber auch durch seine lithographierten Illustrationen zu Dostojewski und seine Holzschnitte
zu E. Th. A. Hoflmanns „Ritter Gluck“ zum ersten Male einen Schwerpunkt gefunden, und
dem einsam schaffenden Max Beckmann ward hier Gelegenheit gegeben, sich auszusprechen.
Und auch bisher unbekannte Künstler wie Otto Schubert und Kretzschmar wurden durch
die Maries-Gesellschaft gefördert und erfreuen sich der Vorteile, wie sie die an Faksimile-
Reproduktionen hoch entwickelte graphische Leistungsfähigkeit bietet.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Wükotoski, Leipxig-G., Ehrensteiiutr. 20, Verlag von R. A. Seemann-"Leipzig, Hocpitalstr. 11 a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. //.-Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
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Zu dem Aufsatz:
99
Lederschnittbände aus dem 15. Jahrhundert mit Kopien des Meisters E. S.
Von Dr. Johannes Hofmann
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Bild 1. Einband der Mcntelinschen Bibel auf der leipziger Stadtbibliuthek
ioo Hofmann: Lederschnittbände aus dem 15. Jahrhundert mit Kopien des Meisters ES.
Bild
,,Menschcn-Unter“ aus dem gröberen Kartenspiel
des Meisters E. S.
Bild 3. Oer Ritter und die Dame mit Helm und Lanze
(Verkleinerter Stich des Meistcis E. S.)
Vorderdeckel des Einbandes der Mentelinschen Bibel
auf der Universitätsbibliothek in Erlangen
Yorderdeckel des Einbandes der Mentelinschen Bibel
auf der Landesbibliothek in Wolfenbüttel
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ior
Lederschnittbände aus dem 15. Jahrhundert mit Kopien
nach Stichen des Meisters R S.
Von
Dr. Johannes Hofmann, Bibliothekar an der Leipziger Stadtbibliothek.
Mit fünf Bildern.
D ie erste gedruckte deutsche Bibel 1 , die zirka 1466 von Johann Mentelin in Straßburg
gedruckt wurde, ist an sich schon eine Kostbarkeit Der Wert des Exemplars, das die
Leipziger Stadtbibliothek besitzt, wird noch wesentlich erhöht durch seinen kostbaren
Einband, einen Lederschnittband von seltener Schönheit. Er ist in dem von Jean Loubier •
angelegten Verzeichnis von Lederschnittbänden des Mittelalters, das im Jahre 1913 11*8
Nummern 2 umfaßte, nicht mitgezählt
Der Einband (Bild 1) besteht aus braunem, gut geglättetem Rindsleder über Buchenholz
(41,5X30,3 cm). Vorder- und Hinterdeckel zerfallen in ein rechteckiges Mittelfeld und einen
breiten Rahmen, dessen Flächen durch schöne spätgotische Beschläge aus getriebenem und
durchbrochenem Messing in den Ecken in vier Teile zerlegt werden.
Das Mittelfeld des Vorderdeckels ist in der Mitte mit einem viereckigen Messingbeschlag
geschmückt Oberhalb desselben ist rechts ein Ritter in vollständiger Plattenrüstung einge¬
schnitten, dessen linke Hand sich auf den Schild stützt und der mit der rechten den ge¬
schlossenen Tumierhelm an der Helmzierde hält, links eine Dame mit langer Schleppe, die
mit der linken Hand ihr Kleid rafft und in der rechten eine Lanze mit langflattemdem
Wimpel hält. Zwischen diesen beiden Personen sehen wir ein nach links gewendetes, nach
rechts springendes Windspiel. Unterhalb des Metallbeschlages ist rechts ein mit einer langen
Stange bewaffneter älterer Mann eingeschnitten, und links ein junger Edelmann auf einem
Kamel reitend in kurzem Scheckenrock und eng anschließenden Beinlingen, auf dem Kopfe eine
mit einer Feder geschmückte Hakenmütze. Die Figuren sind gewissermaßen durch Akanthus-
ranken miteinander verbunden. Auch die linke Rahmenfläche ist mit einer Akanthusranke
ausgefiillt, die rechte jedoch durch ein Ornament von Eichenblättern und Eicheln. Die obere
und untere Rahmenfläche sind durch groteske Tiergestalten geschmückt, oben zwei mit ihren
langen Hälsen verschlungene Drachen, unten ein drachenartiges Getier mit schuppigem Rücken¬
panzer, dessen Schwanz in eine kleine Akanthusranke ausläuft.
Das Mittelfeld des Hinterdeckels zeigt ober- und unterhalb des verloren gegangenen
mittleren Metallbeschlages je einen Drachen aus deren geöffneten Mäulern eine lange Zunge
heraushängt und deren Schwänze auch in Akanthusranken auslaufen. Die vier Rahmenflächen
schmücken Akanthusranken. Der Hintergrund aller verzierten Flächen ist mit Perlpunze bearbeitet
Der Lederrückeri, auf dem vier Doppelbünde sichtbar sind, ist schmucklos. Als Kapital
dienen mit hellgrünem und rötlichem Zwirn umstochene Pergamentstreifen. Von den beiden t
Lederschließen sind nur noch die Metallteile vorhanden.
In diesem Lederschnittband ist das Figürliche mit dem Ornamentalen in bewundernswerter
Harmonie vereinigt. Die ganze Arbeit läßt auf eine außerordentlich geschickte Hand und
großes künstlerisches Können schließen. Wer der Verfertiger war, wo und wann der Einband
entstand, ist aus ihm selbst leider nicht zu ersehen. In der rechten oberen Ecke der Innen¬
seite des hinteren Deckels stehen zwar in schwarzer Tinte die Worte „porro ernstlich“, die
im 15. Jahrhundert geschrieben sein müssen. Die Bedeutung dieser zwei Worte ließ sich nicht
feststellen. Ob es ein Besitzzeichen oder gar die Marke des Buchbinders selbst ist, konnte
nicht geklärt werden.
Da der Druckort der eingebundenen Bibel Straßburg ist, könnte man auch an Straßburg
als Entstehungsort des Einbandes denken. In dieser Vermutung wird man bestärkt durch die
Feststellung, daß alle Figuren des Mittelfeldes auf dem Vorderdeckel ziemlich getreue Kopien
nach dem Meister E. S. sind, dem hervorragendsten deutschen Stecher vor Schongauer. Mit
1 Hain-Copinger *3130. Vgl. Wilh. Walther „Die Deutsche Bibelübersetzung im Mittelalter“, Braunschweig 1889.
Die Herausgabe der ersten deutschen Bibel, die W. Kurrelmeyer seit 1904 in der Bibliothek des Literarischen Vereins
in Stuttgart unternommen hat, ist noch nicht abgeschlossen.
2 Jean Loubier-Berlin „Methodische Erforschung des Bucheinbandes“ (Beitrage zum Bibliotheks- und Buch¬
wesen. Paul Schwenke zum 30. März 1913 gewidmet Berlin 1913, Seite 179).
xm, 13
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102 Hofmann: Lederschnittbände aus dem 15. Jahrhundert mit Kopien des Meisters E. S.
einiger Wahrscheinlichkeit hat nämlich die neueste Forschung ergeben, daß der Meister E. S.
vor seinem 1467 eingetretenen Tode in Beziehungen zu Straßburg gestanden hat 1
Der Ritter und die Dame sind zweifellos nach dem Stich „Der Ritter und die Dame mit
Helm und Lanze“ 9 (Bild 3), einer sehr späten Arbeit des Künstlers, kopiert Allerdings wurden
aus Kompositionsgründen beide Figuren auf # dem Einband getrennt Dies machte kleine
Änderungen nötig. Der Ritter hält mit der Rechten seinen Helm statt des Kleides der Dame,
das die Dame selbst mit der Linken an Stelle des Helmes hält Außerdem trägt der Ritter
abweichend von dem Stich auf dem langen flatternden Haar eine Kappe, und die Dame
eine turbanartige Kopfbedeckung mit Reiherstutz, während sie auf dem Stich nur einen Blumen¬
kranz im Haar hat Das Windspiel zwischen Ritter und Dame auf unserm Einband stammt
von der „Hunde-Drei“ 8 des größeren Kartenspieles. 4 Nach diesem Spiel, das ebenfalls der
späteren Schaffensperiode des Meisters E. S. angehört, sind auch die beiden übrigen Figuren
kopiert So ist der Kamelreiter dem „Menschen-Unter“ (Bild 2), der ältere Mann mit der Stange
der „Menschen-Zwei“ entnommen. 5 Selbst die Pflanzen, die den Boden unter den eingeschnittenen
Figuren bedecken, zeigen die ähnliche flächenhafte und ornamentale Stilisierung 8 wie bei
dem Meister E. S. Neben den schmalen, lanzettförmigen Blättern finden sich die so charak¬
teristischen herzförmigen und kleeblattförmigen Blätter, allerdings an einem längeren Stiel als
auf den Stichen des Meisters E. S.
Bei den engen Beziehungen, die zwischen den graphischen Künsten und dem gedruckten
Buch von Anfang an bestanden haben, liegt die Vermutung nahe, daß der Verfertiger
unseres Lederschnittbandes in dem Kreis des Meisters E. S. in Straßburg zu suchen und der
Einband bald nach dem Druck der Bibel (1466) entstanden ist Allein die Beispiele sind zu
zahlreich, daß die Stiche des Meisters E. S. namentlich dem zeitgenössischen Kunsthandwerk
in- und außerhalb Deutschlands als Vorlagen dienten, wozu die zahllosen verschiedenen Motive,
die starke Betonung der ornamentalen Teile und nicht zuletzt die große Verbreitung der Stiche,
besonders der Spielkarten, unwillkürlich anregen mußten. 7 Meine Vermutung muß daher hin¬
fällig werden, sobald sich die Verwandtschaft unseres Einbandes mit anderen Lederschnitt¬
bänden nachweisen läßt, deren Entstehungsort nicht Straßburg ist
Wie ich feststellen konnte, sind von den 16 8 erhaltenen Exemplaren der ersten deutschen
Bibel außer dem auf der Leipziger Stadtbibliothek noch die in der Universitätsbibliothek in
Erlangen, der Landesbibliothek in Wolfenbüttel und der Bibliothek in Bamberg in Leder¬
schnittbände gebunden. Vergleicht man diese Einbände miteinander, so ergibt sich eine außer¬
ordentlich enge Verwandtschaft zwischen dem Leipziger und dem Erlanger Einband (Bild 4).
Man kann sie als Bruderbände bezeichnen. Die Figuren des vorderen Mittelfeldes sind ebenfalls
getreue Kopien von Darstellungen aus dem größeren Kartenspiel des Meisters E. S. In der
oberen Rahmenfläche finden sich die verschlungenen Drachen, in der linken und rechten
Rahmenfläche dieselben Pflanzenomamente, und auf dem Hinterdeckel die ähnlichen von
Rankenornamenten umgebenen grotesken Drachen, die ein mit gleichartigem Rankenwerk aus-
geflillter Rahmen umgibt, wie auf dem Leipziger Einband. Auch die von den Beschlägen des
Erlanger Einbandes nur noch vorhandenen Metallteile der beiden Lederschließen stimmen voll-
• ständig mit denen des Leipziger Bandes überein. Von dem Erlanger Einband hat nun aber
Otto Mitius in seinem buchgeschichtlichen Versuch „Fränkische Lederschnittbände des 15. Jahr-
1 Vgl. Max Geisberg „Die Anfänge des deutschen Kupferstiches und der Meister E. S.“, Leipzig 1909, Seite
63 und 64, Max Lehrs „Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupfer¬
stichs im XV. Jahrhundert“, Band 2, Wien 1910, Seite 3 o. 9, Paul Heitz „Die Strafiburger Madonna des Meisters
E. S.*‘, Straflburg 1911 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, 136. Heft), Seite 21, Peter P. Albert „Der Meister E. S.
Sein Name, seine Heimat und sein Ende. Funde und Vermutungen“, Straflburg 1911 (Studien zur deutschen Kunst¬
geschichte, 137. Heft), Seite 28 ff.
2 Max Lehrs „Katalog“, 2. Band, Nr. 212. ,
3 Max Lehrs „Die Spielkarten des Meisters E. S. 1466 in heliographischen Nachbildungen“. Berlin 1891, Fig. 13,
und Lehrs „Katalog“, 2. Band, Nr. 253.
4 Vom Meister E. S. stammen zwei verschieden grofle Kartenspiele. Das kleinere hat die Farben: Tiere, Helme,
Wappen, Blumen; das gröfiere: Menschen, Hunde, Vögel, Wappen (nach Lehrs).
5 Max Lehrs „Die Spielkarten“, Fig. 8 und Fig. 1; und Lehrs „Katalog“, 2. Band, Nr. 248 und Nr. 241.
6 Vgl. Max Lehrs „Katalog“, 2. Band, Seite 37/38.
7 Vgl. Max Lehrs „Zur Datierung der Kupferstiche des Meisters der Spielkarten“, Berlin 1888 (Jahrbuch der
Kgl. Preufiischen Kunstsammlungen Nr. 9), Lehrs „Katalog“, 1. Band, Seite 22, und 2. Band, Seite 7, 15 ff.
8 Die Zahl und die Orte ihrer Aufbewahrung verdanke ich der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegen¬
drucke in Berlin.
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Hofmann: Lederschnittbände aus dem 15. Jahrhundert mit Kopien des Meisters E. S. 103
hunderts“ 1 2 3 , besonders durch Vergleich mit Einbänden, die zweifellos aus Nürnberg stammen,
nachgewiesen, daß der Band eine Nürnberger Arbeit ist Der Leipziger Einband, der demnach
etwa gleichzeitig mit dem Erlanger auch in Nürnberg entstanden sein muß, weist außerdem
zahlreiche Übereinstimmungen mit den von Mitius genannten Nürnberger Lederschnittbänden
auf. Nach Einteilung der einzelnen Felder, Gesamtkomposition und Behandlung der Laub¬
omamente bestehen enge Beziehungen mit dem bekannten Lederschnittband im Hamburger
Museum für Kunst und Gewerbe, der ein im Jahre 1475 von Sensenschmid in Nürnberg
gedrucktes Buch enthält und jedenfalls um dieselbe Zeit in Nürnberg angefertigt wurde.*
Nahe Verwandtschaft besteht auch mit einem Nürnberger Lederschnittband vom Ende des
15. Jahrhunderts, der die zweite deutsche Bibel, Straßburg bei Eggestein (zirka 1466) Hain
*3129, umschließt, in der Hofbibliothek in Wien 8 , bei dem auch in der oberen Randleiste
die verschlungenen Drachen eingeschnitten sind. Die beiden Ungeheuer des Rückendeckels und
der Drache mit dem so charakteristischen, plastisch herausgearbeiteten Schuppenpanzer auf
dem Rücken in der unteren Rahmenleiste des Vorderdeckels finden sich auf den entsprechenden
Deckeln eines der drei Lederschnittbände, die jedenfalls gleichzeitig von demselben Meister
für die Nürnberger Familie Löffelholz angefertigt wurden und jetzt sich im Germanischen
Museum in Nürnberg 4 5 befinden. Die drei Löffelholzischen Bände sind.nicht datiert. In dem
einen Einband (Löffelholzisches Archiv D, 632) ist aber eine Pergamenturkunde von 1468 6
mit eingebunden. Diese Jahreszahl genügt jedoch, um als terminus post quem für die Datierung
der drei Einbände zu gelten. 6 Sie werden wahrscheinlich in einem der folgenden Jahre ent¬
standen sein, um 1470, also etwa um dieselbe Zeit, wie Mitius den Erlanger Bibeleinband
ansetzen will. 7 Damit ist aber auch die vermutliche Entstehungszeit für den Leipziger Leder¬
schnittband gegeben.
Die Mentelinsche Bibel ist jedenfalls wie die Kobergersche Bibel vom Jahre 1483 und
so viele andere wertvolle Stücke der Leipziger Stadtbibliothek geschenkt worden. Genaueres
ließ sich über ihre Herkunft nicht feststellen, da sie in dem Geschenkbuch der'Bibliothek,
das von 1684—1710, allerdings nicht lückenlos, geführt wurde, nicht erwähnt wird. Jedenfalls
ist sie vor den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts in die Stadtbibliothek gekommen, da
der Observator der Bibliothek Wilhelm Anton Schulze in einer etwa von 1794—1797 ent¬
standenen, nur handschriftlich erhaltenen Beschreibung der Bibliothek Seite 49 schreibt: „Das
älteste gedruckte Buch ist die Bibel von 1460 (siel), da alle Anfangsbuchstaben noch ge-
malet seyn.“ Der prachtvolle Einband wurde damals nicht für erwähnenswert gehalten.
Der Wolfenbütteier Einband (41X30,5 cm [Bild 5]), über den bisher noch nichts ver¬
öffentlicht wurde, ist hinsichtlich Technik und Komposition dem Leipziger und Erlanger Einband
ebenfalls nahe verwandt Seine Heimat ist zweifellos auch Nürnberg, wo er vermutlich auch
um 1470 entstanden sein wird. Ein besonderes Bindeglied mit den anderen beiden Bibel¬
bänden hat der Wolfenbütteler Einband darin, daß auf dem Mittelfeld des Vorderdeckels auch
Figuren aus dem größeren Kartenspiel des Meisters E. S. kopiert sind. Im oberen Mittelfeld
die Oberkörper zweier Ringer, von denen der linke einen Hut mit einer Feder, der rechte
langes Haar trägt, und die beide die Rechte in die Hüfte stemmen und die Linke auf den
Arm des Gegners legen, sind nach der „Menschen-Vier“ kopiert Der Schwertfechter im
unteren Mittelfeld stammt aus der „Menschen-Acht“. 8 Ferner ist die Leiste, die das Mittel¬
feld des Vorderdeckels von der äußeren Rahmenfläche trennt, mit derselben durch Perlpunze
und leichte Einschnitte gebildeten sternförmigen Rosette verziert wie auf dem Leipziger Ein¬
band. Auf der rechten Seitenfläche des Rückdeckels ist ein ähnlicher grotesker Drache ein¬
geschnitten wie auf dem Mittelfeld der Rückdeckel des Leipziger, Erlanger und Löffelholzi¬
schen Einbandes (Löffelholzisches Archiv D, 631). Dem Löwen auf der oberen Rahmenfläche
1 Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten. Begründet von Karl Dziatzko f, 28. Heft. Leipzig 1909,
Seite 8 ff. Tafel II und m.
2 Abgebildet bei Jean Loubier „Der Bucheinband in alter und neuer Zeit". Berlin u. Leipzig [1904], Seite 64.
3 Beschrieben und abgebildet bei Theodor Gottlieb „Bucheinbände der Hofbibliothek in Wien", Wien (1910),
Nr. 81 u. 82, und bei Jean Loubier „Der Bucheinband", Seite 62.
4 Beschrieben und abgebildet im Katalog der im Germanischen Museum vorhandenen interessanten Bucheinbände.
Nürnberg 1889, Seite 17 ff. (Löffelholzisches Archiv D, 631).
5 Wie Essenwein in seinem Katalog bei Nr. 632 zu der Jahreszahl 1459 kommt, ist nicht aufzuklären.
6 Ihr Besitzer war jedenfalls der Nürnberger Ratsherr Wilhelm Löffelholz (1420—1475).
7 Mitius „Fränkische Lederschnittbände", Seite 12.
8 Max Lehrs „Die Spielkarten", Fig. 2 und 6; und Lehre „Katalog", 2. Band, Nr. 242 und 246.
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104 Hofmann: Lederschnittbände aus dem 15. Jahrhundert mit Kopien des Meisters £. S.
des Rückdeckels in ganz ähnlicher heraldischer Auffassung begegnet man auf der Rückseite
des schon erwähnten Lederschnittbandes in der Hofbibliothek in Wien 1 und auf zwei Ein¬
bänden in Bamberg und in Erlangen, die Mitius auch als Nürnberger Arbeiten bezeichnet
hat* Auch stimmt die Behandlung des Rankenomaments auf dem Wolfenbütteier Einband
mit der auf dem Leipziger und Erlanger Bibelband überein.
Den Einband der Mentelinschen Bibel in Bamberg weist Mitius 8 einer Gruppe von Leder¬
schnittbänden zu, die unter Nürnberger Einfluß in Bamberg entstanden ist Ergänzend sei
hier nur noch bemerkt, daß auf dem Boden unter den eingeschnittenen Figuren teilweise
dieselben typischen, stilisierten Pflanzen sich wiederfinden wie auf den Bibeleinbänden in
Leipzig und in Erlangen. Ferner kann man vermuten, daß der Sündenfall im vorderen Mittel¬
felde ganz frei, aber doch mit einer gewissen Abhängigkeit nach dem gleichnamigen Stich 4
des Meisters E. S. eingeschnitten wurde. Dieser Einfluß scheint mir ersichtlich in der Dar¬
stellung des Baumes der Erkenntnis mit der um den Stamm gewundenen Schlange, dem
von Adam in der Rechten gehaltenen Blätterbündel, dem lang herabfließenden Haar der Eva
und der ihre Blöße deckenden Hand.
Vorstehende Untersuchung soll nur ein kleiner Materialbeitrag zu der noch zu schreibenden 6
zusammenhängenden wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte des Bucheinbandes sein.
Als Ergebnis läßt sich die merkwürdige Tatsache feststellen, daß für die vier Lederschnitt¬
bände der ersten deutschen Bibel des Straßburger Druckers Johann Mentelin Stiche des ver¬
mutlich auch oberrheinischen Meisters E. S. als Vorlagen dienten, die Werkstatt dieser vier
Einbände aber in Süddeutschland, insbesondere in Nürnberg, zu suchen ist Daß aber der
Straßburger Druck der ersten deutschen Bibel, der fiir das geistige Deutschland in jeder
Beziehung ein außerordentlich bedeutungsvolles Ereignis war, nicht in einen so kostbaren
Lederschnittband gebunden wurde, der auch aus Straßburg stammt, läßt den Schluß zu, daß
im ausgehenden 15. Jahrhundert die Buchbindekunst in Nürnberg von einem höheren künst¬
lerischen Geiste erfüllt war als in Straßburg.
1 Siehe Anmerkung 3 Seite 103.
2 Mitius „Fränkische Lederschnittbände <( , Seite 16 u. 21; Tafel V u. VII.
3 Mitius „Fränkische Lederschnittbände (i , Seite 38 u. 39; Tafel XII.
4 Max Lehrs „Katalog“, 2. Band, Nr. 1. Abgebildet bei Max Geisberg „Die Anfänge des Deutschen Kupfer¬
stiches“, Tafel 32.
5 Wertvolle Anregungen gibt hierfür Jean Loubier in dem schon genannten Aufsats in der Schwenkefestschrift
über die „Methodische Erforschung des Bucheinbandes“.
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io5
Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.
Mitgeteilt von
Felix Hasselberg in Berlin.
D ie drei inhaltlich bedeutsamen Briefe Friedrich Hebbels, die ich hier zum ersten Male
mitteilen kann, sind gerichtet an einen Mann, dessen Name heute nur noch wenigen
bekannt ist, der aber zu seinen Lebzeiten eine wichtige Stellung bekleidete. Johann
Valentin Teichmann (1791—1860) 1 hat von 1816 bis zu seinem Tode bei der Generalinten¬
dantur der KgL Schauspiele in Berlin gewirkt Als einfacher Kanzlist begann er unter dem
ihm persönlich befreundeten Grafen Brühl, schon 1821 wurde er Geheimer Sekretär und erhielt
1822 den Titel eines Hofrats. Er ist nacheinander der Mitarbeiter von vier Generalintendanten
gewesen, der Grafen Brühl und Redern, Küstners und Bothos von Hülsen. Seine Amtspflichten
bestanden hauptsächlich in der Korrespondenz mit den dramatischen Schriftstellern; aber weit
darüber hinaus war er in den verschiedensten Angelegenheiten des Hoftheaters tätig, besonders
geschätzt, als glücklicher Vermittler bei Konflikten innerhalb des Theaters oder mit der Öffent¬
lichkeit, wie z. B. der Presse. In ihm sah das größere Publikum den Vertreter des Hoftheaters,
und der vielseitig gebildete, stets liebenswürdige und hilfsbereite Mann erfreute sich in den
weitesten Kreisen allgemeiner Beliebtheit Hofrat Teichmann war im besten Sinne des Wortes,
was man damals einen „öffentlichen Charakter“ nannte.
Als Hebbel im April 1851 in Berlin weilte, um mit Küstner und seinem schon bestimmten
Nachfolger v. Hülsen über ein Gastspiel Frau Christinens für den Sommer zu verhandeln,
lernte er auch Teichmann kennen, der sich sehr gefällig zeigte. „Das Facto tum am Theater“,
schreibt Hebbel am 22. April seiner Frau, „ist Hofrath Teichmann , und dieser ist ganz auf
meiner Seite; wir sehen uns alle Tage und gehen Stunden lang im Thiergarten mit einander
spatzieren; er ist ein sehr liebenswürdiger Alter, auch seine Frau gefallt mir recht wohl“
(Briefe IV, 283). Das eingeleitete freundschaftliche Verhältnis wurde durch Briefwechsel wach
gehalten. Teichmanns Briefe, die halb dienstlich, halb persönlich gewesen zu sein scheinen,
sind bisher nicht bekannt geworden, wohl aber einige Briefe Hebbels, die man in Werners
Ausgabe findet (Bd. IV u. VIII). Beweisen schon diese bereits bekannten Briefe durch Ton
und Inhalt, daß Hebbel für Teichmann wahre Freundschaft und hohe Achtung empfand, daß
ihm dieser Briefwechsel nicht nur Konventionssache war, so wird dieser Eindruck durch die
mir vorliegenden drei Briefe Hebbels bestätigt und verstärkt
Der erste Brief (4 Seiten Gr.-8°) ist die Antwort auf ein Schreiben Teichmanns, in dem
er, offenbar in dienstlichem Aufträge, sich nach dem Erfolge von Hackländers Lustspiel „Der
geheime Agent“ in Wien erkundigt und außerdem Vorschläge für das Berliner Gastspiel von
Christine Hebbel gemacht hatte. Hebbel schreibt:
Penzing b. 28 ÜÄttp 1851 .
@te »ünfchen, f)od)seref)rter Jperr unb Jreunb, von mit gu erfaßten, tote bet Oetyeune ftgent 901t Hacklaender
in Wien aufgenommen »orben fep. 3 $ beeile mich, 3h nen bßtubet mttgutheilen, wa$ ich weiß.
2lul eigener Slnfchauung bin ich nicht unterrichtet, benn ich befuge bol ©urgtheater faffc nie, unb gehe namens
Uch ***<$* in bie mobetnen Sufffptele, benen ich ih tcn temporairen SBerth burchau* nicht abfprechen will, bie aber meinen
5lnftchten übet bie Aomobie gu fern flehen, all bafj fte mich gu befriebigen, ober auch nui i« teigen oermogten. Dieb
©efemtmiß mtrb @ie von beut ©erfaffet be4 Diamanten nicht übetrafchen; beifit ** in bem Prolog gu biefem hoch!
„3$ »in ihn nicht, ben ©aflarb:2Bib,
Det, »ie ein nachgemachter ©li$,
Hu* ©laß unb Sebcr fläglich fpringt,
3<h »ify »aß auß bet Xieft bringt.
3<h »iß fein iflufhirteß SBott,
Daß heute g langt unb morgen borrt,
2BiQ ÜRenfchen, bie »ie Jacfcln brennen,
Unb ohne, baß ftc’d felbfl etfennen,
SBie ein erleuchtet Alphabet,
Dem ftnb, ber bie 9latur oerfleht.
Unb bammemb über ben ©eflalten
SDid ich ein »unberbareß ^Balten,
Drin, »enn auch 80ttg oon fern, ber ©eift,
Der alle SBelten lenft, fich »eift."
SWit einem 2Bort: mich interefftrt nur bie ariflophanifche Äomöbie, »eiche bie gange SGBelt umfaßt unb »eiche auch
©hnfefpeare in neuer jorm reprobuctrt fyat. 3^ r h at Xiecf fein Streben guge»enbet, ihr fuchte fleh Diäten auf bem
1 Vgl. die biographischen Angaben Franz Dingelstedts in seiner Ausgabe von Teichmanns literarischem Nachlaß
(Stuttgart 1863).
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io6
Hasselberg: Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.
freilich fein ung(üdUi$ gewählten unb noc£ obenbmn ©^afefpearc# groge T^at ntgirenben ©ege bfcectes ^ac^a^mung
)u nähern, xfyt gehöre aud) tc$ In T^törie unb ipraptl an. Tal) er rüget e# benn, bag teg Sitte«, roa# fett ben Tagen
©olteiel in ber entgegengefegten ©p^äre geworfen iß, nur fo weit fenne, all man mug, wenn ba# literarifcge ©tffen
niegt ein lüdengafte« bleiben fott, bag i(g mteg aber gatt) unb gar äuget ©tanbe fugte, el )u geniegen.
@o weit über biefen fgunct, ben wir »ietttitgt münblicg einmal wieber aufnegmen. 3cg gäbe ign nur berügrt,
bamit meine Slpatgie gegen bie mobemen 2ufffptele, unter ber meine perfonlicgen greunbe, §. 93. Q3auemfelb, leiben
muffen, ©ie niegt ju fegr befrembe. ©al nun bal Hacklaenderftge ©tüd betrifft/ fo iff el, wie i<g t>on allen ©eiten
göre, mit entfegiebenem 93eifall aufgenommen worben unb wirb fortwagrenb oor wogl befegtem J^aufe
gegeben. Öin ffreunb oon mir, Jperr oon Fritsch, 93ibliotgefar be# ffürffen Clary, beffen fttg Tieck noeg oon Teplitz
get erinnern bürfte, beffatigte mir ba# geffern; wenn alfo bie Journale bag ©egentgeil beriegten, fo gaben fle naeg
igrer löblicgen ©ewogngeit gelogen!
Jpier erregt jegt ber ploglieg auggebroegene ©agnftnn unb gleieg barauf erfolgte Tob bei ©tafen Sandor (fpr:
Schando), ©cgwiegerfognl bei Jürffen ©etternieg, niegt wenig Sluffegen. JDenfen ©ie ©ieg: er lügt ben gongen Tag
bie hobeln in feinem Jpotel tranllociren unb Sittel im buegffäbliegffen ©inne oon oberff }u unten (egren; bann befteglt
er feinem portier, bem ©tffen, ber tomme, ben .Ropf gu fpalten, unb wenn el aueg fein beffer Jreunb wäre. Sßatürßeg
maegt ber SÜSenfcg Slnjeige unb ber Unglücfliege wirb unter Slufftcgt geffettt; nun beginnt er, Subwig Sowe all Jgwlofeme#
(in ber Jubitg) gu coptren, unb bol gat er bil an fein ©nbe fortgefegt.
Ter 31 fte ©ap wirb alfo für 93erlin ein boppelter ffefftag werben, ©ie gern wäre ieg bort! Ohin, im ©riffe
bin ieg*!! ©äre el mir oergönnt, Tiecf perfönlieg meinen ©lüdwunfeg barbringen gu bürfen, fo würbe ieg einfaeg bie
©orte wiebergoien, mit benen ber oief gu frag gefegiebene Jutmermann bie Tebieation feine# ©üneggaufen feglof.
Vertreten ©ie mieg!
©ir würbe in biefen Tagen ein Drama jum Tureglefen aufgebrungen, (ber Trant ber iüergeffengeit, oon 93acg:
mögt) weil el — benfen ©ie ©ieg! — bureg mieg in’# geben gerufen feg. ©o etwa# iff mir noeg niegt oorgefommen;
offenbarer ©agnffnn, aber niegt jener pgantaffifege, in bem bal ©pfferium ber 'Ratut boeg gebroegen geroor tritt,
fonbem ein gö4enutroetener, all ob bie 3«glen oerrüeft burtg einanber liefen unb babureg f gantaffe gu erobern glaubten,
bag ffe begaupteten, gwet ©al gwet feg niegt megr oier. 1 Unb bal fott ieg oertreten! 'Rein, ba lag* ieg mir, fo oiel
ieg fonff aueg einguwenben gäbe, boeg lieber ben (Srbförffer gefallen, ben bie ©aria ©agbalena geugte,* ben Juba#
3fegariotg, ben ©imfon, bie Teborag u. f. w., welege bie Jubitg geroorrief, unb wal man will!
©eine grau lagt ffeg 3gnen beffenl empfeglen; igr iff bie Teborag lieber, all bie Julia in bem trioialen ©emer,
fte feglug legtere nur bei ©enrd wegen oor.
©it gestiegen ©rügen
3gr in freunbfcgaftliegffer £ocgfcbdgung
ergebenffer
Jr. J^ebbeL
©on Ofötfegcr gatte ieg geffern einen 93rief. 93eiliegenbel oon mir bürfte ©ie interrefftren.
In der Erläuterung dieses Briefes wie auch der beiden folgenden beschränke ich mich
auf das wirklich Notwendige.
Was Hebbel unter Hinweis auf Vers 331—344 des Prologs zum „Diamant“ über die
Komödie sagt, berührt sich mit Anschauungen, die er 1850 in der „österreichischen Reichs¬
zeitung“ bei Gelegenheit der Besprechung mehrerer Lustspiele (Mirandolina. Der zerbrochene
Krug. Der verwunschene Prinz.) vertreten hatte (Werke XI, 352 f.).
Über den Wahnsinn des Grafen Sandor und sein Kopieren Ludwig Löwes ist auch
Hebbels Tagebuchnotiz vom 23. Mai 1851 zu vergleichen (Tageb. III 391 Nr. 4879). Die
„Judith“ mit Löwe als Holofernes war am Burgtheater zum ersten Male am 1. Februar 1849
gegeben worden und wurde oft wiederholt.
Wenn Hebbel vom 31. Mai als einem doppelten Festtage flir Berlin spricht, so ist einmal
die feierliche Enthüllung von Rauchs Denkmal Friedrichs des Großen und dann der Geburts¬
tag Ludwig Tiecks gemeint. Hebbel hatte Tieck, der auch mit Teichmann befreundet war,
im April kennen gelernt und einen unvergeßlichen Eindruck gewonnen. Die Schlußworte von
Immermanns Dedikation an Tieck im vierten Teile des „Münchhausen“ lauten: „. . . leben
Sie noch lange, leben Sie munter und kräftig fort, sich und uns zum Segen I“
Die Kritik des Bachmayerschen Dramas „Der Trank der Vergessenheit“, die Worte
»»Offenbarer Wahnsinn“ bis „nicht mehr vier“, hat Hebbel auch im Tagebuch festgehalten mit
dem Zusatz „Brief an Hofr. Teichmann vom 28. May 51“ (Tageb. III 391 Nr. 4881, Briefe IV 302).
Über die Nachahmungen seiner Dramen hat sich Hebbel in dem großen autobiographischen
Briefe an Saint Rend Taillandier vom 9. August 1852 ausgesprochen. Von der „Judith“ heißt
1 ritt auf Rasur, darunter noch lesbar fünf.
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Hasselberg: Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.
107
es da: „Nachgeahmt ist das Stück viel geworden; £ur das Beste, was es in’s Leben rief, halte
ich den genialen Simson von Gärtner; für das Schlechteste den maßlos cynischen Judas
Ischarioth von Elise Schmidt/* Von der „Maria Magdalena** sagt Hebbel: „Auch dieß Drama
hat der Nachahmungen in Menge hervorgerufen, die neueste ist der Erbforster von Ludwig,
in dem der Meister Anton fast copirt ist“ (Briefe VHI, 32 ff.). Den „Judas Ischarioth“ hatte
Hebbel schon 1849 in einem Briefe an Bamberg einen Bastard seiner „Judith** genannt
(Briefe IV, 144). Die „Deborah“ ist das bekannte Drama von Mosenthal. Daß Otto Ludwigs
„Erbförster** durch Hebbel stark beeinflußt ist, wird heute wohl allgemein zugestanden. Wie¬
weit Hebbels Ansicht hinsichtlich der anderen Dramen berechtigt ist, wäre zu untersuchen.
Der Schluß des Briefes bezieht sich auf Frau Christinens Gastrollen; die Julia ist die
weibliche Hauptrolle in Gutzkows „Werner**.
Der in der Nachschrift erwähnte Brief Rötschers ist bisher nicht bekannt geworden. Die
Beilage wird wohl Hebbels Berliner Korrespondenz vom 23. April im „Wanderer** vom 1. Mai
gewesen sein, in der auch Teichmanns gedacht ist (Werke X, 176 fr.). —
Am 26. Juni schrieb Hebbel wieder an Teichmann und kündigte sein Eintreffen für Anfang
Juli an (Briefe IV, 309). Tatsächlich weilte er denn auch mit seiner Gattin, die ihr Gast¬
spiel durchführte, bis zum 25. Juli in Berlin. Der Verkehr mit dem Ehepaare Teichmann war
sehr rege, und auch die Frauen schlossen herzliche Freundschaft. In Hebbels Rückblick auf
diesen Berliner Aufenthalt heißt es von Teichmann: „Durchaus edel und gebildet** Hebbel war
mit solchem Lobe nicht verschwenderisch, und die wenigen Worte, den verschwiegenen Blättern
des Tagebuchs anvertraut, bedeuten gewiß eine hohe Anerkennung für Teichmanns Persönlichkeit
Nach Wien zurückgekehrt, wurde Hebbel durch Arbeiten so in Anspruch genommen, daß
er erst im September wieder an freundschaftlichen Briefwechsel denken konnte. So ist auch
der nächste Brief an Teichmann, den ich mitzuteilen habe, vom 10. September 1851. Er
lautet (5 8 / 4 Seiten Gr.-8°):
©ien b. loten ©ept. 1851.
petzen ©ie mich ntegt fhäfttc^er ©aumfeligfeit, mein veregrteflee ffreunb, wenn ich erft jegf baju fomme, 3 &nen
für bie viele Siebe unb ©üte, womit (Sie un* in ©erlitt überhäuften, au* vollem Jpetien nocg einmal |u banten!
©agrlicg, bal ifl mein gehler nicht, fo viel ich &« en auch gaben mag. Aber ich * am von meiner {Reife, bie mich/
wie ©ie vielleicht noch erinnern »erben, auch noch nach Hamburg führte, fehr abgefpannt §urüd unb war in ben erften
acht Dagen )u jeber Dgätigfrit unfähig; natürliche golge ber mannigfaltigen Aufregungen, bie mit einem Au*flug,
wie bem unfrigen, hoch immer verbunben ftnb. Unb bann mugte ich f*b* angefhengt arbeiten, um Ade* ju erlebigen,
wa* fchon anberthalb ©onate auf mich gewartet hatte, Sunacgfl mugte ich für bie Münchner J^ofbügne meine ©eno;
veva einrichten, weil ber Jntenbant fte bringenb begehrte, um fie geitig für ben ©intet ein|htbiren taffen ju lönnen.
©ie wiffen, wie viel ba|u gehört, wenn ein ©ebiegt, ba* für einen beutfehen ©ügnemAbenb |u grog unb in bem
trogbem Jeber eine Olotgwenbigfeit ifl, verfürjt werben unb bennoch verflänblicg bleiben foH. Darauf mugte ich
(unb mug ich nocg) «ne ©enge Novellen lefen, weU ber Oefferreicgifthe Slopb in Driefl einen frei* auf bie befle
Novelle für fein gamilienbuch gefegt gat unb ich m ich befegwagen lieg, neben ©riflparjet unb ^ermann*thal ba*
{preUricgteriAmt $u übernehmen. Der <prei* ifl nicht unanfehnlich; ©ie fonnen hoher leicht benfen, wie viele gebem
ftch in ^Bewegung festen, ihn |u gewinnen, (Snblicg bin ich £«au*geber be* %wglaffe* unb ber fammtltcgen ©erfe
unfere* früheren Unterricht*minifleT*, be* ©aron* €rnfl von geucgtertleben. Damit ,ifl auch nicht wenig Arbeit oer;
bunben unb ber ©erleget bringt. Auf geuchter*leben, wenn ©ie ihn nicht fchon fennen fodten, 3 . ©. au* feiner bereit*
in zehnter Auflage erfchienenen vortrefflichen Diätetif ber ©eele, mache ich nebenbei aufmerffam. €r gehört ju ben
etfreulichflen ©rfegeinungen, bie jemal* au* JDeflerreicg h«vorgingen, hat feine ©ilbung fafl gang au* ©oetge gefogen
unb biefen reinen ©aft in eblen grüchten, (grogenthril* ©onfeffionen) weiter geleitet. Dgnt Zweifel wirb bie ©amm?
lung feiner ©Triften aflen ©ebilbetcn in Deutfchlanb gur greube gereichen, we*halb ich &« Aufforberung ber ©ittwe,
fte gerau*jugeben, gern entfpraeg, obgleich ich ptrfonlich «n groge* geitopfer bafür bringen mug. Jpier gaben ©ie ein
iRegifler ber Arbeiten, bie ftch gmifchen mich unb nt eine greunbe fledten; nicht wagr, e* ifl grog genug? Jcg mugte,
um nur fertig gu werben, fogar bie Au*fügrung einiger meiner Iiebflen 3 been, ©ott weig wie lange, verfegieben.
An ben Aufenthalt in ©erlin benfe icg mit ber grogten greube gurücf. 3cg gatte — warum fodte icg’* laugnen?
— gegen freugen* ©etropole einige ©orurtgeile, aber bie meiflen bavon ftnb verflogen unb bie übrigen gaben fteg in
Urtgeile umgewanbelt, alfo ©runb, ©aag unb ©egranfe gefunben. ©* ging mir eigen, ©enn man viele 3agre im
©üben jubraegte, wirb ©inem ber Olorben, obgleich bort bie eigene ©iege flanb, etwa* fremb, ja unverflanblicg. Aber
ba* bauert niegt lange, man finbet ft cg in bie alte, gewohnte ©eife wieber hinein unb erflärt fte boeg julegt für bie
begaglicgere, weil fte bie verwanbtere ifl. 3$ lebte boeg am ©nbe, wenn teg Ade* genau erwäge, lieber bort, al* gier,
befonber* feit bem legten grogen ©reignig, beffen Tragweite fJHemanb berechnen fann, unb über ba* man fug eben
barum aueg ba* ©nburtgeil Vorbehalten mug.
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io8 Hasselberg: Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.
E* fällt mit ein, baf man in Deutfc^lartb eine in JDefterrei^ etfc^ienene @c^tift fafi nie ju fennen pflegt, freilich
aud) nur in ben feltenjkn faßen )u fennen brauet. De*F>alB (ege xd) 3 Bmn mein Ep. üon f eu4ter*leBen’*
Diätetif ber ©eele Bei; |»ar ifl e* nur ein* t)on bet (elften AufL unb e* ftnb feit bem Xobe be* ©erfaffet* in
ben lebten jtuet 3 a$ten noc£ vier erfcbienen, aber e* tfi nichts (Heue* l)inju gefommen. 34 fd< »erbe fc$on bun^
bie fämmtltc^en SBerfe entf$äbigt, welche natürltd) bie Dtäterif mit enthalten unb ba* gebiegene ©üd)lein bürfte
namentlich 3*> rfr Stau ©ematyltn viel Anregenbe* unb ‘XxÖfiltctye* Bieten, liefet Bitte ich ^enn, e* in meinem tarnen
|u fugen ju (egen.
2 Beiter üBerfenbe ich 3h nen ein Epemplat eine* 2ieBling*ftö(f* #on mir: ber OiuBin, »eiche* ber ©uc^änbler
au*gejlattet fyat, »ie in Deutfchlanb noch fehen etwa* au*geflattet würbe. Staunen »erben @te, wenn ich 3 $ nm f a 8 e ,
baf? man biefe* ^armtofe, in tyetterfier Darfleflung unb Äanfmmg be* Drientaü*mu* ftch ergehenbe, übrigen* nicht
entlehnte, fonbem non mir felBji erfunbene ©tär^engeBilbe hier-nun, »ie »o^l? — politifch nahm. 3^*
fchämt man fleh freilich, aber nur, »eil eine (Wenge wahrhaft gebiegener Äritifen bie SBiberftnnigfeit 311 fchlagenb
nach wie*, ®H &afj man baBei f)äm Beharren fönnen. Soffen Sie Sich bie anfpruc^lofe fleine ®abe al* ein Reichen
aufrichtigfler Hochachtung gefaßen.
Snblich lege ich noch nieinen Michel Angelo Bei, biefen mit ber ©ttte, ihn bem Herrn ©aron oon Hülsen
oorlegen ju woßen. DaBei Bemerfe ich ^achflehenbe*. Schon Herrn 0 . Äufhter uBerfanbte ich ba* Stüd, erhielt e*
aber mit bem gewöhnlichen lithographirten Schreiben, womit man Primaner aBfertigt, juräcf unb Ijorte fpäter non
Rötscher, bag e* ihm (Äüfhter) für bie baran ju fefcenben Äofien ju flein gewefen fep. Da* factum festen mir für
bie Äontgl. ©ühne BetruBenb unb ba ich * on ben Benorfhfjenben ©eränberungen hörte, fo Behielt ich ** f“ r mich»
(Wtttlerweile würbe ba* Stucf hier in ÜBien non Jpoltep norgelefen unb erwarb fleh ben grögten ©cifaß, fo bag bie
(Wündjjner H®f4*ater:3ttfen&anj e* ftch augenblidlich non mir au*Bat, bie e* auch im HerBffc bringt. Da ba* Stucf
nun nach bem Urtheil ber competenteflen (Richter in würbiger form ba* SBürbige Bietet; ba e* eigentlich ein (Programm
ifbem bie Äünfiler unb &un|bförberer in aßen Greifen Beiffimmen mügten, inbem e* ba* 9fi<ht*»ürbige Bi* auf*
föugerffr Befämpft; ba e* nicht im (Wtnbefien gegen bie Dl>eater:Eom>emen$ nerflögt unb ba bie materieße „Kleinheit"
ohne aßen gweifel nur fehr SBenigen, wenn überhaupt mehr al* Einem, al* ein ftfchhaltiger ABletynung*grunb erfcheinen
bürfte, fo Bin ich f® frei, biefe Ablehnung al* nicht norgefaßen ju Betrachten, unb bem neuen Sehet be* 3nftftut* ba*
SBerf al* ein ber 3ntenbang Bi* jept unbefannt gebliebene* ju überreichen. 34 füge noch $* 1311 , bag ich 1° etwa
anberthalb (Wonatett ein fleine* Sufifpiel („©ier Nationen unter Einern Dache" ^eifjt ber Xitel, ben ich f“ r Sich 3 «
Behalten Bitte) nachfenben fann, faß* e* jur füßung be* ABenb* gewünfeht werben foßte, bag aber München ba* (Recht
auf bie erfte Aufführung be* Michel Angelo erlangt hat unb auf biefe* (Recht ®ewu$t legt, fo bag ©erlin nur nach;
folgen fönnte. Darf ich, »rrehrtefler freunb, in biefer fleinen Angelegenheit, auf 3h w Unterfhtyung rechnen? E* liegt
mir fehr baran, mit ber (Wetropole Olorbbeutfdjlanb* in g ei füget ©erBinbung ju Bleiben unb ba* um fo mehr, al* ich
al* Dichter mit bem ©lief;. Ang. in ein gang neue* Stabium getreten Bin, in ein Stabium, ba* mich ber realen
©ühne um ©iele* näher führen unb mir bie meiffen ehrlichen ©egner netfofjnen bürfte.
2Ba* fagen Sie ju biefem Hrrbff? ©ei jebem (Regentage benfe ich 0X1 fccn «hrwürbigen Xiecf. SBelch ein Um
glücf; gerabe jept ein folcher Sommer! 34 wage faum, nach 4 m 3 « fragen. 34 f4rdöe 4» h«te auch, obglei4
ich ben Auftrag an frau non ©oethe, mit bem er mich Beehrte, nur erffc theilweife au*richten fonnte.
9hm leben Sie wohl, theuerffer freunb! Empfehlen Sie mich unfc nteine frau 3h rem ^h c f auf* ©effe, unb
Bringen Sie un* 3h m frau ©ernannt in Erinnerung, bie Bei un* ©eiben einen tiefen unb BleiBenben Einbrud
hinterlaffen hat.
©He immer
gang ber 3$rige
fr. HröbeL
Zur Erklärung dieses Briefes ist nur wenig hinzuzufugen. Was Hebbel über seine Um¬
arbeitung der „Genoveva“ für die Münchener Hofbühne, von seiner Tätigkeit als Preisrichter,
seiner Herausgabe von Feuchterslebens Nachlaß sagt, erklärt sich selbst und bietet sachlich
nichts Neues. Wertvoll dagegen ist das Bekenntnis des in Wien eingebürgerten Dichters zur
norddeutschen Art. Wenn er von „dem letzten großen Ereigniß“ spricht, das ihm den Aufent¬
halt in Wien verleide, so ist das wohl nur auf politische Dinge zu beziehen. Äußerungen
Hebbels aus derselben Zeit, die sichere Aufklärung gäben, habe ich nicht gefunden. Doch
scheint mir sicher, daß er an die fünf kaiserlichen Handbilletts vom 20. August 1851 denkt,
durch die der Kaiser die völlige Aufhebung der Verfassung von 1849 vorbereitete, indem er
bestimmte, daß die Minister fortan nur ihm selbst verantwortlich sein sollten. Auch Vamhagen
von Ense nennt diese Verfügungen in seinem Tagebuche einen großen Schritt.
Ober den „Rubin“, sein Bühnenschicksal und seine politische Ausdeutung findet man das
Nähere in Werners gründlicher Einleitung zu diesem Stück (Werke III, S. IX—XXVI).
Den „Michel Angelo“ hatte Hebbel am 5. Januar 1851 an Küstner gesandt und als un-
verwendbar zurückerhalten. Den Grund der Ablehnung erfuhr er in Berlin von Rötscher.
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Hasselberg: Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.
109
„Wegen des Michel Angelo war Rötscher so empört, wie ich selbst; das Comit6 hatte gemeint,
die Inscenirung des Stückes werde sehr viel kosten, und dazu sey es zu klein“ (Brief an
Christine vom 15. 4. 51, IV 273).
Das Lustspiel „Vier Nationen unter einem Dache“ hat Hebbel nicht vollendet. Es blieb
bei einem größeren Fragment, das bei Werner zu finden ist (Werke V, 283 ff.). Da die wich¬
tigste Handschrift des Fragments ähnliches Papier aufweist wie die Gyges-Handschrift von
1854, gibt Werner 1854 als Jahr der Abfassung an, allerdings mit einem Fragezeichen. Unser
Brief beweist nun, daß Hebbel im Herbst 1851 an diesem Lustspiel gearbeitet hat; aus dieser
Zeit wird also auch das erhaltene Fragment stammen. Am 6. Oktober schreibt Hebbel an
Rötscher: „. . . ich habe in dieser Zeit ein kleines Lustspiel angefangen, das über die Hälfte
fertig gebracht wurde“ (Briefe IV, 326). Werner bemerkt in der Anmerkung: „Vielleicht
»Vier Nationen unter einem Dache«?“ und wir können nun feststellen, daß er an dieser Stelle
richtig vermutet hat.
Der Brief an Tieck, den Hebbel am gleichen Tage schreiben will, ist nicht bekannt.
Vielleicht ist seine Abfassung auch unterblieben mit Rücksicht auf die nur teilweise Aus¬
führung des Auftrags an Ottilie von Goethe. —
Ich lasse den letzten der mitzu teilen den Briefe (5*/ 4 Seiten Gr.-8°) folgen:
Wien b. Hten $ebr. 1852.
©erehrteßer Jperr unb $reunb!
ßBenn ich 3h re lieben geilen nidit fogleicfj beantwortete, fo hatte el bieg ©Tal nicht in einer Ueberhäufung
mit Arbeiten unb ©efchäften feinen ©runb, fonbern in einer tiefen ©erßitnmung, wie fte ßch meiner guweilen bemächtigt*
3$ weiß nicht, ob ©ie biefen guffonb Tennen; er fommt ofjne Urfadje unb »ergebt auch »ieber ofjne Urfache, macht
mich aber ju jeber TljätigTeit, ja felbß für ben Umgang unfähig unb legt mir bie tpfUc^t auf, mich ganj jurücf ju
jieben, weil ich nur ßorenb »trTen fönnte. 3 ^ IHbe baran oon 3 u 8 en b auf, Tann jeboch fagen, baß bie 3nteroade
immer großer »erben unb baue barauf meine Hoffnung, bie nächtlichen Dämonen, bie mich bann quälen, bereinß
noch *intnal gänjtich entweichen ju fehen, »enn bal anberl irgenb einem ©Tenfchen befcgieben iß. 3e$t iß mir ber
Äopf »ieber frei, ber ©licT »ieber f>cü unb bie erße ©riefßhulb, bie ich ab trage, iß bie an ©ie.
©Teine gußhrift an Hülsen fodte für ©ie gewiß ni^tl ©erle$enbel enthalten; bal glaubte ich baburch genügenb
anjubeuten, bag ich mich auf 3h ren amtlichen <5harafter bejog, ba ich @ie ja nicht ganj aul bem (Spiel laßen
Tonnte. 3 $ f fl 8te aulbrücflich, bag ich benjenigen <Punct 3h rc * Briefe* nicht oerßanben hätte, ber mein ©tüdf betreffe,
unb bal »ar ja eben ber officielle, ber Aulßuß ^ttx ©tellung, nicht 3h rer ^erfonlichTeit. ©un, ben oer=
ßanb ich n>irTiich nicht, »ugte aber fcl>r »ohl, bag ich el nicht mit 3h nen §u thun habe, fonbern mit 3h re «t Amt,
unb hoffte, bag ©ie eben fo unterfcheiben würben. Dal »erben @ie auch/ nicht wahr? Unb in ber ©ache ßimmen
©ie mir ohne allen 3»etfel bei, benn bal Einlaufen einer ©Taße bramatifchen ßBußel Tann el hoch freier nicht motioiren,
bag rin 2BerT oon mir ungelefen liegen bleibt; »enn aber auch »irHich bol ©inganglbatum OTegel unb Öltchtfchnur
für bie Srlebigung abgäbe, fo hätte ich tt0r bem £erm €arl ©nglo», ber erß lange nach m i r Inm, abgefertigt »erben
müßen, unb htute alfo in bem einen, »ie in bem anberen $aöe ©echt. (2$ iß mir ©ichtl peinlicher, all oon mir
felbß ju reben, unb ©ie haben biefen ©ommer gewig nicht bol ©egenthril gefunben; el giebt aber Momente, »0 el
Pflicht »itb, unb bie treten jebel ©Tal rin, »enn bie ©elbßoerläugnung für eine Art oon ©uditätfcSrTlärung gehalten ju
werben fchrint. ©Tir Tarn nun oor, all ob ich, 3^ m 3 n fti tut 8*8*«über, biefe ©efahr liefe unb bagegen mugte ich
mich f<hü$c n * Saturn mugte ich nothgebrungen an bie ©tedung erinnern, bie mir ®reunb unb grinb in Deutfchlanb
unb auger Deutfchlanb rinräumen. 01 iß »ahrlich fehr ungern gesehen, benn ich oerfchob el bil jum lebten Augen;
»lief; ich wartete nach Empfang 3hwl Driefel ja noch jwei Monate.
An unb für ftch Tann el mir freilich )iemlich gleichgültig fepn, ob mein ©Tichel Angelo in ©erlin gegeben wtrb,
ober nicht, »enn bie Aufführung jwißhen mir unb bem 3nßitut nicht eine bauembe ©erbinbung einleitet. 3$ badete
aber, bal fodte bie Jolge fepn, benn el liegt nach meiner Meinung im beiberfeitigen 3ntereße. 01 iß fehr fchon, bag
©haTefpeare überad »ieber in ©eene geht unb bag man namentlich ben ©Tacbeth aul bem ©chiderßhen (procrußel;
©ett erlöf’t, aber bal hrigt, »al bal Dheater felbß betrifft, hoch im ©runbe — ©ie migoerßegen bieg 2Bort nicht —
nur ©Tebicin nehmen unb ©Tebicin iß Teine ©ahrung. Die Nahrung Tann immer nur oon ben einhrimifchen, ßch
aul ber Nation felbß entwicfelnben Talenten Tommen; el giebt gar Tein ©rifpiel bei ©egentheill unb auch
0nglanb würbe nie einen ©haTefpeare erhalten haben, »enn el bie Äpb, ©reene unb ©Tarlome, bie ihm ben 2Beg
bahnten, ignorirt hätte. ©Tan wirb alfo auch bei uni, wenn bie beabßchtigte Reform nicht auf leerel ©eTlapper hinaul
laufen fod, auf bie eigenen Talente jurücf Tommen müßen; unb jwar nicht blog auf ©oethe unb ©chider, bie ja neben
©haTefpeare auch f° gut wie gan| oerfchwinben, fonbern auch auf bie Uebrigen. ©Tan wirb oon Tied bal Darßedbarße
(oor Adern ben frifchen, Seben fprühenben Jortunat) oon 2Bemer bal ©emünftigße (j. ©. ben futher, wenn auch
©efritigung einiger ©Ttjßirilmen, bte leiber nicht mpßifch ßnb) oon Älriß bal am wenigßen ©ridenhafte, unb oon
einigen Anberen bal am wenigßen Trioiale geben unb mit ©ewalt auf bem [Repertoire erhalten müßen. ©Tan wirb
XIII, 14
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IIO
Hasselbcrg: Ungedruckte Briefe Hebbels an Teichmann.
bann au$ ber ©egenwart ba« ©efkfct juwenben müffen, unb ba mürbe e« bo<£ wunbeTlid) jugefjen, wenn man ni<f>t
au<f) auf tni($ färne; auf mich, ben felbfl ber Styabamani unfern Dage, ©enrinu«, für ben einigen ©aum unter
utelem ©efhrüpp erflärte. Wan mag meine Arbeiten vom abfoluten ©lanbpunct ati« beurteilen, wie man will: im
©ergleicb mit ben Setfhingen ber geitgenoffen wirb fte Wiemanb wegwerfen, nod) weniger aber uerfennen fonnen, baß
e« feine Oletenmeijlerjlücfe, fonbem <probucte ber ©egetflenmg ftnb. Da nun bie flcffliten ©ebenfen, auf bie metne
Srflltnge fließen, flcb bod) gewiß im Herodes unb im Michel Angelo nutyt mel)r ftnben, fo foUte benfen, baß id)
oljne eine fdnetenbe Ungerec^tigfeit gar nicf>t me^r au«gefdjlo(Ten werben fönne. 3a &tn fogar — oerjeifjen @te
meine Aufridjttgfett! — ber Meinung, baß ify einige Unterflüfcung oetbiente, beren ber Dieter immer bebarf, wenn
ber ©üJjneiuVorjlanb nid)t felbfl au« ber Aeftyerif ein ©tubium gemalt f>at. 9liemanb i)at ben .Stampf für Dterf,
itletfl u. f. w., ber neuen «Schule gegenüber, oorn erjlen Moment an mit fo viel Energie unb (Sonfequenj geführt, wie
icß; bereinuiüige freunbe f>abe xd) fel>r oft baburd), baß xd) fprad), wo t<$ wentgflen« f)ätte föweigen fonnen, in heftige
^einbe »erwanbelt unb xd) fage nid)t ju mel, wenn i$ behaupte, baß neun Jefjnt^eile meiner ©egner e« nur be«l>alb
ftnb, weit i$ mic^ tyren Verunglimpfungen be« ^Uten wtberfefee. Sreiltd) ifl ba« bei meinen Ueberjeugungen nur
meine ipfiic^t, au$ bin xd) weit baoon entfernt, e« anber« ju betrauten; e« flefjt jeboef) audj fcfl, baß alle menf<£lid>en
Ver^älmtfFe auf ©egenfeitigfeit berufen. 3$ If 8 c 3& nen dne Äritif über ©truenfee bei, au« welker Sie erfeljen mögen,
baß mit ben jpäuptern biefer @c^ule felbfl bann ni^t capitulire, wenn fie Dljeatcr;Dtrectoren unb ©orgefefcte meiner
$rau geworben jlnb; baß tc$ e« büßen muß, brauche xd) ni<$t fctnju $u fügen, aber au^> nicht, baß ba« ©ewußtfepn,
bei iebem meiner (Schritte im Dienfte ber SBahrßeit ju flehen, mich troflet. Natürlich oerwerfe ich biefe Schule barum
nicht ganj, weil ich tßten Anmaßungen, unb namentlich ihrer ^ietatlofigfeit entgegen trete, fo wenig at« ich alte
in Aflem unb 3^bem, flumm unb bumm oerehrenb, gelten laffe; ju ben Unbebingten werbe ich nie gehören, aber
Siner ber ©erechteflen bemühe ich ntich ju werben.
Sie erfunbigen Sich nach nieinen bramatifthen Arbeiten. 3 U ©eihnacht \)oht ich ein neue« 2Berf ooßenbet, ba«
oon ben Wenigen in 2Dien unb außer SBten, bie e« bi« jeht fennen, f)od) «öer meine übrigen gefledt wirb unb wenig:
flen« in ftofflich;r ©ejteljung feinerlei ©ebenfen unterliegt. Wan will e« an ber ©urg geben, jeboch mit Aufopferungen
oon meiner Seite, in ©ejug auf ba« faiholifche Element, ju benen ich ntich erfl oerflehen fann, wenn e« anber«wo
Khon ohne biefe Aufopferungen über bie ©retter gegangen ifl. 3<f> »erbe e« be«halb wahrfcheinlich in biefen Dagen
an Jpülfen fenben, will 3&nen jeboch (einfhoeilen sub rosa) gleich Xitel nennen. €« ifl Agnes Bemaucr, bie
moberne Antigone, in treuljerjtger altbeutfcher $rofa, für bie ich Ini Vorau« 3h rc Sreunbfchaft, oiedeicht auch bie ©unfl
Dted«, in Anfpruch nehme; ich habe nie <3twa« mit größerer ©egeiflerung au«geführt.
Darf ich ©** bitten, mich Xtecf beflen« ju empfehlen unb ihm ju fagen, fein Dheobor (au« bem Sortunat) beftnbe
fleh »ohl unb gebe mir gumeilen bie <£hre? £ter lauft nämlich ein Wenfch h^ 1 »^ dn ©anquier=Sohn, ber bem
Dheobor auf« ^aar gleicht.
3h*er $rau ©emahltn oon un« ©eiben bie herglichflen ©rüße oon
3hrem wahrhaft ergebenen
Jr. JpebbeL
Wie dies Schreiben beweist, hatte die Entscheidung über den „Michel Angelo“ sich ver¬
zögert. Teichmann hatte dies dem Dichter amtlich mitgeteilt und mit der Menge der einge¬
laufenen Dramen entschuldigt. Hebbel muß darauf ein ziemlich scharfes Schreiben an Hülsen
gerichtet haben, in dem er sich über diese Behandlung beschwerte. Bald darauf hat Teich¬
mann offenbar die Annahme des „Michel Angelo“ gemeldet, und die Antwort auf diese Mit¬
teilung ist der vorstehende Brief. Zur Erklärung im einzelnen sei nur bemerkt, daß Hebbels
Aufsatz „Struensee. Eine Betrachtung über den Stoff bei Gelegenheit der Lauöeschen Bear¬
beitung desselben angestellt“ 1849 in der „Österr. Reichszeitung“ erschienen war. Im übrigen
spricht dieser Brief für sich selbst. Die Bekenntnisse, die der Dichter hier, wahrlich nicht nur
pro domo, dem Freunde gegenüber ablegt, entspringen innerster sittlicher Überzeugung und sind
ein vollgültiger Ausdruck von Hebbels künstlerischer und menschlicher Persönlichkeit. Auf Einzel¬
heiten näher eingehen, hieße nur die Wirkung des wertvollen Dokumentes abschwächen. —
Die Sendung der „Agnes Bernauer“ nach Berlin erfolgte wirklich am 16. Februar. Hebbels
Begleitbrief an Hülsen, bisher unbekannt, liegt mir ebenfalls im Original vor. Ich teile ihn
hier nicht mit Er soll in einer größeren Veröffentlichung seine Stelle finden, in der ich Hebbels
Beziehungen zum Berliner Hoftheater behandeln und das schon Bekannte mit vielem noch Unge¬
druckten von, an und über Hebbel zu einer zusammenfassenden Darstellung vereinigen werde. —
Die Handschriften der mitgeteilten Briefe sind im Besitze des Herrn Majors a. D.
Friedrich Wilhelm Isenburg in Berlin-Friedenau. Für die Güte, mit der er mir die kostbaren
Dokumente zur Herausgabe an vertraute, sei ihm auch an dieser Stelle aufrichtig gedankt. Im
letzten Grunde geht diese Veröffentlichung, wie ich zum Schluß dankbar zu bekennen habe,
auf eine Anregung Paul Bomsteins zurück. Von ihm, dem unermüdlich für Hebbel Tätigen,
erscheint Ende dieses Jahres im Propyläen*Verlag ein dreibändiges Werk „Hebbels Persön-
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Maas: Kleinigkeiten.
111
lichkeit. — Gespräche sowie zeitgenössische Urteile und Erinnerungen“. Bornstein ist über
Kuhs Biographie hinaus überall auf die Quellen zurückgegangen, er hat eine Fülle entlegenen
und ungedruckten Materials benutzt, z. B. auch Tagebücher des Großherzogs Karl Alexander.
Sein Werk wird in wesentlichen Zügen ein neues Bild Hebbels bieten, tiefere Schatten, aber
auch helleres Licht. Auf mein Anerbieten, ihn, wenn möglich, durch einzelne Untersuchungen
im Kleinen zu unterstützen, hatte Bomstein u. a. die Vermutung geäußert, bei Teichmanns
Nachkommen könnte sich wohl eine Hebbel-Tradition erhalten haben. Meine Bemühungen •
um den schriftlichen Nachlaß Teichmanns hatten den Erfolg, daß ich bei Herrn Major
Isenburg eine umfangreiche Handschriftensammlung kennen lernte, die auf Teichmanns
Schwager, Oberstleutnant Richard Isenburg zurückgeht und sich in der Familie vererbt hat.
Sie besteht zum großen Teil aus Briefen an Teichmann. Äußerungen Teichmanns über Hebbel
fanden sich zwar nicht, wohl aber die drei mitgeteilten Schreiben Hebbels an Teichmann
und der erwähnte Brief an Hülsen. So hat Paul Bornsteins Anregung zu der vorliegenden
Veröffentlichung geführt, und es ist mir eine angenehme Pflicht, mit dem Danke gegenüber
dem verehrten Forscher schließen zu können.
Kleinigkeiten.
Von
Dr. Max Maas in München.
i. Persische Literaturgeschichten in englischer Sprache.
B ei dem jetzt eingetretenen Mangel an ausländischen Büchern und Zeitschriften in deutschen
Bibliotheken sind wir sehr stark auf Mitteilungen und Besprechungen von Neuerscheinungen
in den englischen Tageszeitungen und Revuen angewiesen. So finden wir in dem Manchester
Guardian eine anregende Anzeige von zwei neu erschienenen persischen Literaturgeschichten,
die das Interesse der Z. f. B. gewiß erregen wird. Die zwei hervorragendsten pnglischen und
amerikanischen Gelehrten für die persischen Studien haben fast gleichzeitig bedeutsame Ge¬
schichten der Literatur, in erster Linie der poetischen, Persiens veröffentlicht, die durch eigene
Versübersetzungen einer Auswahl bester Dichtungen iranischer Autoren besondere Anziehungs¬
kraft ausüben. Professor A. V. Williams Jackson hat in seiner „Early Persian Poetry from
the Beginnings down to the Time of Firdausi,“ (New York bei Macmillan) die Geschichte
der persischen Literatur von den frühesten Zeiten bis zu dem großen epischen Dichter Fir-
dusi (935—1025 n. Ch.) geführt. Sein Freund Professor Browne in „A History of Persian
Literature under Tartar Dominion“ (1265—1502 n* Ch.) deckt in seiner bei der Cambridge
University Press erschienenen Geschichte 2 1 / i Jahrhunderte persischer Literatur, von der
Zerstörung der arabischen Herrschaft durch den Einbruch der wilden mongolischen Tartaren
im 13. Jahrhundert bis zu dem Niedergang und Untergang der 2. Mongolischen Macht, den
Nachkommen des grausamen Timur-J-Lang (Tamerlan) im Beginn des 16. Jahrhunderts.
Tatsächlich bildet der gegenwärtige Band Brownes, obwohl unter anderem Titel erschienen,
den dritten Band von des Autors monumentaler persischen Literaturgeschichte, deren zwei
vorausgegangenen Bände in den Jahren 1902 und 1906 erschienen sind. Die Darstellung in diesem
dritten Band zeigt ein merkwürdiges literarisches Phänomen. Die Periode, von der er handelt,
war eine der verwickeltsten, unruhigsten und blutigsten in der Geschichte; eine Ära wilder
Einfalle, kämpfender rivalisierender Dynastien und von Grausamkeiten, wie sie in anderen
Zeiten kaum beobachtet werden konnten. Bürgerkriege und Familienzwiste lassen die Ver¬
wicklung in der politischen Geschichte nur schwer entwirren. Was nun dabei ganz auffallend
ist, ist der Umstand, daß gerade in solchen Perioden der Anarchie und des Machtverfalls die
persische Literatur am meisten geblüht hat. Und viele der grausamsten und wollüstigsten
der Tyrannen waren dabei die freigebigsten Mäzenaten für Wissenschaft und Literatur —
einige sogar selbst bedeutende Gelehrte und Dichter. Die Zahl hervorragender Schriftsteller,
die unter der Mongolen- und Tartarenherrschaft blühten, ist in der Tat bemerkenswert. In
dem jetzt von Professor Browne herausgegebenen Band? sind vor allem drei große Dichter
ersten Ranges und von Weltruhm behandelt: Hafiz, Jami und Sadi.
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I 12
Maas: Kleinigkeiten.
Die persische Literatur dieser merkwürdigen Ära ist vor allem historisch und poetisch.
Die Iranier, ganz im Gegensatz zu den Indern, waren immer durch historischen Sinn aus¬
gezeichnet Es ist ganz überraschend, welche Fülle von historischer, geographischer und ethno¬
graphischer Information manche Annalisten und Chronisten überliefert haben, selbst über fern¬
liegende Länder. Der Chronist Baräkati z. B. (1317 n. Chr.) kann von Portugal, Polen, Böhmen,
England, Schottland, Irland, Katalonien, der Lombardei, von Paris und Köln berichten. Die
römischen Kaiser von Romulus an, die Päpste vom heiligen Petrus bis zu dem mit dem Autor
gleichzeitigen Papst, der als der 202. in der Reihe der Päpste bezeichnet ist, sind genannt;
Ereignisse wie die Kirchenkonzile, die Bekehrung des Britenlandes zum Christentum in der
Zeit des Papstes Eleutherius, von der nestorianischen Ketzerei und anderes mehr ist berichtet
Die Masse der persischen Literatur in den mohammedanischen Zeiten, sei es unter
arabischer, tartarischer oder türkischer Herrschaft, ist poetisch. In England hat man immer
Interesse an der persischen Literatur genommen. Aber die Zahl der bekannt gewordenen
Dichter ist gering: abgesehen von Omar Khayyan, der in das allgemeine englische Publikum
gedrungen ist. Anders ist es in Deutschland, wo die persische Literatur dank Herder, Goethe,
Daumer, Bodenstedt u. a. m. früh durch Übersetzungen und Nachahmungen verbreitet worden
ist. In England hat nunmehr Professor Browne wie auch Professor Jackson zahlreiche Über¬
setzungen vieler unbekannter persischer Dichter in englischen Versen veröffentlicht. Viele
sind natürlich für englische Ohren nicht geeignet — shocking — wegen ihrer Derbheit und
Indezenz. Aber im ganzen gibt die Anthologie eine kräftige Idee der Schönheiten in der
Lyrik, Mystik und dem Humor des persischen Mittelalters. — Der Brownesche Band ist in
hervorragender Weise ausgestattet, eine typographische Leistung ersten Ranges.
Wie wir jetzt hinter dem Auslande zurückstehen müssen, zeigt z. B., daß eine maßgebende
Übersetzung des mystischen Werkes des persischen Philosophen Mahmud Shabistari „Rosen¬
flur des Geheimnisses“ ins Deutsche keinen Verleger findet
2. Eine französische Sammlung griechischer und lateinischer Autoren.
Der Ruhm und die geschäftlichen Erfolge der Teubneriana und der Weidmannschen
Ausgaben griechischer und lateinischer Autoren lassen die französische Eitelkeit nicht ruhen.
Auch die Oxford-Ausgaben und vielleicht der Erfolg der Sammlung Loeb, die neben die
griechischen lyid lateinischen Texte gute englische Übersetzungen gestellt hat und die in
den englisch sprechenden Ländern bereits weitgehende Verbreitung gefunden hat, tragen dazu
bei, daß sich in Frankreich eine Gesellschaft gebildet hat, die „Assoziation Guillaume Bude“
(nach dem Humanisten Budaeus genannt), welche unter dem Vorsitz des bekannten franzö¬
sischen Gräzisten Maurice Croiset und unter Mitarbeit von Louis Havet, Paul Girard, Paul
Mazon, Chatelain, Alfred Croiset, Camille Jallian, Omont, Theodore (f) und Salomon Reinach das
wichtige und für den wissenschaftlichen Ruhm Frankreichs notwendige Werk in Aussicht
genommen hat, zum erstenmal eine umfassende Sammlung griechischer und lateinischer Au¬
toren herauszugeben. „Le Temps“ sagt selbst und mit Recht die erste Sammlung, denn was
Frankreich bis jetzt in dieser Beziehung herausgebracht hat, ist als ganzes Stückwerk und im
einzelnen veraltet und nicht maßgebend. „Es sei daher natürlich, daß die Gelehrten Frank¬
reichs sich bis jetzt an Teubner und Weidmann zu halten gehabt hätten. Auch an die eng¬
lischen Ausgaben, die, was die griechischen Autoren betrifft, gut aber auch sehr kostspielig
sind (es gibt auch gute lateinische Texte in den Oxfordtexten). Die Unternehmung der
Association Budö füllt also eine bedauernswerte Lücke aus. Sie ist bestimmt, „einen defini¬
tiven Schlag der wissenschaftlichen Industrie jenseits des Rheins zu versetzen, die schon, wie
„Le Temps“ erzählt, schwankt und ihre Doctores unruhig sieht bei dem Gedanken, daß
sie auch die Hegemonie in der Wissenschaft verlieren werden, wie denn ihre großen Klassiker¬
sammlungen auch bereits einen Stillstand aufweisen.“ Die Association Budö hat bereits eine
Editorengesellschaft zusammengebracht, die imstande sein wird, ihre ehrgeizigen Projekte zu
verwirklichen. In diesen „Collectiones des universitös de France“ soll zuerst eine erste Samm¬
lung bedeutender griechischer und lateinischer Schriften erscheinen, und zwar so, daß die
Texte der besten klassischen Autoren, mit Übersetzungen und kurzem kritischen Apparat,
jeweils auf der gleichen Seite, herausgebracht werden. Dann sollen Ausgaben und Über¬
setzungen zu separatem Verkauf hergestellt werden. In zweiter Linie kommt eine Sammlung
von Autoren zweiten Ranges und von technischen Schrifstellern des Altertums; Aristoteles
z. B. wird in der ersten Sammlung mit seinen wichtigsten Traktaten vertreten sein, seine
naturwissenschaftlichen Werke kommen in der zweiten Sammlung (die Berliner Akademie
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Maas: Kleinigkeiten.
ii3
zittert bereits für ihren Aristoteles I). Seine historischen, philosophischen und kritischen Kommen¬
tare gehen in eine besondere Ausgabe. Zwei Bände sind bereits erschienen. Der erste Band
„Lucretius de rerum natura“ wurde unter dem Zeichen der römischen Wölfin von Alfred
Ernout in Text und Übersetzung herausgegeben. Plato unter dem Zeichen der Eule der
Athena ist mit Hippias minor, Alcibiades, Apologie, Eutyphron, Kriton von Maurice Croiset
im Text veröffentlicht uhd übersetzt. Beide sind sorgfältig gedruckte Bücher auf ausgezeich¬
netem Papier in neu und besonders hergestellten Typen. Der vor acht Monaten herausge¬
gebene Plato ist bereits in tausend Exemplaren verkauft (kolossall) — worin „Le Temps“
einen Beweis sieht, daß — im Gegensatz zu der ausgesprochenen Meinung vom Niedergang
der Geistigkeit — die Freude an dem Humanismus in Frankreich noch lebt.
In 15 Jahren hofft man 300 Bände herauszubringen, im französischen Geiste, der im Maß-
h^lten und im Geschmack besteht, ferner in der Tradition der großen französischen Huma¬
nisten der Renaissance und mit gerechtem Mißtrauen gegenüber einem gewissen, in Deutsch¬
land allein in Ehre stehenden „Machinisme“ (Effekthascherei). Louis Havet, der auch bei uns
in Deutschland in Ehren steht, hat in einer interessanten Broschüre die für seine Mitarbeiter
allgemein gültigen Regeln kodifiziert, die für die Aufstellung des Textes, die typographische
Disposition, die Interpunktion, fiir die Anmerkungen und Übersetzungen angewandt werden
sollen. Havet empfiehlt den Übersetzern in erster Linie die antike Wortfolge aufrecht zu
erhalten, da diese für den Autor charakteristisch sei, während die Konstruktion unter der
Regierung der Grammatik stehe. Er will selbst die Grammatik dem Stil untergeordnet ge¬
halten haben, um größere Treue zu erreichen. Von Einzelarbeitern für die verschiedenen
Werke erwähnt der „Temps“ B6rard für die Odyssee, Theodore Reinach für Sappho, Cumont
für Julianus apostata, die wir Deutsche unter den französischen Gelehrten auch für diese
antiken Autoren ausgesucht hätten. Allerdings wären deutsche Gelehrte nicht auf den
Gedanken verfallen, dem Verfasser der Demi-Vierges, Marcel Pr^vost, die amüsante Aufgabe
der Übersetzung der Heroiden-Briefe des Ovid zu übertragen, deren Text von Bornecque
hergestellt wird. Auch würde man bei einem großen wissenschaftlichen Unternehmen, das
den größten Leistungen deutscher Wissenschaft Konkurrenz zu machen bestimmt ist, nicht,
wie es Emil Henriot im „Temps“ tut, Jean Richepin für Statius und Tibull, Pierre Louys fiir
die Liebesgedichte der Anthologie vorschlagen, so ausgezeichnete Romanciers diese auch
sind. Unter diesen Zeichen wird die französische Teubneriana nicht siegen l
3. Eine Geschichte der französischen Nation.
Verzögert durch den Krieg, hat die Publikation der unter der Leitung von Gabriel Hano-
taux in Aussicht genommenen „Histoire de la Nation frangaise“ erst jetzt beginnen können.
Der erste Band ist im Vorjahre erschienen; er ist betitelt „Göographie humaine de la France“
und sein Verfasser ist der Professor am College de France Jean Brunhes, welcher das
bedeutsame Werk vortrefflich einleitet. Das ganze Werk soll eine Sammlung sämtlicher
einschlägigen Dokumente und gelehrten Erörterungen über Frankreich repräsentieren, zugleich
aber auch eine künstlerische Tat bedeuten, dank den Illustrationen und der sorgfältigen Her¬
stellung des Bandes.
Wir folgen einer französischen Anzeige des Bandes, um einstweüen auf das auch für
uns so wichtige Werk aufmerksam zu machen; denn von seinen Feinden muß man lernen.
Nach dem, was wir darüber lesen, scheint es den wissenschaftlichen Anforderungen, die wir
an ein erschöpfendes geographisch-historisches Werk stellen, nicht ganz zu entsprechen. Das
Wichtigste ist dem Franzosen immer „pour la gloire de la France“ zu arbeiten, ein Äußeres,
das bei uns der Wissenschaft zweifellos untergeordnet würde.
Dieser erste Band will, die Geschichte Frankreichs durch die Geographie aufklären. „Um
Frankreich zu verstehen, diesen aus den Fluten aufgetauchten Teil der Erde, auf dem wir
leben, heißt uns dahin zu streben, daß wir besser erkennen lernen, was unsere Nation ist.“
Die Feder von Brunhes zeigt in der Tat, wie diese französische Erde lebt Sie läßt die
tiefgehenden Verbindungen verstehen, die die Menschen in Frankreich an ihre Scholle heften.
Sie erklärt, was der Bauer dieser oder jener Provinz von seinem physischen Charakter und
von seiner Moral der Natur des Bodens verdankt, der ihn ernährt, und der Landschaft, in der
er sein Leben verbringt. Und dann setzt Brunhes auseinander, wie sich „das Wunder der
Geschichte Frankreichs verwirklichen konnte, das darin bestand, daß aus diesen Bevölkerungs¬
fragmenten ein einziges Volk und die gleichartigste Nation des ganzen Erdballs werden konnte.
Die Geschichte hatte die Gabe, diese Länder zusammenzuziehen und aus den, von den auf
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Maas: Kleinigkeiten.
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verschiedenen Territorien lebenden Menschen erworbenen, Eigenschaften heraus diese
Territorien selbst zu einer harmonischen Synthese zu bilden, die zu einem organischen Ganzen
wurde. Das geographische Frankreich wurde durch die französische Geschichte geschaffen:
um ein Ganzes zu bilden, das als Ganzes vorausbestimmt erscheint und unzerstörbar geworden
ist. Aus der Verschiedenartigkeit, die ebensowohl ein Reiz ist wie ein Reichtum, die aber
auch eine Gefahr hätte sein können, ist die Einheit hervorgegangen, die eine souveräne Kraft
ist — diese unvergleichliche Einheit.“ Jean Brunhes spricht als Gelehrter, aber auch als Poet
über das französische Land. Diejenigen Seiten, die von den Flüssen handeln, gehören
zu den schönsten des Werks, weil er ihre Geschichte und ihr Leben mit einem Relief ver¬
sehen kann, das sie wahrhaft leben macht. Wenn er den Lauf der Maas und der Mosel ver¬
folgt und zu dem Isthmus Toul-Pagny gelangend nachweist, daß die Mosel, diese kleine Maas,
einst ihr Wasser in der Gegend von Foug mit der großen Maas vereinigte, verfolgt der
Leser mit Leidenschaft die Bestimmung dieser Flüsse, als wenn es sich um lebende Persönlich¬
keiten handelte. Und damit spricht der Autor keine Einbildungen aus: es ist die Geschichte
des Bodens selbst, und er weiß so gut zu erzählen, daß man sich nachher wundert, so viel
Tatsachen und Kenntnisse mit solchem Vergnügen aufgenommen zu haben. (Diese Art der
französischen Schriftstellerei ist allerdings ein Vorzug.)
Dazu tragen denn auch die Illustrationen durch Lepere und Patissou bei Es war der
Lebenstraum von Auguste Lepere gewesen, sein Frankreich zu illustrieren. Er hatte vor dem
Krieg, wie Hanotaux erzählt, die Aufgabe übernommen und schon dem Herausgeber die in
das Werk aufgenommene feine und eindrucksvolle Zeichnung von Semur geschickt, die wie
ein Büd der friedlichen Zeiten vor 1914 wirkt. Nach Beginn des Krieges nahm er, unruhig
zugleich und voll Vertrauen, seine Wege durch Frankreich wieder auf, und, wie in einem
Vorgefühl, beeilte er sich, seine bewegten Gefühle in Skizzen und Pastellen niederzulegen,
wodurch er der Zukunft vielleicht das schönste BÜd ungreifbarer Dinge hinterläßt: ein Land.
Lepere ist gestorben nach vollendeter Aufgabe, ohne die Publikation zu erleben, der er sein
schönstes Talent gewidmet hatte. Hier ist Frankreich durch einen seiner besten Künstler gefeiert
4. Ein hervorragendes Miniaturwerk nach Australien verkauft.
Die Nationalgalerie in Melbourne in Australien hat auf einer Londoner Auktion ein her¬
vorragendes Werk der Miniierkunst erworben, die sogenannten „Wharncliff Horae“, einen
kleinen Band von 116 Pergamentseiten. Das Stundenbuch enthält die üblichen Gebete usw.
nach römischem Gebrauch: einen Kalender, Evangelienteile, Obsecro te und O intemerata,
die Stunden der Jungfrau, des Kreuzes und hl. Geistes, Bußpsalmen mit Litanei, Toten¬
vigilien u. a. m. Die besonderen Ehren, die den Patronen und Bischöfen von Angers in
dem Kalender bezeugt werden, lassen das Büchlein in Zusammenhang mit dieser Stadt stehend
erkennen. Für wen es geschrieben und gemalt ist, dafür läßt sich kein Zeichen finden, ab¬
gesehen vielleicht davon, daß die einzigen in dem Buch erwähnten Memoriae zu Ehren des
St Christophorus und St Sebastian sind. Daß der Besitzer ein Mann von höchstem Geschmack
und bedeutenden Mitteln war, geht aus den 43 Miniaturen hervor, die den Band schmücken.
Sie sind unzweifelhaft das Werk eines allerersten französischen Miniaturisten, und keinem andern
als dem „Egregius Pictor Franciscus“, der im Jahre 1473 ein Exemplar der „Citö de Dieu“
für Charles de Baucourt illustrierte, zuzuschreiben. Die Hand dieses Meisters wurde auch
in anderen Manuskripten der Zeit erkannt, u. a. in einem prachtvollen Valerius Maximus, der
um 1475 fiir den Historiker Philippe de Comines illuminiert wurde und jetzt im Britischen
Museum ist Es ist nicht zu beweisen, daß dieser Pictor Franciscus mit Jean Fouquets Sohn
Frangois identisch ist Aber möge sein voller Name gewesen sein wie er will, so ist kein
Zweifel, daß er unter dem Einfluß Jean Fouquets gearbeitet hat und daß er nächst dem
großen Meister selbst einer der glänzendsten Repräsentanten der Schule von Tours gewesen
ist Die nächsten Verwandtschaften der Wharncliff Horae sind nicht solche stattliche Bände
wie die Citö de Dieu und der Valerius Maximus, sondern Werke des Künstlers in kleinerem
Maßstab. Der Gewährsmann der „Moming Post“ zieht dafür die ganz kleinen St. Pol horae
im Britischen Museum unter den Egerton-Manuskripten und die wenig größeren Horae des
Rene von Lothringen, die bis jetzt in der Yates-Thompson-Sammlung gewesen sind, in Be¬
tracht Namentlich mit den letzteren sind die Ähnlichkeiten bedeutend: dasselbe Schema
der Kalenderillustration möchte fast die einen als Replik der andern betrachten lassen, was
aber doch nicht der Fall ist. Ebenso sind vier der dreizehn großen Illustrationen des nach
Australien gewanderten Stundenbuchs denen in den Horae des Renö von Lothringen durch-
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Maas: Kleinigkeiten.
ii 5
aus ähnlich. Besondere Erwähnung unter den anderen neun Miniaturen verdient die vor den
Bußpsalmen, ebensowohl wegen der Seltenheit der Darstellung (David und Abigail), als wegen
ihrer besonderen Vortrefflichkeit. Viele dieser großen Miniaturen haben am unteren Rand
Darstellungen von Jagd-, Kampf- und ähnlichen Szenen; obwohl amüsant und reizend in der
Ausführung, stehen sie doch an künstlerischer Vollendung unter den großen Miniaturen. Sie
sind vielleicht der andern Hand zuzuschreiben, die die dekorativen Ränder gemalt hat Die
Galerie von Melbourne hat für diesen kostbaren Schatz 4725 Pfund gezahlt.
5. Ein Fund zur Rolandsage.
Ein wichtiger Fund ist in Apt, einer ungefähr 45 Kilometer von Avignon gelegenen süd¬
französischen Stadt, von dem Sekretär der Mairie gemacht worden: zwei provenzalische Dich¬
tungen aus der Rolandsage. Beim Suchen in den Papieren eines Anwalts der Stadt fand
der Mairiesekretär in einem aus dem Jahre 1398 datierten Jahrbuch ein prächtiges Manuskript
in gotischer Schrift, das ungefähr 3200 Verse enthielt. Ein bekannter Romanist, Doktor
Jacqu&me in Marseille, entdeckte darin eine provenzalische Version der Rolandlegende. Der
Text gibt zwei epische Erzählungen (oder Episoden) in assonnierenden Zehnsilbern; die erste
handelt von Roland zu Saragossa, die zweite von Roland zu Roncevaux.
Ungefähr 600 Zeilen fehlen in dem ersten Manuskript, einer freien romanhaften Erwei¬
terung des bekannten Roncevauxliedes. Die Dichtung versetzt Roland mit dem Heere Karls
des Großen nach Spanien. Er unterhält sich gerade mit dem Kaiser, ab ein Bote ihm von
Berimonde (der Bramimonde des „Chanson de Roland“) ein Liebespfand bringt Sofort spricht
sich Roland für die Belagerung von Saragossa aus. Ein Wortstreit erhebt sich zwischen ihm,
Karl dem Großen und Olivier, und Roland beschließt, Saragossa allein zu nehmen. Nur der
teuflische Folet begleitet ihn, der seinen bevorstehenden Tod prophezeit Roland bezwingt
die Tore von Saragossa und metzelt unzählige Sarazenen hin. Königin Berimonde, die von
seinen Taten hört, besteigt ihren schönsten Zelter und reitet in kostbarer Kleidung zu Roland,
den sie anredet: „Herr Roland, Ihr seid mein Gefangener.“ Roland antwortet, es sei ein Ver¬
gnügen für ihn, und fügt hinzu, daß, wenn auch 10000 Sarazenen hinter ihm stünden, er noch
nicht den Kopf umdrehen würde. Nach einem Wechsel von ausschweifenden Komplimenten
läßt die Königin Roland ziehen, gibt ihm aber ihren kostbaren Mantel mit, um Karl dem Großen
zu beweisen, daß er wirklich in Saragossa gewesen ist. Während die Saragossadichtung
Roland durchaus originell zeigt, folgt der Roncevaux-Roland mehr oder weniger den bekannten
Sagen, obwohl auch hier Variationen vorhanden sind.
Das neue Manuskript bildet ein wichtiges Glied zwischen dem „Chanson de Roland“
und den späteren Fassungen der Sage. Fauriel nahm an, daß ein provenzalisches Epos über
das Roncevauxthema existiert habe, das älter als das Rolandlied gewesen wäre. Das neu¬
entdeckte Manuskript ist vielleicht dasjenige, von dem Ramon Feraud, der Mönch von L£rius
oder Lerinum und Autor des Lebens des heiligen Honoratus, spricht.
6. Illuminierte Absatzanfange in griechisch-ägyptischen literarischen Papyri.
Die ausgezeichnete italienische ägyptologische und papyrologischen Vierteljahrsschrift
„Aegyptus“, die in allen vier bis jetzt erschienenen Heften eine reiche Anzahl trefflicher
wissenschaftlicher Aufsätze und wichtiger Nachrichten veröffentlicht hat, für die wir ihr in
unserer Abgeschlossenheit außerordentlich dankbar sind, brachte jüngst eine interessante
Zusammenstellung von Giuseppina Tanzi-Mira: „Paragraphoi omate in Papiri Letterari Greco-
Egizi“, die an dieser Stelle wegen ihres Zusammenhangs mit der Geschichte des Buchschmuckes
wiedergegeben werden soll.
Es ist wohlbekannt, daß in den literarischen Papyri bereits die Paragraphi, d. h. die
Absatzanfange des Textes, kenntlich gemacht sind, und zwar gewöhnlich in der einfachen
Form einer am Rand sich auszeichnenden Linie, der im Text ein geistiger Abschnitt entspricht.
Manchmal aber, wie schon oft beobachtet worden ist, nimmt die Bezeichnung des Abschnittes
(die Paragraphos) eine künstlerischere. Form an, als wenn in den ägyptischen Dokumenten
quasi ein Vorläufer jener Verzierungen und jener Miniaturen gegeben werden sollte, die so viele
mittelalterliche Manuskripte zu Kunstwerken ersten Ranges gemacht haben. In dem Aufsatz des
„Aegyptus“ sind die geschmückten Paragraphi gesammelt und soviel als möglich auf ihre Charak¬
teristik untersucht. Diese Äußerlichkeiten der Dokumente aus dem Altertum sind ja doch auch
imstande, zu ihrer besseren Erkenntnis und zu ihrer Rekonstruktion behilflich zu sein.
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ii 6
Maas: Kleinigkeiten.
Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, daß die geschmückten Absatzanfange sich in
den schönsten Codices, in den elegantesten und kostbarsten Ausgaben finden, und daß sich
darin die Phantasie des Kopisten oder des Helfers widerspiegelt, der seltsame und graziöse,
mehr oder weniger komplizierte, aber immer charakteristische "Formen bildet. Die italienische
Gelehrte studiert Zeit und Ort, wo diese Eigentümlichkeiten erscheinen, und den Umstand,
ob sie Eigenheiten eines Schreibers, einesHelfers oder des Eigentümers des Kodex repräsentieren.
Was die Zeit des Erscheinens der geschmückten Paragraphen betrifft, so sind sie bereits
in dem ältesten literarischen Papyrus, der uns erhalten ist, zu finden: in dem der Perser des
Timotheos aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Dazu tritt noch ein Anfangsschmuck in einem
Papyrus von des Euripides „Phaethon“ und ein anderer in einem Pindar-Fragment in den
Oxyrhynchos-Papyri als einzige aus der Zeit vor Christus zu datierende derartige Dokumente.
Im 1. Jahrhundert n. Chr. findet sich eine geschmückte Paragraphos in Didymos - Scholien
zu Demosthenes Philippika und in einem Arat. Im 2. Jahrhundert n. Chr. scheinen die
geschmückten Absatzanfänge häufiger im Gebrauch und von größerer Verschiedenheit zu sein;
einige hübsche und eigenartige wiederholen sich häufig. Diesem Jahrhundert gehört die
größte Zahl der uns aus dem Altertum erhaltenen geschmückten Abschnitte an. Im 3. Jahr¬
hundert n. Chr. sind sie selten; darunter finden wir aber zwei hübsche Typen bei einem
Sappho-Fragment (Oxyrhynchos II) und einem Homer-Stück (Papyri Rylands III). Im 4. Jahr¬
hundert wächst der Gebrauch namentlich in Kallimachos-Papyri. Nach diesem Jahrhundert
verschwindet der Gebrauch in den erhaltenen Papyri.
Was den Ort betrifft, von woher die geschmückten Paragraphen stammen, so sind sie
charakteristisch für die in Oxyrhynchos ausgegrabenen Papyri. Aber sie stammen auch aus
anderen ägyptischen Gebieten. Wenn man die Papyri unbekannter Provenienz ausscheidet,
bleibt ferner der Perser-Papyrus, der aus Abusir stammt, und zwei Papyri der Didymos-
Scholien, die aus dem Hermopolisgau stammen. Weiter einer aus dem arsinoitischen Gau
mit einem Fragment des Hippolytos des Euripides, und ein Fragment aus der Ilias aus Teb-
tunis. So oft derartiger Anfangsschmuck erscheint, ist er in keiner Weise für den Inhalt
charakteristisch; er kommt sowohl bei Dichtern wie bei Prosaschriftstellern, öfter jedoch bei
ersteren vor.
Der eigentümlichere und kompliziertere Buchschmuck hat den Zweck, Anfang oder Ende
eines Werkes zu bezeichnen, wie z. B. zu Anfang eines Pindar-Päans (Oxy. II) oder zu Ende
bei den erwähnten Didymos-Scholien und in einem Nonnos-Fragment In den Papyri mit
Fragmenten aus Sappho und Alkaios, in dem die Strophen fortlaufend geschrieben sind,
bezeichnet die Paragraphos das Ende der einen und den Anfang der nächsten, wofür Beispiele
aufgeführt werden. Ein andermal zeigt der Buchschmuck das Ende eines Teils des Werkes
(Platons Symposion, Oxy. II) oder einen Wechsel im Inhalt, oder das Ende eines Gesanges,
oder den Anfang eines Dialoges in einer Tragödie. v
In den Päanen des Pindar (Oxy. II) ist einmal ein Buchstabe, um den Vers zu nume¬
rieren, an den Rand gestellt. Es gibt auch Zeichen, die die Versetzung eines Verses, Inter¬
polationen im Text, Zitate, Wechsel des Gegenstandes, Aufforderung, auf eine bestimmte
Stelle des Verses Achtung zu geben, und anderes bezeichnen können. Von einigen Zeichen
können wir die Absicht noch nicht erkennen.
Eine angeschlossene Tafel weist in 33 Beispielen die Formen dieses beginnenden Buch¬
schmuckes auf. Nur in einem einzigen Papyrus findet sich ein Abschnittsanfangsschmuck,
der ein lebendes Wesen darzustellen scheint (einen Vogel). Die Bezeichnungen, die gleichen
Zweck haben, ähneln sich in verschiedenen Papyri, auch in der Form.
Größere Schlüsse sind bis jetzt aus dieser Zusammenstellung eines ältesten Buchschmuckes,
der nicht allein praktische Zwecke verfolgt, nicht zu ziehen. Die italienische Papyrologin
will nur das bis jetzt bekannte Material zusammenstellen. Jede Geschichte des Buchschmuckes
muß aber mit diesen kleinen Zeichen beginnen. Von älteren Dokumenten mit wirklichen
Illustrationen und Illuminierungen kommen noch die ägyptischen Totenbücher und andere
ägyptische Dokumente in Betracht; hier sollte nur von den griechischen Papyri ägyptischer
Herkunft gehandelt werden.
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Weiteres zu Hans Sächsischen Einzeldrucken mit
Holzschnitten bestimmter Meister.
Von
Professor D. Dr. Georg Stuhlfauth in Berlin.
Dies diem docet.
i. Jobst Amman. 1
Z u den beiden Veröffentlichungen, in denen Hans Sachs’ Verse mit Jobst Ammans Kunst
verbunden sind, den Ständebildern und dem nach des Dichters Tode von dem Maler
Andreas Herneisen mit dem von Jobst Amman radierten Bildnis ausgegebenen „Gesprech,
darin der dichter dem gefuersten abt zu Allersprach sein valete und leczen spruch dediciret“,
gesellt sich eine dritte, die zeitlich jenen beiden vorangeht. Sie besteht in dem als Auszug
aus dem großen, zuerst 1555 bei Schöffel in Frankfurt a. M. erschienenen, seit 1564 2 mit
Ammanschen Holzschnitten ebenda bei Sigmund Feyerabend, dem Verleger der Ständebilder,
gedruckten Kriegsbuche von Leonhard Fronsperger * Dieser Auszug, bei Sigmund Feyerabend
und Simon Hüter gedruckt und verlegt, hat gegenüber dem Original werk nicht nur hand¬
licheres Format, sofern das Folioformat durch das Quartformat ersetzt ist, sondern auch
wesentlich verminderten Umfang; es enthält im ganzen nur 48 der von Jobst Amman für
das größere Werk gezeichneten Holzschnitte, hat nun aber andererseits zu jedem derselben
ein zehn, bei dem letzten zwölf Verse umfassendes Gedicht von Hans Sachs. C. Becker , Jobst
Amman, Leipzig 1854, S. 40—42, beschreibt diese Ausgabe mit besonderer Bezugnahme auf
die Holzschnitte des näheren nach einer schriftlichen Mitteilung, ohne sie selbst gesehen zu
haben. Rudolph Genie Hans Sachs und seine Zeit, Leipzig 1894, S. 514 (Anm. zu S. 376),
kennt von ihr nur ein einziges Exemplar, offenbar das von Becker beschriebene: es befindet
sich in der Dresdener Landesbibliothek, „ist aber defekt, hat ein unvollständiges Titelblatt
mit dem Bildnis Karls V., und die sämtlichen Bilder mit den Versen sind aufgeklebt.“ 4
Ob die 452 Verse, die Hans Sachs laut Generalregister unter dem Titel „Kriegsemter
aller pefelchslewt zw ainem grosen feltzug“ im Jahre 1564 in sein 17. Spruchbuch eingetragen
hatte 6 , mit denen des Kriegsbuches identisch waren, muß bei aller bejahenden Wahrschein¬
lichkeit offene Frage bleiben. Denn nicht nur ist das 17. Spruchbuch des Meisters verloren,
so daß eine unmittelbare Nachprüfung nicht möglich ist, sondern es steht einer Identifizierung
auch der Umstand im Wege, daß die beiderseitigen Verszahlen sich nicht decken: den
48 X 10+24=82 Versen des gedruckten Buches stehen bloß 45 2 6 des Spruchbuches gegenüber!
Wie dem auch sei, sicher ist, daß Hans Sachs wie zu den Ständebildern Jobst Ammans,
so einige Jahre zuvor bereits sich hatte gewinnen lassen, zu desselben Meisters „Kriegsbildem“
erläuternde Verse zu schreiben, die dem Unternehmen des Verlegers und dem Werk des
Künstlers zu neuem Absatz und weitester Verbreitung verhalfen.
2. Hans Sebald Beham. 7
Späte Ausgaben der beiden Einzeldrucke: 1. Die Siben anstoeß eines Menschen (Nürnberg,
Friderich Gutknecht), 1553 (Goetze Bd. 24, Enr. 43a, cf. Bd. 25 nr. 340), 2. Ein yder sehe
für sich, Nürnberg, Friderich Gutknecht, 1554 (Goetze Bd. 24, Enr. 92b, cf. Bd. 25, nr. 517),
haben als Schlußvignette einen auf Blattwerk sitzenden geflügelten Genius mit Wappenschild
in der Rechten und einem gebrochenen Stab in der Linken. Dieser Genius ist von Hans
Sebald Beham gezeichnet. 8
1 S. Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. n, S. 6, 198 f.
2 Nicht 1565, wie E. Goetze in seiner Hans Sachs-Ausgabe Bd. 25 nr. 5887 schreibt
3 Cf. C. Becker, Jobst Amman, Leipzig 1854, S. 27 ff.
4 Ob und wo etwa ein weiteres Exemplar existiert? Die Hans Sachs-Zettel der Auskunftstelle der deutschen
Bibliotheken an der Staatsbibliothek in Berlin sind zur Zeit auf Reisen bei den auswärtigen Bibliotheken, um von
diesen nach ihren Beständen ergänzt zu werden; das Ergebnis wird auch für die Beantwortung unserer Frage von
Bedeutung sein.
5 E. Goetze , Gesamtausgabe des Hans Sachs, Bd. 25, nr. 5887.
6 So Goetze a. a. O. Ich nehme an, dafi kein Versehen vorliegt 1
7 S. Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. 11, 6. 199 f.
8 Gustav Pauli , Hans Sebald Beham. Nachträge zu dem kritischen Verzeichnis seiner Kupferstiche, Radierungen
und Holzschnitte (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, 134. Heft). Strafiburg 1911, S. 46, 1260 a =* ebenda S. $6,
1553 und *554. Abb. in Ernst Mummenhoff, Hans Sachs. Zum 400jährigen Geburtsjubiläum des Dichters, Nürn-
XIII, 15
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Stuhlfauth: Weiteres zu Hans Sächsischen Einzeldrucken.
118
Es liegt nahe, demselben Dürerschüler nun noch einen weiteren Holzschnitt zuzuweisen,
der mit ihm bisher noch nicht in Verbindung gebracht, worden und der Erstausgabe des
vielgelesenen Hans Sächsischen Einzeldruckes „Ein lobspruch der statt Nürnberg“ 1530» als
Titelholzschnitt vorgesetzt ist. Er stellt das Wappen der besungenen Stadt dar, wird aber,
da er irrigerweise als das von Dürer selbst gezeichnete Stadtwappen ausgegeben worden ist,
zweckmäßigerweise im folgenden Abschnitt besprochen.
3. Albrecht Dürer?
In seinem eben genannten großen „lobspruch der statt Nürnberg“ vom 20. Februar 153 °*
versäumt der Dichter nicht, unter ihren Bewohnern neben den in aller Welt tätigen Kautleuten
und den in allen möglichen Zweigen wirkenden Handwerkern mit besonderer Hervorhebung
auch der Künstler im höheren Sinne des Wortes zu gedenken:
Auch sint da gar sinreich wercklewt
Mit drucken j malen vnd bildhawen
Mit schmeltzen / giesen / zimern j pawen
Der gleich man findt in keinen Reichen
Die irer erbeit thund geleichen.
Es ist keiner mit Namen genannt. Auch Albrecht Dürer nicht. Er lag seit zwei Jahren be¬
reits auf dem Johanniskirchhof begraben.
Aber Hans Sachs hat zweimal im gedruckten Wort dem Großmeister der Nürnberger,
dem Heros der deutschen Kunst, ausdrücklich gehuldigt: das eine Mal just im Jahre seines
Todes in „Reimen zw der abcontrafactur des kunstreichen Malers zw Nürnberg Albrecht
Dürers“*, die vom 14. Mai 1528 datiert, also unmittelbar nach dem am 6. April 1528 er¬
folgten Heimgang des großen Meisters niedergeschrieben sind; das andere Mal in einem
längeren gereimten „Gesprech, wer der kunstlichst werckman sey“ 8 , datiert vom 30. Oktober
1541, einer Dichtung, die das Lob der Malerei zum Gegenstände hat und mit dem Namen
Albrecht Dürers ausklingt.
Hat Dürer zu Lebzeiten die Zuneigung des Dichters erwidert? Es gibt keinerlei Zeugnis
zur Antwort auf diese Frage. Und es liegt keinerlei Anhaltspunkt vor, daß der erheblich
ältere Maler mit dem jungen Dichter — Hans Sachs war 23 Jahre nach Dürer geboren und
bei dessen Tode erst 34 Jahre alt, während der Meister bekanntlich 5 7 zählte, gehörte also
diesem gegenüber ganz zur jüngeren Generation — in irgend welchem näheren Verhältnis stand.
Wir dürfen demnach nur vermuten, daß Hans Sachs gleich allen seinen Mitbürgern mit aller
Ehrerbietung zu dem berühmten Künstler aufsah, ohne mit ihm in engere Fühlung zu kommen.
Aber auch dazu ist es nie gekommen, daß irgend eine zeichnerische Arbeit des Künstlers
mit einer der zahlreichen literarischen Veröffentlichungen des Dichters im Druck vereint worden
wäre. Denn was man auch bisher an Hans Sachs-Drucken beigebracht hat, deren Holzschnitte
von Dürer stammen sollten, mußte und muß mit diesem Anspruch abgewiesen werden.
Ich darf daran erinnern, daß der Holzschnitt zu dem Einblattdruck vom armen gemeinen
Esel vom Jahre 1525 und 1526 4 nicht, wie man bis in die jüngste Zeit anzunehmen geneigt
War, von Albrecht Dürer, sondern von Georg Pencz herrührt. 6
berg 1894, S. i.j 1, u. ders., Das Hans Sachsfest in Nürnberg, ebenda 1899, S. VII. — Der Titelholzschnitt des
Druckes „Ein yeder sech für sich“ (Goetze Bd. 24 Enr. 92) stammt von Georg Pencz, s. Zeitschrift für Bücherfreunde
N. F. ii, S. 7. Der Titel Holzschnitt des Druckes „Die Siben anstoefl eines Menschen“ stellt dar 1. auf steiler baum¬
bewachsener Höhe, Golgatha, den Kruzifixus n. r.; gegenüber auf kahler, schroffer Felsenhöhe, dem Sinai, den Moses,
der knieend n. r. von dem über einem Wolkensaum sichtbar werdenden Gott-Christus die Gesetzestafeln empfangt; im
Vordergründe einen Mann mit Federhut und umgegürtetem Schwert vor zwei anlaufenden wilden Tieren, einem Löwen
und einem Bären (vgl. auch die Beschreibung bei Goetze Bd. 24, Enr. 43 a) und ist von zwar nicht unbedeutender,
einstweilen aber unbekannter Hand.
1 Hans Sachs . Herausgegeben von A. v. Keller u. E. Goetze, Bd. 4, 189—199. Cf. ebda. Bd. 24 Enr. 50 und
Bd. 25 nr. 375.
2 Goetze , Bd. 25 nr. 243.
3 Goetze , Bd. 25 nr. 1130. Abgedruckt in der Hans Sachs-Ausgabe von A. v. Keller und E. Goetze Bd. 7, 471
bis 476. Den Schluß des Spruches in Faksimile nach dem 4. Spruchbuch (in Zwickau) s. E. Goetze , Hans Sachs (Bayerische
Bibliothek Bd 19), Bamberg 1890, S. 28. f)tirer ist hier Türer geschrieben. Daß Dürer selbst sich gelegentlich so
schrieb, s. Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben IV: Val. Scherer , Dürer, 2. A., Stuttgart u. Leipzig 1906, S. 398
zu S. 330; auch sein selbstgezeichnetes Wappen, das übrigens auch schon sein Vater geführt hat, offene Tür auf einem
Dreiberg, setzt die Schreibung Türer voraus, s. Valentiner ebda.
4 Goetze Bd 24 Enr. 22, Bd. 25 nr. 117 a.
5 Zeitschrift fllr Bücherfreunde N. F. 10, 244 ff.
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Stuhlfauth: Weiteres zu Hans Sächsischen Einzeldrucken.
119
Allein wie der lebende, so scheidet auch der tote Dürer als Zeichner für das Schrift¬
tum des Hans Sachs aus. Das ist allgemein anerkannt bezüglich des oben genannten Folio-
Einblattdruckes, auf dem Hans Sachs im Jahre 15 28 das Bildnis Dürers mit drei Spalten von
je acht erläuternden Versen veröffentlichte. 1 Das betreffende Bildnis Dürers 2 3 , zuerst ohne
die Verse des Hans Sachs ausgegangen, ist — man darf wohl sagen sicher — kein Selbst¬
bildnis; es ist vielmehr, allem Anschein nach, unmittelbar nach seinem Tode von einem dem
Meister nahestehenden Kunstgenossen für einen Nürnberger Verleger gezeichnet, der es nach¬
träglich nicht nur mit Dürers Monogramm und der Jahreszahl 1527 versehen ließ, sondern
auch den Dichter veranlaßte, seine Verse darunter zu setzen, um dem offenbar sehr begehrten
Bilde in dieser Form neuen Absatz und noch weitere Verbreitung zu schaffen.
Im dritten und letzten Falle, nämlich bezüglich des oben genannten Titelholzschnittes
zu dem Einzeldruck „Ein lobspruch der statt Nürnberg“ 8 9 , kann nur die unrichtige Angabe
E. Goetzes die irrige Meinung erzeugen, als sei hier tatsächlich und unwiderleglich ein un¬
zweifelhaft echter Holzschnitt Dürers zur Illustration einer Hans Sächsischen Dichtung benutzt.
Goetze hat in seiner populären Hans Sachs-Biographie, die er im Rahmen der „Bayerischen
Bibliothek“ 1890 veröffentlichte, erzählt 4 , Hans Sachs habe dieses sein 1530 datiertes Gedich 6 t 5
als Folio-Einblattdruck ausgehen lassen zusammen mit dem Wappen der Stadt, das Albrecht
Dürer im Jahre 1521, zunächst als Titelbild zur 3. Auflage des Nürnbergischen Gesetzbuches
„Refbrmacion der Stat Nüremberg“, Nürnberg, Frid. Peypus, 1522, gezeichnet hatte.® Allein
in seiner Bibliographie der Einzeldrucke seiner Hans Sachs-Ausgabe sucht man vergeblich unter
der einschlägigen Nummer nach einer Folio-Ausgabe des „Lobspruch“ mit Dürers Wappen: sie
existiert nicht! Es existiert wohl eine Folio-Ausgabe (Enr. 50 e); allein diese hat als Holzschnitt
ein Stadtbild Nürnbergs und nicht Dürers Wappen. Dagegen beschreibt Goetze in der Reihe der
Einzeldrucke des „Lobspruch“ als ersten eine Quart-Ausgabe, von deren Titelholzschnitt er
bemerkt: „Der Titelholzschnitt ist bei [R. Z.] Becker [Hans Sachs im Gewände seiner Zeit, 1821]
auf dem titel abgedruckt“. Der bei Becker abgedruckte Titelholzschnitt ist aber identisch mit
dem Dürerschen Wappen der Stadt Nürnberg vom Jahre 1521 (B. 162). Danach müßte also der
Druck ([Nürnberg, W. Resch], 1530) auf der Titelseite mit dem von Dürer gezeichneten Stadt¬
wappen geschmückt sein. Nimmt man ein Exemplar des betreffenden Druckes zur Hand 7 , so
stellt sich jedoch sofort heraus, daß Goetzes Angabe falsch, daß das diesem Druck vorangestellte
Wappen mit dem Dürerschen nicht identisch ist. Das Nürnberger Stadtwappen ist auch jenes,
aber es ist nach Fassung und Art von dem aus Dürers Hand gänzlich verschieden. Nicht nur,
daß der Holzschnitt* des Hans Sachs-Druckes sehr viel kleiner ist, er hat auch eine andere
Gesamtform und er hat einen anderen Urheber. Man mag nach der zeichnerischen Manier
am ehesten an Hans Sebald Bekam als seinen Schöpfer denken.® Dürer ist es keinesfalls.
Es bleibt somit bei dem, was ich am Schlüsse meines Aufsatzes „Das Hauß des Weysen
vnd das haus des vnweisen manß. Math. VII. Ein neugefundener Einblattdruck des Hans
Sachs vom Jahre 1524“ bzw. am Schlüsse meines ersten Verzeichnisses der Meister gesagt
habe 10 , die zu Hans Sächsischen Drucken Bildwerke beigesteuert oder deren Bildwerke dem
Dichter als Vorlage gedient haben: „Wie nun aber auch die endgültige Ausscheidung aller
Holzschnitte des Hans Sächsischen Schrifttums sich gestalten wird, ein Name wird immer
unter ihren Meistern fehlen: Albrecht Dürer.“ 11
1 Hans Sachs. Hrsg. v. A. v. Keller u. E. Goetze , Bd. 24 Enr. 33*, Bd. 25 nr. 243; die Verse sind abgedruckt
Bd. 23 S. 16.
2 Adam Bartsch, Le Peintre graveur VII, S. 164 nr. 156. J. P. Passavant , Le Peintre-graveur III, S. 173
nr. 156. Abb. u. a. E. Diederichs , Deutsches Leben I, S. 186, 317.
3 Goetze Bd. 24 Enr. 50, Bd. 25 nr. 375; abgedruckt Bd. 4, 189—199.
4 E. Goetze , Hans Sachs. (Bayerische Bibliothek, Bd. 19). Bamberg 1890, S. 32, cf. Deutsche Literaturzeitung
191S1 128S.
5 Generalregister genauer: 20. Februar 1530.
6 Bartsch a. a. O. S. 168 nr. 162.
7 Z. B. Berlin, Staatsbibliothek Yg 9301, das Goetze selbst verzeichnet.
8 Abb. auf dem Titel zu E. Mummenhoff, Hans Sachs, 1894 (verkleinert).
9 So Geheimrat Friedländer und Prof. Dr. Bock vom Berliner Kupferstichkabinett.
IQ Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. 11, S. 9.
11 Ida Schneller , Die Kunst im deutschen Buchdruck (Gesellschaft der Bibliophilen 20), Weimar 1915, führt
unter den Nürnberger Künstlern Wolfgang Pesch auf (Nr. 67) und läfit von ihm die beiden (früher Dürer zugewie¬
senen) Holzschnitte, Porträts Karls V und Maximilians I., gezeichnet sein, die der Erstausgabe des Hans Sächsischen
Einzeldruckes „All Römisch Kaiser“, 1530 ( Goetze Bd. 24, Enr. 49 a) beigegeben sind. Aber W. Resch ist nur als
Verleger und Formschneider — als solchen bezeichnet er sich selbst — nicht als selbstschaffender Künstler bekannt,
cf. Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. 10, S. 243.
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120
Arnolds Graphische Bücher.
Von
Emil Waldmann in Bremen.
Mit einer Beilage.
O riginalgraphik wird man bald nicht mehr sammeln können. Die Preise sind zu hoch.
Auch wenn man nicht gleich so elegant und weitläufig ist, zu behaupten, Anders Zorn
sei, neben Whistler, der vollendetste Meister der Radierung — wenn man sich statt
dessen mit Kunst begnügen will, die wirklich schöpferisch und daher etwas billiger ist als
die virtuosenhafte jener internationalen Größen, so verzagt man doch allmählich, weil man
nur alle Jahre ein Blatt, höchstens zwei Blatt erwerben kann. Eine gute Radierung von Emil
Nolde kostet heute tausend Mark, und wenn etwas Neues von Slevogt erscheint, sind es
dreißig Abzüge.
Dabei wächst das Interesse an Graphik dauernd. Mag manches, was die einstmals steigende
Flut des Expressionismus an graphischer Publikation ans Ufer spülte, als ephemere Leistung
sich schnell enthüllt haben, Tatsache ist wohl, daß der Schwarzweiß-Charakter unserer deutschen
Kunst seit etwa dreißig Jahren sich immer reicheren Ausdruck sucht und sich immer selbständiger
formt. Daß die Herausgabe von Menzels Radierfolge „Mit Pinsel und Schabeisen“ damals,
vor siebzig Jahren, ein „Wagnis“ bedeutete und daß der Mann, Sachse, wohl knapp auf seine
Kosten kam, will uns nicht in den Kopf. Heute ist man gierig nach guter Graphik, so gierig,
daß der Bedarf nicht gedeckt werden kann und die leer Ausgehenden oder beinahe Insolventen
sich mit Reproduktionen begnügen müssen.
Der steigenden Wertschätzung der Graphik aber folgte die Verfeinerung in den graphischen
Reproduktionstechniken in verblüffendster Sicherheit des Tempos. Und in dem Augenblick,
wo eine ältere Liebermannsche Radierung zu teuer ist für den nicht sehr bemittelten Kunst¬
freund, hat die Reproduktionstechnik eine derartige Höhe erreicht, daß man auch mit ver¬
wöhnten Ansprüchen an Druckqualität gerne eine gute Reproduktion ansieht, nicht nur zum
Kennenlernen oder zur Feststellung eines Tatbestandes; sondern rein zum künstlerischen,
kennerischen, ästhetischen Genuß. Dies ist tröstlich. Denn man braucht nicht zu befürchten,
das Vorhandensein täuschend guter Nachbildungen könne die künstlerische Wertschätzung
von Originalgraphik beeinträchtigen. Erfahrungsgemäß ist das Gegenteil der Fall.
Die Serie von Publikationen, die jetzt unter dem Sammeltitel „Arnolds Graphische Bücher“
erscheint, stellt das Vollendetste dar, was wir auf dem Gebiete der Reproduktion nach graphischen
Dingen besitzen. Dabei enthalten die Bände keine Lichtdrucke, sondern nur Netzätzungen.
Diese aber sind von Wohlfeld in Magdeburg gedruckt Was dabei herauskam, darf ohne
Übertreibung als eine künstlerische Leistung angesprochen werden. Wohlfeld weiß nicht nur,
auf was es ankommt; das wissen andere auch. Sondern er ist nicht ruhig, bis er nicht die
samtige Tiefe einer Gratwirkung bei einer Kaltnadelarbeit auf seine Manier heraus¬
gebracht hat, bis nicht der leichteste Strich des Diamanten auf dem Originalabzug, der vor
ihm liegt, auf der Reproduktion ebenso zart wieder erscheint. Dann ist er aber immer
noch nicht ruhig; dann soll auch noch — und nun kommt es — das ganze Netz der Be¬
ziehungen von Tonstärken untereinander da sein. Und wenn das dann endlich da ist, möchte
Wohlfeld nun auch noch das „Relief 1 eines Originalabzuges erreichen. Dies aber kann selbst
er nicht, ohne zu Fälschungsmitteln zu greifen, und das will er nicht, und darum begnügt
er sich mit Wirkungen, denen der Kenner, aber auch nur dieser, doch ansieht: „es ist immer¬
hin Reproduktion, aber . . .“1 Wohlfeld ist unter den Druckern in Deutschland, was Clot
unter den Lithographen in Frankreich war (oder ist, wenn er noch lebt).
Man sagt immer, die Technik könne so langsam alles. Damit ist nichts gesagt. Natür¬
lich kann sie. Aber es muß sie einer in der Hand haben, der alles und noch etwas mehr
verlangt. Hätte Wohlfeld sich mit guten Probedrucken begnügt, und wäre der Verleger,
L. W. Gutbier, nicht mit neugierigen kritischen Fragen: („kann man nicht am Ende diese Verni-
mou-Wirkung noch malerischer kriegen“) immer wieder in der Druckerei aufgetaucht; und
hätten die Herausgeber der einzelnen Bände, Max J. Friedländer z. B. für die Liebermann¬
graphik und Hans Wolf für die Menzelzeichnungen, dann, wenn jene beiden am Ziel zu sein
glaubten, nicht auf die Probedrucke eine eiskalte Bemerkung geschrieben („hier die Schatten
kommen nicht durchsichtig genug“), so wären immer nur einwandfreie Reproduktionen
geliefert worden, aber nicht dergleichen erstaunliche Nachbildungen, wie sie nun vorliegen.
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UNIVERS
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Waldmann: Arnolds Graphische Bücher.
I 2 I
Reproduktionen, die nicht nur kriminalistisch treu alles wiedergeben, was man am Original
sieht f sondern künstlerisch ahnend auch das, was nur der für Kunst Begabte vor dem Original
in glücklichen Augenblicken empfindet. Man muß sich im Liebermann-Bande, beispielweise,
die Tafel mit den „Strandhäusern“ ansehen und wird gestehen, daß noch keine Nachbildung
so den silbrig feuchten Glanz wiedergegeben hat, wie diese, und daß, wer leugnet, hier künst¬
lerische Genüsse finden zu können, ein Snob ist. Oder man vertiefe sich in die Menzelzeich¬
nung „Chazot“, nach Pesne (von der wir hier eine Abbildung geben) und man wird, für den
Fall daß man ehrlich ist, sagen müssen, daß es einem sehr sehr schwer sein würde, einem
anderen, und sei es einem kundigen Thebaner, zu zeigen, wo der unreproduzierbare Rest in
dieser Tafel steckt; selbst wenn man das Buch neben dem Menzeischen Original oben in
der Nationalgalerie hätte. Die Wischtöne scheinen 'wie eben hingesetzt So kann man die
Bände durchgehen und wird überall Überraschungen und Genüsse finden. Äußerlich kommen
die Bücher anspruchslos, aber sehr geschmackvoll. Die Titel schrieb Professor H. Wieynk
in Dresden; ausgezeichnet.
Es war natürlich kein Leichtes für den Verlag, mit der Auswahl und der Herausgabe
und der Abfassung des Textes jedesmal den richtigen Kunstschriftsteller zu betrauen. Daß,
wenn Friedländer über Liebermann schreibt, kein Risiko existiert, wußte man allerdings, und
Friedländer übertriflft, wie immer, wenn er etwas schreibt, auch die höchsten Erwartungen
noch. Er gibt eine Charakteristik von Liebermann als Menschen und als Künstler, redet nicht
nur von Graphik, sondern von Bildern — und stellt den Menschen hin mit einer Knappheit
und Schlagkraft, wie es nur Friedländer heute kann. Dann erzählt er von Graphik und
schildert das Wesentlichste der Technik und des Stils; aber das nimmt er scheinbar nur
zum Vorwände, um eine Menge sehr weiser Dinge über Kunst überhaupt und über das mensch¬
liche Leben so im allgemeinen zu äußern, auf anderthalb Bogen. —
Man hätte aus dem Menzelbande ohne besondere Talentlosigkeit etwas sehr Langweiliges
machen können. Aus den viertausend Menzelzeichnungen, die bedauerlicherweise die National¬
galerie besitzt (die Bremer Kunsthalle hat fünf Blätter), hundert herauswählen, die diesen
Künstler in ungebrochener strömender Schöpferkraft zeigen und an sein pedantisches Teil
nicht ein einziges Mal rühren, dazu gehört ebensoviel Vertrautheit wie Distanz, ebenso sicheres
Qualitätsgefiihl im einzelnen wie Begeisterung im allgemeinen. Hans Wolf hat rücksichtslos
nur das gewählt, was er leiden mag, und da die Nationalgalerie mit ihren „viertausend“ Blatt
immer noch nicht ausreicht, auch noch Privatbesitz hinzugezogen; letzteren besonders, um die
an Charles Keene und Oberländer erinnernde, bezaubernde Schreibmeistermanier Menzels zu
zeigen, die Liebermann so bewundert. Dabei ist ein erstaunlich reiches, von Leben sprühendes
Ensemble zustandegekommen: Ein Menzel, den man nur lieben kann, einschränkungslos und
besinnungslos lieben. Zwar ist das Thema des „jungen Menzel“ einmal wieder peinlich aktuell
geworden. Nur ein Viertel der zur Abbildung gelangten Blätter stammen aus der Zeit nach
1870, die meisten aus den vierziger und fünfziger Jahren. Aber wenn die scharfe Trennung
zwischen dem „jungen Menzel“ und dem anderen bei den Gemälden auch etwas ungerecht
sein mag (ein Bild wie das „Ballsouper“, eine Genieleistung, hat eben doch der alte Menzel
gemalt), bei den Zeichnungen, unmittelbaren Niederschriften, trifft die Trennung wohl eher
zu. Der Sechzigjährige hatte vor der Erscheinung eben doch nicht mehr die gleiche selige
Empfindung des Anschauens wie sie der Jüngling hatte; sondern mehr die fanatische Energie
und das stirnrunzelnde Pflichtbewußtsein, daß hieraus nun erst etwas Ordentliches einmal entstehen
müsse. Nur manchmal hatte der Alte sie noch. Meist auf Reisen. Aber auch ein paarmal
in Berlin. Man hätte die prachtvolle Oberkörperstudie der Dame links auf dem „Cercle“ noch
mit abbilden können, die noch im Berliner Handel ist. Aber abgesehen davon, Dr. Wolf
hat recht, wenn er bei seinem Thema des Zeichners wieder den jungen Menzel in den Vorder¬
grund rückt, zumal er es unpolemisch und mit großer Ehrfurcht tut, und seine Einleitung
von großer Liebe und verständnisvollster Hingabe, bei aller Kritik, diktiert ist.
Der dritte vorliegende Band der Serie behandelt Hans Thomas Graphik. Ausgewählt
und eingeleitet von Herbert Tannenbaum. Es muß keine reine Freude gewesen sein, aus
den mehr als tausend Nummern, die Thomas Graphik umfaßt, hundert auszuwählen und dann
vor einem Material zu sitzen, das immer noch aussieht wie beinahe tausend Nummern. Und
in diesem Auswählen scheint sich die Kritik des Herausgebers tatsächlich verbraucht zu
haben. Zwar deutet er an, daß Thomas Radierungen eigentlich mehr wie Zeichnungen sind
und daß er zur Tachographie und Algraphie griff, weil ihm das Radieren und Ätzen auf
Kupfer nicht behagte. Das heißt also, Thoma hat sich nur in den allerseltensten Fällen
(Ansicht auf Frankfurt von der Gerbermühle) bemüht, dem Reiz der Technik gerecht zu werden
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122
Gemen: R. E. Raspe in der Universitätsbibliothek zu Cambridge.
und statt dessen bequeme Manieren ausgeheckt, wie dieses greuliche Durchbohren der Nickel¬
schicht über dem weichen Zink. Aber das stört den Herausgeber nicht, ebensowenig wie
die erschreckende Dürftigkeit von Thomas Spätstil, der bei dem Stammeln der Kinderjahre
wieder anfangt; ebensowenig wie das gefühllose Zustreichen und Schraffieren der Flächen,
die ihre Herkunft aus dem Gebiete Malerei nicht verleugnen.
Man hätte auch einen guten Band mit Thoma-Graphik machen können; vielleicht sogar
mit hundert Abbildungen. Aber mit Kritik. Und dann hätte man von höherem Standpunkte
aus über Thoma schreiben müssen. Nicht so wie in einem Seminar bei Thode, an das.so¬
gar die etwas naive Aufzählung von Stoßkreisen gemahnt; ebenso wie die nichtssagende Art
des Charakterisierens („Seine Selbstbildnisse aus allen Schaffensperioden könnten für sich allein
den Arbeits- und gleichzeitig den Lebensweg des Meisters bezeichnen und entwicklungsmäßig
zutage legen“).
Dies muß gesagt werden, weil man verlangen kann, daß diese so groß angelegte und
technisch so meisterhafte Serie graphischer Bücher auch im Text das Allerbeste gibt Wenn
Herbert Tannenbaum nicht weiß, daß es heute, anno 1921, komisch wirkt, wenn jemand
immer noch einmal Dürers Wort von dem „Herausreißen aus der Natur“ zitiert; wenn er
nichts dabei findet, zu drucken, daß wir Thoma „in gewisser Hinsicht als den größten der
heute lebenden bildenden Künstler anzusprechen haben“; und wenn er ganz ruhig mit einem
Dürer-Zitat schließt und dieses einleitet als den „Ausspruch eines andren deutschen Graphikers,
Albrecht Dürer“, dann mag er das mit sich selber oder mit einem Feuilleton-Redakteur ab¬
machen. Aber im Rahmen eines künstlerischen Unternehmens, das auf höchste Qualität zielt,
geht dergleichen nicht an. Der Menzelband und der Liebermannband der Serie verpflichten
den Verlag und die Herausgeber der kommenden Bände haben einen schweren Stand.
R. E. Raspe in der Universitätsbibliothek zu Cambridge
(April 1779).
Von
Otto Clemen in Zwickau i. S.
D aß Vasari mit der Behauptung, die Gebrüder Hubert und Jan van Eyck hätten die
Ölmalerei erfunden, im Unrecht ist, hat bekanntlich Lessing 1774 in seiner Abhand¬
lung „Über das Alter der Ölmalerei“ bewiesen. Er beruft sich hier auf den mittel¬
alterlichen Traktat des Theophilus Presbyter über die Maltechnik, aus dem der Gebrauch der
Ölfarben zu allen Arten der Malerei schon Ende des 11. oder im 12. Jahrhundert deutlich
hervorgehe. Der von Lessing benutzte, einst Georg Agricola, dann Marquard Gude gehörige
Kodex der Wolfenbütteier Bibliothek stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist die älteste
Handschrift, die uns von dem interessanten Traktat erhalten ist. Lessing plante eine voll¬
ständige Ausgabe; die Vorarbeiten dazu nach dem erwähnten Wolfenbütteier Kodex und
einer unterdessen bekannt gewordenen, aber erst dem 14. Jahrhundert zugehörigen Hand¬
schrift der Leipziger Universitätsbibliothek (wohin sie Ende 1543 aus der Bibliothek des
Zisterzienserklosters Altzelle bei Nossen gelangt ist) waren bei seinem Tode großenteils ab¬
geschlossen; in Christian Leiste fand sich ein Vollender, und noch 1781 konnte die Ausgabe
erscheinen. In demselben Jahre wurde in London ein Buch veröffentlicht (A critical essay
on oil painting), in dem zwei weitere Handschriften des Theophilus-Traktats, beide dem
13. Jahrhundert entstammend, die eine aus der Universitätsbibliothek zu Cambridge, die
andere aus der Bibliothek des Trinity College ebenda, ans Licht gezogen wurden. Der Ver¬
fasser dieses Buches ist Rudolf Erich Raspe, derselbe, der ein paar Jahre später zum ersten
Male, und zwar englisch, den Münchhausen ediert hat (Baron Munchausen’s narrative of his
mervellous travels and campaigns in Russia). Diese abenteuerlichen Geschichten waren ja
besonders eifrig in Hannover weitererzählt worden, wo Raspe 1737 geboren und 1762 erst
als Bibliothekschreiber, dann als Bibliotheksekretär angestellt wurde. 1767 wurde er Pro-
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Clemen: R. E. Raspe in der Universitätsbibliothek zu Cambridge.
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fessor am Carolinum, Aufseher des landgräflichen Antiquitäten- und Münzkabinetts sowie
zweiter Bibliothekar in Kassel. Einige Jahre danach aber wurde er des Diebstahls von
Münzen und Wertsachen aus den ihm an vertrauten Instituten überführt und mußte, steck¬
brieflich verfolgt, nach England entweichen. Als Schriftsteller und Bergwerkskundiger kam
er hier bald wieder, zu Ansehen, fand aber doch keine feste Anstellung. Er war Gelegen¬
heitskopfarbeiter. So finden wir ihn als wissenschaftlichen Begleiter zweier jungen Barone
aus Kurland, Heinrich von Offenbergs und eines Herrn von Kleist, die im November 1778
aus Holland nach London herübergekommen waren und im April 1779 von da aus eine
Rundreise „durch einige Provinzen von England“ unternahmen. Ein „Biedermann aus Bern“,
namens Hartmann, gesellte sich ihnen bei. Vor dem Aufbruch wurden launige Reisegesetze
kodifiziert und von allen vier Reiseteilnehmern unterschrieben. Es heißt da in Punkt 4 und 5:
„Ein jeder führt sein eignes Journal. Herr v. Offenberg wird besonders auf Architektur, Gärten
und Mahlerei sehen. Baron Kleist wird sich mit dem Ton der Gesellschaft auf Bällen und Assembleen
beschäftigen. Herr Hartmann hat das Departement des Handels und der Fabriken, und Herr Raspe
das vom Landbau, von Naturhistorie, Alterthümern und Landesverfassung. Diese Journäle werden
alle Abende geschlossen. Wer darin saumselig ist, bezahlt 1 Schilling zur Reise-Armen-Kasse. Sie
werden alle Abend an Herrn Raspe abgeliefert zur Verfassung einer Reisebeschreibung im Ton der
Sachen, die gesehen worden, der Leute, die sie sahen, und der Begebenheiten, die sie erlebten. Zu dem
Ende erbittet er sich die Erlaubnis, nicht später als bis 11 Uhr des Abends in Gesellschaft seyn zu
dürfen, und wer ihn dazu in Versuchung führt, zahlt 1 Schilling in die Reise-Armen-Kasse.“
Das von Raspe auf Grund der Beiträge der drei anderen Reisegenossen zusammen¬
gestellte Reisetagebuch befindet sich jetzt auf der Museumsbibliothek in Mitau samt den von
Offenberg auf seinen anderen Auslandsreisen eigenhändig geführten Tagebüchern und dem
köstlichen Offenbergschen Stammbuch, das kürzlich in einer Faksimileausgabe des Inselverlags
seine Wiederauferstehung gefeiert hat. Es wäre sehr erwünscht, die Tagebücher auszugsweise,
gut kommentiert, zu veröffentlichen. Hier drucke ich, um den eingangs aufgenommenen
Faden weiterzuspinnen, zunächst nur ab, was Raspe über die Theophilushandschrift bemerkt:
„[Montag den 12. April 1779] Professor Green führte uns auf die schöne Bibliothek der Uni¬
versität, wo ich den Theophilus de arte pingendi unter den Handschriften auffand und mir die Er¬
laubnis ausmachte, ihn exzerpieren zu dürfen. [Danach begleiten die Reisenden den Professor auf seine
Wohnung im Trinity College und treffen dann im Emmanuel College Professor Farmer, der hier liebens-
würdigst herumführt.] Meine Gesellschaft eilte nach der Rose, und ich nach der Universitätsbibliothek,
um den Theophilus de arte pingendi zu exzerpieren. ETr findet sich in dem gedruckten Catalogo der
Bibliothek Nr. 437 beschrieben und steht in der Bibliothek Ee 6, 39 in einem Quartbande, welcher
enthält Palladium de re rustica, Macrum de viribus herbarum und am Ende Theophilum monachum
de arte pingendi, ist auf Pergament geschrieben, dem Scheine nach im XIII. Jahrhundert. [Folgen
ausführliche Exzerpte.] Ich folgere aus obigen Fragmenten des Theophilus, daß man im XIII. Jahr¬
hundert schon verstanden, mit öl Figuren zu malen und mit Firniß zu überziehen, daß also Jan
van Eyck im XV. Jahrhundert nicht Erfinder dieser Kunst genannt werden könne, die zu den Zeiten
des weit älteren Theophilus, ja dem Schein nach sogar schon den Römern, Griechen und Ägyptern
bekannt gewesen ist . .
Wahrscheinlich gibt Raspe hier als eigene Entdeckung, was er erst bei Lessing gelesen
hat. Wir folgen ihm noch einen Schritt weiter.
Eine richtige Erkenntnis der antiken Maltechnik haben uns erst die altägyptischen Mumien¬
bildnisse ermöglicht, die durch Graf, Flinders Petrie und andere Ägyptologen aus den Gräber-
Stätten des Fayüm zutage, gefördert wurden. Es sind am Kopfteile der Mumien eingefügte
Porträts, deren älteste der Ptolemäerzeit, spätestens dem 2. Jahrhundert v. Chr., deren jüngste
dem 4. Jahrhundert n. Chr. zugewiesen worden sind. Man kann an ihnen verschiedene Ver¬
fahren der Temperamalerei und der Enkaustik unterscheiden (vgl. zuletzt Emst Berger, Mal¬
technik des. Altertums). Es ist interessant, daß Raspe schon 1779 auf die Idee gekommen
ist, die Mumie auf der Cambridger Universitätsbibliothek auf die bei ihrer Bemalung ver¬
wandte Technik hin zu untersuchen, wenn er auch zu dem falschen Ergebnis gelangt ist,
daß die Farben „mit einem durchsichtigen hellen Öle angemacht oder überstrichen“ seien.
„Abends dankte ich Dr. Farmer für alle für uns gehabte Attention, teilte ihm meine Observation
und Meinung vom Alter der Malerei mit und bat ihn, durch Lavendel- oder andere destillierte spiri-
tuöse Wasser die Malerei der Mumie auf der Universitätsbibliothek zu untersuchen und mir gefälligst
davon Nachricht zu geben.
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124
Clcmen: R. E. Raspe in der Universitätsbibliothek zu Cambridge.
[Dienstag den 13. April früh war die Gesellschaft schon fertig zur Weiterreise,] als Dr. Farmer,
unser dienstfertiger, gutherziger Freund, zu uns kam, um den Versuch mit der Mumie auf der Uni¬
versitätsbibliothek mit uns selbst anzustellen, weil er sich besser auf Manuskripte und Bücher als
Kunstsachen und Chymie versteht. Er war ausnehmend höflich ... Das Lavendelwasser brachte auf
der glänzenden Malerei des Mumiendeckels wie auf dem bemalten Überzüge der Mumie nicht die min¬
deste Veränderung hervor; nur an einer Stelle am rechten Fuße der Mumie, wo die Malerei gleichsam
zu Pulver gerieben war, wusch es die Farbe weg, welches um so leichter geschah, da die Malerei dieser
Mumie auf einen Gips- oder Kreidegrund aufgetragen ist. Es erhellt aus diesem Versuche, daß diese
Art der ägyptischen Malerei nicht mit Gummi oder Wachs, sondern mit einem durchsichtigen hellen
öl angemacht oder überstrichen ist, ein Umstand, welcher die Ölmalerei in ein sehr hohes Altertum
zurückbringt.“
Ich kann es mir nicht versagen, auch noch das unmittelbar Folgende aus Raspes Tage¬
buch wiederzugeben:
„Dr. Farmer war zu gefällig, als daß er uns in der Geschwindigkeit nicht noch einige andere
Merkwürdigkeiten dieser vortrefflichen und prächtigen Bibliothek gezeigt haben sollte. Er zeigte uns
einige kostbare alte Handschriften:
Evangelia Graeca et Latina — vorzeiten dem berühmten Theodor Beza gehörig, sind auf Perga¬
ment geschrieben in quarto fere quadrato und sind, nach der Form der Buchstaben zu urteilen, wo nicht
älter, doch eben so alt als der Codex Alexandrinus ...
Eine große Anzahl der ältesten und ersten Ausgaben von Autoribus classicis.
Cic. officia auf Pergament von P. Schöffer. 146 S. Folio.
Einige von Caxton's ältesten Drucken. Der älteste Druck von ihm soll von 1478 sein.
Er gab sich viel Mühe und versprach, das alte angelsächsische Gedicht the Saviour genannt,
welches Klopstock der Silbenmaße und Prosodie wegen herauszugeben gewünscht, für mich aufzusuchen.
Zu dem Ende legte er mir den Katalog zum Durchblättem vor. Das Gedicht fand ich nicht, wohl aber
im Codice CI. 71. 55 Confessiones Templariorum de quibusdam articulis, pro quibus condemnati fuerunt,
und im Codice CXXXVIII Nr. 13 Processum contra Templarios, — quod probe sapientibus no-
tandum . . .“
Daß Raspe sich Akten zur Aufhebung des Templerordens notiert, erklärt sich wohl
daraus, daß er, wie Offenberg und Kleist, Freimaurer war. Uns interessiert mehr, daß er
außer den ältesten Drucken der Bibliothek den Kodex D des griechischen Neuen Testaments,
den Codex Bezae oder Cantabrigiensis (Beza hatte ihn 1581 der Cambridger Universitäts¬
bibliothek geschenkt), als eine Hauptsehenswürdigkeit gezeigt bekommt Der Kodex enthält
nur die vier Evangelien und die Apostelgeschichte und ist der älteste Graecolatinus, den
wir haben; so ist die Bezeichnung „Evangelia Graeca et. Latina“ ganz passend. Er stammt
aber erst aus dem 6. Jahrhundert, während der Codex Alexandrinus (A), seit 1753 im Bri¬
tischen Museum in London, dem 5. Jahrhundert angehört.
Was ist nun aber „das alte angelsächsische Gedicht the Saviour genannt“, das Raspe
vergeblich gesucht hat? Der Relativsatz: „welches Klopstock .. . herauszugeben gewünscht“
führt uns auf die rechte Spur. Klopstock war durch George Hickes auf die Handschrift des
Heliand im Britischen Museum, den Codex Cottonianus, aufmerksam geworden und hatte
eine vollständige Ausgabe des Gedichts ins Auge gefaßt; er erwärmte seinen Gönner, den
König Christian VII. von Dänemark, dafür, und dieser ließ während seiner englischen Reise
1768 durch einen seiner Begleiter Stücke daraus abschreiben, die freilich erst 1787 in Kopen¬
hagen gedruckt wurden. Raspe hatte offenbar nur dunkle Kunde von dieser Heliand-Hand¬
schrift, weshalb er sie auch fälschlich in Cambridge suchte. Farmer scheint sein gewiß nur
mit unklaren Worten vorgebrachtes Desiderium nicht verstanden zu haben. Oder wußte auch
er nichts vom Codex Cottonianus?
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
FQr die Redaktion rer antwortlich Prof. Dr. Georg IViikowtki, Leipzig-G.. Ehrensteinstr. 20, Verlag von B. A. 5 ***»<t«»-Leipiig, Hoepitalatr. ix a
Druck von Emzt Hedriek Nachf. % G. m. b. H.- Leipzig, Hoepitalatr. xxa.
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125
Wieland und Clemens Brentano.
Ein unbekannter Brief Wielands, mitgeteilt und erläutert
von
Dr. Eduard Berend in München.
Z u den liebenswürdigsten Zügen im Bilde Wielands gehört die jugendfrische Aufnahme¬
fähigkeit, die er sich bis ins höchste Alter hinein für neue, nicht selten seiner Art völlig
entgegengesetzte Erscheinungen im Gebiete der Literatur bewahrte. Bekannt ist z. B.
die Begeisterung, mit der er Jean Paul und später namentlich Heinrich- von Kleist begrüßte.
Allerdings pflegte sich sein rasch auflodernder Enthusiasmus auch bald wieder abzukühlen,
ja manchmal ins Gegenteü umzuschlagen.
Ein charakteristisches Zeugnis dieser Fähigkeit ist das Interesse, das er an Brentanos
Erstling, dem „verwilderten“ Roman „ Godwi genommen hat; und es ist gewiß eine der
seltsamsten Tatsachen unserer Literaturgeschichte, daß bei dieser exzentrischsten Ausgeburt
der Romantik gerade Wieland, der Apostel der Vernunft, des Maßes, der aurea mediocritas,
Geburtshelferdienste geleistet hat. Allerdings gaben hier zunächst persönliche Verhältnisse
die Veranlassung. War doch der Verfasser der Enkel von Wielands Jugendgeliebter Sophie
von Laroche, die ihn im Sommer 1799 nach langer Trennung wieder besucht hatte, der
Bruder der lieblichen Sophie Brentano, die sich während ihres mehrwöchigen Aufenthalts in
Osmanstädt tief in das für weibliche Reize immer noch empfängliche Herz des Patriarchen
eingenistet hatte. Auch Clemens, der damals in Jena studierte, hatte im Wielandschen Hause
freundliche Aufnahme gefunden. Aber er hatte seinerseits wenig dazu beigetragen, sich die
Sympathie Vater Wielands zu gewinnen oder zu erhalten. Trieb er doch mit vollen Segeln
im rauschenden Fahrwasser der jungen Romantiker, die in ihrem übermütigen Drang nach
Umwertung aller Werte sich den gefeierten Dichter des Oberon als eines ihrer ersten Opfer
ersehen hatten. Wenn Wieland sich demungeachtet bereit finden ließ, dem jungen Mann den
Eintritt in die literarische Laufbahn zu erleichtern, so geschah es gewiß nicht nur aus Rück¬
sicht auf die verwandtschaftlichen Beziehungen, sondern auch in der Erkenntnis, daß hier eine
ungewöhnliche dichterische Begabung vorliege. Die Gelegenheit dazit bot sich im Frühjahr 1800.
Damals hatte sich der aufstrebende Verleger Friedrich Wilmans in Bremen, wie an ver¬
schiedene andere bedeutende Schriftsteller, so auch an Wieland mit der Bitte um einen Bei¬
trag zu einem neuen Taschenbuch gewandt; um der Werbung den nötigen Nachdruck zu
verleihen, ließ er ihr eine Kiste mit spanischen Weinen folgen. 1 2 Wieland, ganz in der Arbeit
an seinem großen Roman Aristipp, seinem bedeutendsten Alterswerk, aufgehend, mußte die
Bitte wenigstens für dieses Jahr abschlagen; um aber des Anspruchs auf die Weinsendung
nicht verlustig zu gehen, versuchte er, einen Ersatz zu bieten. In seiner Antwort vom 3. April
1800, die die Hirzelsche Sammlung auf der Leipziger Universitätsbibliothek bewahrt*, heißt es:
„Ich würde übrigens diesen Beweiß Ihrer Achtung nicht annehmen können, wenn ich nicht grade
im Stande wäre. Ihnen dankbar zu sein, indem ich Ihnen etwas vorschlage, was sie für den Gewinn,
den Sie von meiner Thejlnahme an Ihrem Taschenbuche für dieses Jahr zu erwarten schienen, im vollen
Maaße entschädigen [wird]; es ist, der Verleger eines jungen Mannes von vielen Talenten zu werden,
der seit einiger Zeit bei mir lebt, von dem ich für die neue Generation der deutschen Kunst viel hoffe,
und dessen persönliche Verdienste weiter aus einander zu sezzen, mir seine eigne Bescheidenheit ver¬
bietet. — Es ist der erste Theü eines Romans, der mit großer Raschheit der Handlung, viel Genialität,
feines Gefühl, Wizz, Geist des Raisonnements, ungetheiltes Interesse der Ansicht, und einen durchaus
neuen, scharfen und originellen Umriß der Darstellung verbindet. Der erste Theil endet mit einer ganz
eignen Spannung des Lesers auf die Folge, welche bei den Schritten, die mein junger Freund mit seiner
großen Liebe zur Kunst sicher erst indeß vorwärts thun wird, den ersten Band noch übertreffen und
das ganze in einer schönen Ruhe und Gleichmuth vollenden wird.
1 Auch Jean Paul erhielt im März 1800 von Wilmans eine solche Kiste als Anreiz zur Mitarbeit an der Zeit¬
schrift „Ruhestunden“.
2 Ich verdanke die Kenntnis dieses Briefes der Güte der Herrn Geheimrat Seuffert in Prag und Professor Wit-
kowski in Leipzig. Ein Stück daraus hat Alfred Kerr in seiner Schrift über „Godwi“ mitgeteilt. Der Brief ist von
fremder Hand, nur Datum und Unterschrift sind eigenhändig.
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26
Berend: Wieland und Clemens Brentano.
Es wäre mir äußerst angenehm, wenn mein junger Freund seine litterarische Laufbahn in dem
Etablissement eines so rechtschaffenen und kenntnißvollen Verlegers eröffnete, um auf immer, den dem
wahren Künstler so kränkenden Hudeleien und Kleinlichkeiten zu entgehen, die leider noch so sehr
unter vielen unwürdigen Subjecten Ihres Standes herrschen. Auch mögte ich Ihnen zur Bekanntschaft
mit einem Kopfe helfen, der Ihnen noch [zu] manchen sehr vortheilhaften schönen Verlagsartikeln
helfen wird, die Ihrem Geschäfte Ehre bringen werden. Der Roman trägt den Titel Godwi , und erfüllt
ein gedrucktes Alphabet. Es sind schöne Lieder hineingemischt, deren Composition sie befördern
würden, und zu einem guten Kupfer würde Ihnen der Verfaßer eine äußerst interessante Scene an¬
geben. Daß das ganze zu Michaelis erscheinen müste versteht sich von selbst, und der zweite Band
würde Ostern folgen. Das äußerst bescheidene Honorar ist Rthl. 6 x / % oder i Carolin . Der junge Mann
den nichts weniger als Armuth zur Kunst führt will nicht mehr für den Bogen, damit er mit Ihnen
durch seine Billigkeit gleich anfangs in ein gutes Vernehmen kommen könne. Für den zweiten Band
und mögliche 2te Auflage wird er von neuen mit Ihnen Contrahiren .“
Die Art, wie hier die Bitte um eine Gefälligkeit — wie es die Zumutung, ein so exzen¬
trisches Werk eines Unbekannten zu verlegen, doch war — in die Form der Abtragung einer
Dankesschuld gekleidet wird, macht der diplomatischen Begabung Wielands alle Ehre. Aber
die Sache nahm eine für ihn etwas unangenehme Wendung. In seiner (nicht erhaltenen)
Antwort vom 13. April 1800 erklärte sich Wilmans zum Verlage des Romans bereit, jedoch
unter der Bedingung, daß Wieland öffentlich dafür eintrete. Dazu konnte sich dieser nun
doch nicht entschließen. So unbefangen er sich in privatem Kreise über neue Erscheinungen
lobend oder tadelnd ausließ, so ungern trat er, durch leidige Erfahrungen gewitzigt, mit seiner
Kritik an die Öffentlichkeit. Dazu kam, daß eben damals in seiner Beurteilung Brentanos —
wohl nicht ohne dessen Verschulden — ein Umschwung eingetreten war; ich komme darauf
am Schluß noch zu sprechen. Andererseits konnte und wollte er doch seine Empfehlung nicht
widerrufen. Aus diesem Dilemma half er sich durch den folgenden eigenhändigen, vier Quart¬
seiten füllenden, äußerst charakteristischen Brief heraus, den ich hier mit gütiger Erlaubnis des
Besitzers, Herrn Generalkonsuls Dr. Theodor Wilmersdörffer in München, wortgetreu wiedergebe.
Osmanstätt bey Weimar ,
den 4t*» May 1800.
Hochgeschätzter Herr,
Ihr Charakter zeigt sich mir in Ihrer Antwort vom i3ten auf meinen Erlaß vom 3ten paß . aber-
mahls in einem so schönen Lichte, daß ich mich gedrungen fühle, mich über die Gegenstände unsrer
bisherigen Korrespondenz genauer und eigenhändig gegen Sie zu erklären. Was also, fürs Erste, den
Roman betrift, den ich Ihnen, pro redimenda vexa (wie die Juristen sagen) zum Verlag vorschlug und
in sehr nachdrücklichen terminis empfahl, so kann ich zwar von Allem dem, was ich Ihnen von dem
seltnen Genie des jungen Verfassers und von den Vorzüglichkeiten des Produkts selbst (so weit ich es
aus dem 1 sten Theil beurtheilen kann) angerühmt habe, mit gutem Gewissen nichts zurücknehmen:
aber gleichwohl stehen drey sehr wesentliche Bewegursachen im Wege, warum ich mich zu demjenigen,
was Sie zu einer Bedingung der Annahme des bewußten Manuskripts zu machen scheinen, nehmlich
(nach Ihrem Ausdruck)
„vermittelst meines günstigen Urtheils dieser Schrift den Weg ins Publikum zu bahnen' 1
keineswegs verstehen kann. Denn, Erstens, habe ich nur einzelne, wiewohl sehr beträchtliche Bruch¬
stücke aus dem isten Theil dieses in Briefen abgefaßten Romans von dem Verfasser selbst lesen
gehört, und kann also von dem Ganzen nur aus Präsumzionen urtheilen, welche zwar für mich
selbst hinlänglich sind, aber doch nicht in einem so hohen Grade, daß ich so zu sagen, dem Publikum
und Ihnen für die Vortrefflichkeit des Ganzen gleichsam die Gewähr leisten könnte. Zweytens ist der
Verfasser zwar unstreitig ein ausserordentliches Genie, hat bey vielem natürlichen Verstand, eine
äusserst lebhafte Einbildungskraft und unendlich viel von dem was man Witz nennt; aber bey allem
dem kann ich doch nicht bergen, daß er mir ein excentrischev und durch den Umgang und die Schriften
einiger allerneuester Ästhetiker, Dichter und Egoistisch-Idealistischen Filosofen etwas verschrobener
Kopf zu seyn scheint, mit welchem ich (zumahl da ich sein Ich inzwischen näher kennen gelernt habe)
öffentlich in keinerley Art von Verhältniß zu kommen wünschen kann. Er und einige andere junge
Männer seines gleichens haben sich in den Kopf gesetzt, daß mit dem 19t«! Jahrhundert eine ganz
neue Ordnung der Dinge auch im ästhetischen Fache, d. i. überhaupt in allem was Kunst ist und
heißt, angehen müsse; und Sie, Mein Wehrtester Herr, begreifen leicht, daß ich zu alt bin, um in die
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Berend: Wieland und Clemens Brentano.
127
neuen Ideen, Grundsätze und Vorstellungsweisen (wiewohl sie, ihrer Meinung nach, die einzigen, die
künftig Statt finden können, sind) einzugehen, und mein ganzes inneres Wesen nach diesen neuen
Formen umzugestalten. Sie sehen aber auch hieraus, wie es möglich war, daß ich Ihnen als einem
Buchhändler und Verleger ein neues und fremdes Genie-Produkt redlicher Weise zum Verlag empfehlen
konnte, welches ich dem Publikum keineswegs öffentlich empfehlen möchte. Für wie manche Werke
unsrer beliebtesten neuern Schriftsteller bezahlen die Verleger mit Freuden 25, 30 und noch mehr
Reichsthaler, und befinden sich wohl dabey, wiewohl ich für meine Person um keinen Preis mich ent¬
schließen könnte, diese Werke öffentlich unbedingt gut zu heissen. Kurz, ein Buch, wogegen ich sehr
viel einzuwenden habe, kann für einen Verleger ein herrlicher Artikel seyn. Daß dies auch bey dem
Roman des Hm. CI. Br. der Fall seyn werde, ist nicht nur möglich, sondern um so wahrscheinlicher, da
er wirklich, bey aller Originalität und Singularität, wodurch er sich meinem eigenen Geschmack
nicht imnjer empfiehlt, sehr vieles, was mir ganz vortrefflich scheint, und besonders eine Menge äusserst
schöner Lieder enthält. Indessen kann ich doch auch Ihnen, als Verlegern, für den Erfolg nicht gut
seyn. Jedes Buch hat seinen guten oder bösen Genius; das Beste wird oft (wenigstens eine Zeitlang)
nichts geachtet, und Andre, deren Titel in 20 Jahren kaum mehr bekannt seyn wird, machen izt, für
den Moment, das Glück ihrer Verfasser und Verleger. — Endlich waltet noch ein dritter Umstand vor,
der allein schon hinreichend wäre, mir eine solche öffentliche Theilnehmung an dem Werke des Hrn. B.
wie Sie wünschen, schlechterdings zu verbieten. Der Verfasser nehmlich ist viel zu stolz und sich
seiner eigenthümlichen Vorzüge viel zu stark bewußt, als daß er sich jemahls zu einer solchen Er¬
niedrigung (denn das würde meine öffentliche Garantie in seinen Augen seyn) verstehen würde.
Wie ich höre, hat er Ihnen nun bereits selbst geschrieben, und — mich dadurch aller weitern Sorge
für sein schriftstellerisches Unterkommen überhoben. Auch hat er vollkommen recht, daß er durch
sich selbst stehen oder fallen will. Es kommt also nun auch bloß auf Sie Selbst an, ob Sie es mit ihm
wagen wollen. Sein Werk gehört, wenn ich nicht sehr irre, in die Klasse der Schlegelschen Lucinde ,
des Prinzen Zerbino's und der andern Produkte des Hm. Tieck, mit denen es, wiewohl auf eine ihm
ganz eigene und originelle Weise, viele Familienähnlichkeit hat. Sein Genius hat mächtige
Flügel und schwingt sich oft so hoch, daß wir andern Erdenbewohner ihm weder folgen noch in dem
Elemente, worin ihm ganz wohl zu seyn scheint, Athcm schöpfen können — Kurz, wenn er nicht vor
der Zeit völlig überschnappt, muß noch ein sehr großer Schriftsteller aus ihm werden. Ich sage, wenn
p. denn es geht mir mit diesen neuen Genien des I9ten Jahrhunderts, wie ein längstvergeßner Dichter
aus den Zeiten meiner Jugend, ein Freyherr v. Gemmingen, von ihresgleichen sagt:
— Vor dem Spotte größrer Narren,
Vor dem Tollhaus und dem Festungs-Karren
Bin ich keinem gut.
Es ist nun Zeit, Lieber Herr Willmans, Ihnen auch noch ein Paar Worte über das, was Sie von
mir selbst erwarten, zu sagen. Sie scheinen nicht zu wissen, daß ich im Jahr 1733 au * die Welt ge¬
kommen, und also, da nur noch ein Jahr zu meinem 50jährigen Schriftstellerischen Jubileum fehlt,
der Mann nicht mehr bin, von dem viel tröstliches zu erwarten ist — wiewohl es mir noch immer an
gutem Willen nicht gebricht. Ich werde vielleicht noch ins igte Jahrhundert hineingucken; aber von
denen, die mich einst liebten und denen ich gefiel, sehe ich wenige mehr, und für die jungen Leute,
denen dieses neue Jahrhundert zugehört, und die mich als eine alte Trümmer aus der Vorzeit angaffen,
beginnt eine neue Ordnung der Dinge, die nichts Altes neben sich leiden kann. Was nicht von selbst
fällt, muß ein ge rissen werden, sagen sie. Aber, wenn dies Alles auch nicht in Betrachtung käme,
so ist Ihnen vermuthlich mein Verhältniß mit Herrn Göschen nicht unbekannt. Ich glaube zwar, daß
er nichts dagegen habed würde, wenn ein kleines Stück von 2 oder 3 Bogen von mir in Ihrem Taschen¬
buch erschiene; aber doch könnte es nicht ohne seine Einwilligung geschehen. Die Hauptschwierigkeit
aber liegt immer darin, daß Niemand, und ich weniger als irgend ein Anderer, nichts in der Welt invita
Minerva thun soll. Mein Geist muß ganz frey seyn, um etwas, womit Ihnen gedient seyn könnte, her¬
vorzubringen ; und das ist er dermahlen nicht. Doch gebe ich Ihnen nochmahls mein Wort, das erste,
was mir meine alte Muse vor die Thür legen wird, soll (Hm. Göschens Genehmigung vorausgesetzt)
Ihnen überlassen werden, wenn Sie Sich damit beladen wollen. Inzwischen werden Sie mir erlauben,
Ihr in zweyfachem Sinne köstliches Geschenk (welches indessen wohl behalten, wiewohl zuerst
durch einen Irrthum, woran Ihr Commissionär in Braunschweig, laut des Frachtzettels, unschuldig
war, in die Hände eines in Weimar wohnenden Fürstl. Legationsraths Weyland , und erst, nachdem
dieser das Kistchen erbrechen lassen und seinen Irrthum gewahr worden, in meine Hände gekommen
ist) als Etwas zu betrachten, wofür ich mich so lange als Ihren Schuldner erkennen muß, bis ich mich
auf die eine oder andre Art acquittteit haben werde. Unter dieser Bedingung sind bereits alle 5 Gattun¬
gen dieser Götterweine auf Ihre Gesundheit versucht, und jede in ihrer Art vortrefflich befunden
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Berend: Wieland und Clemens Brentano.
worden. Besonders hat der Tinto d'Alicante bey einem meiner Freunde so großen Beyfall gefunden,
daß er mich dringend gebeten hat, mich bey Ihnen zu erkundigen, ob dieser wahre Nektar zu Bremen
in größerer Quantität zu bekommen sey, und wie hoch die bouteille zu stehen kommen würde. Ver¬
zeihen Sie mir, daß ich Ihnen durch Erfüllung dieses Auftrags beschwerl. falle, und bleiben der ganz
vorzüglichen Hochschätzung versichert, womit ich bin
Dero ergebenster Diener
Wieland.
Nach dem oben Vorausgeschickten bedarf der Brief kaum noch einer Erläuterung.
Worauf Wielands Bemerkung, er habe inzwischen Brentanos „Ich“ (doppelt unterstrichen,
natürlich eine Anspielung auf Fichtes Philosophie) näher kennen gelernt, sich bezieht, ist aus
den mir zugänglichen Quellen nicht zu entnehmen. Wieland scheint sich aber auch in einem
gleichzeitigen Briefe an Sophie Brentano ernstlich über ihren Bruder beklagt zu haben; denn
diese schreibt ihm am 9. Mai 1800 aus Frankfurt: „Lieber Vater, ich berühre mit keiner Sylbe
den höchst unfröhlichen Inhalt Ihres Briefes. Könnte ich etwas wieder gut machen, so würde
ich dieser Angelegenheit mein Leben weihen; aber ich muß diesen wahren Kummer im Stillen
mit allem Uebrigen tragen, und kann nur bethen, daß irgend eine gnädige Gottheit sich zu
Wundem herablassen möge. Den Gedanken an diese Nachbarschaft trage ich nicht ohne eine
gewisse Furcht vor ihren Folgen, und immer noch hoffe ich einen veränderten Standpunkt,
ehe ich in die Nähe komme.“ 1 (Sie war für den Sommer wieder nach Osmanstädt eingeladen.)
Schwerlich wird man an jene schlecht verbürgte Anekdote denken dürfen, wonach Clemens
einmal den alten Wieland beredet haben soll, sich einen eleganten „Spenser“ nach neuester
Mode machen zu lassen und damit bei Hof zu paradieren, wo er sich nicht wenig lächerlich
gemacht habe. 2 3 Eher ist zu vermuten, daß Brentano sich eine etwaige öffentliche Empfehlung
seines Romans durch Wieland in ungezogener Weise verbeten hat. Es mag daran erinnert
sein, daß auch in der damals erschienenen anonymen Spottschrift „Der Turm zu Babel“
Wieland durch den jungen Brentano verhöhnt wird. Wie dem auch sei, jedenfalls macht es
Wieland alle Ehre, daß er trotz der erlittenen Kränkung das Werk und seinen Verfasser nach
wie vor so unbefangen und gerecht beurteilte. Die Literaturgeschichte hat seine Einschätzung
in vollem Umfange bestätigt. — Das Zitat aus dem Freiherm von Gemmingen findet sich
in dessen Gedicht „Testament eines Hofmanns“. 8
Ergänzend sei noch bemerkt, daß Wilmans trotz Wielands Weigerung den Verlag des
„Godwi“ übernahm, auch den zweiten Teil, der statt der „schönen Ruhe“, die sich Wieland
davon versprochen hatte, den ersten an Verwilderung noch übertrumpfte. Wieland hat dann
einige Zeit später seinen Dank an Wilmans dadurch abgetragen, daß er zu dessen „der Liebe
und Freundschaft gewidmetem“ Taschenbuch auf das Jahr 1804 zwei Erzählungen aus seinem
„Pentamerone von Rosenhain“ beisteuerte.
1 Reliquien von Sophie Brentano, mitgeteilt von Bernhard Seuffert. Deutsche Rundschau Bd. 52 (1887), S. 208.
Seuffert bezieht die Stelle auf Louis Wieland.
2 Rheinischer Antiquarius, 2. Abtlg., 1. Bd., Koblenz 1845, S. 112.
3 Eberhard Friedrich von Gemmingen, Poetische und Prosaische Stücke, Neue Aufl., Braunschweig 1769, S. 61.
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Unbekannte Verse Lichtenbergs.
Mitgeteilt von
Professor Dr. Albert Leitzmann in Jena.
TL ls ich zum Säkulartage seines Todes im Jahre 1899 aus Lichtenbergs Nachlaß unter
/ \ andern unbekannten Stücken auch eine Anzahl von Gelegenheitsversen veröffentlichte,
J JL ließ ich eine Gruppe gereimter Epigramme vorläufig beiseite, die er wohl im Jahre
1771 auf die Kupfer des „Gothaischen Hofkalenders zum Nutzen und Vergnügen eingerichtet
auf das Jahr 1772" gedichtet hat (vgl. Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 239; ebenda handle
ich S. 236 über Lichtenbergs dichterische Betätigung im Zusammenhänge). Mir schienen diese
Versehen damals aus einer psychologischen Erwägung heraus, die ich heute nicht mehr ver¬
treten würde, nicht recht geeignet, dem Kranze der übrigen eingeflochten zu werden. Kurz
darauf erbat sich mein Freund Schüddekopf von mir das Veröffentlichungsrecht, das ich ihm
gern überließ, zu dessen Ausübung er aber nicht mehr gekommen ist
Nach seinem Tode ist das Blatt wieder an mich zurückgelangt und ich mache die etwas
derben, aber recht geistreichen Einfalle nun bekannt, leider der allzu hohen Herstellungskosten
wegen nicht, wie ich gern gewünscht hätte, mit einer Reproduktion der Kupfer verbunden.
Glücklicherweise gehört aber der Hofkalender in den Bibliotheken nicht zu den Seltenheiten,
so daß sich Lichtenbergs Forderung, die Bildchen neben die Verse zu halten, leicht erfüllen läßt.
Die zwölf Monatskupfer sind von dem bekannten Zeichner und Kupferstecher Johann
Wilhelm Meil (1733—1805) gearbeitet, der unter andern auch Gellerts Fabeln, Nicolais
Sebaldus Nothanker und Engels Mimik illustriert hat. Sie schließen sich stark an entsprechende
antike Vorbilder an, ohne zu individueller Kraft und Wahrheit des plastischen Ausdrucks zu
gelangen; besonders ungeschickt ist die Wiedergabe der Gesichter, die vielfach direkt dumm
wirken, so daß sie eine satirische Interpretation förmlich herausfordern. Lichtenbergs Reihen¬
folge weicht von der des Kalenders (Diana, Prometheus, Higia, Venus, Flora, Leda, Amazon,
Euterpe, Erato, Meleager, Baccha, Bacchus) in einigen Fällen ab.
Verse unter die Kupfer des Gothaischen Calenders vom Jahr 1772.
NB. Die Kupferstiche müssen dabey in die Hand genommen iverden.
Diana
Dein Mittel wider Unzucht trüget nicht ,
Zween Gürtel und ein dumm Gesicht.
Fiinfe unter den Prometheus
Ni 1
Was so ein Blütchen deckt ,
Das reitzet und erschreckt
Das reizbarste der Mädchen
Und furchtsamste der Mädchen
So wenig dis das Blättchen.
Ni 2
Nimm nur [aus: denn] das [aus: dein] Blättchen weg, zum
reitzen oder [aus: und zum] schrecken
Kan sicherlich nichts drunter stecken.
Ni 3
Das Feuer zu dem grosen Brand
Zur Fackel , mein ich , in der Hand
Hat er selbst Jupitern entwandt.
Allein die t die er so versteckt
Und gar mit einem Kräutgen deckt ,
Die f furcht ich , hat er sonst wo angesteckt.
[A us folgender quer durchstrichenen Fassung :
Die Fackel in der lincken Hand
Heißt doch mit Recht ein Götter Brand ,
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Leitzmann: Unbekannte Verse Lichtenbergs.
Man siehts er hat sie Jupitern entwandt.
Allein die andre , so versteckt
Und so erbärmlich zugedeckt ,
Die hat er sonst wo angesteckt.]
M 4
Bios Feuer für den Feuerheerd
Zu stehlen war der Müh nicht werth t
Dürft ich Zevs Feuerschatz bestehlen ,
Ich wolle mir ein bessres wählen.
Nt 5 auf den Erfinder des Feuers
Die Fackel unterm Blatt ist so verschwunden
Als halt der Mann den Frost erfunden.
Auf Hygeens [gestrichen: beyde] Schälgen
Mit diesem Schälgen kan Hygea alles heilen ,
Nur Wunden nicht von Amors Pfeilen:
Denn da muß sie sich offt bequemen,
Ihr andres [aus : Das andre] auch dazu zu nehmen.
Venus und Cupido ,
die das Gewand nach entgegen gesezten Richtungen ziehen.
Gleich lös * ich euch dieß Räthsel auf:
Der Mann hinab , die Frau herauf.
(noch 2 andere siehe am Ende.)
Die Amazone
Den alten Amazonen fehlte eine ,
Und unsre neuern haben keine.
Leda
Kaum kann das arme Ledchen stehen /
Was alle lieber thun als sehen ,
Geschieht ihr , oder ist geschehen.
Flora
Daß so im Hemdgen da zu stehn [aus: stehen],
Nicht eben allen läßt % kann man an Florchen sehn [aus: sehen].
Euterpe
Hier t sagt Euterpe [aus: Euterpchen], liegt [aus : sizt] mein Schmertz ,
Und da will ich daß er geheilet werde:
Drum zeigt sie mit der lincken auf ihr Hertz
Und mit der Rechten auf die Erde.
Dieses Sinngedicht konte ein sehr philosophisches Ansehn erhalten wenn man statt Euterp¬
chen, das Mädchen [aus: das Musgen, aus: die Muse] läse , und ihr zeigen auf die Erde
vom Tode verstehen wolte . Der Verfasser versteht aber hier unter Erde jede ausgebreitete Decke,
einen weichen Rasen pp.
Erato
Bey so viel Heiligkeit und Andacht auf den Wangen
Da denck* ich gleich die Hure will mich fangen.
Meleager
Man hielt dich (hättst du Hosen an)
Fürwahr für einen gantzen Mann.
Bacha
Dein lincker Arm und dein Gesicht
Sind allerdings die schönsten nicht ,
Doch kan ich durch die Leinwand schätzen ,
Die Mängel liesen sich ersetzen.
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
131
Bachus
Diess war der Gott des Weins? So sieht beym Bauernschmauß
Ja kaum der Gott des Fusels aus. 1 2
Auf die mystische Lage der Hände in dieser und der Mediceischen Venus
Der Künstler giebt von innerm [aus: Praxiteles gab von der Liebe] Brand
Und seiner Löschung hier [aus: hierin, aus: aus] geheime [aus: die klarsten, aus: geheime] Wincke,
Dort brennt es zwar, sagt uns die [aus: ihre] rechte Hand,
Allein hier löscht man, sagt die lincke.
An den Amor
Hör Junge quäl mit ziehn die Göttin [aus : Mutter] nicht:
Sie [aus: Die Göttin, aus: Sie] zeigt ja Brust und Seite und Gesicht.
Mit Recht kan sie den Augen dann mißgönnen
Was wir von allen sehen [aus : uns alle dencken] können.
[Gestrichen und fast unleserlich gemacht:
Wie weiß hat Zevs die Mädchen ausgedacht,
Halb für den Tag ... .* halb für die Nacht.]
Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
Von
Professor Dr. H. H. Houben in Leipzig.
Die Censur.
Haltet die Uhr nur an und denkt, nun werd’ es nicht Abend;
Stand die Sonne schon still, weil es ein Küster gebot?
Fr. Hebbel. 1848.
H ebbel hat sich niemals als einen Märtyrer der Zensur hingestellt Als er im Herbst
1845 nach Wien kam, machte er sich unter den dortigen Schriftstellern, denen die
Klage über den Geistesbann im damaligen Österreich zum Morgen- und Abendgebet
geworden war, bald unbeliebt durch eine Äußerung, die wie ein Lob der Zensur geklungen
hatte. Wir lesen sie in seinem Tagebuch vom io. November 1846: „Für gewisse Leute ist
die Censur das größte Glück. Sie können behaupten, daß nur diese alles Shakespearesche,
Schillersche, an ihren Gedanken abschneidet/ 1 Wer wie Grillparzer oder Bauernfeld auf die
Zensur schimpfte, war natürlich des lärmenden Beifalls des Literaturpöbels sicher, und mit
dem wollte sich Hebbel nicht gemein machen. Er selbst hatte damals schon mancherlei
Unbül seitens der Zensur erfahren, aber er fühlte noch die Kraft eines Simson in seinen Adern,
der es schließlich doch gelingen mußte, dies Staatsgebäude rückständigen Vorurteils zum Ein¬
sturz zu bringen.
Aber dazu reichte auch die Kraft eines Hebbel nicht aus. Schon die Erfahrungen, die
er bald darauf in Wien selbst machte, belehrten ihn, daß die Zensur ihre artigen und be¬
scheidenen Schützlinge mit demselben Schulmeisterbakel traktierte wie die aufsässigen und
widerspenstigen, und daß man seinem dichterischen Können zuliebe gewiß keine Ausnahme
von der Regel machte, die Klein und Groß mit anerkennenswerter Unparteilichkeit mi߬
handelte. Obgleich er dann 1848 keineswegs blindfröhlich und kritiklos in das allgemeine
" Revolutionshurra mit einstimmte, verschmähte auch er es nicht, an dem Scheiterhaufen, auf
dem damals die Zensur gebraten wurde, seine epigrammatischen Lichtlein anzuzünden (vgl.
das obige Motto). Und auf der Höhe seines Ruhmes, als er über die Mehrzahl seiner Zeit¬
genossen so ungeheuer hinausgewachsen war, hatte sich diese gereizte Stimmung keineswegs *
1 Hier ist eine Namensunterschrift so gestrichen, d&fi sie nicht mehr lesbar ist; zu erkennen ist nur: G. C. L...
Aber es stand nicht „Lichtenberg" da, sondern wohl ein mit L anlautendes Pseudonym.
2 Es hat vielleicht nur ein Gedankenstrich, kein Wort hier gestanden.
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132
Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
verloren, im Gegenteil bedeutend gesteigert. Als er sich nach dem großen Erfolg seiner
„Nibelungen“ (1862) zu einer Gesamtausgabe seiner Werke rüstete, dachte er daran, sie um
eine „Blumenlese“ seiner Zensurerfahrungen zu bereichern, „nicht der Piquanterie wegen,“ wie
er an seinen Verleger Campe am 19. Oktober 1863 schrieb, „sondern um gewisse Kritiker,
die mir immer das Anklammern an die reale Bühne predigen, mit den Zuständen dieser realen
Bühne bekannt zu machen. Ich habe das Theater stets im Auge gehabt und keine Scene
geschrieben, die nicht gespielt werden konnte, aber freilich nicht den Polizei-Codex, oder gar
die Grillen oder das Hof-Gewissen eines Intendanten. Wie wäre das auch möglich? In jedem
Lande, ja in jeder Stadt sind sie verschieden, und wechseln nicht bloß mit den Personen,
sondern auch mit ihren Stimmungen.“
Zwei Monate, nachdem er dies geschrieben hatte, riß ihm der Tod die Feder aus der
Hand. Seine Briefe und Tagebücher nebst den Berichten seiner Zeitgenossen geben aber Stoff
genug, jene „Blumenlese“ in seinem Sinne nachzuholen.
Aus Hebbels Frühzeit ist nur ein unbedeutender Zusammenstoß mit der Zensur bekannt
Während seines ersten Aufenthaltes in Hamburg schrieb er ein Gedicht „Zum 18. Oktober“
(1835), dem Gedenktag der Leipziger Schlacht, das in den von seiner damaligen GÖnnerin
Amalie Schoppe herausgegebenen „Neuen Pariser Modeblättern“ erscheinen sollte. Der Ham¬
burger Zensor Hoffmann aber gab das Manuskript dem Drucker entrüstet zurück mit den
Worten: „Wie kann die gute Frau (die Doct: Schoppe) glauben, daß ich solche Gedichte
passiren lasse!“ Dieses Jugendgedicht Hebbels ist verschollen, was nicht der Fall wäre, wenn
es hätte gedruckt werden dürfen. Seine Staatsgefahrlichkeit ist also nicht mehr nachzupriifen.
Das ist alles, was sich Hebbel bis zu dem Zeitpunkt hatte zuschulden kommen lassen,
da er als Dramatiker aufzutreten begann. Er war also weder politisch verdächtig noch vor¬
bestraft und hatte auch niemals die Aufmerksamkeit der vormärzlichen Polizei auf sich ge¬
zogen. Er lebte fast als politisches Neutrum dahin, ganz eingesponnen in seine künstlerische
Arbeit Dennoch gehen seine Erfolge gerade als Dramatiker durchaus parallel mit den po¬
litischen Ereignissen.
Von Hebbels bis 1848 vollendeten sechs Dramen haben bis zur Aufhebung der Zensur
in eben diesem Jahr nur zwei das Lampenlicht erblickt: „Judith“ und „Maria Magdalena“;
die Zahl der Aufführungen zusammengenommen erreicht nicht einmal das Dutzend. Von
1848 ab wird das mit einem Schlage anders. Eine der hartnäckigsten Zensurfestiftigen, das
Wiener Burgtheater, kapituliert; es bringt innerhalb zweier Jahre vier Stücke von Hebbel.
Allein das Jahr 1849 beschert diesem vier regelrechte Uraufführungen; dazu kam noch die
Aufnahme der „Judith“ auf dem Burgtheater. Dieser Sturmschritt stockte aber sofort, als
die Reaktion über Deutschland und Österreich hereinbrach. Ein Parallelismus der Ereignisse,
der sogleich den Schluß aufdrängt: daran wird wohl außer der sprichwörtlichen Gleichgültig¬
keit der deutschen Theaterdirektoren auch der Zensor stark beteiligt gewesen sein. Eine
nähere Untersuchung kann diese Vermutung nur bestätigen.
Im Herbst und Winter 1839/40 hatte Hebbel seine erste Tragödie „Judith“ geschrieben.
Etwa am 16. Februar 1840 sandte Amalie Schoppe ein Exemplar des eben fertig gewordenen
Manuskriptdruckes an die Berliner Schauspielerin Auguste Stich-Crelinger, die bei einer dor¬
tigen Aufführung als Darstellerin der Titelrolle allein in Betracht kam.
Schon am 29. Februar antwortete Frau Crelinger, und zwar mit einem Briefe, der ihrer
Klugheit und geistigen Empfänglichkeit alle Ehre machte. Sie hatte die „Judith“ gleich zwei¬
mal gelesen, und was sie über den „eminenten Beruf 1 des neuen Dichters für das Drama
sagt, ist keine Redensart, sondern der Ausdruck ehrlichster Überzeugung und tiefster Er¬
griffenheit
Aber — nun kamen die Einwendungen: so wie das Stück geschrieben sei, könne es
unmöglich aufgeführt, vielmehr müsse „Vieles und oft das Schönste“ gestrichen werden.
„Ich empfinde das an mir selbst,“ versicherte die Dame. „Ich gehöre nicht zu den Prüden
und doch möchte ich das Stück, so wie es ist, meinen Töchtern nicht zu lesen geben und
möchte es keinem Manne vorlesen oder mir von ihm vorlesen lassen.“ Frau Stich-Crelinger
gehörte allerdings nicht zu den Prüden; „am Knie der Frau Crelinger“ (sie wohnte in Char¬
lottenburg am „Knie“) war ein beliebtes zweideutiges Berliner Witzwort; es wurzelte in einem
j Abenteuer der Schauspielerin mit einem Grafen Blücher, das ihren ersten Mann, den Schau¬
spieler Stich, das Leben kostete; der eifersüchtige Ehemann erwischte den Liebhaber im
Hause, und der Offizier stach den unbequemen Frager einfach mit dem Dolche nieder. Das
war allerdings schon sechzehn Jahre her; unterdes war Frau Crelinger, wie sie seit ihrer
zweiten Ehe hieß, älter geworden, sie hatte zwei erwachsene Töchter, und unter diesem
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
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Gesichtspunkt pflegen sich die Begriffe von Sittlichkeit gewöhnlich zu ändern. Frau Stich
war jetzt eine tadellos „anständige“ Frau.
Sie war aber auch eine praktische Schauspielerin und machte sofort genauere Vorschläge,
wie dem sittlichen Übel der Hebbelschen Tragödie abzuhelfen sei. Die „beiweitem zu durch¬
sichtige“ Beschreibung der Hochzeitsnacht im 2. Akt müsse ganz geändert werden oder ge¬
strichen werden; übrigens verstehe sie auch den Sinn derselben nicht. Ebenso unmöglich
sei verschiedenes im 5. Akt in der Unterhaltung des Holofernes mit dem Hauptmann, „besonders
die Stelle: »Weib ist Weib«“ und in der Szene zwischen Judith und Mirza vor dem Zelt des
schlafenden Feldhauptmannes. Das abgehauene Haupt des Holofernes schließlich dürfe „nie,
auch nicht verdeckt auf der Bühne erscheinen“. Natürlich könne nur der Dichter selbst diese
Änderungen vornehmen: „eine fremde Hand kann und darf an diesem Kleinod nicht rühren“.
Was Frau Crelinger Gutes über Hebbels Meisterwerk sagte, stammte gewiß von ihr; im
übrigen war sie nur das Sprachrohr der Kgl. Intendanz, deren Zensurpraxis sie genau kannte;
wahrscheinlich hatte die energische Schauspielerin über „Judith“ bereits Rücksprache mit ihr
genommen.
Am 6. Juli 1840 fand tatsächlich durch die erfolgreiche Verwendung der einflußreichen
Schauspielerin die Uraufführung der „Judith“ statt Wie war das möglich? Hebbel selbst hatte
sich dazu bereden lassen, sein Werk „bühnengerecht“ zu machen. Wer könnte es einem
jungen Dichter verargen, wenn er dieser „Versuchung“ erlag, von der seine ganze Zukunft
abhängen konnte 1 Hebbel milderte also das „Colorit“ im Sinne der Berliner Zensurwünsche.
Nach Emil Kuhs Bericht wurde die Szene zwischen Judith und Mirza vor dem Zelt des schlafen¬
den Holofernes „wegen der allzu grellen Naturlaute des geschlechtlichen Fiebers, die darin
erklingen“, ganz gestrichen.
Die Berliner Zensur war aber damit nicht zufrieden; sie verlangte einen anderen Schluß.
Die letzte Szene, in der Judith den sie preisenden Priestern den Schwur abnimmt, sie zu töten,
sobald sie es verlange, und die Schlußworte: „Ich will dem Holofernes keinen Sohn gebärenl
Bete zu Gott, daß mein Schoß unfruchtbar sei. Vielleicht ist er mir gnädigl“ — dieser Gipfel¬
punkt des seelischen Konfliktes war auf der Berliner Hofbühne unmöglich.
Diesem Wunsch wollte aber Hebbel nicht entsprechen. Der Regisseur oder sonst ein
Gehilfe machte sich also selbst an die Arbeit. Wie sie ausfiel, wissen wir nicht, da das alte
Regiebuch verschollen ist Aber der Dichter entsetzte sich über diesen „verrückten, ohne
sein Zuthun in Berlin fabrizirten“ Schluß, und damit das Hamburger Theater, das ein halbes
Jahr später (1. Dezember 1840) ebenfalls die „Judith“ aufführte, nicht etwa zur Berliner Bear¬
beitung greife, lieferte er nun selbst einen Schluß, der sich natürlich im Rahmen der übrigen
zensurgerechten Berliner Fassung halten mußte.
Diese Hamburger Theatereinrichtung, Hebbels „eigenes Machwerk“, wie er selbst sie
bezeichnete, ist vorhanden. Der innerste Kern der Tragödie ist herausgebrochen: „die Ver¬
wirrung der Motive in der Heldin und die Ableitung der Tat aus eben dieser Verwirrung“.
Judith ist dadurch zu einer „heroischen Katze“ geworden. Sie handelt nur mehr aus religiös¬
patriotischen Beweggründen; das sexuelle Moment ist völlig ausgeschaltet; sie schaudert vor
dem Mord an Holofernes zurück, weil sie ihn als eine riesenhafte, dämonische Natur wie einen
Gott verehrt. Während sie ihm dann das Haupt abschlägt, brechen die Juden unter Kriegs¬
musik in das Lager der Assyrier ein, und Judith wird von ihnen als Heldin und Retterin
begrüßt. Sie aber tritt, „wie aus Erstarrung geweckt, mit ihrem Schwerte unter sie“ und ver¬
weist sie auf Gott, den Herrn, der das Große vollbracht habe. „Jauchze Volk des Verheißung l“
jubelt der oberste Priester der Israeliten, und unter „Heill Judith Heil!“ fällt der Vorhang.
Diese Fassung verblieb der „Judith“ fast ein halbes Jahrhundert, als ob das Original werk
des Dichters gar nicht existierte. So kam sie 1849 in Wien, 1851 bei einem Gastspiel der
Frau Hebbel in Berlin auch dort zur Darstellung, und so wurde sie auf fast allen deutschen
Bühnen heimisch, die sich überhaupt zu einer Aufführung des Werkes entschlossen.
Erst 1896, also nach sechsundvierzig Jahren, hat es Max Grube als Regisseur des Kgl.
Schauspielhauses in Berlin gewagt, die alte, von der Zensur diktierte Verballhornung beiseite
zu werfen und das Literaturwerk selbst („mit verständnisvollen Strichen“, wie der Hebbel¬
forscher Richard Maria Werner sagt) endlich in sein Recht einzusetzen.
Im Winter 1842/43 hielt sich Hebbel in Kopenhagen auf, und König Christian VIII. von
Dänemark gewährte ihm auf zwei Jahre ein Reisestipendium, so daß er Paris und Italien be¬
suchen konnte. Am 13. Dezember 1842 hatte Hebbel eine Audienz bei dem König. Dabei
kam die Rede auf „Judith“, die der Dichter nebst seinen übrigen Werken dem König vor¬
her geschickt hatte. Nach seinen Aufzeichnungen lautete das Gespräch folgendermaßen:
XIII, 17
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
Köntg: (ohne Übergang fortfahrend): „Ihre Judith* kann aber nicht gespielt werden. Ich
habe mit dem Theaterdirektor darüber gesprochen. Es geht nicht an.“
Hebbel: „Ich bitte Ew. Majestät um Vergebung, aber dieser Ausspruch ist längst durch
die Tat widerlegt worden, die Judith* wurde in Berlin und in Hamburg gespielt.**
König: „Es stehen aber doch gräuliche Sachen darin.“
Hebbel: „Ew. Majestät meinen, es stehen starke, ungewöhnliche Dinge darin, solche die
man im conventioneilen Sinn indecente nennt.**
König: „Ja, jal*‘
Hebbel: „Die sind bei der Aufführung weggeblieben.**
König: „Sehen Sie, die sind weggeblieben, das konnte ich als Leser aber nicht wissen."
Hebbel: „Freilich nicht"
König: „Es ist überhaupt wohl zweierlei, ein Stück zum Lesen und ein Stück zum Spielen
zu schreiben.**
Hebbel: „Eigentlich nicht, aber so wie die Zeiten sind, allerdings.**
Eine Pause entstand, und um der bekannten Handbewegung zuvorzukommen, verbeugte
sich Hebbel und ging.
Nachdem sich Hebbel zwei Jahre in Paris und Italien aufgehalten hatte, kam er im Novem¬
ber 1845 nac h Wien. Eigentlich wollte er nur kurze Zeit dort bleiben. Aber ein märchenhafter
Glückszufall hielt ihn in der Kaiserstadt fest, die dann seine zweite Heimat wurde. Oben¬
drein hatte er in den dortigen Schauspielern Ludwig Löwe und Heinrich Anschütz, besonders
aber in Christine Enghaus, die der Dichter bald nachher zur Gattin gewann, begeisterte Ver¬
ehrer seines Genius gefunden. Was lag näher, als daß sich diese Begeisterung in lebhafte
Fürsprache der Schauspieler für den anwesenden Dichter bei der Leitung des Burgtheaters
umsetzte?
Sie bestürmten also den Oberstkämmerer Grafen Dietrichstein, zunächst die ,Judith** zu
erlauben. Aber das mehr als ein halbes Jahrhundert alte Schema F besagte: auf dem K. K.
Burgtheater ist kein biblischer Stoff zulässig! Und den hätte schließlich keine noch so weit¬
gehende Zensurbearbeitung, an der sich bereits der Wiener Schriftsteller Otto Prechtler ver¬
suchte, aus diesem Werk beseitigen können.
Mit „Genoveva“ stand es ebenso: eine Kalenderheilige auf der Bühne des katholischen
Hofes? — Ausgeschlossen. Der Wiener Dichter Friedrich Halm (v. Münch-Bellinghausen) riet
zwar, die „Genoveva** nach den dort geltenden Zensurvorschriften zurechtzumachen, aber das
erforderte Änderungen, bei denen Hebbel die Haare zu Berge stiegen. „Er hat neulich Abends
einige Akte mit mir durchgegangen,** schrieb Hebbel am 18. Dezember 1845 an Elise Lensing,
„ich schauderte 1 . . . Wer sollte es denken, daß z. B. die Ausdrücke Heilige, Crucifix usw.
nicht auf dem Theater Vorkommen dürfen? Und doch darf es nicht geschehen, vielleicht
nicht einmal, wenn Metternich selbst ein Stück schriebe.**
Und mit dem „Diamant" war in Wien erst recht nichts anzufangen. Wie hätten die
adeligen Fräulein in den Logen bei einem so undelikaten Stoff die Nasen gerümpft 1 Hebbel
hat dieses sein erstes Lustspiel, das zu seinen Lebzeiten nur einmal in Kremsier in Mähren
gespielt wurde, überhaupt nie auf der Bühne gesehen. 1853 sollte es auf dem Carltheater
in Wien gespielt werden; die Zensur hatte auch die Erlaubnis gegeben, aber Hebbel selbst
zog sein Stück wieder zurück, da ihm die dortigen Schauspielkräfte zu miserabel erschienen.
Auch eine Aufführung seines „Trauerspiels in Sizilien** hat er nicht erlebt, wofür jedoch der
Zensur keine Schuld beizumessen ist.
Hebbels „Maria Magdalena“ hatte auch so einen biblisch anmutenden Titel, vor dem sich
der Oberstkämmerer der Hofburg bekreuzigte, und der Konflikt mußte den Hofmann mit
noch größerem Entsetzen erfüllen. Dennoch wagte es Hebbel bald nach seiner Ankunft in
Wien auf den Rat seiner dortigen Freunde, sogar des ehemaligen Burgtheaterdirektors und
jetzigen Buchzensors Deinhardstein, sein Werk dem damaligen Direktor Holbein einzureichen.
Unmittelbar darauf besuchte er auch den Schauspieler Heinrich Anschütz, für den die Rolle
des Meisters Anton wie geschaffen war. Anschütz selbst hat die mit Hebbel damals geführte
Unterhaltung, die sich natürlich hauptsächlich um die Zensurfrage drehte, aufgezeichnet.
„In hohem Grade eingenommen von dem geistig überlegenen Wesen meines Gastes,**
erzählt Anschütz, „versicherte ich ihm, daß es bei einem so bedeutenden schauspielerischen
Vorwurfe keiner Anempfehlung bedürfe, daß vielmehr der Schauspieler dem Dichter für die
prachtvolle Aufgabe verpflichtet sei.
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
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„Ich fürchte nur, verehrter Herr Doktor,“ bemerkte ich, „daß ich mich zu früh auf den
Besitz dieser Rolle freue.“
„Wie meinen Sie das, Herr Anschütz ?'*
„Ich glaube nicht, daß Ihr Trauerspiel von der Zensur zugelassen wird.“
„Warum nicht? man gibt ja ,Kabale und Liebe'.“
„Das wohl, aber fiir’s Erste genießt »Kabale und Liebe', als ein altes Schiller’sches Stück,
das nicht mehr gefährlich ist, das Bürgerrecht, und zweitens ist der Grundton Ihres Dramas
ein weit herberer, die Conflicte sind unversöhnlicher Natur, die Charaktere rauh bis zur Wild¬
heit, und ich zweifle sehr, daß die Zensur für die Handwerker-Philosophie des Tischlers Anton,
für den Buben Carl, für das Verhältniß zwischen Clara, Leonhard und dem Secretär das ad-
mittitur erteilt.“
„Wenn sie es wagen, das Stück nicht zu geben, so mögen sie auch die Verantwortung
vor der Öffentlichkeit übernehmen.“
„Bester Doctor,“ erwiderte ich, „unsere Censur ist in diesem Punkte sehr verwegen. Wenn
sie nein sagen will, so malt sie ihr jton admittitur* so groß, dick und und schwarz hin, daß
man es auf zehn Schritte lesen kann.“
„Ich werde den kürzesten Weg gehen und mich gleich an den Herrn Oberstkämmerer
wenden.“
„Ich wünschte ihm den besten Erfolg von seinem Gange, hoffte aber bei dem entschie¬
denen Wesen Hebbel’s nur wenig von dieser entre-vue . Hebbel mochte beim Grafen Diet¬
richstein ähnliche Äußerungen gethan haben, denn wie mir erzählt wurde, soll dieser sonst
so zugängliche Theaterfreund, ganz erschreckt und entrüstet von Hebbels categorischem Auf¬
treten, seinem Kanzleipersonal aufgetragen haben, den ,rothen‘ Dichter nicht mehr vorzulassen.'*
„Und die Censur verbot »Maria Magalena' wirklich.“
Nebenbei ergab sich bei dieser Audienz Hebbel's, daß Graf Dietrichstein noch nicht ein¬
mal den Namen des Dichters kannte. Das gehörte zum guten Ton dieser Kavalierdirektionen.
Vor nicht langer Zeit hatte der Stuttgarter Indendant Graf Leutrum, als ihm der Schauspieler
Seydelmann meldete, Karl Immermann sei angekommen, einem etwa drohenden Besuche mit
der Bemerkung vorgebeugt, er könne ihn „nicht spielen lassen“. Er hielt den berühmten
Dichter und Theaterdirektor für einen um ein Gastspiel nachsuchenden Komödianten 1
Außerhalb des Theaters war für einen Schriftsteller wie Hebbel zu jener Zeit in Wien
noch weniger zu erzielen. Die dortigen Buchhandlungen mußte er, wie er am 26. November 1846
seinem Freunde Gurlitt klagt, „aus Censur-Rücksichten als nicht vorhanden betrachten“, und
die Zeitungen und Zeitschriften unterlagen demselben Zwang. Daher erhoben sich auch die
wenigsten über das flache Niveau der Unterhaltungsliteratur. Um ein ernsthaftes literarisches
Organ zu schaffen, gründete Hebbels Freund Siegmund Engländer 1847 eine Monatsschrift
„Der Salon“. An Beiträgen Hebbels sollte unter andern dessen Gedicht „Der Jude an den
Christen 1 , darin erscheinen, das, wie der Dichter am 1. September 1847 an Felix Bamberg
schreibt, „in meiner Weise, also ohne alles Spitzen- und Stachelwesen den einfachen Humani¬
tätsgedanken des Jahrhunderts“ aussprach. Der Zensor strich es weg; die Judenfrage durfte
auch im versöhnlichsten Sinne in Wien nicht Gegenstand der Dichtung sein.
Das 3. Heft des „Salon“ brachte Hebbels Novellenfragment „Die beiden Vagabonden“.
Dieses Heft war aber auch schon das letzte; die Zensurquälereien, berichtet Emil Kuh, welche
schon die Gründung der Zeitschrift erschwert hatten, machten ihr wieder ein Ende. Wie
sollte es eine eigenartige, in vielen Punkten befremdende Dichterindividualität wie die Hebbels
unter solchen Umständen anfangen, sich einem weiteren Leserkreis zu vermitteln?
Charakteristisch für die damaligen Wiener Zensurzustände ist noch eine Erfahrung, die
Hebbel bald nach seiner Ankunft in Wien machte. Er hoffte sich durch kritische Mitarbeit
an den Wiener „Jahrbüchern der Literatur“ notdürftig über Wasser halten zu können, und
der Herausgeber Deinhardstein gab ihm auch gleich den Auftrag, die letzten Bände der
Literaturgeschichte von Gervinus zu besprechen.
Damals warfen die Verleger noch nicht so freigebig mit Rezensionsexemplaren um sich
wie heutzutage, und einem armen Teufel blieb daher nichts anderes übrig, als sich ein Buch,
das er rezensieren wollte, auf einer Bibliothek zu beschaffen. Als Hebbel aber auf der Wiener
Hofbibliothek das Werk von Gervinus forderte, wurde ihm die Auskunft: das Buch sei ver¬
boten und dürfe daher nicht ausgeliehen werden. Das schloß aber wunderlicher weise nicht
aus, daß dieses verbotene Werk in jenen Jahrbüchern besprochen wurde, die auf Kosten der
österreichischen Regierung gedruckt wurden 1
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
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Der Kampf Hebbels um seinen Platz an der Sonne war also ziemlich aussichtlos. Erst
das revolutionäre Gedränge des Jahres 1848 schob auch ihn in den Vordergrund. Das zeigt
am besten die Bühnengeschichte der „Maria Magdalene“.
Gleich nach Vollendung dieses neuen Werkes im Dezember 1843 hatte Hebbel es von
Paris aus in gläubigem Vertrauen wieder an Frau Crelinger geschickt, es aber im Mai 1844
von Berlin mit einer „lithographierten Zuschrift der Intendanz“ als „unaufführbar“ zurückerhalten.
Seit zwei Jahren schwang dort ein neuer Mann das Direktionszepter, Karl Theodor von
Küstner, der sonst nicht so übel war, aber die Aufführung dieses Stückes sehr entschieden
verweigerte. Ein „gefallenes Mädchen“ wie diese Klara auf der Hof bühne erschien ihm ganz
unmöglich. „Er war in diesem Punkte auch gar nicht weiß zu waschen,“ schrieb später der
Berliner Kritiker H. Th. Rötscher an den Dichter, „weil er sich natürlich nicht zur Bedeutung
der ganzen Aufgabe und ihrer dramatischen Motivirung erheben kann.“
Nach dieser Ablehnung hatte Hebbel an dem Erfolg seiner Bemühungen geweifelt. Er
hatte deshalb sein-Werk mit einer Widmung an den König Christian VIII. herausgegeben
und seinem Schicksal überlassen, während er selbst nach Italien gereist war.
Eine preußische Provinzbühne, die Königsberger, war es dann, die am 13. März 1846
mit der Uraufführung des Stückes voranging. Leipzig folgte am 19. Oktober desselben Jahres.
Nun begannen sich auch die Berliner Verehrer Hebbels zu rühren, und am 27. Februar 1847
konnte ihm Rötscher mitteilen, daß man „zum Besten der bei demPesther Brande Verunglückten
im Lokal des Königstädter Theaters aber mit den Kräften der Königlichen Bühne“ die „Maria
Magdalene“ geben wolle. Ob freilich die Zensur die Erlaubnis dazu gebe, sei sehr unwahr¬
scheinlich.
Das Unerwartete trat ein: die Zensur drückte ein Auge zu und erklärte sich einverstanden.
Rötscher selbst richtete das Stück ein, rückte aber, wie er versicherte, „keinen Stein aus seinen
Fugen“. Nur mußte die Bezeichnung „bürgerliches Trauerspiel“ in „bürgerliches Drama“ ver¬
ändert werden, denn das Königliche Theater besaß für Berlin das alleinige Recht auf die
gesamte deutsche Trauerspielproduktion, und dieses Privileg durfte wenigstens äußerlich nicht
angetastet werden.
Schon sollten die Proben beginnen, als zuletzt alles an der „gränzenlosen Bornirtheit“
der Direktion, der Kommissionsrätin Cerf, scheiterte. Da sie sich von dem Stück keinen
Kassenerfolg versprach, versteifte sie sich plötzlich darauf, es sei „unsittlich“, und setzte es
wieder ab.
Rötscher aber gab keine Ruhe, und die Märzrevolution kam ihm zu Hilfe. Er drohte
jetzt der ängstlichen Direktion, öffentlich erklären zu wollen: früher habe man das Stück an¬
genommen, jetzt verweigere man die Aufführung, verschließe sich also „geflissentlich dem
Fortschritt“. „Fortschritt“ war aber damals Trumpf in Berlin, mit dem durfte es niemand ver¬
derben, am wenigsten ein Theater, das von seiner Popularität lebte. Aus Furcht gab endlich
Frau Cerf nach, und am 17. April 1848 durfte sich „Maria Magdalene“ den Berlinern zeigen.
Nachdem ihre Aufführbarkeit damit nachgewiesen war, wurde sie am 22. Februar 1850
endlich auch vom Kgl. Schauspielhaus übernommen. Die dortigen Anschauungen über Sitt¬
lichkeit hatten sich offenbar mittlerweile wesentlich gewandelt.
Für Hebbel bedeutete der Umschwung, den die revolutionären Ereignisse herbeiführten,
eine Erlösung aus langjähriger Knechtschaft. Selbst die Hoftheater mußten nun dem frischen
Sturmwind Türen und Fenster öffnen, und schon im April 1848 begann der ebenso bunt¬
scheckige wie lärmvolle Triumphzug des jungen vormärzlichen Dramas über alle königlichen
und kaiserlichen Schauspielhäuser.
In den heiligen Hallen des Wiener Burgtheaters mußte sich diese zum Teil etwas saloppe
Gesellschaft am sonderbarsten ausnehmen. Hier eröffneten Heinrich Laubes „Karlsschüler“ den
Reigen am 24. April. Gleich darauf setzte Holbein Hebbels „Maria Magdalene“ aufs Repertoire,
die früher ihres biblischen Titels, vor allem aber ihres unsittlich erscheinenden Konfliktes
und ihres proletarischen Milieus wegen auf der Hofburg unmöglich gewesen war.
Am 8. Mai fand die Wiener Uraufführung statt, und fast kein Wort wurde an dem Ur¬
text des Werkes gestrichen: „Nur die Flöhe, die der Teufel aus dem Ärmel schüttet, sind
weggeblieben 1 ,, schrieb der Dichter am 17. Mai an Rötscher in Berlin, „aber nicht einmal
Evas Feigenblatt, obgleich ich es von Herzen gern preis gegeben hätte. Wenn man weiß,
wie es hier vor dem I3ten März stand und wie unmöglich es damals gewesen wäre, auch
nur den an die Bibel erinnernden Titel des Stücks durch die Censur zu bringen, so hat man
schon darin einen schlagenden Beweis, um wie viel weiter wir vorwärts gekommen sind.“
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Im Anfang traute Hebbel der neuen Freiheit nicht sehr und wagte sich nicht darüber
zu freuen. „Die großen Welt-Ereignisse greifen auch in meinen kleinen Privatkreis hinein,“
schreibt er am 28. März in sein Tagebuch. „Das Hofburgtheater wird meine Stücke spielen,
Julia ist angenommen, Holbein zeigte es mir heute morgen persönlich an. Wer Kind genug
wäre, sich darüber freuen zu können! Mir schmeckt das Ei nicht, das der Weltbrand ge¬
röstet hat.“
Aber der Ausblick auf ein weniger gehemmtes Wirken als Dramatiker regte ihn doch
mächtig an. „Ein ganz neues Stück habe ich, gleich nachdem ich das letzte Plakat des
Kaisers vernahm, erfunden,“ meldet am 15. März 1848 bei Verleihung der Preßfreiheit sein
Tagebuch. „Herodes und Marianne“ entstand in diesem Jahr und erlebte schon am 19. April 1849
seine Wiener Uraufführung, der letzte Akt wurde während der Wiener Oktoberrevolution
teils auf der Straße gedichtet, und Hebbel war so voll neuer Ideen, Pläne und Entwürfe, daß
er sie nicht alle niederschreiben konnte.
Am 1. Februar war „Judith“ mit starker Wirkung auf dem Burgtheater erschienen, zu
einer Zeit also, wo in der von der kaiserlichen Armee am 31. Oktober unter Windisch-Grätz
eroberten Hauptstadt das Standrecht herrschte. Holbein hätte die Zulassung dieses Stückes
seitens der Militarzensur nicht erreicht, wenn er nicht den genialen Einfall gehabt hätte, dem
Gouverneur Graf Weiden allen Ernstes zu versichern, „der Holofernes sei zu Ehren des Fürsten
Windisch-Grätz gedichtet und die Belagerung Bethulias bedeute die Belagerung Wiens“. Die
Anekdote sei „buchstäblich“ wahr, versicherte Hebbel seinem Verleger Campe.
Der Winter 1848/49 hatte sogar die erste Aufführung des Lustspiels „Der Diamant“ ge¬
bracht und zwar in der mährischen Stadt Kremsier, wo nach Einnahme Wiens der öster¬
reichische Reichstag vom 15. November 1848 bis zum 7. März 1849 tagte.
Ebenfalls 1849 kam Hebbels Lustspiels „Der Rubin“ am 21. November auf dem Wiener
Burgtheater zur Darstellung, und in Prag durfte man am 13. Mai seine „Genoveva“ in tsche¬
chischer Übersetzung spielen. Das Jahr 1849 bedeutete daher den Höhepunkt der Urauf¬
führungen Hebbelscher Stücke zu Lebzeiten des Dichters.
Die Herrlichkeit dauerte aber nicht lange. Das Schicksal der Hebbelschen „Julia“ kenn¬
zeichnet diese neue Wendung am besten. „Julia“ war schon 1848 im ersten Übermut der neuen
Zensurfreiheit vom Burgtheaterdirektor Holbein angenommen worden. Der Dichter konnte ein
vorher für die Zensur zurechtgemachtes „niederträchtiges“ Manuskript des Stückes jetzt vernichten.
Die Aufführung wurde aber hinausgeschoben, um seinen älteren Werken den Vortritt zu
lassen, und kam schließlich gar nicht zustande. Ende 1849 schied Holbein aus seinem Amte
und sein Nachfolger wurde Heinrich Laube. Seit dem 9. Mai war auch ein neuer Oberst¬
kämmerer, ein polnischer Magnat, Graf Lanckoronski, an die Spitze des Hoftheaters getreten,
und da dieser in den „ästhetischen und moralischen Wert“ des Werkes Zweifel setzte, wurde
die Zusage der früheren Leitung nicht eingehalten. Da der neue Direktor Laube außerdem
gegen Hebbels Stücke einen instinktiven Widerwillen hatte, fühlte er keinen Beruf, sein junges
Ansehen durch bedingungsloses Eintreten für das auch ihm unsympathische Stück aufs Spiel
zu setzen.
In Berlin ging es Hebbel fast ebenso. Gleich nach Vollendung der „Julia“ hatte Hebbel
sie Rötscher in Berlin mitgeteilt und dieser sie dem Intendanten von Küstner eingereicht.
„Nach einigem Zögern und einem auf einem merkwürdigen Umweg unternommenen, übrigens
wohlgemeinten Durchbringungsversuch“ hatte dieser zuletzt doch das neue Drama Hebbels
„aus Scheu vor Anstoß“ abgelehnt.
Dann kam die Revolution, und als plötzlich das Burgtheater die „Julia“ annahm, bat
auch Küstner den Dichter um das Stück, da er „jetzt freieren Richtungen folgen könne“.
Die Rollen wurden ausgeschrieben und verteilt, aber dann verlautete nichts mehr davon.
Nach anderthalb Jahren mahnte Hebbel an die Einlösung des gegebenen Wortes, erhielt
aber nun die Antwort, „daß der Geist der Zeit sich inzwischen wieder verändert hätte, und
daß das Stück sich zu sehr von den gewöhnlichen Formen und hergebrachten Ansichten
entfernte, um nicht höheren Orts und bei dem jetzt Wieder den Ton angebenden conser-
vativen Publikum Anstoß zu erregen.“ Das angebotene Abfindungshonorar wies Hebbel zurück,
erklärte sich dann aber mit der Aufführung der „Maria Magdalene“ an Stelle der „Julia“ ein¬
verstanden.
Daraufhin ließ nun Hebbel sein Werk im Druck erscheinen und leitete es mit einer
geharnischten Vorrede ein. Er erzählte hier die Geschichte dieser Nichtaufführungen, da sie
„für unsere gegenwärtigen Zustände nicht ohne Bedeutung“ seien, und setzte sich im An¬
schluß an das Problem dieses Stückes einmal gründlich mit dem Vorwurf der Unsittlichkeit
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
auseinander, der von den „Schergen des Absolutismus“ gegen die meisten seiner Dramen
erhoben worden war, so daß er in „notgedrungener Resignation“ auf die Darstellung seiner
Werke meist habe verzichten müssen, da er „im Polizei-Reglement keinen Commentar zum
Aristoteles erblicken“ könne.
Nach dem Amtsantritt des Grafen Lanckoronski durfte auch Hebbels „Maria Magdalene“
in Wien nicht mehr aufgefiihrt werden. Gegen dieses Stück, versichert Laube, sei der oberste
Leiter des Burgtheaters „von entschlossenster Feindseligkeit“ gewesen. Er hätte eher das
„politisch mißliebigste“ Stück erlaubt als „diesen Gräuel“, so tief war sein Abscheu davor.
Auch Laube hatte eine unüberwindliche Abneigung dagegen, und es wurde erst 1869, nach
seinem Scheiden vom Burgtheater, wieder aufgenommen. Von den älteren Stücken Hebbels
behauptete sich dort nur „Judith“.
Im Dezember 1851 vollendete Hebbel sein deutsches Trauerspiel „Agnes Bemauer“.
Der damalige Münchener Intendant Franz Dingelstedt nahm es sofort zur Aufführung an, die
am 25. März 1852 in Gegenwart des Dichters stattfand. Hebbel wurde von dem überfüllten
Hause dreimal gerufen, nur am Schluß des 3. Aktes, wo Herzog Ernst seinen Sohn wegen
seiner Ehe mit Agnes der Thronfolge für verlustig erklärt, Albrecht aus den Tumierschranken
gewiesen wird und gegen seinen Vater und den Adel das Volk zu Hilfe ruft („Die Ritter¬
schaft verläßt michl Bürger und Bauern heran“), entstand „großes Getümmel“ nicht nur auf
der Szene, sondern auch im Zuschauerraum: wütender Applaus von den oberen Rängen und
heftiges Zischen aus den Logen, wo der bayrische Adel seine Plätze hatte.
Die Folge dieser Demostration war, daß, wie es in der Theatersprache heißt, durch ein
„plötzliches Unwohlsein“ eines Schauspielers die Wiederholung unmöglich wurde; auf Deutsch:
ein Verbot von oben entfernte das Stück vom Spielplan, obgleich König Maximilian II. vor¬
her gegen jenen dritten Aktschluß nichts zu erinnern gefunden hatte. Im Gegenteil, er hatte
dem Dichter einige Wochen vor der Aufführung eine sehr gütige Audienz gewährt und, offen¬
bar gut unterrichtet, mit ihm über seine Stücke geplaudert. Hebbel hatte dabei die Bemer¬
kung gewagt, daß die dramatische Kunst jetzt überall wieder durch die überstrengen poli¬
tischen Maßregeln in ihrer Entwicklung gehemmt sei und daher mit doppelter Zuversicht
auf München blicke. Worauf der König antwortete: „Mein Vater hat die bildenden Künste
zu heben versucht, ich wünsche für die Literatur das Gleiche zu tun, das scheint mir noch
wichtiger. Vor allem aber ist das Drama meine Passion.“
Nach der Münchener Uraufführung reichte Hebbel auf Laubes Wunsch seine „Agnes
Bernauer“ auch dem Burgtheater ein. Da zu jener Zeit auf dem Theater an der Wien Babos
„Otto von Wittelsbach“ gespielt wurde und der Pöbel dort sogar nach dem Kaisermord „Da
capo“! rufen durfte, was, wie Hebbel entrüstet meinte, „die strengste Censur“, ja den fünfzig¬
jährigen Schluß aller Volkstheater rechtfertigte“, so konnte er nicht annehmen, daß die selbst
in München geduldeten Wittelsbacher Fürsten seiner Tragödie auf der Wiener Hofburg irgend
welche Bedenken erwecken sollten. Nach einigen Wochen erhielt er aber sein Stück mit
zahlreichen Zensurstrichen und Anmerkungen des Grafen Lanckoronski zurück.
Der Dichter ließ sich die Mühe nicht verdrießen, über die oft sehr geheimnisvollen NB.
des Oberstkämmerers nachzugrübeln, alles, was irgendwie als anstößig aufgefaßt worden war,
zu streichen oder zu ändern, und am 12. November 1852 sandte er diese Zensurbearbeitung
ein. Aber schon am 18. erhielt er das Manuskript von Laube zurück mit der Erklärung,
die Exzellenz lehne die Aufführung bestimmt ab, da ihr der Gegenstand des Stückes über¬
haupt „für ein Hoftheater mißlich“ erscheine. Das hinderte die Exzellenz aber nicht, eine
andere „Agnes Bernauerin“ von Melchior Meyr trotz des „mißlichen“ Gegenstandes zu er¬
lauben.
Hebbel war natürlich über diese Rücksichtslosigkeit empört; fast noch mehr aber über
die Zensurstriche selbst, die Graf Lanckoronski für nötig gehalten hatte, und er ging einige
Zeit mit dem Gedanken um, öffentlich darüber mit dem Oberstkämmerer anzubinden.
Es verlohnt der Mühe, sich aus dem Lesartenapparat der Wernerschen Hebbelausgabe
diese Zensurstriche des Grafen Lanckoronski in Hebbels „Agnes Bemauer“ im Jahre des
Heils 1852 zu vergegenwärtigen. Daß Bayern „in drei Teile zerrissen sei, wie ein Pfannkuchen,
um den drei Hungrige sich schlugen“, daß Herzog Albrecht nicht einsehen will, warum er
wegen seiner Ehe mit einer Bürgerlichen dem Throne entsagen soll, daß der Adel früher
einmal gegen den Kaiser aufstand und ähnliche historische Erinnerungen und Redewendungen,
die sich aus dem Vorwurf des Stücks mit Notwendigkeit ergaben — neben alles dies setzte
der Graf seine NB., oft sogar drei N. B. I Sein Begriff von hoher Politik wollte natürlich auch
nicht dulden, daß Herzog Albrecht am Schluß des 3. Aktes die Bürger und Bauern gegen
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seinen Vater und den Adel aufruft Ebenso anstößig war ihm die ernste Mahnung Preisings
an Herzog Albrecht, daß seine fürstliche Stellung ihm Opfer auferlege („Ihr seid ein Fürst“
usw. 3. Akt, 10. Szene), und selbst eine harmlose Erwähnung Rudolphs von Habsburg sollte
gestrichen werden.
Die N. B. des Grafen hatten aber auch ihre religiöse Seite. Von Christi Geburt (als
Datum 1 ), von den zehn Geboten, von den „Hauptstücken unseres allerheiligsten Glaubens“,
von Gott und Paradies, von Rosenkranz und sonstigen heiligen Dingen durfte nicht die Rede
sein, ebensowenig von Priestern oder dem Pater Franziskaner, von Bischöfen oder dem Papst.
Und im Punkte des Wohlanstandes war Exzellenz so peinlich, daß sie keinerlei scherzhafte
Anspielung auf das Verhältnis des jungen Herzogs zu Agnes vor ihrer Ehe hatte passieren
lassen.
Kurz, es war noch immer der alte Hägelinsche Zensurkatechismus aus dem Jahre 1795
mit den Hauptparagraphen „Politik“, „Religion“ und „gute Sitten“, der hier eine neue, aber
durch keine Zeitentwicklung revidierte, unveränderte Auflage erlebte I
Hebbels Biograph Emil Kuh (II 509) berichtet zwar, das Stück sei, nachdem Laube „zwei
und drei Male Abänderungen verlangt“ habe, der Erzherzogin Sophie vorgelegt und „am Ende,
nicht in Folge höherer Weisung, sondern aus eigener Machtvollkommenheit des Direktors
abgelehnt worden“. Als der Dichter diesen Bescheid erhielt, habe er „das Buch auf den
Boden geworfen, es mit Füßen getreten — und tags darauf sei er rotgelb wie eine Orange
aufgestanden“. Aber Kuh verwechselt hier offenbar die „Agnes* Bernauer“ mit der „Genoveva“,
denn deren Theaterbearbeitung wurde der Anlaß zu Hebbels Erkrankung an Gelbsucht, und
Hebbel selbst hat niemals Laube, gegen den er im übrigen sehr „geladen“ war, für das Schicksal
der „Agnes Bernauer“ verantwortlich gemacht.
Im Vormärz war Hebbels „Genoveva“ der „Kalenderheiligen“ wegen völlig unmöglich
gewesen. Das gleichnamige Stück Raupachs hatte man 1830 bei der Aufführung auf dem
Burgtheater in „Schuld und Buße“ und den Golo in einen Boso umgetauft; auch Tiecks
„Genoveva“ wanderte in der Vertonung von L. Huth als „Bellarosa“ über deutsche Bühnen.
Schon 1849 hatte sich Hebbel an eine Bearbeitung seiner „Genoveva“ gemacht, war
aber nicht damit zustande gekommen, da er die schneidende Dissonanz des Schlusses, Golos
Selbstmord, nicht beseitigen konnte. Im Januar 1851 fand er die versöhnende Lösung in
dem „Nachspiel zur Genoveva“, und am 31. Januar reichte er Laube das so ergänzte Stück
ein. Aber Laube lehnte ab.
Im September 1851 verlangte Dingelstedt in München eine Bearbeitung. Hebbel machte
sich aufs neue daran und legte diese Umformung wieder Laube vor. Dieser wünschte noch
stärkere Kürzung und die Beseitigung alles „Kirchlichen“, da er wußte, daß er damit bei der
Zensurbehörde nicht durchkam. Hebbel befolgte seine Ratschläge und beseitigte auch das
Kirchliche „bis auf den letzten Ausdruck“. Aber Laube war noch immer nicht zufrieden,
und Hebbel verstand sich zu einer weiteren Bearbeitung. Die psychologisch so wichtige
Judenepisode und die anschließende Beichtszene mußten ganz fort, so daß vom zweiten Akt
fast nichts mehr übrig blieb. Die Heilige reduzierte er ganz auf die Pfalzgräfin, so „daß ihr
von der Himmelskrone nicht eine Perle“ blieb und ein blut- und markloser Schemen an die
Stelle eines Menschen trat.
So reichte er sein Werk zum vierten Male ein. Am 11. Dezember wurden die Rollen
ausgeteilt, aber die Leseprobe ließ auf sich warten. Am 29. mahnte Hebbel. Da erließ das
Oberstkämmerer-Amt und zwar „auf ausdrückliche Reklamation der Geistlichkeit“ ein Verbot
der Aufführung. Der alte Zensurkodex galt also noch immer I
Daran schloß sich der Ärger mit der „Agnes Bernauer“. Laube hatte wohl das Bedürfnis,
den Dichter für deren Ablehnung zu entschädigen, und im Herbst 1853 verabredete er mit
ihm eine abermalige Neubearbeitung der „Genoveva“. Die Titelheldin wurde in Mageilona
umgetauft, Golo in Bruno, der Pfalzgraf Friedrich in einen Rheingrafen Sigurd, alles, was
sonst noch den Theaterbesuchern auf die Nerven gehen konnte, beseitigt, und als „Mageilona“
vermummt konnte das Werk endlich am 20. Januar 1854 auf dem Burgtheater erscheinen,
während auf dem Theater an der Wien Raupachs „Genoveva“ ohne Anstoß gegeben werden
durfte.
Diese Quälerei griff Hebbel so an, daß er an Gelbsucht erkrankte und graue Haare
bekam 1 Obendrein wurde das Stück nach sechs erfolgreichen Aufführungen wieder abgesetzt.
Die kirchliche Opposition dagegen ruhte nicht, und Laube mußte sie gelten lassen, nachdem
der Reiz der Neuheit zu versagen begann.
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Houben: Friedrich Hebbels Zensurerlebnisse.
Was durch die mehrfachen Bearbeitungen, denen Hebbel der Zensur wegen seine „Genoveva“
unterwerfen mußte, aus dem ursprünglichen Werk geworden war, beleuchtet am besten die
von Kuh erzählte Anekdote: Als Hebbel einige Wochen vor der Aufführung bei dem Oberst¬
kämmerer Grafen Lanckoronski sich einfand, da bemerkte dieser in höflicher, halb entschul¬
digender Weise gegen den Dichter: es wolle ihn bedünken, als ob die „Mageilona“ mit dem
vor anderthalb Jahren ihm eingereichten Stücke Hebbels (nämlich der „Genoveva“) einige
Ähnlichkeit habe. „Allerdings nur hie und da, Herr Doctor!“
Selbst Hebbels größtes Werk, seine „Nibelungen“, entgingen der Zensurschere nicht ganz.
Als sie 1863 auf dem Burgtheater erschienen, erregte der Kaplan im zweiten Teil der Trilogie
„gewaltigen Anstoß“; er durfte zwar auftreten, aber nicht die wundervollen Worte sprechen,
mit denen er in der grandiosen Schlußszene Krimhild auf den Erlöser verweist, des die Rache
sei, Worte wie sie schöner zur Verherrlichung des Christentums und seines Stifters kaum je
in einer Dichtung erklungen sind. —
Bedarf diese „Blumenlese“ aus Hebbels Zensurerlebnissen noch einer Nutzanwendung?
Sie spricht wohl eindringlich genug für sich selbst. Nicht die sprichwörtliche Gleichgültigkeit
der Theaterdirektoren oder die Stumpfheit des Publikums allein waren es, die es Hebbels
Werken unmöglich machten, zu ihrer Zeit zur vollen Wirkung zu kommen. Die Beschränktheit
der damaligen Zensur trägt mindestens die gleiche Schuld daran, daß die Erkenntnis seiner
Bedeutung erst einem nachgeborenen Geschlecht Vorbehalten bleiben mußte. Seine Dichter¬
kraft zu brechen, wie die Grillparzers, hat sie nicht vermocht; dazu war jene von zu überlegener
Stärke. Hebbel selbst hat im Übermut seiner Kraft das selbst einmal sehr hübsch zum Aus¬
druck gebracht. Als er im Jahre 1847 seine Komödie „Der Diamant“ herausgab, setzte er
ihr folgendes Vorwort voran:
„Man hat mich oft befragt, warum ich mir nicht Mühe gebe, meine Stücke auf die Bühne
zu bringen. Zur Antwort darauf ein Märchen, das ich in der Kindheit von meinem verstorbenen
Vater hörte.
Ein Ritter kam an einen Palast, in dem er eine verzauberte Princessin zu finden hoffte,
und wollte hinein. An dem ersten Thor verlangte der Wächter, zwar noch etwas zaghaft
und mit zitternder Stimme, er solle seine Waffen zurücklassen, sonst dürfe er nicht weiter.
Er gehorchte. An dem zweiten verlangte ein Anderer, schon kecker und trotziger, er solle
seine Rüstung ablegen. Er that s. An dem dritten trat ihm ein noch frecherer Gesell in den
Weg und wollte ihm ohne weiteres die Arme auf den Rücken binden. Da aber war sein
Langmuth zu Ende. ,Wenn das so fort geht — rief er aus — so wird man drinnen von
mir fordern, daß ich mich mit eigener Hand erhänge, und wie ich die Princessin dann noch
erlösen und eine tüchtige Nachkommenschaft mit ihr erzeugen soll, sehe ich nicht ein/ Damit
kehrte er um.
Ob er es that, um für immer abzuziehen, oder bloß, um die Rüstung wieder anzulegen,
die Waffen aufzunehmen und geharnischt und gewappnet zurückkehren, weiß ich nicht“
Wer mit dem „noch frecheren Gesell“ gemeint war, bedarf wohl keiner Aufklärung.
Hebbel war in Wirklichkeit der Märchenprinz, der sich auch durch die gröbsten Gesellen
nicht abschrecken ließ, neu geharnischt und gewappnet wiederzukehren, und dessen Ausdauer
es schließlich, wenn auch spät gelang, die Prinzessin zu erlösen und ihre Hand zu gewinnen.
Aber er hat Zeit seines Lebens anderer Prüfungen wahrlich so unendlich viele bestanden,
daß ihm das lange Fegefeuer der Zensur billig hätte erspart bleiben sollen. Zu seiner Läu¬
terung hat es gewiß nicht beigetragen.
Goöglc
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Von raren Büchern.
Von
Dr. Heinrich Klenz in Berlin-Stegiitz.
i. Zur Begriffsbestimmung.
D as Fremdwort „rar“, dessen Grundbedeutung im Lateinischen „vereinzelt“ ist und das
kurz mit „selten“ verdeutscht wird, bezeichnet etwas, das in nur wenigen Exemplaren
vorhanden ist, sei es daß überhaupt nicht mehr als eine geringe Anzahl davon vor¬
handen gewesen ist, oder daß sich erst später (durch allmählichen Verbrauch oder durch ein
plötzliches Ereignis) die Anzahl so verringert hat; im letzteren Falle wäre „selten geworden“
die genauere Wiedergabe. Bei den Büchern kommt meistens noch eine gewisse „Kuriosität“
hinzu, das heißt das rare Buch pflegt irgend etwas Merkwürdiges in sich oder an sich zu
haben: es pflegt sonderbare Nachrichten oder Ansichten zu enthalten, beziehungsweise selt¬
same Schicksale erfahren zu haben, indem z. B. die ganze erreichbare Auflage durch einen
gerichtlichen Beschluß den Flammen überliefert wurde.
Es dürfte von Interesse sein, zu hören, was hervorragende Bücherkenner aus der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts unter einem raren Buche verstanden haben. Johann Adam Bernhard
(1688—1771)1 Archivar seiner Vaterstadt Hanau, spricht sich in seiner 1718 erschienenen
„Curieusen Historie derer Gelehrten“ und zwar in einem besonderen Kapitel („Von raren
Büchern“, S. 659 ff.), in welchem man auch die einige Jahre vorher von dem Leipziger Magister
H. Aug. Groschuff aufgestellte Einteilung findet, folgendermaßen aus:
„Wenn ein Buch rar ist, so ist es nicht sogleich ein Merkmal, daß es auch gut sein
müsse. Die Rarität besteht zuweilen ganz allein darin y daß man es nicht haben kann . Weil
aber die Bibliothek eines gelehrten Mannes nicht allein aus guten Büchern bestehen kann, so
werden dergleichen Schriften doch oftmals um viel Geld erkauft; also ist es mit Mandosius’ 1
Bibliotheca romana und Otto Heurnius’ 3 Barbaricae philosophiae antiquitates beschaffen. Die
Rarität verliert sich bald, wenn ein Buch wieder aufgelegt wird. Vormals wurden des Gerard
de Roo 8 Annales austriaci in den wenigsten Bibliotheken erblickt, da sie nun ein jeder haben
kann, nachdem sie in der Rengerschen Buchhandlung zu Halle wieder aufgelegt wbrden.. ..
„Groschuff hat in seiner Nova librorum Collectio 4 lauter rare Bücher zum Teil ganz, zum
Teil auch weitläuftig exzerpieret zusammengelesen. In seinem ersten Faszikel handelt er in
der Präfation de libris rarioribus insgemein, welche er in verschiedene Klassen absondert Der
Magister Johann Christoph Wendler hat in Jena die Variae raritatis librorum impressorum
causae 6 1711 in einer Dissertation untersucht Diejenigen Bücher sind unstreitig für die raresten
Zu halten , von denen noch gestritten wird f ob sie jemals in der Welt gewesen oder nicht . Zu
wie vielen Schriften hat nicht das einzige beschrieene Buch de tribus impostoribus 6 Gelegen¬
heit gegeben? Man hat um den Autor gestritten und ist noch nicht versichert gewesen, ob
diese Lästerschrift jemals ausgegangen. Erst im Jahre 1716 kamen einige Bogen in 12 heraus,
r Römischer Gelehrter, erste Hälfte des 18. Jahrhunderts.
2 Professor der Medizin in Leiden, erste Hälfte des 17. Jahrhunderts.
3 Dieser aus Oudewater in Südholland gebürtige Geschichtschreiber lebte als Bibliothekar des Erzherzogs Ferdinand
zu Innsbruck und starb um 1590. Die erst nach seinem Tode von Conradus Decius herausgegebenen Annales rerum
bello domique gestarum ab austriacis Habspurgicae gentis principibus wurden, nach Jöchers Gelehrten-Lexikon 1733,
in nur 100 Exemplaren gedruckt und waren deswegen „sehr rar“, bis sie 1709 in Halle wieder aufgelegt wurden.
4 Genauer: Nova Collectio librorum rariorum, 5 Teile, Halle 1709.
5 D. b.: die verschiedenen Ursachen der Rarität gedruckter Bücher.
6 D. h.: von den drei (großen) Betrügern, nämlich Moses, Christus und Mohammed, nach einem von Papst
Gregor IX. 1239 dem Kaiser Friedrich II. zugeschriebenen Ausspruch (s. Webers Papsttum 1834 II, S. 80). Von dieser
lange umstrittenen Schrift behauptete z. B. der Jenaer Professor der Geschichte Burchard Gotthelf Struve in seiner
Dissertation „de doctis impostoribus“ 1703, daß sie nie geschrieben, viel weniger gedruckt worden sei; wenn sich
aber unter jenem Titel ein Buch fände, so müsse es zu den untergeschobenen gerechnet werden. Das Gegenteil be¬
hauptete Wilhelm Ernst Tentzel in der „Curieusen Bibliothec“ 1704, S. 425. Struve wurde zwar dadurch nicht über¬
zeugt, forschte aber weiter und fand in Thomas Campanella's Vorrede zu seinem Atheismus triumphatus dessen Klage,
daß man ihn zum Autor jenes Buches habe machen wollen, welches doch ungefähr 30 Jahre vor seiner Geburt, also
ca. 1538, herausgekommen sei. Nunmehr fühlte sich Struve bewogen, seine Meinung in der neuen Ausgabe der
Dissertation, die er seiner Introductio ad notitiam rei litterariae et usum bibliothecarum (1704, 5. Aufl. 1729) einver¬
leibte, zu ändern. (Göttens Gelehrtes Europa II 1736, S. 639.) — Außer Campanella wurde auch der Humanist
Marcus Antonius Muretus (1526—85) von einigen für den Verfasser des beregten Buches gehalten. (Jöchers Gelehrten-
XIU, 18
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142
Klenz: Von raren Büchern.
deren Titel dieser ist: Response ä la dissertation de Mr. de la Monnoye sur le trait£ de tribus
impostoribus; darin der Autor die Welt überreden will, daß an der Gewißheit dieses Buchs
nun nicht mehr zu zweifeln sei. Zu dieser Art von raren Büchern setzt Groschuff auch S. 17
des Johann Lichtenberger PostiUa, wenn er davon schreibt, daß einige diese sibyllinischen
Blätter für recht rar hielten, während nicht wenige das Gegenteil behaupteten. Ich habe
weiter nichts von diesem Buch gesehen als einen kurzen Extrakt, den ein gemeiner Mann,
was mich die Orthographie und schlechte Handschrift versichert, daraus will gezogen haben.
Er gibt den wenigen Blättern diesen Titel: Extrakt aus Joh. Lichtenberger’s Postilla, gedruckt
zu Wittenberg A. 1512. Wenn die Weissagungen in dem Buch selbst stehen, so sind sie gewiß
remarquabel, was aber kaum zu glauben ist. Er exzerpiert z. B. folgende Worte: . .. [die
Prophezeiung von Österreichs Niederlage durch die Türken 1682 und die von der Ausbreitung
des Evangeliums über ganz Europa 1690]. In der Collectio bibliothecarum Maderiana 1 findet
man S. 37 fr. einige Bogen von Michael Neander 2 , welche de bibliothecis deperditis ac noviter
instructis 8 handeln. Der Magister Jos. Henr. Opitius hat Anno 1704 seine Dissertatio I. de
libris apparenter deperditis 4 zu Leipzig herausgegeben; der Autor ist nachdem Prediger zu
Tönning geworden, und finde ich nicht, daß dieser Dissertation andere gefolgt sind. Er
bekümmert sich darin allein um die hebräische Literatur und untersucht folgende vier Kapitel:
1. de Libro memoriali deletionis Amalek, 2. de Libro foederis, 3. de Libro rationis regni,
4. de Proverbiis et Canticis Salomonis. 6 Von dergleichen Büchern trifft man vieles in Fabricius’
Pseudepigrapha Veteris et Novi Testamenti an. Ä Die Impostoren 7 vermehren die Zahl der
raren Bücher auch sehr, weil sie ganze Bände unterdrücken. Des Spaniers Sanctius Procensis
Minerva — schreibt der Autor der Bibliographia curiosa V —, ein zweifelsohne sehr gelehrtes
Werk, ist von Scioppius 8 unterdrückt, der das meiste daraus entnahm.
,,Unter die raren Bücher, welche jedoch noch, wiewohl sparsam, zu haben sind, setzet
Groschuff a. a. O. 1. diejenigen, welche in den ersten Buchdruckereien verfertigt worden. Dahin
gehören vornehmlich die Bücher, welche Johann Gutenberg, Peter Schöffer, Conrad Schwein¬
heim 9 und Arnoldus Pannarzius unter den Händen gehabt. 2. Von denen nur wenige Exem¬
plare gedruckt worden, wohin des [Grafen] Franz Christoph Khevenhüller Annales Ferdinandei
gerechnet werden, deren Bayle in seinem Dictionnaire keine Meldung tut, was aber von den
Autoren der DeutschenActaEruditorumBd.il [1713] S. 186 weitläuftig geschieht. Es wird
dieses Buch für das rarste in deutscher Sprache gehalten, indem für gewiß erzählt wird, daß
nur 40 oder, wie einige sagen, 25 Exemplare gedruckt worden, auch ein Sekretär sich be¬
ständig in der Druckerei aufgehalten, welcher Achtung geben müssen, daß nicht mehr nach¬
geschossen würde, und, sobald der Abdruck geschehen, die Formen untereinander geschmissen
habe. Als das ganze Werk fertig war, brachte man alle Exemplare nach Wien, und sind
Lexikon.) — Im Jahre 1753 brachten dann die Hamburgischen Berichte von gelehrten Sachen in ihrem 75. Stück die
Nachricht, daü jemand die Schrift de tribus impostoribus in einem Druck von 1598 auf 48 Oktavblättern besitze.
Vgl. zum Ganzen die Schriften von Genthe (De impostura religionum breve compendium, 1833), Weller (2. Aufl. 1876)
und Philomneste junior d. i. Gustave Brunet (Paris 1861).
Die Epistola de tribus impostoribus (Paris 1654) des Vincentius Panurgus — Pseudonym des Pariser Mathematikers
Jean-Baptiste Morin — handelt von Gassendi, Berater und Nevre. (Mencke, Charlatanerie 1716, S. 52 Anm. und Jöcher
s. v. Morinus.) Die Historia de tribus huius seculi famosis impostoribus (aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt
1669) bezieht sich auf P. Ottomann, Mahomed Bei oder Joh. Mich. Cigala, und Sabatai Sevi. (Dunkels Hist.-Crit.
Nachrichten von Gelehrten II 2) 1756, S. 247.) — Des Kieler Theologie-Professors Christian Kortholt Schrift de tribus
impostoribus magnis (1680, neue Ausg. 1700) betrifft Spinoza, Lord Herbert of Cherbury und Hobbes. (Göttens
Gelehrtes Europa I 1735, S. 209.) — Über den Inhalt eines 1776 zu Amsterdam erschienenen Trait6 des trois imposteurs
vermag ich nichts anzugeben.
1 Joachim Johann Mader lebte 1626—80 und war Rektor in Schöningen.
2 Welcher dieses Namens?
3 D. h. von zugrunde gegangenen und neu eingerichteten Bibliotheken.
4 D. h. von anscheinend verlorengegangenen Büchern.
5 D. h. : 1. über das Gedenkbuch der Vertilgung Amaleks, 2. über das Bundesbuch, 3. über das Buch vom
Reichswesen, 4. über die Sprichwörter und Lieder Salomos.
6 Der Hamburger Professor Joh. Albert Fabricius gab, nach Göttens Gelehrtem Europa I, 1735, S. 56 bzw. 49
heraus: Codex Pseudepigraphus Veteris Testamenti in 2 Bänden 1713 u. 1723, und Codex Apocryphus Novi Testamenti
in 2 Bänden 1703 u. 1720. — ,,Pseudepigraphen“ und „Apokryphen“ sind falsch überschriebene, untergeschobene Schriften.
7 D. h. Betrüger.
8 Der scharfsinnige, aber streitsüchtige Philologe Caspar Scioppius (eigtl. Schoppe, aus der Oberpfalz, 1576—1649,
t in Padua) wird auch anderer Plagiate beschuldigt.
9 Sweynheym und Pannartz errichteten 1464 im Kloster Subiaco bei Rom die erste italienische Druckerei.
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Klenz: Von raren Büchern.
143
wenige nur davon an die vornehmsten Minister anderer Höfe verschenkt worden. 1 2 3 3. Werden
diejenigen hierher gezählt, welche nur aus wenigen Bogen bestehen und gar leicht verloren¬
gehen können . Zu dem Ende hat Johannes Cinellus auf Einraten des Magliabecchi* diese
raren Piecen zusammengesucht und Anno 1677 zu Florenz unter dem Titel: Deila biblioteca
volante 8 9 zu edieren angefangen. Des seligen Morho 5 f 4 Bibliothek soll großenteils aus Duodez¬
bänden und in andern Formfatjen herausgegebenen wenigen Bogen bestanden haben, weil er
dafür hielt, daß sich ein geringer Band eher unsichtbar machen könnte, als ein großer Foliant,
der in öffentlichen Bibliotheken leicht anzutreffen ist. 4. Finden diejenigen Bücher hier eine
Stelle, die oft nachgedruckt h worden, davon die erste Edition allzeit die rareste bleibt . Des
Thuanus Opus historicum 6 ist neunmal ediert, aber in jeder Auflage ist allzeit was verändert
worden; bald hat man etwas gar ausgemustert und was anderes dafür inseriert.
„Über diese bringt man auch diejenigen Bücher hierher, welche die Autoren selber ver¬
legt, welche konfisziert und verbrannt worden, davon aber weiter unten. 7 Struve 8 tut in Introductio
p. 235 die hinzu, welche als ein Verlag den Buchführern* vom Feuer verzehrt worden . Der Atlas
major ist deswegen so pretiös, weil die Typographia Blaeviana mit allen Kupfertafeln ver¬
brannt; und so steht es auch mit der Londoner Edition der Biblia Critica. Unter vielen andern
gedenke ich noch dieser Art rarer Schriften, welche durch die Kupfer kostbar gemacht werden .
Solange die Platten noch vorhanden sind, geschieht es ohne sondere Mühe, ein Buch in seiner
vorigen Nettigkeit wieder aufzulegen; wo sich aber selbige verloren, so geht es schwer her,
bis ein so kostbares Werk wieder zum Stand kommt. Von Joh. Ludw. Gotfrids historischer
Chronik erzählt Tentzel in seinen Monatlichen Unterredungen 1693 S. 503, man sagte, die
Königin Christina 10 hätte sich in die Kupfer dieses Buchs so sehr verliebt, daß sie die Platten
erkauft und vergolden lassen; daher könne das Buch mit diesem Zierat nicht wieder auf¬
gelegt werden.“
Sechzehn Jahre nach dem Erscheinen von Bernhards Gelehrtenhistorie brachte der hanno¬
versche Prediger Emst Ludewig Rathlef (1709—68, zuletzt Superintendent zu Nienburg an
der Weser), der spätere Fortsetzer von Göttens Gelehrtem Europa, in der Theologischen
Bibliothek, Band VII, S. 1081 ff. einen Auszug aus August Beier’s Verzeichnis von raren Büchern
und fügte einige allgemeine Bemerkungen über letztere hinzu; den ganzen Aufsatz ließ er dann
1742 in seiner „Geschichte Jeztlebender Gelehrten“, Teil V, S. 173 ff. wieder abdrucken. Uns
interessieren hier daraus folgende Ausführungen (S. 187ff.):
„Was ist denn ein rares Buch? und worin bestehet der Nutzen desselben? Man könnte
ungemein vieles antworten, wenn man alles sagen wollte. Ein rares und seltenes Buch ist
dasjenige Buch, das man nicht allezeit haben kann . Die Ursachen, warum man ein Buch nicht
allezeit haben kann, sind sehr ungleich. Wie man erst anfing Bücher zu drucken, so druckte
man von einem jeden, weil jeder Anfang schwer ist, nur einige Stücke. Von diesen einigen
Stücken sind viele durch viele Schicksale verlorengegangen, und also sind die ersten gedruckten
Bücher selten. Oft ist es geschehen, daß das größte Teil eines Werkes, noch ehe es unter
die Leute gekommen, von den Flammen verzehrt worden. Man fuhrt Bücher übers Meer, und
dieses hat dieselben oft verschlungen. Und daher sind auch diese Bücher rar. So ist der
1 Diese Annales behandeln die Zeit „von der Geburt bis zum Tode Ferdinands II., das ist von 1578—1637,
in zwölf Teilen, davon aber nur 1640—46 neun Teile, wiewohl der neunte nicht komplett, zu Regensburg und Wien
in Folio herausgegeben worden. Die übrigen drei Teile haben in der Wiener Bibliothek im Manuskript gelegen, sind aber
nunmehr [1716—26] alle nebst dem ganzen Werke zu Leipzig von Weidmann herausgegeben.“ (Jöchers Gelehrten-Lexikon.)
2 Antonio Magliabecchi (1633—1714) vermachte seine große Bibliothek dem Großherzog von Toskana und legte
damit den Grund zu der Nationalbibliothek in Florenz.
3 D. i. „fliegende“, aus Flugschriften (Broschüren) bestehende Bibliothek.
4 Daniel Georg Morhof (1639—91) aus Wismar, Professor in Rostock, dann in Kiel, der erste deutsche Literar¬
historiker von einiger Bedeutung, besaß eine berühmte Bibliothek.
5 Hier nicht im Sinne eines unbefugten, sondern eines rechtmäßigen neuen Abdrucks und zwar in der unge¬
wöhnlichen Bedeutung einer veränderten neuen Auflage (vgl. meine „Deutsche Druckersprache“ 1900, S. 77).
6 Des französischen Staatsmannes Jacques Auguste de Thou Geschichtswerk, Historia mei temporis (d. h. Ge¬
schichte meiner Zeit) betitelt, erschien zuerst 1604 in 18 Büchern, dann 1606 in 49 und 1614 in 80 Büchern, und
wurde nach seinem Tode von anderen fortgesetzt.
7 Bernhard handelt in besonderen Kapiteln S. 689 ff. „Von verbotenen und konfiszierten Büchern“ und S. 693 ff.
„Von Büchern, welche durch den Henker oder sonst zum Schimpf verbrannt worden.“
8 Siehe die frühere Anm. 6 auf Seite 141/142.
9 So nannte man früher die Buchhändler.
10 Die gelehrte und kunstliebende schwedische Königin, Gustav Adolfs Tochter, die als Katholikin 1689 in Rom starb.
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144
Klenz: Von raren Büchern. *
zweite Band der Machina coelestis des Johann Hevel 1 2 3 * * sehr selten. Denn er hatte denselben
auf seine Kosten drucken lassen und hatte das Unglück, daß seine Wphnung und zugleich
dies Buch im Feuer aufging. Doch hatte er bereits einige Stücke ausgeteilt, von welchen
auch eines in die prächtige Bülauische Bibliothek gekommen, die nächstens von Hannover
nach Göttingen soll abgeführt werden. Das größte Teil eines Buchs pflegt in dem Lande
zu bleiben, wo es gedruckt ist, und wenig Stücke desselben kommen in weit entlegene Länder,
und so sind die italienischen, portugiesischen, spanischen, englischen und andere fremde Bücher *
selten, vornehmlich wenn sie bereits alt sind. Von vielen Büchern sind nur wenig Stücke
gedruckt , und diese dazu noch verboten worden. Staaten pflegen von den Ausführungen ihrer
Rechte nur wenig Stücke drucken zu lassen. Andere pflegen wohl gar darum ihre Schrift
nur einigemal drucken zu lassen, damit sie dieselbe und zugleich sich selbst mögen teuer
und ansehnlich machen. Oft werden auch einige Stücke von einem Buche auf eine besondere
Art gedruckt Also sind von der englischen Bibel, die 1717 in England in Folio heraus¬
gekommen, nur ganz wenige Stücke auf Pergament gedruckt, von welchen das [eine] in der
Königlichen Handbibliothek, das andere zu Oxford, das dritte zu Cambridge und [wieder]
ein anderes auf der Königl. Bibliothek zu Hannover ist. Dr. Brückman® ließ von seiner Ge¬
schichte des Asbestes vier Stücke auf unverbrennlich Papier drucken, von denen die Herzoge
August Wilhelm, Ludwig Rudolf und Ferdinand Albrecht [von Braunschweig] drei und das
vierte der Rat Burckhard 8 bekommen haben (s. Göttens Gelehrtes Europa I 1735, S. 658).
Dies sind nur einige Ursachen der Seltenheit einiger Bücher/ 1
Rathlef wirft dann die Frage auf: „Aber ist denn auch so viel daran gelegen, dafi man
die raren Bücher kenne ? Hält auch der Nutzen derselben mit der Bemühung, dieselben zu
kennen, die Wage?“ und beantwortet sie mit diesen Worten: „Kaum wird man sich ent¬
schließen können, sogleich ja oder nein zu sagen. Weil die Absicht aller unserer Bemühungen
diese sein soll, daß wir Uns und andere glücklich machen, so wird man den Zusammenhang
der Wissenschaft von raren Büchern mit unserer oder unserer Brüder Glückseligkeit sogleich
nicht einsehen. Hält man aber beides wohl gegeneinander, so zeigt es sich, daß ein jedes
rares Buch auf gewisse Art die Glückseligkeit der Menschen befördere. .. . Man verachte
nicht sogleich das Buch und seine Seltenheit, weil man es nicht gebrauchen kann. Es sind
wohl andere, die es gebrauchen können. Sucht jemand in der Liebe zu Jesu sich dadurch
fester zu setzen, wenn er diejenigen betrachtet, die ihn gehasset haben, so kann er zu raren
deistischen Schriften gehen. Muß jemand die Geschichte dieser oder jener Sache wissen, so
nehme er die seltenen Bücher in die Hand, die in diese Sache schlagen, und lasse die andern
liegen. Ein Arzt wähle die raren Bücher seiner Kunst. Muß jemand die Rechte des Landes
aus alten Zeiten behaupten, so forsche er in den raren Büchern, die von diesen alten Zeiten
handeln. Mit wenigem: ein jeder gebrauche diejenigen raren Bücher, die er seinen Umständen
nach gebraucht Und so werden wenige und wohl keines übrigbleiben, das nicht gebraucht worden.“
Hierauf spricht Rathlef von der „guten Einrichtung der Nachrichten von seltenen Büchern“
und von dem, „was man bei einem jeden derselben billig sagen muß“. Beides wird weiter
unten zu Anfang des zweiten Abschnittes seinen gehörigen Platz finden.
Endlich beschreibt Rathlef in seiner Gelehrten-Geschichte V, S. 194 fr. als Zusatz zur
Wiedergabe seines in der Theologischen Bibliothek veröffentlichten Aufsatzes ein Buch, „das
bei uns fremd und selbst in dem Lande, wo es gedruckt worden, eine Seltenheit ist“, nämlich
einen Oktavband von XVI + 672 Seiten mit dem langen Titel: „Een bloemhof van allerley
lieflykheyd sonder verdriet, geplant door Vreederyk Waarmond , ondersoeker der waarheyd,
tot nut en dienst van al diegeen, die der nut en dienst uyt trekken wil. Of een vertaaling
en uytlegging van al de hebreusche, griecksche, latynse, franse en andere vreemde bastaart-
woorden en wysen van spreeken, die (’t welk te beklaagen is) soo in de godsgeleertheyd,
regtsgeleertheyd, geneeskonst, als in andere konsten en weetenschappen, en 00k in het dagelyks
gebruyk van spreeken, in de nederduytse taal gebruykt worden, gedaen door mr. Adr . Koerbagh,
1 Astronom in Danzig, lebte 1611—87; der Brand ereignete sich 1679.
2 Franciscns Emst Brückmann war Arzt in Braunschweig, seit 1728 in Wolfenbüttel. Seine Geschichte des
Asbestes, die [727 erschienen ist, hat nach Götten den Titel: Historia naturalis curiosa lapidis rov 'Aoßiorov eiusque
praeparatorum, chartae nempe, lini, lintei et ellychniorum incombustibilium. „Er wird für den ersten gehalten, der
die Kunst erfunden, durch nochmalige Planierung zu machen, dafl dieses unverbrennliche Papier gedruckte Schrift
annimmt.“ Derselbe erfand auch eine Floh falle sowie eine Fliegenfalle.
3 Jakob Burckhard (1681—1752, aus Sulzbach in der Oberpfalz) war seit 1727 herzoglicher Rat und seit 1738
Bibliothekar in Wolfenbüttel. Er besafi auch eine eigene wertvolle Bibliothek sowie eine Münzsammlung. (Dunkels
Hist.-Crit Nachrichten 111 4) 1760, S. 670.)
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Klenz: Von raren Büchern.
145
regtsgel. en geneesmr. t’Amsterdam, gedrukt voor den Schryver. In’t iaer 1668.“ Über den
Inhalt dieses holländischen Fremdwörterbuches macht Rathlef folgende Angaben: „In der
Vorrede wird gesagt, daß die Holländer aus fremden Sprachen gar viele Wörter angenommen,
die die wenigsten unter ihnen verstünden; daher denn die Wahrheit sowohl bei Geistlichen,
Rechtsgelehrten und Ärzten, als auch bei andern Leuten aufgehalten würde. Man müsse also,
wenn man für die Wahrheit sorgen wolle, alle fremden Wörter nach ihrem wahren Verstände
in die holländische Sprache übersetzen. Er wolle diesen Dienst der Wahrheit und zugleich
seinen Landsleuten erzeigen. Er geht daher nach der Ordnung der Buchstaben alle fremden
Wörter durch und übersetzt sie in rein Holländisch. Oft trifft er es recht wohl, aber auch
oft sind seine Übersetzungen dunkel und drücken den Verstand des fremden Worts nicht
genug aus. Allein der Mann bleibt nicht bei seinen Übersetzungen, sondern geht oft weiter
und sagt uns, was er von der Sache, die sein Wort anzeigt, gedenke. Und da finden wir,
daß er insonderheit bei den Wörtern, die zur Religion gehören, stehenbleibe. Er tadelt bei
denselben allenthalben, und die Stellen, da er dies tut, machen dieses Buch merkwürdig/'
Darum glaubt Rathlef jene Stellen anführen zu müssen, worin z. B. die Gottheit Christi bestritten,
der Teufel geleugnet und jedes Wunder verworfen wird. „Eben wegen dieser bösen Stellen
wurde dies Buch zeitig unterdrückt, und weil der Verfasser zugleich frei von seiner Obrigkeit
geschrieben, so wurde er in Verwahrung gebracht, in der er auch sein Leben geendigt hat.
Dies macht das Buch selten und' 4 — so berichtigt Rathlef nunmehr seine obige Meinung von
der Merkwürdigkeit — „gar nicht der Inhalt desselben, der gar elend ist. Mehr Nachrichten
von diesem Buche finden wir in den Unschuldigen Nachrichten von 1714 S. 232 fr. und in
Lilienthals Bibliothek II [1741], S. 1129 ff.“
2. Die Rarobibliographie im 18. Jahrhundert.
„Wir haben bereits viele solcher Nachrichten,“ — schrieb Rathlef 1734 bezüglich der
Verzeichnisse rarer Bücher — „die Johann Christoph Krüsike erzählt (in der Vorrede zum
II. Teile seiner Bibliotheca parentis 1 ), und die Verfasser derselben sind größtenteils Meister
in dieser Wissenschaft. Was diese gesammelt haben, hat vor ein paar Jahren Vogt 2 in ein
Buch zusammengebracht. Aber man könnte noch eine nützlichere Sammlung machen. Man
müßte die raren Bücher der Rechte, der Arzneikunst, der Gottesgelehrtheit, der Weltweisheit
trennen. Ein Mann, der ein geschickter Kenner der Welt und ihrer Rechte, könnte von den¬
jenigen seltenen Schriften, die in seine Wissenschaft schlagen, in einem besondern Buche alles
zusammenbringen, was andere von denselben zerstreut erzählen, und dasjenige hinzutun, was
er .selbst bemerkt hat. So hätte ein Rechtsgelehrter die Nachricht von raren Büchern in einer
Folge beieinander. Und ebenso könnte es ein Arzt, ein Gottesgelehrter, ein Weltweiser mit
den Nachrichten von den seltenen Büchern ihrer Wissenschaft machen. Es ist keine geringe
Ursache der Verachtung seltener Schriften, daß man in den Nachrichten von denselben unter
20 oft kaum zwei an trifft, die eine jede Art von Gelehrten gebrauchen kann. Die beste
Einrichtung einer solchen Nachricht ist wohl diese, wenn man den Teilen einer jeden Haupt¬
wissenschaft folgt. Die Gottesgelehrtheit besteht aus vielen Wissenschaften, und diese muß
man in einer gewissen Ordnung lernen. Wer die Nachrichten von raren Büchern, die ein
Gottesgelehrter gebrauchen kann, in einem Buche zusammenbringen wollte, der würde den
richtigsten Weg gehen, wenn er der Ordnung dieser Wissenschaften folgte. So könnte deijenige,
der sich der Gottesgelehrtheit widmet, bei Erlernung einer jeden Wissenschaft zugleich aus
diesem Buche die raren Bücher derselben kennenlernen. — Es wäre gut, wenn man bei
einem jeden raren Buche auf viererlei sehe. Zuerst müßte man die Geschichte desselben aus-
fiihren. Hernach müßte man den Inhalt erzählen. Weil die Seltenheit eines Buchs sich bald
auf die Geschichte, bald auf den Inhalt desselben gründet, so könnte man zum dritten die
Ursachen der Seltenheit anzeigen. Zuletzt würde das cui bono [,wem zum Nutzen?'] fordern,
den Einfluß in das Wohl der Menschen anzuweisen.“
Die Buchung und Beschreibung rarer Schriften, die Rarobibliographie (wenn ich dies
Wort bilden darf) scheint vor dem 18. Jahrhundert noch nicht im Schwange gewesen zu
sein. Aber gleich im Jahre 1700 versprach D. Valentin Emst Löscher (geb. 1673 in Sonders-
1 D. h. Bibliothek des Vaters. Krüsike, der Prediger zu St. Petri in Hamburg war, besaß nach Götten I, S. 72
eine von seinem Vater gesammelte und nachher von ihm selbst vermehrte kostbare Bibliothek, und verfaßte u. a.:
Vindemiarum litterariarum (d. i. etwa: Schriftenlese) Specimen I. et II. 1727 und 1731.
2 Siehe weiter unten.
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Klenz: Von raren Büchern.
hausen, f 1749 als Superintendent, sowie Kirchen- und Ober-Konsistorialrat in Dresden) in
seiner Promulsis de Arcanis litterariis et aliis XXX libris edendis (d. h. Vorläufiges von den
literarischen Geheimnissen und anderen 30 Büchern, die herausgegeben werden sollen), ein
Verzeichnis der „rarsten“ und kaum dem zehnten Gelehrten bekannten oder von ihm gesehenen
Bücher nebst kurzer Beurteilung anzufertigen. Zwar kam es ebensowenig wie die meisten der
übrigen von ihm angekündigten Schriften zustande und Löscher mußte sich deswegen von
Joachim Lange Ruhmredigkeit vorwerfen lassen, während Bernhard ihn damit entschuldigt,
daß er „seine Zeit auf andere Geschäfte anwenden müssen“; doch hat sein Bruder Johann
Kaspar (1677—1751, Superintendent in Rochlitz, dann in Leisnig) in seinen Observationes
selectae I 4 „etwas davon berühret“. (Bernhard, S. 659 u. 666; J. J. Mosers Theologen-Lexikon
1740, S. 416 u. 431; Dunkel I 2) 1753, S. 249 f.)
Das erste rarobibliographische Werk von Bedeutung dürfte die schon oben erwähnte
Nova Collectio librorum rariorum (in $ Teilen, Halle 1709) des Leipziger Magisters H. Aug.
Grosckuff (f um 1719) gewesen sein, wenn nicht schon eine Collectio 1 . r. vorausgegangen ist
Bernhard erwähnt S. 659 f. aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts noch einen Katalog
der raren atheistischen Bücher, der im „Büchersaal“ Bd. II, S. 323 enthalten sein soll; zweier
aus der Feder Reimmanns, worauf ich sogleich eingehen werde; einen zu Amsterdam gedruck¬
ten Catalogus rariorum et insignium librorum von Christoph Bekker f dessen im II. Bande der
Bibliothecae Ittigianae p. 50 gedacht sei; und verweist für noch andere auf den „Ausführlichen
Bericht“ (1708 fr.) S. 710.
Der Literarhistoriker Jakob Friedrich Reimmann (geb. 1668 zu Groningen bei Halberstadt,
f 1743 als Superintendent zu Hildesheim) soll nach Bernhard einmal (1710) eine commentatio
de libris genealogicis vulgatioribus et rarioribus, also eine Abhandlung über ziemlich verbreitete
wie auch seltenere Schriften zur Geschlechterkunde, herausgegeben haben. Davon habe ich
aber anderswo nichts finden können. Dagegen wird Bernhards weitere Angabe, Reimmann
habe in den Observationes [selectae] Hailenses, Bd. X, obs. 8 u. 9 „von den raren Büchern
insgemein“ gehandelt, durch J. J. Mosers Theologen-Lexikon 1740 bestätigt, wo S. 832 der
Titel „Observationes de libris raris“ und dazu S. 842 aus Gottlieb Stolle’s Historie der Ge¬
lahrtheit die Notiz mitgeteilt ist, daß Reimmann „diese Materie gar gelehrt abgehandelt, auch
unterschiedene Exempel solcher Bücher angeführet, die man fälschlich für seltsam ausgegeben“.
Ob eine nach Götten I 1735, S. 799 „zum Druck bereite“ Manuductio nova ad notitiam
librorum, worin u. a. die libri rarissimi aus jeder Wissenschaft angezeigt sein sollen, später
auch erschienen ist, dürfte fraglich sein, zumal sie noch Moser den unveröffentlichten Schrif¬
ten Reimmanns beifügt.
Im Jahre 1719 gab der Jenaer Professor der Geschichte Burchard Gotthelf Stncve (1671
bis 1738) eine „Bibliotheca librorum rariorum, Theca I. et II.“ heraus, worüber es bei
Götten II 1736, S. 646 heißt: „Er hat sonderlich kleine Schriften darin sammeln wollen, die
sich sonst leicht verlieren.“
Von 1725—31 ließ Johann Georg Schelborn, Prediger und Stadtbibliothekar zu Memmin¬
gen (f 1773), „Amoenitates literariae, quibus variae observationes, scripta item quaedam
anecdota et rariora opuscula exhibentur“ zu Frankfurt und Leipzig in 14 Teilen erscheinen,
von denen die ersten vier neu aufgelegt wurden. Diese „Annehmlichkeiten“ sollen mit vollem
Recht ihren Namen führen, und nach Stolle erwies sich der Herausgeber als ein „Mann des
guten Geschmacks“. (Mosers Theologen-Lexikon S. 932 f.)
Im Jahre 1726 gab der aus Rom gebürtige, aber in England lebende Altertumsforscher
Nicolb Francesco Haym (1679—1729) eine „Biblioteca italiana“ oder „Notizia de’libri rari italiani“
zu London heraus. Sie ist von David Clement (s. weiter unten) benutzt worden. Eine berichtigte
und vermehrte Ausgabe in zwei Bänden veranstaltete F. Giandonati 1771 f. zu Mailand.
Im Jahre 1731 begannen zwei Gelehrte ihre Sammlungen zu veröffentlichen. Der Leipziger
Arzt Friedrich Boemer(i 723—61) gab zu Wolfenbüttel „Bibliothecae librorum physico-medicorum
rariorum specimen I. et II.“ 1731 bzw. 1753 sowie „Relationes de libris physico-medicis rarioribus“
in zwei Stücken 1756 heraus. Unter dem Namen eines Theophilus Sincerus erschienen: „Nach¬
richten von lauter alten und raren Büchern“ in 6 Stücken, Frankfurt und Leipzig 1731 f.;
„Neue Sammlung von lauter alten und raren Büchern“ in 6 Stücken, ebenda 1733 f.; „Bibliotheca
historico-critica librorum opusculorumque variorum et rariorum, oder Analecta literaria von
lauter alten und raren Büchern und Schrifften“, Nürnberg 1736; Neue Nachrichten von lauter
alten Büchern, Frankfurt 1748. Der richtige Name des Autors ist Georg Jacob Schwindel.
Derselbe war nach Mosers Theologen-Lexikon 1740, S. 961 f. Senior an der Kirche zum
Heiligen Geist im Neuen Spital zu Nürnberg (geb. 1684), wurde aber 1739 abgesetzt und in
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Klenz: Von raren Büchern.
147
Untersuchungshaft genommen auf Grund der „Aussage einer einzigen Person, gegen welche
mancherlei Einwendungen stattfinden“ usw. Er sollte sich des Ehebruchs, der Gotteslästerung
und Zauberei schuldig gemacht haben und erreichte erst nach mehreren Jahren in Wien
seine Freisprechung, worauf er 1752 nach Nürnberg zurückkehrte und noch in demselben
Jahre dort starb (s. Allg. Deutsche Biographie).
Das Jahr 1732 brachte einen „Catalogus manuscriptorum membranaceorum, librorum ab
inventa typographia usque ad annum MD. impressorum rarissimorum, pro adsignato pretio
venalium apud Jok . Ludolph. Bünemann, Mindae“. Der Herausgeber dieses Kataloges „sehr
rarer“ Pergamenthandschriften und Bücher seit Erfindung der Buchdruckerkunst bis 1500 besaß
also dieselben und stellte sie nun selbst unter Ansetzung der Preise zum Verkauf. Er war
Bibliothekar in Minden (geb. 1687 zu Kalbe an der Saale, f 1759 zu Hannover).
Im folgenden Jahre gab Johann Vogt t Pastor am Dom zu Bremen (geb. .1695 zu Berstatt,
t 1764) einen „Catalogus historico-criticus librorum rariorum, sive ad scripta hujus argumenti
spicilegium, index et accessiones“ zu Hamburg heraus. Schon 1737 erschien davon eine neue,
bedeutend vermehrte Auflage („editio nova, priori vel quadruplex auctior, et tarn ex propriis
ejusdem auctoris adnotationibus suppleta, quam plurimis aliorum doctissimorum virorum
observationibus insigniter locupletata“), auch mit einem Anhang von den „axiomata [Grund¬
sätzen] historico-critica de raritate librorum“ versehen. Dieser sogenannte historisch-kritische
Katalog wurde damals sehr beifällig aufgenommen: den Verfasser nannten die Hamburgischen
Berichte von gelehrten Sachen 1737, S. 575 einen „ungemeinen Kenner, unermüdeten Nach¬
forscher und geschickten Beurteiler rarer Bücher“, und die Frankfurtischen gelehrten Anzeigen
von 1737, brachten S. 419 ff. die angehängten Axiomata ungekürzt zum Abdruck. (Mosers
Theologen-Lexikon 1740, S. 715 f.) Später urteilte man nicht so günstig über Vogt (s. Eberts
Allg. bibliograph. Lexikon 1830). Es erschienen noch zwei Ausgaben von der Hand des Ver¬
fassers, 1747 und 1753; eine fünfte besorgte 1793 Michael Truckenbrot.
Im Jahre 1734 erschienen zu Dresden und Leipzig August Beier*s „Memoriae historico-
criticae librorum rariorum“, mit dem Nachträge zu Menckes Charlatanerie bietenden Anhänge
20 Bogen stark. Der Verfasser, 1707 zu Bertholsdorn bei Freiberg in Sachsen geboren, war
damals Lehrer an der Kreuzschule und Hilfsprediger in Dresden; 1738 wurde er Prediger
in Zörbich bei Dresden. Seine „Denkwürdigkeiten“ enthalten nach J. F. Reimmann (Catalogus
bibliothecae theologicae systematico-criticus II 1739, p. 531) ein Verzeichnis von 100 selteneren
Büchern, J die er selbst gesehen und durchgelesen hatte, sowie eine deutliche Erklärung der¬
selben. Von ebendemselben mit Vogt (s. oben) verglichen, so stützte er sich bei seinen An¬
gaben auf die eigene Glaubwürdigkeit, Vogt dagegen auf die anderer; ferner hat Beier mehr
fremdländische Autoren, Vogt mehr einheimische; jener bindet sich an keine Ordnung, dieser
an die alphabetische. Beier hatte die reichhaltige Büchersammlung des Herrn Johann Dieterich
von Schönberg während dreier Jahre eingerichtet und auch eine Zeitlang die Aufsicht über
die Bücherei des Geh. Rats v. Bünau gehabt. Über Rathlefs Auszug aus Beiers Katalog siehe
oben im ersten Abschnitt. NachRathlef V, S. 172 wollte Beier sein Buch „mit Zusätzen wiederum
herausgeben und den zweiten Teil hinzutun“, doch scheint er darüber gestorben zu sein.
Allerhand Zusätze zu früheren Verzeichnissen gab der damalige Lingener Rektor und
Professor Ferdinand Stosch (geb. 1717 zu Liebenberg i. d. Mittelmark als ein Sohn des gleich¬
namigen späteren Potsdamer Hofpredigers, 1761—71 Konrektor am Joachimsthalschen Gym¬
nasium in Berlin, gest 1780 als Generalsuperintendent in Detmold) 1747 unter dem Titel:
Appendicula ad librorum rariorum catalogos; er führte später Strodtmanns Neues gelehrtes Europa
fort. (Dunkels Hist.-Crit. Nachrichten III 4) 1760, S. 876 u. 8 50, und Allg. Deutsche Biographie.)
Die von 1750 an zu Göttingen erscheinende großangelegte und wertvolle „Biblioth&que
curieuse historique et critique, ou Catalogue raisonn£ de livres difficiles ä trouver“ (man
beachte die Umschreibung „schwer zu finden“ für ,,rar“l) von David Clement kam wegen
des Todes des Verfassers leider nicht über den 9. Band hinaus und mußte mit dem Artikel
Hessus schließen. Clement war der Sohn eines infolge der Aufhebung des Edikts von Nantes
(1685) mit anderen Hugenotten aus Frankreich nach Hessen eingewanderten Geistlichen und
wurde selbst französischer Prediger der reformierten Gemeinde in Braunschweig, später in
Hannover, wo er 1760 starb (geboren war er 1701 in Hofgeismar). Er wird in gewisser
Beziehung als Nachfolger des französischen Bibliographen Michel Maittaire angesehen, der
1719—25 die „Annales typographici“ (mit den Titeln der bis 1664 gedruckten Bücher) ver¬
öffentlicht hatte, die 1789 von Denis ergänzt und 1793 ff. von Panzer neu bearbeitet wurden.
(Vgl. die Allg. Deutsche Biographie.)
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148
Klenz: Von raren Büchern.
Im Jahre 1750 gab auch der Leipziger Advokat Friedrich Gotthilf Frey tag (1723—76),
Sohn des gleichnamigen Pfortenser Rektors, „Analecta literaria de libris rarioribus“ heraus,
denen er 1752—55 einen „Apparatus literarius, ubi libri partim antiqui partim rari recensentur“
in drei Teilen und (Gotha) 1776 „Nachrichten von seltenen und merkwürdigen Büchern , ‘
folgen ließ. Der Verfasser dieser gründlichen Schriften, der zuletzt Bürgermeister von Naum¬
burg war, wurde durch den Tod daran gehindert, die seinen Neigungen und Kenntnissen
besser entsprechende Stellung eines Stadtbibliothekars in Hamburg anzutreten. (W. Pökel schreibt
im Philologischen Schriftsteller-Lexikon 1882 jene Arbeiten auffallenderweise dem Vater zu.)
Von 1752—57 veröffentlichte der Hallesche Theologieprofessor Siegmund Jakob Baum¬
garten (1706—57, aus Wolmirstädt) „Nachrichten von merkwürdigen Büchern“ in zwölf Teilen.
In den Jahren 1753 und 1766 lieferte ein Magister Jakob Wilhelm Blaufus zu Jena „Ver¬
mischte Beyträge zur Erweiterung der Kenntniß seltener und merkwürdiger Bücher“ (2 Bände).
Im Jahre 1753 begann auch ein „Ausführliches Verzeichnis von raren Büchern“ zu
erscheinen, mit historischen und kritischen Anmerkungen in alphabetischer Ordnung verfaßt
von dem Berliner reformierten Prediger Melchior Ludewig Widekind (1715—56, aus Kolberg).
Es kamen davon aber nur vier Stücke heraus, das letzte 1755. Man findet in dem durch
des Verfassers Tod abgebrochenen Werk sowohl Auszüge aus Clements Biblioth&que curieuse,
als auch Zusätze und neue Nachrichten. (Dunkels Hist.-Crit. Nachrichten III 4) 1760, S. 875.)
Von dem 1755 zu Venedig erschienenen Katalog der Jos. Smith 9 sehen Bibliothek wurde
einige Jahre danach zu Padua ein Auszug veranstaltet unter dem Titel: Catalogus librorum
rarissimorum ab artis typographicae inventoribus ante annum MD. excusorum, wovon auch
eine zweite Auflage herauskam (s. Eberts Allg. bibliograph. Lexikon).
Aus den Jahren 1769—76 liegen des Mecklenburg-Strelitzschen Konsistorialrats* und Hof¬
predigers Andreas Gottlieb Masch (1724—1807, aus Beseritz) „Beyträge zur Geschichte merk¬
würdiger Bücher“ in 9 Stücken mit dem Druckorte Bützow vor. Dem Verfasser, der 1771
durch seine Schrift über „die gottesdienstlichen Altertümer der Obotriten“ einen lebhaften
literarischen Streit hervorrief, ist die Neustrelitzer Bibelsammlung zu verdanken.
Die von einem Buchhändler namens Johann Jakob Bauer 1770—74 zu Nürnberg heraus¬
gegebene „Bibliotheca librorum rariorum universalis, od. vollständiges Verzeichniß rarer Bücher,
aus den besten Schriftstellern zusammen getragen und aus eigner Erfahrung vermehrt“ (FV Teile
und 2 Supplemente) ist trotz des vielverheißenden Titels recht unvollständig.
Mehr als die Hälfte (n) der besprochenen Schriften über rare Bücher ist von protestan¬
tischen Geistlichen verfaßt, was wohl hervorgehoben zu werden verdient.
Es sind im obigen nur diejenigen Schriften aufgeführt worden, -welche auf dem Titel
ausdrücklich als solche bezeichnet sind, die von „raren“ (oder verdeutscht: seltenen, merk¬
würdigen; einmal umschrieben: difficiles ä trouver) Büchern handeln, weil ein Überblick über
die Rarobibliographie des 18. Jahrhunderts im allgemeinen gegeben werden sollte. Damit
waren die Schriften, die sich speziell z. B. mit den ältesten gedruckten Büchern beschäftigen,
ausgeschlossen, wofern sie nicht jenen Titelvermerk tragen; doch sind die wichtigsten von
jenen gelegentlich bei David Clement erwähnt. Im 19. Jahrhundert gab J. G. Th. Grässe noch
einen „Tresor de livres rares et pröcieux“ 1859—69 zu Dresden in 7 Bänden heraus, während
sein französisches Vorbild, das von Duclos begründete und von J. Ch. Brunet herausgegebene
Werk, den Titel „Manuel du libraire et de l’amateur de livres“ (zuerst 1810 in 3 Bdn.,
5. Ausg. 1860—80 in 6 Bdn. u. 3 Suppl.) führt.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Georg Witkovoaki, Leipzig-G.. Ehrenzteinztr. 20, Verlag von R.A. SeemannAj* ipzig, Hocpitalxtr 11 a
Druck von Emtt Hedrich Nachf., G. m. b. //.-Leipzig, Hozpitalztr. u a
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BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrensteinstraße 20
XIII. Jahrgang Januar-Februar 1921 Heft 1
Wiener Brief.
„Dem deutschen Volke“ widmet Nivard Schlögl ,
der Orientalist der Wiener katholisch-theologischen
Fakultät, seine Übersetzung der „Heiligen Schriften
des Neuen Bundes“ mit Erläuterungen und einer
Einführung (Wien, Burgverlag Richter & Zöllner),
Schlögl will statt der bisher üblichen wörtlichen
Übersetzung der Vulgata eine wissenschaftlich
richtige, vollständig sinngetreue herstellen mit Be¬
rücksichtigung des neuen Begriffsinhaltes, den die
hebräischen Worte und deren griechische und latei¬
nische Wiedergabe durch das Christentum emp¬
fangen haben; er will den Text aber auch durch
Beseitigung der aus dem Hebräischen übernom¬
menen, ihn überflüssig beschwerenden Partikeln
und Breitspurigkeiten dem deutschen Sprachgeiste
aripassen und jedermann verständlich machen.
Nicht ohne Zögern haben, wie das Nachwort er¬
wähnt, die kirchlichen Behörden den Druck einer
Übersetzung erlaubt, die „an manchen Stellen sehr
von den gewöhnlichen Übersetzungen abweicht und
scheinbar nicht die Vulgata übersetzt, sondern ihr
widerspricht.“ Das Werk, die Frucht eines 36 jäh¬
rigen Schriftstudiums, verdient die größte Beach¬
tung aller für die Bibel interessierter Kreise.
Durch Weininger ist Wilhelm Müller-Walbaum
auf einen Neu-Schellingianismus geführt worden
(„Die Welt als Schuld und Gleichnis 4 '), der, scharf
gegen den Monismus in allen seinen Spielarten und
gegen die Alleinherrschaft der evolutionistisch-
historischen Methode gewandt, die gesamte Wirk-,
lichkeit in eine Stufenfolge von einzelnen Sphären
zerlegt, die wohl qualitativ getrennt sind, aber
doch eine Analogie zueinander aufweisen, eine
„Entsprechung 44 bis in alle Einzelheiten ihrer
Struktur. Der Weiningerverlag Wilhelm Brau¬
müller in Wien hat es für seine Pflicht angesehen,
die Drucklegung dieser sehr umfangreichen Arbeit
(671 S.) zu ermöglichen.
Ein aufschlußreiches Werk über „Das öster¬
reichische Staats- und Reichsproblem 44 seit 1848
hat Joseph Redlich mit Benutzung der einst ängst¬
lich gehüteten Ministerratsprotokolle zustande ge¬
bracht. Der Preis des im „Neuen Geist“-Verlag zu
Kkeibl. XIII, 1 I
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Leipzig erschienenen stattlichen Bandes beträgt in
Wien 1400 Kronen l Man mag daraus ermessen,
wie viele größere Büchereien — von den privaten
Forschern ganz zu geschweigen — überhaupt diese
grundstürzende und grundlegende Publikation zur
Geschichte der österreichischen Verfassung werden
anschaffen können.
Ebenfalls auf früheren Geheimakten des Haus-,
Hof- und Staatsarchivs beruhen Hans Schiitters
wertvolle Veröffentlichungen in der Am<hea-
Bücherei (Wien, Amalthea-Verlag) „Aus Öster¬
reichs Vormärz 44 (1. Galizien und Krakau, 2. Böh¬
men, 3. Ungarn, 4. Niederösterreich) und „Ver¬
säumte Gelegenheiten. Die oktroyierte Verfassung
vom 4. März 1849“, die den Ursprung alles Übels
in Österreich seit Felix Schwarzenberg in der Zen-
tralisierungs- und Germanisierungssucht der Re¬
gierungen suchen.
Dem „Billeten-Protokoll“ Josephs II., früher
in der Kabinettskanzlei, jetzt im Haus-, Hof- und
Staatsarchiv verwahrt, entnimmt Rudolf Payer von
Thum ungedruckte Briefe (hauptsächlich an des
Kaisers Vertrauten, den Oberstkämmerer Grafen
Rosenberg) und Aktenstücke aus den Kinderjahren
des Burgtheaters („Joseph II. als Theaterdirektor 44 ,
Wien, Leopold Heidrich), eine hochwillkommene
Ergänzung zu Weilens „Geschichte des Burg¬
theaters 44 . Dem trefflich ausgestatteten Band sind
sechs interessante Bilder nach alten Stichen aus
dem Besitz der nun wirklich zum Untergang ver¬
urteilten Familien - Fideikommiß - Bibliothek bei¬
gegeben.
Endlich sind auch Jakob Minors Schauspieler¬
charakteristiken „Aus dem alten und neuen Burg-
theater 44 (von Josef Wagner bis Josef Kainz),
herausgegeben von Stephan Hock, in Buchform
erschienen (Amalthea-Bücherei, Wien, Amalthea-
Verlag), meines Erachtens das Bleibendste, Dau¬
erndste, was Minor geschaffen hat; denn hier
spricht ein Augenzeuge, den man immer wird
hören und ein vernehmen müssen; ein Mann, der
nicht nur zu den besten Kennern der dramatischen
Literatur gehörte, sondern der auch das Schau-
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Januar-Februar 1921
Wiener Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
Spielerhandwerk selbst erlernt hatte und dessen
Entwicklung von seiner Jugend bis an sein Lebens¬
ende mit nie erlahmendem Interesse und ein¬
dringendem Verständnis an einer der ersten Kunst¬
statten verfolgte.
Hermann Bahrs wie immer geistreiche Ge¬
schichtskonstruktionen über das „Burgtheater“
(„Theater und Kultur“, herausgegeben von Richard
Smekal, Band 1, Wien, Wiener Literarische Anstalt)
überraschen und blenden eigentlich doch nur ein
Publikum, dem die grundlegenden Arbeiten über
barocke Theaterkultur von Trautmann, Zeidler und
Weilen unbekannt geblieben sind.
Zwei verdiente Lokalforscher Emil Karl Blümml
und Gustav Gugitz haben bei Ed. Strache in Wien
einen Sammelband „Altwienerisches, Bilder und
Gestalten“ herausgebracht, der eine Menge biblio¬
philer Curiosa in steter Verbindung mit archi-
valischen Forschungen verwertet und bespricht.
Dasselbe gilt von Gugitz* Beitrag zur Theater- und
Sittengeschichte Altwiens „Der weiland Kasperl
(Johann La Roche)“ im gleichen Verlag, die erste
quellenmäßige Einzelschrift über diesen Schau¬
spieler mit Neudruck von Gelegenheitsschriften,
die sich auf ihn beziehen. Beiden Bänden kommt
eine über Wien hinausgehende Bedeutung zu. —
Richard Smekals „Altwiener Theaterlieder vom
Hanswurst bis Nestroy“ (Wien, Wiener Literarische
Anstalt) hätten nicht ohne die dazu gehörigen
Melodien für den Gesang und Klavierbegleitung
herausgegeben werden sollen. In einem schmucken
Bande „Grillparzerund Raimund“ sammelt Smekal
gelegentliche Funde und Studien (Wien, G. Barth),
Bedeutendes und Minderbedeutendes, an dem die
Spezialforschung jedoch nicht achtlos Vorbeigehen
kann.
Zwei Künstlerinnenbücher legt uns die Wiener
Literarische Anstalt vor: Rose Silber er s etwas pre-
ziöse Kunstbriefe aus Rom „An einen Pagen“ und
die auffallend gut geschriebenen „Erinnerungen“
von Anna Bahr-Mildenburg, Die Skizzenbände
von Egon Dietrichstein „Die Berühmten“, Gestal¬
ten aus der lebendigsten Gegenwart, und Ludwig
Hirschfeld , „Wo sind die Zeiten ...“ (im gleichen
Verlag) werden dem späteren Geschichtsschreiber
des untergehenden Wien noch manches schätzbare
Material bieten.
Zahlreiche belletristische Neuerscheinungen,
die mir vorliegen, muß ich diesmal übergehen, um
noch auf ein paar große Verlagsuntemehmungen
aufmerksam zu machen.
Die österreichische Verlagsgesellschaft Ed.
Hölzel & Co. in Wien hat den Verlag der „öster¬
reichischen Kunstbücher“, amtliche Ausgabe der
Staatlichen Lichtbildstelle in Wien, übernommen,
die den Kunstschatz Österreichs, das einzige Be¬
sitztum, das uns noch verblieben ist, zum ersten¬
mal einem breiteren Publikum erschließen; 22 Bänd¬
chen mit einem von unseren besten Kunstgelehrten
3
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bearbeiteten Text und ausgezeichnetem Bilder¬
material liegen bereits vor, das Bändchen zu 8 M.
Der Verlag hofft auf das Interesse aller kunst¬
liebenden Kreise. Als Paralleluntemehmungen wer¬
den vorbereitet „Süddeutsche Kunstbücher“ (das
Bändchen zu 6 M.) und die „Kunst in Holland“
(das Bändchen zu 10 M. = 80 cts). — Zwölf Kunst¬
blätter „ Vertumnus und Pomona“ nach der gleich¬
namigen Bildteppichfolge der Wiener Gobelin¬
sammlung, einbegleitet mit Ovids Dichtung und
kunstgeschichtlich erläutert von Max Dvdräk , er¬
scheinen in einer bibliophilen einmaligen Ausgabe
von 400 numerierten Exemplaren mit künstlerischer
Buchdecke aus dem Atelier Prof. Larisch (Preis
ungefähr 100 M.).
Der Kunstverlag Anton Schroll & Co. in Wien
bringt Julius Schlossers beschreibendes Verzeichnis
der ganz einzigartigen „Sammlung alter Musik¬
instrumente“ des 16. und 17. Jahrhunderts in der
Neuen Hofburg, die auf die Sammlung des Erz¬
herzogs Ferdinand von Tirol auf Schloß Ambras
und des Marchese Obizzi auf Schloß Catajo bei
Padua, durch Erbschaft in Estensischen Besitz ge¬
langt, zurückgehen (143 Seiten gr. 4 0 . mit 44 Ab¬
bildungen im Text, 5 7 Lichtdrucktafeln und einer
Notenbeilage, broschiert 175 M., gebunden 200 M.).
— E. Tietze-Conrat veröffentlicht 97 Bildertafeln
mit Text über „österreichische Barockplastik* 1 ,
Lili Fröhlich-Bum einen Sammelband der Bilder,
Radierungen und Handzeichnungen von „Parmi-
gianino“. Withs „Buddhistische Plastik in Japan**
erscheint bereits in zweiter Auflage. Die Anzen¬
gruber-Ausgabe des Verlages ist schon an anderer
Stelle dieser Zeitschrift angezeigt worden.
Eine Mappe „Handzeichnungen alter Meister
aus der Sammlung Dr. Benno Geiger“ mit Vorwort
von Hugo von Hofmannsthal , Text von Leo Pia -
niscig und Hermann Voss , bietet der Amalthea-
Verlag an (300 numerierte Exemplare, Subskrip¬
tionspreis 1200 M.). Derselbe Verlag hat einen Fak¬
similedruck des überaus seltenen „Taschenbuches
der alten und neuen Masken“, Frankfurt a. M. 1793t
mit dem Nachdruck von Goethes „Römischem
Carneval“, nach dem Exemplar in der Familien-
Fideikommiß-Bibliothek mit einem Nachwort von
Rudolf Payer von Thum herstellen lassen (750 nu¬
merierte Exemplare).
Eine Reihe „Meisterwerke deutscher Prosa“
mit farbigen Bildern nach Aquarellen und in ganz
aparter Buchausstattung zu einem relativ mäßigen
Preise eröffnet der Buch- und Kunstverlag Gerlach
& Wiedling in Wien mit Grillparzers Novelle „Der
arme Spielmann**, E. T. A. Hoffmanns Märchen
„Der goldene Topf“, Mörikes „Mozart auf der Reise
nach Prag** (alle mit Vorwort von August Sauer),
Als bemerkenswerte Erscheinung auf dem Ge¬
biete der Jugendschriften sei auf die künstlerisch
ausgestatteten „Jugendhefte für Literatur und
Kunst**, ausgewählt und herausgegeben vom nieder-
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Januar‘Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
österreichischen Landes-Jugendamte (Wien, Ko¬
negen) aufmerksam gemacht (Preis des Heftes
8 Kronen).
Außerordentlich schön sind die neuen Lieb¬
haberausgaben derOsterreichischen Staatsdruckerei
unter der künstlerischen Leitung des bestbekannten
Wiener Graphikers Dr. Rudolf Junk: die erste'
bibliophile Ausgabe eines Werkes von L. Amen¬
gruber , „Die Märchen des Steinklopferhanns“, in
Junkschrift mit Zeichnungen für den Einband, den
Vorsatz, die Initialen und Buchschmuck von Junk
(12 Exemplare auf Japan-Dokumentenpapier in
Ganzledereinband 2000 M., bereits vergriffen, 200
Exemplare auf bestem altem Büttenpapier in fein¬
stem Pappband 400 M.) und Johann Nestroy „Zu
ebener Erde und erster Stock“ mit Zeichnungen
für den Einband, den Vorsatz und reicher Aus¬
schmückung des in drei Farben gedruckten Buches
vom Maler Oskar Laske (12 Exemplare in feinstem
Ganzledereinband zu 2000 M., 200 Exemplare in
feinstem Pappband 1000 M.).
Bei aller emsigen Arbeit auf dem Gebiete des
Buchgewerbes darf man doch eines nicht über¬
sehen: kein österreichischer Verlag getraut sich
derzeit eine größere strengwissenschaftliche Arbeit
zu übernehmen. Auch die Akademie der Wissen¬
schaften war bereits entschlossen, die Drucklegung
ihrer Sitzungsberichte einzustellen, als Hilfe von
privater Seite geleistet wurde, durch die es mög¬
lich ist, über ein paar Monate hinwegzukommen.
So haben wir denn auch hier die Notgemeinschaft
mit dem Deutschen Reiche — wir brauchen aber
auch schleunigst die Nothilfe, sollen wir nicht ganz
verderben und untergehn!
Wien, Weihnachten 1920.
Prof. Dr. Eduard Castle.
Neue Bücher und Bilder.
Michael Babits , Der Storchkalif. Roman.
Einzig berechtigte Übertragung aus dem Un¬
garischen von Stefan J. Klein. München , Kurt
Wolff, 1920. 310 Seiten.
Ich verstehe die Aufnahme dieses Bandes in
die Sammlung „Der neue Roman“ nicht. Ungarn ist
gewiß darin: der Zivilisationsfimis über etwas ganz
Analphabetischem, die leichte Unanständigkeit,
das ritterliche Kostüm; aber brauchen wir Ungarn
in einer Sammlung, die den europäischen Roman,
vom Deutschen ausgehend, umfassen will? „Und
ich betrachtete den Strand, den vibrierenden, wim¬
melnden Strand, wo herrliche Frauen in anliegenden
feuchten Trikots in der Sonne liegen, ihre güldenen
(sic!) Körper zur Hälfte in den güldnen Sand ein¬
grabend. Es war wie ein Ufer im alten Griechen¬
land, mit nackten Göttinnen, und es fiel mir Tinto-
rettos Sonnenlichtspiel auf dem nackten Frauen-
5
körperein, es fiel mir Veronese ein.“ Ist das erlaubt?
Ich meine keineswegs von wegen der Sittenpolizei,
sondern von wegen des guten Geschmacks, himmel-
kreuzdonnerwetter! Der Mensch, dem griechische
Göttinnen, Tintoretto und Veronese bei feuchten
Trikots einfallen, ist die bessere Hälfte, die aristo¬
kratische und auf ungarisch feingebildete Hälfte
eines J ünglin gs, der zugleich auch einen verprügelten
Proleten in sich hat und in dem diese zwei Seelen
mm so lange umeinander herumgehen bis er nicht
mehr weiß, welche welche ist und infolgedessen nur
noch übrig bleibt, daß zur Lösung des Konfliktes eine
die andere umbringt. Ich kann mir nicht denken,
daß die Übersetzung hier etwas verdorben haben
sollte, was im Original gut ist. M. B.
Walter Behrend , Ein Dichter der Zeit. Ein
literarisch-kulturpolitischer Essay über Hermann
Kesser. Heidelberg , Hermann Meister. 46 Seiten.
Hermann Kesser, 1880 in München geboren,
hat sich 1912 durch seine Novelle „Lukas Lang-
kofler“, die sich neben deutschen Meisternovellen
hören lassen darf, einen Namen gemacht. Im
Krieg ist seine politische Tragikomödie „Summa
summarum“ entstanden und mit Erfolg auf deut¬
schen Bühnen aufgeführt worden. Dazwischen liegt,
wie Behrend sagt, seine Entwicklung vom „Nur-
Dichtertum“ zum politischen Idealismus, vom
„reinen Dichter zum bewußten Weltverbesserer“.
Die Hauptstationen dieser Entwicklung sind der
Vorkriegsroman „Die Stunde des Martin Jochner“
und die vier programmatischen Schriften „Vor¬
bereitung“. Weltverbesserer, ein Wort, bisher mit
spöttisch überlegener Gebärde oder mild verzeihen¬
dem Lächeln für unklare Phantasten gebraucht,
ist im Jahrzehnt (vielleicht auch nur Jahrfünft!)
des politischen Dichters Ruhmestitel geworden.
Aber ich glaube, daß Kesser selbst schon wieder
vom politischen Kampffeld in die reineren Sphären
der Kunst strebt: die Erzählung „Die Peitsche“
ist Zeugnis des Dichters, nicht des Politikers. Aller¬
dings wäre dieses Stück revolutionierendes Rom
gewiß nicht ohne unsere Gegenwart mit so glühen¬
den Farben, so leidenschaftlichem Rhythmus ge¬
staltet worden. Aber diese Zeitbedingtheit des
Dichters ist ja selbstverständlich, und wenn man
dainit die Welt verbessert, daß man einen Sklaven¬
aufstand zur Poesie veredelt, mögen die Weltver¬
besserer willkommen sein. Behrends Analyse der
einzelnen Werke ist eindringlich und überzeugend.
Sein uberschwenglicher Dithyrambus aber, der von
„letzter Reife“ spricht, findet uns skeptisch. Denn
Hermann Kesser — wenn wir ihm auch eine Reihe
schöner Werke verdanken — ist uns doch vorerst
noch mehr Hoffnung als Erfüllung, und der Vierzig¬
jährige selbst wird letzte Reife noch nicht erreicht
haben wollen. F. M.
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Januar-Februar igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
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Paul Bennemann , Musik und Musiker im alten
Leipzig. Ein Beitrag zur Pflege der Hausmusik.
Mit vier Abbildungen. Leipzig, Ludwig Fries, 1920.
Der gut unterrichtende und anregende Vortrag
Bennemanns hat zunächst einem Hauskonzert des
Verfassers als Einleitung gedient. Er darf um seines
Inhalts willen an dieser Stelle erwähnt werden;
stehen doch im Mittelpunkte Gestalten wie Schein
und Bach, deren musikgeschichtliche Bedeutung
weit über die Leipziger Lokalgeschichte hinaus¬
reicht. Daneben mag das Büchlein mit seinen
reichen Literaturangaben so manchem gute Dienste
leisten und anderwärts zu ähnlicher musikalischer
Belustigung anregen. Sie ist, wie der Verfasser
richtig sagt, in unserer Zeit als Ersatz prunkender
Geselligkeit und zur Erheiterung der Seele be¬
sonders am Platze. G. W.
Anton Bergschmid , Sonnenstieg. Eine Lebens¬
dichtung. München , Musarion - Verlag .
Die Ekstatikmode treibt immer seltsamere
Blüten. Sie verwirrt die Köpfe und macht kindisch.
Auch in den Köpfen der Musarion-Leiter scheint
sie Verwirrung angerichtet zu haben. Denn anders
kann man sich’s kaum erklären, daß sie dieses
Buch unter dem hochtrabenden Untertitel einer
„Lebensdichtung"herausbrachten. Man kann nicht
scharf genug dagegen Front machen, daß Verleger,
die ernst genommen sein wollen, uns solche kin¬
dischen Dilettantereien als Kunst vorsetzen. Wir
sind schließlich Männer — ihr in München an¬
scheinend nicht? —, und wir werden uns dagegen
wehren, daß die Kunst zur ausschließlichen An¬
gelegenheit von Jünglingen gemacht wird, die ihre
Aufsätze aus Sekunda in „poetische" Prosa um¬
schreiben.
In einer fürchterlichen Stilverwirrung tischt
Anton Bergschmid seine „Lebensdichtung" auf:
halb Erzählung, halb Rhapsodie, halb Feuilleton
und knäbisches Essai. Mit „Ha!" und „Oh!" und
„So’s" und „Wie's" geht es über 120 Seiten in Ge¬
fühls- und Naturschwärmerei, wie sie zur Zeit der
Anakreontiker beliebt war. Bergschmid möchte
gern ein Hölderlinchen sein, bringt’s aber noch
nicht einmal zu einem Höltychen. Aus dem ein¬
fachen Grunde, weil er nichts zu sagen hat. Diese
„Lebensdichtung" will die Entwicklung eines Jüng¬
lings zum Manne darstellen. Und dieser Jüngling
wird zum Mann, indem er eine Bergpartie macht
und eine kleine Weile Bäume fällt und Holz hackt.
Das soll natürlich symbolisch sein, und die Sym¬
bolik wird fortgesetzt dick aufgetragen. Dieser
Jüngling nimmt sich Bilder von Napoleon, dem
„Tatenmenschen", und Goethe, dem „griechischen
Geiste", mit; denn: „Wie leicht wird das Leben,
wenn man solche Sterne vor Augen hat!" Solche
Erkenntnisse gibt es viele. „Auf rauhen Lagern
müssen wir Jünglinge schlafen, fern von den Men¬
7
sehen, den Lieben. So nur wachsen wir zu Männern
heran. Du, Mädchen, bleibst zu Hause." Und so *
auf jeder Seite — erschütternd! Und die Schlu߬
erkenntnis, sozusagen die Idee des Buches: „Einen
Freund braucht jedermann in seiner ersten Jugend¬
zeit zum Überwinden der schweren Jahre. Wenn
er dann größer wird, braucht er eine Frau, daß er
ein ganzer sein kann. So'ist der Lauf der Welt."
Das ist kein Witz des Rezensenten, das ist wört¬
lich und orthographisch genau zitiert.
Noch mehr Beispiele? Noch mehr Blütenlesen?
„In diesem Freudenweben bat ich mein Mädchen
um ihre Huld. Und schüchtern neigte sie ihr Haupt
zu mir. Ihre Lippen nahten mir und ihre dunklen
Augen. In Götterwonne reichte ich ihr meinen
Kuß, und heiße Feuer flössen durcheinander." So
auf jeder Seite! Es rauscht von „höchster Schön¬
heit", „reicher Pracht", „Andachtsschauem",
„Feuerströmen", „Starkmut" und ähnlichen Neu¬
prägungen. Ja. Anton Bergschmid ist ein Tichter.
Bei ihm gibt’s noch „Knechte" und „Buben"; die
Zigarre heißt bei ihm „ein aufgerollter Stamm von
Tabaksblättem"; das „hochsinnige Mädchen" zieht
nicht seine Kleider aus, sondern wirft seine
„Schleier" ab, und die Mundharmonika wird zur
„Taschenorgel."
Man könnte sich köstlich unterhalten, wenn
das Buch nicht als Symptom so unendlich traurig
stimmte. Diesen jungen Anton Bergschmid trifft
keine Schuld; im Gegenteil: hin und wieder stößt
man in dem Buche auf ein Bild, bei dem man er¬
kennt, daß es wirklich gesehen, auf ein Erlebnis,
bei dem man fühlt, daß es wirklich erlebt ist, und
das hoffen läßt, daß dieser Jüngling vielleicht ein¬
mal wirklich etwas schaffen wird. Die Schuld trifft
den Verlag, der von dem Ekstatikrummel so be¬
nebelt ist, daß er Knäbischkeiten und Lächerlich¬
keiten für Kunst hält, nur weil sie hingeseufzt und
hingeschrien sind und auf jeden intellektuellen An¬
spruch verzichten. Wenn dies die neue Geistigkeit
sein soll, dann ist das Ende der Kunst gekommen.
Man kann von keinem ausgewachsenen Menschen
verlangen, daß er solche schauderöse Pseudo¬
romantik ernst nehme. O. E. H.
Joseph Bemhart , Der Kaplan. München ,
Musarion-V erlag, 1919. 217 S. 6M., geb. 8 M.
Seit Hans Grimms afrikanischen Novellen habe
ich kein Erstlingsbuch mit mehr Freude und stär¬
kerer Hoffnung für die Zukunft hier angezeigt als
dieses Buch. Es paßt in keine Kategorie, das ist
schon das erste Gute. Man merkt wohl, daß es
in der Gegend zwischen Peter Dörflers schwäbischem
Himmelreich und Auguste Suppers Heimatboden
gewachsen ist, aber dann kommen auch Stellen, an
denen die Verwandtschaft in die Weite geht, zu den
großen Land- und Leute-Schilderungen der Welt¬
literatur. Ich möchte noch keinen Vergleich mit
8
Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Januar-Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Gotthelf ziehen, dazu ist Bernharts Schritt noch
nicht wuchtig, seine Muskel noch nicht hart genug.
Aber er hat, was sonst den meisten Jungen heute
fehlt, den Mut zur Sittlichkeit; seine Sprache steht,
wie seine Gedanken, in guter, gesunder Zucht. Das
ist bei einem Lyriker, der in ein paar eingestreuten
Gedichten die stille Überschwenglichkeit religiöser
Romantik, Eichendorffsche Laute mit einem schwä¬
bischen Mörikeklang dabei, aufs schönste zeigt,
hoch zu loben. Am nächsten Buch des Verfassers
möchte man nun noch größere Kraft und Klarheit
des Baus haben, ein völliges Herr werden über die
an sich beim Süddeutschen wohl begreifliche
Freude am lässig Beschaulichen. Denn ich sehe den
langsamen Gang der Erzählung, die — musikalisch
gesprochen — ungenaue Takteinteilung nicht für
eine Schwäche im innern Wesen des Dichters an,
sondern als ein Zeichen dafür, daß er noch in den
Wachs- und Wanderjahren ist, in denen man mit
sich selbst und andern Verschwendung treibt. Das
wird die Zeit heilen. M. B.
Kurt Bock f Der große Pan. Ein Schauspiel.
Buchenbach-Baden, Felsen-Verlag , T920. 71 S. 6M.
Weil Worte vom Gut- und Hilfreichsein nichts
halfen, soll nun ein ernster Kampf einsetzen, bis
das „Stichwort siegt: die Menschenliebe!“, bis man
dem „Führer unter den Brüdern und Schwestern“,
dem „Verkünder wahrer, lauterer Menschlichkeit“
wirklich folgt. Wir hören Gedanken und Idee immer
wieder auf diesen Ton gestimmt. Seine besondere
Note bekommt dieser Dreiakter einmal dadurch,
daß sein Held zunächst blind ist, sodann dadurch,
daß ihm, dem in eigener Ehe Kinder versagt sind,
ein Weib Maria geschenkt wird, die selbstlos genug
ist, das ersehnte Kind für ihn und seine Ehe in die
Welt zu setzen: „Lachend gebe ich mein Kind in
die Hände einer Frau, die mir aus deinen Worten
schon Freundin ist.“ Ewigkeitsgefühl entschädigt,
und dem Vater entsteht die Verpflichtung, an der
kommenden Generation seine Ideale zu verwirk¬
lichen: „dies ist der wahre Dank: daß wir die Pflicht
lernen der Gemeinschaftlichkeit, — daß aus Mutter¬
liebe, Weiberliebe, Kindesliebe die Liebe zur
Menschheit werde, die verlangenden Arme weit
ausdehne und Güte aussäe.“ Der Umweg ist hier
erheblich. Wir sind nachgerade daran gewöhnt,
daß die Dramatiker der Jugend auf die Form des
Dramas nicht eben viel halten, und so wundert
man sich nicht darüber, abermals Lyrik für Schau¬
spiel, für Drama ausgegeben zu finden.
Hans Knudsen .
Max von Boehn , Rokoko. Frankreich im XVIII.
Jahrhundert. Berlin, Askanischer Verlag , 1919.
Nachdem Boehn unter dem Titel „Vom Kaiser¬
reich zur Republik" das Frankreich des 19. Jahr-
9
hunderts geschildert hat, beschenkt er uns nun
mit einer ähnlich umfangreichen und gleich vor¬
trefflichen Darstellung der unmittelbar vorher¬
gehenden, mit dem Tode Louis XIV. beginnen¬
den Epoche. Der Titel „Rokoko“ ist insofern
dafür zu eng, als ja eigentlich nur dem Stil der
Rögence und allenfalls noch des Louis XV. dieser
Name gebührt, während mit dem Regierungsantritt
Louis XVI. schon der erneute Klassizismus ein¬
setzt. Indessen repräsentiert freilich den Frank¬
reich im 18. Jahrhundert beherrschende Geist
keine Formen weit so vollkommen, wie die des
Rokokos und da das Werk Boehns nicht nach der
Zeitfolge sondern nach den Lebensgebieten ange¬
ordnet ist, tritt in jedem Kapitel der spielende,
alle festen Elemente auflösende Stil in den Mittel¬
punkt. Diese Kapitel, zwölf an der Zahl, heißen:
Die Regentschaft — Der König und der Hof —
Der Adel und die Armee — Der Klerus und die
Kirche — Das Bürgertum — Das Volk — Regie¬
rung und Verwaltung — Die geistige Bewegung —
Die Bureaux d’esprit — Der Stil des Lebens —
Die Kunst. Das Theater — Die Kleidung. Ausge¬
schlossen bleibt demnach die politische Geschichte
im engeren Sinne, die Musik und — leider — die
Literatur, abgesehen von ihren für die allgemeine
Geistesverfassung, die Philosophie und die Bühne
wichtigen Erscheinungen. Aber daß so die pikante
petite poesie, die sentimentale Lyrik, der Roman
und die nichtdichterische Prosa bis auf ver¬
streute gelegentliche Zitate fehlt, bedeutet eine
Einbuße für die Erfüllung der gestellten Auf¬
gaben , wenn die Gründe Boehns auch leicht
zu erraten sind. Diesem Einwand gesellt sich
der weniger erhebliche, daß zwar ein Verzeich¬
nis der Kapitel und der Beilagen vorhanden ist,
aber kein Register der Textbilder und der zahl¬
losen Namen, höchst erwünschte und eigentlich
unentbehrliche Hilfen für jeden, auch den nur
auf belehrende Unterhaltung bedachten Leser.
Gerade solche Leser werden dies Werk, gleich den
früheren Max von Boehns, mit Freude begrüßen.
Von neuem breitet er eine fast unübersehbare
Fülle von Stoff in sorgsamer Anordnung so aus,
daß das Erdrückende des Materials kaum fühl¬
bar wird. Die geschmackvolle Sprache, die
sichere Wahl der Belege, das sparsame Aufsetzen
anekdotischer Glanzlichter und vor allem die
selbständige Verarbeitung und das unabhängige
Urteil geben dem Werke einen Wert, der weit über
eine Zusammenstellung von Tatsachen hinausreicht.
Man liest jedes dieser gut gerundeten Kapitel mit
nie ermattender Teilnahme und bedauert immer
am Schlüsse, daß nicht noch mehr über den be¬
sonderen Gegenstand gesagt ist. Dabei bleibt
Boehn nicht auf der Oberfläche; er geht überall
den Ursachen nach und weiß mit sicherem Blick
auch dort, wo die Quellen spärlich fließen, wie z. B.
für die Lage der unteren Stände, aus ihnen das
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Januar-Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
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Notwendige zu erschließen. Die Bilder sind wieder
ebenso gut gewählt wie zahlreich, und schmücken
das Buch, indem sie zugleich den Wortlaut aufs
beste erläutern. Die Wiedergabe, zumal der zahl¬
reichen Farbendrucke, genügt hohen Ansprüchen
und läßt, gleich der sonstigen Ausstattung —
Papier, Druck, Einband — nichts von der Not
der Zeit spüren. Autor und Verlag dürfen auf diese
Leistung stolz sein. Hoffentlich gesellen sich ihr
bald die in Aussicht gestellten Nachfolger: England
und Deutschland im 18. Jahrhundert. G. W.
Erich Brandenburg , Die materialistische Ge¬
schichtsauffassung. Ihr Wesen und ihre Wand¬
lungen. Leipzig , Quelle 6* Meyer , 1920.
Die von Marx und Engels aufgestellte Theorie
der geschichtlichen Entwicklung läßt als ausschlag¬
gebenden Faktor nur die Produktivkräfte gelten
und demgemäß den juristisch-politischen und den
ideologischen Oberbau von unten her, durch die
jeweiligen Produktionsverhältnisse bestimmt wer¬
den. In klarer Darstellung zeigt Brandenburgs
überaus gehaltvolle Schrift die Schwächen dieser
Lehre und der mit ihr zusammenhängenden von
dem Fortschreiten durch Revolutionen, zeigt, daß
die Geschichtstheorie von Marx überhaupt nicht
materialistisch im philosophischen Sinne des Wortes
ist, nicht einmal streng mechanistisch, weist auf
die wichtigsten, unberechtigten und berechtigten
Einwände hin, erörtert die Wirkungen des psychi¬
schen Faktors, der Naturfaktoren und der Lebens¬
notdurft für das von Marx behauptete, aber un¬
beweisbare fortwährende Wachstum und für die
Richtung der Produktivkräfte, und zeigt in den
besonders anziehenden Schlußabschnitten die bis¬
her unternommenen Versuche zur Weiterbildung
der Theorie, unter denen der Max Adlers als der
interessanteste erscheint. G. W.
Prof. D. Dr. Otto Clemen , Beiträge zur Deut¬
schen Kulturgeschichte aus Riga, Reval und Mitau.
Berlin-Riga-Leipzig, Fritz Würtz. Brosch. 10 M.,
geb. 13 M.
Ein tüchtiger deutscher Gelehrter, den der
Krieg in das Baltenland verschlagen hatte, reiht
in diesem Buch eine stattliche Anzahl von Fünden
und Fündlein aneinander, die er an der äußersten
Ostmark deutscher Kultur machen konnte, und
die ihm nicht der bloße Zufall in die Hände ge¬
spielt hat. Mit unermüdlichem Forschungseifer ist
er vielmehr selber, wo er irgend konnte, den Spu¬
ren deutschen Geisteslebens nachgegangen, und
die Ergebnisse haben die Mühe reichlich gelohnt.
Überraschend vielseitig ist der Inhalt des 281 Sei¬
ten starken Bandes: wir hören von einer geplanten
Berufung Kants nach Mitau, von einem Livländer
als Verehrer Gellerts, von Erinnerungen an Goethe
11
und Friedrich den Großen im Mitauschen Museum,
von Alexander v. Humboldts Aufenthalt in Kur¬
land, von Beethovens kurländischem Freunde K.
F. Amenda usw. usw. Und aus all diesen Skizzen
und Schilderungen erkennen wir von neuem, wie
deutsch die Kultur jenes Ostlandes ist und wie in¬
nig die Beziehungen zwischen dem Baltenland und
dem übrigen Deutschland bis zum Jahre 1870 wa¬
ren. Die Entfremdung begann erst seit der Grün¬
dung des Deutschen Reiches, dessen politische
Grenzen von einem siegesstolzen Geschlecht sehr
zum Schaden der deutschen Gesamtkultur auch für
nationale gehalten wurden. Vor hundert Jahren
wäre es niemandem eingefallen, einen Livländer
für einen „Russen** zu halten und sich über seine
vorzügliche Kenntnis der deutschen Sprache zu
wundern. Arthur Luther.
Bernhard Dörries, Mittelalter. Acht Steinzeich¬
nungen. Hannover , Paul Steegemann.
Es handelt sich in diesem Heftchen um Re¬
produktionen in Umdruckverfahren der in gleichem
Verlage erschienenen Lithographien von Bernhard
Dörries, mystisch angehauchte Visionen „mittel¬
alterlichen“ Seelenlebens; religiöse Stimmungen
der Anbetung, Hexenglauben und ähnliches in
primitiv gewollter Darstellung, mitgeteilt in harten
Schwarz-Weiß-Effekten, härter wohl als sie die
Originale geben mögen, in denen ohne Zweifel eine
starke künstlerische Anschauung sich ausge¬
sprochen hat. R. G.
Max Dreyer, Die Insel. Geschichten aus dem
Winkel. Leipzig , L. Staackmann , 1920. 204 Seiten.
Geb. 11 M.
Wenn Dreyer seiner Geschichten-Sammlung
den Titel nach der zweiten Erzählung gab, so hat
er damit richtig sie als die wertvollste heraus¬
gehoben ; denn wie sich hier Mann und Weib wieder¬
finden, nachdem ihre Ehe durch eine Fremde ge¬
stört wurde, gerade über dem Kind der fremden
Line, das ist mit viel feinem Reiz dargestellt. Insel-
Leute, in ihrer kleinen Welt Eingeschlossene, irgend¬
wie aus dem Winkel Kommende, sind sie fast alle,
die in den sieben Geschichten des Bandes leben:
der Altpensionär Martin Overbeck, der noch das
Hundert seiner Lieben abschließen kann, oder der
Hirtenjunge Müte mit seiner Liebe zum Vogel in
den Lüften, oder der Musikus Fritz Micheels, der
mit der fliehenden Braut eines andern Turm¬
hochzeit macht. Eine besinnliche Welt, still und
nicht ohne Humor, schlichte, aber nicht leiden¬
schaftlose Menschen, die mit ihren Wesensmöglich¬
keiten ganz an die norddeutsche Küstenheimat ge¬
bunden sind; so daß sich ein ehrliches, gutes, stilles
und willkommenes Buch ergibt.
Hans Knudsen.
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Januar-Februar igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Jakob Fingermann , Menschen im Abgrund.
Roman. Wien und Berlin , R. Löwit, 1920. Geh.
8 M. f geb. 12 M.
Schon das Motto, den Klageliedern Jeremiä
entlehnt, bezeugt, daß es dem Verfasser um mehr
zu tun war, als die vielen Schilderungen aus der
Welt des russisch-polnischen Judentums um eine
weitere zu mehren. Schmerz und Zorn haben ihm
die Feder geführt, seinem durch den Weltkrieg
entarteten Volke will er den Spiegel Vorhalten.
Die einfache, wohl nur zum kleinsten Teil erdichtete
Fabel dient diesem Zwecke, indem sie die Entsitt¬
lichung des jüdischen Familienlebens in oberen und
niederen Schichten an drastischen Beispielen
schildert. Daß dabei die Farben derb, die Striche
oft überkräftig auf die Leinwand geworfen werden,
muß man mit in Kauf nehmen. Das künstlerische
Können Fingermanns ist wohl größer — das lassen
einige zart gezeichnete Partien vermuten —, als es
hier im Eifer gekränkter Liebe sich offenbart;
aber auf diese Weise entstand ein Buch, das dem
Durchschnittsleser als spannender Stoff, dem
Kulturhistoriker als Wahrheit atmendes Denkmal
einer verkommenden Welt um so anziehender sein
dürfte. A—s.
Svend Fleuron , Strix. Die Geschichte eines
Uhus. Jena , Eugen , Diederichs , 1920. 189 Seiten.
8 M., geb. 12 M.
Oskar Walze! hat im Hauptblatt dieser Zeitschrift
1918 die Bücher Svend Fleurons „Winter im Jäger¬
hof“ und „Wie Kalb erzogen wurde“ in ihrer be¬
sonderen Stellung zu anderer neuer „Dichtung vom
Tiere“ betrachtet und das „ungewöhnlich tiefe
und echte Nacherleben der Natur“ als die wesent¬
liche Fähigkeit des Dichters bezeichnet. Sie zeigt
sich in noch stärkerem Maße in dem neuen Werke
des Dänen. Während die Geschichte des Hirsch¬
kalbs in den Rahmen des Tierparks von Kopen¬
hagen gestellt war, durchreisen wir mit dem Uhu,
der vor der ständig fortschreitenden Zivilisation
flieht, die dänische Landschaft, sehen mit den
großen Feueraugen des Nachtvogels in die Dunkel¬
heiten des Waldes und fahren auf den meterbreiten
Schwingen des gefürchteten Kampffliegers über die
dämmernde Heide. Strix Bubo, die große Horneule,
das „Ohr des Waldes“, ist ein dickes, kräftiges
Uhuweibchen, dessen Liebesfreuden, Nahrungs¬
sorgen und Daseinskämpfe mit einer Plastik dar¬
gestellt sind, die bei jedem für das Tierleben emp¬
fänglichen Leser schlechthin Bewunderung wecken
wird. Packend wie ein Abenteuerroman sind die
Kapitel der Kämpfe mit der Schlange und mit
dem Adler, und besonders das Ringen des großen
heldenhaften Königs der Tagvögel, der sich mutig,
offen und ohne Tücke zum Kampfe stellt, mit der
hinterlistigen Teufelin der Finsternis, die hinter¬
rücks ihre Fänge in ihr Opfer schlägt, dieser Kampf,
13
in dem die Nachteule siegt, wächst zu einer fast
symbolischen Dichtung. Rührend, doch frei von
aller Sentimentalität und falschen Vermensch¬
lichung des Tieres, ist das langsame Altern und
Sterben des großen Vogels. Der Mensch, der dem
Tier gegenübertritt, erscheint hier ebenso wie früher
in dem „Erziehungsroman“ vom Kalb als das ge¬
ringere Wesen. Er ist das „stinkende Tier“, das
schon weither kenntlich ist und blind und stumpf
auf hinkendem Fuß durch den Wald „kladatscht“,
während die Tiere mit ihren feineren Sinnen, kaum
einen Schritt von ihm entfernt, über den Tölpel
spotten. Trotzdem ist er der gefährlichste Feind,
dem auch Strix nicht immer gewachsen ist, der in
der Sucht, die Natur sich zu erobern, die Natur
zerstört. — Die Übersetzung Mathilde Manns liest
sich wie eine deutsche Originaldichtung. Hoffent¬
lich gibt sie uns bald auch die Übertragung der
vielleicht noch fesselnderen Geschichte eines
Hechtes, die bisher nur dänisch vorliegt.
F. M.
Theodor Fontane , Gesammelte Werke. Zweite
Reihe in fünf Bänden. Berlin , S. Fischer . In
Pappband 80 M., in Halbleinen 100 M.
Die erste Reihe dieser Fontane-Ausgabe, er¬
schienen 1915, zeigte den Dichter in seinen höchsten
Leistungen und. wurde ergänzt durch die große
Einleitung Schienthers, damals das Beste, was neben
der verwandten, von Erich Schmidt stammenden
Charakteristik über Fontane gesagt worden war,
während nun das Werk Wandreys freilich ganz anders
in der Tiefe und Weite der Künstlerpersönlichkeit
des Märkers hineingeleuchtet hat. Wenn ein Er¬
gebnis dieser ausgezeichneten Analyse vor allen
anderen strahlt, so ist es die Bedeutung des Er¬
lebens für das Verständnis der Menschlichkeit und
des Schaffens Fontanes. Nach dieser Seite hin
ergänzt die neue Reihe der Gesammelten Werke
die erste aufs vollkommenste. Sie bringt die auto¬
biographischen Schriften, darunter „Meine Kinder¬
jahre“ und „Von Zwanzig bis Dreißig“ vollständig,
'von den übrigen eine genügende Auslese und vor
allem die erste Zusammenstellung der Briefe, die
bisher in verschiedenen Sammlungen verstreut
waren , nach der Zeitfolge. Eine schöne neue Ein¬
leitung aus der Feder Emst Heilborns, betitelt
„Fontanes Persönlichkeit“ ergänzt würdig Schlen-
thers biographisch-literarhistorischen Essay. Ein¬
band, Papier, Druck, Preis rufen die Sehnsucht
nach den besseren Kriegsjahren wach. G. W.
_ •
Gustav Adolf Gerbrecht, Heimwege. Dichtungen.
Wilhelmshaven , Friesen-Verlag Ad. Heine , 1920.
Ein kleines Mischgericht von hübschen Liebes-
versen, kleinen Prosaerzählungen (mit Vorliebe
in Form kurzer Briefreihen und Dialogen), etwa
M
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Januar-Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
auf der Flache von 1885, als die Jugend eben be¬
gann, ihr Fühlen und Begehren ehrlich zu bekennen
und noch nicht von den überlieferten Formen- los-
kommen konnte. Heute erscheinen uns diese For¬
men gar nicht mehr so schlimm wie vor zehn
Jahren, und deshalb kann auch der, der sie ge¬
wandt zu handhaben weiß, auf Dank rechnen.
So einer ist Gerbrecht. Was er zu sagen hat, klingt
nicht nur gut, es ist auch erlebt und zeugt von
kräftiger Persönlichkeit. Die Ausstattung des
kleinen Quartbandes läßt nichts von der Not der
Zeit verspüren. Die ungenannte Druckerei und
der Buchbinder haben mit Hilfe guten Materials
eine sehr ansprechende Gabe dargeboten. G. W.
Johannes von Guenther , Der Erzzauberer
Cagliostro. Die Dokumente über ihn nebst zwölf
Bildbeigaben. München , Georg Müller , 1919. Geh.
15 M., geb. 18 M.
Des alten Doktors Faust Beiname „der Erz¬
zauberer' 1 paßt nicht so recht für den geheimnis¬
vollen Sizilianer, der im letzten Viertel des 18. Jahr¬
hunderts von dem Wunderglauben, dem not¬
wendigen Gegenspiel der Aufklärung, begeistert
begrüßt und von den Gegnern, Freigeistern und
Kirche, als Schwindler ebenso entschieden bekämpft
wurde. Diese zweiseitigen, niemals unparteiischen
Urteile haben bis zur Gegenwart eine klare Er¬
kenntnis des Charakters und der eigentlichen Ab¬
sichten Cagliostros verhindert, so viele Mühe auch
an diesen Zweck verschwendet worden ist. Guen¬
ther tut deshalb recht, wenn er uns in dem statt¬
lichen Bande von mehr als fünfhundert Seiten vier
umfangreiche zeitgenössische Berichte vorlegt,
ergänzt durch das Lustspiel der Kaiserin Katharina
von Rußland „Der Betrüger“, Carlyles romanhaft
vorgetragenen Aufsatz „Das Diamantenhalsband“
und die bekannte Erzählung Goethes von seinem
Besuch bei Cagliostros Familie. Die erläuternden
Bemerkungen des Herausgebers zeugen von Sach¬
kenntnis und selbständigem Urteil; nur das kleine
Vorwort zu dem Carlyleschen Stück greift den Ton
etwas zu tief. Die Auswahl bietet die bekannten
Stücke der deutscheil Cagliostro-Literatur, wir
vermissen darunter die Schriften Mirabeaus und
Lavaters, sowie die von Bertrich 1786 aus dem
Französischen übersetzte „Cagliostro in Warschau".
Nachgebildete Drucke und Bilder ergänzen die
literarischen Zeugnisse und sind auch für die Ge¬
schichte der Freimaurerei von Wert, stammen
allerdings zum Teil aus wesentlich späterer Zeit.
Den Liebhabern der Nachtseiten der Menschen¬
natur und der Kulturgeschichte wird das Buch
sehr willkommen sein. Der von Preetorius ge¬
zeichnete Umschlag stellt eher den Doctor Minxit
aus Tilliers „Mein Onkel Benjamin“ als Cagliostro
dar. P—e.
15
Victor Gurt Habicht, Die selige Welt. Der Psalm
vom Menschensohne. Hannover, Paul Steegemann.
Ein Psalm von einem Dutzend Seiten über ein
Jesus-Erlebnis: ethische und aktivistische Sätze,
Aufrufungen: man kennt das langsam zur Genüge.
Diese Worte sind nicht anders und nicht schlechter
als die, die wir seit einem Jahrzehnt nun bereits
in Massen vorgesetzt bekommen; aber auch sie sind
ebensowenig Kunst wie alle diese Aufrufe zu
„Menschlichkeit** und ähnlichen inhaltlosen Phra¬
sen. Auch dieser Victor Curt Habicht ist in diesem
Irrtum einer Generation befangen: daß ein Aufruf
suggestiver wirke als eine Gestaltung, daß der
Imperativ eine stärkere ästhetische Funktion habe
als der Indikativ. Unsere Ohren sind abgestumpft;
wir hören nur noch Worte, die keinen Inhalt mehr
haben. O. E. H.
Oskar Hagen t Deutsches Sehen. Mit 64 Tafeln.
München, R. Piper < 5 * Co., 1920.
Ausgehend von Schnaases Wort: „Kunstwerke
sind das gewisseste Bewußtsein der Völker, ihr
verkörpertes Urteil über den Wert der Dinge. Was
im Leben als geistig anerkannt ist, gestaltet sich
in ihnen“, versucht Hagen an Hand zahlreicher
- Beispiele und Gegenüberstellungen zu definieren,
was in unserer Kunst deutsch ist und was sie von
romanischer Art unterscheidet. So gut wie Welt¬
anschauungen sind Stile Fragen des Blutes; nur
jene Wirklichkeit, die man im Kopf und Herzen
trägt, vermag man als Bild zu gestalten und als
Schönheit aus der Natur in Dürers Sinn „heraus¬
zureißen**. Die Wesensart der romanisch-gallischen
Rasse läßt sich durch den Begriff des „Korrekten**
u mschreiben ;der nordische Mensch strebt in Goethes
Sinn nach dem „Konsequenten**, das er als einge¬
borene Form der Natur ahnend erfaßt. Germanische
Phantasie verlangt nach überwirklichem Ausdruck.
In monumentalen Fresken hat italienisches Wollen
seine erschöpfendste Verwirklichung gefunden; in
Dürers und Holbeins Graphik hat Deutschland
einen seinem Umfang nach sehr viel bescheideneren
Schatz, an Fülle innerer Gesichte ist er nicht ärmer.
Das Naturgefühl eines Volkes findet in seiner
Landschaftsmalerei seinen deutlichsten Nieder¬
schlag. „Der Verleiblichung aller Erscheinungs¬
formen, die den Griechen und Lateiner charak¬
terisiert, steht beim Nordländer eine Beseelung
gegenüber.“ Die deutsche Phantasie klammert sich
nicht an die Einzelform in der Natur, sie gilt ihr
nur als Teil des Gesamtorganismus, dem sie zu¬
gehört. Dem Südländer erscheint der Baum in der
Landschaft als etwas Unveränderliches, er begreift,
daß man die Landschaft beseelen könne, „daß man
sie aber als das Antlitz eines einzigen Willens¬
charakters auffassen, dieselbe Gesamtheit heute
der, morgen der Formgebärde unterordnen dürfe —
das wird er weder verstehen noch für ernsthaft
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Januar-Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
diskutabel halten“. Mit dem Problem der Land*
Schaftsmalerei setzt sich Hagen eingehend aus¬
einander.
Historische Vollständigkeit konnte nicht das
Ziel einer Arbeit sein, der es auf Synthese ankam.
Trotzdem erscheint der Sprung von Dürer, Holbein,
Grünewald und Altdorfer zu Böcklin, Thoma, C 4 -
zanne und Maräes gar zu plötzlich und unvermittelt.
Auch wenn man dem Verfasser darin zustimmt, daß
es eine Gedankenlosigkeit ist, van Gogh den Fran¬
zosen zuzuzählen, so ist es doch sehr gewagt, diesen
Künstler, in dessen „expressiver Gestaltungskraft“
Hägens Auffassung gemäß „die deutsche Gro߬
malerei des 19. Jahrhunderts nicht nur gipfelt,
sondern einzig und allein den Anspruch erheben
darf, Frankreich ein Paroli zu bieten“, zum Ger¬
manen zu stempeln, und ein Buch, das sich „Deut¬
sches Sehen“ nennt, in einer Verherrlichung von
van Goghs lodernden Zypressenlandschaften aus¬
klingen zu lassen. Rosa Schapire.
Max Halbe , Gesammelte Werke. Zweiter Band:
Liebesstücke. München, Albert Langen. Geh. 7,5oM.,
geb. 10,50 M.
Neben der „Jugend“ und der „Mutter Erde'*,
den Begründern der Reputation des Dramatikers
Halbe, bringt der zweite Band seiner Werke zwei
verschollene Stücke, „Freie Liebe“ und „Die Heimat¬
losen“, die beide gute Einblicke in das Werden seiner
Dichtung eröffnen und schon deshalb die Erneuerung
verdienen. Fraglicher erscheint dies in bezug auf
den an der Spitze stehenden Prolog „Weihe des
Hauses“, der nicht über sein Tagesdasein hinaus
fortzuleben brauchte. Die vielen Freunde Halbes
werden indessen in der Folge der sieben geplanten
Bände auch solche Gaben von minderem Gewicht
gern empfangen. G. W.
G . F. Hartlaub , Kunst und Religion. Ein Ver¬
such über die Möglichkeit neuer religiöser Kunst.
(Zweiter Band derSerie „Das neue Bild“.) 112 Seiten
mit 76 Bildtafeln. München , Kurt Wölff , 1919. Geb.
22,50 Mark.
Das weitgespannte Ethos der neuen Kunst¬
bestrebungen, die sich als „Expressionismus“ an¬
kündigen und dem von der Nacht der Verzweiflung
umfangenen und doch von den grellen Fanalen
leidenschaftlicher Empörung geblendeten Seelen-
tum europäischer Menschheit eine neue Weltan¬
schauung heraufführen möchten, will, wie es nicht
anders sein kann, auch das religiöse Problem der
Zeit in sich einbegreifen. Allen Künsten voran
suchen expressionistische Malerei und Plastik hier
wieder zu bestimmten Inhalten und festen Formen
zu gelangen, während in Dichtung und Musik, wie
auch in der ganzen geistigen Bewegtheit des um
dieses Problem kreisenden Schrifttums zwar eben-
Reibl. XIII, 2 17
falls alle Energien aufs höchste angespannt, die
Inhalte aber, Ideen, Bekenntnisse, Forderungen
und Sehnsüchte, vom Drange kühnster und alle
Grenzen des religiösen Erlebens und Erfassens weit
hinausrückender Freiheit bestimmt erscheinen.
Wer im Wesen der Religion eine feste Bindung
sucht von seelenberuhigender Kraft, eine unver-
löschliche wegbahnende Leuchte in dem unserer
Erkenntnis undurchdringlichen Dunkel des Lebens,
wem Erlösung durch die göttliche Gnade zugleich
Erfüllung bedeutet unserer Sendung in die Welt,
wird es den Künstlern danken, wenn sie dieser in
sich geschlossenen und inhaltlich unbezweifelbaren
Gefühlsgewißheit in Kunstformen von kultischer
Weihe den Ausdruck suchen, darüber hinaus aber
das schmerzhafte Erleben der letzten Vergangen¬
heit und der Gegenwart diesem Ausdruck zu ver¬
mählen anstreben, um so die schreiende Qual des
Menschen von heute mit einem neuen Hoffen und
mit gläubiger Zuversicht zu schwichtigen.
Es sind unter den expressionistischen Malern
sicherlich die reifsten Talente und auch bisher die
erfolgreichsten, die diese Apostelmission, wie man
es nennen könnte, auf sich genommen haben. Mit
ihren religiös bestimmten Werken haben sich die
Namen von Dietz Ezard, Josef Eberz, Karl Caspar,
Max Beckmann, hat sich besonders die Gruppe:
Erich Heckei, Emil Nolde und Schmidt-Rottluff
breite Bahn gebrochen ins religiöse Empfinden
unserer Zeit. Hartlaub verkennt in seinem glänzend
geschriebenen Buche nun zwar nicht, daß auch
hier eine Vorläuferschaft, durch einige dreißig
Jahre etwa, das Heraufkommen der neuen Kunst
angekündigt hat, er sieht aber doch — oder er
möchte in der ausgesprochen expressionistischen
Malerei der Letztzeit schon eine Erfüllung nach
einem ganz bestimmten Ziele hin erblicken und
so einen Wendepunkt feststellen, der nach Form
und Inhalt nun nicht nur eine Grenze setzt
zwischen zwei Stilperioden, zwischen zwei Welt¬
anschauungen, von denen die jüngere vielmehr
ausgesprochen wieder in den Kreis der Heilswahr¬
heiten des Christentums zu beschränken sich an-
schiclp. Er geht dabei von der Forderung aus,
daß nur die mythisch beglaubigte Persönlichkeit,
der mythische Gegenstand selbst auch wieder Ge¬
genstand, das heißt Objekt der Kunstausübung
sein dürfe, daß nur eine solche Kunst als religiöse
im eigentlichen Sinne anzusprechen sei. Wie seine
Sympathie für die neue Ausdrucksgewalt des Ex¬
pressionismus dieses Gesetz aber sofort selbst wie¬
der durchbricht, zeigt sich durch seine Aufnahme
von Künstlern wie Ludwig Meidner und den fast
alle bisher erlebte Ausdrucksfähigkeit überragen¬
den Kokoschka in jenen Kreis der religiös be¬
stimmten Schaffenden. Seine liebe- wie lichtvolle
Analyse auch dieser und ähnlich gerichteter Persön¬
lichkeiten — hier wäre vor allem der religiös unter¬
wühlte van Gogh zu nennen und die großartige
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Januar-Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Symbolik Hodlers — spricht es ja aus, daß, ganz
entgegengesetzt der Begrenzung auf das eigentliche
Stoffgebiet des religiösen Mythus, der Geist oder
die treibende Kraft der Seele in der modernen
Kunst nach weit mannigfaltigeren Ausdrucksmög¬
lichkeiten trachtet, ja daß eigentlich keines der
künstlerischen Elemente sich rein im Ästhetischen
beschränken will, daß in jedem Rhythmus, jedem
Raumklang, jeder koloristischen Melodie schon
ein transzendentes Empfinden vorzuherrschen
strebt. Hartlaub möchte dies alles nun aber doch
als eine in den letzten Generationen herangewach¬
sene Bereitschaft kennzeichnen, als ein Vorläufer-
werk, wie gesagt, das dem leidvoll geläuterten
Seelentum unserer Zeit im religiösen Schaffen des
Expressionismus die Erlösungskraft und Heils¬
wahrheit des letzten „Herabfließens“ göttlichen
Geistes in die Welt neu offenbare, und daß dieses
im Gestaltenkreise des christlichen Mythus einen
schon vollendeten symbolischen Ausdruck fände.
Hieraus ergibt sich nun eine unverkennbare
Zwiespältigkeit im Bestreben des Verfassers, das
Divergierende, weit Auseinanderstrahlende der
künstlerischen Emanationen der Zeit, wie es aus
einer Quelle entsprungen erscheint, auch von allen
Umwegen wieder zurück zu dieser Quelle fließen
zu sehen — fließen zu machen , dem künstlerischen
Genius diesen Weg als den einzigen zum Heile
führenden zu zeigen. Diese Zwiespältigkeit ver¬
leiht jedoch dem Buche einen ganz besonderen
Reiz: was mehr oder weniger heute alle Menschen
bewegt, die dieser Zeiten- und Geisteswende nicht
mit der brutalen Wappnung eines nihilistischen
Zynismus gegenüberstehen, die vielmehr aus der
Zerrissenheit ihrer seelischen Gewißheiten und
Hoffnungen wie aus der ihrer Wertungen der
ethischen und künstlerischen Anläufe des heutigen
Menschentums nach einer Zielsetzung ausspähen,
die ihnen Befreiung und Selbstbefestigung der
Seele verspricht: dieses Ringen um eine neue
Orientierung der geistigen, mehr aber noch der
Kräfte der Glaubenssphäre ist hier aus der Fülle
umsichtigster Betrachtung eines ebenso feinfühligen
wie sicher geschulten Ästhetikers, der sich philo¬
sophisch befestigen, vor allem aber als religiöser
Bekenner aussprechen möchte, die Formulierung
einer Weltanschauung geschaffen. Eben jener Welt¬
anschauung, die, nach des Verfassers Überzeugung,
durch ein klärendes Zusammenfassen der jetzt
noch oszillierenden Kräfte Weltmission des Ex¬
pressionismus werden soll und kann. Das verleiht
dem Buche, selbst wenn man den dogmatisieren-
den Ergebnissen der Betrachtung sich nicht unter¬
werfen kann und will, eine tief bewegende Kraft:
es ist ein Genuß, sich mit dem Verfasser in gei¬
stiger Zwiesprache auseinanderzusetzen über das
Thema probandum aller seelischen und künst¬
lerischen Kultur unserer Zeit.
Als Ausgangspunkt freilich für Analyse und
19
Synthese der ins Religiöse fließenden künstlerischen
Strebungen kann das Bekenntnis Hartlaubs, weil
es durchaus der Region des Glaubens angehört,
keine bindende Kraft beanspruchen, keine logisch
überzeugende: nach wie vor wird im Bereich des
Erkennens wie in dem der schaffenden Phantasie
hier das „Mysterium“ zu respektieren sein, das
ebenso der logischen Ausdeutung spottet, wie die
aus ihm fließende Befruchtung der seelischen An¬
lagen dem künstlerischen Genius des Menschen
noch ungeahnte Möglichkeiten der Entfaltung ver¬
heißt und gefühlsmäßig enthüllt. Ist Hartlaub des
Glaubens, daß im Schaffensprozeß des religiös be¬
wegten Künstlers ein „Erinnern“ auflebe an eine
Urheimat und einen Urzustand der Seele in einem
geistigen Jenseits, aus dem wir in die Welt ent¬
lassen seien, daß ein „Es“, daß der „Logos“ seine
„bildlos geistigen Vorgänge“ in die Erscheinungs¬
welt hinabträume, wo sie vom Künstler wahrge¬
nommen und rückgedeutet würden in symbolischen
Ausdrücken seiner von der Phantasie bedienten
Seele — so steht diesem Glauben der andere gegen¬
über, daß alles religiöse Erleben der Seele, also
auch ihr Schaffen in Symbolen der Erscheinung,
nicht durch ein Herabfließen göttlichen Geistes
bewirkt werde, nicht durch Erinnerung, sondern
durch Entfaltung keimhaft eingeborener seelischer
Wirklichkeit. Das sittlich-religiöse Erfassen der
Welt wird hier nicht empfunden als ein „Abstieg
vom Geistigen ins Physische“, sondern umgekehrt:
als ein Aufstieg vom Physischen ins Geistige . . .
in Gott, zu Gott empor . . . wohl zuweilen auch
zu dem erst werdenden, dem zu erlösenden Gotte,
der zu seiner Selbsterfüllung und Freiheit überall
erst da gelangt, wo er als geistige Wesenheit der
Welt zum Bewußtsein seiner selbst gelangt in der
Entfaltung der seelischen Anlagen. Es wird immer
nur Sache des Glaubens und keine der Erkenntnis
sein, welcher dieser Erlebensmöglichkeiten der Seele
man den Vorzug gibt. Viel aber wäre für die reli¬
giöse Grundlage der erstrebten Weltanschauung
errungen, wenn angesichts dieser wahrscheinlich
noch lange sich behauptenden Verschiedenheit —
wie man es nennen könnte: induktiver und deduk¬
tiver Religiosität — auf Werturteile verzichtet
würde. Max Martersteig.
Wilhelm Hausenstein , Zeiten und Bilder. Ge¬
sammelte Aufsätze. 1. Folge. München , Verlag
„Der Neue Merkur“. 1920.
Dieser Band vereinigt 16 Aufsätze historischen,
tagespolitischen, literarischen und künstlerischen
Inhaltes in sich. Bei ihrer Lektüre stieg mir die
Frage auf: für wen eigentlich werden diese Zeitungs¬
und Zeitschriftenaufsätze nochmals gesammelt her¬
ausgegeben ? Für den Wissenschaftler sind sie un¬
befriedigend , der geistesverwandte Literat oder
Journalist wird sie vielleicht anblättern, aber viel
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Januar-Februar igsi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
zu sehr sich selbst darin wiederfinden, als daß er
sie zu Ende läse. Bleibt also das große Publikum.
In unseren Tagen, die um die Seele der breiten
Massen ringen, die ihnen nicht nur das Gedanken¬
feuerwerk unverständlicher Aufsätze und für den
Augenblick begeisternder Reden, sondern ihren
Sinn und Geschmack bildendes Geistesgut zu geben
wünschen — in solcher Zeit hat die Journalistik
eine große Aufgabe. Sie muß den Weg zur
Seele des einfachen Mannes finden und, wenn sie
ihn gepackt, ihn allmählich emporführen zu der
ihm entsprechenden Geistigkeit. Das kann nicht
ruckartig, brutal, durch eine Unsumme verwirren¬
der Fremdwörter und trügerischer Dialektik ge¬
schehen, sondern nur mit geistiger Einfachheit,
Wirklichkeitsnähe und dem unbeugsamen Willen,
dem anderen verständlich und klar zu sein, ihn
an seinem Wesenskern zu packen und zu seiner
bescheidenen, aber, so hoffen wir, beglückenden,
oder wenigstens befreienden Selbstentfaltung zu
führen.
Um es im vorhinein zu sagen: Journalistik
im Hausensteinschen Stil vermag das nicht. Ich
habe früher einmal, noch vor dem Kriege, bei Ge¬
legenheit der Besprechung von Simmels „Goethe“
in den Spalten dieser Zeitschrift auf die beiden
Typen neu deutscher Geistigkeit hin gewiesen, die
beide keine Einheit von Welt und eigner Persönlich¬
keit finden konnten: den in die große Kultur¬
maschine als ein Rädchen eingeschraubten-mecha-
nistischen Berufsmenschen und den in hoffnungs¬
loser Opposition zu dem ungeheuren Zwang der
objektiven Kultur befindlichen Ästheten, der in
krassester Subjektivität sicji neben der Wirklich¬
keit eine eigne phantasievolle Welt mit angeblich
eigner Gesetzmäßigkeit, ja eigner Sprache auf¬
baute. Der erstere Menschentypus hat draußen
und in der Heimat die Kriegsmaschine bedient,
der letztere spielt sich seit der Revolution im
öffentlichen Leben als der Retter der deutschen
Kultur auf. Es muß mit aller Deutlichkeit darauf
hingewiesen werden, daß er dazu gänzlich unge¬
eignet ist. Wer eine für das Volk so unverständ¬
liche Sprache schreibt wie Hausenstein, wer so
großen Wert auf subjektivstes Urteil legt, ist nicht
in der Lage, ein Volk, das den Sinn seines
Daseins verloren hat, zu sich selbst zurückzu¬
bringen, ihm eine neue Idee einzupflanzen. Die
verantwortungsvolle Journalistik unsrer Tage muß
einsehen, daß es nicht angeht, Variationen der alten
Melodie aus der Vorkriegszeit zu spielen, daß es
nicht mehr auf den Einzelnen und das Blendende
seiner Einfälle ankommt, sondern aufs Ganze, und
daß es dieses nicht nur artitistisch, in der Idee,
sondern praktisch durch geistige Hingabe und Ein¬
fachheit zu organisieren gilt. Die Journalisten
müssen, wenn sie Erzieher sein wollen (und das
sind sie im höchsten Grade), aufhören, sich in ihren
Arbeiten immer nur selbst zu bespiegeln, sondern
21
für Klarheit, Einfachheit und Wirklichkeitsnähe
sorgen, wenn ihr Beruf und ihre Arbeiten nicht
zweifelhaften Wert bekommen sollten. Auch sie
müssen zur Synthese von Welt und Ich fort¬
schreiten.
Diese hat Hausenstein noch nicht erreicht, und
unter diesem Betracht kann man die Notwendig¬
keit seiner Veröffentlichung überhaupt bestreiten.
F. K.
Leopold Hirschberg , Die Kriegsmusik der deut¬
schen Klassiker und Romantiker. Berlin-Lichter -
felde , Chr. Fr. Vieweg , 1919. Geh. 17,50 M., geb.
20 Mark.
Die Mehrzahl dieser in luxuriösem Bande ver¬
einigten Kriegsaufsätze hätte in der Tagespresse,
wo sie ehemals ihren Zweck erfüllten, begraben
bleiben können. Denn zu einer Meisterung des an
sich schönen und ergiebigen Themas in größerem
Rahmen geht dem Verfasser schriftstellerische
Kraft und wissenschaftlicher Weitblick ab. Ein¬
zelnes (z. B. das Kapitel „Bach und der Krieg* 1 )
streift das übelste ehemalige Gartenlaubenfeuille¬
ton, anderes ist an den Haaren herbeigezogen
(Beethovens „Ritterballet“ hat mit dem Kriege
nicht das geringste zu tun) oder schießt über das
Ziel hinaus (Chopin, Cherubim). Dürftigen Humor
bringt die Haydn-Caprice. Mit bloß „reinem, vater¬
ländischem Herzen“, das die Kenntnis der Kriegs¬
lieder Arndts, Methfessels, Abts, Lindpaintners
still in seinem Innern verschließt, läßt sich eben
heute kein Buch mehr schreiben, sei es auch noch
so treffend mit Faustzitaten ausstaffiert. Wir
gönnen aber dem Verfasser gern den Ruhm, ein¬
zelne unbekannte Beiträge zur Kriegslyrik von
Weber, Loewe, Meyerbeer und Schumann aus dem
Dunkel gezogen und zum Teil im Erstdruck vor¬
gelegt zu haben. Daß Schumanns bekanntes „Ach
weiin es der König doch wüßt“ auffällig an Meyer -
beers ,,Soldatenlied** (S. 124) anklingt und jeden¬
falls von ihm beeinflußt worden ist, hätte bei dieser
Gelegenheit nicht unbemerkt bleiben sollen.
A. Schering.
Albert von Hof mann, Stil und Behaglichkeit.
Gedanken und Vorschläge zur Wohnungskultur.
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart-Berlin. 120Seiten.
Als Vorbild eines Wohnungsstiles, der ebenso
durch seine Zweckdienlichkeit wie durch Erfüllung
der ästhetischen und Materialgesetze volle Behag¬
lichkeit bewirkt, stellt der Verfasser uns das deut¬
sche Bürgerhaus vor Augen, wie es, namentlich in
Niederdeutschland, zur Zeit unserer Städteblüte
entstanden ist und als Kleinod deutscher Bau¬
kultur heute noch verehrt wird. Das aus einem
Vortrag entstandene Büchlein wird freilich un¬
zählig vielen, die zu lebenslänglicher Zinsknecht-
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Januar-Februar 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
scbaft an den Ungeschmack moderner Großstädte
mit ihren Mietskasernen verurteilt sind, nur zu
Gemüte führen, wie bis auf den letzten Rest alles
das vom modernen Unternehmertum über den
Haufen geworfen worden ist, was im fünfzehnten
und im sechzehnten Jahrhundert noch als gesun¬
der Instinkt in jedem Handwerker lebte. Wer da¬
gegen in der glücklichen Lage ist, auf 'eigener
Scholle ein Heim sich zu errichten, dem sollte das
Buch der Katechismus sein und seine Gebote ihm
unverbrüchliche Gesetze, wie er bauen und deko¬
rieren soll. Auch die sollten es beherzigen, die
irgendwie mitberufen sind, bei der hoffentlich bald
möglichen Beseitigung jetziger Wohnungsnot orga¬
nisierend oder tätig einzugreifen. Denn nicht da¬
von ist die Gesundung unserer Wohnungskultur
zu erhoffen, daß das Haus des Reichen Stil und
Behaglichkeit aufweist, vielmehr sollte gerade am
künftigen Einzelhaus der Arbeiterbevölkerung ge¬
zeigt werden, wie einfache aber gesetzmäßige Bau¬
formen, wie ebensolcher mit den billigsten Mitteln
zu beschaffender Schmuck Grundlagen des Be¬
hagens werden. Eine ästhetisch gesunde Umgebung
schafft allein schon ein gutes Teil der Vorbe¬
dingungen für die Entwicklung geistiger und see¬
lischer Kräfte, deren wir so sehr bedürfen zur
Wiederaufrichtung unserer Volkskultur — nun
freilich auf einer unendlich breiteren Basis, als sie
zur Zeit der Spätgotik in Frage kam. M. M.
Jahrbuch der angewandten Naturwissenschaften
1914 —J9J9. 30. Jahrgang. Unter Mitwirkung von
Fachmännern herausgegeben von Dr. Joseph Plaß-
mann. Mit 253 Bildern auf 33 Tafeln und im Text.
Freiburg i. Br. y Herdersche Verlagsbuchhandlung ,
1920. 22 M., geb. 26 M.
Fast alle praktischen Anwendungsgebiete der
Naturwissenschaften haben sich in den Kriegs¬
jahren im Zwange der Ereignisse und unter dem
glücklichen Stern reichster staatlicher Geldmittel
so außergewöhnlich schnell weiterentwickelt, daß
es sich wohl lohnt, einen Gesamtüberblick anzu¬
stellen, wie ihn das nach fünfjähriger Unterbrechung
wiedererschienene Herdersche Jahrbuch trefflich
bietet. Die Beschränkung des Stoffgebietes auf die
angewandten Naturwissenschaften läßt zwar die
theoretischen Gebiete fast völlig verschwinden, gibt
aber dafür die Möglichkeit, um so eingehender die
bedeutenden Fortschritte der Technik zu behandeln.
Das Kapitel „Chemische Technologie“ gibt einen
guten Überblick über das, was während der Kriegs¬
zeit auf dem Gebiete der Ersatzmittel geleistet
worden ist. Wenn man auch mit geteilten Gefühlen
diese flagge Reihe der viel gehaßten Ersatzstoffe
liest, so wird man doch nicht verkennen, welche
gewaltige Bedeutung in solcher Beschränkung auf
einfachere Mittel auch für die Zukunft liegt.
Auch das Kapitel „Kriegstechnik“ ist besonders
23
hervorzuheben als eine gute zusammenfassende
Darstellung der während des Krieges verwerteten
und neu dazuerfundenen Kampfmittel aller
Völker. Zwar sind illustrierte Zeitschriften dem
Interesse des Publikums in den letzten Jahren
schon viel mit einzelnen Abbildungen und Er¬
läuterungen von Kriegsmaterial entgegengekom¬
men, doch erst die allgemeine Zusammenfassung
läßt erkennen, mit welchem Eifer sich die Tech¬
nik auf das Vernichtungsgebiet geworfen hatte,
und wie von allen Völkern jahrelang die raffinier¬
testen Maschinen und Apparate zum Töten und
Kulturzertrümmem statt zum Kulturaufbau er¬
sonnen wurden. Aber nicht nur diese trüberen
Seiten der menschlichen Erfindergaben läßt das
Buch erkennen. Aus den übrigen Kapiteln ersieht
man, daß auch in der friedlicheren Technik, wie
in der Medizin, in Forst- und Landwirtschaft und
auf den Forschungsgebieten der Geographie, Astro¬
nomie und Ethnologie Fortschritte erzielt worden
sind, die allem Rückschlag zum Trotz dennoch vor¬
wärts führen. Werner Bondi.
Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft , heraus¬
gegeben von Karl Glossy. 26. Jahrgang. Wien-
Zürick-Leipzig , A malthea- Verlag 1920.
Nach einer Pause von fünf Jahren erscheint
das alte, treffliche Grillparzer-Jahrbuch von neuem.
Wir begrüßen es mit besonderer Freude als Symbol
der geistigen, allen Jammer überwindenden Le¬
benskraft unserer österreichischen Volksgenossen,
daneben auch um seinen Inhalts willen. Denn wir
empfangen die Fortsetzung jener für die Theater¬
geschichte höchst wertvollen Auszüge aus den
Wiener Akten, die das Leben der Bühne und die
dramatische Dichtung betreffen. Diesmal be¬
handelt Glossy mit einer ausgezeichneten Einlei¬
tung den Beginn der eigentlichen Blütezeit des
Wiener Theaterlebens, die Jahre 1821—1830, und
eine Fülle interessanter, bisher unbekannter Tat¬
sachen ergibt sich aus seinen sorgsamen Regesten
und erläuternden Anmerkungen. Der angehängte
Bericht Emil Reichs über das Dasein der Grill¬
parzer-Gesellschaft von 1914 bis 1917 zeugt von
ununterbrochener Tätigkeit. Möge es so bleiben!
G. W.
Hamburger Kalender 1920. Herausgegeben vom
Kunstverein in Hamburg. Hamburg , Paul Hartung,
« Die Kunst hat in Hamburg lange Zeit ein
Sonderdasein geführt, man merkte draußen nichts
von Hamburger Kunst. Jetzt hat sie Anschluß an
die großen Bewegungen unserer Zeit gefunden, ohne
ihre Bodenständigkeit zu verlieren. Dessen ist man
sich in Hamburg bewußt geworden und will drinnen
und draußen zeigen, wer man ist. Der Hamburger
Kalender wendet sich nicht nur an die Hamburger,
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Januar* Februar igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
sondern an alle, die an dem kulturellen Leben
unserer Zeit Anteil nehmen. Und mit Recht. Er
ist etwas und er hat etwas zu sagen. Seine Er¬
scheinung ist würdig, solide und doch nach der
neuesten Mode. Der Druck ist musterhaft^ wirkt
nur durch sich selbst, an einer einzigen bevorzugten
Stelle wird eine besondere Type gewählt, die aber
dem Texte gegenüber, den sie wiedergibt, zu spiele¬
risch wirkt. Was an Zeichnungen für den Band
geschaffen wurde, ist neueste Ausdruckskunst; zum
Text gehörige Bilder führen von alten Zeiten bis
zu Nölken, Barlach und Nolde. Im Hintergrund
werden die Paten Hamburger Kunst beleuchtet:
Justus Brinkmann und Alfred Lichtwark. Es reden
Männer, die etwas zu sagen haben, Siegmund
v. Hausegger der Musiker, der nun Hamburg ver¬
lassen hat, Gustav Frenssen, der wohlberühmte,
Richard Dehmel den ersten, vorwärts tröstenden
Monatsspruch, Fritz Schumacher der Architekt,
der schreiben kann, um nur einige Namen zu nennen,
die auch außerhalb Hamburgs Klang haben. Die
neue Universität wird gewürdigt, Hamburger Kir¬
chenräume werden nachgedichtet, Proben jüngster
Gestaltungskunst werden gegeben und ein Rück¬
blick auf das, womit Hamburgs Größe bis zum
Versailler Raubfrieden verbunden war, unser Kolo¬
nialreich. Ein reicher Inhalt, der hier nicht er¬
schöpft werden kann, aber in gewählter Form ge¬
boten. Ein Buch für die Wenigen, drum sollten
es die Vielen kaufen. H. S.
Theodor Klaiber, Friedrich Theodor Vischer.
Eine Darstellung seiner Persönlichkeit und eine
Auswahl aus seinen Werken. Mit 6 Tafeln. Stutt¬
gart , Strecker < 5 - Schröder , 1920. 368 Seiten. 14 M.,
in Halbpergament 18 M.
Vischer beginnt Mode zu werden. Die Mode
braucht ja nicht notwendig etwas Unvernünftiges
zu sein. In diesem Fall ist sie sogar höchst ver¬
nünftig. Denn Charaktere von solcher Ehrlichkeit
und Unerschrockenheit, von so viel straffer Sitt¬
lichkeit und Kämpfermut wie der Vischers tun
unserer schlaffen Zeit als Vorbilder und Lehr¬
meister not. Und je tiefer man in das gesandte
Wesen dieses Ästhetikers, der viel mehr als bloß
Ästhetiker gewesen ist, eindringt, um so mehr
staunt man über seine Modernität. Wahrscheinlich
hätten wir heute, nachdem Vischer am 1. Januar
1918 „freigeworden* * ist, bei günstigeren Verhält¬
nissen im Buchgewerbe schon eine stattliche An¬
zahl von Vischer-Ausgaben. Doch auch so deckt
sich langsam der Bedarf. Fast gleichzeitig mit der
umfassenden Auswahl bei Hesse & Becker ist die
bescheidenere von Klaiber erschienen. Eine Lebens¬
beschreibung von 131 Seiten geht voraus. Es ist
nicht die Vischer-Biographie schlechtweg, will es
auch gar nicht sein. Eine solche im Stil der Ziegler-
-schen Strauß-Biographie, die auch aus den ver-
25
, borgensten Quellen schöpfen müßte, bleibt der
Zukunft Vorbehalten. Aber Klaibers für weite
Kreise bestimmte Darstellung, die Vischer häufig
selbst zu Wort kommen läßt, ist zuverlässig und
liest sich angenehm; der Autor hat die kernige
Ausdrucksweise seines Helden stellenweise auf den
eigenen Stil abfärben lassen. Mit den vier Haupt¬
abschnitten der Lebensbeschreibung „Der Äs¬
thetiker und Kritiker**, „Der Politiker und Er¬
zieher“, „Der Diohter und Humorist“, „Der Denker
und Mensch“ korrespondiert nun die Auswahl aus
den Werken, die Vischers Poesie und Prosa gleicher¬
maßen umfaßt, bald größere, bald kleinere Proben
aus dem gesamten Schaffensgebiet und zum Teil
auch aus entlegenen Quellen darbietend. Die Zu¬
sammenstellung „Denker und Mensch** ist nicht
glücklich; denn der Mensch, die Persönlichkeit
Vischers schwebt sozusagen über dem Ganzen und
sollte als Grundlage oder Schlußstein einen Ab¬
schnitt für sich bilden; „Der Denker“ hätte dann
beim Ästhetiker und Kritiker seinen Platz gefun¬
den. Die Politik, die doch in Vischers Leben und
Lebenswerk eine besonders wichtige Rolle gespielt
hat, ist bei Klaiber zu kurz gekommen; wie wenig
Vischer sich als praktischer Politiker bewährt hat,
sind doch gerade heute seine Ideen über Staats-,
Verfassungs- und Völkerleben höchst beachtens-
und beherzigenswert. Da Klaiber einen besonderen
Abschnitt „Der Dichter** ausgesondert hat, hätte
auch in diesem alles Dichterische vereinigt werden
müssen. Indessen können diese kleinen Bemänge¬
lungen dem verdienstvollen Buch keinen wesent¬
lichen Abbruch tun, und es wird seinen Weg
machen, zumal da es auf holzfreiem Papier gut
gedruckt und in Halbpergament solid gebunden ist.
R. Krauß.
Wilhelm Lobsien. Ebba Enevolds Liebe. Ro¬
man. Hamburg, Richard Hermes, 1919. (72. Band
der Niederdeutschen Bücherei.)
Wilhelm Lobsien hat das Zeug zu einem guten
Heimatdichter. Er hat Gefühl für seine nieder¬
deutsche Erde und für die Dramatik des Meeres;
er ist zu Hause in den Gassen und Winkeln unserer
kleinen Küstenstädte mit ihren eingesessenen Phi¬
listern und den alten Seefahrern, die sich zwischen
ihnen zur Ruhe begeben. Eine Welt voller Abson¬
derlichkeit, voller Humor, voller Idyllen und voller
Neid und festgefahrenem Haß.
Lobsien versteht auch zu schreiben. Sein
Schützenfest am Eingang des Buches ist köstlich.
Um so bedauerlicher ist es, daß er sich eine
Fabel zusammensucht, die mit Künsteleien und
schmierenhaften Unwahrscheinlichkeiten zum Nie¬
derbrechen überladen ist.
Haß und Liebe zweier Familien bildet den
Kern der Handlung. Die Väter hassen sich, die
Kinder lieben sich — wie das in Schauspielen und
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Januar-Februar igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Erzählungen von großen Meistern schon manches¬
mal dargestellt worden ist. Lobsien bauscht nun
das Motiv künstlich auf: tolle Geschäftsspekula¬
tionen, Seestürme mit obligaten Lebensrettungen,
Ehekonflikte und menschliche Gemeinheiten müs¬
sen die Kleinstadtnovelle zum Roman erweitern,
und dem Werke geht vor lauter Trara die Seele
flöten.
Wir wollen uns den Sinn für die Dramatik des
Daseins nicht durch Ängstlichkeit verderben lassen
und es Lobsien zugestehen, daß er nicht nur
um der lieben Leser willen, sondern aus einem
eingeborenen Hang nach großen Spannungen zu
seiner Fabel gekommen ist. Aber wenn ich — bei
den Meeresdichter Lobsien liegt ja der Vergleich
nahe — die Spannung in „Ebba Enevolds Liebe“
mit der Dramatik eines unserer alten nordischen
Epen vergleiche, dann kommt es mir vor, als stellte
man ein neumodisches Theaterrequisit, das einen
Baum darstellen soll, neben eine jener alten ver-
wogenen Buchen, die auf der Insel Rügen wachsen.
Dort Mache und hier Wuchs — das ist der Unter¬
schied. H. Robert Ulich.
Matthias Mieses , Die Gesetze der Schriftge¬
schichte. Konfession und Schrift im Leben der
Völker. Ein Versuch. Wien und Leipzig, 1919.
Wilhelm Braumüller. 506 Seiten. Geh. 28 M.
Daß durch die 506 Seiten Antiqua dieses Bandes
sehr viele jemals sich hindurcharbeiten werden, ist
schwerlich anzunehmen. Je weiter man sich in das
Buch hineinblättert, desto schritthemmender sper¬
ren die Stacheldrahthindernisse eines wirklich un¬
möglichen, zu allem Überfluß auch noch „weiblich“
interpungierten Deutsch dem Vorwärtsdringenden
den Weg. Und fehlt es auch in Ansehung des In¬
halts nicht an (oft recht stattlichen) Steinen, ja
wahren Felsblöcken des Anstoßes in Gestalt von
Einzelaufstellungen und Urteilen des Autors, die
den Leser, wenn er selber besser unterrichtet ist,
stutzen machen, so ist zehn gegen eins zu wetten,
daß er bald ermattend die Drahtschere sinken läßt
oder, ohne Bild gesprochen, den Wälzer zu klappt
und beiseite legt für immer. Auch ein näherer Blick
auf die angezogene Literatur schon — so, wenn
man als Quelle und Autorität für die Ausführungen
über das moderne japanische Unterrichtswesen, und
das als einzige Quelle und Autorität, auf S. 458
Baumanns „Japaner-Mädel“ namhaft gemacht
finden muß — möchte manchem „genügen“. Mit
alledem sind pflichtschuldig Mängel des vorliegen¬
den Werkes hervorgehoben, die seiner Schätzung
ganz gewiß abträglich sind. Man wird doch gut tun,
im eigenen Interesse gut tun, über sie hinwegzu¬
sehen. Ich habe jedenfalls den Eindruck, daß uns
in dem Buch von Mieses eine in ihrem Kern ge¬
sunde, wirklich der Beachtung sehr werte Gabe
geworden ist. „Ein Versuch“ nennt bescheiden sich
27
die Arbeit. Der aber diesen Versuch unternimmt,
ist unverkennbar auf dem von seiner komparativen
Studie umspannten weltweiten Gebiete ein souve¬
räner Stoffbeherrscher, und'mir will scheinen —
mögen andere nachprüfen! — es gelingt ihm wirk¬
lich, zu erweisen, was zu erweisen er sich in seiner
reich dokumentierten, methodisch vorgehenden,
scharfsinnig und umsichtig kombinierenden Unter¬
suchung vorgesetzt. Was das ist, darf ich bei aller
der Buchanzeige gebotenen Kürze doch nicht unter¬
lassen, hier noch zu skizzieren.
Eine wirklich leistungsfähige Druckoffizin, die
Bücherschreibem aus allerlei Volk, das unter
dem Himmel wohnt, wollte dienen können, müßte
eine erkleckliche Buntheit verschiedener Schrift¬
typen in ihren Setzerkästen haben: Latein oder
Antiqua und Gotisch oder Fraktur und Kyrillitza,
griechische, arabische, hebräische, glagolitische
Schrift, Pali, Dewanagari, uiguromongolische Let¬
tern verschiedener Abwandlung, chinesische Cha¬
raktere , japanische Kata- und Hiragana u. a. m.
Was ist es doch eigentlich, das den Schriftentypus
der Völker der Kulturmenschheit bestimmt, das
unbekannte machtvolle X, das für das Buchäußere
da und dort so eigenartige Bedeutung hat? Die
Antwort, die Mieses auf diese Frage hat, lautet
dahin etwa: Nicht die allgemeine profane Kultur¬
zusammengehörigkeit ist es, nicht auch die ethnische
Geselltheit oder der Rassenfaktor, und ebensowenig
die nationale oder sprachliche Gemeinschaft; son¬
dern: die graphische Sonderung geht analog der
Mannigfaltigkeit der Konfessionen, stellt den Reflex
religionswissenschaftlicher Gegensätze dar. Tot
ritus 9 will ich einmal kürzest formulieren, was der
Autor sagen will, tot literarum diversitates. So daß
also die Karte, die die Verteilung der Religions¬
systeme zur Anschauung bringt, zugleich auch den
anderen Dienst zu tun taugsam ist, ein Bild der
Schriftgeographie zu geben. Mit der Propagation
eines Credos geht Hand in Hand die Expansion
seines Alphabets, und ein Glaubenswechsel, wo er
eintritt, erzeugt — es entspringt das einer inneren
Notwendigkeit — auch einen Wechsel der Schrift.
So weit geht dieses ubiquitäre Junctim, daß, wie
im Glaubensgebiet des Christentums so auch sonst,
selbst sekundäre Sektenspaltungen dazu ausschla-
gen, irgendwie Schriftdifferenzierungen auszu¬
prägen.
Der Belege für diese These ist Legion. Ein¬
wände gegen sie, die These, wird jeder meinen,
parat zu haben. Sei denn bemerkt, daß unter diesen
Einwänden schwerlich einer ist, den nicht schon
Mieses selbst vorausgesehen und im Buch erledigt
hätte, wie er natürlich auch nicht verabsäumt, in
einem besonderen Abschnitt die Frage zu erörtern,
warum die Religion die Schriftgeschichte normiert.
Nenne ich zum Schlüsse noch Kapitelüberschriften
wie „Kulturpolitik und Schrift“, „Die Richtung
der Schrift“, „Sakrale Schriftarchaisierung“, „Der
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Januar-Februar igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
mystische Charakter der Schrift“, so weiß der
Leser nun wohl zur Genüge, was aus dem Werke,
einer in mehr als einem Betracht respektablen
Leistung, zu erholen ist. Hans Haas.
Friedrich Neumann, Geschichte des neuhoch¬
deutschen Reimes von Opitz bis Wieland. Studien
zur Lautgeschichte der neuhochdeutschen Gemein¬
sprache. Berlin , Weidmannsche Buchhandlung ,
1920. XVI, 394 Seiten.
Diese ungewöhnlich umfangreiche Untersuchung
dient der Erkenntnis des Werdens der heutigen
relativen deutschen Spracheinheit, in erster Linie
auf dem Gebiete dichterischen Schaffens. Gute Ab¬
grenzung, sorgsame Beobachtung und sicheres
Urteil wirken zusammen, um überall sichere Einzel¬
ergebnisse und am Schlüsse ein erfreulich klares
Gesamtresultat zu erzielen. Das Streben nach
reinen Reimen, seit Opitz vorhanden, führt doch
nur selten zur Reinheit im heutigen Sinne, und
zwar finden sich solche Reime nicht, wie man
meinen möchte, auf meißnischem Gebiet. Der
Sprachnorm nähern sich nur wenige Dichter,
am ehesten Zesen und Hagedorn, keineswegs aber
überall die jüngeren eher als die älteren. Der ganze
im Titel umschriebene Zeitraum strebt nach
Sicherheit der Form und der Inhalte; aber die ist
den Deutschen, kaum im klassischen Zeitalter
errungen, immer wieder entglitten. Und heutzu¬
tage ? — Aber jetzt wissen wir wenigstens ungefähr,
was ein reiner Reim ist. Wie mit mannigfachen
Vor- und Rückschritten dieser bescheidene Sieg
und seine Voraussetzung, die Spracheinheit, er¬
kämpft wurde, lehrt die schöne Leistung Neumanns,
Im einzelnen kann wohl noch ergänzt werden,
die letzten von ihm selbst am Schlüsse zusammen¬
gefaßten Gesichtspunkte werden als fester Gewinn
für immer zu betrachten sein. Außer den schon
bemerkten Druckfehlern ist S. 364, Anm. 1, zu
bessern 1663 und 1664 in 1763 und 1764. P—e.
Viktor Panin , Die schwere Stunde. Roman.
Berlin , Paul C assirer. Geh. 12 M., geb. 15 M.
Pani ns Buch ist weniger als Kunstwerk, denn
als Zeitdokument zu bewerten. Es gibt uns in tage¬
buchartigen, lose aneinandergereihten Aufzeich¬
nungen Kunde von den Zuständen im bolschewisti¬
schen Rußland und schildert das Chaos der Gegen¬
wart mit einer Eindringlichkeit, wie wir sie aus
Zeitungsberichten kaum zu gewinnen vermögen.
Ein gefeierter Dichter kehrt aus dem Kriege zurück
und findet nach fünfjähriger Abwesenheit die Hei¬
mat als einen Trümmerhaufen vor. Die Gärung,
in der sich die gesamte Öffentlichkeit befindet, greift
auch auf sein Haus über. Er verliert die Frau;
seine halbwüchsige Tochter wird auf die Straße
getrieben; und sein Knabe fällt dem Hunger zur
29
Beute. Aber gegenüber den unsäglichen Leiden
eines untergehenden Volksganzen erscheint das
Schicksal des Einzelnen belanglos. Mit echt russi¬
schem Fatalismus, der in selbstquälerischer Fein¬
nervigkeit den Kelch der Leiden bis zur Neige
auskostet, sieht Panin dem unaufhaltsamen Unter¬
gang einer Welt zu. Als eine begreifliche Reaktion
auf die Greuel des Krieges und die Verbrechen
der Revolution ringt sich auch bei ihm, ganz ähn¬
lich wie bei den westlichen Pazifisten, der Schrei
nach Brüderlichkeit und Nächstenliebe durch. Der
ehrliche Glaube an den endlichen Sieg des Guten
im Menschen ist Panin nicht abzusprechen. Den¬
noch mutet es seltsam an, daß derselbe Mann, der
Gefängnisse öffnet, um deren Insassen von der
Liebe zum Nächsten zu überzeugen, sein eignes
Kind hinsterben sieht, ohne auch nur den Versuch
zu machen, ihm durch Arbeit welcher Art immer
die Möglichkeit zu verschaffen, seinen Hunger zu
stillen. Julius Berstl.
Kurt Pfister , Rembrandt. Mit 50 Abbildungen.
München , Delphin-Verlag, 1920.
Was Pfister anstrebt, steht jenseits von Bio¬
graphie und Katalog. Er geht Rembrandts Bild¬
gestaltung nach und sucht aufzudecken, „wie das
seelische Substrat sich weitet und vertieft und zu¬
gleich immer lauterer in der Form verwirklicht“.
Bildnis, Landschaft und religiöse Komposition
werden unter diesem Gesichtspunkt betrachtet.
An Stelle der äußerlichen, gelegentlich lauten Geste
des jungen Rembrandt tritt die Fähigkeit, das
Symbol und Gleichnis, das hinter allen Dingen
schlummert, zu erfassen, die Verklärung der Er¬
scheinung, tiefe Inbrunst und Religiosität.
Rosa Schapire.
B6 Yin RA, Das Buch vom Jenseits. Verlag
der weißen Bücher, München 1920. 86 Seiten. Ge¬
bunden 9 M.
Weit weg von jenen religiösen Wegen, die in
Hartlaubs oben besprochenem Kunstbuch und in
Verkades „Unruhe zu Gott“ dargelegt sind, weist
hier die seherische Geste eines Okkultisten in das
geheimnisvolle Geisterreich, das — wohl in der
Ätherhülle unseres Erdenballes — Heimat der ir¬
disch Abgestorbenen wird. Die theosophischen Vor¬
aussetzungen und Unterstellungen beiseite lassend,
wird man aus diesen Offenbarungen die Befrie¬
digung darüber zurückbehalten, daß auch dieser
Spiritismus den ethischen Kern unseres geistigen
Wesens als den Wert aller Werte anerkennt. Auch
hier bleibt die alte Forderung an menschliche
Tapferkeit erhoben, sein Schicksal mit all seiner
Mühsal und den Wunden, die es uns schlägt, so
zu lieben, als ob man es so gewollt hätte.
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Januar-Februar ig2i
Bücher und Bilder — Kleine Mitteilungen Zeitschrift für Bücherfreunde
Moritz Stübel, Chodowiecki in Dresden und Leip¬
zig. Das Reisetagebuch des Künstlers vom 27. Ok¬
tober bis 15. November 1773. Zweite Auflage.
Dresden, Lehmannsche Verlagsbuchhandlung , 1920.
12 M.
Die Tagebücher Chodowieckis sind eine wichtige
Quelle der Kunst- und Kulturgeschichte Deutsch¬
lands in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Oettingen hat sie für die bekannte Biographie be¬
nutzt; aber im Wortlaut liegen gedruckt bis jetzt
nur die Aufzeichnungen von den beiden Reisen
des Jahres 1773, nach Danzig und nach Sachsen,
vor, den einzigen, außer einer zweiten Fahrt nach
Dresden, die der seßhafte, unaufhörlich arbeitende
Künstler unertnommen hat. Die Publikation Stü-
belshat schnell die zweite Auflage erlebt— und das
nach Verdienst; denn mit außerordentlicher Sorgfalt
und Liebe bringt sie alles zum Verständnis Er¬
wünschte bei und erweitert sich zu einer Gesamt¬
schilderung des regen Kunstlebens der sächsischen
Residenz und der Leipziger literarischen Zustände
zur Zeit des Besuchs Chodowieckis. Immerhin blei¬
ben ein paar Kleinigkeiten anzumerken. Bretzner
hat nicht, wie S. 36 zu lesen ist, den Text zu Mozarts
„Entführung“ verfaßt, sondern lebhaft gegen die
Benutzung eines seiner Lustspiele für den Text
Mozarts protestiert. Die alte, falsche Behauptung,
die Zeichnungen zum „Blaise Gaulard“ seien schon
1752 entstanden, sollte nicht (S.41 Anm.) wieder¬
holt werden. Richter (S. 77) ist kein Schreibfehler,
sondern der Name eines sehr bekannten Leipziger
Gemäldesammlers, der gerade im Jahre 1773 ge¬
storben war. Vermutlich sind seine Bilder dem
Winklerschen Kabinett ein verleibt worden. „Sorci-
leges“ (auf derselben Seite weiter oben) entspricht
dem spätlateinischen sorcilegium und bedeutet
Zaubereien, also Bilder mit Darstellungen von
Zauber- oder Hexenszenen. — Die gesamte Aus¬
stattung — Druck, Papier, zwei treffliche Auto¬
typien — ist den höchsten Ansprüchen der Frie¬
denszeit gemäß und macht das hübsche Buch zu
einer Freude für das Auge. G. W.
Arnold Ulitz , Der Arme und das Abenteuer.
Gedichte. München , Albert Langen. 125 Seiten.
3,50 M., geb. 6,50 M.
„Landkarten“ heißt ein Gedicht von Arnold
Ulitz. Es erzählt wie die Sehnsucht und Liebe des
Knaben zur Erde in dem tintigen finsteren Bureau
des Vaters vor den Karten an den Wänden groß
wurde und wie er sich schließlich auf die als
Teppich gebreiteten Landkarten niederlegte und
in sie einhüllte: „Und ich war ganz tief in der
Erde, fern von der Sonne zuhaus“. Dieser Vor¬
gang ist symbolisch für die Art, wie Ulitz in vielen
Gedichten sich nur äußerlich „in die Welt ein¬
wickelt“. Der Erde wirklich nahe ist er nicht,
wenn er in Balladen Lissauerscber Prägung seine
31
Abenteuer in aller Herren Länder erzählt, sondern
wenn er ganz schlicht und liedhaft von Frühling und
Liebe singt „Heimweh im Sommer“ ist solch ein
dem Volkslied nahes Gedicht, dessen Ton lange
in uns weiterschwingt, die „Lieder eines Soldaten
an sein Kind“ sind solche ungezwungenen Herzens¬
ergießungen, frei von aller Sentimentalität, fern
jeder ekstatischen Verzerrung. Hier klingt der
echte Ton eines Dichters, aber die Vielheit der
Gedichte erhöht den Klang nicht, sondern schwächt
ihn ab. Doch enthält das Buch das Versprechen
eines künftigen, einheitlichen Dichterwerkes.
F.M.
Kleine Mitteilungen.
Der bibliophile Conrad Ferdinand Meyer und
anderes. Eigensinn der Erben eines unserer größten
Lyriker und Erzähler hat bisher, allem guten Willen
des Verlegers trotzend, seinen Geisteskindern die
würdige Gewandung vorenthalten. Die Rechts¬
nachfolger C. F. Meyers bestehen darauf, die Werke
in der Vereinzelung und in der dürftigen Gestalt
ihrer Zeit fortleben zu lassen, so lange bis das Eigen¬
tum dann der Allgemeinheit anheimfällt (was erst
1929 geschehen wird). Solchem schrullenhaften
Beharren gegenüber gibt es keine Appellation an
eine höhere Instanz. Wohl aber kann dort, wo der
Eigensinn seine Macht verliert, bei der Hülle des
Buches, der Wille zum Guten und Schönen ein-
setzen. Das hat nun der Verlag H. Haessel in
Leipzig , der C. F. Meyers Nachlaß betreut, getan.
Er ließ von Luise Rudolph die Werke in vier wunder¬
volle Halbpergamentbände mit der Hand binden,
überzogen mit einem festlichen blausilbemen
Kleistermarmor, die Rückentitel in meisterhaften
Zügen von Prof. Rudolf Delitzsch, dem Schrift¬
meister der Leipziger Akademie. So entstanden
Bände von wahrhaft festlichem, technisch und
künstlerisch vollendetem Charakter, fern allem
Prunken mit Gold und anderer gesuchten Kost¬
barkeit des Materials und an beste Muster aller
Zeit gemahnend. Gleich erfreulich und reich wirken
C. F. Meyers Gedichte in einem zierlichen, von
Luise Rudolph handbemalten Ganzpergament¬
band, die beiden Bücher der Ricarda Huch über
die Romantik, ihre Gedichte und Erzählungen in
ähnlicher Ausstattung wie die beschriebene Meyer-
Ausgabe und Max Seligers letzte Schrift „Kunst¬
betrachtung und Naturgenuß“ in Buntpapier mit
Pexgamenteinlage, alle von der gleichen Künstlerin
mit voller Herrschaft über die technischen und
ästhetischen Bedingungen angefertigt. Selbstver¬
ständlich handelt es sich hier nur um Einzel¬
exemplare, die aber für Liebhaber zu mäßig er¬
scheinenden Preisen wiederholt werden können.
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Januar-Februar 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
Reinigung alter Drucke . In der jetzigen Zeit,
in der alte Drucke sich einer fortgesetzt steigenden
Wertschätzung erfreuen, ist es dem Kunsthändler
ebenso wie dem Sammler recht häufig erwünscht,
möglichst einfache Mittel zu wissen, durch deren
Anwendung es möglich ist, derartige alte Drucke
von Flecken zu reinigen. Es kommt dabei natür¬
lich immer auf die Art dieser Flecke an. Handelt
es sich um Fettflecke, so sind diese mit Benzin
oder mit Chloroform, manche, z. B. solche von
Stearin, auch mit Alkohol zu entfernen, Rost und
Tinte mit Oxalsäure und nachträglichem gründ¬
lichen Waschen, Blut mit Chlorkalk und folgen¬
der Behandlung mit einer schwachen Säure, Ver-
gilbungs- und Feuchtigkeitsflecke mittels unter¬
chlorigsaurem Kali, schwachem Chlorwasser, evtl,
schwacher Salzsäure. Kleisterflecke sind mit heißem
reinem Wasser zu entfernen, alles also mit Lösungs¬
oder Bleichungsmitteln. Am häufigsten handelt
es sich jedoch darum, Stockflecke zu entfernen und
hierzu dient im allgemeinen eine Behandlung durch
Weinsäure oder Zitronensäure.
Es gibt aber gerade für die Behandlung von
Stockflecken eine ganze Anzahl Vorschriften, von
denen hier einige wiedergegeben seien, damit In¬
teressenten sie je nach Lage des einzelnen Falles
anwenden können. So geht eine Vorschrift dahin,
die Flecke zu beseitigen, indem man die Blätter
etwa 1—2 Stunden in Chlorwasser legt. Hierauf
wird mit reinem Wasser nachgespült und getrock¬
net, am besten in der Sonne. Ein anderes Rezept
zur Reinigung von Kupfer- und Stahlstichen ist
das folgende:
Das Kupferstichblatt wird beiderseits mit wei¬
chem feuchtem Schwamm abgewischt und hierauf
mit folgender Lösung reichlich benetzt:
Wasser.1 Liter
Kohlensaures Ammoniak 40 g.
Dies wiederholt man einige Male, stets abwechselnd
mit Wasser abspülend. Zuletzt kommt die Behand¬
lung mit Essigwasser und schließlich spült man
mit Wasser, dem ein wenig Chlorkalk zugefügt
wurde, ab. Der Bogen, in der Sonne getrocknet,
wird vollkommen klar und rein, ohne daß der
Druck Schaden nimmt.
Oder: Das Bild wird auf einem ebenen Brett
befestigt, dünn mit fein gepulvertem Salz bestreut
und Zitronensaft darauf gedrückt, wodurch ein
beträchtlicher Teil des Salzes aufgelöst wird. Dann
wird das eine Ende des Brettchens etwas emporge¬
hoben, so daß es eine geneigte Fläche von etwa
45 Grad bildet, und siedendes Wasser auf das Bild
gegossen, bis Salz und Zitronensaft abgewaschen
sind. Das gereinigte Bild wird auf dem Brett lang¬
sam getrocknet. Geschieht dies aber am warmen
Ofen oder in der Sonne, so erhält das Bild eine
gelbe Farbe. Fritz Hansen- Berlin.
Beibl. XIII, 3 33
Friedrich Benjamin Osiander als Epigramma¬
tiker und seine Necrologe für Girtanner , Lichtenberg
und Pfeffel. In Osianders Epigrammata in diversas
res musei sui anatomici et pinacothecae. Gottingae
1814 heißt es von Girtanner :
Turbas Gallorum , Venetern, nova Chemica quaeque ,
Infantum ac morbos hic Polyscriba stitit.
Es ist merkwürdig, daß Lichtenberg in einem Brief
an Kästner vom 25. Januar 1792 ebenfalls schrieb:
„Herr Dr. Girtanner schreibt über lauter französche
desordres, erst schrieb er über venerische Kranck-
heiten, dann über die Revolution und nun über
die französische Chymie.“ — Lichtenberg sind
folgende Verse gewidmet:
Naturam excutiens explanat physica mira ,
Et salibus gratis scripta replere solet.
Der Fabeldichter Pfeffel erhält folgendes Epi¬
gramm:
Dum caret hic vates oculis , purissima mentem
Lumina collustrant, et sua scripta nitent.
Als Dank für den Genuß nach der Lectüre der
ersten (Göttingen 1807) erschienenen Ausgabe hat
Beireis „vir multi nominis, multae eruditionis et
singularitatis multarumque collectionum pretio-
sarum“ auf Osiander am 19. November 1807 fol¬
gendes Epigramm gemacht:
Fetüm servator praestans felixque Osiander
Hic fetus pulcros ingenii peperit .
E . Ebstein .
Bibliophilie und hohes Alter. Büchersammeln
und hohes Alter sind schon so oft zusammenge¬
troffen, daß man die Bibliophilie sogar schon als
eine Ursache langen Lebens hat hinstellen wollen.
Zu unseren Zeiten ein kostspieliger Spaß! In der
Tat ist das Büchersammeln öfter eine Leidenschaft
gereiften Alters als der Jugend; denn um es mit
Enthusiasmus zu verfolgen, bedarf es der Muße
und der Mittel und vor allem eines Temperamentes,
das durch die Zeit und die Erfahrung erzogen ist.
Eine lange Liste von 80jährigen Büchersammlern
könnte aufgestellt werden. (Times Litterary Supp¬
lement, dem wir dieses entnehmen, führt fast nur
Engländer und Amerikaner auf). Gladstone und
Graf Borromeo erreichten das patriarchale Alter
von 89 Jahren; William Backford folgt mit 85,
George Hibbert mit 83 Jahren. Dr. Mead, der
4. Lord Ashbumham, Sir John Thorold, James
Lenox von Newyork und noch eine gute Anzahl
anderer bekannter Bibliophilen gelangten in ihr
neuntes Dezennium. Unter den lebenden Bücher-
sammlem sind eine große Anzahl über 80 Jahre
alt, ohne eine Spur abnehmender Geisteskraft und
verringerter Energie zu zeigen, wie sie sonst Be¬
gleiterscheinungen höheren Alters sind. Zur Zeit
scheint kein 90jähriger angelsächsischer Bücher-
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Januar-Februar 1921
Kataloge
Zeitschrift für Bücherfreunde
Sammler zu leben, aber aus Newyork wird der
Tod eines bekannten Buchhändlers und Bücher¬
freundes, Mr. Osbom Walford, im 92. Lebensjahre
gemeldet. Alle genannten und wahrscheinlich alle
überhaupt lebenden Bibliophilen übertrifft aber
weit an Alter Dr. Jesse C. Green in West Chester,
Pennsylvania, mit 102 Jahren. Dieser hat jüngst
seine Sammlung durch die Firma Stan V. Henkels
in Philadelphia versteigern lassen und schrieb ah
seinen verehrten Freund Henkels zu dieser Gelegen¬
heit: Ich habe mich in diesen hohen Lebensjahren,
da ich das 102. Jahr erreicht habe, entschlossen,
mein eigener literarischer Testamentsexekutor zu
werden und, da ich Dich nunmehr seit fünzig Jahren
kenne und dem Größerwerden und dem Aufstieg
Deines Geschäfts Schritt vor Schritt folgen konnte,
so habe ich mich entschlossen, meine Sammlung
in Deine Hand zu legen, damit Du sie auf die best
mögliche Weise verwertest.“ Dr. Greens Samm¬
lung ist hauptsächlich von Interesse für amerika¬
nische Sammler; sie schließt u. a. eine vollständige
Sammlung von Autographischen Briefen der Präsi¬
denten der Vereinigten Staaten ein, von Washington
bis zu „unserm jetzigen großen Präsidenten“ (eine
Stimme für Wilson!) M.
Schlesische Gesellschaft der Bücherfreunde. Im
November 1920 wurde in Breslau eine neue Ge¬
sellschaft zur Pflege der Bücherkunde und Buch¬
kunst, sowie zur gegenseitigen Förderung der
Interessen der Bücherfreunde unter besonderer
Berücksichtigung des schlesischen Buchwesens be¬
gründet. Die Gesellschaft hielt am 26. Januar ihre
erste Generalversammlung ab. Nach Annahme der
von einem Ausschuß ausgearbeiteten Satzungen er¬
folgte die Wahl des Vorstandes. Es wurden gewählt
die Herren Dr. Kurt Riesenfeld , 1. Vorsitzender;
Sanitätsrat Dr. Ollendorf , 2. Vorsitzender; Martin
Keiler , 1. Schriftführer; Fräulein Steffi Mamlock,
2. Schriftführer; Buchhändler Maximilian Ave-
narius , Kassenwart; sowie Rechtsanwalt J. Riesen¬
feld und Redakteur Dr. Oscar Wilda zu Beisitzern.
Es wurde ferner ein fünfgliedriger Ausschuß ge¬
wählt, der die Vorarbeiten für eine in den nächsten
Monaten zu veranstaltende Ausstellung alsbald in
Angriff nehmen soll. Endlich wurde der Beitritt
der Gesellschaft zur Weimarer Gesellschaft der
Bibliophilen beschlossen. Die nächste Sitzung der
Gesellschaft, die bereits gegen 60 Mitglieder zählt
und auch Auswärtige aufnimmt, wird im März
stattfinden. Das Eintrittsgeld ist auf 25 M., der
Vierteljahrsbeitag auf 15 M. festgesetzt. Die Ge¬
schäftsstelle befindet sich bei Herrn Buchhändler
Maximilian Avenarius , Breslau , Münxstraße 14.
Ungarische Gesellschaft der Bibliophilen (Magyar
Bibliophil Tdrsasdg). Im Oktober 1920 fand die kon¬
stituierende Versammlung der ungarischen Biblio¬
35
philen statt. Ehrenpräsident der Gesellschaft wurde
Graf Alexander Apponyi , ein im Ausland sehr be¬
kannter Sammler und Bibliograph (Hungarica).
Die Leitung besteht aus: Julius Vigh , Direktor des
Kunstgewerbe-Museums; Präsident PaulM ajovsxky ,
Ministerialrat; Zoltän Ferencxi , Direktor der Uni¬
versitätsbibliothek, Dr. Michael Josef Eisler, Rudolf
Gergely und Ladislaus Reiter. — Der Verein, der
bereits über 150 Mitglieder zählt, wird zunächst
durch Ausstellungen und Vorträge das Interesse
für edle Buchkunst zu fördern suchen; die biblio¬
phile Verlagstätigkeit in Ungarn wird mit Auf¬
merksamkeit verfolgt; eigene Publikationen sind
geplant. — Die erste Ausstellung umfaßt typo¬
graphische Meisterstücke des 20. Jahrhunderts aus
ungarischem Privatbesitz (illustrierte Werke folgen
später). Die nächste soll die berühmten „Corvinen“
— die Handschriften des Königs Matthias Corvinus
— vorführen.
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XIII. Jahrgang März-April 1921 Heft 2
Neue Bücher und Bilder.
Bauernfeld. Die Republik der Thiere und Die
Elfen-Constitution. Mit Bildern von Matthias
Ranftl. Neu herausgegeben und mit einem Nach¬
wort versehen von Dr. Gustav Wilhelm. Wien und
Leipzig , Ed. Stracke , 1919. 261 Seiten.
Im Gegensatz zu den mancherlei Nichtigkeiten
des Verlages Strache ist die vorliegende Publikation
wissenschaftlichen Charakters als Beitrag zur poli¬
tischen Dichtung Österreichs willkommen. Einer
Anregung August Sauers folgend hat Wilhelm das
phantastische Drama „Die Republik der Thiere* 1
von Bauemfeld getreu nach der Originalausgabe
mit deren Bildern herausgegeben und ihr das bis¬
her nicht gedruckte politisch-phantastische Zauber¬
spiel „Die Elfen-Constitution oder Sie verlangend
sich nicht** nach Bauernfelds Handschrift in der
Bibliothek der Stadt Wien beigefügt. Beide Werke
entstanden im Zusammenhang mit der Wiener
Revolution von 1848. Schon vier Jahre vorher
hatte der politisch stark interessierte Dichter einen
kleinen Dialog „Die Reichsversammlung der Thiere“
geschrieben, der hier ebenfalls wieder abgedruckt
ist. In der „Republik der Thiere“ suchte Bauern¬
feld sich von der bedrückenden Gegenwart zu be¬
freien. Parteilos spottet er aller Parteien, deren
Vertreter in Tiergestalt erscheinen. Er nimmt die
Entwicklung der Revolution vorweg und läßt dem
Freiheitsrausch bald die Militärdiktatur folgen.
Aber der Drache, der als Diktator eingesetzt wird,
ist der letzte seines Geschlechts, und der Adler
verbietet dem Maulwurf den Spott auf die Welt
als Possenspiel mit der Prophezeiung: „Der Ge¬
danke hat seine Märtyrer. Die Blume der Freiheit
wird aus ihrem quellenden Blut emporsprießen.**
Das ganze Werk ist voll von politischen Spötteleien,
die auch für uns heute wieder recht gut verständ¬
lich sind. Das andere Stück, während der beginnen¬
den Reaktion 1849 entstanden, verspottet beson¬
ders das willenlose Volk, das den Machthabern
alles nachschreit, das im Elfenreich dem Minister
Puck autoritätsgläubig ergeben auf sein „Wir ver¬
langend uns nicht** echot. Dr. Gustav Wilhelm
hat beide Stücke in einem ausführlichen Nachwort
Beibl. Xlll, 4 49
im Rahmen von Bauemfelds Gesamtschaffen und
aus den politischen Zeitverhältnissen heraus erklärt
und Bauerafelds Stellung zur Revolution eingehend
dargestellt. Der Verlag hat dem Buch eine recht
würdige Ausstattung gegeben und die teilweise
sehr charaktervollen Bilder von Ranftl gut re¬
produzieren lassen, so daß der Neudruck auch über
den Krei$ der wissenschaftlich Interessierten hinaus
Freunde verdient. F. M.
Die Bilderhandschrift des Hamburgischen Stadt¬
rechts von 14g 7 im Hamburgischen Staatsarchiv.
Herausgegeben von der Gesellschaft der Bücher¬
freunde zu Hamburg , 1917. Folio. Subskriptions¬
preis 100 M.
Von der stadt- und rechtsgeschichtlichen Be¬
deutung der Prachthandschrift, die den Gegen¬
stand der vorliegenden Publikation bildet, ist an
dieser Stelle nicht zu sprechen, und ebensowenig
soll ihr Wert für die allgemeine deutsche Kultur
und Kunst des ausgehenden Mittelalters einge¬
schätzt werden, so schwer auch alles das zugunsten
dieses ungewöhnlichen Denkmals alter Buchkunst
ins Gewicht fällt. Wer sich darüber unterrichten
will, findet beste Auskunft in der sechzi'g Folioseiten
füllenden Einleitung des Herausgebers Heinrich
Reineke, ergänzt durch das textkritische und die
Bilder erläuternde Nachwort des gleichen Gelehr¬
ten sowie das Beiheft mit dem von Conrad Borch-
ling gelieferten Wörterverzeichnis von 50 Seiten.
Die Handschrift, 30 Blatt Folio auf Pergament,
geschrieben im ersten Jahrzehnt des 16. Jahr¬
hunderts, ist geschmückt mit 18 seitengroßen
Miniaturen, deren Stifter vermutlich der Bürger¬
meister Hermann Langenbeck, der Verfasser des
Stadtrechts, gewesen ist. Diese künstlerisch
schwachen Bilder erscheinen sämtlich in ausge¬
zeichnetem Farbenlichtdruck von Knackstädt& Co.
in Hamburg, außerdem im gleichen Verfahren das
Bild des jüngsten Gerichts ans dem roten Stadt¬
buch von 1301, aus dem auch vier der sechs Schrift¬
proben-Tafeln entnommen sind. Den Druck des
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Mär»-April 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Textes besorgten Lütcke & Wulff (in einer von
Gentzsch & Heyse neu geschnittenen, kraftvoll
anmutigen Type), so daß dieses Denkmal neuer
deutscher Buchkunst unter die besten seiner Art
eingereiht werden muß. Nur scheint mir der obere
und der innere Rand des Satzspiegels im Verhält¬
nis zu schmal, der Stand wirkt gegenüber dem
gewohnten etwas fremdartig. Als Ganzes gereicht
die schöne Gabe der Gesellschaft der Bücherfreunde
und dem Senat Hamburgs, dessen Unterstützung
den hohem Aufwand ermöglichte, zur Ehre.
G. W.
Briefe an Elisa von der Recke. Aus den Origi¬
nalen in der Museumsbibliothek in Mitau, heraus¬
gegeben von Professor D. Dr. Otto Clemen. —
Aus kurländischen Reisetagebüchern. Herausge¬
geben von Professor D. Dr. Otto Clemen. — (Kur¬
land in der Vergangenheit und Gegenwart. Bd. 3
und 7.) Berlin-Steglitz , Fritz Würtz.
Professor Clemen ist in Kurland unermüdlich
im Forschen und Suchen gewesen und ebenso un¬
ermüdlich ist er jetzt dabei, die Ergebnisse seiner
Forschungen weiteren Kreisen bekanntzugeben.
In den beiden vorliegenden Bändchen stellt er
Neuentdecktes und schon Gedrucktes aber so gut
wie Verschollenes geschickt zusammen, und auch
das Unbedeutende wird wertvoll durch den Rah¬
men, in den es gefügt ist. Die Briefe an Elisa geben
ein hübsches und lebendiges Bild sowohl von den
reichen Beziehungen der kurländischen Sappho,
als auch von dem ganzen Geist der damaligen Zeit.
Von dem alten Gleim bis zum jungen Theodor
Körner erstreckt sich der Freundeskreis Elisas.
Sehr interessant ist der Bericht des kurländischen
Propstes Neander über die Begeisterung, mit der
Goethe Wielands Oberon aufnahm, ein entzücken¬
des Genrebild die Erzählung des Leipziger Profes¬
sors Clodius von der Geburtstagsüberraschung, die
er seinem „Lottchen“ bereitete. Die Aufzeichnun¬
gen reisender Kurländer sind wieder ein neuer
Beweis für die engen kulturellen Beziehungen, die
früher zwischen dem Baltikum und dem übrigen
Deutschland bestanden. Hier fesseln vor allem
die Schilderungen von Carl Augusts Weimar aus
dem Tagebuch von Sophie Becker, der Freundin
Elisas von der Recke, daneben die allerdings schon
an anderem Ort (in der „Baltischen Monatsschrift“
und in Thayers Beethovenbiographie) veröffent¬
lichten Berichte des Arztes Dr. Karl Bursy über
seine Besuche bei Jean Paul und Beethoven (1816);
mit großem Vergnügen liest man auch in den Auf¬
zeichnungen des Zoologen Karl Eduard Eichwald
(1795—1876) die Beschreibung seiner ersten Fahrt
auf der ersten deutschen Eisenbahn Nürnberg—
Fürth im Jahre 1836. Arthur Luther .
51
Bogdan D. Filow , Die altbulgarische Kunst.
Mit 58 Tafeln und 72 Abbildungen im Text. Bern,
Paul Haupt , Akademische Buchhandlung , vorm .
Max Drechsele 1919.
Der Direktor des Nationalmuseums in Sofia,
Filow, breitet in dem stattlichen und vorzüglich
ausgestatteten Bande eine Fülle von Werken aus,
deren bulgarische Eigenart er im Verhältnis zu den
Einwirkungen byzantinischer und türkischer Kunst
hervorzuheben bemüht ist. Die älteren Werke der
Architektur und dekorativen Skulptur aus der Zeit
des ersten bulgarischen Reiches (9. und 10. Jahr¬
hundert) sind bei weitem die bedeutendsten und
so eng verwandt mit der byzantinischen Kunst
Dalmatiens und Italiens, daß der Nachweis einer
spezifisch bulgarischen Gestaltung nicht recht
faßbar scheint. Die Kunst des zweiten, groß-
bulgarischen Reiches (12. bis 14. Jahrhundert),
weniger monumental gerichtet als die ältere, bietet
viel des Interessanten besonders in den Werken der
Malerei, Wandbilder und Ikonen; auch hier sind
die Zusammenhänge mit der allgemeinen Entwick¬
lung der Kunst slawischer Kultur größer als die
bulgarischen Besonderheiten. Jedenfalls sollten die
stilgeschichtlichen Fragen, die hier teilweise zum
erstenmal gestellt werden, eingehender erörtert
werden als in diesem Werke, das vor allem ein
Sammelwerk darstellt, in dem uns ein bisher zu
wenig beachtetes Studienmaterial in vorzüglicher
Weise vorgelegt wird. Auch in der Zeit der tür¬
kischen Herrschaft sind stattliche Bauten und
Malereien archaisierenden Stils entstanden und die
kunstgewerblichen Arbeiten — Holzschnitzereien,
Schmuck und Gerät mit Filigran in üppig wuchern¬
der Ornamentik — gehören zu den kennzeichnend¬
sten Arbeiten bulgarischen Kunstfleißes. Von alle
dem geben die Tafeln, darunter eine Anzahl farbige,
zureichende Vorstellungen; sie werden nicht ver¬
fehlen , die kunstgeschichtliche Forschung zu
näherer Beschäftigung anzuregen. Alles in allem
ist das Werk Filows wohl geeignet, die allgemeine
Aufmerksamkeit auf die Kunstschätze seines Vater¬
landes und auf die Sorgfalt zu lenken, mit der sich
der Verfasser ihrer Erhaltung und Erklärung ge¬
widmet hat. R. G.
Johannes Fischart f Das alte und das neue
System. Neue Folge: Die Männer der Übergangs¬
zeit. Berlin , Oesterheld & Co. f 1920. Geh. 12 M.
Die neue Folge politischer Charakterköpfe steht
der ersten nicht nach. In den mannigfachsten
Formen schildert Fischart die Männer, die heute
auf der politischen Bühne die ersten Rollen inne¬
haben, Männer der Übergangszeit, wie er sagt,
aber Übergang wohin —? Keiner der 38 Köpfe
trägt Züge, die einen künftigen Führer prophezeien,
von keinem läßt sich sagen, ob ihn die Wellen
aufwärts oder ins Dunkel des Vergessens hinab-
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März-April igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
führen werden. Und mag unser Wünschen dem
einen oder andern das Schicksal vorausbestim¬
men wollen, so belehren gerade die scharfen, unter¬
haltenden Skizzen Fischarts, wie seltsam es mit
den meisten Mitarbeitern an der deutschen Gegen¬
wart schon gespielt hat. Man schreitet durch diese
Bildergalerie mit dem Empfinden, von einem sehr
kundigen, vor und hinter den Kulissen der politi¬
schen Bühne heimischen Manne geführt zu werden,
der zugleich ein ungewöhnliches Plaudertalent
sein eigen nennt. Grund genug, von ihm auch noch
weitere Führungen durch die Welt zu erhoffen, in
der ein guter Teil unserer Zukunft geboren wird.
A—s.
Bruno Golz , Wandlungen literarischer Motive.
(Arbeiten zur Entwicklungspsychologie, herausge¬
geben von Felix Krueger, 4. Heft.) Leipzig , Wil¬
helm Engelmann , 1920. Geh. 6 M.
Studien zur Entwicklungsgeschichte des deut¬
schen Geisteslebens haben die beiden hier vereinig¬
ten größeren Aufsätze gezeitigt. Der erste geht den
Einflüssen nach, die Hebbels „Agnes Bernauer“
von Vorgängern erfuhr: von dem ersten, hier etwas
zu hoch eingeschätzten Bernauer-Dramades Reichs¬
grafen .von Törring, von Kleists „Käthchen von
Heilbronn“ und dem „Prinzen von Homburg“,
dessen Tragik in wirksamen Gegensatz zu dem
Hebbelschen Drama gestellt ist. Die zweite, noch
ertragreichere Studie heißt „Die Legenden von der
Altvätem“. Sie schildert, nicht ohne Humor, wie
die Verherrlichungen des Eremitentums in den
„vitae patrum“ auf die spätere Dichtung eingewirkt
haben oder durch abweichende, das Leben be¬
jahende Auffassung widerlegt wurden. Wand¬
lungen des Zeitgeistes vom frühen Mittelalter bis
zur Gegenwart ziehen in diesen Abbildern aus einer
begrenzten Vorstellungssphäre vorüber. Vollstän¬
digkeit ist hier weder zu erwarten noch zu fordern,
aber immerhin wundert man sich, daß der Verfasser
sich bei seiner reichen Belesenheit manche nahe¬
liegende Erscheinungen entgehen ließ, so die Ere¬
mitagen des 18. Jahrhunderts, die „Thais“ von
Anatole France und den wundervollen „Ewigen
Juden“ Vermeylens, der so viel für neueste Lebens¬
gefühle Bezeichnendes enthält. G. W.
Friedrich K. L. Hartmann , Nur ein kleines
Stück Himmelsblau. Neue Gedichte. Leipzig ,
Fritzsche < 5 * Schmidt , o. J.
Man hat noch keine sechs Gedichte dieses
Buches gelesen, wenn vor dieses „Kleine Stück
Himmelsblau“ eine dicke Wolke des Unmuts ge¬
zogen ist. Es ist das alte Leid: so etwas wird ge¬
druckt, und für ernsthafte literarische oder gar
wissenschaftliche Werke finden wir keine Verleger.
Es ist unnötig, Kritik zn üben. Diese „Gedichte“
53
stehen außerhalb aller kritischen Möglichkeiten,
vor allem auch, da es ja „neue Gedichte“ sind,
also nicht von einem Anfänger herrühren, dem man
vielleicht doch noch nützen könnte. O. E. H.
Ludo M. Hartmann , Weltgeschichte in gemein¬
verständlicher Darstellung. Bd. 1: Einleitung und
Geschichte des alten Orients von (L. M. Hartmann),
E. Hanslik, E. Kohn und E. G. Klauber. — Bd. 2:
Griechische Geschichte von E. Ciccotti. — Bd. 3:
Römische Geschichte von L. M. Hartmann und J.
Kromayer. Gotha , Friedr . Andr. Perthes , 1919,1920.
Weber-Rieß , Allgemeine Weltgeschichte, 3. Aufl.
Bd. is Die ägyptisch-mesopotamische Kulturge¬
meinschaft und die Herausarbeitung des Gegen¬
satzes von Europa und Asien. Leipzig , Wilh. Engel -
mann , 1919.
Von diesen beiden Weltgeschichten lehnt Hart¬
mann sowohl eine rein chronologische wie eine geo¬
graphische Anordnung des geschichtlichen Stoffes
ab. Er vergleicht den weltgeschichtlichen Prozeß
mit dem Zusammenfließen von kleineren und
größeren Bächen und Flüssen zu einem großen
Strom, und der weltgeschichtliche Moment der
Gegenwart findet nach ihm seine Bedeutung in
dem Zusammenschluß der beiden, allein noch
selbständigen Kulturkreise: des ostasiatischen
(zu dem auch Indien gerechnet wird) mit dem
abendländisch-antiken-vorderasiatischen, nachdem
schon im 18. und 19. Jahrhundert dieser mit dem
amerikanischen in Verbindung getreten ist. Auch
für Hartmann ist also die Gegenwart eine Erfüllung,
ein Höhepunkt, die Schöpferin der „planetarischen“
Situation in der Weltgeschichte, auf die sich bis¬
her alles zuentwickelt hat. An der geistigen Ein¬
heit der Menschengeschichte kommt ihm nicht
der geringste Zweifel; ja diese kulminiert in der
alles verbindenden, verschmelzenden gegenwärtigen
Lage. Darnach richtet sich auch die äußere Ein¬
teilung seiner auf 12 Bände berechneten Weltge¬
schichte. Band 1—8 soll dem vorderasiatisch¬
europäischen Kulturkreis, Band 9—11 dem ost¬
asiatischen, Band 12 dem amerikanischen gewidmet
sein.
Von den vorliegenden drei ersten Bänden bietet
der erste außer Hartmanns Einleitung von seinen
Mitarbeitern eine kurze historisch-geographischeGe-
samtbetrachtung des vorderasiatisch-europäischen
Kulturkreises mit einzelnen sehr feinen Beobach¬
tungen, einen Abriß der Prähistorie dieses Kultur¬
kreises und die Geschichte Vorderasiens bis herab
zum Perserreich. Die an sich sehr erfreuliche Schil¬
derung der kultur-historischen Verhältnisse Babylo¬
niens, Ägyptens und der kleineren vorderasiatischen
Reiche leidet sehr unter dem Fehlen von Illustra¬
tionsmaterial , wodurch diese Weltgeschichte an¬
deren aus früherer Zeit (der Helmoltschen, der
UUsteinschen) entschieden unterlegen ist. Dieser
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Mdr *- April 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Mangel macht sich besonders empfindlich auch im
2. Band bemerkbar, der sich durch eine äußerst
feinsinnige Analyse der ältesten griechischen Ge¬
schichte auszeichnet, dagegen für die Zeit der Dia*
dochen und des Hellenismus fast vollkommen ver¬
sagt. Dem 3. Band kommt dadurch eine besondere
Bedeutung zu, daß er der Zeit bis Augustus nur
die eine Hälfte der Darstellung einräumt, während
in der anderen die ausführliche Schilderung des
Untergangs der Antike und das allmähliche Herauf¬
kommen der mittelalterlichen Zustände geboten
wird. Es ist unmöglich, an dieser Stelle zu den
Einzelheiten gerade dieses Kapitals Stellung zu
nehmen. —
Einen anderen Charakter trägt die 3. Auflage
der Weberschen Weltgeschichte, die L. Rieß be¬
sorgen will. Zunächst lehnt dieser die Verteilung
der Gesamtdarstellung unter eine Mehrzahl von
Historikern ab, sondern will das Ganze selbst
schreiben. Sodann bestreitet er, daß der Gegen¬
stand der Weltgeschichte das zu gleicher Zeit in
verschiedenen Gegenden der Erdoberfläche unab¬
hängig sprießende Kulturleben sei, sondern „die
unerläßliche Voraussetzung einer wissenschaft¬
lichen Behandlung der Weltgeschichte ist.., daß es
ein historisches Leben gibt, das im Laufeder Jahr¬
hunderte von einem Völkerkreis zum andern un¬
unterbrochen fortschreitet und in seinem inneren
Zusammenhang als gemeinsamer Besitz aller ge¬
genwärtig daran beteiligten Nationen empfunden
wird“ (S. 7). Zwar kennt er sechs Urstätten der
Kultur: Ägypten, Babylonien, Indien, China, das
Hochland von Mexiko und das von Peru (also nicht
Griechenland und das Abendland!). Die Weltge¬
schichte hat nach ihm aber nicht das selbständige
Leben der einzelnen Kulturen in diesen Ländern
•zum Gegenstände, sondern die Verschmelzung der
einzelnen Kulturkreise untereinander, oder besser:
die Aufsaugung verschiedener anderer Kulturkreise
(des indischen, des chinesischen) durch den vorder¬
asiatischen, der sich in der Antike, im Abendland
und Nordamerika fortsetzte und dessen Errungen¬
schaften nach R. bestimmt sind, eine Weltherrschaft
(namentlich auch über Ostasien) anzutreten. Da
die Kulturen von Mexiko und Peru starben, ehe
sie mit der durch die Verschmelzung der ägyp¬
tischen mit der babylonischen Kultur „in Schwung
gebrachten“ (S. 53 ) vorderasiatisch-europäischen
Kulturentwicklung in Beziehung traten, so ent¬
fallen sie überhaupt für eine weltgeschichtliche
Darstellung. Unter diesen Gesichtspunkten be¬
handelt Rieß die vorderasiatische Geschichte bis
494 v. Chr. in dem vorliegenden 1. Band, der
wissenschaftlich noch dadurch einen besonderen
Wert erhält, daß ihm ein sehr großer Abschnitt
„Erläuterungen“ beigefügt ist, in dem der Leser
über den neuesten Stand der Forschung unter¬
richtet ist.
Die Grundanschauung vom einmaligen, linien-
55
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förmigen Verlauf der Weltgeschichte, auch wenn
er zum Expansionsprozeß der vorderasiatisch-euro¬
päischen Kultur umgedeutet wird, ist dem mo¬
dernen Bewußtsein schwer zugänglich. Dem stehen
da die Hartmannschen Anschauungen bei weitem
näher. Aber auch ihnen gegenüber bleiben noch
Fragezeichen. Bilden Alter Orient, Antike und
Abendland auf der einen, und Indien, China, Japan
auf der anderen Seite wirklich nur je einen Kultur¬
kreis? Gehören wirklich Azteken, Inkas und das
moderne Amerika kulturell zusammen ? Und gehen
wir in der Tat einer Wel t-kultur entgegen, die eine
organische Synthese aller bisherigen Kulturen dar¬
stellt? Man darf außerordentlich gespannt sein,
wie Rieß und Hartmanns Mitarbeiter ihre Grund¬
anschauungen in den folgenden Bänden zur Dar¬
stellung bringen werden. Fritz Kaphahn.
Wilhelm Hauff , Die Geschichte von dem klei¬
nen Muck. Kalif Storch. Mit Zeichnungen von
Karl Walser. Berlin , Bruno Cassirer , 1920. (Das
Märchenbuch, 8. Buch.)
Dieser Band der früher bereits von uns ge¬
rühmten Sammlung vermehrt sie um einen sehr
liebenswürdigen, sehr künstlerischen Genossen.
Walser trifft den Ton der Hauffschen Märchen
ausgezeichnet: die leichte Theatralik seiner drei¬
farbigen Bilder hat zu der Wesenheit der Märchen
„für Söhne und Töchter gebildeter Stände“ nahe
Verwandtschaft. Der Druck (von F. Bruckmann
in München) und die Friedensausstattung erfreuen
das Auge des Bücherfreundes, das heute so viel
Schmerzliches zu erdulden hat. G. W.
Henry Heiseier , Die Magische Laterne. Ein
märchenhaftes Lustpiel von der magischen Laterne,
vom Zaren Joann, vom Bojaren Andrej und von
der schönen Axinja. München , Musarion- Verlag,
1919. 106 Seiten. 11,50 M., geb. 14,50 M.
Ist man nach der Lektüre dieses Lustspiels
nur darum enttäuscht, weil es nicht das gehalten
hat, was die entzückende Umschlagzeichnung Rolf
von Hoerschelmanns versprach ? Es ist nicht lustig,
dieses märchenhafte Lustspiel, es ist auch nicht
märchenhaft, wenigstens nicht in der Art, wie es
die bunten Figuren und Arabesken Hoerschel¬
manns sind. Es ist die viel zu breit ausgesponnene
Geschichte von einem Bojaren, der mit einem
armen schönen Mädchen an den Zarenhof kommt,
dem Zaren, der das Mädchen begehrt. Trotz bietet
und nach allerlei Fährlichkeiten mit der Geliebten
heimkehrt. Märchenhaft unwirklich ist das Er¬
blinden des Mädchens und seine Heilung durch
den Glauben an die Güte Gottes und der Welt.
„Sing in die Welt den rechten Klang hinein, so
kann das Echo nichts Falsches widertönen“ —
das ist die wenig originelle Weisheit des Bojaren.
&
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Märt-April igei
Neue Bücher und Bild*
Zeitschrift für Bücherfreunds
Die magische Laterne, die laterna magica des eng¬
lischen Gesandten am Zarenhof, spielt als eine
„Moralität in Bildern* 1 mutatis mutandis die Rolle
der Schauspielergesellschaft Hamlets; aber auch
diese Szene ist schwach und gibt nur Anlaß zu
einigen schönen Versen des Bilderklärers. Die
Schönheit einiger Verse: das ist schließlich alles,
was durch diese trübe Laterne leuchtet. F. M.
Eduard Hitschmann , Gottfried Keller. Psycho¬
analyse des Dichters, seiner Gestalten und Motive.
Leipzig-Wien-Zürich London New York, Internatio¬
naler Psychoanalytischer VerlagG.m.b. H. 1919.
Für alle wissenschaftliche Forschung gilt das
Gesetz des voraussetzungslosen Wertens der Tat¬
sachen. Aber fast so selten wie die reine Farbe
des Spektrums findet sich in der Wirklichkeit die
ideale Forderung erfüllt, am wenigsten dort, wo neue
Theorien irgendeines Lehrers von seinen Schülern
angewandt werden. Besonders auffallend erscheint
diese Einstellung auf von vornherein gewollte Er¬
gebnisse bei den Psychoanalytikern. Sie stehen
unter der suggestiven Zwangsvorstellung von der
Bedingtheit künstlerischen Schaffens durch die
Antriebe aus der Sexualregion, vornehmlich im
frühesten Alter erwachendes Verlangen nach dem
andern Geschlecht, das im Knaben inzestuöse
Mutterliebe und Vaterhaß weckt. Allenthalben
sollen und müssen Beweise für diese angeblich
naturgesetzlichen Vorgänge gefunden werden. So
kommt es zu jener, mehr agitatorischen als wissen¬
schaftlichen Haltung, die Hitschmann einnimmt,
wenn er (S. 69) sagt: „Der Psychoanalytiker, der
sich mit Gottfried Kellers Dichtungen beschäftigt,
wird sehr angenehm berührt durch die Tatsache,
daß der Dichter die Behauptung der Psychoanalyse
von der Regelmäßigkeit und Bedeutsamkeit infanti¬
len Liebens durch zahlreiche Beispiele bestätigt.“
Gibt es denn in den Schriften der Psychoanalytiker
oder in ihrer Zeitschrift „Imago“ eine Stelle, wo
die Behauptungen der Psychoanalyse nicht be¬
stätigt worden wären? Mir ist in dem beträcht¬
lichen Teil dieser Literatur, den ich kenne, eine
solche Stelle noch nicht vor Augen gekommen.
So stimmt denn auch hier wieder alles. Aber frei¬
lich — auf welche Weise! Die Judith des „Grünen
Heinrichs“ muß Abbild der Mutter sein, u. a. weil
sie den Heinrich mit den Worten „Trinkt doch“
mit Milch labt und — wie eine Mutter dem kleinen
Kind — das Gefäß an den Mund hält. Hagestolz
und alte Jungfer wählen keineswegs bewußt und
freiwillig den ledigen Stand; die wahre Ursache ist
die infantile und nachwirkende Fixierung an
Eltern (oder Geschwister), wo nicht hysterische
Angst und Abneigung vor der Sexualität, oder
Homosexualität (sublimierte gleichgeschlechtliche
Neigung hat auch an Gottfried Kellers Wirtshaus¬
besuchen ihren Anteil), Perversionen, Impotenz-
57
angst (auch diese beiden sucht Hitschmann bei
Keller nachzuweisen) aus anderen Motiven vor¬
liegen. An den Knollen einer Kartoffelstaude sucht
der Vater dem grünen Heinrich Erkenntnis und
Dankbarkeit gegen den Schöpfer zu erwecken. „Die
Wurzelknollen bedeuten vielleicht symbolisch die
vom (damals dreijährigen!) Sohne vermißte Auf¬
klärung über Zeugung oder Abstammung.“ Hitsch¬
mann spricht von der „besonders veranlagten Mund¬
zone des Kindes (Keller), das an der Mutterbrust
Trinklust kennenlernte und nie mehr vergaß“, und
führt des Dichters Genuß am Beschauen nackter
Frauenbrüste ebenfalls auf die Freude an der Mutter¬
brust zurück. Diese wenigen Beispiele sollen nur be¬
zeugen, daß hier die Absicht, allenthalben Wirkun¬
gen des mütterlichen Einflusses zu entdecken,
gefährlich gewaltet hat. Nun kommt Keller ja
durch sein ganz enges und lange Jahre sein Dasein
beherrschendes Verhältnis zur Mutter solcher Ab¬
sicht besonders weit entgegen; aber durch das
ausschließliche Zurückführen der dokumentierten
Selbstzeugnisse auf bewußte oder (viel häufiger)
unbewußte Äußerungen infantiler Sexualität wird
den einfachen Geständnissen der Kindesliebe ein
nach meiner Überzeugung falscher Sinn unter¬
gelegt. Und ebenso geht es mit der Art, wie der
Einfluß der Mutter als ausschlaggebend für Kellers
späteres Liebesieben hingestellt wird. Dagegen
findet man überall, wo diese „idöe fixe“ nicht
waltet, vortreffliche, feinsinnige und fördernde
Nachweise, so in den Abschnitten „Das Motiv der
halben Familie“, „Kinderliebschaften“ und zum
Teil in dem, was über die Vorliebe Kellers für ent¬
blößte weibliche Gestalten gesagt wird. Hier wird
allerdings wieder der Bogen überspannt, wenn der
Dichter mit dem Typus des „Voyeurs“ zusammen¬
gebracht ist, und es bestätigt sich besonders
drastisch, daß die Vorstellungswelt der Freudianer
in einer sexuell überreizten, großstädtisch degene¬
rierten Atmosphäre erwachsen ist, in dem Wien
des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Wer
diese Atmosphäre als Gast kennengelernt hat,
versteht es, wie hier—und auf deutschem Boden
nur hier — der Einfall, aus der Sexualität alles
menschliche Gefühlsleben und alles Künstler¬
schaffen abzuleiten, keimen und sich zu einer von
begeisterten Adepten verkündeten Glaubenslehre
entfalten konnte. Aber Wissenschaft ist das nicht,
sondern — gleich den ehemaligen Unnumerierten,
den süßen Mädeln, dem Sperrsechser und anderen,
mehr oder weniger angenehmen Dingen — eine
Wiener Spezialität. G. W.
A. von Hofmann , Das deutsche Land und die
deutsche Geschichte. Stuttgart und Berlin , Deutsche
Verlagsanstalt, 1920. Geh. 20 M., geb. 24 M.
Unter den großen Geographen der Vergangen¬
heit ist es vor allem Friedrich Ratzel gewesen, der
s«
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März-April igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
die Bedeutung des Bodens für die Gestaltung der
historischen Schicksale der Völker hervorgehoben
hat. In unserer Zeit ist es namentlich der schwe¬
dische Staatsrechtslehrer und Historiker Rudolf
Kjellön, der in einem neuen Zweig der Staats¬
lehre: der „Geopolitik“ die Ratzeischen Gedanken
systematisch auszubauen sucht (vgl. namentlich
sein letztes Werk: „Der Staat als Lebensform“).
Der Verfasser des vorliegenden Buches kennt
anscheinend beide Forscher nicht, wenigstens hält
er es nicht für wert, sie zu erwähnen. Er erklärt
nur, daß er „einen tieferen Zusammenhang zwischen
Gelände und Geschichte ahnte, als er ihn irgendwo
in einem historischen (!) Werke dargestellt fand“.
Er will ihn nachweisen, indem er die Entstehung
der historischen Landschaften Deutschlands, d. h.
die durch Natur und Geschichte in gleicher Weise
hervorgebrachten geographisch-historischen Ein¬
heiten unseres Vaterlandes dem Leser vor Augen
fuhrt. In 9 Kapiteln werden so: Westfalen, Hessen,
Thüringen, das Harzgebiet, das nordwestdeutsche
Heide-, Marsch- und Sumpfland, das Land jenseits
der Elbe, das Rheinland, Süd Westdeutschland
(Schwaben und Elsaß), Bayern und Franken ab¬
gehandelt. Es muß zugegeben werden, daß diese
Ausführungen eine ganze Anzahl sehr interessanter
Beobachtungen enthalten. Dennoch befriedigt das
Buch im ganzen und als wissenschaftliche Leistung
nicht. Es fehlt dem Inhalt der straffe Aufbau und
die klare Gliederung. Es ist ein Hinhuschen von
einem Gedanken zum anderen und von einer histo¬
rischen Örtlichkeit zur anderen. Oft wird der
Grundgedanke des Buches: die Abhängigkeit der
Geschichte vom Boden ganz vergessen, und die
Darstellung verliert sich in der Mitteilung histo¬
rischer Einzelheiten (so z. B. bei der Schilderung
der 50 Rheinburgen). Dem Buch kommt daher
wohl auch weniger wissenschaftlicher, als unter¬
haltender Wert zu. Vor oder auf einer Reise durch
die eine oder andere der neun historischen Land¬
schaften wird man es vielleicht ganz gern zur
Hand nehmen. F. K.
Franz Kafka , In der Strafkolonie. Erzählung.
München , Kurt Wolff , 1919.
Die Absonderlichkeit der Erfindungsgabe Kaf¬
kas zeigt sich auch in dieser seiner neuesten Er¬
zählung. Einem Reisenden wird in einer „Straf¬
kolonie“ von einem Offizier ein Folterapparat vor¬
geführt Der vorführende Offizier will die Technik
des Marterinstrumentes, das nach einem scheußlich¬
raffinierten System dem Opfer das Urteil mit Nadeln
in den Leib schreibt bis es stirbt, an sich selbst
zeigen und kommt dabei, da die Maschine schon
alt geworden ist selbst ums Leben. Mit dieser
Scheußlichkeit, die bis ins feinste Detail ausgemalt
wird, steht die Art der Darstellung, absolut objek¬
tiver, fast trockener Bericht, in starkem Gegensatz,
aus dem die künstlerische Wirkung der Erzählung
59
entspringt. Trotzdem bleibt ein übler Nach¬
geschmack von etwas Rohem und Nurstofflichem.
Die Gemeinheit des Menschentiers, die sich an der¬
artigen Quälereien erlustiert und aufgeilt, als Selbst¬
verständlichkeit berichtet, kann nur Ekel erzeugen.
Gewiß läßt der Dichter im Hintergründe ganz leise
die Kritik des Reisenden aufgehen, und man geht
wohl nicht fehl, diese ganze gräßliche Erfindung
überhaupt für eine Symbolisierung der Machtlust
zu halten: aber es ist zu sehr Nervenkunst, was
Kafka gibt, Kunst, die nicht tiefer dringen kann,
weil sie letzten Endes auf Sensation gestellt ist.
Das ist sehr bedauerlich, weil auch hier wieder
offenbar wird, daß Kafka eine starke erzählerische
Begabung ist, ein Epiker, der über das Wesen des
Erzählens nachgedacht hat und weiß, was epischer
Stil heißt. Hoffentlich zeigt er bald seine Kunst
an einer weniger sensationellen Fabel. O. E. H.
Adolf Kestenberg f Die Venus vonPharat. Drama
in fünf Aufzügen. Berlin , Paul Cassirer, 1919. 4M.
Wir sind nachgerade daran gewöhnt worden,
daß die jungen Dichter von heute mit ihren „Dra¬
men“ die dramatische Form auflösen; oft weichen
sie selbst in rechter Erkenntnis der Bezeichnung
„Drama“ von vornherein aus. Diesem Drama hat
Arno Nadel ein werbendes Vorwort geschrieben
und darin die Frage, ob die fünf Akte ein Drama
seien, verneint. Es ist wirklich nicht mehr ab „ein
dramatisierter Dialog“. Meint man auf Seiten der
schöpferischen Dichter, daß die bestehende Form
des Dramas nicht ausreiche, nun gut: so werden
wir hinnehmend folgen, wenn eine neue Form ent¬
steht; nur muß sie künstlerisch und stark sein.
Kestenbergs fünf Akte sind weder das eine noch
das andere. Sie bekommen ihre besondere Note
durch eine groteske Mischung von Zeitgebunden¬
heit und Zeitlosigkeit; der Gott Enoch wird am
Ende als Gesang- und Literaturlehrer Enoch Adler
vom Gerichtspräsidenten wegen Gotteslästerung
verurteilt, weil er sich als der einzige wahre Gott
ausgegeben hat. Das Ziel dieser vermengenden Ein¬
fälle ist — wir hören das bis zum Überdruß immer
wieder — das Menschentum, die Begründung eines
Zustandes „schön und gut“, in dem die Menschen
„gesund leben, ohne Gold“. Weil Vernunft und
Geist, Seele und Gemüt, „die wahre Menschlichkeit,
das Erhabenste in der Menschheit“, eine Niederlage
erlitten haben, soll Wandlung und Besserung von
Urzuständen herkommen, von dem zur Gottähn¬
lichkeit prädestinierten Volke, von Juden; denn
der „wahre göttliche Mensch“ und der „wirklich
lautere Jude“ werden hier gleichgesetzt; mit an¬
maßender Einseitigkeit, die nur dann ohne Ver¬
stimmung ließe, wenn dieses jüdische Stück wirk¬
lich ein gekonntes Drama wäre. Aber es hat keinen
Schwung, ist lehrhaft-trocken, ohne Überlegenheit,
ja im letzten ohne Notwendigkeit; und das ist das
Entscheidende. Hans Knudsen .
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März-April igsi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Karl Kobold , Alt-Wiener Musikstatten. Amal-
thea-Bücherei, 6. Bd. — AmaXthea-Verlag, Zürich -
Leipzig-Wien, 1919.
Das Büchlein sollte in Reichsdeutschland Nach¬
folger finden. Die Art, wie Kobald den Spuren der
großen Musiker in Wien nachgeht und durch Wort
und Bild ihre Beziehungen zu Stadt, Land, Ge¬
bäuden und Örtlichkeiten festhält, würde, auf die
Vergangenheit Berlins, Leipzigs, Hamburgs, Dres¬
dens, Münchens angewandt, in erfreulichem Maße
der Unkenntnis unserer Stadtgemeinden in Sachen
ihrer musikalischen Vergangenheit steuern. Mit
Wien freilich und seinem an Erinnerungen über¬
reichen Boden wird keine unserer großen Musik¬
städte konkurrieren können. Die Seßhaftigkeit
Glucks, Haydns, Mozarts, Beethovens, Schuberts,
die beispiellose Musikliebe des Adels, vom Kaiser¬
hause angefangen, das ausgebreitete vornehme
Dilettantentum brachten es mit sich, daß wir
heute nicht hundert Schritt weit gehen können,
ohne denkwürdigen Musikstätten oder deren Resten
zu begegnen. Kobald registriert sie nicht nur und
erzählt von ihren Schicksalen, sondern unternimmt
geradezu — um den genius loci jedesmal ins rechte
Licht zu stellen — kleine musikgeschichtliche Ex¬
kurse, deren geschickte Einkleidung alles Lob ver¬
dient. Für alle, die mit unsera Wiener Klassikern
umgehen, hat das Büchlein den Wert eines zuver¬
lässigen geistigen Wegweisers. A. Schering .
Fritz Körner, Das Zeitungswesen in Weimar
(1734—1849.) Ein Beitrag zur Zeitungsgeschichte.
(Abhandlungen aus dem Institut für Zeitungskunde
an der Universität Leipzig, Band 1, Heft 2.) Leip¬
zig, Emmanuel Reinicke, 1920.
Weimar, wie Bethlehem in Juda klein und groß,
hat drei periodische Organe besessen, die über den
bescheidenen Umkreis seiner Mauern hinaus ins
Weite der deutschen Welt wirkten: den „Teut-
schen Merkur*‘ Wielands, dem Hans Wahl bereits
eine gute Monographie gewidmet hat, Bertuchs
„Journal des Luxus und der Moden“ und das von
demselben weitsichtigen und mutigen Unterneh¬
mer begründete „Oppositionsblatt“. Das übrige
journalistische Leben der kleinen Residenz erhalt
seine besondere Note nur durch den in ihr wal¬
tenden liberalen Geist, den allerdings der größte
Weimarer nicht billigte, wie seine scharfen Worte
gegen die „heilige Preßfreiheit“ bezeugen. Wie
diese Tatsache, so hat der Verfasser der vorliegen¬
den Schrift auch sonst die Zusammenhänge mit
der großen literarischen Produktion, die Weimars
Ruhm begründete, unbeachtet gelassen. Aber er
gibt dafür eine sorgsame Schilderung des Heran¬
wachsens der Ortspresse von dem bescheidenen
Intelligenzblatt bis zur vollentwickelten politischen
Zeitung, namentlich die Abspiegelungen des wirt¬
schaftlichen Lebens beachtend. Unebenheiten der
61
Schreibweise und eine Anzahl Druckfehler stören
den günstigen Eindruck der fördersamen Arbeit
nicht erheblich. G. W.
Georg Kulka, Der Stiefbruder. Aufzeichnung
und Lyrik. 73 Seiten. — Hugo Sonnenschein , Erde
auf Erden. 31 Seiten. — Martina Wied , Bewegung.
Gedichte. 87 Seiten. Wien-Prag-Leipzig, Ed.
Stracke , 1919.
Der Verlag Ed. Strache in Wien bemuttert
gern wild gewordene Literaturjünglinge und ver¬
schwendet an ihre kindliche Poetennotdurft sehr
viel kostbares Papier. So kann sich Georg Kulka
seines Werkes in schönster Ausstattung erfreuen.
Das Buch eignet sich mit seinem breiten leeren
Rand vortrefflich zu Aufzeichnungen, die, was
immer man hineinschreiben möge, wertvoller sein
dürften, als die des — ich hätte beinahe gesagt:
Dichters. — Eine gewisse stilistische Verwilderung
Sonnenscheins könnte dazu führen, ihn mit Kulka
zusammen zu nennen. Das wäre ungerecht, denn
ihm muß man die Zerrissenheit des Jünglings wirk¬
lich glauben, die in den zerhackten Versen natür¬
lichen Ausdruck finden. Das Grauen des Krieges
ist mit Worten und Rhythmen eingefangen von
einem Entsetzten, der zurückschaudert vor den
Mordgesichtern der Männer und Gott um Blind¬
heit anfleht vor dieser ewigen Erde auf Erden.
Und upser aller schmerzlichstes Erlebnis: daß die
harte Welt der Dinge sich mit unentrinnbarer Ge¬
walt in unser seelisches Leben drängt, hat er in
dem schönsten Gedicht des Heftes „Ein Dichter
stirbt im Kriege“ vollkommen zum Ausdruck ge¬
bracht. — Martina Wied, weiblich sanfter, formal
konservativer als die jugendlichen Stürmer, gibt
ihr Bestes in einigen Impressionen aus dem Alltag
der großen Stadt. Wo sie über den irdischen
Horizont zu Gedanklichem aufstrebt, fehlt ihr die
Kraft zur Konzentration und zur Umschmelzung
des Abstrakten in das Lyrisch-bildhafte.
F.M.
Ferdinand Kürnberger. Briefe eines politischen
Flüchtlings. Aus dem Nachlaß herausgegeben von
Otto Erich Deutsch. Leipzig und Wien, E. P . Tal,
1920.
In diesen Briefen ist sehr viel von Kummer,
Not und Geldsorge eines österreichischen Sozia¬
listen die Rede, der nach dem Scheitern der 1848 er
Revolution gezwungen war, sein Vaterland zu ver¬
lassen und wie ein gehetztes Wild nirgends im
übrigen Deutschland vor der Staatspolizei sicher
war. Es ist erschütternd zu lesen, wie Kürnberger
mitunter die Haft als die einzige Möglichkeit seiner
weiteren Existenz erkennt, weil er, auf freien Fuß
gesetzt, aus Geldmangel verhungern müsse. Es ist
menschlich großartig, wie er nach seiner Entlas¬
sung aus dem Dresdner Gefängnis, in das er wegen
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März* April 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Verdachts der Teilnahme an den Maiunruhen ge¬
raten war, sofort seinen eingesperrten Freunden
zur Flucht zu verhelfen sucht und sich von neuem
durch die Staatspolizei verfolgt sieht. Aber es wird
an ihm, als an einem auch heute nicht unbekannten
Typus von Revolutionshelden, offenbar, wie im
Grunde rein „literarisch“, praktisch-politisch un¬
fruchtbar seine politischen Bestrebungen waren
und bleiben mußten. Es ist großartig und tief
empfunden, was er in dem wohl wertvollsten Briefe
der Sammlung (Hamburg, den 8. Marz 1850) über
den Sozialismus schreibt, als einer „Gesellschafts¬
form, deren Gesetze allen Menschen gleiche Rechte
und Pflichten zuerkennen und deren organische
Einrichtungen wenigstens eine wesentliche Un¬
gleichheit des äußeren Besitzstandes unmöglich
machen“. Aber nun alles von einer Revolution
von unten her, von einem Aufstand des edelmütigen,
allein sozial empfindenden Proletariats zu erwarten,
das kennzeichnet ihn als den sozialen Utopisten,
der an der Wirklichkeit stets scheitern muß.
Der Herausgeber hat sich die Publikation der
Briefe ziemlich leicht gemacht. Sie sind fortlaufend
abgedruckt, ohne daß wir durch kurze Regesten
am Kopf der Briefe rasch über den Inhalt unter¬
richtet würden. Zum besseren Verständnis hat
der Editor einige erläuternde Bemerkungen zu
jedem Briefe angefügt. F. K.
Nikolaus Leskow , Die Klerisei. Roman. Deut¬
sche Übersetzung von Arthur Luther. München ,
Kurt Wolff , 1919. 416 S. Geh. 6M., geb. 10 M.
Mit wenig Worten läßt sich Leskows Haupt¬
roman nicht beurteilen. Man muß dieses in Deutsch¬
land noch fast unbekannte Buch, das mit Balzac’s
Vetter Pons, Flauberts November und drei Alters¬
werken von Anatole France in der sonderbaren
„Sammlung zeitgenössischer (t) Erzähler 44 Der neue
Roman sich zwischen Brod, Heinrich Mann und
Meyrink gestellt sieht, sicherlich zu den Meister¬
werken der Weltliteratur zählen; denn so Herrliches
wie die Gestalten der drei Geistlichen von Stargorod,
vor allem des alten Probates Sawelij, gelingt auch
dem größten Dichter nur in Stunden des Pfingst-
wunders. Aber anderes ist dann wieder russische
Durchschnittserzählung, Dostojewskij in seinen
schwächsten Kleinstadtgeschichten. Darin iät Les¬
kow ganz seinem Volk zugehörig: er ist gewaltig,
wo er liebt; er ist klein im Haß, im Spott, in der
Verhöhnung. Deshalb ist Tolstoi in seinen größten
Werken so gleichmäßig groß, in „Krieg und Frie¬
den 14 besonders: er liebt alle Menschen seiner Hand¬
lung gleichmäßig. Leskow versucht die Gegenspieler
zu seinen schlichten Helden, die beiden Regierungs¬
abgesandten aus Petersburg, die liberalisierenden
Kleinbeamten, den aufgeklärten Lehrer aus Haß
zu gestalten, und dabei kommt nichts Besseres
heraus, als es jeder gewandte Schriftsteller geben
63
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kann. Termosesow ist eine verzerrte Karikatur,
wie Beckmesser etwa, nur daß dieser wenigstens
dem Bühnenkomiker etwas zu verdienen gibt. Aber
es ist eigentlich unrecht, davon zu sprechen, denn
diese Unreinheiten lösen sich auf in einer unend¬
lich großen Flut innerlicher Güte und lebendigster
Heiligkeit, sobald Leskow von den Bewohnern der
Dompfarrei von Stargorod spricht oder von Nikolai
Afanasjewitsch, dem Zwerg.
Die Übersetzung scheint gut, nur ist die Sprache
der Personen oft ein wenig gewaltsam auf den heu¬
tigen Marktton gestimmt, der so schlecht zur Zeit
der Postkutschen passen will. M. B.
E. K. Ludhard. Ostern, ein Mysterium in drei
Aufzügen. Manuskriptdruck der Gesellschaft Hes¬
sischer Bücherfreunde. Darmstadt 1920. 80 Seiten.
„Gestalt und Gehalt, der bcid* ich walt***. So
heißt der Wahlspruch der in erstaunlich kurzer Zeit
lebensfähig gewordenen Gesellschaft Hessischer
Bücherfreunde. Es wäre hier zu prüfen, ob auch
bei ihrer neuesten Veröffentlichung dem Wort die
Tat folgte.
Also Gestalt, das Äußere: „Ostern** wurde ge¬
druckt in Kleukens-Antiqua durch die L. C. Wit-
tichsche Hofbuchdruckerei in Darmstadt, 25 Ab¬
drücke auf bestem Büttenpapier und numeriert,
der Einband in Minna-Weber-Papier mit aufge¬
setzter Ovalettikette in Golddruck, oben Gold¬
schnitt, Preis 40 M., sodann 25 Exemplare auf
gutem, holzfreiem Papier, ebenfalls in Minna-
Weber-Papier mit der gleichen Etikette, aber Blau¬
schnitt, Preis 25 M., endlich broschierte Abdrücke,
weißes Papier mit gelbem Titel, 15 M. Die Aus¬
stattung in allen drei Formen genügt den höchsten
Anforderungen vollkommen.
Auch vom Gehalt des Büchleins ist Rühmendes
zu sagen. Der prüfende Blick des Bücherfreundes
mag getrost vom Äußeren zum Inhalt übergehen.
Des Verfassers Name gibt ihm zu raten. E. K. Lud¬
hard findet sich weder in einem Literaturkalender,
noch weist ihn ein Decknamenlexikon auf. Wir
sind in der Lage, dem wißbegierigen Leser auf die
Spur zu helfen, nachdem sich in Darmstadt das
Dunkel über der Autorschaft längst gelichtet hat.
Der Dichter ist der seitherige Großherzog von
Hessen. Ist auch an sich gleichgültig, wer Ver¬
fasser eines Werkes ist, wenn nur gut ist, was
er schuf, so erhöht doch hier die Verfasserschaft
des auch anderweit künstlerisch anregend, fördernd
und selbstschaffend hervorgetretenen Fürsten
zweifellos den Reiz des Buches. Daß der literarisch
und künstlerisch nicht minder bewanderte Graf
Hardenberg seinem Herrn bei der Drucklegung
wertvolle Marschalldienste leistete, ist den Mit¬
gliedern der Gesellschaft Hessischer Bücherfreunde
natürlich auch kein Geheimnis mehr. Bei in erster
Linie bibliophilen Veröffentlichungen ist hoher
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Mär*-April igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
literarischer Wert nicht immer und ausschließlich
Vorbedingung. Um so besser für solche Gaben aus
Kreisen von Bücherfreunden, die nach Form und
Inhalt sich als eine erfreuliche Neuerscheinung
empfehlen. Das aber ist bei dem Mysterium
„Ostern“ der Fall.
Die Bezeichnung des Spiels als „Mysterium“
ist nicht ohne Grund gewählt ; ebensowenig ist es
Zufall, daß die fesselnde Gestalt des Herrn Mittler
im Stück nach der Spielanweisung „beinahe my¬
stisch“ gespielt werden soll und muß. Übrigens
ist auch der Name „Mittler“, an sich vielleicht
wenig klangvoll, mit Absicht gewählt, um schon
in sich Hinweis auf die Art der Rolle zu sein, über
die die Spielanweisung nähere Auskunft gibt und
bei der das Stück den Spieler vor eine wundervolle
Aufgabe stellt Die Regiebemerkungen überzeugen
den Leser in erfreulichster Weise von der beherr¬
schenden Sachkenntnis der Verfasser vom Bühnen¬
bild und dem äußeren Ablauf der Handlung. Das
Stück selbst nun möchte man sich am liebsten,
da es nicht nur Lesestoff sein und bleiben soll,
vor einer intimen Zuhörerschaft gespielt wünschen,
die ohne Voraussetzungen sonstiger Art lediglich
mit Aufnahmefreude der Handlung folgt.
Zweifellos steht das Mysterium auf dem Boden
einer mystischen Auffassung, und theosophische
Ideen, wie sie eben der Nachkriegszeit eignen, sind
auch an dem Verfasser nicht ohne tiefe Wirkung
vorübergegangen. Diese vermögen sich aber recht
gut auch auf die Leser oder Hörer zu übertragen,
die die Auffassung von Tod und Leben, von den
Beziehungen zwischen Lebendigen und Verstor¬
benen, wie sie in „Ostern“ vorgetragen werden,
nicht zu teilen vermögen. Jeder tiefer Empfindende
wird ergriffen sein von dem Gegenstand, der hier
aus einem furchtbaren Erlebnis unserer Zeit nach
künstlerischer Form gerungen und sie gefunden
hat. „Ostern“ will einmal ernst und unerbittlich
das unnennbare Leid aller derer vorführen, denen
der unselige Weltkrieg Liebes und Liebstes ge¬
raubt hat. Zugleich aber wird hier auch der Weg
gezeigt, „wenn die blaugrauen Schleier sich über
Frau Sonne breiten wollen“, das Wunder zu er¬
leben eines durch die rechte Auffassung der Trauer
veredelten Schmerzes. In dieser Beleuchtung des
zeitgemäßen Gegenstandes gehört das Buch in die
sehnenden Hände aller der Tausende, denen das
Völkermorden tiefe, nie oder doch sehr langsam
vernarbende Wunden geschlagen hat. Hier klingen
Quellen des Trostes, werden beherzigenswerte
Lehren vorgetragen, wie man mit seinen Verstor¬
benen vereint werden und bleiben kann, zum Teil
in köstlichem Gegensatz zu der engen, vom Her¬
gebrachten nicht loskommenden Art des Schmerzes
und der Trauer und ihrer Bekundung, wie sie noch
in weiten Kreisen üblich ist.
„Ostern“ versetzt uns in den Weltkrieg. Wir
erleben den Karfreitag in einer Familie, auf
Beibl. XIII, 5 65
der die bange Qual der Ungewißheit über das Schick¬
sal des vor dem Feind stehenden Sohnes und Bru¬
ders lastet. Es führt uns dann den Schmerz vor,
in dem die Herzen der Mutter und der Schwestern
zusammenzucken, als die Nachricht vom Tod des
Sohnes eintrifft. Aus allen den Nöten vermag auch
der wohlgemeinte, aber konventionell befangene
Anteil von Freunden und Verwandten nicht zu
befreien, weil die selbst nicht über dem Schmerz
stehen. Da greift der wahre Freund des Hauses
ein: Mittler. Mit seiner sieghaften Auffassung der
Dinge versteht er dem bitteren Leid seine Quäl zu
nehmen. Er weist der Mutter und den Töchtern
den Weg, zu glauben, zu beten, zu rufen. Dieser
Ruf aber trifft den sich nach Einlaß sehnenden und
darum das Elternhaus umschwebenden Sohn und
er folgt ihm selig. So zieht er ein in die Herzen
der Seinen, in ein Haus, darin Sonne, Glaube, Liebe
und Auferstehungsfreude — Ostern! —herrschen,
die zu starrem Totenkranz gewundenen Blumen
blühen köstlich auf, duften und erfreuen wie ein
Gruß zum Willkomm statt zum Abschied.
Das deutsche Volk harrt mit gehaltenem Atem
des großen Dichtwerkes, in dem alles gesagt wird,
das uns eben bewegt, wo das einmal klingt, was
schon völlig in uns erstorben schien und scheint.
„Ostern“ ist ein kleines, bescheidenes Vorspiel da¬
zu. Das gibt ihm seinen künstlerischen Wert und
seine literarische Berechtigung.
Dr. Karl Bader .
Fürstin Pauline Metternich-Sdndor , Geschehe¬
nes, Gesehenes, Erlebtes. Wien, Wiener Literarische
Anstalt , G.m.b.H., 1920. Vorzugsausgabe: Nr. Ibis
XXX auf bestem italienischen Hadembütten mit
eigenhändiger Widmung der Verfasserin; Nr. 1 bis
300 auf feinstem Bücherstoff (!) mit eigenhändiger
Unterschrift der Verfasserin, mit der Hand ge¬
bunden bei Carl Scheibe in Wien.
Die Fürstin Pauline Metternich, die Enkelin des
Staatskanzlers, hat unter den Frauen des öster¬
reichischen Hochadels in ihrem Zeitalter den regsten
Geist, die stärkste Willenskraft und das wärmste
Herz bewährt. Wo es galt, für Kunst und Künstler
einzutreten, stand sie ander Spitze, und unvergessen
bleibt die große Internationale Theater- und Musik¬
ausstellung von 1392, die in jeder Hinsicht das
Werk der Fürstin Pauline heißen durfte und bis
in die vielen, ungemein liebenswürdigen Einzel¬
züge hinein den Stempel ihres Wesens trug. Aus
ihren reichen Erinnerungen hat die nun Dreiund¬
achtzig jährige schon früher anmutig geplaudert.
Nun vereinigt sie jene Skizzen mit neuen zu einem
sehr gefälligen, unterhaltenden und für die Kultur¬
geschichte nicht bedeutungslosen Buche. Sie er¬
zählt von dem Großvater und zeigt uns den ge¬
fürchteten Staatskanzler en robe de chambre, von
dem Vater Graf Sändor, dem berühmtesten Fahrer
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Märt-April jgti
bleue Bücher und Bilder
Zeüschrift für Bücherfreunde
und Reiter aller Zeiten, von den Jahren, da ihr Stief-
onkel und Gatte als österreichischer Gesandter in
Dresden und Paris wirkte, von dem feinfühligen
Franz Liszt und dem eitlen, undankbaren Richard
Wagner, dem sie zu der Pariser Aufführung seiner
„Tannhäuser" verhalf. Hier und in den kleineren
mit Humor vorgetragenen Geschichtchen erweist
sie sich überall als die Aristokratin des ancien
rögime, die gern in der Zeit August des Starken
gelebt hatte (S. 61), die das höfische Zeremoniell
als etwas Wertvolles schätzt — und seiner zugleich
mit überlegenem Witz zu spotten weiß. Gerade da¬
durch wird das Buch zu einem Dokument nun
vergangener Tage, das man mit Vergnügen und
mannigfacher Belehrung genießt. G. W.
Alfred Richard Meyer-Presse, i. Druck: Luther,
Die Deudsche Litaney. 2. Druck: Klopstock,
Über die ernsthaften Vergnügungen des Land¬
lebens. Folio. Je 8 Blatt in Pappband. 245 nume¬
rierte Exemplare, Preis etwa 80 M. Verlag Alfred
Richard Meyer , Berlin - Wilmersdorf Kaiser¬
platz 13.
Die neue Privatpresse A. R. Meyers führt sich
mit ihren beiden ersten Erzeugnissen sehr statt¬
lich ein. Beide Drucke genügen in Material und
Ausführung allen Ansprüchen des ernsthaften
Bücherfreundes. Der Handdruck steht in den
Textgraden der Fust-Schöffer-Gotisch und einer
alten Schwabacher prächtig gleichmäßig und
tief schwarz auf dem starken Bütten-Karton, die
von Hans Heimbeck gezeichneten Titel sind stil¬
gerecht; freilich ließe sich bei der Luther-Schrift
noch kräftigere Umrahmung, bei dem Gedicht Klop-
stocks eine vorteilhaftere Gestaltung des Dichter¬
namens denken. Warum dieses Gedicht mit dem
abgeschmackten Titel des Erstdrucks und nicht
mit dem allbekannten späteren „Die Frühlings-
feier" benannt wird, verstehe ich nicht, ebenso¬
wenig, weshalb die Form der Ode aus dem „Nor¬
dischen Aufseher" wiedergegeben ist. Denn soll
ein Prunkdruck veranstaltet werden, so gebührt
diese Ehre gewiß nur der vollkommensten Gestalt.
An sich ist es dankbar zu begrüßen, daß die neue
Presse mit weniger bekannten Texten beginnt und
nicht, wie üblich, mit dem „Tagebuch" oder einer
anderen Schöpfung Goethes. Für später sind in
Aussicht genommen: Goethe, Ossian-Gesänge;
Jean Paul, Rede des toten Christus vom Welt¬
gebäude herab, daß kein Gott sei; Hölderlin, Der
Rhein; Nietzsche, Aus hohen Bergen. G. W.
Georg Hermann Müller , Richard Wagner in der
Mai-Revolution 1849. Dresden, Oscar Laube, 1919.
Mannigfache Sagen haben Wagners Teilnahme
an dem erfolglosen Dresdener Aufstand im Mai
1849 umsponnen: soll er doch sogar selbst den
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Brand seiner Wirkungsstätte, des Opernhauses,
verschuldet haben. Die Selbstbiographie des
Meisters sucht seine Betätigung als Revolu¬
tionär soweit als möglich zu verhüllen, und die
sonstigen Nachrichten widersprechen einander
mehrfach. Da ist es verdienstlich, daß ein genauer
Kenner der Dresdener Ortsgeschichte das Tatsäch¬
liche mit allen erreichbaren Hilfemitteln und vor¬
sichtiger Kritik feststellt und uns Wagners Tun
und Lassen in jenen für ihn so verhängnisvollen
Tagen zum ersten Male vollständig, sine ira et
studio, überblicken läßt. Das Ergebnis ist wie
überall, wo die moralische Seite seiner Persönlich¬
keitsachlich beleuchtet wird, für Wagner nicht ganz
vorteilhaft, und in Bayreuth wird man der Schrift
schwerlich sehr gewogen sein, gerade weil sie einen
unparteiischen Beitrag zur Wagner-Literatur be¬
deutet. Der gute Druck wird durch die Schrulle,
das Anfangswort jedes Absatzes in Versalien zu
setzen, in seiner Wirkung beeinträchtigt.
G. W.
Hermann Oncken , Lassalle. Eine politische Bio¬
graphie. 3., völlig durchgearbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart und Berlin, Deutsche Verlags-
Anstalt, 1920. Geh. 20 M., geb. 24 M.
Heute, da wir jäh den Endpunkt einer nach
außen hin großartigen Epoche deutscher Geschichte
überschritten haben, ziehen unsere Gedanken zu
den großen Wendepunkten in dieser Zeit, den ent¬
scheidenden Ereignissen, die diese Epoche unserer
Vergangenheit gerade so werden ließen, wie sie
wurde. Die zahlreichen Veröffentlichungen von
Staatsmännern des kaiserlichen Deutschlands lassen
immer deutlicher die verhängnisvollen Entschlüsse
erkennen, die seit der Jahrhundertwende unsere
diplomatische Niederlage bei Beginn des Welt¬
krieges vorbereiteten, die aber nur eine Kompo¬
nente des viel tiefer verwurzelten Ursachenkom¬
plexes unseres schließlichen Zusammenbruches bil¬
den. In letzter Zeit sind außerdem eine Anzahl
Bücher und Artikel erschienen, die die auseinander¬
klaffende, den sozialen Machtverschiebungen keine
Rechnung tragende innere Politik des alten Preußen
und des neuen Deutschland belegen. Gustav Meyer
hat (Hist. Ztschr. Bd. 121, S. 421 ff.) in einem Auf¬
satz über „die Junghegelianer und der preußische
Staat“ die interessante Mitteilung gemacht, daß
die Radikalen um 1840, die Rüge, Marx usw., für
sich noch alles vom preußischen Staat erwarteten,
ihn zur Wiederaufnahme seines großen Reformwerks
unter dem Freiherm von Stein aufriefen und ihm
erst den Rücken kehrten und ins internationale
Lager übergingen, als die orthodoxe Reaktion unter
Friedrich Wilhelm IV. Anfang der 40er Jahre (Be¬
rufung Schellingst) sie um alle ihre Hoffnungen
betrog. Wie es schon damals in ihren Ursprüngen
nicht gelang, die neu aufkommende soziale Frage
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Märt-April igsi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
mit dem Gedanken des preußischen Staates zu ver¬
schmelzen, so scheiterte auch der zweite Versuch,
den Ferdinand Lassalle einleitete, aber nicht zu
Ende führte.
Oncken hat uns diese entscheidende Zeit un-
serer Geschichte mit großer Darstellungskraft ge¬
schildert: mit ruhiger Objektivität die Jahre der
Vorbereitung (1842—1862), mit steigender Span¬
nung die kurze Zeit der Aktion (1862—1864); der
Höhepunkt liegt wohl in der Schilderung der Be¬
ziehungen zwischen Lassalle und Bismarck. Dann
aber folgt die Chamade, der stillose Tod Lassalles
um einer Frau willen, die ihn nicht mehr liebte.
Kurz zuvor hatte er geschrieben: „Nur das eine
weiß ich: ich muß Helene haben, Arbeiterverein,
Politik, Wissenschaft, Gefängnis, alles ist mir ab¬
solut verblaßt in meinem Innern bei dem Ge¬
danken, Helene wiederzuerobera“ (S. 467).
Lassalle hat denVersuch gemacht, die Arbeiter¬
bewegung, die er als politische Macht größtenteils
erst entfachte, mit dem preußischen Königtum zu
verschmelzen, es zu einem sozialdemokratischen
Königtum zu machen. Das war ganz gewiß kein
von vornherein aussichtsloser Versuch, namentlich
wenn als Führer auf der anderen Seite Bismarcks
souveräner Geist stand. Ob aber Lassalle der Mann
war, diese ungeheure Synthese bis zur Vollendung
durchzuführen ? Er ist zu früh gestorben, als daß
wir diese Frage auf Grund von Tatsächlichkeiten
beurteilen könnten. Aber läßt die geistige Ver¬
fassung seiner letzten Zeit nicht große Zweifel auf-
kommen ? Man vergesse doch nicht, welch unge¬
heuren Kampf er mit dem republikanischen Inter¬
nationalismus hätte führen müssen. Gehörte dazu
nicht ein Mann, der allein für seine Idee lebte und
starb? Ich kann mir nicht helfen: auf mich wirkt
Lassalle in seiner Mischung von eitlem Liebhaber-
Lebemann und grandiosem Redner und Agitator
bei aller Arbeitskraft und allen geistigen Fähig¬
keiten zu — französisch, als daß ich mir ihn bei
längerem Leben als den großen Partner Bismarcks
vorstellen könnte. Es scheint doch so, daß welt¬
geschichtliche Ideen Träger finden können, denen
der Charakter und die sittliche Kraft fehlen, um
diese Ideen im Kampf der Geister zur Herrschaft
zu bringen. Wenn es das Schicksal gut mit ihnen
meint, beschert es ihnen einen frühen Tod, sonst
müssen sie noch ein langes unglückliches und zweck¬
loses Dasein führen.
Oncken hat in der 3. Auflage seines Werkes
der eigentlichen Biographie einen Abschnitt „Histo¬
rische Perspektiven“ angefügt, in dem er der Wir¬
kung der Ideen Lassalles von 1864 bis zur Gegen¬
wart uachgeht. Hier zeigt sich noch mehr als in
den früheren Abschnitten des Buches sein Haupt¬
mangel: es fehlt ihm das Bild der großen wirt¬
schaftlichen und kulturellen Wandlungen, die die
Geschichte des 19. Jahrhunderts erfüllen. Wie die
politischen Probleme der Zeit in dem trefflichen
69
Kapitel „Liberalismus und Demokratie“ zur Dar¬
stellung gelangten, so hätte der Biographie auch
angefügt werden müssen eine Schilderung der
großen Umformung Deutschlands aus einem Agrar-
zu einem Industriestaat, der damit verbundenen
Mechanisierung des Geisteslebens: der Auflösung
der Hegelschen Philosophie, des zunehmenden de¬
struktiven Radikalismus der Junghegelianer, der
zahlreichen vergeblichen Versuche neuer Zu¬
sammenfassungen, bis schließlich die deutsche
Kultur in das erschütternde Bild geistiger Ziel-
und Planlosigkeit ausmündete, unter deren Wir¬
kung wir heute noch stehen. Dann wäre auch
noch klarer geworden, warum die ersten hoff¬
nungsvolleren Synthesen kurz vor 1914, auf poli¬
tischem Gebiete der „Neulassalleanismus“, zu¬
nächst scheitern mußten, und warum wir bei klarer
Erkenntnis unserer geistig wie materiell trostlosen
Lage vielleicht doch noch auf eine bessere Zukunft
hoffen dürfen. Fritz Kaphahn.
Josef Friedrich Perkonig , Maria am Rain.
Novellen. Berlin , Egon Fleischei 6* Co., 1919. 299 S.
8 Mark.
Dies ist eins von den genießerischen Büchern,
die auch heute noch, trotz aller Elendstatistik, aus
den alten Herzen Österreichs kommen. Nirgends
sonst könnte Herr Angel, der verführerische Held
der „Maria am Rain“, seine Erlebnisse mit dem
Bauernmädchen, derLehrerin,der verwitwetenFrau
Magistratssekretärin und dem Kind der Moden¬
branche haben und aus den Früchten dieser Er¬
lebnisse ein so lustiges Dorfmirakel entstehen wie
in dieser Grenzlandschaft ob der Drau, und gerade
wenn der Stoff und gelegentlich auch eine ange¬
nommene Wendung der Sprache die Erinnerung
an Gottfried Keller unbezwingbar aufgerufen hat,
merkt man, wie völlig eigen und anders doch dieses
österreichische Wesen ist als das der andern deut¬
schen Stämme. Noch dazu ist Perkonig ein Musiker
im Österreicher, eines das andere verstärkend. Das
zeigt sich in den drei kleinen Geschichten von
Mozart, Beethoven und Schubert, deren erste ein
wenig zu graziös ist—wir haben ja des Wolfgang
Amadeus Briefe und die sind doch helltöniger, mehr
Salzburg als Wien oder gar Graz — während die
zweite und dritte den rechten Klang haben, am
schönsten wohl in der Schilderung der sechs Tage
Natur - Versunkenheit des taubwerdenden Beet¬
hoven. Nach dem guten Anfang der „stillen König¬
reiche“, mit dem sich Perkonig in die erste Reihe
der jungen Österreicher stellte, ist das neue Buch
nicht ein starker Aufstieg, aber ein guter Fortgang,
der alle geweckte Hoffnung lebendig erhält.
M. B.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
März-April 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Hans Rose. Tagebuch des Herrn von Chantelou
über die Reise des Cavaliere Beraini nach Frank¬
reich. München , F. Bruchmann A.-G., 1919.
Das Tagebuch, das Paul Fröart Sieur de Chan¬
telou über den Aufenthalt Beminis 1665 in Paris
niedergeschrieben hat, war 1875—1884 sehr unbe¬
quem in einer langen Reihe von Banden der Gazette
des beaux arts veröffentlicht worden. Fs ist auch
von der neueren Forschung über Bernini und den
Ausbau des Louvre nicht nach seinem vollen Werte
ausgebeutet worden und es verdiente in vollem
Maße die sorgfältige Bearbeitung, die ihm Hans
Rose hat zuteil werden lassen. Bei aller Skizzen¬
haftigkeit der Niederschrift stellt es einen überaus
wertvollen Beitrag dar nicht nur zur Charakteristik
Berninis und seiner Kunst, zur Geschichte des
Streites um den Louvre-Ausbau, sondern es gibt
auch ein lebendiges Bild von dem Treiben der
Künstler und der hohen Herren um den König
Ludwig XIV. Chantelou, der dem Künstler als
Attache zugeteilt war, ist ein wahrheitsliebender
und wohl orientierter Beobachter, fähig, auf das
künstlerische Wesen, auf die Genialität Beminis
einzugehen, und dennoch hält er mit seiner eigenen
Meinung nicht zurück. Der kunstgeschichtliche
Wert dieses Tagebuches ist ebenso groß wie der
kulturgeschichtliche, er öffnet den Blick auf eine
große künstlerische Begebenheit in großer Zeit und
macht uns vertraut mit den künstlerischen Fragen,
die die Gesellschaft — la cour et la ville — be¬
schäftigen. Der deutsche Bearbeiter des Tagebuchs
hat sich seine Arbeit nicht leicht gemacht Seine
Übertragung ist sorgfältig und zeigt überall das
Bemühen, den oft undeutlichen Sinn des Schreibers
klar herauszuarbeiten. In dieser heiklen Arbeit hat
der Verfasser, wie einige Stichproben ergeben, vid
Takt und Kenntnisse bewiesen. Seine Verdeutschung
liest sich mitunter besser als das Original. In sehr
dankenswerterweise ist dem gut gedruckten Bande
ein ausführliches Register beigegeben; zehn Abbil¬
dungen bringen Bildnisse Beminis, Ludwigs XIV.,
Colberts und Reproduktionen nach Marots Stichen
der Louvre-Projekte. R. G.
Hugo Salus , Das neue Buch. Neue Gedichte.
München , Albert Langen.
Jede Generation hat ihren lyrischen Jargon.
Aus Erlebnisgemeinsamkeiten entsteht eine gemein¬
same Ausdrucksweise, die schließlich erstarrt. Die
Bilder verlieren ihren Anschauungs- und Intensitäts¬
wert, werden zu metaphorischen Klischees, die keine
Metaphern mehr sind. Die jüngere Generation ver¬
mag meist nur dies Floskelhafte bei der älteren
Generation zu sehen, da für sie abgegriffene Münze
ist, was den Alteren noch Gold der Kunst war.
Dem, der sich viel mit der Lyrik der „Jüngsten“
befaßt, wird so ein Gedichtbuch wie das „Neue'
Buch“ von Salus zur Aufgabe. Er möchte es nach
71
den eisten Seiten gelangweilt aus der Hand legen.
Das ist alles zum so und so vielten Male gesagt,
ist alles schon besser gesagt, ist allbekannte Poesie
in Anführungsstrichen. Dann aber zwingt man
sich aus dem Jargon der „Jüngsten“ heraus —
denn auch die Ausdrucksweise unserer Generation
wird einmal, wenn noch „Jüngstere“ da sein werden,
ein Jargon sein 5 und — wer weiß ? — vielleicht ein
noch viel unerträglicherer — und sucht, in Achtung
vor einem Alternden, das Wesentliche dieser Wort¬
kunst zu erfassen. Und es geht einigermaßen. Die
alten Worte und alten Strophenformen werden
wieder lebendig, die alten Bilder bekommen wieder
etwas von ihrer Erregungsweite und hie und da
klingt sogar etwas auf, was über den Tag hinausgeht.
Ein alternder Sinnierer bringt seine großen und
kleineren Stunden, ja seine Tagtäglichkeit in Verse
und Reime, ziemlich unbekümmert, oft geschwätzig,
im ganzen ohne die Fähigkeit, Energien aufzu¬
sparen, damit statt eines Dutzends mäßiger Ge¬
dichte eine gute Strophe, vielleicht ein klingendes
Lied entstünde. Man hat das Gefühl, daß dieses
„Dichten“ unaufhaltsam ist; man schlägt nach
und stellt fest, daß es etwa der achte oder gar der
zehnte Gedichtband ist, den dieser Lyriker er¬
scheinen läßt. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Besäße Salus die Kraft, zu konzentrieren, könnte
er vielleicht ein paar,,ewige“ Gedichte hinterlassen.
So aber kommt er nie zur letzten Prägnanz. Man
sieht hie und da eine Strophe, die wie eine Urzelle
zu einem solchen ewigen Gedichte inmitten von
zum Teil unglaublichen Trivialitäten steht, und
behält sie im Ohr. Es fehlt dem Dichter letzten
Endes an einem wirklich eigenen elementaren Welt¬
gefühl, das diese Mannigfaltigkeit zusammenbindet.
Diese Lyrik erhebt sich ganz selten über das Kon¬
ventionelle. In diesem Bezirke aber gelingt dem
Dichter manches Liebenswerte, Lyrisches und Bal-
ladeskes, an dem man jedoch nur allzu oft die Ur¬
bilder auf der Stelle erkennt. Der Dichter weiß
diese Beschränkung. In einem Gedichte „Persön¬
liches“ fühlt er vor Goethe, wie sein „ganzes Ge¬
dicht in sich zusammenstürzt“. Solche Selbstkritik
versöhnt, und man blättert gern weiter.
O. E. H.
Erich Scheurmann , Das Papalagie. Die Reden
des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tivea. Reichen¬
bach i. H. 1920, Felsenverlag.
Der Papalagie, sprich Papalangi, bedeutet —
so behauptet Erich Scheurmann — der Weiße, der
Herr. Über die weiße Rasse hat der Südseehäupt¬
ling Tuiavii aus Tivea — behauptet Erich Scheur¬
mann — eine Reihe von Aufzeichnungen gemacht,
die seinen Stammesgenossen beweisen sollten: „wir
Wilden sind doch bessere Menschen!“ Tuiavii, der
ursprünglich als ein freundlicher Riese mit der mil¬
den Stimme eines Weibes auf Upolu, einer Insel der
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
März-April 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Samoagruppe, lebte, schloß sich — behauptet
Erich Scheurmann — einer Völkerschaugruppe an
und lernte so alle Staaten Europas auf das Genaueste
kennen. Die Übersetzung der Niederschrift seiner
europäischen Eindrücke geschieht „ohne sein Wissen
und sicherlich gegen seinen Willen“, „obwohl er“ —
so behauptet Erich Scheurmann, Seite 11 auf den
Kopf stellend, was er Seite 7 schrieb — „obwohl er
eine Übersetzung ins Deutsche gewährte.“ Bei
dem letzten Zusammensein des Übersetzers und des
Autors sagte — so behauptet Erich Scheurmann —
der Südseehäuptling Tuiavii aus Tivea von den
Europäern mit der Stimme der Wehmut, die be¬
zeugte, daß sein Missionseifer der Menschenliebe,
nicht der Gehässigkeit entspringt: „Ihr glaubtet,
uns das Licht zu bringen, in Wirklichkeit möchtet
Ihr uns mit in eure Dunkelheit hineinziehen.“
Soviel über die Herkunft dieses Buches. Und
sein Inhalt ? Es ist heute ä la mode, die Europäer
herabzusetzen und östliche, südliche, nördliche Erd¬
bewohner bessere Menschen sein zu lassen. Nun
kann man uns gewiß nicht oft genug den Spiegel
Vorhalten. Was dieser Südseehäuptling indessen
vorbringt, über das Fleischbedecken des Papalagie,
seine vielen Lendentücher und Matten, über stei¬
nerne Truhen und steinerne Inseln, über Metalle
und Papier, über die Armut des Papalagie durch
seinen Reichtum, über seine Zeitlosigkeit und der¬
gleichen mehr — was in diesem Buch sich als Naivi¬
tät breit macht, das ist auf den ersten fünf Seiten
ganz amüsant, auf weiteren zehn langweilig und
schließlich schlechthin albern. Weil es die Dinge
von außen statt von innen packt. Weil es ohne
Niveau (des Erlebens, des Empfindens) ist. „Die
Füße endlich bekommen noch eine weiche und eine
ganz feste Haut. Die weiche ist zumeist dehnbar
und paßt sich dem Fuße schön an, um so weniger
die feste. Sie ist aus dem Felle eines starken Tie¬
res, welches solange in Wasser getaucht, mit Messern
geschabt, geschlagen und an die Sonne gehalten
wird, bis es ganz hart ist. Hieraus baut der Papa¬
lagie dann eine Art hochrandiges Canoe, gerade
groß genug, um einen Fuß aufzunehmen. Ein Canoe
für den linken nnd eines für den rechten Fuß.
Diese Fußschiffe werden mit Stricken und Wider¬
haken ... “ Genügts? Ein Kulturtraktätchen für
solche, die nicht alle werden. Es gibt wahrlich
Worte, Taten, Bücher und Werke antieuropäischen
Geistes genug, die uns richten. Der „Papalagie“
gehört nicht dazu. Hans Franch .
Augustus Schmehl , Die Bekehrung der Äbte.
Preziöse Geschichten. München, Kurt Wolff,
Augustus träumt sich in die Rokokowelt zurück.
Er möchte Anmut, überlegene hofmännische Geste,
Esprit zeigen und erfindet zu diesem Zwecke drei
Geschichtchen. Kurt Wolff bietet sie als Drugulin-
Druck, den dritten der neuen Folge, dar. G. W.
73
Wilhelm Schmidtbonn , Die Passion. Das Miste-
rienspiel der Brüder Araoul und Simon Greban.
Aus dem Französischen des Jahres 1452 frei über¬
tragen. Berlin, Egon Fleischei & Co., 1919. Geh. 4M.
Wer nach diesem Titel erwartet, dieses be¬
rühmteste unter den französischen Misterienspielen
doch wenigstens im ganzen nachklingend wieder¬
zuerleben, wird sich seltsam irregeführt fühlen. Ich
muß gestehen, daß mir diese Enttäuschung will¬
kommen war — wenn man nämlich die fast rest¬
lose Auswechslung eines, wenn auch noch so be¬
rechtigten kulturhistorischen Interesses gegen einen
seltenen dichterischen Genuß als einen Gewinn be¬
trachten darf. Tatsächlich ist von der mittelalter¬
lichen Dichtung, ihrer Weitläufigkeit und ihrem
riesenhaften Umfang (34577 Zeilen), von ihrem
chronikartigen Aufbau des Heilandslebens und Er¬
lösungstodes, von der schier unübersehbaren Fülle
der Begebenheiten in allegorischer und historischer
Einkleidung von der Fahrt durch Himmel, Erde
und Hölle hier nichts übrig geblieben, als der
innerste Kern jle s Nazarenischen Seelendramas.
Und auch dieser klingt nur in vereinzelten und
ganz verstreuten Stellen, in der deutschen Um¬
gestaltung fremdländischer Namen und in einigen
wenigen dramatischen Höhepunkten an das fran¬
zösische Spiel an. Die schönsten Partien dieser
wundersamen Passion, der Empfang des Heilands
in Jerusalem, das Zwiegespräch zwischen Maria
und dem todgeweihten Sohn in seiner fortschreiten¬
den psychologischen Entwicklung, die Abendmahls¬
und Erlösungsrede Christi u. a. m., sind mit dem
allerjxersönlichsten Zeichen Schmidtbonnscher Ge¬
staltungskunst versehen. Klänge, Wort und Bild
sind unirdiseh, die Sprache atmet eine Potenz reli¬
giösen Schauens und ist erfüllt von einer inbrünstig
hingerissenen Beseeltheit, die der naiven Schlicht¬
heit und dem kühleren Gefühlston des Originals
ganz fremd sind. Das Geheimnis des Opfers, der
blutende Schmerz der Liebe, der wunderselige
Schrei göttlicher Offenbarung wird hier Ereignis.
Aus überströmendem Herzen spricht ein zeitge-
genössischer Dichter in Klängen, die, wenn sie
überhaupt als historisch inspiriert gelten sollten,
sich nur der deutschen Mystik geistesverwandt
zeigen, jenen unfaßbaren Gesichten in strömenden
Bächen und schäumenden Visionen, wie sie dem
Mund Suses und Eckarts entflossen. Man lese nur
einmal das unter schmerzlicher Musikbegleitung
gedachte Gebet Jesu auf dem ölberg, und man wird
sich scheu-verstummend neigen vor der quellenden
Schönheit der hier offenbarten Leidenstiefe. Die
Bescheidenheit Schmidtbonns, womit er dieses/viel-
leicht schönste unter seinen dramatischen Werken
unter fremdes Namenszeichen stellt, wird uns hier
besonders rührend laben. Sie bedeutet aber auch
ein ernstes Mahnen, diesem noch lange nicht genug
gewürdigten Dichter mehr Aufmerksamkeit zu¬
zuwenden. Magda Janssen .
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Märt-April 1921
Bücher und Bilder — Mitteilungen Zeitschrift für Bücherfreunde
Oshar Wiener , Das Haupt der Medusa. Novellen.
Wien, Ed. Stracke, 1919. 187 Seiten. Geh. 6 M.,
geb. 7.50 M.
Oshar Wiener, Im Prager Dunstkreis. Roman.
Wien, Ed. Stracke, 1919. 161 Seiten. Geh. 5.50 M„
geb. 7 M.
Die Vorliebe für Artisten- und Halbweltleben
ist beiden Bänden gemeinsam, sie steht dem an¬
spruchsvolleren Roman schlechter an als den kurzen
Geschichten des ersten Bandes; auch diese freilich,
die im Simplizissimus ihren Platz gut füllen würden,
ertragen es nicht recht, zu sechsen aneinander¬
gereiht zu sein. Will man das Beste haben, so lasse
man es bei der „Schanzenhanne“ bewenden, die
freilich auch zu den „wandernden Themen“ der Lite¬
ratur gehört. Sie ist wenigstens gar nicht kitschig,
und das kann man von den übrigen Beitragen nicht
immer sagen; um die Gefahr, die hier in der Ge¬
schmacklosigkeit desVariötöstof fliehen liegt, könnte
wohl nur ein großer Zyniker, Wedekind oder gar
Strindberg, herumkommen; die aber bringen so
etwas wohl auf Schaubretter, doch nicht aufs Lese¬
papier. Auch die Gegend — von Böhmen bis
Ungarn — ist der Reinlichkeit des Werkes nicht
gesund. Vielleicht stehthier eine Erzählerbegabung,
die sich an andere Stoffe in anderer Umgebung und
für einen besseren Leserkreis zu guter Leistung an¬
spannen ließe, noch im Bann des bequem Nahe¬
liegenden. M. B.
Zeitschriften.
„Die Gefährten” ist der Titel des dritten Jahr¬
gangs des „Neuen Daimon“, den Albert Ehrenstein
leiten wird. Genossenschaftsverlag Wien VII. Sechs
im Laufe des Jahres 1920 erscheinende Hefte kosten
25 Kronen = 15 Mark.
Das erste Heft bringt Auszüge aus den „Reden
Gotamo Buddhos“ in der Übertragung des vor
fünf Jahren gestorbenen Buddha-Verdeutschers
und Religionsphilosophen Karl Eugen Neumann.
Daß die getroffene Auswahl eine besonders günstige
wäre, wird man kaum sagen können. Es ist auf¬
fällig, daß der expressionistische Herausgeber fast
nur solche buddhistische Weisheit uns zu Gemüte
führen will, die über die Bescheidung in einen
friedsamen Utilitarismus des Lebens kaum hinaus¬
reicht und gegen den himmelstürmenden Subjek¬
tivismus des expressionistischen Bekenntnisses
recht zahm erscheint. M. M.
Nyland. Vierteljahrsschrift des Bundes für
schöpferische Arbeit. Jena, Eugen Diederichs.
Zweiter Jahrgang, erstes Heft; Herbst 1919.
Broschiert 4 M.
In diesem Hefte der von Wilhelm Vershofen
redigierten Zeitschrift erscheint als bemerkens¬
wertester Beitrag eine dramatische Dichtung von
75
Josef Winchler : Die Sirenen. Tragödie der Un¬
fruchtbarkeit Es ist als ein Charakterzug der neu¬
erwachten Hinneigung zum Mythos zu bezeichnen,
daß unsere jüngeren Dichter Probleme, die aus
den sozialen Nöten dieser Zeiten geboren sind, in
alten Fabelgewändem behandeln. Es lockt dabei
die Freiheit, den elementarsten Ausdruck für ge¬
knechtete oder pervertierte Instinkte gebrauchen
zu können. So scheint mir die krasse Schilderung
eines Geschlechtskampfes zwischen einem an das
Sireneneiland geworfenen Griechenjüngling und
einer der vogelkralligen Bewohnerinnen desselben
das tragische Geschick des zur Unfruchtbarkeit
vex^irteilten Weibes symbolisch abwandeln zu
sollen. Mit dichterischer Kraft ist der Eingang
gestaltet, da Odysseus, an den Mast gebunden,
der Insel vorüberfährt; und mit nicht minderer
auch die nun sich zwischen Lynkeus und der Sirene
abspielende Verführungszene, in der die Urgründe
sinnlicher Triebkräfte zum, man darf sagen er¬
schöpfenden physiologischen Ausdruck gelangen;
ebenso aber auch die Qual des zwischen Erregung
und unüberwindlicher Abkehr der Natur sich zer-
quälenden Mannes. Trotzdem jedoch: ein Versuch
mit untauglichen Mitteln, der uns kaum etwas
anderes mitempfinden läßt als eben diese Abwen¬
dung von der pervertierten Natur. Es wäre schade
um die vertane Kraft, doch hat sich Josef Winckler
schon als reich genug erwiesen, um sich einmal
verschwenden zu dürfen; und zudem erweckt dieser
Versuch den Wunsch, diese nicht geringe Kraft
bald einmal an ein der Schaubühne zum Gewinn
reichendes Drama gewendet zu erleben.
M.M.
Kleine Mitteilungen.
Schmierentheater-Zettel. Die „kleinen Direk¬
tionen“ (vulgo Schmieren), deren Kampf ums Da¬
sein jetzt in den „fliegenden“ Kinematographen-
theatem einen harten Konkurrenten ihrer „Kunst¬
pflege“ hat, waren von jeher darauf angewiesen,
ihren Spielplan mit dem Geschmack des Publikums
und den beschränkten Mitteln einer wandernden
Truppe in Einklang zu bringen. Dabei ging es
dann nicht ohne allerlei Gewaltsamkeiten ab, und
besonders die Einrichtung der Klassikervorstel¬
lungen mußte Dekorationen und Personal derart
auf einen strengen Stil bringen, daß der Torso
eines berühmten Bühnenwerkes an Vereinfachung
seiner Linien nichts mehr zu wünschen übrig ließ.
(Daß auch dazu keine geringe Geschicklichkeit ge¬
hört, bewies der Massenherrscher Reinhardt, als er
im Anfänge dieses Jahrhunderts in einer Berliner
Schall- und Rauchvorführung seine Don Carlos-
Parodie zeigte.) Als einzige Zeugnisse der Tätig¬
keit der kleinen Direktionen, denen kein Kritiker
7 «
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
März-April 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
zum Ruhmverwahrer wurde, sind uns gelegentliche
Theaterzettel hinterblieben, deren Komik dafür
Empfänglichen einen erwünschten Stoff für man¬
cherlei Betrachtungen bot. So war Gotthilf Weis¬
stein ein eifriger Sammler solcher Theaterzettel
und er hat gelegentlich auch einiges über sie ver¬
öffentlicht. („Heitere Episoden aus der Geschichte
desTheaterzettels“ in: Striese. Ein lustiges Theater¬
buch. [I.]. Charlottenburg, [1899]). Aber der¬
gleichen Zettel haben auch einige literaturwissen¬
schaftliche Bedeutung, sie zeigen die Rückwand¬
lung der hohen Kunst in Volkskunst oder geben
doch wenigstens Belege, wie da und dort in deut¬
schen Landen die Klassiker durch das Medium
des Theaters zu ihrem Volke kamen. Das mag den
Abdruck eines solchen „Originaltheaterzetteis“, der
nach dem „Boten von der Eger“ im „Anekdoten¬
jäger“. Achter Band. Nordhausen: 1852, Seite 176
(anscheinend mit einigen orthographischen Poin¬
tierungen) wiedergegeben wurde, an dieser Stelle
rechtfertigen.
Gasthaus in Neustadtl vis ä vis von Platz
m.[it] h.[oher] o.[brigkeitlicher] b.[ewilligung.]
Die Verschwörung des Fiasko Doggen von Genua
und Venedig.
Vatterländisches Helden — großes berühmtetes
Ritterschauspiel mit ei’m wirklichen Brand zum
beschluß.
bearbeitet von
Julius von Wellenau in Sachsen in 5 Anzüge.
Personen:
Fiasko der Doggen.Direktor Gabler.
Eleonohre seine Gemahlin . . Madam Gabler.
Doria Fürst von Genua . . . Herr Rossipal.
Julie dessen Schwester . . . Dem. Rossipal.
Verrina ein Geschworener,
Häuptling aus Genua. . . *** (Theaterfreind)
Hussah ein Mohr.Kleinee Gabler.
Geschworene, Masken, Mordbrenner, wällische
Bandisten.
am Schluß ein wirklicher Mordbrand von rothen
Feier.
Gehrte herrschaft, Gähner und Kunstfreinde!
Dieses berühmte Stück emppielt sich wo keine
Kostenersparung nicht gescheid und überall bereits
mit größten Beifall aufgenommen, weil wir in der
hierortigen Gegent nur eine kurze Zeit verhalten
können, bitten wir doch recht sehr um Ihrige Gnade
und Beistand. Unterthänigste.
Preise der Plätze:
Erster Platz nach Belieben hoher Gähner.
Zweiter Platz 20 kr. W. W.
Dritter Platz oder Kinderbilljet wird eingesamelt.
Anfang gegen 8 Uhr wegen Schnit. [d. h. der Ernte
wegen.]
Auch sind an der Caßa vorzüglichste wohl-
richente Seifen und in den größten Städten abge¬
gangene Fleckkugeln, wo man selbe sich sogleich
77
von der Prob überzeigen kann um billigste Preise
zu haben, so auch wohlrichente Vidibus in Etwi.
bitte um zahlreiche Verehrung
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XIII. Jahrgang Mai-Juni 1921 Heft 3
Pariser Brief.
Seitdem ich das letztemal hier über das fran¬
zösische Geistesleben berichtete, sind einige Monate
vergangen. Die französische Situation ist inzwischen
ein wenig klarer geworden. Frankreichs Weg führt
immer entschiedener dem Ziele zu, das schon vor
dem großen Kriege den Einsichtigen als eine Not¬
wendigkeit erschien. Auch in diesen Blättern ist
schon vor 1914 mehrfach darauf hingewiesen wor¬
den, daß ein neuer Klassizismus sich herauszu¬
bilden begann, daß die Führer der lebendigen
Jugend nach einer Neuprägung des Klassizismus
verlangten. Dieser Klassizismus gibt heute dem
französischen Geistesleben den Charakter. Andrö
Gide, der der Wegbereiter dieser neuen Gesinnung
war, ist heute Frankreichs geistiger Führer. Er
hat die Besten seines Landes an sich gezogen und
um sich geschart: Georges Duhamel, Jean Richard
Bloch, Jules Romains, Charles Vildrac, Emile Ma-
zaud, Jacques Rividre, Antoine Proust und Paul
Claudel. Seine Zeitschrift La nouvelle revue
frangaise ist tonangebend. Die Zeitschriften La
Renaissance, La revue critique des id6es et des
livres u. a. variieren Gides kulturpolitische Ge¬
danken, lassen sich aber von der magnetischen
Kraft des gleichen Ziels anziehen. Dieses Ziel ist
so weit und groß, daß ebensowohl Maurice Barrds,
L. Dimier und Jacques Bainville in ihm Raum
haben als auch die menschlich weiteren, welt¬
bürgerlich gesinnten Duhamel, Romains und
Vildrac, die, ohne es zu merken, in die allgemeine
politische Ideologie Frankreichs einbezogen wer¬
den. Nur Henri Barbusse und Romain Rolland
sind sich bewußt, daß Gides Weltbürgertum sich
unmerklich und sanft in eine Weltbeherrschungs¬
ideologie des französischen Geistes wendet. Ihnen
aber fehlt die Kraft der Auflehnung, der Auf¬
rüttelung ihrer Landsleute. Das ist ihnen nicht
als persönliche Schwäche anzurechnen, sondern
das, was Außenstehende als Schwäche zu erkennen
vermeinen, ist nichts anderes als die Unzulänglich¬
keit der menschlichen Natur, die immer und über¬
all ihre Grenzen hat. Barbusse und Rolland sind
nicht Europäer, sondern Franzosen mit dem Ver-
Beibl. XIII, 7 97
langen nach überstaatlicher Geistesgemeinschaft.
Das erweist sich immer deutlicher aus dem, was
beide tun und schreiben, wie auch aus dem, was
beide nicht tun und nicht schreiben.
Durch den Kampf der Intellektuellen für die
Erneuerung des Imperium romanum und durch
die tragische Rolle einzelner Frondeure ist das
französische Geistesleben von hohem Interesse.
Gespannt verfolgt man die in großer Linie steil
aufwärtssteigende Entwicklung und fragt sich,
wohin diese Entwicklung führen wird.
In letzter Zeit wurden in Frankreich mehrere
Umfragen über Bedeutung und Wert von Klassi¬
zismus und Romantik veranstaltet. Das letzte und
entscheidende Wort sprach auch hier Andrö Gide.
Jacques Rividre hat in einer geistvollen, mit
Ironie durchsetzten Abhandlung den Ursprung des
Dadaismus auf die antiklassizistische Romantik
zurückgeführt und damit ein vernichtendes Urteil
über alles Romantische ausgesprochen. Von allen
künstferischen Bestrebungen hat unter den jüngeren
Malern allein noch der Kubismus Geltung. Die ihm
innewohnenden methodischen und pedantischen
Tendenzen werden zum Teil in den Klassizismus
einbezogen. Die neueste Kunstrichtung — der so¬
genannte Purismus — fügt sich in seiner Dar¬
stellung typischer Formen ausgezeichnet in das
Prinzip des Klassizismus ein.
Für die geistige Bewegung in diesem Sinne
sind folgende Neuerscheinungen von Bedeutung:
Paul Claudel, Le päre humiliö; Jules d'Aurinc, La
väritable Jeanne d'Arc; Albert Thibaudet, La vie
de Maurice Barrds; G. Blondei, La Rhönanie; Paul
Bourget, L'öcuydre; Pierre Lasserre, Le romantisme
frangais; Louis Madelin, Le chemin de la victoire;
Charles Maurras, Le conseil de Dante; Romain
Rolland, Clärambault, Pierre et Luce; Georges
Duhamel, Elögies.
La Dämocratie nouvelle hat im Februar eine
Umfrage veranstaltet, ob ein Schriftsteller gegen¬
wärtig durch seine Arbeiten seinen Lebensunter¬
halt verdienen kann. Im allgemeinen geht aus den
Antworten hervor, daß sich die wirtschaftliche
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Mai-Juni 1921
Wiener Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
Lage der Schriftsteller von Jahr zu Jahr ver¬
schlechtert.
Von Edmond Rostand ist ein nachgelassenes
Werk: „La dernidre nuit de Don Juan“ erschienen.
Die Preise für alle Bücher sind in Paris in
stetigem Steigen begriffen. Kürzlich wurden im
Hotel Drouot für eines der zehn Exemplare der
ersten Auflage von Baudelaires Fleurs du mal
11000 Francs bezahlt. Für Werke von Anatole
France wurden am 14. Februar folgende Preise ge¬
zahlt: Les dösirs de Jean Serrien. Originalausgabe
mit Einband von Canaple 215 Francs (Februar 1919
100 Francs); L’anneau amöthyste auf hollän¬
dischem Papier 750 Francs; Pierre Nozidre auf
Japanpapier 960 Francs; Histoire contemporaine
550 Francs. Am 14. Februar wurde die Bibliothek
von Jules Renard versteigert: La ville von Paul
Claudel auf Japanpapier 800 Francs; Pelletan ,
L’affaire Crainquebille mit 62 Zeichnungen von
Steinlen 1100 Francs; Guirin , Le coeur solitaire
220 Francs; Jules Romains, La vie unanime
86 Francs. Im ganzen wurden 41 700 Francs er¬
zielt. Die verschiedenen Versteigerungen der Bi¬
bliothek des Grafen Bearn erbrachten nahezu zwei
Millionen Francs; darunter einzeln Videl, Histoire
de la vie du connötable de Lestigniöres in einem
schönen Einband des 17. Jahrhunderts von Gascon
21 000 Francs; L’histoire de Louis XV. par les
mädailles mit mehreren Stichen von Cochin, La-
grenöe, Boucher und Hallö 10 100 Francs; Extraits
des mömoires de Saint Simon, Manuskript mit dem
Wappen der Marquise de Sariine 6000 Francs.
La revue internationale de l’Ex-libris ist wieder
erschienen; vorläufig aber gelangt sie nur zweimal
jährlich zur Ausgabe. An Neuerscheinungen sind
weiter hervorzuheben: Maurice Busset, Paris bom-
bardö mit zwei Originalradierungen und 13 farbigen
Holzschnitten in 325 Exemplaren. JeanFaber, La
Seine ä travers Paris, Radierungen in 150 Exem¬
plaren; Steinlen, Album de remarques in 115 Exem¬
plaren ; Francis Carco, Maman Petit doigt, Kind¬
heitserinnerungen, zehn Holzschnitte von A. Des-
lignöres in 550 Exemplaren.
Berlin. Dt. Otto Grautoff.
Wiener Brief.
Von Altwiener Bücherfreunden und Bücher¬
narren hat Friedrich Schlögl 1882 in seinem noch
heute lesenswerten Heftchen „Das kuriose Buch“
geplaudert. Er gehörte selber zu den „Biblio-
manen“ und nahm sich gern Vater Haydinger zum
Vorbild, wenn er, der kleine Beamte, dem ehr¬
samen Wirt und Hausherrn vom Grund auch nur
mit bescheidenen Mitteln nachzufolgen vermochte.
Was er in etwa fünfzigjähriger Sammeltätigkeit an
Bücherschätzen kreuzer- und guldenweise erstan¬
99
den hat, das ist nun, nachdem schon sein Sohn in
den letzten Jahren vieles unter der Hand verkauft
hat, seitens der Seidelschen Buchhandlung (In¬
haber O. E. Deutsch) und des Antiquariats Dr.
Ignatz Schwarz am 21. Februar und den folgenden
Tagen unter den Hammer gekommen, und es sind
Preise in Hunderten und Tausenden von Kronen
erzielt worden. Allerdings das eigentliche Altwiener
Sensationsstück der Versteigerung versagte: Schlögl
besaß von dem Johann Heinrich Friedrich Müller
zugeschriebenen Vorspiel in einem Aufzug „Vier
Narren in einer Person“, Wien, gedruckt bey Jo¬
hann Thomas Edlen von Trattnem, 1770 (Goedeke
V, 312), dessen Auflage durch den Brand des Tratt-
nerschen Magazins bis auf wenige Exemplare zu¬
grunde gegangen sein soll, zwei Stücke (nur je ein
anderes sind in der Hofbibliothek und im Wiener
Privatbesitz nachweisbar). Die Auktionatoren spen¬
deten das eine Exemplar der Wiener Stadtbibliothek
und boten das andere um 1000 K aus. Das unan¬
sehnliche broschierte Heftchen von 38 Seiten er¬
zielte knapp 2000 K, also ungefähr 170 M.! Nicht
besser erging es einem anderen Rarissimum. Der
Erstdruck von Anzengrubers Novelle „Die zürnende
Diana“ erschien in einer besonderen Romanbeilage
zum Abendblatt des „Wanderers“ 1868. Keine
unserer öffentlichen Bibliotheken besitzt ein Exem¬
plar des „Wanderers“ mit dieser Romanbeilage.
Nur in Anzengrubers Schriftenkasten in der Wiener
Stadtbibliothek finden sich die Druckbogen der
Novelle, von dem Dichter eigenhändig geheftet und
handschriftlich durchgearbeitet. Schlögls Exemplar
mit Titelblatt wurde mit 500 K ausgerufen und
mit 1600 K zugeschlagen, also ungefähr um den¬
selben Betrag wie andere Erstausgaben Anzen¬
grubers, die ich noch vor ein paar Jahren um
wenige Kronen erstanden habe. Die höchsten Preise
erzielten: ein bis auf den Jahrgang 1811 vollstän¬
diges Exemplar der Wiener Theaterzeitung (15 500
Kronen), die Erstausgabe von Lavaters „Physio-
gnomischen Fragmenten“ ohne Band III (13500
Kronen), Clemens Brentanos Kinderbuch „Roth-
kehlchens, Liebseelchens Ermordung und Begräb-
niß“. Mit 16 farbigen Lithographien und litho¬
graphiertem Text. Zürich, J. Veith, 1843. 16 Seiten
kl. 8°, angeblich noch niemals im Handel vorge¬
kommen (10 400 K), Nicolais „Reise durch Deutsch¬
land und die Schweiz im Jahre 1781“ (9000 K),
Heines „Tragödien nebst einem lyrischen Inter¬
mezzo“ (8200 K) und Erstausgaben von Clemens
Brentano („Godwi“ 8200 K, „Märchen“ 7000 K,
„Ponce de Leon“ 6000 K).
Bei einer anschließenden Versteigerung von
topographischen und Kostümwerken gingen Solo¬
mon Kleiners Belvederewerk bis auf 60000 K,
Obermayrs (Joseph Richter) drei Bände „Bilder¬
galerie katholischer, klösterlicher und weltlicher
Misbräuche“ (Frankfurt und Leipzig, 1784/5) von
1800 K auf 22000 K, Schlotterbecks „Mahlerische
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Mai - Juni 1921
Wiener Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
Reise durch das Herzogtum Salzburg und Fürsten¬
tum Berchtesgaden“ (1808) bis auf 18000 K,
Schwarz* „Wiener Straßenbilder im Zeitalter des
Rokoko“ (1914) auf 16 500 K, Stubenrauchs „Aus¬
wahl schöner Costümes für Theater- und Ball-
Anzüge“ (um 1810) von 3000 auf 11000 K.
Im allgemeinen Ausverkauf ist auch gestohlenes
Gut leicht an den Mann zu bringen. So wurde in
den Magazinen der Wiener Universitätsbibliothek
eine zur Aufbewahrung eingestellte Kiste erbrochen
und daraus eine Reihe äußerst seltener Drucke im
Werte von etwa einer halben Million Kronen ge¬
raubt: Nr. 529 Breviarium von Marienthal (Suppl.
1476), Nr. 344 Heures de Tours (Paris 1488), Nr. 358
Heures de Rome (Paris 1508), Nr. 290 Breviarium
Camaldulense (Venetiis 1514), Nr. 255 Psalmista
Monasterii (Venetiis 1507) und Nr. 391 Psalmista
S. Dominici (1541).
Neu gebildet hat sich eine zwanglose Vereini¬
gung von Wiener Freunden des Buchwesens, Fach¬
männern und Liebhabern, unter Vorsitz des Direk¬
tors der Universitätsbibliothek Hofrat Dr. S. Frank¬
furter. Es zeigte Wolkan seine in Europa einzig
dastehende Sammlung von Büchern deutscher
Wiedertäufer aus Amerika, Klarwill sein Pracht¬
werk über den Prinzen de Ligne, Dr. Goldschmidt
alte Einbände vor.
Die Beamten der Wiener Stadtbibliothek, deren
Eifer und Ausdauer es gelungen ist, trotz der Un¬
gunst der Zeit eine schöne, höchst sehenswürdige
Beethoven-Ausstellung zustandezubringen, werden
deren Ergebnisse in einem „Wiener Beethoven¬
buch“ festhalten, das der Buch- und Kunstverlag
Gerlach & Wiedling in Wien in einer numerierten
Luxusausgabe (in Ganzleder 4200 K, in Halbfranz
1500 K), in einer Vorzugsausgabe (720 K) und in
einer Bibliothekausgabe (480 K) zur Subskription
auflegt.
Auch die Beamten des Haus-, Hof- und Staats¬
archivs, dessen Bestände ängstlicher Hut endlich
entledigt sind, versenden die Einladung zu einer
Vierteljahrsschrift „Historische Blätter“, redigiert
von O. H. Stowasser (Rikola Verlag A. G.), die allen
Geschichtswissenschaften dienen soll. Hoffentlich
kann sich das dankenswerte Unternehmen dauernd
erhalten.
Die von der Staatlichen Lichtbildstelle heraus¬
gegebenen „österreichischen Kunstbücher“ bringen
„Die monumentalen Gemäldefolgen des Domes von
Gurk“ von Bruno Grimschitz , „Die Pestsäule am
Graben in Wien“ von E. Tietze-Conrat und „Salz¬
burgs Stellung in der Kunstgeschichte“ von Alois
Riegl in Wort und Bild zur Darstellung.
Dem genius loci huldigen Helene Bettelheim -
Gäbillon mit ihrer Feuilletonsammlung „Im Zeichen
des alten Burgtheaters“ (Wien, Literarische Anstalt)
und Smekals höchst leichtfertig zusammengestellte
Sammlung „Ferdinand Raimunds Lebensdoku¬
mente“ (ebenda), der Hugo von Hofmannsthal das
lächerlich pompöse Vorwort vorausschickt: „Dieses
kleine Buch enthält ungefähr alles, was wir von
Raimund wissen und vermutlich alles, was wir je¬
mals von ihjn wissen werden.“
Nach Fourniers Tod hat Arnold Winkler die
letzten „Tagebücher von Friedrich von Gentz 1829
bis 1831“ (in der Amalthea-Bücherei) rasch zum
Abschluß gebracht. Zwei schlanke, aber inhalts¬
reiche Bekenntnisschriften Adolf Stöhrs „Heraklit“
(Wien, Ed. Strache) und „Wege des Glaubens“
(Wien, Wilhelm Braumüller) kommen zu gleicher
Zeit mit der Nachricht von dem Tode dieses ori¬
ginellen Denkers. „Asseneth“, die apokryphe Quelle
zu Zesens Roman, bisher in deutscher Übersetzung
noch nicht vorhanden, hat Camilla Lucerna wieder¬
gegeben und erläutert (Wien, Stähelin & Lauen¬
stein). In einer Reihe „Berühmte Männer als Ver¬
bindungsstudenten“ (Wien, Neuer Akademischer
Verlag) veröffentlicht O . F. Scheuer eine für die
Geschichte des deutschen Burschenwesens inter¬
essante Studie über „Richard Wagner als Student“.
Die Sedezliebhaberausgaben des Kunstverlages
Anton Schroll & Co. in Wien haben einen Zuwachs
erfahren durch Kellers Seidwyler Geschichte „Klei¬
der machen Leute“ mit acht reizenden Original¬
lithographien von Willi Harwerth.
Unter den uns vorliegenden Gedichtbänden
sei auf die wohlgelungene neue Nachdichtung der
Elegien des Tibull und Properz durch Hermann
Sternbach (Berlin, Propyläenverlag) besonders hin¬
gewiesen. Die ganze Weite moderner Empfindungs¬
möglichkeiten läßt sich abmessen, wenn man von
dem schlichtgläubigen „Frühlingstraum“ des Zister¬
ziensers Tezelin Halusa vorschreitet zu „Der Minne
Sang und Sehnen“, Nachdichtungen von Wolf gang
Madjera, dem in gutem Sinn heinesierenden Maxi¬
milian Hartwich („Abseits vom Wege“), der an
Lenau gebildeten Lyrik Karl Schnellers, den sen¬
sitiven und auf Sensationen ausgehenden neuro¬
tischen „Tuberosen“ Felix Dörmanns , der klang¬
vollen Formkunst Ernst Fischers („Vogel Sehn¬
sucht“) oder Julius Franz Schütz* („Kreise um die
Welt“) bis zu dem in expressionistischen Künsten
sich versuchenden „Pastorale“ des Alexander Maria
Lernet .
Die Novellenbände der Wiener Literarischen
Anstalt machen uns mit zwei Talenten bekannt,
die eine Entwicklung versprechen, der man gern
folgen wird: Paul Rainer aus Innichen, der „Le¬
genden aus dem Pusterthal“, die Geschichte einer
Kindheit in Tirol „Unterm Haunold“ und markige
Heimatgedichte „Tirol“ vorlegt, und Bruno Ertler ,
dessen Kindheitsnovellen „Die Königin von Tas¬
manien“ uns besser Zusagen als „Venus im Morgen“
und „Venus die Feindin“.
Franz Karl Ginzkey nähert sich in seinem
letzten Werk „Die einzige Sünde“ (Leipzig, L.
Staackmann) immer mehr einem Gipfel in der vollen
Herrschaft über die Kunstform der Novelle.
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Mai-Juni igsi
Von den Auktionen
Zeitschrift für Bücherfreunde
Auf stoffliche Wirkung berechnet sind die Ro¬
mane von Paul Busson „F. A. E.", Werner Sehe ff
„Juan Femandez“, E. Müller-Sturmheim „Der Narr
der Liebe'*, Theodor Heinrich Mayer „Typhus",
in denen die Schrecken der Kriegs- und unserer
„Friedens "zeit nach zittern. An das Mittelmaß des
Frauenunterhaltungsromanes halten sich Irma
Hofers „Fanny Elßler" und Marie Eugenie delle
Grazie „Der Liebe und des Ruhmes Kränze". Gegen
den zweiten Band von Adam Müller-Guttenhrunns
Lenauroman „Dämonische Jahre" habe ich bei
aller Anerkennung für des Verfassers flotte Er¬
zählungskunst denselben Einwand wie gegen den
ersten zu erheben: daß das Leben romantischer
ist als ein noch so gut ausgesonnener Lebensroman.
Zu den Höhen der Kunst streben Robert Hohlbaum
(„Die Amouren des Magister Döderlein") und Gustav
Renker („Der Abend des Heinrich Biehler").
Über die Mentalität der gegenwärtigen Führer
des tschechischen Volkes gibt reichen Aufschluß
die sonst unerfreuliche Tendenzschrift von J. S.
Machar „Rom", die trotz einer nur mäßigen Über¬
setzung schon in zweiter Auflage vorliegt (Wien,
Ed. Strache). Palackys Saat geht auf: die neuen
Hussiten stehen schon gerüstet gegen die angeb¬
lichen Erbfeinde der Slawen, das Deutschtum und
Rom.
Wien, Ostern 1921.
Prof. Dr. Eduard Castle.
Von den Auktionen.
Am 10. und 11. März kam bei Sotheby in London ,
New Bond Street 34 u. 35 die Sammlung früheng¬
lischer Literatur aus der berühmten Bibliothek von
Sir Christiemiller unter den Hammer; die Biblio¬
thek war besonders reich an sehr seltenen Drucken
des vorshakespeareschen England; viele Unika
waren darunter. Der mit zahlreichen (32) Licht¬
drucken nach den Titelblättern der Rarissima aus¬
gestattete Katalog beschrieb 321 Hummern. Der
Gesamtertrag belief sich auf 48552 £, wovon
40000 £ auf Rechnung des Herrn Rosenbach in
Philadelphia kamen. Die wichtigsten Preise folgen:
Nr. 3. The lamentable and true Tragedie of
M. Arden. London 1599. Das Drama ist Shake¬
speare zugeschrieben worden; siehe Gaggards
Shakespeare Bibliography, 410 £. — Nr. 6. N. Bre¬
ton, Melancholike humours . . . London, Richarde
Bradocke, 1600. Nur noch zwei andere Exemplare
bekannt, 400 £. — Nr. 7. N. Breton, Pasquils
Mistresse . . . London, Thomas Fisher, 1600.
Unikum, 510 £. — Nr. 8. N. Breton , A divine
poem . .. London, John Browne u. John Deane,
1601. Nur noch zwei oder drei Exemplare bekannt,
400 £. — Nr. 28. Thomas Churchyard , A myrrour
for man . . . London, Robert Toye [vor 1553].
103
Wahrscheinlich Unikum, 890 £. — Nr. 33. T.
Churchyard , A pleasaunte Laborinth called Church-
yardes Chance, 1580, 350 £. — Nr. 43. Samuel
Daniel , The vision of the 12 goddesses, 1604,
390 £. — Nr. 48. Michael Dreyton , Mortimeriados
[r 596], 300 £. —Nr. 54. Everyman. London, John
Skot [1530]. Wahrscheinlich Unikum, 1080 £. —
Nr. 55. Giles Fletcher, Licia, or poemes of love
[1593], 620 £. — Nr. 59. Edward Gosynhill , The
schole house of women [1541]. Wahrscheinlich
Unikum, 350 £. —Nr. 60. Robert Greene, Penelopes
Web, 500 £. — Nr. 61. R. Greene , The first part
of the tragicall raigne of Selimus, 1594, 240 £. —
Nr. 62. R. Greene , The historie of Orlando Furioso,
1594, 400 £. — Nr. 71. William Hall, Mortalities
Meditation, 1624, 470 £. — Nr. 82. Thomas Hey-
wood , The first and second partes of King Edward
the fourth, 1600, 490 £. — Nr. 89. History of
Jacob and his twelve sonnes [1570]. Wahrschein¬
lich Unikum, 750 £. — Nr. 104. Jacke Drums
Entertainment , 1601. Wird zitiert in Shakespeares
AlTs well that ends well III, 6. Früher Shakespeare
zugeschrieben, 600 £. — Nr. 116. Thomas Jordan ,
Divine raptures or piety in poesie, 1646. Nur noch
ein Exemplar im British Museum bekannt, 600 £.
— Nr. 123. John Lane, Tom Tel-Troths Message,
1600, 400 £. — Nr. 131. George Lander , Tears on
the death of Evander. Hagh 1630. Wahrscheinlich
Unikum, 500 £. — Nr. 146. Thomas Lodge, Rosa-
lynd, Euphues Golden Legacie 1604. Wahrschein¬
lich die vierte Ausgabe und Unikum. Die erste
Ausgabe erschien 1590. Shakespeare entnahm
diesem Werk den Grundplan zu „As you like it",
630 £. — Nr. 180. Samuel Nicholson, Acolastus,
his After-Witte, 1600. Enthält zahlreiche Zitate
aus Shakespeare, 1450 £. — Nr. 193. Ovid, The
Fyrst Fower Bookes .. . translated . .. by Arthur
Golding, 1565, 450 £. — Nr. 205. Henry Parrot,
The Mons-Trap, 1606. Nur noch ein zweites Exem¬
plar im British Museum, 450 £.—Nr. 206. H. Parrot,
The more the merrier, 1608, 410 £. — Nr. 214.
George Peele, The Honour of the Garter, 1593,
400 £. — Nr. 217. William Percy, Sonnets to the
fairest Coelia, 1594. Nur noch zwei oder drei andere
Exemplare bekannt, 650 £. — Nr. 220. Peter Pett ,
Times journey to seeke his daugther Truth, 1599.
Der Dichter Spenser und seine Werke werden
darin erwähnt. Wahrscheinlich Unikum, 890 £. —
Nr. 221. John Philip , A commemoration of the
Right Noble Ladye Magrit Duglasis [1578]. Nur
drei Exemplare bekannt, 350 £. —Nr. 227. Pimlyco ,
or Runne Red-Cap, 1609, 340 £.—Nr. 229. Thomas
Powell, The passionate poet, 1601. Wahrscheinlich
Unikum, 950 £. — Nr. 236. Proude wyves Pater
Noster , 1560. Nur drei oder vier Exemplare be¬
kannt, 550 £. — Nr. 269. Anthony Sherley, Witts
New Dy all, or A Schollers Prize, 1604. Nur noch
ein anderes Exemplar bekannt, in dem ein Blatt
fehlt, 1000 £. — Nr. 270. John Shelton, Certaine
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Mai-Juni igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
bokes [vor 1554], 330 £. — Nr. 271. /. Skelton ,
Here after foloweth a litle boke of Phillip Sparon
[1560], 350 £. — Nr. 272. J. Skelton, Here after
foloweth a litle booke whiche hath to name Whi
come ye not to courte [1560], 350 £. — Nr. 314.
Richard Turner , The Garland of a greene Witte,
Discovering the constancie of Calipolis. A precious
spectacle for wanton Wives[ 1595]. Unikum. Nicht
erwähnt in Esdailes English Tales and Romances;
der Name des Verfassers findet sich auch nicht im
Dictionnary of National Biography, 1000 £. —
Nr. 317. F. W. Gentleman , The Lamentation of
Melpomene, for the death of Belphaebe our late
Queene, 1603. Unikum, 850 £. —Nr. 318. William
Wallace, TheLyfe and Actes of... William Wallace,
1594, Eins der zwei bekannten Exemplare; das
andere unvollständig, 600 £. — Nr. 320. Here folo¬
weth a lytell treatyse of the beaute of women s. a.
Wahrscheinlich Unikum, 450 £. — Nr. 321. Peter
Woodhouse , The Flea. Nur noch ein zweites Exem¬
plar bekannt. Enthält eine Anspielung auf eine
Person aus einem verloren gegangenen Drama von
Shakespeare, 900 £. M. D. H.
Neue Bücher und Bilder.
Friedrich v. Bernhardt , Eine Weltreise 1911/12
und der Zusammenbruch Deutschlands. Leipzig,
S . Hirzel , 1920.
Dieses Buch hat nicht nur historischen Wert.
Es sind zwar keine künstlerischen Schilde¬
rungen, die der Verfasser von Ägypten, Ceylon,
Japan und Amerika gibt, sondern alles ist mit
dem Auge des scharfsichtigen, nüchternen, im¬
perialistischen Politikers gesehen. Aber die Aus¬
führungen über die geographischen und wirtschaft¬
lichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern können
von bleibendem Nutzen sein. Den Engländern und
allem englischen Wesen gegenüber beherrscht Bern-
hardi eine unüberwindliche Idiosynkrasie.
Die Hauptbedeutung wird das Werk aber als
eine zweifellos sehr intelligente Formulierung des
politischen Denkens gewisser Kreise in Deutsch¬
land aus der Vorkriegszeit behalten, die der Über¬
zeugung waren, daß unsere Hilfsmittel ausreichten,
um in vier oder fünf Jahrzehnten dahin durchzu¬
dringen, wohin andere Staaten seit fast derselben
Anzahl von Jahrhunderten wollten. Bemhardi ge¬
steht am Ende seines Buches seinen politischen
Irrtum ein, und es wirkt versöhnend, daß er für
die Katastrophe nicht das deutsche Volk mit
Schmähungen überhäuft, sondern sich dem Schick¬
sal unterwirft, ohne den Glauben an einen späteren,
organischeren Aufstieg zu verlieren. F. K.
105
Fjodor Dostojewskij , Das politische Gedicht
auf die europäischen Ereignisse von 1854. Deutsch
von Alexander Eliasberg. Drei Masken-Verlag,
München 1920. Geh. 5 M. 41 S.
Das Gedicht hätte vielleicht noch besser in
einer Zeitschrift seinen Platz gefunden als in einem
selbständigen Heft, aber auch so müssen wir dem
Übersetzer und Verleger für die deutsche Veröffent¬
lichung danken. Denn Dostojewskij als Politiker
zu lesen ohne jede künstlerische Gestaltung seiner
Gedanken, ist für jeden Leser, für den Bewunderer
wie für den kühleren Bestauner seiner gewaltigen
Romanbauten, sehr belehrend. Daß es nicht so
gekommen ist, wie sich seine slawische Leiden¬
schaft der Rechtgläubigkeit es hoffte:
„Trompetenschalll In Herrlichkeit und Glanz
Schwebt Rußlands Doppeladler gen Byzanz ,“
das kann uns nur noch nachdenklicher seiner Pro¬
phezeiung folgen machen; denn unrichtige Voraus¬
sagen großer Geister sind mehr wert für die Er¬
kenntnis als die exakteste Berechnung einer me¬
teorologischen Station über das Wetter von morgen.
Dem Gedicht ist eine Aufsatzfolge aus dem Grash-
danin von 1877—1881 beigegeben, deren zweites
Stück ein ergreifendes Bekenntnis des Nationalisten
im guten Sinn ist, während das vierte durchaus von
einem „Aufklärungsoffizier“ des Jahres 1917 her¬
rühren könnte (oder von LudwigThoma, ehe er sich
als Mitglied der Einwohnerwehr inmitten einiger
freundlicher Schützenliesein photographieren läßt.)
M. B.
Hans Frank, Siderische Sonette. München, Del¬
phin-Verlag. 79 S.
Mit einer ungewöhnlich starken geistigen Lei¬
denschaftwerden hier in sieben Kreisen, die ebenso-
viele Ebenen des Geistigen bedeuten, siebenmal
sieben Sonette angeordnet — Gedichte zu zweimal
sieben Zeilen — die ein Allerheiligstes besingen: eine
Liebe, die im Zeichen der Gestirne steht. Denn
ihr Aufschwung — mystisch, nicht erotisch —
schwingt in jenem Wirbel mit, der seit Jahrhun¬
derten das Ich dem All entgegenzuschleudern ent¬
facht ist. Und Gott ist über alles Ziel hinaus der
schmerzlich Umworbene.
Es ist unmöglich, dinglich über so undingliche
Erscheinungen zu sprechen, wie es unmöglich ist,
über Musik zu sprechen. Und hier sind wir im
Bereiche der Musik, der antlitzlosen Rede und der
rhythmischen Selbstvergessenheit. Wenn man dar¬
um von einem höchsten Gesichtspunkt aus — und
diese Dichtungen verlangen ihn! — eine Aussage
versucht, so kann es nur die Form sein, die besagt
wird. Und man könnte sagen, daß in diesen Ver¬
sen noch zuviel Antlitz ist und noch zu wenig Selbst¬
vergessenheit, zuviel Gebautes, Plastisches und zu¬
wenig Strömendes. Daß aus Gedanken stählerne
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Mai-Juni 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Brücken geschlagen werden, und doch der Gedanke
niemals tragende Brücke ins Unendliche sein kann,
denn er führt immer nur zu einem anderen Ge¬
danken. Vielleicht liegt das zum Teil im Charakter
des Sonettes als solchem—diesem gebautesten aller
Gedichte — zum Teil im Charakter des Sprachlichen
selbst, das niemals ganz rein Melos und Rhythmik
sein kann. Zum Teil liegt es aber auch — und man
soll es nicht verschweigen — in einer halbhellen
Wachheit des Dichters in Augenblicken, wo schärf¬
ste Helle des Bewußtseins oder tiefstes Dunkel der
Inspiration hätten walten müssen. Darum bleibt
das Bild oft nur Bild, wo es ganz großes Sinnbild
hätte sein sollen. Fritz SchwieferU
Hans Grober , Piero della Francesca. Achtzig
Tafeln mit einführendem Text. Basel , Benno
Schwabe 6* Go. t 1920. Groß-4 0 .
Das gesamte Werk des alten Meisters der
Fresken von Arezzo und Urbino, der staunens¬
werten Porträts Federigos von Urbino und seiner
Gattin Battista Sforza erscheint hier in muster¬
haften Gesamt- und Teilaufnahmen, begleitet von
ausführlichen, überall wohlerwogenen Nachweisen,
in denen die Ergebnisse Venturis, Corrado Riccis
und Wittings durch eigene Forschung Gräbers er¬
gänzt und berichtigt werden. Eine Gesamtdarstel¬
lung des Lebens, des Stils dient dem Bilde der
Persönlichkeit, über die so wenig Tatsächliches
überliefert ist, zum Hintergrund. Die Ausstattung,
insbesondere die Aufnahmen und der Druck der
Bilder, stehen auf großer Höhe, und die gesamte
Publikation gereicht dem Verfasser und dem Ver¬
lag zur Ehre. G. W.
Richard Hamann , Rembrandts Radierungen.
Dritte Auflage. Mit 139 Abbildungen. Berlin , Bruno
Cassirer.
Verdienst und Erfolg heben diese Schilderung
des Radierers aus der Masse der Rembrandt-
Literatur empor. Sie steht neben dem Werke Neu¬
manns als Einführung in die Welt des Großen von
jenem Ausgangspunkt moderner Kunstbetrach¬
tung, die mit dem ersten Schritt unmittelbar zu
den Denkmälern gelangt, historische Voraus¬
setzungen erst am Schluß dem fertigen Bilde als
Rahmen anfügt, dem geübten Auge und dem auf¬
geschlossenen Sinn allein das Verstehen überläßt.
Solche Fähigkeit bewährt Hamann in hohem Maße.
Die guten Ätzungen kommen auch auf dem min¬
deren Papier der neuen Auflage genügend heraus,
um dem Worte zur Stütze zu dienen, ausgenommen
wenige, wie die auf S. 204 oder 217. P—e.
107
Basilius Hermann , O. S. B. Theoktista aus
Byzanz, die Mutter zweier Heiligen. Fr eihurg i. Br. t
Herder, 1919.
Eine Lebensbeschreibung, deren Inhalt auf
zwei statt fünfundneunzig Seiten zusammenzu¬
fassen wäre, sowenig Tatsächliches bietet sie, im
übrigen ein Erbauungsbuch für Katholiken.
-o-
Rudolf Hübner , Die Staatsform der Republik.
[= Bücherei der Kultur und Geschichte, heraus¬
gegeben von Seb. Hausmann, Band 1.] Bonn, Kurt
Schröder , 1920.
Dieses ausgezeichnete Buch verdient nicht bloß
in Deutschland die allerweiteste Verbreitung. Der
Hallenser Staatsrechtslehrer gibt darin auf Grund
deutscher, vor allem aber auch wichtiger aus¬
ländischer Literatur, die bisher bei uns nur allzu¬
sehr vernachlässigt wurde, zunächst eine klare
Übersicht über das Wesen und die Geschichte der
für die Staatsform der demokratischen Republik
grundlegenden Gedanken: der Volkssouveränität,
dfcr Menschenrechte, der Repräsentation und der
Trennung der Gewalten. In dem 2. Teil schildert
er die (heutigen) Verfassungen der Vereinigten
Staaten, Frankreichs und der Schweiz. Es ist
selbstverständlich, daß bei der starken inhaltlichen
Verwandtschaft auch sehr wichtige Schlaglichter
auf das englische Verfassungsleben fallen. Seinem
Ursprung aus Vorlesungen verdankt das Werk die
flüssige Form der Darstellung. Hübner begnügt
sich nicht mit der rein staatsrechtlichen Analyse,
sondern er nimmt auch Stellung zu den einzelnen
demokratischen Grundgedanken wie den empi¬
rischen Verfassungen. Das erscheint in einer Zeit,
da wir Deutschen selbst nach einer neuen Verfas¬
sung ringen, durchaus berechtigt.
Bei aller Anerkennung für die Gesamtleistung
habe ich drei Einwände gegen das Werk. Zunächst
zeichnet Hübner auf S. 56 f. ein Bild vom alten
Ständestaat, das mit den Anschauungen des Libera¬
lismus im 19. Jahrhundert über diese Staatsform
übereinstimmt, bei dem heutigen Stand der For¬
schung aber nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.
Wir müssen uns unter allen Umständen davor
hüten, wie früher dem staatsrechtlichen Vorder¬
grund, der einst die konstitutionelle Monarchie und
jetzt die demokratische Republik ist, in ver¬
gangenen und anders gearteten gegenwärtigen Ver¬
fassungsformen eine stilisierte Folie zu leihen. Un¬
voreingenommenheit nach allen Seiten tut not.
Das gilt auch für den zweiten Einwand. Hübner
erklärt S. 15, daß von verschiedenen Formen der
Republik heute „nur noch die demokratische Re¬
publik“ in Betracht käme, und aus diesem persön¬
lichen Urteil heraus schließt er die Schilderung der
russischen sozialistischen Republik aus. Diesen
Standpunkt kann ich nicht teilen. Man mag zu
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Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Sowjetrußland stehen wie man will, auf jeden Fall
haben wir allen Grund, seine Verfassung, mit der
es sich bei der Entente schließlich doch zur An¬
erkennung zu bringen im Begriff steht, zu studieren.
Daß die Verfassung der deutschen Republik aus¬
geschlossen blieb, erklärt der Umstand, daß die
Vorlesungen am 30. Juli 1919, d. h. einen Tag vor
der endgültigen Annahme der neuen Verfassung
durch die Nationalversammlung abgeschlossen wur¬
den. Endlich: Hübner hat seinem Objekt gegen¬
über das Verhältnis starker Sympathie. Er ver¬
kennt zwar die Schattenseiten der fremden Ver¬
fassungen keineswegs, aber er sucht demgegenüber
ihre positiven Seiten stark hervorzukehren. Das
ist bei der Selbstverständlichkeit, mit der früher
(selbst von Delbrück und Jellinek) die konstitutio¬
nelle Monarchie als die beste Staatsform gepriesen
wurde, sehr verdienstvoll. Nur finde ich, daß sich
Hübner dabei etwas zu sehr von den letzten Er¬
folgen dieser Länder über uns beeinflussen läßt.
Diese sind aber doch keineswegs bloß auf die
demokratische Verfassung zurückzuführen. An
einer Stelle beugt er sogar die Tatsachen. S. 169
sagt er von der französischen Verfassung von 1875,
daß unter ihr „Frankreich seinen großen Triumph
(im Weltkrieg) errungen hat.“ Sind wir denn wirk¬
lich unbedingt verpflichtet zu glauben, was sich
und ihren Lesern die französischen Boulevard¬
blätter krampfhaft tagtäglich einreden ?
Das Ausland hat sich nach dem 9. November
1918 gewundert, mit welcher Bereitwilligkeit Be¬
amte und Gelehrte in großer Zahl sich auf den
Boden der Republik gestellt haben. Es wurde das
als Charakterlosigkeit ausgelegt, weil die fremden
Völker die Stellung der Deutschen zur Monarchie
vom Heer und den Strebern abgeleitet hatte. Die
innere Befreiung sehr weiter, nicht etwa bloß so¬
zialistische Kreise von monarchistischer Ehrfurcht
blieb unbeachtet. Sie ließ das Schicksal der ent¬
thronten Fürsten kalt, sie litten nur unter dem
Unglück des Vaterlandes. Diesen Deutschen fällt
jetzt die entscheidende Aufgabe zu, ihren Patrio¬
tismus in die weitesten Kreise zu tragen und zu
verhindern, daß die Parole: hie Monarchie — hie
Republik nicht noch einmal zur Schicksalsfrage
unseres durch innere Spaltungen wahrhaftig genug
zerrissenen deutschen Volkes wird. Zu ihnen ge¬
hört Hübner, und auch darum ist seinem Buch der
beste Erfolg zu wünschen. Fritz Kaphahn.
Jahrbuch der jungen Kunst , herausgegeben von
Prof. Dr. Georg Biermann. Erster Band: 1920.
Leipzig , Klinkhardt 6* Biermann.
Aus seiner Zeitschrift „Der Cicerone“ vereinigt
Biermann Aufsätze, die Gegenstände aus dem
Bereich neuester Kunst behandeln. Die Reihe der
35 Beiträge formt sich zu einem Gesamtbild der
Moderne, fast lückenlos alle wichtigen Einzeler-
109
scheinungen umschließend und durch allgemeinere
Betrachtungen ergänzt. Viele vortreffliche Bilder
erläutern die von Berufenen verfaßten Texte, gute
Originalgraphik von Pechstein, Morgner,Eberz u. a.
schmückt nebst einem programmatischen Ein¬
band Pechsteins den sehr stattlichen, musterhaft
gedruckten Band. Einer Vorzugsausgabe in nume¬
rierten Exemplaren ist noch eine Originallitho¬
graphie Meidners beigegeben. G. W.
Arthur Kahane, Die Tarnkappe. Roman. Berlin ,
Erich Reiß , 1920. 439 S.
Dem jungen Mann, der entschlossen ist, in den
Fluß zu springen — er fürchtet sogar die Lächer¬
lichkeit der Spree nicht — schenkt Asmodeus die
Tarnkappe. Er wendet sich dem Leben wieder zu,
und in der ersten Nacht, die ihn wieder hat, träumt
er sich allerhand Genuß zusammen, den ihm die
Zaubergabe verschaffen soll. Wir werden mit einer
jener Häufungen von Sammelobjekten traktiert,
die Oscar Wilde so schwelgerisch und Emile Zola
so gutbürgerlich gekocht auf den Lesetisch der
vorigen Generation zu setzen liebten. Gustav
Hübner, so heißt der Tarnkappenmann, baut sich
Innenarchitekturen, an denen man heutzutage
Millionen verdienen kann ; er hängt Bilder auf, als
wäre er ein Museumsdirektor mit Privataufträgen
aus Berlin W („Und eine Salome von Gustave
Moreau, graziös und crudel wie irgendeine von
Crivelli und Lorenzo di Credi. Und Frauen von
Renoir und Klimt“); er stellt Bücher hinein, von
Plato bis Wedekind im Einband dem Wesen des
Dichters angepaßt Aber sein Drucker ist leider
nicht so lettrö wie er selbst und stellt uns unter
den verwegenen Abenteurern und Landstreichern
der Literatur „Gah, den Dichter der Bettleroper“
vor — übrigens hat er dabei wohl eigentlich recht,
denn weshalb sollte der gute alte Dichter der
Beggar’s Opera nicht ebensogut auch Gah ge¬
heißen haben, wenn er schon ein Abenteurer oder
Landstreicher war ? Dagegen hat der Verfasser des
Romans sicherlich nicht recht daran getan, in
diesem Katalog beliebter Autoren gerade den treff¬
lichen Le Sage mit seinem hinkenden Teufel weg¬
zulassen. Denn die „Tarnkappe“ ist ja nur
ein neuer Aufguß auf jenes uralte, immer wieder
schmackhafte Kraut, von dem uns Le Sage den
beliebtesten, in der Tat auch heute noch ganz
frischen Tee bereitet hat. Dem unsichtbaren Ein¬
dringling in die verschlossenen Wohnungen, dem
Lauscher der vertraulichsten Unterhaltungen zeigt
sich menschliche Schlechtigkeit überall, und nur
wo er im tapferen Entschluß auf sein Schwarz¬
kunstmittel verzichtet und den Menschen ins Ge¬
sicht entgegentritt, kann er Erfreuliches erleben.
Ein offener Blick aus furchtlosen Augen ist immer
wie ein Sonnenblick, in dem die Spinnen und Erd¬
würmer wegkriechen müssen.
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Neue Bücher und Bilder
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Kahane hat große Gaben; er versteht sich auf
den feinsten Schliff. Aber er hat nicht die rechte
Verantwortlichkeit. Er übertreibt oft; das ist bei
einem Schriftsteller, der es nicht nötig hat, schwer
zu entschuldigen. Er gibt sich zuviel mit kleinen
Schlechtigkeiten des Polizeiberichts ab, und das
ist wiederum nicht recht, wenn einer große Güte
und himmlische Weisheit so zu dichten weiß, wie
sie hier in dem alten Broda verkörpert sind. Er
sucht manchmal den Leser mit einem Stück poli¬
tischen oder literarischen Schlüsselromans gerade
zu jener Art von heimlichtuendem Klatsch zu ver¬
leiten, gegen den die Moral der „Tarnkappe“ mit
Recht eifert (der Minister, den eine agrarisch¬
deutschvölkische Clique wegen Schlappheit beim
Kaiser zu verdächtigen sucht; der Diplomat mit
dem Doppelleben in Salon und Kaschemme, in
vielen Duellen und Hofskandalen; der Kritiker,
der „halb wie ein Affe und halb wie ein Oscar
Wilde ausschaut“, sich pudert und schminkt und
geprügelt wird: das ist alles zu sehr aus der Region
der kleinen Zeitungen, die nachts am Potsdamer
Platz ausgeboten werden). Es ist ein Sittengesetz
ebenso wie eine Kunstregel, daß man mit nichts
so sparsam umgehen muß wie mit dem Haß. Es ist
ein Gift, das nur in der richtigen, vorsichtig be¬
stimmten Dosis heilsam wirken kann. M. B.
Hans Koester , Die ununterbrochene Reihe.
Berlin , Ernst Rowohlt , 1920. 50 Seiten. 15 M.
Die Gedanken dieser Gedichte in Spruchform
sind nicht immer so neu und groß wie sie zunächst,
in knappste Verse geprägt, erscheinen. Aber eben
diese Formung reizt zu dankbarem Verweilen und
tieferem Nachsinnen. Die besten Gedichte gemah¬
nen an Goethes Spruchdichtung. Die abstrakte
Ausdrucks weise und allzu starke Komprimierung
des Gedanklichen führt jedoch oft zu Paralogis¬
men, die einem blutvolleren Dichter fremdbleiben
würden und die den Leser dieser „ununter¬
brochenen Reihe“ zu widerspruchsvoller Unter¬
brechung zwingen. F. M.
Emst Krieche Die Revolution der Wissenschaft.
Ein Kapitel über Volkserziehung. Eugen Diederichs ,
Jena 1920. 60 Seiten. Brosch. 6 M.
„Die Idee der organischen Gemeinschaft ist
unsere eigentliche revolutionäre Idee: sie wird uns
befreien vom abstrakten Individualismus, von der
Herrschaft des Mechanismus und des »Fort¬
schritts 1 .“ Diesen Leitgedanken eines „Tat“-Auf-
satzes des Verfassers über „Die Revolution von
Innen“ darf man auch als den seines hier vorlie¬
genden Buches bezeichnen. Er ist der unbezwei-
felbar einmütige, klare, unanfechtbare, der die all¬
gemach zu Bergen sich türmende Reformenlitera¬
tur dieser von Qual und Hoffnung durchzitterten
XIX
Jahre kennzeichnet. Immer aber wieder überwiegt
Qual die Hoffnung, weil er so ganz wirkungslos auf
alles bleibt, dem er das sittliche und geistige Form¬
gesetz diktiert, und die Hoffnung fast nichts an¬
deres vermag, als sich im innersten aufzurichten
an den starken Klängen ethischen Willens und
schöpferischer Entschlüsse, am Temperament der
zahlreichen publizistischen Begabungen von gedie¬
genem Format, die — fast als einzigen Trost — un¬
sere Not hervorgebracht hat. Und willig wird man
Ernst Krieck als ihrer würdigsten eine begrüßen.
Nur will die Skepsis sich nicht sch wichtigen
lassen, daß dieses scheinbar so einfache , fast mit
religiöser Gewalt sich der Vernunft bemächtigende,
sich nicht will verwirklichen lassen. Es scheint
das Leichteste und ist doch das Schwerste — gar
nicht zu denken, wie diese allein keimkräftige Idee
von dem immer noch zynischer sich ausbreitenden
Schiebertum — Schiebertum in Wirtschaft, Kunst,
Geist und Staat — in schamloser Weise sabotiert
wird. Revolution der Wissenschaft ? . . Die Revo¬
lution der Seelen muß doch wohl vorausgehen.
Und eigentlich meint Ernst Krieck auch diese; ihr
redet er die wärmsten, beherzigenswertesten Worte,
die jedem empfohlen seien, der der Stärkung seines
Glaubens an ein Weiterleben unseres Volkes bedarf.
Max Martersteig .
Julius Kühn, Der Dichter und das All. Coburg ,
E . Riemann.
Drei Vorträge Kühns behandeln grundsätz¬
liche Einstellungen von Dichtern zu den Kategorien
Zeit, Raum und Gott. Das sind nicht die einzigen
„Grundformen, die dem Menschen in seinem
Verhältnis zum All möglich sind“, aber freilich
drei der wichtigsten. Bei Stifter wird die räumlich
bedingte Anschauung als die wesentliche erwiesen,
bei Wilhelm von Scholz die Bedingtheit einer vor¬
stellenden Phantasie durch die Zeit betont, und
Franz Werfel erscheint vor allem — wie überall —
als der Gottsucher. Diese nirgends erschöpfenden,
aber in allen drei Fällen aufschlußreichen Charak¬
teristiken erfreuen durch feines Empfinden, ge¬
bildeten Ausdruck und reichliche, gut gewählte Be¬
legstellen. G. W.
Georg Kulka , Der Stiefbruder. Aufzeichnung
und Lyrik. Wien-Leipzig, Ed. Strache, 1920. 10 M.,
Vorzugsausgabe 25 M.
Daß uns der sogenannte Expressionismus etwas
zu geben hat, wissen wir. Daß ferner eine revo¬
lutionär auftretende Kunst eigenstes Wesen so¬
zusagen potenziert darbietet, ist an sich kein
Schade, da es — vom kritischen Standpunkt aus
— genügt, wenn die neue Richtung einen latenten
Wert hat. Die unmittelbare zeitliche Wirkung ent¬
scheidet schließlich nicht, ebensowenig darf man
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Mai-Juni ig2i
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Zeitschrift für Bücherfreunde
aber dem großen Publikum seine Ablehnung all¬
zusehr verargen. Auch Kulka dürfte sie erfahren.
Unsere jüngste Kunst, die doch zumeist gefühls¬
mäßig genommen sein will, zeigt sich oft in der
Form so stark vom Verstand beeinflußt, daß hier
ein unheilvoller Widerspruch entsteht. Zum Aus¬
druck seiner seelischen Inhalte wählt man eine
unverständliche Sprache, und die es auch immer
bleiben muß, weil der den sprachlichen Gebilden
verliehene Begriffs- und Gefühlswert durchaus nur
in dem einen Gehirn des Schöpfers existiert. Selbst
zwei Dichter derselben geistigen Veranlagung
drücken mit denselben Worten verschiedenes aus.
So kommt man schließlich zu völliger Auflösung
der Sprache. Ich verwahre mich, das folgende ver¬
stehen oder nachfühlen zu können:
Und.
Erwartung.
Kraß. Selber. Übermut. Schoß.
16. Gemischt. Auftreibung. Alles.
Brodeln. All.
usw.
Kulka kann auch anderes, Gedichte sind da, die
man sogar versteht, die vielleicht auch gut sind,
aber er kommt in diesem Band zu keinem eignen
Gesicht, das ihn von den Ausdrucksgenossen unter¬
schiede. Die Strömung jagt dahin: viele werden
getrieben, wenige nur werden sich herausringen.
C. N.
V. Loewe und M. Stimming , Jahresberichte der
deutschen Geschichte. Jahrgang i (1918). Breslau ,
Priebatschs Verlagsbuchhandlung , 1920, VIII und
124 Seiten.
Dieses Werk, das in Zukunft „regelmäßig binnen
Jahresfrist nach Ablauf des Berichtsjahres“ er¬
scheinen soll, knüpft bewußt an die „Jahresberichte
der Geschichtswissenschaft“ an, die 1913 zu er¬
scheinen aufgehört haben. Wer jemals mit diesen
letzteren zu tun gehabt hat, dem werden deren
offenbare Mängel nicht verborgen geblieben sein.
Zahlreiche Abteilungen blieben jahrelang unbe¬
arbeitet. Der knappe Text wurde zunehmend mehr
von bloßen Literaturangaben überwuchert, und
man sah schließlich nicht ein, warum denn nicht
zu einem Publikationsprinzip im Stile von Dahl¬
mann-Waitz 1 Quellenkunde übergegangen wurde.
So fanden sie schließlich überhaupt nicht mehr die
Beachtung, die sie für die große Sammelarbeit,
welche in ihnen aufgespeichert wurde, verdient
hätten.
Die Herausgeber der jetzt vorliegenden „Jahres¬
berichte“ sind sich der zahlreichen Schäden, welche
die alte Publikation aufwies, durchaus bewußt
geworden. Sie haben sie in ihrem jetzigen Unter¬
nehmen dadurch zu überwinden versucht, daß
sie zunächst den Gedanken sowohl der intensiven
wie der extensiven Vollständigkeit aufgaben; sie
beschränkten sich auf Deutschland und hielten be-
Bdbi. XIU, 8 ZI 3
wußt eine Auswahl unter der gesamten vorliegen¬
den Literatur. Außerdem betonten sie statt des
territorialen wieder mehr das reale Einteilungs¬
prinzip und legten Nachdruck auf das Wort: Be¬
richt. Sie bemühten sich namentlich von den neuen
Hauptwerken eine knappe, die wissenschaftlichen
Resultate heraushebende Inhaltsangabe zu liefern.
Es braucht hier nicht weiter ausgeführt zu
werden, welchen Schwierigkeiten derartige Grund¬
sätze stets begegnen werden, welch bedeutende
Rolle das subjektive Moment in solchem Falle zu
spielen beginnt, und welche Verengung des histo¬
rischen Gesichtskreises die Beschränkung auf
Deutschland mit sich führen muß. Es ist darum
nur zu begrüßen, wenn die Herausgeber im Vor¬
wort ankündigen, daß sie sich für die Zukunft Vor¬
behalten, „deutsche Mitarbeiter zur Berichterstat¬
tung über die Geschichtsliteratur der wichtigsten
außerdeutschen Staaten zu gewinnen“.
Die Auswahl der Werke kann man im allge¬
meinen wohl als eine glückliche bezeichnen. Da¬
gegen lassen die Referate mitunter doch zu wün¬
schen übrig. Wie in den alten Jahresberichten, so
werden auch in den neuen wichtige Werke (z. B.
Th. Litts „Geschichte und Leben“) nur in den Fu߬
noten genannt, ohne daß der Text auf sie Bezug
nimmt. Es geht auch nicht an, daß, wenn der
Referent schon auf ein eigenes Urteil verzichtet
(wie im Fall Spengler) nur eine einzige Rezension
(die Tröltschs in der Hist. Ztschr.) erwähnt wird.
Das Referat über die methodologischen Neuerschei¬
nungen wirkt überhaupt besonders unbefriedigend.
Vielleicht wäre für dieses Kapitel den Heraus¬
gebern anzuraten, einen historisch wie philosophisch
gleichmäßig durchgebildeten Mitarbeiter zu gewin¬
nen.
Trotz dieser Einwendungen möchte ich allen,
die sich rasch über die Fortschritte der Geschichts¬
wissenschaft auf dem Gebiete der deutschen Ge¬
schichte im Jahre 1918 unterrichten wollen, dieses
Büchlein warm empfohlen haben. F. K.
Friedrich Märker , Lebensgefühl und Weltgefühl.
Einführung in die Gegenwart und ihre Kunst. Mit
48 Abbildungen. München , Delphin-Verlag.
Unsere Neuesten meinen, die ältesten und
selbstverständlichen Voraussetzungen alles Kunst¬
denkens zu neuen, selbstgefundenen Wahrheiten
zu erheben, wenn sie die Terminologie durch eine
— wie man zugeben kann, stärker durchblutete —
Sprechart ersetzen und an früher zu wenig beach¬
teten alten und. vor allem an jüngsten Kunst¬
werken erweisen, daß Körper und Seele entweder
trennbar oder, wie Märker über den Futurismus
hinauslenkend meint, imtrennbar sind. Solche
Nachweise bedeuten nicht viel, sind leichte Ge¬
hirnakrobatik. Wer uns jetzt sagt, daß Impressio¬
nismus und Expressionismus in der bewußten Ein-
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Zeitschrift für Bücherfreunde
heit von Lebens- und Weltgefühl überwunden wer¬
den , und wer Cözanne und Mar6es ans Ende der
Reihe stellt, der konstruiert nach seinen Wünschen
eine Welt, die ebensoviel oder ebensowenig Daseins¬
recht hat wie die alte normative Ästhetik. Das
schön gedruckte, trefflich illustrierte Buch reiht
sich einer schon allzugroßen Schar nahe ver¬
wandten Schriften an. G. W.
Walter Meckauer , Wesenhafte Kunst. München ,
Delphin-Verlag .
Vom Begriff der „ästhetischen Idee“ ausgehend,
den Kant von Baumgarten übernommen hat und
der bis auf Leibniz’ „ideö immödiate“ zurückzu¬
verfolgen ist, versucht Meckauer über den Umweg
Lipps, Meumann und Bergson die phänome¬
nologische Methode für die Ästhetik nutzbar zu
machen. Jedes Kunstwerk hat in Bergsons Sinn
mit der „veritä de raison“ und nicht mit der „veritö
de fait“ zu tun; künstlerisches Schaffen hat seinen
Ursprung nicht im „Spieltrieb“, es ist Konzen¬
tration auf das Wesentliche nicht „Erdichtung“
sondern „Verdichtung“. Trotz der völlig verschie¬
denen Einstellung von Philosophie und Kunst gibt
es ein Gemeinsames zwischen Phänomenologie und
expressionistischer Kunst, das Streben beider ist
in stärkerem Maße als dies bisher der Fall war,
unter Ausschaltung aller unwesentlichen Begleit¬
umstände allein auf das Wesenhafte gerichtet.
Rosa Schapire.
Xaver Meschko , Das Paradies auf Erden. Zwei
Kindergeschichten. Deutsch von Mina Conrad-
Eybesfeld. Freiburg i. Br., Herder (1920.)
Zwei Geschichten von Kindern. Ein kleiner
Junge sucht das Paradies auf der Erde, wandert
stracks in die Fremde und wird wieder zur Mutter
heimgebracht. Und ein Findelkind lernt das Geigen¬
spiel, das sein Lebensinhalt wird, bis ein Feind ihm
die Geige im Abgrund zerschellt; als es sie holen
will, wird dies sein Tod. Zart und ansprechend
sind die Stücklein, gläubig möchte man sagen, aber
Geschichten für Kinder sind es nicht: dazu sind
sie zu wenig stofflich. Literarische Ansprüche aber
darf man ebensowenig stellen: daran hindert die
Mittellage des Tons, der eben halb kindlich ist und
mangelnde psychologische Vertiefung. -o-
Kurt Erich Meurer. Der große Trost. Eine
Liebesfeier in fünf Abteilungen und einem Epilog.
Hamburg und Berlin, Ho ff mann & Campe, 1920.
Geb. 12,50 M.
Der kleine Roman kann als überzeugende
Talentprobe des Prosaikers gelten. Die Liebe eines
intuitiv das Leben von innen ergreifenden, kind-
IX 5
haften Menschen zu einer erwachenden Kinder¬
seele, ihr Verlöschen und seine freiwillige Auflösung
leuchtet in starken, eigenartigen Farben. Ein über¬
flüssiges zwiefaches Vorspiel und ein paar teils
schematisch, teils unklar hingezeichneten Neben¬
gestalten bezeugen Anfängerschaft. G. W.
A . Miethe, Die Technik im zwanzigsten Jahr¬
hundert. Fünfter (Ergänzungs) - Band: Bau¬
ingenieurwesen — Küstenbefeuerung — Luftbild¬
erkundung. Braunschweig, Georg Westermann, 1920.
Dem großen Werke, das Miethe unter Mit¬
wirkung vieler erster Fachleute geschaffen hat,
schließt sich dieses Supplement würdig an. Wer
über die im Titel genannten Sondergebiete, deren
erster auch das weite Feld des Städtebau- und
Siedelungswesens umfaßt, gründliche und zugleich
leicht verständliche Auskunft wünscht, wird dem
prächtigen, reich illustrierten Bande dafür dank¬
bar sein. G. W.
Mynona , Die Bank der Spötter. München,
Kurt Wolff.
Mit einer derben Humoreske setzt der dicke
Band (450 Seiten) ein und entwickelt sich zu einer
Rahmenerzählung, die in steiler Linie zu den
Höhen des Humors hinaufsteigt, wo die Philalogie,
der Gegensatz der trocknen Philologie, heimisch
ist. „Humor ist die lachende oder lächelnde him¬
melhohe Erhabenheit, welche sich freilich ver¬
schweigt, verstellt und statt ihrer direkten Offen¬
barung nur das Verlachte zum Vorschein bringt“,
so heißt es auf Seite 55. Das Verlachte bedeutet
hier die scheinbar wohlgeordnete, auf ihre Kultur
stolze Gegenwart, deren Widersinn zutage tritt,
wenn man diese ernsthafte Wirklichkeit nur als
Windmühlen einschätzt, mit einem Idealismus,
der sehend ist, nicht blind wie der des Don Quixote.
Solcher Gesinnung erscheint nichts Irdisches mehr
ehrwürdig, sie sitzt auf der Bank der Spötter,
bildet einen Verein von lachenden Philosophen
und läßt, teils erlebt teils erzählt, ihre Weltan¬
schauung zur Tat werden. Hier lacht die Idee selbst,
die Vernunft, von der höheren Realität auf die
gemeine hinabblickend. „Flüchtet nur nicht aus
der Sinne Schranken in die Freiheit der Gedanken!
Umgekehrt! Umgekehrt! Aus der Freiheit der
Gedanken in die Schranken der Sinnenwelt als
Missionare der Idee einbrechen! Nicht der Idealis¬
mus, sondern dessen Feigheit vor der Realität ist
abgetan.“ Dieser auf S. 383 f. ausgesprochene
Grundgedanke wird von einigen der Episoden
mehr, von anderen weniger gut verkörpert; aber
schon um seinetwillen steht das Buch als die Lei¬
stung eines ungewöhnlichen Kopfes, als eine den
Geist aufs angenehmste beschäftigende Lektüre
fast ohne Genossen da, am ehesten der Galgen-
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Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
liederlyrik Morgensterns verwandt und der Erinne¬
rung an den größten Vorgänger, an Lichtenberg,
nicht unwert. G. W.
Arnold Neuweiler , Massenregie. Eine Studie
über die Schauspielchöre, ihre Wirkung und ihre
Behandlung. Mit einer Einleitung von Franz
Graetzer. Bremen , Werbezentrale Lloyd , G. m. b. H.
4,50 M.
Das Heft des jungen, temperamentvollen
Schauspielers ist kein Seitenstück zu Walther
Lohmeyers trefflicher „Dramaturgie der Massen**,
die ihm gleich aller übrigen Literatur über seinen
Gegenstand ganz gleichgültig bleibt. Er springt
gegen die Mißstande der Bühne von heute an und
sucht mit Hilfe der Erfahrungen, die er bei Rein¬
hardt und dessen Massenregisseur Held gesammelt
hat, das deutsche Provinztheater zum Tempel
hoher Kunst zu gestalten. Wenn man überall das
nötige Menschenmaterial an Art und Zahl, die
nötige Zeit, die nötige Energie und den nötigen
Idealismus aufbringen könnte, ließe sich nach
Neuweilers Rezepten wohl der Chor im Schauspiel
zu einem edleren Instrument als bisher formen;
aber wann wird die goldene Aera dafür kommen ?
G. W.
Martin Andersen Nexö , Die Familie Frank.
Roman. Berechtigte Übersetzung aus dem Däni¬
schen von Hermann Kij» München , Albert Langen ,
1920. 206 Seiten.
Der Dichter der großen Romane „Pelle der Er¬
oberer** und „Stine Menschenkind** gibt in der
„Familie Frank** ein kleineres, aber nicht minder
eindrucksvolles Bild vom Kleinstadtleben seiner
Heimat Bomholm. Schneider Frank, ein Säufer,
Pantoffelheld und Schwadronneur; Madam Frank,
die grobe, gesunde Waschfrau, die das Regiment
führt und den Mann auch in seinem Nebenberuf
als Friseur mit ihren Waschfraufäusten drastisch
vertritt; ihr Sohn Thorvald, dessen Vater natür¬
lich nicht der impotente Schneider sondern der
Brauer Dam ist, ein köstlicher Freiluft-Bengel mit
frechem Maulwerk und gutem Herzen: sie sind alle
mit der selbstverständlichen Sicherheit des großen
Könners lebendig gemacht. Und ein Humor, der
nicht erkünstelt wirkt wie etwa der einer Alice
Berend, weil nicht Überlegenheit, sondern mensch¬
liche Teilnahme ihn wecken, ein teutonisch-derber
Humor oft, erfüllt das Buch trotz Elend und Tod
mit befreiendem Gelächter. Die naturalistische
Zustandsschilderung in der Kunst mag hundert¬
mal totgesagt werden: sie lebt, wenn ein Dichter sie
auferstehen läßt. F. M.
117
Carl Niessen t Dramatische Darstellungen in
Köln von 1526—1700 (Veröffentlichungen des
Kölnischen Geschichtsvereins 3). Köln , O. Müller ,
136 Seiten.
Auszüge aus den Akten und der sonstigen Lite¬
ratur tragen in zeitlicher Folge alles zusammen,
was sich über die ersten Epochen der Schauspiel¬
kunst im „deutschen Rom“ erkunden läßt. Der
Verfasser weiß das reiche Material mit guter Kritik
zu verwerten, auch fehlt es nicht an der nötigen
Hintergrundzeichnung, um die lokalen Verhält¬
nisse in ihrer Bedingtheit durch die allgemeinen
Theaterzustände jedes Zeitraums erkennen zu
lassen. Nicht wenige der hier dargebotenen neuen
Tatsachen reichen in ihrer Bedeutung über die
Ortsgeschichte hinaus, am weitesten das gut wie¬
dergegebene Bühnenbild der Laurentius-Auffüh¬
rung von 1581. Dieses Bild ist ein deutsches
Seitenstück zu dem bekannten Szenenbild des
Valencienner Passionsspiels von 1547. Die Bühne
des Laurentius-Spiels war ein erhöhtes Podium,
rings von einem grünen Tuch umspannt, das die ver¬
schiedenen, nebeneinander aufgebauten Dekoratio¬
nen umschloß. Wir sehen hier also deutlich den
Übergang von der zentralen Simultanbühne des
Mittelalters zur Guckkastenbühne der Gegenwart.
Auch die Ausstattung weist durch das Streben nach
historischer Echtheit zur neuen Zeit hinüber. Die
Schrift Niessens wird schon durch diese Bilder¬
beigaben zu einem wichtigen, ja unentbehrlichen
Dokument für alle, die sich ernsthaft mit der Büh¬
nengeschichte befassen; nicht minder verdient sie
durch ihren sonstigen Inhalt besondere Beachtung.
G. W.
Ovidy Drei Bücher über die Liebeskunst und
Heilmittel gegen die Liebe. Herausgegeben und
übertragen von Otto M. Mittler, 10 Steinzeichnun¬
gen und 5 Vignetten von Hanns Gott. München ,
Georg Müller , 1920. 4 0 . In Halbpergament 200 M.
in Ganzleder 400 M. und 20 % Verlagszuschlag.
Zum ersten Male erscheint das Hauptwerk des
eleganten Römers in einer Verdeutschung, die den
Ansprüchen an treue Wiedergabe, Stilechtheit
und leichte Lesbarkeit genügt. Mittler hat alle
Fähigkeiten, die seine gewiß nicht leichte Aufgabe
erfordert, vollauf bewährt. Mit ungemischtem
Vergnügen liest der Kenner die große Liebesfibel
in dieser neuen Gestalt, deren gereimte sieben-
füßige Jamben Platenscher Herkunft ein unüber¬
treffliches Surrogat des lateinischen Hexameters
bedeuten. Die Sprache ist anmutig, flüssig, reich
an schlagenden Windungen moderner Färbung,
immer völlig ungezwungen, so daß der Gedanke
an eine Übersetzung gar nicht aufkommt. Als
Probe sei aus dem zweiten Buche der Eingang der
bekannten Mars-Venus-Affäre wiedergegeben:
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Im ganzen Himmel spricht man noch vom niedlichen
Skandale ,
Wie Venus ward mit Mars ertappt vom schlauen
Herrn Gemahle.
Es halt* in toller Leidenschaft der Lenker grauser
Schlackten ,
Gevatter Mars , sich drauf verlegt , Frau Venus an¬
zuschmachten.
Und Venus (keiner Göttin Herz ist weicher als das
* ihre)
War nicht so dumm , zu widerstehn dem strammen
Grenadiere.
Des Gatten hinkendes Gestell verspottet sie ohn' Ende
Und seine von der Arbeit Müh\ vom Feuer harten
Hände.
Sie ahmte oft Vulcanus nach vor Mars: Das war
entzückend ,
Und sie dabei nicht weniger beglückend als be¬
rückend.
Im Anfang hielten alle zwei geheim die Schäfer¬
stunden
Und haben im Vergehen doch noch etwas Scham
empfunden.
Doch Sol (was könnt' dem Sonnengott denn auch ver¬
borgen bleiben?)
Bracht*s an den Tag. Von ihm erfuhr Vulkan der
Gattin Treiben . . .
Die Einleitung Mittlers bringt das Nötige ohne
alle Pedanterie, auch den richtigen Hinweis, daß
der Liebhaber der Pornographie bei der „Ars
amatoria“ trotz ihres schlechten Rufs nicht auf
seine Kosten kommt. Der Druck, ist vortrefflich,
die Bilder Götts zeugen von starkem, noch nicht
ganz ausgereiftem Talent. G . W.
Peladan , Der Sieg des Gatten. Roman. Über¬
tragen von Emil Schering. Mit einem Nachruf auf
Peladan und einer Radierung von Point. München ,
Georg Müller , 1920. 291 Seiten. 9 M., geb. 12 M.
Aus Theodor Fontanes Leben ist mir immer
jene „Strapaze“ unvergeßlich, die er selbst so
köstlich erzählt hat: der Besuch in Bayreuth 1889,
wo er die Aufführung des „Parsifal“ schon nach
dem Vorspiel verläßt, körperlich und seelisch be¬
engt von dem „schwülen Druck“ der Tempel-
Atmosphäre. Der Gegenpol dieses unromantischen
Norddeutschen, mit dem ich auch in diesem Punkte
sympathisiere, ist der verzückte Franzose Peladan,
dessen gewiß nicht geringes Verdienst es heißt, in
Frankreich für Wagner eingetreten zu sein. Sein
Bayreuth-Erlebnis suchte er in dem Roman „Der
Sieg des Gatten“ zu gestalten. Er führt seine
Helden auf der Hochzeitsreise nach Bayreuth, sie
finden in „Tristan und Isolde“ den höchsten
Rausch ihrer Sinnenliebe gespiegelt und die Musik
peitscht ihre erotischen Triebe zu höchster Leiden¬
schaft. „Während ein unsichtbares Orchester und
die Stimmen zweier Schatten die geheimsten
119
Schauer der Wollust und der Liebe murmeln“
(„murmeln“ sagt wohl nur Emil Schering), liegen
sie sich im verdunkelten Zuschauerraum in den
Armen. Und „Parsifal“ entreißt den Gatten der
Liebe, führt ihn zum „okkulten Papsttum und
königlichen Mitleid“.
Die Wirkung Wagnerscher Musik ist oft in
Roman und Novelle benutzt worden; bei Peladan
hat der Wunsch, den Franzosen eine Lektion über
Wagners Werke zu geben, und die Größe seines
eigenen Erlebnisses die Kunstform des Romans
völlig zertrümmert. Wir erhalten einen inter¬
pretierten Textauszug, einen Kommentar, eine
Hymne auf Wagner und sein Werk. Aber das alles
fällt aus dem Rahmen der Erzählung ebenso heraus
wie die Kapitel über Geheimwissenschaft, als deren
Adept Peladan bekannt ist. Das hohe Lied der
Sinnlichkeit, als das der Roman gedacht war und
das auch mit leidenschaftlichen Tönen durchklingt,
wird überall durch Anmerkungen in und unter dem
Text gestört, so daß man zu keinem reinen Genuß
des unruhigen, im Stil sehr ungleichen Werkes
kommt.
Und gestört wird der deutsche Leser obendrein
noch durch die Übersetzung. Strindberg hat sich
vielfach anerkennend über Peladan ausgesprochen.
Das ist dem Franzosen zum Verhängnis geworden,
denn er hat nun auch den gleichen Emil Schering
zum Dolmetsch seiner Werke bekommen, dessen
Verdienste um Strindberg viel umstritten sind.
Daß Schering Schwedisch kann, ist bezweifelt
worden; ob er Französisch kann, müßte ein Ver¬
gleich seiner Übertragung mit Peladans Original
zeigen; sicher ist, daß er nicht deutsch schreiben
kann. Er bildet die unmöglichsten Partizipial-
konstruktionen mit „habend“, er schreibt „speite“
statt „spie“, er hat kein Ohr für den Mißton einer
„Anmut von unvermuteten Bewegungen“. Es wirkt
bei solcher Sachlage erheiternd, wie eine vorweg¬
genommene Selbstverteidigung, wenn Schering in
dem sehr anfechtbaren Nachruf an Peladan sagt:
„Für Peladan ist, wie für Strindberg, die Sprache
immer Mittel geblieben, durch das er seine Gefühle
und Gedanken ausdrückte; er hat niemals an seiner
Sprache gefeilt. Die Worte sind ihm entstömt voll
von Musik . . .“ Wem aber die Worte nicht wie
Musik entströmen, der sollte denn doch die Feile
nicht verachten! F. M.
Leo Perutz , Der Marques de Bolibar. Roman.
München , Albert Langen. Geh. 10 M., geb. 17 M.
Durch die Virtuosenleistung seines Romans
„Zwischen neun und neun" hat Perutz hohe Er¬
wartungen für sein weiteres Schaffen erregt. Das
neue Werk erfüllt sie durch die glänzende Vision
der spanischen Welt zur Zeit des Unabhängigkeits¬
kampfes gegen Napoleon und durch die raffiniert
erfundene Handlung. Diese deutschen Offiziere,
dieser schauerliche Salignac, diese Monjita, dieser
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Mai- Juni igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Gerberbottich und dieser wundersam wandlungs¬
fähige tote Marques spielen ein Schauerstuck, das
man nicht wieder vergißt und in dem jede Szene
spannend, aufregend, rührend wirkt, ohne daß
kunstwidrige Mittel angewandt würden. G. W.
Toni Rothmund, „Das stumme Klavier“.
Roman. Philipp Reclam jun. t Leipzig (o. J.). 182. S.
Ein oft erprobtes Romanthema — den Kampf
zwischen nüchterner Wirklichkeit und der Sehn¬
sucht des Phantasiemenschen — variiert Toni Roth¬
mund in der Ehegeschichte eines Pfarrers und dessen
Gattin, die das Blut ihres Vaters, eines begabten,
doch erfolglosen Musikers, in sich trägt. Mit vielen
Frauenbüchern hat auch dieser Roman bei aller
Glattheit der äußeren Form das Fehlen einer eignen
Handschrift gemein. Die Sprache ist sanft „blumig*',
aber ohne Stoßkraft. Die romantische Stimmung,
in die das Ganze getaucht ist, vermag das Unleben¬
dige der Darstellung nicht zu verschleiern.
J. B.
Robert Riemann , Rednerschule. Die Kunst der
politischen und wissenschaftlichen Rede vor der
Öffentlichkeit. Leipzig , Dieterich*sehe Verlagsbuch¬
handlung .
Dieses Büchelchen von hundert Seiten vermehrt
die heftig aufschießende Rhetorikliteratur um ein
recht lebendiges Stück. Wie schon der Untertitel
sagt, behandelt der Verfasser Rede und Vortrag.
Durch Berücksichtigung des Vortrags, der von der
Rede doch wesentlich verschieden ist, kommt eine
kleine Unsicherheit in das Buch. Dem Verfasser
fehlt eine sprachkritische Unterscheidung dieser
beiden nur durch das Sprechen zunächst verbun¬
denen Arten der Mitteilung; sonst könnte er nicht
Logik und Redekunst als Disziplinen nebeneinander
stellen, was vollendeter Unsinn ist. Sonst aber
wird in gefälliger, mehr plaudernder als systema¬
tischer Form, was bei diesem Stoffe nur günstig
ist, viel Richtiges über den Redner, sein Rüstzeug
und seine Arbeitsweise gesagt. Temperamentvoll
durchbricht der Verfasser manche Klischees der
alten Rhetorik und setzt Lebendiges und Erlebtes
an die Stelle der alten Götzen des klassizierenden
Formalismus. Einige etwas willkürlich gewählte,
aber hübsch durchgeführte Analysen von „be¬
rühmten Rednern“ leiten die Abschnitte über
„Redner und Manuskript“, „Wortwahl und Vor¬
trag“, „Redner und Zuhörer“ aus. Selbst der in
der Literatur bewanderte Lehrer und Lernende
wird aus dem Buche Vorteil ziehen können.
O. E. H.
Hermann Schneider , Uhland. Leben, Dichtung,
Forschung. Mit drei Bildnissen. Berlin , Ernst Hof-
mann < 5 * Co., 1920 (= Geisteshelden, Bd. 69/70).
527 Seiten.
Das Buch ist den Manen Erich Schmidts ge¬
widmet, der selbst Uhland eine ausführliche
Lebensbeschreibung widmen wollte. Eine den An¬
sprüchen an wissenschaftliche Behandlung und
künstlerische Darstellung genügende Uhland-Bio-
graphie haben wir bisher nicht. besessen. Die
umfangreicheren Lebensbeschreibungen Friedrich
Notters und Emilie Uhlands waren nicht viel
mehr als wertvolle Materialsammlungen; was später
dazu gekommen ist, beschränkt sich auf kürzere
Darstellungen vorwiegend populären Charakters.
Aber ein gewaltiges Material an Monographien, die
irgend eine Seite von Uhlands Wesen beleuchten,
an Studien und Aufsätzen lag bereit, dazu das von
Julius Hartmann herausgegebene „Tagbuch“ und
die große von demselben landeskundigen Gelehrten
im Auftrag des Schwäbischen Schiller Vereins be¬
sorgte Briefsammlung in vier Bänden. So konnte
der Biograph aus dem Vollen schöpfen. Drüber
hinaus bot noch der in Marbach und Tübingen
erwähnte handschriftliche Nachlaß reiche Gelegen¬
heit, den Stoff, wie er bisher vorlag, wesentlich
zu erweitern. Davon hat Schneider in umfassen¬
der Weise Gebrauch gemacht. Eingehend wird
dem Dichter Uhland seine Stellung innerhalb
der Literaturgeschichte, insbesondere der Ro¬
mantik, zugewiesen, werden seine einzelnen
Leistungen beurteilt und zergliedert. Die große
Bedeutung, die der Verfasser den Erzeug¬
nissen der beiden poetischen Nachsommer von
1829 und 1834 in der Entwicklungsgeschichte der
Uhlandschen Lyrik zuerkennt, ist nicht über¬
zeugend. Der Politiker Uhland, namentlich das Mit¬
glied der württembergischen Landstände, wird mit
weniger Vorliebe geschildert als der Dichter und
Germanist. Es kam dem Verfasser offenbar darauf
an, die Persönlichkeit seines Helden in ihren
großen Zügen herauszuarbeiten. Ihre Grundzüge
sind ohnehin nicht leicht zu verfehlen: bei ihm
ist ja alles auf das Einfache, Aufrechte, Gerade
angelegt. Ihre Grenzen und Mängel hat der Bio¬
graph richtig erkannt und sie auch deutlich aus¬
zusprechen keine Scheu getragen; die Unbefangen¬
heit, die er sich gegen seinen durchaus nicht über¬
schätzten Helden wahrt, ist ein Hauptvorzug von
Schneiders Werk. Ein Lob muß noch der ge¬
schickten Gliederung des Stoffs und zwanglosen
Kapiteleinteilung gewidmet werden: die chrono¬
logische Grundlage ist folgerichtig, aber nicht
überängstlich durchgeführt. R. Krauß .
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Mai-Juni 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Franz Schuberts Briefe und Schriften . Heraus¬
gegeben von Otto Erich Deutsch. München , Georg
Müller , 1919. 115 Seiten. Geh. 6 M., geb. 8. M.
Ein schmächtiges Bändchen nur, mit dem der
unermüdliche O. E. Deutsch die Schubertfreunde
beschenkt hat, enthaltend alles, was liebevoll
forschender Eifer bis jetzt an Briefen, Widmungen,
Tagebuchfragmenten und gelegentlichen Notizen
hat zusammenbringen können, im ganzen 117 Num¬
mern. Denn wieviel auch verloren gegangen sein
oder noch ans Tageslicht kommen mag, zu einer
Korrespondenz mit der großen Welt wie Mozart
und Beethoven hat es Schubert bei seiner dürf¬
tigen Lebensstellung, seiner persönlichen Beschei¬
denheit und dem erst gegen das Ende hin wachsen¬
den Ruhme nie gebracht. In beglückendem Freund¬
schaftskult erschöpften sich seine Tage. Was wir
an Briefen an den Bruder Ferdinand, an Schober,
die beiden Hüttenbrenner, v. Spaun, Mayrhofer,
Moritz von Schwind, Kupelwieser haben, offenbart
das wesentliche seiner menschlichen und künst¬
lerischen Persönlichkeit so ausreichend, daß ein
Dutzend weiterer Aufzeichnungen das Bild kaum
verändern würde. Ein munterer, wienerisch ge¬
färbter, oft burschikoser Ton, wie ihn auch Schu¬
mann liebte, herrscht vor. Zwischendurch, bei
längerer Abwesenheit der Freunde, Anwandlungen
von Melancholie, die sich gewöhnlich in poetischen
Ergüssen kundgibt. Es wird wenig kritisiert und
gescholten, und von vielem, was das Musikleben
der Kaiserstadt im zweiten und dritten Jahrzehnt
an Ereignissen bot, etwa Beethovenschen Urauf¬
führungen, erfahren wir so gut wie nichts. Auch
über das eigene Schaffen fallen nur wenige Sätze,
genug freilich, um zwischen den Zeilen Lesende
nachdenklich zu stimmen. Keine Zeile verrät etwas
über Schuberts Liebesieben. Eine kleine allegorische
Prosaerzählung vom Jahre 1822 zeugt von dich¬
terischer Kraft, und die beiden Schilderungen der
Salzburger Reise 1825, in denen mit höchster Ehr¬
furcht Michael Haydns, mit keinem Worte dagegen
Mozarts gedacht wird, lassen zum mindesten auf
gutes Vertrautsein mit der romantischen Natur¬
beschreibung schließen. Betroffen und über die
Ironie des Schicksals erstaunt steht man, ans Ende
der Briefe gelangt, vor den letzten Worten Schu¬
berts vom Krankenbett aus, acht Tage vor seinem
Tode, an Schober: „Sey also so gut, mir in dieser
verzweiflungsvollen Lage durch Lektüre zu Hülfe
zu kommen. Von Cooper habe ich gelesen: den
letzten Mohikaner, den Spion, den Lootsen und
die Ansiedler. Solltest Du vielleicht noch was von
ihm haben, so beschwöre ich Dich, mir solches
bey ... zu depositiren". Mit Indianergeschichten
im Kopfe also schied der große Meister des Lieds
aus dem Diesseits! — Der Herausgeber hat mit
äußerster Sorgfalt seines Amtes gewaltet und sich
um eine wissenschaftlich # einwandfreie Wiedergabe
der Originale bemüht. A. Schering.
Lothar Schücking. Ein Jahr auf Oesel. Bei¬
träge zum System Ludendorff. Berlin — Riga —
Leipzig , Fritz Würtz. („Baltische Bücherei“, Bd.41).
Ein Buch, das man mit „unnennbar schmerz¬
lichem Gefühl“ liest. Wenn wir in diesem Kriege
als Eroberer Kulturaufgaben zu lösen hatten, so
war es im Baltikum, wo man uns mit offenen Armen
als „Befreier“ begrüßte. Das „System Ludendorff“
hat alles getan, um die sonderbaren Schwärmer
von ihren Illusionen zu heilen. Die Schuld liegt
weniger am Militarismus, als an der grundverkehr¬
ten Wirtschaftspolitik und der bureaukratischen
Verwaltung, die ohne die geringste Kenntnis der
sozialen und nationalen Verhältnisse nach Schema F
drauflos regierte und, wenn sie es doch einmal für
nötig hielt, sich belehren zu lassen, stets die am
allerwenigsten dazu geeigneten Leute ausfindig zu
machen wußte. „Der Preuße mißversteht den
Kantschen Satz, daß das Leben so einzurichten ist,
daß aus dem Einzelfalle des Handelns ein Gesetz
aufgestellt werden kann, dreht ihn um und macht
auf Grund einer einzelnen Übertretung oder
irgendeiner unzweckmäßigen Handlung sofort ein
generelles Verbotgesetz.“ Damit ist alles gesagt.
Arthur Luther.
Jules Siber, Paganini. Ein Roman von alten
Göttern und Hexentänzen. Berlin , Morawe < 5 -
Scheffelt (1920). Geh. 10.50 M., geb. 18 M.
Jules Siber ist ein wesensverwandter Kunst¬
genosse des großen Geigers, den er durch sein
Buch als einen dämonisch Besessenen auf dem
Hintergrund geheimnisvoller Schicksalsfügungen
hinzustellen sucht. Die Vorhalle ist in so großen
Maßen angelegt, daß der Hauptbau, die Virtuosen¬
laufbahn Paganinis, notwendig dahinter verschwin¬
det. Das Buch sinkt von der stattlichen poetischen
Höhe, der kraftvollen Erfindung der Anfangskapitel
später die in biographische Skizze hinab, kaum ver¬
schleiert durch die hinzuerfundene Gestalt des Ephe-
ben Ippolito und eine Reihe etwas gewaltsam ein¬
gefügter historischer Namen, wieBerlioz, Chopin,
Liszt, Wagner, G£rard de Nerval, Georges Sand,
Müsset, Grillparzer, Lenau (dessen Seelenfreundin
Sophie von Löwenthal übrigens weder Schau¬
spielerin war noch ihn betrogen hat, wie S. 244 zu
lesen steht). Auch die Verbindung des matten
Schlusses mit dem wirklich grandiosen Eingang
ist nicht gelungen; aber als Ganzes bezeugt der
Roman ein ungewöhnliches Talent, das bei ener¬
gischer Züchtung an dem Vorbild eines E. T. A.
Hoffmann (der hier etwas gewaltsam als Gespenst
heraufbeschworen wird) noch reiche Frucht tragen
kann. G. W
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Mai-Juni 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Richard Vieweg , Robert Prechtls Alkestis und
ihr griechisches Urbild. Berlin , Boll <5* Pickardt.
Das edle Drama Prechtls gibt dem Verfasser
Anlaß, von Bedeutung, Geschichte und dichteri¬
schen Verkörperungen der Alkestis-Sage zu spre¬
chen, in erster Linie von dem umstrittenen angeb¬
lichen Satyrdrama der Euripides. Er vergleicht
dessen Stoff und Tendenz mit der Prechtlschen
„Alkestis“ und zeigt das hohe Wollen und die tiefe
Wirkung der modernen Dichtung. Ihre Eigenart
gegenüber dem Griechen wäre auch noch an for¬
malen Eigenschaften (abgesehen von dem Chor)
nachzuweisen gewesen; aber auch ohne dies er¬
füllt die kleine Schrift ihren Hauptzweck: den
selbständigen Wert der Prechtlschen Alkstis über¬
zeugend darzutun. A—s.
Hermann Wagner , Schießl. Der Roman eines
Gauners. Berlin , Egon Fleischei <S* Co. 6 M.
Hermann Wagners „Schießl“ ist ein Vorläufer
des Schieber- und Gewinnertyps unserer glorreichen
Tage. Der Geschäftsgeist dieses fabelhaft „tüch¬
tigen“ jungen Mannes, der Tüchtigkeit allerdings
nur im Hineinlegen weniger gerissener Mitmen¬
schen erblickt, kennt keinerlei Hemmungen. Als
unehelicher Sohn eines Millionärs geboren, beginnt
Schießl seine Laufbahn mit einer geschickten An¬
klage gegen den Kapitalismus, um freilich bald
in der Sehnsucht nach den Vorzügen dieses Kapi¬
talismus die stärkste Triebfeder seiner nicht immer
einwandfreien, doch stets erfolggekrönten Hand¬
lungen zu finden. Wagner versteht es, die Lebens¬
geschichte dieses Glücksritters und Erfolgjägers
unterhaltsam zu erzählen, wenn es ihm auch nicht
durchwegs gelingen will, uns das Typische eines
Menschenschlages in der wärmeren Atmosphäre
eines Einzelschicksals näherzubringen. Schießls
„typische“ Eigenschaften funktionieren dafür allzu
präzis und lückenlos ; und während der Verfasser
mit bemerkenswerter Geradlinigkeit auf sein Ziel
lossteuert, sehnen wir uns mitunter nach den klei¬
nen Unzulänglichkeiten und Überraschungen, wie
sie, gegenüber der frostigeren Planmäßigkeit des
Typs, die unberechenbare „Persönlichkeit“ mit
sich bringt. Julius Berstl.
Conrad Wandrey , Theodor Fontane, München ,
C. H. Beck'sehe Verlagsbuchhandlung , 1919. VII,
412 Seiten.
Conrad Wandrey tritt durch sein Werk über
Fontane in die vorderste Reihe der deutschen
Literarhistoriker. Er gibt keine Biographie mit
allen erkundbaren Einzeltatsachen, er stellt die
Fragen nach Quellen und Anlässen der Werke
weit zurück, er hält nicht einmal die chronologische
Folge ihrer Behandlung ein, alles Kennzeichen,
daß ihm unwichtig erscheint, was in den letzten
125
Jahrzehnten wichtigster Zweck ähnlicher Dar¬
stellungen war. Dagegen gibt er uns das Bild der
Persönlichkeit, ihres äußeren und inneren
Wachsens bis zu der spät entfalteten, zuletzt ab¬
welkenden Blüte der epischen Prosawerke, zeigt ihr
Wesen und Werden jedesmal von der gerade er¬
stiegenen Stufe des künstlerischen Könnens und
Wollens bedingt und schreibt so die Geschichte des
Autors an der Hand sorgsamer und gesicherter Er¬
kenntnisse, die nicht aus dem Zufälligen der je¬
weiligen äußeren Umstände sondern aus der Stil¬
welt der Dichtungen gewonnen werden. Diese scharfe
Analyse erinnert an die Methoden guter franzö¬
sischer Kritiker und erscheint, in dieser Ausdeh¬
nung angewandt, für Deutschland neu. Sie verleiht
dem Leser die angenehme Sicherheit, auf dem Bo¬
den methodisch gesicherter Ergebnisse zu stehen,
sogar dort, wo das Urteil nicht solche dokumenta¬
rische Gewähr besitzt. Auch wenn im einzelnen zu
widersprechen ist, regt Wandrey auf jeder Seite
den Freund Fontanes aufs lebhafteste an und zeigt
ihm den Trefflichen, ohne ihn zu vergöttern, in
dem Lichte, das die Gegenwart auf ihn wirft. Die
Gegenwart bedeutet hier diejenige Kunstwelt,
die um Stefan George in immer erweiterten Kreisen
sich gebildet hat. Die Persönlichkeit als das nicht
mehr erklärbare oder zerlegbare Urphänomen steht
im Mittelpunkt, bestrahlt von den wechselnden
Lichtern des persönlichen und allgemeinen Ge¬
schehens. Hier tritt an die Stelle der konventio¬
nellen Meinung, Fontane sei ein Schilderer bürger¬
lichen Kleinlebens gewesen, die richtigere Anschau¬
ung eines Epikers großen Stils, wenn man nämlich
unter großem Stil die erfüllte Absicht versteht,
Höhen und Tiefen des Menschenseins im Kunst¬
werk zu erfassen. Und so leitet dieses schöne Buch,
überall vom Menschlichen im Kunstwerk aus¬
gehend, immer dorthin zurück. Daher die warme,
lebensvolle Schreibweise, die sogar von den An¬
merkungen und der Bibliographie die Leichenstarre
solcher Zugaben fernhält. Wir weisen mit beson¬
derer Freude auf dieses erste große Werk Wandreys
hin und sehen mit hochgespannten Erwartungen
den folgenden entgegen. G. W.
Felix Weltsch, Gnade und Freiheit. Unter¬
suchungen zum Problem des schöpferischen Willens
in Religion und Ethik. München , Kurt Wolff
(1920). 155 s.
Die bei der ersten Einmischung rationellen
Denkens in die Sphären religiöser Empfindungen
und Erlebnisse sich auf werfende Frage: ob Tran¬
szendenz oder Immanenz — die durch die Entwick¬
lung allen Seelentums, insbesondere ab€r des abend¬
ländischen, als Problem den gesamten Boden
sittlicher und religiöser Produktivität befruchtet,
im künstlerischen Schaffen zu den reinsten Schau¬
ungen und Gestaltungen gelangt: als Wille zum
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Mai-Juni 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Wert, als Wille zur Schöpfung der großen „Gleich¬
nisse“ — sie ist hier unter den beiden religiös zu
verstehenden Begriffen „Gnade“ oder „Freiheit“
von einem dogmatisch gänzlich freien und philo¬
sophisch untergründeten Standpunkt aus behan¬
delt und beleuchtet.
Der Verfasser gehört zum Kreise der unter Füh¬
rung Kurt Hillers vereinigten „Aktivisten“. Seine
Hinneigung zur Gottsetzung aus der menschlichen
Freiheit heraus, aus dem Können , also aus der ein¬
geborenen Wirklichkeit unserer Seele, ist unverkenn¬
bar ; aber er ist weit entfernt von der luziferischen
Überhebung seiner Genossen und neigt deutlicher
noch als Ernst Bloch im „Geiste der Utopie“ (Vergl.
XI. Jahrgang, Spalte 18) zur Auchberechtigung
der Gnadenerfahrung, der transzendentalen Reli¬
giosität. Das ist ein verheißungsvolles Anzeichen
allmählicher Beruhigung der hochgepeitschten Wel¬
len im aktivistischen Strom. Auch das mystische
Erlebnis wird seiner ekstatischen Verschleierungen
entkleidet und sein Wiedereinfließen in den „Gna¬
denborn“ nicht als Abfall, sondern als Auswirkung
metaphysischer Inhalte der Seele gedeutet: „Demut
ist überhaupt nicht nur eine den Gnadengläubigen
zukommende Eigenschaft. Auch der Freiheitsgläu¬
bige ist demütig, aber nicht wie der Gnadengläu¬
bige vor der vollendeten Wirklichkeit des Seins —
sondern vor der unendlichen Aufgabe des Werdens. “
Das ist eine Formel, geeignet, die Versöhnung her¬
beizuführen, die unentbehrlich ist, wenn religiöse
Erneuerung möglich sein soll als Grundlage einer
aufzubauenden seelisch erfüllten Kultur.
Wem an diesem Aufbau liegt, der soll an die¬
sem Buche nicht vorüber gehen!
Max Martersteig.
Johann Karl Wezel 9 Herrmann und Ulrike. Ein
Roman, Herausgegeben und eingeleitet von Karl
Georg von Maaßen. München, Georg Müller, 1920.
Karl Georg von Maaßen gibt seiner Ausgabe von
„Herrmann und Ulrike“ ein Vorwort mit, dessen
ungewöhnlicher Enthusiasmus berechtigt bleibt. Er
schlägt diesen großen und breiten Roman zum wah¬
ren deutschen Nationalroman, ohne daß man zum
positiven Widerspruch gereizt zu werden vermöchte.
Die Wende des 18. Jahrhunderts ist mit diesem
Werke wahrhaft dichterisch und wirklich glaubhaft,
das deutsche Wesen-geistiger Verfassung und künst¬
lerischer Prägung endgültig gesehen und gepackt.
Sehnsucht, Erziehung, Zustände und Stände, Ver¬
hältnisse und Gehalt, Wesen und Erscheinung, Na¬
tur und Gesellschaft alles, ist Fabel geworden und
unterhaltsame Belehrung. Die Menschen sind Pro¬
dukt ihrer Umwelt, und ihre Umwelt ist ebenso Pro¬
dukt der schöpferischen Phantasie, wie sie die Aus¬
wirkung allgemeingültigen, menschlichen Willens
bleibt. Die Menschen und die Welt sind zu einem
127
Organismus verwoben, dessen Dasein uns zu leben¬
digen Zeugen seiner Berechtigung zwingt.
Mir erscheint dieser Roman ein weltlicher Bru¬
der der Gotthelfschen Muse. An Stelle der bäuer¬
lichen Muskulatur ein höfischer Nerv; an Stelle
rechtschaffnen Dialogs über Gottes prächtige Füh¬
rung elegante geist- und gefühlreiche Skeptizismen
an der Ordnung der Dinge — beiden gemein: gro¬
ßes schöpferisches Gemüt, deutsche, arische Kraft
einer gesunden, praktischen Weltanschauung. Ein
schließlicher Optimismus, der Lehre, Zeitranküne,
Geist, Geschmack durchdringt und überwindet mit
persönlichem Temperament und tiefnotwendiger
Eigenart. Herrmann und Ulrike, zwei Menschen¬
schicksale, lösen sich, werden gelöst aus Verpflich¬
tung eingeborenen Milieus, um sich schließlich als
freie Menschen zu gehören. Erleben die Freiheit
ihrer Liebe als eine Art gesitteter Langeweile und
bekennen sich durch ihre Lebensarbeit und ihr
Dienen zu dem höheren Gesetz von der Verpflich¬
tung an das überall dienende Ganze. Diese Bindung
der Gesinnung gibt neue Freiheit des Herzens: als
geruhsame Bürger dieser Erkenntnis rundet ihre
Gemeinsamkeit dort, wo ihre Lebenswanderung
begann. Die Legende von der Unruhe der Sehn¬
sucht, der das Ziel nichts, der Weg aber das Leben
und somit alles bedeutet.. . Hanns Johst.
\ _
Meir Wiener, Messias. Drei Dichtungen. Wien
und Berlin , R.Lövit, 1920. Geb. 10 M.
Meir Wiener, ein homo novus in der Literatur,
widmet diese seine lyrischen Epen „in Verehrung
Martin Buber“. Damit kennzeichnet der Dichter
sie programmatisch. Sie reihen sich jenen Ver¬
suchen an, den alten Geist des Volkes Juda zu
einem neuen völkischen Bewußtsein der in der
Diasprora Zerstreuten erblühen zu lassen. Der
Dichter hat auf die mittelalterliche Poesie
seines Volkes zurückgegriffen und seine Sprache
und Art wohl auch nach diesen Mustern geformt.
Ohne Kenntnis dieser Vorbilder ist es schwer zu
sagen, ob hier nur Kopie oder eigener Ausdrucks¬
stil vorliegt. Diese drei ekstatischen Epen zeigen
die der jüdischen Dichtkunst stets eigene Mischung
von Erzählung und Lyrik und hinterlassen jeden¬
falls, nur für sich genommen, einen starken Ein¬
druck. Zwei Helden aus dem jüdischen Mittelalter,
die messianischen Schwärmer Diego Pires und Josef
della Reina, werden in ihrem ekstatischen Gott-
Leiden vorgeführt. Dazu kommt ein aufgewühlter
Dialog zwischen Herodes und einem Heiligen Baba
ben Buta, der den nicht jüdischen Leser zunächst
am meisten fesselt und ihm am meisten sagt, weil
er hier wenigstens nicht vor dem absolut Neuen
eines fremden Stoffes und ungewohnter Symbolik
steht. Jedenfalls arbeitet hier ein ernster künstle¬
rischer Wille, verschüttete Schätze dem historischen
und ethischen Bewußtsein der Zeitgenossen neu zu
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Mai - Juni 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
erschließen, und man darf eindringlich auf diesen
Meir Wiener, der auch eine dem Unternehmen
nach schon wertvolle Sammelreihe von Überset¬
zungen „Die geistliche Lyrik der Juden“ ankün¬
digt, aufmerksam machen. O. E. H.
Der dramatische Wille . (Bisher sieben Bände
im Umfang von je 30—50 Seiten.) Potsdam,
Gustav Kiepenheuer.
Die kleinen Bände dieser Dramen-Sammlung
eint zunächst etwas Äußerliches: der Text wird in
ihnen fortlaufend gedruckt, ohne die sonst bei Dra¬
men üblichen Absätze. Die Werke sollen dadurch
„lesbar wie ein Roman“ werden, ihr Ziel ist „das
Buchdrama als selbständiges menschliches und
künstlerisches Dokument, nicht wie bisher als reines
Schema für Aufführungen“. Ohne hier die alten
Probleme des „Buchdramas“ aufs neue zu erörtern:
diese auch äußerliche Vermischung der poetischen
Gattungen unterstreicht die chaotische Grundstim¬
mung der modernsten Dichtung, wie sie in den vor¬
liegenden Werken von Rubiner,Toller, Goll zum Aus¬
druck kommt. Die innere Einheit des „dramatischen
Willens“ ist das Streben der Dichter, wesentlich
zu werden, sich aus der Enge der Dinge in die Rein¬
heit des Absoluten aufzuschwingen. Der Weg, wie
er sich in Komposition und Sprachstil ihrer Werke
äußert, ist im einzelnen sehr unterschiedlich. Andrä
Gide mit seiner „Bathseba“, einem „dramatischen
Gedicht in drei Monologen“, bleibt ganz lyrisch.
Der junge Schweizer Hans Ganz gibt in seinem
Schauspiel „Der Lehrling“ naturalistische Milieu¬
schilderung als Hintergrund für die lyrischen Ek¬
stasen seines „Helden“. Und Iwan Goll versucht
in den zwei Possen „Die Unsterblichen“ mit Mitteln
der Groteske das neue „enorme“ Drama zu gestal¬
ten, wie er es in der programmatisch für die ganze
Gattung nicht unwichtigen Vorrede fordert. Ein
Wille, das muß man zugestehen, ist in allen Werken
offenbar, aber sie sind nicht Tat eines Willens,
sondern das Wollen selbst, sind unausgereift, im
Wachstum erstarrt, sind nicht Dichtungsprodukt,
sondern Dichtungsprozeß. Alfred Wolfenstein
schrieb einmal:
„Musik nicht will ich machen, sondern schreiten
Und zeigen meine Schritte . . .“
Das könnte Motto für den „dramatischen
Willen“ sein, ja für die jüngste Dichtung, jüngste
Kunst überhaupt, die nicht Musik machen, nicht
die Harmonie des gestalteten Werkes geben, son¬
dern ihre Schritte zeigen, ihren Willen offenbaren
will und darum jede Skizze, jeden Bleistiftstrich,
j ede Szene, j eden Schrei der Welt mitteilen zu müssen
glaubt. Alle diese Äußerungen haben nur Bedeu¬
tung als Material für die Erkenntnis der Geistes¬
struktur unserer Zeit. Und solche Bedeutung hat
auch „Der dramatische Wille“. F. M.
Beibl. XIII, 9 129
Paul Zech , Das Terzett der Sterne. Ein Be¬
kenntnis in drei Stationen. München, Kurt Wolff,
1920.
Sechsunddreißig Sonette in drei Teilen: „Der
Sprung aus dem Käfig“, „Ländliche Inbrunst“ und
„Die Erhebung“ bewahren lyrisch das Kriegs¬
erlebnis Zechs auf, wie das „Grab der Welt“ es
episch zu fassen suchte. Ein leiser epischer Zug
geht auch durch diese drei Stationen: sie sind das
Epos einer Seele, die im Kriege verzweifelt, vor
der Größe und Ruhe der Landschaft neuen Halt
und neue Kraft gewinnt und zu einem neuen Kampf
um Gott auszieht. Die „Maske Tier“ wird abge¬
rissen, ein sucherischer, um eine Religion der Liebe
ringender Geist offenbar gemacht.
Diese gehaltliche Linie könnte leicht dazu ver¬
leiten, Zech zu den unerträglich gewordenen „Sei
Mensch“-Literaten zu tun. Doch dieser Paul Zech
ist kein Literat, sondern ein Gestalter, und dazu
ein Künstler; ein Könner, dessen Verse oft eine
staunenswerte Endgültigkeit der Diktion haben.
Was mag da für eine Arbeit dahinterstecken! Das
kann nur Produkt einer außergewöhnlichen Zucht
sein, Endergebnis arbeitsreicher Jahre sprachlicher
Bemühung und stilistischer Selbsterziehung.
Zech handhabt das Sonett frei. Er verzichtet
auf den vierfachen Reim, erweitert und lockert die
Gleichmäßigkeit der Reihen auf. So schafft er sich
eine Form, die dem Rhythmus des eigenen Stiles
und der Melodie seiner Sprache weniger starr ent¬
gegensteht und auch dem Gehaltlichen und Idee-
lichen eine, oft fast pointenhafte (im guten Sinne)
Isolierung in einzelnen Phrasen oder Worten ge¬
stattet. Dem Dichter gelingen so Prägungen, die
man nicht wieder vergessen kann, und das ihm
eigne Format eines großen Pathos vermag sich
weiter und ungezwungener auszubreiten, als dies
im reinen Sonett geschehen könnte.
Man gönnt diesem außerordentlichen Buche
das schöne Gewand des Drugulin-Druckes und stellt
es in das Rück, in dem die Bücher stehen, die man
in die Hand nimmt, wenn einem die Jammerhaftig-
keit des Lebens (und die Stümperhaftigkeit zahl¬
reicher Generationsgenossen) unerträglich wird.
O. E. H.
Kleine Mitteilungen.
In eigner Sache.
Herr Schering hat in Heft 1 dieser Zeitschrift
(Beiblatt, S. 22) ein Buch von mir „besprochen“,
und zum Beweis dafür, daß an demselben kein
gutes Haar sei, 5 Punkte hervorgehoben, die ich
beantworten will.
1. Eine „ Meisterung des an sich schönen und
ergiebigen Themas“ war von mir in keiner Weise
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Mai-Juni 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
beabsichtigt. Herr Schering hätte nur den Titel
genau bezeichnen und die wenigen Zeilen des Vor¬
worts lesen sollen, um zu erkennen, worauf ich
hinaus wollte. Indem ich zu dem* Haupttitel „Die
Kriegsmusik der Klassiker und Romantiker* 1 den
Untertitel „Aufsätze zur vaterländischen Musik¬
geschichte als Zeitbild zusammengestellt** fügte und
im Vorwort ausdrücklich betonte, daß alle diese
während des Krieges in freier Folge geschriebenen
Kapitel unverändert belassen wurden, um den
Charakter des „Zeitbildes“ nicht zu zerstören —
schloß ich ein systematisches Lehrbuch aus. Viel¬
leicht versucht Herr Schering an einem solchen
„schriftstellerische Kraft und wissenschaftlichen
Weitblick**, mit denen es allerdings bedenklich
aussieht. Denn wer
2. Methfessel, Lindpaintner und gar Abt unter
die „Klassiker und Romantiker** zu zählen scheint,
die mein alter Musiklehrer nur „Syrup- Fritzen“
nannte, dem kann man nur mit einem gewissen
Mißtrauen entgegenkommen.
3. Ob „Bach und der Krieg** das „übelste
Gartenlaubefeuilleton** streift, wäre näher zu
prüfen. Der Chefredakteur der Vossischen Zeitung,
in der der Aufsatz erschien, hat es offenbar nicht
dafür gehalten.
4. Herrn Scherings Nationalgefühl kenne ich
ebensowenig wie seine Person; mir soll er mein
vaterländisches Herz, das ich für ein solches „Zeit¬
bild** als notwendig erachte, nicht rauben. Die
Bayreuther Blätter, die Konservative Monats¬
schrift, die Tägliche Rundschau (die alle auch den
Titel meines Buches vollständig zitieren) haben
das, was ich wollte, besser verstanden.
5. Das Köstlichste ist die von Herrn Schering
festgestellte, von mir aber nicht erkannte „Be¬
einflussung** Schumanns durch Meyerbeer. Schu¬
mann, dessen Ansicht über diesen ja bekannt sein
dürfte, hätte sich eher die Hand abhauen lassen,
ehe er etwas an Meyerbeer Gemahnendes nieder¬
geschrieben hätte. In dem Falle des „Soldaten¬
liedes** aber hätte er durch eine Art Hellseherei
erfahren müssen, daß im Schreibtisch Meyerbeers
ein 1814 komponiertes Singspiel „Das Branden¬
burger Thor** lag; er hätte in dem glücklichen
Jahr seines Brautstandes (1840) Clara und die
„Myrthen“ verlassen und nach Berlin per Extra¬
post fahren müssen, um für sein „Ach wenn es der
König nur wüßt“ einen „Anklang“ zu suchen.
Hätte Herr Schering genauer hingesehen und da¬
bei ermittelt, daß das Meyerbeersche Lied zum
ersten Male 1919 in meinem Buch zum Abdruck
gelangte, so wäre ihm diese Entgleisung nicht
passiert. Die freundlichen Leser mögen daraus
ihre Schlüsse ziehen, wie Herr Schering Bücher,
die ihm zur Besprechung anvertraut werden, liest.
Leopold Hirschberg.
131
„Widerspruch und Schmeichelei machen beide
ein schlechtes Gespräch**. (Goethe, Sprüche.)
Schering.
Gesellschaft der Bücherfreunde zu Chemnitz. Der
im Februar 1921 gegründete Verein bezweckt,
Schöpfer und Besitzer des schönen Buches zu
nähern und gegenseitig zu fördern. Um das zu
erreichen, veranstaltet die Gesellschaft Ausstel¬
lungen, Vorträge, Vorlesungen, Preisausschreiben
und erteilt Auskünfte, die sich auf das gute und
wertvolle Buch beziehen. Sie gibt ferner muster¬
gültige Druckwerke heraus, die als ordentliche
Veröffentlichungen — als Vereinsjahresgabe — den
Mitgliedern unentgeltlich, als außerordentliche Ver¬
öffentlichungen zu einem Vorzugspreise überlassen
werden. Satzungsgemäß ist ein Zehntel der Jahres¬
einnahme aus den Mitgliedsbeiträgen (neben frei¬
willigen Spenden) zur Unterstützung eines Schrift¬
stellers zu verwenden. Der Jahresbeitrag beträgt
100 Mark; nach dem 30. Juni 1921 Eintretende
zahlen eine Aufnahmegebühr von 50 Mark. Die
Mitgliedschaft ist nicht an örtliche Grenzen ge¬
bunden. Dem gescbäftsführenden Ausschuß ge¬
hören u. a. an: Dr. med. Kurt Ochsenius als 1. Vor¬
sitzender, Prof. Dr. Albert Soergel als wissenschaft¬
licher Leiter, Buchhändler Hans Hartmann als
Schriftführer. Die Zahl der Mitglieder beträgt zur
Zeit bereits gegen 140. Mit einer eindrucksreichen
Morgenfeier, die Dichtungen aus jüngster Zeit ver¬
mittelte, trat die Gesellschaft am 17. April an die
Öffentlichkeit. Sie plant für den Winter 1921/22
neben der Veröffentlichung einer ersten Jahres-
gäbe u. a. eine Ausstellung „Das schöne Buch“
aus dem Besitze der Mitglieder, einen Spitteler-
Abend, eine Wedekind-Vorlesung, einen Autoren¬
abend, an dem Franz Werfel aus gedruckten und
ungedruckten Dichtungen vorlesen soll, Vorträge
über dichterischen Expressionismus und bibliophile
Sonderfragen. Die Geschäftsstelle befindet sich bei
Herrn Buchhändler Hans Hartmann , Chemnitz,
Markt , Neues Rathaus .
Kortums Jobsiade und NiebergalTs „Der tolle
Hund “. Es ist bekannt, einen wie großen Einfluß
des Arztes Kortum (1745—1824) komische Dich¬
tung in Knittelversen ausgeübt hat. Darüber
existieren sicherlich genaue Untersuchungen. Ich
möchte aber nicht verfehlen, darauf hinzuweisen,
daß das 14. Kapitel des ersten Teiles, „welches
die Kopei enthält von einem Briefe, welchen
nebst vielen andern der Student Hieronimus an
seine Eltern schreiben thät“ und das iste, das
die Antwort „des alten Senator Jobs auf vorge¬
meldeten Brief“ enthält, sicherlich Niebergall vor-
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Mai - Juni 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
geschwebt hat in „Des Burschen Heimkehr oder
Der tolle Hund“, der zuerst 1837 erschien. Wie
ich der Ausgabe von Karl Noack (Darmstadt 1915)
entnehme, hat der noch in Gießen entstandene
erste Entwurf „sich wohl mehr an die Jobsiade“
angelehnt Daß die endgültige Fassung in dem
Brief aus „Gießen, den 8ten October“ ebenfalls
noch stark beeinflußt ist, zeigen verschiedene Stellen
an, die ich nach Bobertag und nach Noack zitiere.
Zu der Geschichte mit dem Koffer (S. 22) ver¬
gleiche die Verse 1330 und 1457; die verlorenen
Hefte(S. 23), dazu: Vers 1317, sowie 1476und 1480.
Erich Ebstein.
Der verjüngte Reclam. In einem halben Jahr¬
hundert ist Reclams Universal-Bibliothek zu einem
gewaltigen Baume mit mehr als 6000 Blüten
emporgediehen. Die Wurzeln strecken sich durch
die Oberflächenschichten leichter Tagesware und
den Humus gesunder, volkstümlicher Geistes¬
nahrung hinab bis zu dem Urgestein ewiger Dich¬
tung, strenger Wissenschaft. Jene Oberschicht,
die von höherem Standpunkt entbehrliche und
doch tatsächlich für Sein und Wachstum der
Sammlung unentbehrliche, erscheint heute schon
in ihren ältesten Bestandteilen verwittert, zu
Schutt und Staub zerfallen; aber eine begreifliche
Pietät hat ihr immer noch das Daseinsrecht ge¬
gönnt. Nun aber geht es ans Aufräumen: die ent¬
werteten Nummern werden durch neue ersetzt.
Und es trifft sich gut, daß als Ersatzleute die lebens¬
frischen Hauptwerke Anzengrubers, Storms und
Kellers zuerst einrücken, die nun in stattlicher
Reihe endlich die ihnen gebührende Stelle in der
Universal-Bibliothek erhalten. Wir wünschen den
Leitern des großen volkstümlichen Unternehmens
Glück zu dem gefaßten Entschluß und zu seiner
so gut einsetzenden Ausführung.
Musterdrucke von Emst Engel in Offenbach.
Der Sinn für die innere Form, die einer typo¬
graphischen Werkverkörperung ihre bestimmte
Buchpräguug gibt, ist das Geheimnis der kleinen
Drucke eines Mannes, der mehr mit seinen Arbeiten
als mit seinem Namen bekannt geworden ist und
der auch keinen Wert darauf legt, aus den be¬
friedeten Bezirken seiner Werkstätten in den Streit
des Tages hervorzutreten, des Herrn Emst Engel
in Offenbach am Main, wo er der Buchdrucker¬
werkstatt der technischen Lehranstalten und der
Hausdruckerei der Schriftgießerei von Gebrüder
Klingspor vorsteht. Unter den kleinen Köstlich¬
keiten, die er seinen Schülern und sich selbst zu
eigenem Nutzen und Vergnügen geschaffen hat,
seien von früheren Musterdrucken hervorgehoben:
133
Kant, von der Macht des Gemütes [190g], Goethe,
Prometheus [1910], Luther, Sendbrief vom Dol¬
metschen Jign], Goethe, Sonette [1912.], Mörike ,
Märchen vom sichern Mann [1913], St. Pierre, Le
Cafd de Surate [ 1913]. Die fünf Kriegsjahre unter¬
brachen auch das Fortschreiten der Reihe, erst 1919
konnte Herr Engel dem letztgenannten Druck von
1913 einen weiteren folgen lassen, das schöne Frag¬
ment Hölderlins : Der Rhein, dem sich in diesem
Jahre des gleichen Dichters „ Gesang der Deutschen “
anschließt. Was allen diesen auch in ihren Ein¬
bänden von ihrem Urheber bedachtsam ausge¬
stalteten dünnen Heften ihren höchsten Wert gibt,
liegt neben ihren ästhetischen und technischen
Vorzügen in ihrer Innerlichkeit, in der Art, in der
jedesmal das typographische Problem von einem
Manne individualisiert wurde, dem seine Arbeit
die persönliche Auseinandersetzung mit einem
Kunstwerke war, das ihn ergriffen hatte. Die
Büchlein sind entstanden als Druckproben in Lehr¬
gängen, sie sind in ganz geringen Auflagenhöhen
(30—-40 Abzüge) hergestellt worden, gewissermaßen
Künstlerabzüge, und (was, um unnützen An¬
fragen vorzubeugen, vermerkt sei) weder verkäuf¬
lich noch „verschenklich“. Das feinsinnige und
geistreiche Durchdringen des Stofflichen zeigt sich
bereits in der Wahl der Aufgaben, die sie zur
Lösung bringen. Die Druckvorlagen sind so ge¬
wählt, daß sie ein bedeutendes Werk des Schrift¬
tums, das einen geringen Umfang hat, wiedergeben.
Dabei ist dann die Wahl, ohne sich abseits von den
Hauptwegen der Schrifttumsgeschichte zu halten,
auf hervorragende Werke gefallen, die, immerhin
merkwürdig genug, sonst in schönen Neudrucken
nicht vorliegen. Das schaltete Anlehnungen und
Nachahmungen aus, wie es auch bestimmte Ver¬
gleichungen mit anderen schon Vorhandenen Aus¬
gaben ausschließt. (Nebenbei vermerkt: die „Du¬
blettenmacherei“ der Verleger hat doch gelegent¬
lich der Art der Drucklegung eines eben gedruckten
Werkes insofern geschadet, als der neue Druck mit
Gewalt anders werden sollte als sein unmittelbarer
Vorgänger.) Vor allem aber ließ die überlegte,
verständnisvolle Bücherwahl der typographischen
Charakterisierungskunst einen freien Spielraum,
und nicht zum wenigsten dieser ihrer psycholo¬
gischen Meisterschaft wegen sollten die Engelschen
Musterdrucke auch einmal in der „Zeitschrift für
Bücherfreunde“ rühmend vermerkt werden.
G. A. E. B.
Colard Mansion, der Genosse Caxtons. In der
englischen bibliographischen Gesellschaft sprach
am 22. März Seymour de Ricci über Colard Man¬
sion, den Genossen Caxtons, der zu Brügge um
r475—1484 druckte. De Ricci Versuchte mehr,
Probleme zu erheben als Informationen über Man¬
sion zu geben, dessen Werk schon vor mehr als
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Mai-Juni 1921
Kataloge
Zeitschrift für Bücherfreunde
einem Jahrhundert von Josef van Praet untersucht
worden war. Van Praets Sammlung von Mansions
Drucken ging hauptsächlich in die Bibliothdque
nationale, die Exemplare aller seiner bekannten
Drucke, ungefähr 25 an der Zahl, besitzt. Im ganzen
sind überhaupt nur 75 Exemplare der 25 Drucke
Mansions bekannt, so daß sie wohl die seltensten
ihrer Art sind. Mansion war aber auch nicht allein
Buchdrucker, sondern auch Buchschreiber; außer¬
dem illuminierte er und trieb Kupferstecherei, ließ
aber auch für sich von andern stechen. De Ricci
unterschied vier Ausgaben des Boccaccio, in deren
letzten drei fortschreitend mehr Platz für Illustra¬
tionen freigelassen war; in drei erhaltenen Exem¬
plaren sieht man Kupferstiche auf dem freien Raum.
De Ricci erwähnte auch Beziehungen Mansions zur
Picardie. Der Name findet sich in frühen Zeiten
ebenso in Amiens wie in Brügge. Colard Mansion
war bekannt als Schreiber eines Manuskriptes zu
Abbeville (uns aus dem Weltkrieg leider zu wohl
bekannt!) bei Amiens; und es ist möglich, daß er
etwas mit den drei i486—1487 zu Abbeville ge¬
druckten schönen Ausgaben zu tun hatte; denn
um diese Zeit ist er von Brügge entflohen. Was
die Beziehungen Colard Mansions zu Caxton, dem
ältesten englischen Drucker, betrifft, so war er wohl
eher Caxtons Schüler als sein Meister. M.
Kataloge.
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53Ut einem Porträt £i<btenberg$ unb dnem
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j brofcf)iert in Pergamenterfat} 531. 3.60
| &cf)tenfcerg£ Briefe an
| 3* §ricbr. dölumentac^
Jperautfgegeben unb erläutert oon
Gilbert Selbmann
©en Umfötag gelinde Oltoalb 5Beffe
531. 20,—, gebunben .531. 27.—
| «Äfabemtfcljetf
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53Ut (Einleitung unb 7ta<fjtodfen
beroutfgegeben oon
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531. 2.50, geb. 531. 3-50
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• die jetzt preußisch sind, und 5 beziehen sich
{ auf s.-weimarische Städte.
| C. F. Foy’s
1 Bilder ans dem Allen Frankfurt
S Komplett in 314 Tafeln in Folio, mit Text von
• Fi Rittweger. Frank!. 1906—13. Mi 300i—
2 Alle drei Werke in Friedensausstattung!
2 Prospekte stehen zu Diensten.
Z Großes Lager von Alten Städte - Ansichten.
| F.Lehmann*Frankfurta.II.
2 Römerberg 3
•aeeoaeeeeoooeeaeaeaaeaeaaeeeeeeeeeeaaaeeeeeee
SEDenn t>id) ber Alltag in feiner £5&Üd)feit bt»
brüeft, bann foll bir Crrfenntntt werben auc§ für
feine ©c^5n^eit burc^ Vertiefen in
Wunder beet Sfftfoo*
Älefne Profa von £c$ner
£oljfreie$ Papier! ${emann*graftur
Preife: ©e$rftet 15.50/ ÖatMeinen 2R. 22.—
©angleber 3S. 165.-; 30 num. unb ^anbföriftl.
jlgn. (Exemplare in ©anjperg. pro Cjrpl. 2H. 250.—
erfäien foeben im
SCtberf Verlag • £efp)ig
X>ur$ alle ©Umwandlungen ju besiegen
T. A. Neumann
Inhaber BuSßindermeister Curt Neumann
Gegr. 1841 Leipzig Tef. 4o9o
Johannisgasse to
*
Liefert
bandgebundene Einbände jeder Art
für Liebhaber und Bücßersammfer
143
144
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Original from
UMIVERSITY OF CALIFORNIA j
BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrensteinstraße 20
XIII. Jahrgang Juli-August 1921 Heft 4
Pariser Brief.
Die Franzosen scheinen ihren Sieg auch lukul¬
lisch feiern zu wollen. Je weiter wir vom Kriegs¬
zustand abrücken, um so dringlicher erscheinen
den Franzosen Siegesfeiern. Es werden Denkmäler
enthüllt, Gedenkfeiern veranstaltet, die Gefallenen
gefeiert und vor allem wurde der hundertjährige
Todestag Napoleons festlich begangen. Bei allen
diesen Gelegenheiten scheint auch der Ruhm der
französischen Küche in Erscheinung treten zu
sollen. Mehr als je erscheinen seit einiger Zeit
neue Kochbücher. Am intensivsten arbeitet auf
diesem Gebiet der junge Verlag: La sirdne. Er
gab im vorigen Jahr ein hochinteressantes, auch
kulturhistorisch wertvolles Buch heraus: La Fleur
de la cuisine frangaise von Bertrand Guögan mit
Rezepten von 1350—1800. Soeben erscheint der,
600 Seiten umfassende, zweite Band dieses Werkes,
der die Zeit von 1800—1921 umfaßt. Nach dem
durchschlagenden Erfolg des ersten Bandes ist- der
zweite mit zahlreichen alten Illustrationen zu einem
Musterbeispiel des Buchgewerbes gemacht, so daß
man in einem schönen Doppelsinn von Geschmack
sprechen kann. Seit zwei Jahren erscheint im
gleichen Verlag ein Schlaraffenkalender, der unter
dem Titel: ,,Almanach de Cocagne pour l*an
1921, dödiö aux vrais gourmands et aux Francs-
Buveurs" gleichzeitig ein schönes Dokument mo¬
derner französischer Buchkunst darstellt. Zwischen
den monatlichen Kalendertafeln sind hundert neue
Rezepte der Kochkünstler der großen Pariser
Restaurants eingefügt, die erweisen, daß die
französischen Köche immer neue Variationen er¬
finden. Der zweite umfangreichere Teil des Al-
manachs bringt Beiträge moderner Schriftsteller
wie Emile Henriot, Henriette Charasson, Maurice
des Ombiaux, Paul Retoux, Jean Cocbeau,
Andrö Salmon, Pierre Mac Orlan u. a. Tafel¬
lieder, TrinkanWeisungen, Barbey Aurevilly als
Gourmand, die russische Küche, die dichterische
Verherrlichung der französischen Küche im 17.
Jahrhundert und dergleichen mehr. Von beson¬
derem Reiz ist der Buchschmuck. Es wird ein
eindrucksvoller Überblick über die französische
Bei bl. XIII, 10 145
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Graphik gegeben. Alle namhaften Künstler Frank¬
reichs sind in dem Buch vertreten. Pierre Roy,
Louis Bouquet, Enric Ricart, P. Gernez, Raoul
Dufy, Othon Friesz, J. Caloureur, Henriette Tir-
man, Sonia Lewitzka, Morillon, Jean Marchand und
Pierre Girieud haben in kräftigen Strichen die
ganzseitigen Monatsblätter gezeichnet. Hin und
wieder ist ein kubistischer Einschlag wahrzuneh¬
men; aber Kubismus in Reinkultur findet sich
nirgends. Es erweist sich auch hier, daß die fran¬
zösische Kunst sich beruhigt hat und daß die Pariser
Künstler im Holzschnitt gute, malerische Wirkun¬
gen zu erzielen wissen. Die Beweglichkeit, die
Erfindungsgabe und die gute Qualität der Graphik
tritt noch erfreulicher in den vielfältigen Kopf-
und Schlußstücken des zweiten Teiles in Erschei¬
nung. Die zarten, duftigen Strichlagen von Flan-
drin, Signac, Frau Marval und Marquet wechseln
mit der präziseren Liniatur von Matisse, Lhote,
Cotiron, Maillol und Laborde ab. Es ist erstaun¬
lich, daß ein französischer Verlag ein so köstlich
ausgestattetes, auf schönem Velinpapier gedruck¬
tes Buch von 230 Seiten für 15 Francs in den
Handel bringen kann. 83 Exemplare wurden als
Ltixusdrucke abgezogen.
Für die zeitgenössische Graphik ist auch die
Zweimonatsschrift: „Les cahiers d'aujourd’hui"
nach wie vor von Bedeutung. Seitdem nach Frie¬
densschluß eine neue Reihe eingeleitet worden ist,
haben sich ihre graphischen Beiträge erheblich
vermehrt. In den letzten Heften sind vor allem eine
Anzahl unbekannter Zeichnungen von Renoir hier
erschienen. Unter den Jüngeren steht in diesem
Blatt Andrö Derain an erster Stelle, von dem die
Cahiers d'aujourd'hui einen prachtvollen Frauen-
akt veröffentlichten. Das gleiche Heft reprodu-
zierde zwei herrliche Zeichnungen von Aristide
Maillol. Weiter treten hier Raoul Dufy, Luc Albert
Moreau, Othon Friesz, Jean Marchand, Henri
Matisse, Segonzac und Albert Marquet auf. Der
letztere ist ein intimer Freund des Herausgebers
Georges Besson, der von jeher sich gerade für ihn
einsetzte.
146
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Römischer Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
Im Verlage von Georges Crds & Cie. hat Elie
Faure, auf den an dieser Stelle schon mehrfach
hingewiesen worden ist, seine Kunstgeschichte
erscheinen lassen. Vorläufig sind der erste und
letzte Band, belebt durch reiches Abbildungs¬
material, zur Ausgabe gelangt. Dieses Werk wird
in der französisch sprechenden Welt gewiß seinen
Weg machen und sich ein großes Publikum erobern,
da es in einem geistreichen, vielfältig schillernden
Stil geschrieben ist und die einzig lesbare Kunst¬
geschichte in französischer Sprache darstellt. Faure
entwickelt die Kunst aus dem Zusammenhang der
Zeit heraus und bietet damit eine Kunstgeschichte
auf soziologischer Grundlage. Bedauerlicherweise
sind in 4 em letzten Bande die germanischen und
slawischen Länder ganz vernachlässigt.
Eine erste zusammenfassende Darstellung der
russischen Kunst hat Louis Röau im Verlag von
Henri Laurens herausgegeben. In der Einleitung
spricht R6au über die Entdeckung der russischen
Kunst, ihre allgemeinen Merkmale und die Epochen¬
gliederung. Der erste Teil des Werkes ist der
griechischskythischen Kunst im südlichen Rußland
gewidmet, der zweite Teil der byzantinischen Kunst
in Kiew und Nowgorod, der dritte Teil der mosko-
witer Kunst. Louis Röau, der ehemalige Direktor
des Instituts in Petersburg, kennt nicht nur das
Land, dem er hier eine Darstellung gewidmet hat,
sondern ist gleichzeitig einer der wenigen Kunst¬
historiker Frankreichs, die die deutsche, italie¬
nische, griechische und islamische Kunst an Ort
und Stelle studiert haben. Seine persönlichen Er¬
fahrungen breechtigten ihn, sich an eine so schwie¬
rige Aufgabe heranzuwagen. Allein das Gewicht
seiner Eindrücke vor den Originalen hat ihn nicht
verleitet, sich in gewagte Spekulationen und auf
kühne Schlußfolgerungen einzulassen. Seine Ge¬
schichte der russischen Kunst hat den Charakter
eines sachlichen und nüchternen Handbuchs, in
dem das bisherige wissenschaftliche Material durch
eigene Zutaten ergänzt, übersichtlich und gro߬
zügig zusammengefaßt ist. Das Buch bildet eine
Basis, auf der leicht weitergebaut werden kann.
Andrö Maubel hat eine Schrift unter dem Titel:
„Le tour de RAngleterre" veröffentlicht, die wert¬
volle kunst- und kulturhistorische Betrachtungen
enthält. Das Buch ist mit fünf Abbildungen im
Verlag von Georges Crös & Cie. erschienen.
England ist Mode in Frankreich. Der Verlag
der Siröne hat Stevensons „Master of Ballantrae“
französisch herausgegeben. Die nouvelle revue
fran9aise brachte Sterne, Butlar und Browning
heraus und beschäftigt sich auch in ihrer Zeitschrift
viel mit englischen Problemen. Andere Verleger
folgen diesem Zuge der Zeit. Aber man kann nicht
wissen, wie lange diese Vorliebe für England
andauem wird.
Berlin. Dr. Otto Grautoff.
M7
Römischer Brief.
Unter den Streiks und Unruhen, die für die
gegenwärtige Zeit charakteristisch sind, dürfte der
Ausstand der Studierenden in Rom und Neapel
und anderen Universitäten Italiens zu den merk¬
würdigsten gehören. Die Teuerung war auch hier
die Ursache. Im Februar machte sich die Un¬
lust der italienischen Studenten gewaltsam Luft.
Protestversammlungen gegen die für die Mehr¬
zahl der Studierenden unerschwinglich gewordenen
Preise der notwendigsten Studienbücher, mehr oder
weniger lärmende Umzüge und Bedrohung der
Buchhandlungen kennzeichnen diesen eigentüm¬
lichen Streik, der von den Universitätsleitungen
mit Schließung der Vorlesungen beantwortet wurde.
In Neapel kam es zum Sturm auf mehrere bekannte
große Buchhandlungen, deren Lager zerstört oder
verbrannt wurde.
Nun ist ja zweifellos die Zerstörung der vor¬
handenen Bücherlager nicht der richtige Weg, eine
Ermäßigung der Bücherpreise zu erreichen, doch
ist andrerseits die Erregung der italienischen Stu¬
dierenden, von denen viele mit sehr bescheidenen
Mitteln rechnen müssen, begreiflich. Zudem waren
die Demonstrationen, wie häufig in solchen Fällen,
nicht an die richtige Adresse gerichtet. Denn der
bloße Wiederverkäufer des Buches, der Sortimenter,
ist an dessen Verteuerung gewiß nicht der schul¬
digste Teil. Die Gründe liegen vielmehr hier wie
anderwärts viel tiefer. Die ins Maßlose gesteiger¬
ten Löhne des Handarbeiters, dieses Hauptkenn¬
zeichen der Nachkriegszeit, haben auch die For¬
derungen der Schriftsetzer zu einer früher nicht
für möglich gehaltenen Höhe gebracht. Das gleiche
gilt für die Löhne der Buchbinder.
Für Italien kommt noch ein Faktor hinzu, der
die Herstellung der Bücher gewaltig verteuert: die
Knappheit und in deren Folge die gewaltige Preis¬
steigerung des Papiers, die durch ein lange Zeit
hindurch bestandenes Einfuhrverbot und starke
Zölle noch vermehrt wurde. Buch- und Zeitungs¬
verleger haben hiergegen Front gemacht, und, wie
ich höre, ist dieses Einfuhrverbot nun aufgehoben
worden, so daß zu hoffen ist, daß wenigstens die¬
ser eine Grund der Teuerung des Buches in etwas
beseitigt wird.
Es wäre auch für Italien interessant, einmal
festzustellen, wie gering der Anteil des eigentlichen
Schöpfers des Buches, des geistigen Urhebers, an
der von aller Welt beklagten Buchpreiserhöhung
ist. Der Präsident der italienischen Vereinigung
der Buchdrucker und Buchhändler, Commendatore
Beltrami, richtete an die Presse aus Anlaß dieser
Unruhen ein Schreiben, das interessant genug ist,
um einiges daraus hier wiederzugeben : „Die Frage
der Bücherpreise ist in dem Augenblick zu einer
üblen Sache geworden, da die Studierenden ge¬
glaubt haben, sie durch Sturm auf die Buchband-
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;f
UNIVERSITY OF CALIFORNIA j
Juli-August 1921
Römischer Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
lungen und Verübung vandalischer Akte selbst
losen zu sollen. Ihre Art und Weise macht weder
ihren guten Sitten noch ihrer Klugheit Ehre. Man
braucht wirklich nicht an einer Universität imma¬
trikuliert zu sein, um zu begreifen, daß ein ver¬
wickeltes wirtschaftliches Problem nicht mit Stein¬
würfen zu losen ist. Verleger und Buchhändler
wären höchst zufrieden, ihre Bücher billiger ver¬
kaufen zu können, wenn sie nur nicht bei deren
Herstellung an so übertriebene Forderungen ge¬
bunden wären, die zu ändern nicht in ihrer Macht
steht. Sie haben sich der Regierung gegenüber be¬
reit erklärt, die Rechnungen über Herstellung und
Verkauf der Universitätslehr- und der Schulbücher
einer Kommission zu unterbreiten, in der auch die
Studentenschaft vertreten sein soll, um durch Prü¬
fung dieser Rechnungen feststellen zu lassen, ob
die Verkaufspreise den gegenwärtigen Bedingungen
des Buchgewerbes und Buchhandels in billiger Weise
entsprechen. Dies ist der rechtmäßige und über¬
zeugende Weg für jeden anständigen Menschen,
einer derartigen Frage zu begegnen, nicht aber der,
mit Gewalt willkürliche Preisermäßigungen zu er¬
zwingen, die dann selbstverständlich nicht aufrecht
erhalten werden können. Es bleibt zu hoffen, daß
auch die Studierenden sich hiervon überzeugen,
und daß endlich der gesunde Sinn über den Geist
der Brutalität und Ordnungslosigkeit siegt.“
In dem im zweiten Jahrgang in Bologna er¬
scheinenden „Bollettino dell’Antiquario“ veröffent¬
licht Albano Sorbelli unter der Überschrift „La
Casa del Manoscritto“ (Das Handschriften-Haus)
Ausführungen, die, wenn sie auch vielleicht für die
Verhältnisse anderer Länder nicht zutreffen, dem
italienischen Büchermarkt gegenüber eine gewisse
Berechtigung haben. Der Verfasser spricht seine
bedauernde Verwunderung darüber aus, daß die
Handschrift gegenüber dem gedruckten Buch, so¬
wohl von Händlern wie von Sammlern allzu stief¬
mütterlich behandelt wird. Wirft man, meint er,
einen Blick auf den modernen Antiquariatsbuch¬
handel, wird man sogleich gewahr, daß die Mode —
und auch in den ernstesten Dingen gibt es Moden —
gegenwärtig den Handschriften und Autographen
nicht günstig ist, einem Handel, der noch vor kurzer
Zeit in hoher Blüte stand. Betrachtet man die
Kataloge der Buchhändler Italiens und des Aus¬
landes, auch der größeren, merkt man, daß bei wei¬
tem der größte Teil, ja fast der gesamte Antiqua¬
riatsbuchhandel sich nur mit dem gedruckten Buche
beschäftigt. Ganz selten begegnet man einigen
Autographen, noch seltener einer Handschrift.
Während noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahr¬
hunderts sich verschiedene italienische, französische
und deutsche Zeitschriften ausschließlich dem Ge¬
biete der Handschriften und Autographen wid¬
meten, kennt man solche Fachblätter in Italien
jetzt nicht mehr, und im Ausland sind ihrer nur
wenige dürftigen Umfangs. Buchhändler und An-
149
tiquare lieben die Handschrift nicht. Kommt ihnen
einmal eine vor, verkaufen sie sie möglichst unter
der Hand, oder gelingt ihnen das nicht, bieten sie
sie in ihren Katalogen unter mehr oder weniger
wertlosen Büchern an, gleichsam um Entschul¬
digung bittend, daß sie sich mit ihren mangelhaften
Angaben an die Öffentlichkeit wagen. Und prüft
man dann diese oberflächlichen und dürftigen Be¬
schreibungen, die in keiner Weise dem Inhalt ent¬
sprechen, versteht man schon, daß sich ihr Besitzer
schämt, damit hervorzutreten.
Sorbelli untersucht nun die Gründe, aus denen
sich Händler und Sammler ungern mit Handschrif¬
ten abgeben, obwohl doch jede Handschrift ein
Unikum und in den meisten Fällen ein weit be¬
deutenderes Kulturdokument als das gedruckte
Buch sei, und stellt mit Erstaunen fest, daß keine
einzige Antiquariatshandlung sich ausschließlich
dem Handel mit Handschriften widmet. Abgesehen
davon, meint er, daß die Handschrift augenblicklich
nicht Modesache sei, seien die Gründe hierfür
zweierlei: einmal die mangelnde Bildung und ge¬
ringe bibliographische Schulung der Händler, wenn
man von wenigen Ausnahmen absieht, auf der
anderen Seite aber mangelten auch Bücherleser
und Sammler meist einer so speziellen Bildung, wie
sie dem Handschriftensammler unentbehrlich sei.
Der Verfasser des Aufsatzes hält nun den gegen¬
wärtigen Augenblick für besonders geeignet, das
Handschriftensammeln wieder zu beleben, und zwar
scheint ihm merkwürdigerweise diejenige Kaste
von Menschen, die wir in Deutschland Kriegsge¬
winnler zu nennen pflegen — in Italien hat man
ihnen den bezeichnenden Namen pesci-cani (Hai¬
fische) gegeben — hierfür besonders berufen. Zwar
gibt er selber zu, daß diesen Menschen die hierzu
erforderliche Tradition und Kultur fehlen wird,
meint aber, daß deren Söhne sie sich aneignen könn¬
ten ; und da von den Vätern her die nötigen Mittel
vorhanden seien, sieht er in ihnen die berufenen
Handschriftensammler der Zukunft! Es komme
nur darauf an, daß ein Händler den Entschluß und
den Mut aufbringe, ein Spezialhaus für Hand¬
schriften zu eröffnen („La Casa del Manoscritto“).
Auf die mancherlei Schiefheiten dieser Ausführun¬
gen braucht nicht eigens hingewiesen zu werden,
und sicherlich haben sie für Deutschland, wo selbst
jetzt nach dem Kriege Spezialkataloge wertvollster
Handschriftensammlungen erscheinen, keinerlei
Berechtigung. Allerdings enthalten sie, wie schon
eingangs erwähnt, mancherlei für den italienischen
Büchermarkt Zutreffendes.
Am 14. März hat sich in Rom das Istituto per
la Propaganda della Cultura Italiana konstituiert,
oder richtiger, in seiner neuen Form als große,
halboffizielle Gesellschaft neu gebildet. Während
des Krieges von dem römischen Verleger F. A. For-
miggini gegründet, verfolgt die Gesellschaft, die
bereits 8475 Mitglieder zählt, den Zweck, die Aus-
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Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Römischer Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
breitung der italienischen Kultur und zwar im be¬
sonderen die Verbreitung des italienischen Buches
in Italien zu fördern, und hat also ähnliche Ziele
wie die Gesellschaft Dante Alighieri, mit der sie
auch eng liiert ist. Formiggini hatte schon wäh¬
rend des Krieges die Monatsschrift „L'Italia che
scrive“ (Das schreibende Italien) gegründet, eine
Zeitschrift, die über Neuerscheinungen des italie¬
nischen Kulturmarktes und über die geistigen
Bewegungen in Italien und den Einfluß der italie¬
nischen Kultur im Ausland berichtete. Ferdinan-
do Martini, der zum Präsidenten gewählt wurde
— Ehrenpräsidenten sind dauernd der Minister des
Äußeren und der Kultusminister — sagt in seinem
Bericht: „Es wird gewiß jedem Italiener tröstlich
erscheinen, daß während das geistige Leben der
Völker an einer so tiefen und beängstigenden Krisis
leidet, sich in Italien Männer finden, die den guten
Willen haben, indem festen Glauben an ein nahes
Wiederaufblühen der Studien, eine geistige Pro¬
paganda-Organisation zu schaffen, wie sie kein
anderes Land besitzt. Diese Organisation ist das
Istituto per la Propaganda della Cultura Italiana,
das sich vornimmt, den Italienern in Italien und
Kolonien und überhaupt allen Freunden unserer
Kultur, die gesamte italienische Bücherproduktion
zur Kenntnis zu bringen, was so viel heißen will
als den italienischen Gedanken in seiner Gesamt¬
heit zu vermitteln. Die Mittel hierfür sind bis jetzt
die bibliographische Monatsschrift „Italia che scri¬
ve“ und eine Reihe Spezialführer, die die italie¬
nischen Erscheinungen auf den einzelnen Gebieten
während der letzten 50 Jahre verzeichnen. Sobald
das Istituto über entsprechende Mittel verfügen
wird, will es an die Übersetzung seiner Publika¬
tionen in mehrere Sprachen herangehen, damit diese
weite und nützliche Verbreitung in der ganzen
zivilisierten Welt finden können. Ein Zweiginstitut
unter dem Namen „Society for the dissimination
of the Italian Culture“ ist in New York gegründet
worden, und Vertreter der Gesellschaft befinden
sich in Denver (Colorado), Kalkutta, Boston, Kairo,
im Haag, Belfast, Rio de Janeiro und anderen
Städten.
In italienischen Büchern der vierziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts findet man häufig die
Angabe „ Capolago , Tipografia Elvetica “. Dies Ca-
polago liegt am Südende des Luganer Sees, noch
gerade auf Schweizer Boden, und diese Tipografia
Elvetica, aus ganz kleinen Anfängen hervorgegan¬
gen, hat eine große Rolle in der geistigen Vorbe¬
reitung für die Erhebung und Einigung Italiens
gespielt. Die Florentiner Wochenschrift „Mar-
zocco“ erinnerte kürzlich an die Geschichte dieser
Druckerei und ihre geschichtliche Bedeutung für
die italienische Einheitsbewegung. Im Jahre 1830
bildete sich in Capolago eine Druck- und Verlags¬
gesellschaft, in der ein gewisser Carlo Modesto Massa
aus Asti, der in jener Gegend den Beinamen der
Plato des Tessin hatte, die Hauptrolle spielte.
Schon in dieser Zeit übte die Druckerei durch ihre
Publikationen Einfluß auf das italienische Denken,
mehr aber noch unter Luigi Dottesio aus Como,
der sie bis zum Jahre 1842 leitete, bis sie d ann
unter Alessandro Ripetti ganz besonders die Auf¬
gabe übernahm, durch die sie in Italien berühmt
geworden ist. Jetzt wurde sie die Ausgangsstelle
für alle diejenigen Erscheinungen, die in Italien
selbst nicht gedruckt werden durften. Ugo Foscolo
hatte die Italiener ermahnt, Geschichte zu studieren,
wenn sie sich zu nationalem Leben erheben wollten.
Die Typografia Elvetica nahm diese Mahnung auf
und veröffentlichte in der Zeit vor 1842 unter ihrem
Leiter Dottesio die „Collana degli Istorici Italiani“
(Kette italienischer Geschichtsschreiber) und die
„Storia di tutte le Nazioni (Geschichte aller Völ¬
ker), beides vielbändige Werke, die jedoch weder
sonderlich schön gedruckt noch besonders kritisch
redigiert und daher heute nur noch von geringem
Wert sind. Gleichzeitig wurden in Capolago die
Werke von Silvio Pellico, Manzoni und Alfieri neu
gedruckt. Ein Tessiner namens Antonio Monti hat
sich eingehend mit der Geschichte der Druckerei
beschäftigt und vor kurzem in der Luganer Zeit¬
schrift „L* Adula“ ausführliche Studien über die
bibliographischen Quellen dieses Verlages und
einen Katalog der von ihm herausgegebenen Werke
veröffentlichst.
Bei dieser Gelegenheit sei einer der bedeutend¬
sten lebenden italienischen Verlagsunternehmun¬
gen gedacht, die vor kurzem die Feier ihres
25 jährigen Bestehens begehen konnte, des Istituto
Italiano d'Arti Graficbe in Bergamo. Der Verlag
hat aus diesem Anlaß eine Geschichte seines Hauses
herausgegeben. Die Gründung des Unternehmens,
weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt
durch seine mustergültig ausgestatteten Kunst¬
publikationen, liegt eigentlich noch weiter als 25
Jahre zurück: im Jahre 1873 erwarben Gaffuri
und Gatti die seit dem Jahre 1802 bestehende
Druckerei Sonzogno, die lediglich über einige Hand¬
pressen verfügte. Sie druckten die „Gazzetta di
Bergamo“ und begannen ihre Verlagstätigkeit mit
künstlerisch ausgestatteten Kalendern. Ein ge¬
wisser Dolfin, der damals längere Zeit in Bergamo
wegen Herstellung falscher Geldscheine im Gefäng¬
nis gesessen hatte, war der erste außerordentlich
geschickte Lithograph des Verlagshauses. Im Jahre
1878 führten Gaffuri und Gatti als erste in Italien
die lithographische Presse von Faber & Schleicher
ein und ließen aus Deutschland geschickte Litho¬
graphen zum Zweck der Herstellung chromolitho¬
graphischer Arbeiten kommen. Auf dem Gebiete
der farbigen Lithographie hat das Institut Her¬
vorragendes geleistet.
Rechtzeitig zum Dante-Jubiläum, der Sechs¬
hundert jahrfeier des Todestages Dantes, läßt Höpli
in Mailand Neuausgaben der Divina Commedia und
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Wiener Brief
Zeitschrift für Bücherfreunde
der Vita nuova, der der Canzoniere beigefügt ist,
erscheinen. Beide Werke sind mit den sehr brauch¬
baren Kommentaren Scartazzinis und Scherillos
versehen. Sie sind leidlich ausgestattet, auf Oxford-
Papier gedruckt und in dunkelrote Leinwandbände
gebunden.
Rom. Ewald Rappaport.
Wiener Brief.
Vor kurzem suchte man die öffentliche Auf¬
merksamkeit wieder einmal auf die Unhaltbarkeit
unserer Bibliothekszustande hinzulenken. Der Re¬
ferent des Gemeinderates gestand unumwunden
zu, daß der in den Stadthaushalt eingestellte Be¬
trag von 453000 Kronen (also etwa 46000 M.) für
die städtischen Sammlungen (Museum und Biblio¬
thek) ganz unzulänglich sei. Die Gemeindeverwal¬
tung hat aber des weiteren alle Beiträge für wissen¬
schaftliche Unternehmungen gestrichen: die Fort¬
setzung des „Beschreibenden Verzeichnisses der
Briefe“ (vgl. Beiblatt XI, 335 f.) und der von Sauer
besorgten großen Grillparzer-Ausgabe der Stadt
Wien soll sofort abgebrochen werden! Wir wollen
nicht davon reden, daß sich die gegenwärtigen
Machthaber in der Gemeindeverwaltung damit
einer Ehrenschuld gegen einen der größten Söhne
Wiens quitt erklären, die ihre Vorgänger, Liberale
und Christlichsoziale, anerkannt haben, wir möch¬
ten, da der Staat Österreich offenkundig leistungs¬
unfähig ist, an das deutsche Volk in seiner Ge¬
samtheit, an den deutschen Verlagsbuchhandel
appellieren, ob denn aller Opfermut und — Spe¬
kulationsgeist geschwunden ist, den literarischen
Nachlaß eines führenden Deutschen unter Dach
und Fach zu bringen. Fürchtet man den Heraus¬
geber, der freilich eine Fahrt ndch wdne angetreten
zu haben scheint, so zeichne man ihm einen be¬
stimmten, unabänderlichen Kurs vor. Vorläufig
wollen wir es noch immer nicht glauben, daß die
kritische Grillparzer-Ausgabe, zu deren Gunsten
der Nachlaß seit einem Menschenalter unzugäng¬
lich gewesen ist, ein Torso bleiben soll.
In derselben verzweifelten Lage wie die Stadt¬
bibliothek befindet sich die ehemalige Hof-, jetzige
Nationalbibliothek. Ihr wurde von seiten des Staates
für Neuanschaffungen ein Betrag von 500000
Kronen zugestanden. Was diese Ziffer für ein In¬
stitut ersten Ranges bedeutet, leuchtet sofort ein,
wenn man dagegen hält, daß die Münchener Staats¬
bibliothek mit 600000 M., die hessische Landes¬
bibliothek in Darmstadt mit 300000 M. natürlich
nicht ihr Auslangen finden können. Mit der halben
Million Kronen können nach den Mitteilungen des
Vizedirektors Hofrat Dr. Doublier gerade die Kosten
der Zeitschriften und Fortsetzungswerke bestritten
werden, und zwar nur der in Deutschland erschei-
153
nenden; der Bezug aller englischen, französischen,
italienischen, skandinavischen Zeitschriften mußte
bereits eingestellt werden! Die für die Buchbinder¬
kosten zur Verfügung stehenden 250000 Kronen
reichen gerade hin, die allergangbarsten Werke
mit den nötigen Einbänden versehen zu lassen;
alle übrigen müssen ungebunden aufgestellt wer¬
den, wodurch sich die Gefahr des Verlustes ein¬
zelner Druckbogen und des vorzeitigen Abnützens
der Bücher ins Ungemessene erhöht. Dabei sind
die unterirdischen Büchermagazine so feucht und
modrig, daß ohnedies ganze Bücherreihen durch
die immermehr zunehmende Schimmelbildung von
Vernichtung bedroht sind. Da wir durch den fa¬
mosen Frieden von St. Gennain nun einmal ver¬
urteilt sind, unter den Staaten Europas den ewigen
Bettler zu spielen, hat sich die Direktion an aus¬
ländische wissenschaftliche Kreise um Bücher¬
spenden gewandt. Gehör fand sie in erster Linie
bei der königl. dänischen wissenschaftlichen Gesell¬
schaft in Kopenhagen, die eine reichliche Samm¬
lung dänischer Bücher aus den letzten Jahren (seit
1919), darunter Luxusausgaben und lithographierte
Bücher, zum Geschenk machte. Man denkt aber
auch, wie es ganz in der Ordnung ist, an Selbst¬
hilfe. Ein von namhaften Persönlichkeiten Unter¬
zeichneter Aufruf fordert zur Gründung eines
„Vereins der Freunde der Wiener Nationalbiblio¬
thek“ auf. Es ist zu hoffen, daß die Veröffent¬
lichungen aus der Nationalbibliothek, die unter
dem Sammeltitel „Museion“ im Verlage von Eduard
Strache erscheinen, eine werbende Kraft für diesen
Verein auch im Auslande ausüben werden. Einer
der größten Verluste, der die Nationalbibliothek
bedrohte, ist glücklich abgewandt worden: Italien
hat die drei Pfänder für die von ihm in Anspruch
genommenen estensischen Objekte (vgl. Beiblatt XI,
105), zurückgestellt! Um welchen Preis, das mögen
die verantworten, die das sogenannte Kunstab¬
kommen abgeschlossen haben, dessen Urheberschaft
— charakteristisch genug — jetzt einer dem an¬
deren zuschiebt.
Während wir außerstande sind, durch Neu¬
erwerbungen unseren Forschern das nötige geistige
Rüstzeug zu bereiten und einem völligen Zusam¬
menbruch aller wissenschaftlichen Arbeit in Öster¬
reich unaufhaltsam entgegengehen, macht der
Aus- und Abverkauf unseres Kulturbesitzes weiter
reißende Fortschritte, so daß einige Abgeordnete
im Nationalrat endlich ein Gesetz zum Schutze
der heimischen Kunstschätze verlangt haben,
worin sie aber bezeichnenderweise der Bücher¬
schätze ganz vergaßen.
Wenige Tage vorher (am 13. Juni) ist aus dem
Nachlaß des Erzherzogs Ludwig Viktor mit der ge¬
samten Einrichtung des Schlosses Kiesheim bei
Salzburg auch dessen Bibliothek im Dorotheum
zur Versteigerung gelangt, bei der die vielfach zu
niedrig angesetzten Schätzungspreise riesig in die
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Höhe getrieben wurden. Ein Bodonidruck des
Horaz, Parma 1791, in rotes Leder gebunden, Gro߬
folio, stieg von 1000 auf 17000 Kronen, Bretons
Bibliothöque historique, Paris 1809, von 800 auf
15000 Kronen, Hammer-Purgstalls „Gemäldesaal
der Lebensbeschreibungen großer moslimischer
Herrscher“, Leipzig und Darmstadt 1837—1839,
sechs Prachtlederbande, Widmungsexemplar für
Erzherzog Franz Karl, von 800 auf 19000 Kronen,
desselben „Geschichte des osmanischen Reiches“,
Pesth 1827—1835, zehn Bande, von 600 auf 25 000
Kronen. Ein Originalmanuskript von Massenet in
Prachtband ging von 2000 auf 15 000 Kronen, die
von Leffler und Urban illustrierte Vorzugsausgabe
von Musäus’ Märchen „Rolands Knappen“, Wien
1898, von 100 (!) auf 8000 Kronen. Andere Höchst¬
preise erzielten 46 Originalbände der kolorierten
Ausgabe der MünchenerBilderbogen( 20000 Kronen),
der Band „Niederösterreich“ in der von den Ge¬
brüdern Köpp herausgegebenen „Historisch-ma¬
lerischen Darstellung von Österreich “, Wien 1814,
und die von Runk und Ziegler herausgegebenen
„Ansichten aus Kärnten “ in 25 handkolorierten
Kupfern sowie ihre „ Ansichten aus Oberösterreich 11
in 54 handkolorierten Kupfern (44000, 41000,
63000 Kronen). Nachdem die Entwertung der
österreichischen Krone auf den hundertsten Teil
eine vollzogene Tatsache ist, läßt sich nicht, wie
-das in der Tagespresse zum Teil geschehen ist, das
Ergebnis dieser Versteigerung, sondern nur die
unrichtige Einstellung der Ausrufpreise bemängeln.
Umgekehrt setzten Gilhofer <S* Ranschburg bei
ihrer Versteigerung einer Büchersammlung aus
Wiener Privatbesitz (4.—7. Mai) die Schätzungs¬
preise mehrfach zu hoch an. Die Briefe der Marquise
de StvigrU in der Ausgabe von Silvestre de Sacy,
Paris 1861, elf kirschrote Halbmaroquinbände, mit
15 000 Kronen ausgeboten, wurden um 8 500 Kronen
zugeschlagen; Ritif de la Bretonne, Les Posthumes,
Paris 1802, zwei Halbmaroquinbände, von großer
Seltenheit, erzielte statt 3600 nur 2900 Kronen;
die historisch-kritische Ausgabe von Schillers sämt¬
lichen Schriften , Stuttgart 1867,17 Halbfranzbände,
statt 8000 nur 6000 Kronen. Kleinere Abschläge
ergaben sich bei Nietzsche , Ecce Homo, Erstaus¬
gabe, Leipzig 1908, 2300 Kronen, und dem Wiener
Nachdruck von Schillers sämtlichen Werken , Wien,
Anton Doll, 1810, 18 Ganzlederbände der Zeit,
3700 Kronen. Dagegen stiegen Fischers von Erlach
„Prospekte und Abrisse einiger Gebäude von Wien“,
Kupfer von Joh. Adam Delsenbach, Wien 1713 bis
1719, Lederband, von 2500 auf 30000 Kronen.
Höchste Preise erzielten: Servaes , Giovanni Segan-
tini, Wien 1902, Originalleinenband, 16 000 Kronen;
Seelengärtlein (Hortulus animae), Nachbildungen
Cod. Bibi. Pal. Vindob. 2706, erläutert von Döm-
höffer, Frankfurt a. M. 1917, Nr. 26 von 200 Exem¬
plaren, 19 000 Kronen; eine Sammlung von 282 Sil¬
houetten aus den Jahren 1770—1800 auf 49 Blättern
155
in einem Pappband, 20000 Kronen; Collection
des vues f monumens , costumes de Vienne et de ses
environs , Vienne chez Artaria et Compag., etwa
1820,21000 Kronen ;A.F. PrSvost , Oeuvres choisies,
Paris 1783/85, 39 Kalblederbände, mit Kupfern
nach Mariliier, 25 000 Kronen; Tableaux des habille-
ments, des moeurs et des coutumes en Hollande ,
Amsterdam 1814, grüner Halbmaroquinband, 2 5 000
Kronen; Kleiner und Pfeffel , Wahrhafte und genaue
Abbildung Wiens, fünf Teile, Augsburg 1724—1737,
38000 Kronen.
Auch der durch mehr als sieben Jahrzehnte
fürsorglich gehütete Nachlaß des berühmten Wiener
Miniaturenmalers Moritz Michael Daffinger (1790
bis 1849) ist von C. J. Wawra unter den Hammer
gebracht worden (22. und 23. April, Katalog mit
einem trefflichen Vorwort von Leo Grünstein). Bei
dieser Gelegenheit waren Bildnisse seiner Frau zu
sehen, jener außerordentlich schönen Halbgriechin
Marie Smolk von Smolenitz, die Grillparzer zu
seiner Hero begeisterte, und Bildnisse ihrer früh¬
verstorbenen Tochter Mathilde, der Grillparzer die
Grabschrift widmete: „Ein Engel floh gen Himmel,
Die Hülle blieb zurück. Und nichts ist hier ge¬
storben Als zweier Eltern Glück.“ Für die Grill¬
parzerforschung kamen noch in Betracht Folgen
von Entwürfen, die sich auf die Inszenierung und
Rollenbesetzung seiner Dramen am Burgtheater be¬
ziehen, Anschütz als Ottgkar, Heurteur als Rudolf
von Habsburg, Sophie Schröder als Medea und als
Margaretha (in „König Ottokar“) u. a. m.
Gerade diese Versteigerung hätte einer Zentral¬
stelle für die Geschichte der Wiener Theaterkultur
Gelegenheit zu den kostbarsten Erwerbungen geben
können — wenn eine solche schon bestünde. Im
Herbst soll ja wohl nach langen Vorbesprechungen
ein „Verein für österreichische Theatergeschichte“
begründet werden — zu einem Teil zu spät, zum
andern Teil schon von vornherein mit dem alten
österreichischen Fluch behaftet, mit halben Mitteln
halben Zielen zuzustreben. Sei der Ausgang besser
als der Anfang! *
Wien, Ende Juni 1921.
Prof. Dr. Eduard Castle.
Neue Bücher und Bilder.
Max Barthel , Das Herz in erhobener Faust.
Balladen aus dem Gefängnis. Potsdam , Güstern
Kiepenheuer , 1920.
Aufbegehren und Anklage ist auch in diesem
schmalen Heftchen der Grundton; aber ein Auf¬
begehren doch aus kleinem Winkel heraus, wenn’s
auch ein Gefängnis ist. Ein Verständnis für das,
was man metaphysische Notwendigkeit kriegeri¬
schen Geschehens nennen könnte, erwartet man von
dieser Seite aus nicht; aber es wird, wieder einmal,
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
schon der „verflucht** und muß „verfaulen und
verrecken“, wer sich „vor dem Volke versteckt,
zum Schutze Soldaten aussucht**. Offenbar gibt es,
durch die Brille des Kerkergefangenen gesehen, doch
noch schlimmere Menschen: das sind die Gefange¬
nen-Wächter; besser ist's, vergraben sein „im Blut¬
strom der Schlacht“,
Als auf samtleisen Sohlen und grausam verstohlen
Belauern der Elenden Schlaf ,
Nachts schlecht sein , weil es die Richter befohlen,
Und Bürger im Tag sein und brav.
Gegen Macht, gegen Amt, gegen Gott, gegen
Gesetz, gegen Recht, das Männer machten und das
„Unrecht und Fluch'* wurde, wettert er; aber dem
Gefangenen „rauscht alles Gute**, ihm lächelt der
Genius. Welch eine Welt: ohne kosmische Weite,
im Grunde so eng und doch mit dem Welt-An¬
spruch ! Und doch stellen sich diese Menschen, weil
sie Neuland suchten und ins Gefängnis mußten, an
die Seite von Kolumbus und Huß. Anspruchlose,
arme Menschen! Formal haben diese wenigen Ge¬
dichte etwas Gleichmäßig-Reizvolles; immerhin
wird das mitunter nur erreicht durch so unglück¬
liche Dilettantismen wie: Doch in diesen Tagen tun
Kreuze auf ragen, oder: Eine Uhr tut schlagen in
all diesen Tagen u. ähnl. Hans Knudsen .
Aubrey Beardsley , Venus und Tannhäuser. Eine
romantische Novelle. (Zu Ende geführt von Franz
Blei.) Hannover, Paul Steegemann. In ioooExempl.
f. Subskr. gedruckt.
Die vot etlichen Jahren bei Hans von Weber
erschienene erste Übersetzung des Beardsleyschen
Fragments ist in jeder Beziehung, textlich und
bibliophil, vollkommen. Die vorliegende Ausgabe
bringt ein Novum: die Vollendung des Fragmentes
durch Franz Blei. „Worein gewebt ist seine Reue,
seine Fahrt nach Rom.“ Das bedichtet er. Beards-
leys Fragment ist wohl das reizvollste Erotikon der
Welt, von einem Zeichner und nur von einem sol¬
chen, launisch, witzig und bizarr—gezeichnet eben.
Daß weder Blei noch ein anderer dem ebenbürtig
würde nacheifern können, lag auf der Hand. Den¬
noch enttäuscht es, wie wenig dieser doch so an¬
passungsfähige Autor in Beardsleys Launen sich
einfühlte. Da wird gewißlich ganz geistvolle philo¬
sophische Spielerei und Allegorie getrieben — aber
hinter Beardsleys spinnwebfeinem Filigran mutet
er recht schmiedeeisern an. — Auch in bibliophilem
Sinne ist diese Ausgabe keine Großtat. Die lange,
dünne und blasse Antiqua ist schwer zu lesen, und
das „Zanders Dickdruckpapier**? — Wohin sind
die schönen Tage, wo man erst handgeschöpftes
Bütten erwähnenswert fand. E. E. S.
157
Franz Biet , Der bestrafte Wollüstling. Eine
Arabeske. Mit einer Umschlagzeichnung von Paris
Gütersloh. (4. Avalun-Tausenddruck.) Wien-Leip¬
zig, Avalun- Verlag, 1921.
Franz Blei ist der hochgezüchtete Typus des
Literaten. Seine Einfälle ranken als wuchernde
Arabesken an dem Spalier seiner Belesenheit em¬
por und in dem Blätterwerk schimmern hier und
da die verführerischen Früchte einer unverächt¬
lichen Geistigkeit, Absenker des erotischen Ro¬
kokoesprits, der einst im Humus der r6gence und
des Louis XV. üppig erblühte. So ist es auch hier
wieder. Auch fehlt nicht die neueste Spielart dieser
Bleischen Kulturen: statt des Höllenrachens öffnet
sich dem Sünder der Schoß der Gnade. Blei kommt
sich sehr christlich-katholisch vor, wenn er seine
alten Cochonnerien mit solchen geistlichen Exerzi¬
tien vereint; aber ich kann mir nicht helfen: ich
denke an das Schillersche Rezept für die Leute,
die zugleich den Kindern der Welt und den From¬
men gefallen wollen, wenn ich diesen schönen Druck
lese und mich dabei des einstigen Franz Blei er¬
innere, der weit mehr als zum heiligen Franziskus
zu dem unbeiligen jungen Vetter Franz in Büschs
„Frommer Helene“ neigte. Sollte er nun auch im
höheren Alter die Nachfolge dieses trefflichen Jüng¬
lings angetreten haben? G. W.
Felix Braun, Die Träume in Vineta. Legenden.
München, Musarion-Verlag, 1919.
Der Inhalt dieses Buches entspricht zwar,
streng genommen, nicht seinem mystisch klingenden
Titel und noch weniger dem geheimnisraunenden
blaßgrünen Dom, den R. Hörschelmann auf seinen
Umschlag unter die tiefblauen Lettern des Auf¬
drucks zauberte. Dazu sind diese Träume zu
wesenhaft, zu wenig urverwunschen, mag auch
genug Phantastisches und Legendenhaftes der son¬
stigen malerischen Buntheit von Einfällen bei-
gemengt sein. Doch um des reichen Geschehens, des
gemütvollsinnigen Plaudertons und der liebenswür¬
digen Persönlichkeit willen, die hinten den Legen¬
den steht, läßt man die Sorglosigkeit in Stil und
Aufbau sich gefallen; etwa, wie ein von Amt und
Stadt ermüdeter Wanderer sich in das hohe Gras
des Sommernachmittags hinwirft und wahllos-fröh¬
lich sich der Natur mit ihren üppig wuchernden
Unerschöpflichkeiten freut. Magda Janssen.
Rudolf von Delius, Philosophie der Liebe.
Darmstadt, Otto Reicht, 1920.
Beginnend mit dem Geschlechtsleben der In¬
fusorien (heiliger Bölsche) kommt Delius ziemlich
sprunghaft zu einem Evangelium heiter-heidnischer
Sinnlichkeit. Diese 100 Seiten starke Plauderei
über Sinnlichkeit, die in burschikos-saloppem Stil
vorgetragen und nicht unnötig mit irgend einem
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
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neuen Gedanken beschwert wird, Philosophie der
Liebe (Liebe!!!) zu heißen, ist ebenso überheblich,
wie wenn er ganz im Vorübergehen etwa erklärt:
„Christentum ist gänzliche Verkommenheit der
Gattung Mensch 1 *. So einfach ist es nun doch nicht,
zu philosophieren. Erstaunlich wirkt an dem Buch
einzig, daß es vom Verleger Keyserlings gedruckt
worden ist. E. E. S.
F. M. Dostojewski , Die fremde Frau und der
Mann unterm Bett. Mit zwölf Steinzeichnungen
von A. Bernstein. München , Musarion-Verlag , 1920.
Nachdem die großen, unsterblichen Epen Dosto¬
jewskis ihm einen gewaltigen deutschen Leserkreis
gewonnen haben, beginnt man nun auch den ver¬
gänglichen Nachlaß des gewaltigen Russen uns zu¬
zueignen, jene kleineren Erzählungen, die er unter
dem Zwange der Not hinschrieb. Dazu zählt auch
die Geschichte von dem eifersüchtigen Ehemann,
der unter das fremde Bett gerät und dort den
Schicksalsgenossen vorfindet, eine Geschichte, in
der nicht ohne Absicht mehrmals der Name Paul
de Kocks erwähnt wird. Die Bilder Bernsteins
und die Verdeutschung Frida Ichaks können das
Recht dieser Publikation nicht begründen, an die
der Verlag so große Sorgfalt gewendet hat.
G. W.
F. Af. Dostojewski , Der Idiot. 3 Bände. — Die
Teufel. 3 Bände. Übertragen von H. Röhl. Leipzig ,
Insel- Verlag.
Auch die beiden großen Romane, die sich nun
in der „Bibliothek der Romane** des Insel-Verlags
zu „Schuld und Sühne**, den „Brüdern Karama-
soff** und den beiden Bänden kleinerer Erzäh¬
lungen gesellen, zählen zu den unsterblichen Wer¬
ken, die jeder literarisch Gebildete kennen muß.
Die Übersetzung entspricht wieder, wie bei Röhl
selbstverständlich, allen Ansprüchen, und so wach¬
sen der großen Gesamtausgabe der Werke Dosto¬
jewskis zwei wertvolle neue Glieder zu.
G. W.
Theodor Fontanes engere Welt. Aus dem Nach¬
laß herausgegeben von Mario Krammer (Lilien-
Druck III). Berlin , Arthur Collignon. 4 0 . Nr. 1
bis 125 auf Velin in Halbleder 125 M., auf holz¬
freiem Papier in Pappband mit Büttenpapierüber¬
zug 45 M.
Nicht genug können wir von der liebenswerten
Menschlichkeit des unfeierlichen Märkers erfahren,
und so bedeutet die reiche Gabe unbekannter Briefe,
Dichtungen und Bilder, die uns sein Nachlaß hier
spendet, eine wahre Herzensfreude, zumal in der
musterhaften Ausstattung mit 16 Kupferdrucken
und zahlreichen geätzten Nachbildungen, dem aus¬
gezeichneten Druck und der taktvoll zurückhalten¬
159
den Erläuterung des Herausgebers. Eine Gabe für
jene echten Bücherfreunde, denen intimer Gehalt
und edle Form erst vereint den Wert begründen.
A—s.
Erinnerungen von Joseph Fouchi , Polizeiminister
Napoleons I. Übersetzt und herausgegeben von
Paul Aretz. Mit 21 Abbildungen. Stuttgart , Julius
Hoffmann. Geh. 20 M., geb. 28 M.
Fouchä verdankt seine Erfolge, von seiner un¬
gewöhnlichen Intelligenz und Skrupellosigkeit ab¬
gesehen, einem raffinierten Überwachungssystem.
Nicht Frankreich allein, halb Europa hat er nach
den napoleonischen Eroberungskriegen mit einem
dichten Netz von Polizeiorganen überzogen, er
nannte es seine „topographie** und „biographie
chouannique**. Mit der Großmacht Geld wußte er
aller Geheimnisse Herr zu werden, selbst Josephine
und Napoleons Privatsekretär standen in seinem
Dienst. Diese Polizeieinrichtung hat Millionen
verschlungen; aufgebracht wurden diese Beträge
durch Besteuerung von Spiel, Prostitution und
Paßwesen. Aber Frankreichs Interessen haben mit
denen Fouchös gelegentlich übereingestimmt, ja
dieser Fall trat bei ihm häufiger ein als bei Na¬
poleon. Er war ein ausgesprochener Gegner des
Krieges, und hat sich dadurch in Frankreich und
Europa ebenso beliebt gemacht wie Napoleon
durch seinen Schlachtendurst verhaßt.
Vergleiche mit heutigen Zuständen drängen
sich bei der Lektüre der vorzüglich übersetzten
und eingeleiteten „Erinnerungen** oft in geradezu
verblüffender Weise auf, auch die „Revolutions¬
und Kriegsgewinnler** war damals schon eine nicht
eben seltene Erscheinung. Sie geben dem Buch
neben seinem historischen Wert — es ist die
Tragödie der Revolution und Napoleons — ein
aktuelles Interesse. Rosa Schapire.
Gottlieh Fritz , Volksbildungswesen. Bücher¬
und Lesehallen, Volkshochschulen und verwandte
Bildungseinrichtungen. 2. durchgesehene und ver¬
mehrte Auflage. Mit 12 Abildungen. Leipzigs B. G.
Teubner f 1920. (Aus Natur und Geisteswelt. 266.
Bändchen.)
Die große Anzahl der schwierigen Probleme,
die sich dem Volkspädagogen besonders in den
letzten Jahren aufgedrängt haben, sind dem Ver¬
fasser sicherlich bekannt, wenn er es auch ver¬
meidet, in ihre Tiefen zu gehen. Das war wohl bei
der Beschränkung der Fülle des Inhalts in den Rah¬
men eines Bändchens der Sammlung „Aus Natur
und Geisteswelt'* nicht anders möglich. Immerhin
bietet Fritz demjenigen, der sich zunächst einmal
über das unterrichten will, was auf dem Gebiete
des freien Volksbildungswesens überhaupt da ist,
ein brauchbares Nachschlagebuch. H. R. U.
160
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Paul Gauguin , Briefe an Georges Daniel de
Monfreid. Mit einer Einleitung von Victor Segalen.
Mit 16 Abbildungen. Potsdam , Gustav Kiepenheuer t
1920.
Heiß und schwer steigt es aus diesen Briefen
auf. Es ist das erbitterte Ringen eines Menschen
um die nackte Existenz. Man hat gegen Gauguin
so oft den Vorwurf der Pose und des Theatralischen
erhoben; die Briefe geben einen Einblick in tiefste
Einsamkeit, grenzenlose Verlassenheit und einen
grausamen Kampf gegen Krankheit und Elend.
Des Kampfes müde, verlangt ihn nach Ruhe.
„Man soll mich still und vergessen sterben lassen,
und soll ich leben, so lasse man mir noch mehr
Ruhe und noch mehr Vergessenheit.“ Die Ver¬
öffentlichung wirkt aber nicht als Indiskretion und
Widerspruch gegen den Wunsch des Toten, son¬
dern als Ehrenrettung und Zerstörung mancher
törichten Legende. Rosa Schapire.
Wilhelm Hausenstein , Bild und Gemeinschaft.
Entwurf einer Soziologie der Kunst. München ,
Kurt Wolff.( 1920). 108 Seiten. Geb. 6 M. u. 25 %•
Mehr eine Begründung des Wertes und der
Wünschbarkeit soziologischer Kunstbetrachtung
als ein Entwurf dazu, aber dankenswert als An¬
regung. Sie zieht zwar zunächst nur die bildende
Kunst in Betracht, doch ist hier schon, angesichts
der gegenwärtigen Hochflut eines reinen Subjek¬
tivismus und Ästhetizismus, die Feststellung be¬
merkenswert, daß alle breite Wirkung der Künste
in hohem Maße immer an das Stoffliche gebunden
sich erweist. Die Kultur der Form , die unsere
Kunstgeschichte fast immer aus geistigen Ein¬
stellungen ableitet, nun ebenfalls in ihren Zusam¬
menhängen mit den Lebensformen der Allgemein¬
heit als soziologischen Bedingtheiten auf zu weisen,
bleibt die Aufgabe. Wahrscheinlich aber erst er¬
füllbar, wenn Soziologie selbst als Geisteswissen¬
schaft die verwirrende und von Antinomien durch¬
setzte Masse der Erscheinungen klarer zu gliedern
und kausaler zu verknüpfen vermag, als es ihr bisher
gelungen ist. Insbesondere werden hier die einge¬
borenen statischen und rhythmischen Anlagen in
Verknüpfung zu bringen sein mit den sich ausbil¬
denden Wertgefühlen für Raum, Zeit- und Klang¬
formen der ersten künstlerischen Antriebe. Denn
mehr noch als in allen anderen soziologischen For¬
men : des Rechtes, der Politik, der Moral, der Kulte—
fließen in die der Künste Erregungen ein aus dem
Seelengrunde, deren Quellen erst eine zu erwartende
wissenschaftliche bio-psychologische Durchleuch¬
tung ganz erschließen wird. Hier liegt die Voraus¬
setzung aller Soziologie als Erkenntniswissenschaft.
Hausensteins immer aufs klarste zugeschliffene
Geistigkeit schafft für diesen Aufbau vom Grund
auf wertvollste Gedanken herbei.
Max Martersteig.
Bcihl. XIII, 11 161
Conrad Haußmann , Uralte Lieder aus dem
Morgenland, in deutschen Strophen. 8°. 152 S.
Stuttgart u. Berlin , Deutsche Verlagsanstalt. 1920.
Der bekannte Staatsmann und Politiker hat
hier einen Ausflug in die Welt alt- und neuorienta¬
lischer Poesie unternommen und sich dabei von dem
Gedanken leiten lassen, zu zeigen, daß „die Lyrik
international und zeitlos und daß die unsere nicht
neu ist 1 *. Altägyptischen Liedern folgen assyrisch¬
babylonische und hebräische Gedichte, Stücke aus
den Evangelien und chinesische Lieder, dann
Strophen aus der islamischen, arabischen und per¬
sischen Poesie; Altindisches und als Gegenstücke
Gedichte von Rabindranath Tagore machen den
Beschluß. Nicht ohne Geschick ist die Verdeut¬
schung gemacht, eine gewandte Behandlung des
Verses ist anzuerkennen, und mancher, der die Ur-
gedichte nicht kennt, mag auch in die Stimmung
des alten Morgenlandes versetzt werden. Aber ein
Vergleich mit den Originalschöpfungen zeigt, wie
viel Ursprüngliches und Bodenständiges verloren
gegangen ist und daß diese Bearbeitungen doch
nur einen matten Abglanz dessen geben, was die
alten Morgenländer in ihre Strophen gelegt haben.
Würde man Haußmanns Gedichte in die Urform
zurückgießen, kein Untertan des Ramses oder des
Sardanapal würde wohl für diese Poesie Verständ¬
nis haben. Georg Steindorff.
Die Brautbriefe Wilhelms und Karolinens von
Humboldt. Herausgegeben von Albert Leitzmann.
Leipzig , Insel-Verlag.
Der Briefwechsel des Humboldtschen Paares
zählt zu den wertvollsten Denkmälern hochgebil¬
deter Menschlichkeit. Das Eingangstor sind die
hier von neuem gedruckten Briefe aus den Ver¬
lobungsjahren 1788—1791, so reich an Liebe, an
zartem und starkem Gefühl, daß unsere Seele sich
beim Lesen weitet, indem sie diese formschönen
Zeugnisse der großen Zeit unseres Volkes (denn
das war nicht die Epoche trügerischen äußeren
Glanzes) mit innigem Genießen auf nimmt. Wenn
es für Liebende ein Geschenk zu wählen gilt, kann
schwerlich ein edleres als dieses, von Leitzmann
zurückhaltend besorgte Buch geben. G. W.
Otto Hupp , Wider die Schwarmgeister. Zweiter
und dritter Teil. München , Max Kellerer , 1918
und 1919.
Der notwendige Kampf gegen unwissenschaft¬
liche Phantasterei in der Heraldik ist noch nicht
zu Ende, es scheint noch ein 4. Heft nötig zu wer¬
den, da der um die Geschlechter-Kenntnis so ver¬
diente Bernhard Körner bei der Erklärung der
Wappen einer fixen Idee zum Opfer gefallen ist.
Die vorliegenden Hefte haben reichen Inhalt. Fast
zu viel Ehre wird dem innerlich ehrlichen, aber in
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Juli-August igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
seiner Phatastik bodenlosen Guido v. List angetan,
und doch ist zu befürchten, daß seine Behaup¬
tungen immer wieder Anhänger finden, eben des¬
halb, weil sie weder Hand noch Fuß haben. Die
Grundlagen Hupps sind fest und sicher gefügt,
und gerade wer geschichtlichen Sinn und die Fähig¬
keit geschichtlicher Anschauung hat, muß Guido
v. Lists Seher-Weisheit ablehnen. Mit seiner gründ¬
lichen Durchbildung erhellt Hupp mancherlei Pro¬
bleme von Wappen und Abzeichen, den Einfluß
des Orients, den des klassischen Altertums, gibt
die Geschichte des kaiserlichen Adlers, verbreitet
sich über die ersten Wappen. Die Frage der Be¬
ziehung zu Runen und Hausmarken wird in glück¬
lichem Streit gegen Körner klargelegt und ein
wichtiger Beitrag zum Hantgemal gebracht. Bei
der Abhandlung über den Wappengebrauch der
Städte und der Bürgerlichen zeigt sich wieder der
ernsthafte Forscher und Kenner. Temperament¬
voll äußert er sich zu den neuen Staatswappen.
Er wünscht dem neuen deutschen Reich den gol¬
denen Adler in schwarzem Felde. H. S.
Karl Jellinek , Das Weltengeheimnis. Vorlesun¬
gen zur harmonischen Vereinigung von Natur
und Geisteswissenschaft, Philosophie, Kunst und
Religion. Mit 180 Textabbildungen. Stuttgart ,
Ferdinand Enke , 1921. Geh. 60 M.
In engem Anschluß an den Neovitalismus Hans
Drieschs steigen die volkstümlichen Vorlesungen
Jellineks von naturwissenschaftlichen Tatsachen zu
der Lehre von den höheren Intelligenzen auf, die
im Körperlichen und Geistigen die eigentlich be¬
stimmenden Kräfte darstellen. So wird das Werk
zu einer Philosophie des Uberbewußten, das in jeder
Persönlichkeit vorhanden ist und gelangt zu einer
einheitlichen Erkenntnistheorie, einmündend in
eine Theosophie Steinerscher Art. Analogieschlüsse
von der Körperwelt auf die geistig-seelischen Fak¬
toren müssen dabei, wie in allen solchen Systemen,
zugelassen werden. Dann ergibt sich in der Tat ein
Monismus von befriedigender'und beglückender Ge¬
schlossenheit. Die ernste, zu neuer Religiosität
hinaufleitende Gesinnung, die Folgerichtigkeit des
Denkens und die schöne Klarheit der Darstellung
des gedanken- und kenntnisreichen Werkes werden
mannigfachen Genuß und energische Anregung
zum selbständigen Weiterarbeiten gewähren. Die
schöne Ausstattung trägt das ihrige zu dem guten
Eindruck bei. G. W.
Hanns Johst , Der König. München , Albert
Langen , 1920. 94 Seiten. 4,80 M., geb. 8,40 M.
Johst schrieb hier die Tragödie des genialischen
Halb Vermögens, des „politischen Expressionisten“,
wenn man so sagen will, der vulkanisch den Staat
aus sich selbst schaffen will und so das ethische
163
Programm seines Dichters ausspricht. Aber Johst
ist nicht der monologisierende Lyriker, als der ein
expressionistischer, ein die Welt mit seinem Ich
erfüllender Dramatiker immer erscheint. Er hat
einmal die sehr realistische Bauemkomödie „Stroh“
geschrieben, und wenn er selbst sie vielleicht heute
nicht mehr sehr hoch einschätzt: sie war doch sichere
Grundlage für den Dramatiker, für seinen Dialog
und die Plastik des Lebendigen, die sich so vorteil¬
haft von den Schemenwesen einer unvermögenden
Abstraktkunst abhebt. Die Gegenspieler sprechen
zwar des Königs spitze Sprache, sind aber doch
mehr als Vorwände seiner Reflexionen. In zehn
Bildern sind die Ereignisse bis zum freiwilligen
Tod des Königs gesteigert. Stürmende Jugend hat
die ersten Schritte des Königs befeuert, abwägende
Reife hemmte den Lauf und drängte zur Aussprache
im gedankenreicheren Dialog. Am Ende bleibt
ein großer, einheitlicher Eindruck. F. M.
Harry Graf Kessler , Notizen über Mexiko.
Zweite Auflage. Leipzig, Inselverlag, 1921.
Weltenfern allen üblichen Globetrotter-Bü¬
chern bringt der schlanke Band des Grafen Kess¬
ler das, was ein feinfühliger, hochgesinnter und
künstlerisch durchgebildeter Mensch zu sagen hat,
wenn er die fremde Welt des alten Aztekenlandes
durchstreift, nicht zu flüchtigem Besuch, sondern
hineinschauend wie in den Busen eines Freundes. v
Er ist der empfindsame Reisende des beginnenden
20. Jahrhunderts, mit offenen Augen für politische,
wirtschaftliche, soziale Erscheinungen, aber das
alles vom Standpunkte des gebildeten Beobach¬
ters, nicht des dilettantischen Fachmannes gesehen.
Und lieber weilt er doch bei der Volksart, bei den
Zeugnissen der untergegangenen Zeitalter Mexikos,
bei den Wundem seines vulkanischen Bodens. Die
hohe Fähigkeit lebensvoller Schilderung wird dort
am stärksten wirksam, wo die Natur allein mit ihrer
Formen- und Farbenfülle zu uns spricht, doch sind
auch die Bilder aus dem Volksleben der verschie¬
denen Provinzen Mexikos von hohem Reiz. Man
legt das kleine Buch mit dem Wunsche, daß Kess¬
ler uns noch mehr gegeben hätte, aus der Hand.
G. W.
Hans Timotheus Kroeber, Silhouetten aus Lich-
tenbergs Nachlaß von Daniel Chodowiecki. Wies¬
baden , Heinrich Staadt , 1920. 30 M.
In einer kenntnisreichen Einleitung erörtert
Kroeber, dem wir schon wertvolle Beiträge zur
Geschichte der Silhouette verdanken, u. a., von
wem diese Schattenbilder, die einmal in Lichten-
bergs Nachlaß — der Tradition nach — gewesen
sein sollen, geschnitten sind. Erst wird an Lichten¬
berg selbst gedacht, über dessen zeichnerische
Begabung gesprochen und dessen „Fragment
von Schwänzen“ darin zum Abdruck gebracht
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
wird. Dann kommt Kroeber, unabhängig von allen
literarischen Urkunden, zu der Überzeugung, daß
die Autorschaft Chodowieckis hinreichend glaub¬
würdig sei. Dabei ist Kroeber ein Zeugnis ent¬
gangen, das sich in Chodowieckis Tagebuch der
Künstlerfahrt nach Danzig im Jahre 1773 findet.
Die Stelle im Original lautet: „j'ai fait le rouleau
de 38 silhouettes et des Estampes a Parchemins
que j'envoie ä Berlin par la poste . .**: sie wurde
mir von Frau Dr. Steinbrucker gütigst durch An¬
frage bei der Besitzerin Frau Eugenie Rosenberger
vermittelt und hätte Chodowieckis Autorschaft
glaubhafter machen können. Daß aber die 38
Schattenrisse mit den 39 von Kroeber nicht iden¬
tisch sind, ergaben die weiteren Mitteilungen Frau
Steinbruckers an mich. — Kroeber nimmt nun
weiter an, daß Lichtenberg für die dritte Auflage
seiner Physiognomik — die niemals erschienen ist —
eine Illustrierung durch Chodowiecki erhoffte. Das
mag sein! Aber Lichtenberg besaß damals die Sil¬
houetten noch nicht. Hätten sie überhaupt zu
Lichtenbergs Büchlein gepaßt? Und hat Lichten¬
berg wirklich die Unterschriften geschrieben ? Das
scheint mir jedenfalls nach der Kenntnis von
Lichtenbergs Handschrift nicht wahrscheinlich.
Und hätte Lichtenberg diese Unterschriften wirk¬
lich gewählt? Das bedarf noch einer besonderen
Untersuchung, ebenso wie Chodowieckis Autor¬
schaft! — Sind erst die Beweise erbracht, so wird
Kroebers schmuckes und reizend ausgestattetes
Büchlein, an Wert und Bedeutung gewinnen. Der
Leser wird jedenfalls seine Freude an ihm haben
und es sind ihm deren viele zu wünschen.
Erich Ebstein.
Th. Litt , Individuum und Gemeinschaft. Grund¬
fragen der sozialen Theorie und Ethik. Leipzig und
Berlin , B. G. Teubner , 1919.
Ganz allgemein kann man bemerken, daß
Litt, verführt durch seine „mikroskopische“
Methode, die Bedeutung des einzelnen Individu¬
ums für den Gesellschaftsprozeß überschätzt. Er
gelangt darum bei seiner durchgehenden Betonung
der „Nuance“ auch zu keinem klaren, fortreißen¬
den Grundgedankenbau. Außerdem ist seine Be¬
trachtung viel zu systematisch, zu wenig historisch
und läßt den wühlenden, wirkenden, dynamischen
Charakter alles Gesellschaftslebens viel zu wenig
erkennen. Litt schreibt zu akademisch, theoretisch,
abstrakt. Damit soll die rein gedankliche Leistung
des Buches, die Verantwortung und Mitarbeit des
einzelnen an der Gesamtheit und deren berechtigte
objektive Forderungen gegenüber den Wünschen
des einzelnen soziologisch nachzuweisen, keines¬
wegs verkannt werden. Nur bleibt billig zu be¬
streiten , daß irgendwelche nennenswerte prak¬
tische Wirkung, die der Verfasser aber ausdrück¬
lich wünscht, von seinem Buch ausgehen werde.
Bemerkenswert ist vielleicht noch Litts Urteil
165
über die Zukunft der abendländischen Kultur. Er
glaubt an eine wahre Völkergemeinschaft, und daß
unsere Kultur durch Synthese mit orientalischen
und ostasiatischen Kulturelementen „zu höherer
Einheit emporzusteigen sich anschickt“ (S. 89). Es
gibt bekanntlich Philosophen, die vielleicht mit
besseren Gründen als Litt die vollständige Unmög¬
lichkeit einer wirklichen Verschmelzung der abend¬
ländischen Kultur mit der ostasiatischen und
orientalischen nachzuweisen versucht haben, und
nur eine Welt Zivilisation für die Zukunft zugeben.
Hier steht also These gegen These. Wer wird recht
behalten? F. K.
Harry Maync , Immermann. Der Mann und
sein Werk im Rahmen der Zeit- und Literatur¬
geschichte. C. H. Beck, München (1921). 627 Sei¬
ten. Geb. 60 M.
Die Würdigungen Carl Immermanns entbehren
nicht des etwas fatalen Beigeschmacks von Ehren¬
rettungsversuchen an einem nicht genug gewür¬
digten Dichter. Weil in der amorph gewordenen
Masse des Werks irgendwo eine Ader lebendigen
Lebens zuckt, versucht man immer wieder (auch
auf dem Theater) diesen Funken zur Flamme auf¬
zublasen, die unser zeitiges Gefühl erwärmen könne.
Es spricht das mehr für konservative Pietät als für
unbefangenes Wertgefühl. Diese letzte umfang¬
reiche Biographie jedoch des Epigonen und „Epi¬
gonen**-Dichters, die der Berner Literarhistoriker
uns darreicht, ist durch unbestechliches Wertge¬
fühl vor ihren Vorgängerinnen ausgezeichnet. Sie
bestätigt uns mit vielleicht zuweilen überflüssiger
Breite aus Gewissenhaftigkeit, was jede unmittel¬
bare Berührung mit der Dichtung Immermanns
klar darlegt: ein reichster aber jedes Rettungs¬
versuches spottender, „vertaner** Aufwand im
Grunde immer unzulänglicher Kraft. Die nur im
„Münchhausen** und allenfalls eben noch in den
„Epigonen** unser Verlangen nach schöpferischer
Stärke befriedigt und — in Einzelheiten — zu¬
weilen sogar noch beglückt. Diese Positiva wer¬
den ins hellste Licht gerückt, daneben aber die
Unkraft, der Seele seiner Zeit auch nur das äs¬
thetisch befriedigende Gewand des Gleichnisses zu
schaffen, unbarmherzig dargelegt.
Das weit stärkere Gewicht dieser reifen Frucht
wissenschaftlicher Objektivität liegt jedoch in der
Persönlichkeitsgestaltung. Da gewinnt der Held
dieses Lebens für uns eine beinahe erschreckende
aktuelle Bedeutung: ein Individuum wächst zum
Symbol empor, in welchem die ganze Tragik der
Menschen sich konzentriert, die — wie heute wir
alle wieder — zwischen zwei Zeiten, zwischen zwei
Welten gestellt sind. Die das Unvereinbare aus
tiefster sittlicher Einsicht, ihrem Dämon gehor¬
sam, dennoch vereinbaren wollen — und müssen:
die Heilighaltung des Ererbten und die Hingabe
166
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Juli-August jgai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
an die Forderungen von der Zukunft hereindringen*
der Probleme. Es ist die Schilderung dieses Zwie¬
spalts und des Kampfes, ihn zu bewältigen, es ist
ein Stück deutschen Schicksals, dargestellt in einem
deutschen Menschen, der als sittliche Energie wie
als Künstler über das ewig Lastende und Hem¬
mende, das seinen Kräften sich anhängt, Herr zu
werden strebt und den als schmerzlicher Siegespreis
erst im frühen Niederbruch des leiblichen Daseins
ein Leuchten grüßt von in Klarheit aufwärts füh¬
renden Bahnen her. Der dennoch dann die Zuver¬
sicht fühlt: „unsere Zeit ist groß, fruchtbar, der
Wunder voll und guter Hoffnung“. Jedem, der
in der Verfinsterung unserer Gegenwart der Auf¬
richtung an solcher Tapferkeit bedarf, ist das Buch
uneingeschränkt zu empfehlen.
Max M artersteig.
Paula Modersohn-Becker , Briefe und Tagebuch¬
blätter, herausgegeben und biographisch eingeführt
von S. D. Gailwitz. Dritte wesentlich erweiterte
Auflage mit sieben Bildbeilagen. München , Kurt
Wolff , 1920.
Die vorliegende erweiterte Auflage der Briefe
hat gegen die erste von der Kestner-Gesellschaft
herausgegebene außerordentlich gewonnen. Briefe
aus den letzten Lebensjahren der Künstlerin wur¬
den aufgenommen, die die inneren Konflikte, durch
die sie gegangen ist und ihr reines, allein aufs
wesentliche gerichtete Streben offenbaren.
Rosa Schapire.
Moreau und Freudenberg , Trois suites d’estampes
pour servir ä l’histoire des modes et du costume
des Frangais dans le dix-huitiöme sidcle. Nach den
Originalausgaben herausgegeben und eingeleitet
von Max von Boehn. Berlin , Askanischer Verlag ,
1920. In Halbleinen 125 M., in Halbleder oder
Halbpergament 175 M.
Die drei Stichfolgen, im Auftrag des Pariser
Bankiers Eberts von Freudenberg und Moreau ge¬
zeichnet und von einer Anzahl guter Stecher auf
die Platte gebracht, erfaßten die französische Lebe¬
welt des ancien rögime kurz vor der Revolution.
Sie sind, was die zusammenfassende Ausgabe von
1789 in ihrem Titel rühmt, ein „Monument du
costume physique et moral de la fin du XVIII.
siöcle“. Ihr hoher Wert für die Kulturgeschichte
ist damit festgestelt, während die Schätzung der
Sammler durch die fabelhaften Preise der Zeich¬
nungen und die sehr hohen der Stiche bezeugt
wird. Eine gute Reproduktion (und die vor¬
liegenden übertrifft die früher in Paris und Stutt¬
gart erschienenen in der Tat wesentlich) hat in
Anbetracht der schweren Erreichbarkeit der Ori¬
ginale und des stofflichen Reizes der Blätter ihr
Daseinsrecht. Erhöht wird es in diesem Falle durch
167
die gründliche und gefällige Einleitung Max von
Boehns, durch den sorgsamen zweifarbigen Druck
(der freilich die Einheit von Bild und Umrahmung
nicht voll zur Geltung kommen läßt), und den
schönen, nach einem guten Muster Padeloups ko¬
pierten Einband. Die Publikation wird den vielen
Freunden des sich auslebenden Rokokos besonders
erfreulich sein und dient Boehns vortrefflichem
Werk über diesen Zeitraum als Supplement.
G. W.
Hans Joachim Moser, Geschichte der deutschen
Musik in zwei Bänden. I. Von den Anfängen bis
zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart
und Berlin , /. G. Cotta*sehe Buchhandlung Nachf .,
1920. 519 Seiten. Groß -8°. Geh. 50 M. geb. 60 M.
Das groß angelegte Werk des Hallenser Privat¬
dozenten ist dazu berufen, sich neben Scherers
„Geschichte der deutschen Literatur“ und ähnliche
Bücher zu stellen. Es kommt Moser nicht darauf
an, die Höhepunkte musikalischer Leistungen, die
„jeweils äußersten kompositorischen Fähigkeiten“
zu betrachten, er will vielmehr musikalische Kul¬
turgeschichte schreiben, und dabei ohne engenden
Chauvinismus vornehmlich die Musik in allen ihren
Äußerungen aus dem Wesen des deutschen Volks¬
tums heraus entwickeln. So ergeben sich die
großen Gruppen: Tonkunst der Wälder und der
deutschen Klöster; Tonkunst auf Schlössern und
Burgen; Musik der deutschen Dörfer; Tonkunst
der mittelalterlichen Stadt, in Kirche, Schule
und Haus; endlich Musik an Fürstenhöfen. Auf
diese Weise ist die Darstellung viel anregender,
lesbarer geworden, als wenn eine bloße Entwick¬
lung der musikalischen Formen gegeben worden
wäre. Und auf der anderen Seite ist Moser ein viel
zu strenger Wissenschaftler — seit seiner Disser¬
tation über „die Musikergenossenschaften im deut¬
schen Mittelalter“ haben wir von ihm eine Fülle
wichtiger Einzelstudien erhalten —, als daß er sich
etwa auf dem eingeschlagenen Wege zu den Ge¬
meinplätzen popularisierender Beschreibung führen
ließe. An dieser Stelle ist noch besonders auf den
sorgfältigen Druck des Textes und der zahlreichen
Notenbeispiele rühmend hinzuweisen. Da wir diesen
ersten Band des Werkes aus der Hand eines Dreißig¬
jährigen empfangen,'dürfen wir hoffen, das Buch
werde nicht das Schicksal so vieler großer Werke
teilen, ein schöner Torso zu bleiben. F. M.
Thomas Murner , Von dem großen Lutherischen
Narren. Herausgegeben von Paul Merker. XI und
427 S. Straßburg , Karl /. TrÜbner.
Dieser starke Band ist geschmackvoll aus¬
gestattet wie die übrigen Veröffentlichungen der
Gesellschaft für elsässische Literatur, die bei ihrem
sehr kurzen Bestand (1912—1918) für die Literatur
168
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Juli-August 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
des Ende 1918 leider dem Reiche wieder verloren¬
gegangene Elsaß außerordentlich wertvolle wissen¬
schaftliche Leistung aufzuweisen hat. In einer
höchst verbitterten Stimmung schrieb der streit¬
bare Franziskaner von Anfang 1521 bis zum Herbst
1522 sein Epos Von dem großen Lutherischen Nar¬
ren nieder. Sehr geschickt und übersichtlich ver¬
bindet nun Merker die Gesamtwürdigung dieser
Dichtung mit ihrer Entstehungsgeschichte. Er
zeigt auch, von altern Hinweisen ausgehend, daß
die 52 Bilder zu dieser Dichtung wahrscheinlich von
Murner selbst gezeichnet sind. Der umfängliche
Kommentar Merkers ist durchaus nicht erschöp¬
fend ; seine Textgestaltung nicht befriedigend.
Adolf Hauffen (Prag).
Albert Neuburger , Die Technik des Altertums.
8°. XVII und 569 S. mit 676 Abbildungen. Leipzig ,
R. Voigtländer , 1919.
Wieviel wir in unserem geistigen Besitzstände
dem Erbe der Alten verdanken, ist seit den Tagen
der Renaissance und der großen Humanisten immer
wieder gesagt und gerühmt und namentlich in den
letzten Jahrzehnten während des Kampfes um die
humanistische Bildung oft genug ausgeführt wor¬
den. Wie sehr aber auch auf dem Gebiete der
Technik Altertum und Gegenwart sich verknüpfen
und wie sehr auch in den praktischen Fertigkeiten
die Alten — Ägypter und Babylonier, Griechen
und Römer — Bahnbrecher gewesen sind und wie
herrlich weit sie es gebracht haben, dafür fehlte
bisher eine umfassende Darstellung. Diesem Mangel
sucht nun das vorliegendeWerk einesTechnikers, der
sich aber auch eingehend philologisch-historischen
Studien hingegeben hat, abzuhelfen. Mit großem
Fleiße hat der Verfasser die verstreute, oft nicht
leicht zugängliche Literatur, alte und moderne,
gesammelt und verarbeitet und führt nunmehr dem
Leser in klaren, eindrucksvollen Bildern vor, was
auf den verschiedenen technischen Gebieten das
Altertum geleistet hat: im Bergbau, in der Ge-,
winnung und Bearbeitung der Metalle, in der Holz-
und Ledertechnik, in der Technik der Gärungsstoffe,
der Fette und öle, in der Keramik und Glasberei¬
tung, im Heizungswesen, im Bau der Häuser,
Straßen, Schiffe, in der Wasserversorgung u. a. m.
Gewiß ist er bei seinen Forschungen häufig an der
Oberfläche geblieben und hat manchmal aus nicht
ganz einwandfreien Quellen geschöpft; so ist es
bedauerlich, daß bei der Schilderung der Anlage
der ägyptischen Pyramiden auf die von der ern¬
sten Wissenschaft längst abgetane, freilich auch von
Franz Eyth in seinem köstlichen Roman vom
„Kampf um die Cheopspyramide“ vertretene Theo¬
rie Piazzi Smyths hereingefallen ist. Auch sonst
finden sich nicht wenige Fehler und Lücken. So
vermisse ich beispielsweise ein Kapitel über die
Bereitung der ältesten Schreibmaterialien, die Her-
169
Stellung und Anwendung des Papyrus und Perga¬
ments; auch die Darstellung des Hausbaus weist
nicht unbedenkliche Mängel und manche Irrtümer
auf. Aber alle diese Schwächen sollen die Verdienste
des nützlichen Buches nicht schmälern, das mit
seinen guten, geschickt ausgewählten Abbildungen
uns in eine neue Welt einführt und die Absicht
seines Verfassers, ein Bild von den technischen
Fertigkeiten des Altertums zu gewähren, trefflich
erfüllt. Georg Steindorff.
Charles Pdguy , Die Litanei vom schreienden
Christus. München , Kurt Wolff. (Achtes Buch
der neuen Folge der Drugulindrucke in einer Auf¬
lage von 1000 Exemplaren).
Zwischen der Frage, warum der Menschensohn
am Kreuze in seiner letzten Stunde lauter als ein
Verdammter geschrien hat — „Er hätte zufrieden
sein müssen. Es war zu Ende. Es war geschehen.
Alles war vollbracht“ — zwischen dieser immer
wiederkehrenden Frage und der Antwort am Ende
des Buches, daß er um Judas Verdammnis willen
schrie, um das Geld und den Töpferacker, wird
die Litanei von Leben Christi eindringlich und in
höchster dichterischer Kraft gepredigt. Ein Buch
des Lesens in Andacht und der Liebe wert. —
Otto Picks Übertragung scheint vollkommen. Das
Buch ist in einer schönen, kräftig schwarzen Frak¬
tur auf festem gelblichen Papier gedruckt, die Ini¬
tialen sind grün. Wie denn die neue Folge der
Drugulindrucke der ersten sehr würdig sich an¬
schließt und überdies der Forderung gerecht wird:
junge Dichtung in edlem und doch verhältnismäßig
billigem Gewände dem nicht snobistischen Biblio¬
philen zu vermitteln. E. E. S.
Josef Friedrich Perkonig , Trio in Toscana. Ein
Roman. Berlin, Egon Fleischei & Co., 1920. 208 S.
Perkonig hat sich schon in seinen früheren Er¬
zählungen als ein Musikerdichter gezeigt, wie sie
unter der österreichischen Sonne besser wachsen
als anderswo. Auch an diesem Band ist nicht nur
der Titel und das wirkliche Triospielen der drei
Gesellen aus Österreich zu Anfang und Schluß der
Geschichte voll Singen und Klingen. Auch die
politisch verwirrten Schicksale dreier aus Österreich
vertriebener, an verdrängter Liebe zur Heimat
leidender und nun wunderlich zu Italien hin und
dort von allerhand Intriganten und Poseuren
herumgezogener Menschen sind wie ein Volkslied
aus Kärnten, Schwermut und Leichtsinn gemischt.
Wie fein ist das Sinnbild Österreichs in der
Geschichte vom blutgetränkten, zerrinnenden
Schnee Galiziens auf einer der letzten Seiten des
Buchs! und dann doch der hoffnungsvolle Aus¬
klang im Glauben daran, daß so ein schönes Land
nicht sterben kann. „Wir dürfen getrost sein ...“
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Juli-August igsi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Hans Josd Rehfisch , Das Paradies. Eine Tra¬
gödie. Berlin , Oesterheld 6* Co.
Hans Josö Rehfischs Paradies ist ein Muster¬
beispiel dafür, wie der Dramatiker sich zu seiner
Zeit nicht verhalten soll. Implizite wird und muß
die Zeit des Dichters im Drama vorhanden sein.
Wo sie es nicht ist, wo sie nicht seinen Organismus
belebend durchpulst, können nur leblose Gebilde,
können nur Dramen-Atrappen zustande kommen.
Wo aber — wie hier — die Zeit sich explizite an
dem Drama darstellt, da kann von einer drama¬
tischen Dichtung nicht die Rede sein. Denn der
Sinn des Dramas ist nicht: zu exemplifizieren, son¬
dern : zu mythisieren. Vielleicht hat Rehfisch ge¬
glaubt, eine solche Mythisierung zu geben. Dann
muß mit allem Nachdruck gesagt sein, daß er
nicht mehr als eine beweisträchtige Allegorie zu¬
stande gebracht hat. Dem Dramatiker hat es nur
um das Überzeitliche in dem — ach! — Nur-zu-
Zeitlichen unserer Tage zu gehen. Die Zeit ist zwar
das unsichtbare Blut, das den dramatischen Or¬
ganismus durchströmt und ernährt. Aber das Sicht¬
bare seines Werkes, das Fleisch, und das Tragende,
die Knochen, kann sie dem Dramatiker nicht ge¬
ben. Die muß er aus Unzeitlichem, muß er aus
Ewigkeitstoffen formen. Hans Franck.
Max Roden , Anrufung. Wien- Leipzig , Ed.
Strache , 1920.
„Dein bin ich, Göttin der verborgnen Welten,
O du, o du, Herzallerliebste mein.*' Die mystische
Sehnsucht dieses Vorspruchs ist der Ton, auf den
die Empfindungen und Gedanken gestimmt sind,
die in den achtundfünfzig Strophen ausgesprochen
werden, die alle beginnen und auch enden: „O du,
o du, Herzallerliebste mein ...“ Mit einem Gefühl
der Ermüdung schließt man endlich das Buch,
denn, was zwischen Anfang und Ende jeder Strophe
steht, sind Erlebnisse von vorgestern, oder auch
bloß Erfahrungen. C. N.
Wilhelm von Scholz , Gesammelte Werke I—III.
I 1 u. 2 Gedichte. II Schauspiele 2. III Erzählun¬
gen 1. München , Georg Müller , 1920.
Das Dichtertum Wilhelms von Scholz wurzelt
in einem ausgsprochenen Lyrismus. Von seiner
Unterstufe, auf der vor allem der seelische Kontakt
von Ich und Umwelt sich verbildlicht, wandelt er
sich in umfassender Weiterentwicklung mit innerer
Notwendigkeit zur dramatischen Auseinanderset¬
zung mit den Schicksalsmächten des Daseins um
und erreicht schließlich nach Abstreifen der kampf¬
begehrenden Unruhe die klarere Überschau des¬
epischen Kunstwerks. Was genügsameren Talenten
Zweck und Ziel wird, das literarische Produkt an
sich, bedeutet ihm nur einen Weg künstlerischer
Disziplin, die jeweilige Lebensbedingung für eine
171
Kunstform, die zugleich streng iudividuell und ur-
gesetzlich ist. Als theoretischer Schriftsteller weit
mehr denn bloßen Erkenner, ist er als schöpferischer
Geist im phantastischen Sinn umfassend, universell
gerichtet. Als Lyriker ist er zugleich Mystiker und
Ich-Betoner, als Dramatiker weist er durch seine
vertiefte Auffassung von Persönlichkeitswert und
Schicksal der dramatischen Form den Weg zu
einer künftigen Verinnerlichung. Sein Weltemp¬
finden erblickt in Raum- und Zeiterscheinungen
nur Spiegelbilder der Vergänglichkeit, Traumphan¬
tasien einer verhüllten Daseinswirklichkeit, in der
Leben und Tod eins sind. Sein Gedicht ist wortkünst¬
lerisch gepflegt ohne künstlich zu sein; seine Epik
hat eine großzügige Stilvolute, die Gedanklichkeit
nud Formkraft mit pychologischem Scharfblick und
Anschaulichkeit verbindet. In seinem dramatischen
Schaffen geht vom „Gast" zum „Juden von Kon¬
stanz" eine deutliche Vollendungslinie aufwärts,
die in diesem Drama, einer Vereinigung förmlicher
Strenge und tief menschlicher Selbstverständlich¬
keit, ein unzerreißbares Netz von Ursache und Wir¬
kung gestaltet, in der die Unverrückbarkeit des in¬
neren Zielbewußtseins sich wie in keinem andern
Werke Scholz* kund tut. Die vier ersten Bände der
Gesammelten Werke geben durch ihre Reihenfolge
(Sämtliche Gedichte, als Dramen: der Gast und der
Jude von Konstanz, als Erzählungen: die Unwirk¬
lichen), daher das Porträt dieses Dichters bereits
voll belichtet; und es ist damit ein anerkennungs¬
werter herausgeberischer Grundsatz befolgt, bei
weitem sinnvoller als es eine in chronologischer
Folge weiter schreitende Gesamtausgabe wäre.
Magda Janssen.
Alex. Schnüttgen , Kölner Erinnerungen. Köln,
J. P. Bachem , 1919.
Der geistliche Herr, weitbekannter Sammler
und Schöpfer des Schnüttgen-Museums in Köln,
plaudert hier mit viel Behaglichkeit und Wärme
von der „guten alten Zeit* 1 — der Zeit, in der der
Morgentrunk im Freundeskreise, die guterzählte
Anekdote, die harmlose Fopperei unter Gleichge¬
sinnten, die gut vorbereitete und durchgeführte
Nasführung unliebsamer Außenseiter zum selbst¬
verständlichen Inventar geselligen Lebens und
seiner Freuden gehörten. Viele Charakterköpfe
ziehen an uns vorüber, neben Persönlichkeiten
wie August Reichensperger eine Fülle lokaler
Größen, denen aber fast durchweg die spe¬
zifisch rheinische Sinnes- und Lebensart eignet;
wir erleben voll eifriger Teilnahme das Erwachen
des Interesses für die mittelalterliche Kunst in
Köln und seine Steigerung bis zur Gründung des
Kölner Altertums Vereins, der Ausstellung von 1876
und den Museumsgründungen der späteren Zeit.
So wie der Verfasser durch das dem Buche bei¬
gegebene Titelbild vor uns hintritt: mit dem ge-
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Juli-August igaz
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
waltigen Körper, dem breiten massigen Kopf, den
klugen, aus mächtigen Wülsten herausblickenden
Augen, den hart gepreßten Lippen — so begleitet
er uns durch seine Erzählung als gütiger, kern¬
fester, im Boden altgeheiligter Tradition wurzeln¬
der, über alle Kleinlichkeit durch einen befreienden
Humor sich erhebender Mensch, zu dem auch die
merkwürdig schwerfällige (allerdings gar nicht,
wie der Prospekt es will, Goethesche), zähflüssige
Schreibart trefflich paßt. A. D.
Der Verlag hat von Schnüttgens „Kölner Er¬
innerungen* 1 ioo Stück auf der Handpresse abziehen
lassen, in einen sehr schönen, mit gemaltem Titel
und* reicher Vergoldung geschmückten Pergament¬
band auf durchgezogenen Bünden gehüllt. Er er-
öffnete damit der Reihe der Vorsugsdrucke der
„Marzellus-Pr esse“. Als zweite Nummer folgte in
gleicher Auflage die Festschrift zum sechzigsten
Geburtstag der angesehenen katholischen Dichterin
M. Herbert (Therese Kester, geb. Kellner), betitelt
„Flammen 44 und herausgegeben von Maria Röchling.
Liebe und Verehrung haben in diesem stattlichen
Buche der Gefeierten einen reichen Kranz ge¬
wunden. Von ihrem Leben und Schaffen handeln
die ersten und zahlreichsten Beiträge, um dann in
die Weite literarischer und künstlerischer Betrach¬
tungen hinauszuschweifen, wie der große' Aufsatz
„Lyrik und Leben** von Wilhelm Oehl oder „Cle¬
mens Brentanos Liederdichtung** von Hermann
Cardauns. Am Schlüsse folgt dichterische Prosa
und eine Sammlung denkwürdiger Worte aus den
Büchern M. Herberts. Die Ausstattung ist der des
ersten Bandes gleichwertig, der Einband dem
früheren an Schönheit noch überlegen. Die Samm¬
ler seien auf diese neue, gediegene Folge kräftig
hingewiesen. G. W.
Lev in L. Schücking , Die Charakterprobleme bei
Shakespeare. Eine Einführung in das Verständnis
des Dramatikers. Leipzig , B. Tauchnitz.
Der Verfasser dieses Buches verspricht in der
Einleitung, diese Arbeit solle „einen ersten Versuch
darstellen, der Shakespeareauslegung die Hilfsmittel
einer Methode an die Hand zu geben**. Er wendet
sich in scharfer Kritik gegen die unendliche Will¬
kür der bisherigen subjektiven Ausleger, die in Sha¬
kespeares Gestalten ihren eigenen Geist oder zum
mindestens ihr eigenes Ideal hineininterpretierten.
Ganz zweifellos befindet sich Schücking'prinzipiell
auf dem richtigen Wege: um ein Kunstwerk zu
verstehen, muß man seine Form erkennen, denn das
Wesen des Kunstwerks ist Form. Es bleibt auch
seltsam, daß gerade die Zeit, die das Drama zur
höchsten Form der Dichtkunst kreierte, in ihm doch
nur, wo sie kritisch an es heran trat ein äußeres
Schema sah und seine Gestalten immer gelöst an
einem Wirklichkeitsideal maß.
Leider aber ist der Weg, den der Verfasser ein-
173
schlägt, nur scheinbar ein anderer und gerade seine
Methode verleitet ihn zu neuen Abwegen. Er will
„die Grenzen des Realismus und des Primitiven
in der Shakespearischen Technik 4 * aufweisen, und
das versteht er nun so, daß die Shakespearisehe
Kunst von einer „primitiven Technik** und „Ein¬
falt der Mittel“ (S. 229) beherrscht wird, der eine
fortgeschrittenere realistische lebenswahre Kunst
übergeordnet ist, daß diese allein nicht nur unseren
heutigen verfeinerten Ansprüchen entspräche, son¬
dern der sich auch schon „die bedeutendsten Dra¬
matiker der Zeit 44 zuwenden, während andere wie
Shakespeare die primitiven Mittel beibehielten
„offenbar von der Absicht geleitet, die seelische Be¬
rührung auch mit der großen Menge nicht einzu¬
büßen 44 (S. 30). Von diesem Standpunkte aus be¬
urteilt Schücking nun die Shakespearischen Cha¬
raktere. Der Irrweg, auf den er nun doppelt geraten
muß, liegt klar: gelingt es ihm, eine Äußerung, die
den psychologischen Auslegern Kopfschmerzen ge¬
macht hat, als technische bedingt zu erkennen,
so sieht er darin „Grenzen des Shakespeareschen
Realismus** (S. 56), „ein Mißverständnis der Kunst¬
form, die eben primitiv ist** (S. 33) oder gar „die
kraß unrealistische Kunst Shakespeares** (S. 62);
ja einige Zeilen früher findet er die erstaunlichen
Worte „Schwingt der Pendel einmal nach der
Seite eines ganz fortgeschrittenen, innerlich freien
Realismus ... so rührt er an der andern an eine
beinahe kindliche Primitivität und lebensunwirk¬
liche Gebundenheit“. Ist Schücking niemals die
einfache Frage in den Sinn gekommen, wie es nur
möglich sei, daß mit einer so primitiven, einfäl¬
tigen Kunstform ein Drama hat entstehen können,
das seine ungeheure Wirkung über die Jahrhun¬
derte hinaus trägt, daß hier nicht nur Höchstes in
der Dichtkunst geschaffen, sondern das Drama
der westeuropäischen Kultur, von dem alle an¬
deren nur ein Abglanz in weitem Abstande, oder
gar Abweg und ohnmächtige Rivalität sind? In
diesem Sinne ist Shakespeare „Maßstab**, wie es
die Griechen in anderen für uns sind. Ich bekenne
mich zu dieser Gesinnung, die Schücking so ge¬
ringschätzig ablehnt (S. 24).
Würde sich Schücking diese einfache Frage ein¬
mal vorgelegt haben, so würde ihm vielleicht ein
Bedenken gekommen sein, ob diese Kunstmittel
wirklich so primitiv und fortschrittsbedürftig sind,
ob sie nicht gerade zu der gewaltigen Wirkung des
Ganzen irgendwie durchaus notwendig sind. Sehen
wir uns aber die fortgeschrittene Kunst Schückings
einmal an. Mit einem Sprung, den er augenschein¬
lich ganz ahnungslos macht, steht er selbst mitten
in der alten psychologischen Kritik, die er so sehr
verdammt, mit dem einzigen Unterschiede, daß er
alles, was seinem Ideal eines realistischen lebens¬
wahren Charakters nicht entspricht, einer Unvoll¬
kommenheit oder Schwäche Shakespearescher
Kunstmittel zuschreibt. Kunst aber und Realis-
174
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Juli-August 1921
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Zeitschrift für Bücherfreunde
mus sind zwei Dinge, die einander ausschiießen.
Der Künstler muß einen Charakter des Realismus
erst entkleiden, ehe er ihn für sein Kunstwerk ge¬
eignet macht, das tut jede Kunst, auch die natura¬
listische. Es sind völlig andere Lebensbedingungen,
die er ihm auferlegt, nämlich die Lebensbedingun¬
gen des Kunstwerks. Jede Gestalt, d. h. jedes Wort,
das sie äußert, hat an seiner Stelle zu wirken und
aus dieser Wirkung heraus das ganze Werk aufzu¬
bauen. Shakespeares Kunst nun ist die Kunst
höchster Wirkungen. Schücking selbst führt Goe¬
thes tiefes Wort über Shakespeare an — ohne freilich
daraus Nutzen zu ziehen: „Dieser Dichter läßt
seine Personen jedesmal reden, was eben an dieser
Stelle gehörig wirksam und gut ist, ohne sich viel
und ängstlich zu bekümmern und zu kalkulieren,
ob diese Worte vielleicht mit einer andern Stelle
in scheinbaren Wiederspruch geraten möchten.**
Und auch Creizenach trifft durchaus das Rich¬
tige mit der von Schücking so abgelehnten Be¬
merkung, daß Shakespeare die Hauptpersonen durch
eine flachere Modellierung aller übrigen heraushebe.
In diesen beiden Worten liegen in der Tat zwei
Standpunkte einer reinen und tiefen künstleri¬
schen Beurteilung ausgesprochen, deren Befolgung
Schücking auf einen richtigen Weg hätte leiten
können. Man wird und muß aber bei der Beurteilung
Shakespearescher Kunst immer schon auf falscher
Fährte gehen, wenn man einen Charakter für sich
aus dem Ganzen löst ohne Beziehung zu den an¬
dern, oder seine Äußerungen ohne Beziehung zu
der Stelle, an der sie steht, zergliedert. Um nur
ein Beispiel aus den vielen schiefen Beurteilungen,
zu denen Schücking sich durch seine Methode ver¬
leiten läßt, herauszunehmen: es handelt sich um
die viel erörterte Abschiedsrede des Polonius an
den scheidendenLaertes. Die „prachtvollen Worte**
im Munde Polonius* zwingen Schücking zu dem un¬
abweisbaren Schluß, „daß die Einheit des Charak¬
ters durchbrochen ist“, und er erklärt diesen Mangel
folgendermaßen: „Shakespeare kam so auf seine
Weise der immer wieder ausgesprochenen Forderung
der Zeit an die Tragödie nach, sententiös zu sein.**
Wieder aber muß man fragen, warum wirkt diese
Rede auch heute noch in unserer diesen Forde¬
rungen so fernen Zeit? Man mache sich nur klar,
wo diese Worte stehen: Hamlet hat von der Geister¬
erscheinung erfahren, sofort wird er selbst den
Geist sehen, seine innere Ahnung bestätigt hören.
Dazwischen nun in diesem Moment banger Span¬
nung steht diese Familienszene des Polonius; zuerst
die Ermahnung des Laertes an Ophelia, Hamlets
Liebe nicht zu ernst zu nehmen und dann die Er¬
mahnung des Vaters an den Sohn; voll höchster
Weltklugheit, selbstgerecht und selbstgefällig, voll
Welttugend ist alles, was gesprochen wird, einwand¬
frei können sich diese Menschen auch in einer
Zeit, die aus den Fugen ist, bewegen. Polonius ist
hier eben nur Vater und Weltmann, der Höfling
175
oder der Narr soll an anderer Stelle seine volle
Wirkung ausüben. Der Kontrast dieser Szene voll
notwendiger Sentenzen und höfischer Fernheit ge¬
gen das Dunkel, in das Hamlets Schicksal hinein¬
treibt, ist ungeheuer und erhöht den Schauer, der
uns mit Hamlets Auftreten umfangen wird. Aus
dieser Wirkung heraus stehen des Polonius Worte
an der rechten Stelle und kommen aus dem rechten
Munde. Man versuche nur, solchen Wirkungen nach¬
zugehen und jener scheinbare Widerspruch, von dem
Goethe spricht, wird meist im Kunstwerk selbst
sich lösen. Marie Luise Gothein.
J. G. Seeger , Kilian Kötzler. Ein Roman aus
Franken. 2. Auflage. Leipzig , Fr. Wilh . Grunow.
Eine Dichtung, in der viel Tiefes und Schönes
steckt. Ein Bauer aus der Rhön berichtet von seinem
Leben, von den inneren Erlebnissen, die er, der
Grübler mit dem Dichtergemüt, sich in der Enge
seines Winkels schafft und von den wenigen äußeren
Ereignissen, die sein Dasein beeinflussen. Wie er
mit der Natur lebt und, eine Welt für sich, Weis¬
heit erwirbt, die Leben und Tod, Gott und Unsterb¬
lichkeit einfach doch tiefsinnig sich zurechtlegt,
das wird in einem Ton erzählt, der in seiner Mi¬
schung von Schlichtheit, eindringlicher Innigkeit
und leiser Stilisierung von nachhaltiger Wirkung
ist. Aber diese natürliche und zur Kunst erhobene
Wahrhaftigkeit wird doch gestört und verunziert
durch allerlei unnötige romanhafte Zutaten. Die
bäuerliche Sprache wandelt manchmal auf hoch¬
deutschen Stelzen, rührselige Sentimentalität
schleicht sich leider in das echte Gefühl, das zu
Anfang mit kräftig herbem Duft aus den Tagebuch-
blättern des einsamen, bäuerlichen Waldwinkel-
philosophen strömte, und so bleibt der Eindruck
des Buches nicht so stark und einheitlich, wie er
auf den ersten Seiten den Leser gefangen nahm.
Walther Küchler.
Hugo Sonnenschein , Die Legende vom weltver¬
kommenen Sonka. Leipzig , Wien, Zürich, E. P. Tal.
Dieses Buch wäre wertvoller, wenn es weniger
gekonnt wäre. Es hat eine Gesinnung, die durch
Aktualität peinlich banalisiert wird, es hat die
Form der letzten Berliner Mode. Der Literat
Sonnenschein hat aber dergestalt Geschmack, daß
dieses Buch irgendwie Herzereignis wird und somit
sich dem Wesen einer Dichtung nähert. „Daß Ler¬
chen nisteten in unserer Wanderschaft*'. Dieses
Wort reißt alle literarische Konvention, die reich¬
lich über dem Ganzen lagert, wie Gewölk auseinan¬
der und duldet Ausblick in Berufung. Seite 16, 17
und Seite 41 gibt Prosa. Diese Prosa aber keinen
Gehalt. Eine Tatsache, die der Prosa nicht zugute
kommt! Hanns Johst.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Juli-August igsi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Richard Stnekal , Altwiencr Theaterlieder von
Hanswurst bis Nestroy. Mit acht Bildern und
einer Notenbeilage. Wien- Berlin , Wiener Litera¬
rische Anstalt , G. m. b. H., 1920. Geb. 22 M.
Die eingelegten Lieder bedeuten im Volksstück
die’notwendige Würze, häufig die Höhepunkte der
Wirkung. Von der Bühne gelangen die Worte und
die^Weisen auf die Straße und leben dort fort, los¬
gelöst von den dramatischen Gebilden. So kommt
ihnen auch eigene kultur und kunstgeschichtliche
Bedeutung zu, ja vielleicht läßt sich in diesem
Spiegelbild am leichtesten die Stammesart in ihrem
Grundcharakter und ihren Wandlungen erkennen.
Aus dem deutschen Sprachgebiet sind nirgends
dafür reichere Unterlagen vorhanden als in Wien.
Von Stranitzky und Prehauser bis zur Operette
der Gegenwart gibt es eine Unzahl solcher volks¬
tümlich gewordenen Gesangstücke, in denen das
Wienertum sich heiter verklärt hat. Smekals
Auswahl erschöpft den Stoff nicht, auch fehlen
einige der bezeichnendsten Lieder, wie ,,In meinem
Schlosse ist's gar fein“ (aus Henslers „Donau¬
weibchen“); „So leb’ denn wohl, du stilles Haus“
und „Ach, wenn ich nur kein Mädchen wär’“ (aus
Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschen¬
feind“). Aber die Übersicht ist sehr reich an liebens¬
würdigen und charakteristischen Gaben, sie ver¬
mittelt eine gute Anschauung von den Formen und
den Stoffen, die bis 1848 sorgsam jeder Berührung
des öffentlichen Lebens ausweichen. Auch die Grenze
ist richtig gezogen, nur das einzige „Nach Sevilla,
nach Sevilla“ liegt seinem Wesen nach jenseits des
Wienerischen Bezirks. Die Einleitung bezeugt
Smekals schon früher bewährtes theatergeschicht¬
liches Wissen von neuem; die Bilder beleben den
Text. Freilich sähen wir statt ihrer lieber zahl¬
reichere Notenbeilagen statt der einen, die dem
hübsch ausgestatteten Buche beigegeben wurde.
G. W.
Johann Steinwert von Soest , Der Sänger und Arzt.
1448—1506. Erinnerungsschrift zur Tagung der
Bibliophilen am 10. Oktober 1920 in Frankfurt am
Main, gewidmet von der Schriftgießerei D. Stempel,
A.-G., Frankfurt am Main.
Diese schöne Publikation, mit Ehmcke- Schwa¬
bacher und Ehmcke-Rustika nach Zeichnungen
von Prof. F. H. Ehmcke in 300 Exemplaren ge¬
druckt, bringt nach einer biographischen Einleitung
von W. K. Zülch das „Spruchgedicht zu lob und
eer der Statt Franckfortt“, in der Steinwert als
Stadtarzt wirkte, und die Verse „von seinem Ver¬
löbnis zu Heidelberg 1494“. Die Auswahl ver¬
dient Dank neben der tadellosen Wiedergabe durch
die Schriftgießerei Stempel, die zu dem schön ge¬
setzten Text einige gleich sorgfältig reproduzierte
Bildgaben gefügt hat: Wappen, den Frankfurter
Stadtadler von Martin Caldenbach, einen Lauten-
Spieler nach Urs Grafs Holzschnitt und eine Zeich-
Beibl.XIIl.i2 177
nung, die Johann von Soest bei der Übergabe sei¬
nes bedeutendsten Werkes „Die Kinder von Lim¬
burg“ an den Kurfürsten Philipp von der Pfalz
zeigt. Eine Gabe mithin, die des Dankes aller
Bibliophilen gewiß sein kann. F. M.
E. Stemplinger und H. Lamer , Deutschtum
und Antike in ihrer Verknüpfung. Leipzig , B. G.
Teubner. (Aus Natur und Geistes weit. 689. Bänd¬
chen.)
Das Buch ist recht geeignet, das zu züchten,
was es bekämpfen wollte: nämlich eine gründliche
Abneigung gegen jene trockene, blut- und lebens¬
arme Gelehrsamkeit, die nur Wissensbrocken ver¬
mittelt, ohne uns innerlich etwas zu geben. Geg¬
ner des humanistischen Gymnasiums und des bis¬
herigen Geschichtsunterrichts könnten dies Buch
mit Erfolg für sich verwenden.
Wenn dem Verlag B. G. Teubner daran liegt,
seine teilweise sehr verdienstvolle Sammlung, in
der das Buch erschienen ist, nicht zu einem Repeti¬
torium für Prüfungskandidaten des höheren Lehr¬
amt werden zu lassen, sondern durch sie den leben¬
digen Bildungsgehalt des deutschen Volkes zu ver¬
mehren, dann muß er sich einmal gründlich über
das Wesen wahrhaft volkstümlicher Darstellungs¬
weise klar werden. Vielleicht an der Hand von
Werken eines Faraday, Liebig, Helmholtz, Arrhe-
nius, Potoniö und anderen. Vor billigen Exzerpten
aus allerhand gelahrten Realenzyklopädien ist
jedenfalls eine Warnungstafel zu errichten.
H. Robert Glich.
Christine Touaillon , Der deutsche Frauenroman
des 18. Jahrhunderts. Wien und Leipzigs Wilhelm
Braumüller , 1919. VIII und 664 Seiten.
Auf Einzelheiten des umfangreichen Bandes
einzugehen, ist im Rahmen einer kurzen Anzeige
unmöglich. Und ebensowenig können grundsätz¬
liche Fragen — solche aufzuwerfen, verfehlen be¬
deutende Bücher selten — hier mehr als nur eben
angedeutet werden. Geschichtliche und ästhetische
Würdigung weiblicher Dichtung, weiblicher Kunst
überhaupt ist bisher unseres Wissens (vgl. des Ref.
„AUg. Bücherkunde“, S. 420, 426) nur ganz bei¬
läufig oder dilettantisch oder zur Befriedigung
biographischer oder sonstiger Neugierde betrieben
worden; ist erst einmal das gesamte Gebiet für
alle Nationen und Künste aufgearbeitet (bei den
andern großen Kultumationen reicht die Frauen¬
dichtung viel weiter zurück und viel höher hinauf),
dann erst wird auf breiter empirischer Grundlage
eine sexuale Poetik das letzte Wort sprechen
können: der Epilog unserer Verfasserin (S. 630ff.)
tut dar, daß sie sich dieser letzten Ziele wohl be¬
wußt ist. Dann würde auch die auffallende weib¬
liche Impotenz auf dramatischem Gebiet, ein
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Juli-August 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Seitenstück zum sog. Cäcilienproblem, gründlich
erörtert werden können. — Für solche Bearbeitung
großer Abschnitte weiblichen Kunstschaffens kann
Frau Touaillons Buch, dessen spezieller Teil mit
der La Roche anhebt und bei den Anfängen der
Romantik endigt, ohne weiteres als Muster emp¬
fohlen werden, so z. B. gleich für eine Darstellung
des noch viel interessanteren Frauenromans der
jungdeutschen Ära. Als Muster in der Gewissen¬
haftigkeit der Forschung, in dem Verständnis für
das, worauf es in der Literaturgeschichte eigent¬
lich ankommt, in der unaffektierten Gefälligkeit
der Form, nur nicht in seinen der gesamten Dar¬
stellung in Scherers Literaturgeschichte gleich¬
kommenden Dimensionen! Freilich, um diese War¬
nung zu begründen, müßten wir Prinzipienfragen
erörtern, und dies haben wir uns selbst untersagt.
Robert F. Arnold .
Heinrich v. Treitschkes Briefe, herausgegeben
von Max Cornicelius. 3. Band, 1. Teil (1866—1871);
2. Teil (1871—1896). Leipzig , S. Hirzel , 1920.
Von den vorliegenden Briefen sind die aus den
Jahren 1866 und dann wieder 1870/71 wohl am
anziehendsten, und unter diesen wieder die Briefe
Treitschkes an seine Braut. Die Publikation ist
von Cornicelius besorgt worden; sie macht den
Eindruck großer Sorgfalt. Zum besseren Ver¬
ständnis sind die Briefe in einzelne Abschnitte zu¬
sammengefaßt und ist diesen jedesmal eine Ein¬
leitung vorangestellt worden. F. K.
Willibrord Verhade O. S. B., Die Unruhe zu
Gott. Erinnerungen eines Malermönches. Mit einem
Bildnis. Freiburg i. B., Herder , 1920. 264 Seiten.
Kart. 5,80 M. und Zuschlag.
Das vom stillen Glanze einer in Gott und im
künstlerischen Schaffen gleichermaßen zur Ruhe
gekommenen Seele umleuchtete Bekenntnisbuch
wird „gottfrommen" ebenso wie „kunstfrommen"
Menschen ein liebenswerter Begleiter durch einige
Stunden gefriedeten Lebens sein. M. M.
Helene Voigt-Diederichs, Abendrot. Aus dem
Schleswigschen Volksleben. Buchschmuck von
Heinrich Vogeler-Worspwede. (86. Band der Nieder¬
deutschen Bücherei.) Hamburg , Richard Hermes.
Sonderbar, ich wurde während der ganzen Lek¬
türe dieser niederdeutschen Erzählungen den Ein¬
druck nicht los, daß ich das alles schon einmal ge¬
lesen hatte. Dabei stand mir unzweifelhaft fest,
daß das nicht der Fall war. Aber jedesmal, wenn
mein Wissen ausgeschaltet war, kehrte der Eindruck
wieder. Er verwirrte, er störte mich nicht. Im
Gegenteil: es war mir lieb, all dem Lang vertrauten,
das vergessen schien und doch lebendig in mir war,
179
wie nur Kindheiteindrücke sein können, noch ein¬
mal zu begegnen. Mit den Gestalten hatte ich, wenn
sie in Wirklichkeit auch andere Namen trugen, eh-
dem auf Du und Du gestanden. Und wenn wir im
ersten Augenblick auch nicht wußten, ob das Du
von früher noch galt — im nächsten hatte ein La¬
chen den Zweifel weggewischt, und es war wieder,
wie es vor langer Zeit gewesen war. In der Welt
dieser stillen, ernsten, schlichten Menschen batte
ich—lang ists her—ja selber einmal gelebt. Wie
sollte mir nicht jeder Fußbreit bekannt sein ? Ihre
Sprache, dieses bei aller Knorrigkeit biegsame, bei
aller Kargheit blühende Plattdeutsch hatte ich
selber einmal (wenn auch mit ein wenig anderer
Färbung) als einzige Sprache gesprochen. Wie sollte
mir das Herz bei seinem Klang nicht aufgehen ? So
folgte ich willig, wohlig eingelullt den Erzählungen
Helenens Voigt-Diederichs von dem armen Kranken,
der sich ins Leben sehnt, von Gesundheit, die zu
Gesundheit will, von Liebe und Leid, von Sorglich-
keit und Verzichten. Aber hinterher gab es dann
doch so etwas wie ein Erwachen. Das Heutige
drängte das Gestrige in mir beiseit und bewies ihm,
daß ich mich von eigenen Erinnerungen hatte über¬
rumpeln lassen. Daß der Eindruck, ich hätte das
alles schon gelesen, gegen das Buch als Kunstwerk
spräche. Daß außer dem Plattdeutsch der Redenden
nichts echt und eigen an diesen Erzählungen, son¬
dern alles übernommen, herkömmlich sei. Daß bei
Groth und Fehrs und Storm und vielen anderen
diese Geschichten längst von begnadeten Dichtern
erzählt seien. Ich konnte dem gegenüber nichts
Stichhaltiges an Gründen Vorbringen. Ich konnte
nur Eines darauf erwidern: „Ich hab dies Buch
lieb!" Und Liebe hat ja — glücklicherweise —
noch immer ihr altes Vorrecht: dem Zwange über¬
hoben zu sein, ihre Berechtigung durch Gründe
erweisen zu müssen. Hans Franck.
Voltaire , Kandide oder: Es ist doch die beste
Welt! Morawe 6» Scheffelt Verlag , Berlin 1920.
133 Seiten.
In der Reihe der hübschen Ausgaben, zu denen
wieder Jos. von Diveky viele Zeichnungen gemacht
hat, wie zu Bürgers Münchhausen, durfte auch
der Kandide nicht fehlen. Der Druck ist von der
Spamerschen Buchdruckerei besorgt. Außer der
gewöhnlichen Ausgabe, mit der man recht zufrie¬
den sein kann, was die Aufmachung anlangt, ist
noch eine Liebhaberausgabe von 250 Exemplaren
erschienen, die noch mit ganzseitigen Bildbeilagen
ausgestattet ist. Peter Hamecher, der die Heraus¬
gabe besorgt hat, hat der vorliegenden Neuausgabe
die Übersetzung von Mylius (Berlin 1782) zu gründe
gelegt, an der nur wenig geändert ist. In diesem
neuen geschmückten Gewände wird sich Voltaires
Kandide sicherlich viele Freunde erwerben.
Erich Ebstein
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Juli-August 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschritt für Bücherfreunde
Friedrich Wilhelm Waiblinger , Phaeton. Her¬
ausgegeben von A. Schurig. Dresden , Lehmannsche
Verlagsbuchhandlung , 1920.
Dieser Neudruck im Originalgewand ist buch¬
technisch musterhaft. Zur Dichtung selbst: Sie
überrauscht uns mit ihrer Sehnsucht nach Griechen¬
land, mit ihrem ewigen „Wie“ und „Als ob“ im
Stil des Überschwanges—Geschenk einer Zeit, deren
Wiederkehr in unserer Seele ahnend aufersteht.
Kennzeichnend auch dafür: Romantischer, wir¬
belnder, überzeugender das Schicksal des Menschen
Waiblinger als das Geschick seiner Dichtung, die
gegen ein gutes Honorar gedruckt, rezensiert, ge¬
lesen und vergessen wurde. —Phaeton aber im Irr¬
sinn seiner maßlosen Fülle von Liebe, und Atalanta,
die Geliebte und die maßvolle Liebe in Person, leben
jenseits des Menschen Wilhelm Waiblinger und sei¬
ner Dichtung als unvergängliche Geschichte einer
Zeit, die mit uns gemeinsam das Paradies in der
Vergangenheit, in der Zukunft aber die qualvolle
Fülle bedrängender Aufgaben und Verpflichtungen
weiß. Hanns Johst.
Robert Walser , Komödien. Berlin , Bruno Cos -
sirer t 1920.
Die köstliche Eigentümlichkeit Walsers, die un¬
gekünstelte Naivität des Auges und der Sprache
gibt den vier dramatischen Novellen in diesem
Bande das, was der zeitgenössischen Dichtergene¬
ration verloren ging: das wirklich dichterische, jene
Poesie, die ohne Umwege über das Gehirn unmittel¬
bar aus dem Herzen strömt. So auch nur kann er
es wagen, Sneewittchen und Aschenbrödel zu
paraphrasieren, ohne ihren Märchenschmelz zu ver¬
letzen. — Sein Bruder Karl zeichnete den reizen¬
den Umschlag. E. E. S.
Stefan Zweig , Drei Meister: Balzac, Dickens,
Dostojewski. Leipzig , Insel-Verlag , 1920.
Es gibt eine Kunst des Essays, in England und
Frankreich ausgebildet, in Deutschland selten zur
Meisterschaft gediehen. Ihr Wesen ist das Heraus¬
arbeiten letzter Werte an Gehalt und Form. Alle
Schlacke muß beiseite geschafft, aller Stoff ver¬
geistigt, alles Zufällige zum Symbol werden. Muster¬
beispiele solcher Intensivierung sind die drei hier
vereinten Charakteristiken Zweigs. Ihm gelten
Balzac, Dickens, Dostojewski als die drei möglichen
Typen des großen Romanciers und daraufhin
werden sie gezeichnet. Balzac als der Welt¬
eroberer, Dickens das Genie der bürgerlichen
Beschränkung, Dostojewski der tragische Gott¬
sucher. In dieser klaren Zielsetzung liegt ein Vor¬
zug, auch eine Gefahr. Da aber, wie Zweig im
Eingang betont, seine Bilder nur das persönlich
als wesentlich Empfundene zur Erkenntnis bringen
wollen, mag auch manche Hilfskonstruktion dem
181
Persönlichkeitsrecht des ungewöhnlichen Schrift¬
stellers zugestanden werden. Gibt er uns doch den
seltenen Genuß völlig ausgerundeter, vollendeter
deutscher Wortkunst. G. W.
Kleine Mitteilungen.
Neues von Menzel. W. von Zur Westen ver¬
öffentlicht soeben in den „Mitteilungen des Ber¬
liner Exlibris-Vereins“ eine bisher unbekannte
Steindruckvignette des jungen Menzel auf dem
Titelblatt eines von Salleneuve komponierten
Schauergedichtes von M. G. Saphir zum Tode des
Herzogs von Reichstadt. Sie stellt Napoleons Geist
mit dem toten Sohn im Arm über einem Grabe
schwebend dar. Dem wackeren Dorgerloh, dessen
Handbuch bisher der einzige Wegweiser durch das
riesige graphische Werk Menzels war, ist doch
mancherlei entgangen. Die Verehrer und Sammler
der Schwarzweißkunst Menzels wird es inter¬
essieren, daß ein neuer großer Oeuvre-Katalog von
Dr. Elfried Bock, dem Kustos des Berliner Kupfer¬
stichkabinetts, im Druck ist und im Herbst bei
Amsler & Ruthardt in Berlin erscheinen wird.
Außer zahlreichen, bisher unbekannt gebliebenen
Werken bringt das neue Buch auch die von Dor¬
gerloh fast gar nicht beachteten Verschiedenheiten
der Plattenzustände. Alle Seltenheiten und Schön¬
heiten des graphischen Menzelwerkes werden in
solchem Umfange zum ersten Male abgebildet.
Gutenberggesellschaft in Mainz. Am 17. April
1921 fand im Stadtverordnetensitzungssaal des
Stadthauses zu Mainz eine ausserordentliche Gene¬
ralversammlung der internationalen Gutenberg¬
gesellschaft statt. Der jährliche Mitgliedsbeitrag
wurde auf 25 M. erhöht; wer jährlich 100 M. zahlt,
wird Förderer, wer jährlich 300 M. zahlt, Gönner.
Stifter ist, wer einmal 5000 M. und Patron, wer
einmal 10 000 M. der Gutenberggesellschaft zur Ver¬
fügung stellt. Zum Schriftführer der Gutenberg¬
gesellschaft wurde mit allen anwesenden Stimmen
Herr Kommerzienrat Felix Ganz in Mainz gewählt.
Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses wur¬
den die Herren Gustav Mori in Frankfurt a. M. und
Direktor Will in Mainz.
Soeben ist die große Veröffentlichung der Gu¬
tenberggesellschaft: „Karl Schottenloher, Das Re¬
gensburger Buchgewerbe im 15. und 16. Jahrhun¬
dert“ (289 Seiten, 10 Tafeln mit 15 Abbildungen)
den Mitgliedern gratis zugegangen. Eine weitere
Arbeit: Gustav Mori, „Was hat Gutenberg erfun¬
den?“ (ca 64 Seiten mit vielen Abbildungen), wird
im Juni versandt werden.
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UMlVERJjt^F CALIFORNIA
Juli-August 1921
Kleine Mitteilungen — Kataloge
Zeitschrift für Bücherfreunde
Für eine rege Mitgliederwerbung wird der Ge¬
danke erwogen, jährlich einen volkstümlichen Main¬
zer Gutenbergkalender herauszugeben, der litera¬
risch und künstlerisch wertvoll und typographisch
mustergültig sein soll.
Die Zahl der Mitglieder beginnt wieder zu
steigen; besonders erfreulich ist die Rückkehr vieler
Ausländer zur Gesellschaft. Selbst ausländische
Akademien und Bibliotheken haben erhöhte Jahres¬
beiträge eingesandt. Die freiwilligen Beiträge des
letzten Jahres übersteigen die Mitgliederbeiträge
derselben Zeit. Ausserdem sind in diesen Tagen
mehrere Stiftungen gemacht worden, eine von
ioooo M., eine von 5000 M. und einige von je
1000 M. Weitere werden erwartet und mit Dank
entgegengenommen.
Persische Manuskripte. Eine kleine Zahl (75
Nummern) persischer und indopersischer Manu¬
skripte, teilweise mit Illuminierungen, wurde jüngst
bei Sotheby in London versteigert. Sie stammen
aus dem Besitze des bekannten Forschungsreisenden
Claude Anet in Paris. — Das wertvollste Stück war
das Manuskript des Oiran - i - Sadain; dieses Gedicht
handelt von der Zusammenkunft des Moizz ed-din
Kay Kobad, Königs von Bengalen, mit seinem
Vater, Nassr ed-din Boughra Khan zu Delhi im
Jahre 688 d. H. Das Manuskript ist von 921 d. H.
(1515 n. Chr.) datiert und stammt aus einer der
feinsten persischen Bibliotheken. Der gleichzeitige
Einband aus ziseliertem Leder mit Goldeinlage gilt
als der einzig bekannte gezeichnete persische Buch¬
einband „gefertigt von Mohamed Salih ausTabriz“.
Das kostbare Stück wurde mit £1550 bezahlt. —
Ein Manuskript das Tohfet-el-Ehzar, das viele
Jahre in den Bibliotheken der Mogul-Kaiser ge¬
wesen war, geschrieben 1554, erreichte £600. Es
enthält drei vortreffliche Miniaturen und 64 de¬
korierte Seiten. — Hafiz' „Divan“ mit 73 Vierzeilern
aus dem Rubäyät des Omar Khäyyäm mit 7 Minia¬
turen und den Siegeln der beiden Fürsten, Sultan
Kothscha von Golconda und Shah Jahan, ein kost¬
bares Beispiel der am Hofe von Herat zu der Zeit
blühenden Kunst, als Shah Tahmash den Thron be¬
stieg, brachte £ 700. Geringere Preise erreichte
der „Masnavi“ des Djeladud-din Roumi aus dem
Jahre 1416 n. Chr. (iS 70) und „Khosrow-Chirin“,
Nizamis zweite schöne Dichtung, aus dem Jahre
1541 mit 12 Miniaturen (£ 110). Ein Manuskript,
mit 11 kleinen Miniaturen feinster Ausführung aus
dem Jahre 1513 von Sadis „Gulistan“ erreichte
£ 200. — Die einzelnen Miniaturen indopersischer
Herkunft wurden mit £1 bis £8, die persischen
Miniaturen des 15. —16. Jahrhunderts mit Maxi¬
mum 10—11 £ bezahlt, von denen des 18. Jahr¬
hunderts gingen einzelne Blätter bis auf £ 20. —
M.
183
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adrette
des Herausgebers erbeten.
Paul A licke in Dresden. Nr. 147. Seltene Bücher,
Luxusdrucke 204 Nra.
Gustav Fock in Leipzig. Nr. 501. Deutsche Literatur
von Luther bis zur neuesten Zeit, enthaltend
zahlreiche Erst- und Frühausgaben 3511 Nrn.
Oskar Gerschel in Stuttgart . Der Bücherkasten.
Nr. 2—3, Nr. 897—2683.
Gilhofer <5* Ranschburg in Wien I. Anzeiger Nr. 118.
Kultur- und Sittengeschichte, Curiosa und Varia
789 Nm.
Paul Graupe in Berlin W 35. Nr. 97. Kunst.
Illustrierte Bücher und Graphik des 15. bis
20. Jahrhunderts 993 Nrn.
F. W. Haschke in Leipzig. Nr. 9. Literatur und
Kunst 1048 Nrn.
Karl W. Hiersemannin Leipzig. Nr.485/6. Deutsch¬
land II und III: Spezielle und Lokalgeschichte
1316 und 1238 Nrn. — Nr. 491. Architektur
1113 Nrn. — Nr. 492. Inkunabeln 140 Nrn.
Rudolf Hönisch in Leipzig. Liste Nr. 3. Hebräische u.
lateinische Manuskripte und Inkunabeln 99 Nrn.
Paul Koehler in Leipzig. Nr. 8—9. Deutsche Lite¬
ratur und Sprache 2045 Nm.
Bernh. Liebisch in Leipzig. Nr. 236. Mystik und
Sektenwesen 2196 Nrn.
Lipsius & Tischer in Kiel. Nr. 53. Vermischtes
2758 Nm.
Markert&Pettersin Leipzig. Nr. 14a. Indien48oNrn.
Edmund Meyer in Berlin W 35. Nr. 53. Curosia —
Varia — Illustrierte Bücher 1365 Nrn.
Friedrich Meyer in Leipzig. Nr. 159. Vermischtes
779 Nm.
Martinus Nijhoff im Haag. Nr. 465. 1001 wert¬
volle Bücher und Zeitschriften. — Nr. 464, 466,
467. Vermischtes 354, 403, 616 Nrn.
Oskar Rauthe in Berlin-Friedenau. Nr. 92. Ver¬
mischtes 1409 Nm.
Oscar Röder in Leipzig-R. Nr. 21. Philosophie
1069 Nrn. — Anzeiger Juni 1921: Bismarck —
Dante — Luxus- und Privatdrucke usw. 290Nm.
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Literatur — Friedrich der Große — Kunstge¬
schichte — Kinderbücher 694 Nrn.
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wissenschaft — Galeriewerke — Illustrierte
Bücher9i4Nrn. — Nr. 201. Vermischtesi667Nrn.
Speyer 6* Peters in Berlin NW 7. Nr. 36. Das alte
Buch mit 41 Bildern 2195 Nrn.
Paul Stern in Wien I. Nr. 2. Moderne Luxus¬
drucke 900 Nrn.
Horst Stobbe in München. Nr. 60. Bibliophile Bücher
1365 Nrn.
Hermann Treichel in Jena. Nr. 16. Deutsche und
fremde Literatur — Kunst, Theater, Musik —
Philosophie — Geschichte 1383 Nm.
184
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Zeitschrift für Bücherfreunde
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Juli-August 1921
Anzeigen
Zeitschrift für Bücherfreunde
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m. b. Srfpgig
£tc^ten6erg^ ^Briefe
$erauägegebrn von
Ulbert Seemann u. Carl ©cfyüb&efopf
3 ©Änbe mft jafjlrelcben 2lbbllbungen unb
$anbgei<$n. auf blutemoeijjem ^rfeben^»
papier. 3eber 23anb brof<bfert 27T. 18.-,
gebunben 271. 22.50
©. <£. ßtdjtenfcergtf
^Briefe an ©teterid)
3um fyunbertften. $obe$tage £i<btenbergi
berautfgegeben von
®bu«cb ©rifebad)
271« einem Porträt £i<f)tenbergtf unb einem
fl^obotviecfiföen Orfgfnalfupfer. ©teif
brofdjlert in Pergamenterfat) 271. 3.60
£td)tenSerg* ^Briefe an
3. §rtebr, ^BlumenBadj
iperau^gegeben unb erläutert von
Gilbert Seemann
©en Umfd)lag geie^nete Oätoaib 2De(fe
271. 20.-, gebunben 271. 27.-
Äf a b e m tfc|
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berauÄgegeben oon
2lrt^ur Ä0 pp
271. 2.50, geb. 271. 3-50
Diefe 33 ö(^er meine* Verlage* bieten fflr bie £efer
Der 3 eitf«f>rift für QJäc^erfreunbe roertooUe (Ergan*
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ten £i<btenberg* 23 r{efen, tpfe ju Dem ^ufja^ T>v.
33 edi)tolD* # <Ein Qrfnbfattbrucf De* £anbe*t>ater*'
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• Länder und Städte«Beschreibungen / Antike Li« j
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S Medizin und exact. Wissenschaften / Militär« J
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j Sport und Spiel / Alte Theologie / Varia <In« 5
5 cunabeln, Heraldik, Polyglotten, Stammbücher usw.) j
I Illustrierte Bücher. $
• In Kürze erscheint Katalog 56: Ostasien
| Katalog 54: Kunstblätter
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XIII. Jahrgang September-Oktober 1921 Heft 5
Pariser Brief.
Überblickt man die Literatur der letzten Jahre,
so erscheinen hauptsächlich zwei neue Dichter¬
namen aufzuleuchten: Marcel Proust, der aller¬
dings ein Buch schon vor dem Kriege veröffent¬
licht hat. Aber erst nach 1915 ist sein Name in
breitere Kreise gedrungen. In den letzten Jahren
sind von seinem ersten Buch: Du Cot6 de chez
Swann achtzehn Auflagen verkauft worden und
sein Roman „A l’ombre des jeunes filles en fleur“,
der 1919 mit dem Goncourt-Preis ausgezeichnet
wurde, hat es sogar auf 35 Auflagen gebracht.
Vor einem halben Jahr erschien sein zweibändiger
Roman: A la recherche du temps perdu: I Le
Cotö de Guermantes II Sodome et Gomorrhe.
Alle Bücher sind im Verlag der nouvelle revue
fran$aise erschienen. Proust fügt sich dem Kreise
um Andrö Gide ein. Auch er ist Traditionalist und
sucht das Erbe der Vergangenheit zu erweitern
und umzuprägen. Am nächsten von den Alten steht
er der Madame de Lafayette. Sein Stil ist schwer¬
fällig, umständlich, aber voller Zartheiten und
Feinheiten, durchtränkt von menschlicher Wärme.
Als zweiter Autor ist der Belgier Fernand
Crommelynck zu nennen, von dem der Pariser
Verlag „La siröne“ die beiden Stücke: „Le cocu
magnifique“ und „Les amants puörils“ herausge¬
bracht hat, nachdem sie im Oeuvre beziehungs¬
weise in der Comödie Montaigne vor einem lite¬
rarischen Publikum die Feuerprobe bestanden
haben. In diesen Komödien tritt eine bedeutende
dichterische Kraft in Erscheinung, die durch die
Glut des Temperaments und die eigenartig pla¬
stische Sprache an Verhaeren erinnert. Crom¬
melynck greift alle menschlichen Probleme tief
und originell an, wird aber niemals schwerfällig
und pedantisch. Zuweilen erscheint er wie eine
Mischung aus Rpbens und Moliöre oder Rabelais
und de Coster, ein Dichter, der seinen Weg durch
die ganze Kulturwelt machen wird.
Als ein origineller Versuch kann der bei Povo-
lozky erschienene Roman „L'inconnu sur les villes“
von Marcello Fabri gelten, in dem nicht eine ein¬
zelne Gestalt, sondern die Großstadt der Held ist.
Beibl. XIII, 13 193
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In dem Buch treten so gut wie gar keine Personen
auf. Es wird geschildert, wie die Masse der Gro߬
stadt bald durch kriegerische, bald durch revo¬
lutionäre Leidenschaften erregt und hin und her
gerissen wird.
Benjamin Vallotton hat in einem ergreifenden
Buch, das bei Payot erschien, die Leiden der Kriegs¬
blinden geschildert. Das Befreiende der Darstel¬
lung liegt in dem Gleichmut und in der Überlegen¬
heit über das Schicksal, das die einzelnen Gestalten
erfüllt und den Gesunden zum Vorbild dienen kann.
Andrö Thörive hat unter dem Titel: L’expatriö
einen Roman geschrieben, der, erschienen im Verlag
der Siröne, das internationale Treiben in der Schweiz
während des Krieges spiegelt. Man erkennt in dem
lebendig geschriebenen Buch manche Pazifisten,
Revolutionäre und Agenten wieder, die in Genf
und Bern eine Rolle spielten. Auch der deutsche
Professor, der gleichzeitig in Basel und Mailand
dozierte, Henri Guilbeaux u. a. sind in die Schilde¬
rung eingeflochten.
Ein dritter, interessanter Kriegsroman ist das
Buch von Maurice Chönu, den Crös& Cie unter dem
Titel: Le bracelet rompu herausgab. Der Krieg
dient diesem Werk nur als Hintergrund, vor dem
sich das Schicksal zweier Liebenden entrollt. Der
Roman ist reich an feinen Beobachtungen der
Frauenseele, bedeutend durch weite und tiefe
Menschlichkeit, farbig durch die schöne Form der
Sprache.
Francis Jammes hat bei Pion eine neue Arbeit:
Le Livre de saint Joseph herausgegeben, eine Folge
von kleinen volkstümlichen Erzählungen, in denen
der Tischlersohn aus Nazareth eine Rolle spielt.
Diese Art anmutiger Prosadichtungen mit mo¬
ralischem Einschlag hat Jammes die Verehrung
und Bewunderung von älteren Damen des franzö¬
sischen Adels eingetragen, von denen eine Jammes
kürzlich ein Schloß geschenkt hat. Es ist kein
Wunder, wenn Jammes immer frommer wird; denn
ein Schloß in Frankreich bedeutet das Paradies auf
Erden
Romain Rollands Jean Christophe ist jetzt in
194
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Frankreich statt in zehn Bänden in der neuesten
Auflage in vier Bänden zusammengefaßt worden.
Paul Fort hat sich auf eine Vortragsreise durch
die südamerikanischen Staaten begeben.
In der Comädie Montaigne hat Garnier
L*annonce faite ä Marie von Paul Claudel mit der
Musik von Abb6 Brun erfolgreich zur Aufführung
gebracht.
In den letzten Monaten sind eine Reihe neuer
Zeitschriften erschienen. Den alten führenden Zeit¬
schriften: La revue de deux mondes und La revue
de Paris sind zwei Konkurrenzunternehmungen an
die Seite getreten: La revue universelle und La
revue de France, die sich in keiner Weise vonein¬
ander unterscheiden. Les cahiers d'aujourd’hui
sind am besten mit dem deutschen Anbruch zu
vergleichen. Hier erscheint gute Graphik und
Arbeiten der hoffnungsvollsten Jugend. Der frei¬
heitlich aufstrebenden Literatur dienen ferner
L’action, Part libre, les öcrits nouveaux, les Letres,
L’oeuf dur, die über die Kreise der Literatur und
Kunst kaum hinausdringen. Ein von Finanzkreisen
unterstütztes Unternehmen ist Le Plroducteur, eine
Monatsschrift, die als das Organ der Conf6d6ration
gönörale de Pintelligence nur in dem kleinen Kreis
derer zirkuliert, die an diese Organisation glauben.
So gering die Verbreitung dieser Zeitschriften auch
ist, inhaltlich ist bald diese, bald jene wertvoll.
Am besten unterrichtet man sich heute durch den
sehr deutschfeindlichen Mercure de France infolge
seines enzyklopädischen Charakters, durch die
nouvelle revue fran£aise und L’Europe nouvelle.
Der Verlag der Sir&ne hat als Meisterwerk mo¬
derner Buchkunst Voltaires Candide nach der Ori¬
ginalausgabe von 1759 herausgegeben, mit den
eigenhändigen Zusätzen Voltaires für die Ausgaben
von 1761 und 1764. Zwanzig Exemplare sind auf
altem Japanpapier, 300 auf van Gelder gedruckt.
Das Werk ist mit etwa vierzig zeitgenössischen
Illustrationen prachtvoll ausgestattet, zweifellos
eine der besten Leistungen des neueren franzö¬
sischen Buchgewerbes.
Aus den Seminarien der verschiedensten Lehr¬
stühle Frankreichs gehen Arbeiten über das Aus¬
ländertum in Frankreich hervor. Vor einigen Jahren
zeigte ich hier die Arbeit von Alfred Leroux über
„La colonie allemande ä Bordeaux“ an. Kürzlich
hat der ehemalige Chartiste Mathorez den ersten
Band eines Werkes: „Les ötrangers en France
sous Pancien rögime“ erscheinen lassen. Louis
Raymond und Gustave Cohen haben ebenfalls
Arbeiten auf diesem Gebiet veröffentlicht. Es er¬
scheint mir notwendig, daß auch deutsche Ro¬
manisten, möglichst im Zusammenhang mit Ger¬
manisten, Historikern und Kunsthistorikern diese
Themen aufgreifen, damit nicht die französische
Darstellung als die alleinige durch die Welt geht.
Berlin. Dr. Otto Grautofl.
195
Neue Bücher und Bilder.
Olga Amberger, Zeitgenossen Chodowieckis. Lose
Blätter schweizerischer Buchkunst. Basel , Rhein-
Verlag , 1921. Geb. 14,50 M.
Ein entzückendes Buch. Es bringt 85 Stiche
der Schweizer Künstler der Zopfzeit, so gut wie
es der heutigen Strichätzung bei diesen Klein-
werken irgend möglich ist, wiedergegeben und um¬
rahmt mit erläuternden Worten der Dichterin Olga
Amberger, die den Ton unterhaltender Belehrung
mit feinem Humor treffen. Uber den Titel ließe
sich rechten; denn z. B. Salomon Geßner ist
mehr als nur „Zeitgenosse“ und vollends nicht
Geistesgenosse Chodowieckis; aber der Name eines
Buches tut ja seine Schuldigkeit, wenn er dem
Inhalt im allgemeinen entspricht und die Käufer
lockt, ohne sie irrezuführen. G. W.
VictorA uburtin , Pfauenfedern. München , AIberl
Langen , 1921.
Die im besten Sinne geistvollen, in erfreulicher
Sprache erzählten Geschiehtchen Auburtins leuch¬
ten ohne alles Moralisieren in beträchtliche Seelen¬
tiefen hinab. Sie sind Höhepunkte dessen, was
als literarisches Kunstgewerbe, feuilletonistische
Nippsache vielen und nicht den schlechtesten
Lesern eine dem eignen Denken fruchtbare Unter¬
haltung gewährt. G. W.
Henri Barbusse , Klarheit. Roman, verdeutscht
von Max Hochdorf. Zürich , Max Rascher , A.-G.,
1920.
Als der Krieg ausbrach und so lange er tobte,
sagten fast alle Intellektuelle aller kriegführenden
Länder: Friede und Völkerversöhnung sind gewiß
etwas sehr Schönes, aber jetzt gilt es das ange¬
griffene Vaterland zu verteidigen und für das Recht
zu kämpfen! Barbusse selbst zog in den Krieg, um
durch Niederwerfung des deutschen Militarismus
mitzuhelfen, die Bahn für die künftige freie und
glückliche Menschheit zu brechen. Sehr bald er¬
kannte er, daß nicht der Militarismus und Im¬
perialismus eines einzigen übermütigen und herrsch¬
süchtigen Volkes schuld am Kriege war, sondern
die Gesinnung der auf Lüge, Gewinnsucht, Macht¬
hunger, Gedankenlosigkeit und niedrigem Genu߬
taumel, auf der Herrschaft der Mächtigen und
Reichen über die Masse der in Gehorsam und
Stumpfsinn gehaltehen Abhängigen aufgebauten
Gesellschaft. Diese Erkenntnis wuchs in ihm mit
der Macht einer so sieghaften Klarheit, daß aus
seinem Denken jedes Dunkel fortgescheucht und
er unwiderstehlich dazu getrieben wurde, die eigene
Helligkeit der Überzeugung in alle Winkel des
trüben Weltbewußtseins zu verbreiten. Nachdem
er in seinen Buch „Le Feu“ mit bewunderungs-
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
würdiger Kühnheit den Widersinn des Krieges an
den unerhörten Leiden der Soldaten in Schlacht und
Schützengraben gezeigt und aus dem physischen
Zusammenbruch und seelischen Aufruhr der Ge¬
marterten den Protest gegen den Krieg und die
Kriegserreger hatte herauswachsen lassen, gab er in
dem zweiten Werk „Klarheit“ mit größerer Kunst,
als man ihm gewöhnlich zugestehen will, ein breit
gemaltes Bild des kläglichen Zustandes der Gesell¬
schaft, aus deren morastigem Boden der Krieg wie
ein giftiges Unheilgewächs herauswachsen mußte;
zeigte, wie einer von jenen öden Philistern, ein
Opfer unter Millionen, an der Schwelle des Todes,
im Wundfieber, den erlösenden Strahl jener Klar¬
heit empfing, der ihm die Augen öffnete und ihn
bis in die letzten Verschlingungen der aus Gewohn¬
heit, Berechnung, Egoismus und Betrug gemischten
dunklen Traurigkeit der Weltkultur hineinschauen
ließ. Mit hellseherischer Konsequenz trug er die
unerbittliche Lichtkraft in den Abgrund, zeigte er
den Schaden und das Heilmittel: Überwindung
aller Hemmnisse, die sich der Wahrheit entgegen¬
stellen, die das eigene, persönliche Denken und
Fühlen verhüllen und fälschen, Erneuerung des
eigenen Wesens jedes einzelnen und damit Wahr¬
haftigkeit in den Beziehungen von Mensch zu
Mensch. Die Menschen, befangen im traditionellen
Egoismus oder in der allgemeinen Unaufrichtig¬
keit, verführt von der groben Sinnlichkeit und
Gier, stehen sich nur als Feinde gegenüber, ver¬
mögen sich nicht frei und rein in die Augen zu
sehen. Am Schluß von -„Klarheit“ schauen sich
Mann und Weib tief, glücklich, wie zum ersten
Male Auge in Auge. Der Mann in Auge und Seele
des Weibes, das er im Sinnenrausch verführt, sich
gewonnen und dann gedankenlos betrogen hatte.
Die feindlichen Geschlechter sind wie vertraute,
liebe Geschwister. So führt der Dichter Barbusse
das Gesellschaftsproblem auf seine tiefsten Wurzeln
zurück, auf die Forderung, die Sinnlichkeit zu
läutern in der Lauterheit und Klarheit der Seele.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze
Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner
Seele! Walther Küchler.
Johannes R. Becher , Um Gott. Leipzig, Insel-
Verlag ; 1921.
Der neue Gedichtband Bechers zählt 330 Seiten.
Nicht nur durch diesen ungewöhnlichen Umfang
ragt er über die älteren Geisteskinder Bechers und
über die große Schar der lyrischen Erzeugnisse
unserer Zeit empor. Wildes Gähren klärt sich,
leidenschaftlich verworrner Schrei will zu edel
gefügter Verssprache auf steigen, dumpfem Trotz
entkeimt fromme Demut. Solche Gebilde wie
die „Heiligsprechung einer kämpfenden Malerin“
spiegeln das Werden eines Grundgefühls; der
„Vorlaut“, der beginnt „Aus meiner Sprache“,
197
berichtet höchst merkwürdig von dem Empor¬
ringen eines neuen Ein-Klangs. Als das zentrale
Stück der großen, bedeutsamen Reihe erscheint
nicht das umfangreichste von allen: das Fest¬
spiel „Arbeiter, Bauern, Soldaten“, trotz der
scheinbar dramatischen Form nur lyrischer, allzu¬
oft schon gehörter Schrei nach Erlösung. Viel mehr
bedeutet als Weiser in neue Gefühl- und Form-
Welten ein kürzeres Gedicht wie „An Gott“, das
sehr stark an die deutsche Barocklyrik des 17. Jahr¬
hunderts gemahnt. Sollte für Becher und seine
Genossen der Kurs dorthin gehen? Schon früher
ist ja auf die Stilverwandtschaft von Barock und
Expressionismus hingewiesen worden. Der letzte
Teil des Bandes trägt den Titel „Urach“. Man ge¬
denkt des jungen Mörike, der in Urach die erste
Frühlingsblüte seiner Kunst erlebte, und wünscht
der vielleicht ebenso großen lyrischen Naturkraft
Bechers einen Hauch jenes sanft-heiteren, zu
reinem und schönem Formen aufsteigenden schwä¬
bischen Geistes. G. W.
Hellmuth Becker , Chr. D. Grabbes Drama Napo¬
leon oder die hundert Tage. Leipzig, K. F. Koehlers
Antiquarium , 1921.
Eine normale Dissertation, die fleißig nach
dem üblichen Schema Entstehungsgeschichte und
Quellen zusammenstellt, bei der Untersuchung der
technischen Eigenschaften versagt und insbeson¬
dere den Stilwandel gegenüber den früheren Dra¬
men Grabbes und seine Ursachen gar nicht erkennt.
Auch von den zahlreichen Bühnenbearbeitungen
des „Napoleon“ hat Becker nur sehr unvollkommne
Kunde erlangt. G. W.
Ariel Bension , Die Hochzeit des Todes. Leip¬
zig, Wien, Zürich. E. P. Tal & Co.
Die „Hochzeit des Todes“ ist der Auftakt zu
einem großen Buche, das unter dem Titel „Das
Buch Raphael“ Wesen und Art einer kabbalisti¬
schen Gemeinschaft gestalten soll, die, unter Spa¬
niolen in Jerusalem entstanden, Jahrhunderte
wuchs und lebte und nunmehr ihrem Ende nahe
ist. Dieser episch-lyrische Auftakt ist in die Form
einer Brief folge gekleidet, die die Schwester jenes
Raphael, der der Mittelpunkt des Buches werden
soll, an den hinterlassenen Sohn dieses Helden
richtet. Diese Tagebuchbriefe erzählen, wie die
Schwester im Traum den Tod des Bruders und
seine Wanderung in die Himmel miterlebt. Eine
starke, vor allem im Optischen starke Phantasie
schafft klingende Bilder, läßt Melodie und Rhyth¬
mus einer reichen, unalltäglich feierlichen Sprache
aufrauschen und ergeht sich in großartigen tran¬
szendenten Visionen. Der Hauch einer alten tradi¬
tionsreichen Kultur und Literatur umgibt diese
Sprache. Das Büchelchen ist eine Versprechung,
die hoffentlich ihre Erfüllung findet. O E. H.
I9S
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Christian Wilhelm Berghoeffer , Der Sammel¬
katalog wissenschaftlicher Bibliotheken der deut¬
schen Sprachgebiete bei der Freiherrlich Cterl von
Rothschild'schen öffentlichen Bibliothek. Frank¬
furt a.M.\ Baer&Co., 1919. (61 S. Lex.*8°). 4M.
Der Frankfurter Sammelkatalog ist ein außer¬
ordentlich verdienstliches und beachtenswertes
Unternehmen. Er will feststellen, was für Bücher
auf den deutschen Bibliotheken vorhanden sind;
sein Ziel ist die Verwertung aller erreichbaren
gedruckten wissenschaftlichen Kataloge und Zu¬
gangsverzeichnisse, auch Titeldrucke, des deut¬
schen Sprachgebiets für den interlokalen Leihver¬
kehr. Nach eingehender Auseinandersetzung in
diesem Sinne über den Zweck des Werks bespricht
der Verfasser dessen Verhältnis zu andern Unter¬
nehmungen, dann den Arbeitsplan mit genauem Ver¬
zeichnis der Quellen für jedes einzelne Fach, han¬
delt ferner über Arbeitsleistung und materiellen
Wert des Katalogs, teilt die Instruktion für ihn
unter ausführlicher Erläuterung mit und gibt
schließlich ein Verzeichnis des bearbeiteten Titel¬
materials. Die sorgfältige Arbeit ist nicht nur für
den Fachmann beachtenswert. —d —e.
Heinrich Bischoff, Nikolaus Lenaus Lyrik, ihre
Geschichte, Chronologie und Textkritik. Von der
Königlich Belgischen Akademie gekrönte Preis¬
schrift. Erster Band: Geschichte der lyrischen
Gedichte von N. Lenau. Berlin, Weidmann*sehe
Buchhandlung , 1920. XVI., 815 S. Geh. 80 M.
Eine schon äußerlich imposante Leistung, das
Seitenstück des kurz zuvor erschienenen franzö¬
sischen Werkes von Louis Brun über Hebbels Lyrik.
Hier wie dort erklärt sich der ungewöhnliche Um¬
fang zum Teil aus der Bestimmung für nicht¬
deutsche Leser, denen so manches gesagt werden
muß, was bei deutschen Fachleuten als bekannt
vorausgesetzt werden dürfte, zum Teil aus dem
vollständigen Anführen aller Belegstellen. Der vor¬
liegende erste Band wurde zu einer Lenau-Bio¬
graphie, die das Entstehen jedes einzelnen Ge¬
dichtes aus dem äußeren und inneren Erlebnis ab¬
leitet, wobei nicht weniges nur Vermutung bleibt,
aber an vielen Stellen doch höhere Gewißheit als
zuvor gewonnen wird. Die Formfragen bleiben da¬
bei in der Regel unerörtert, vielleicht wird ihnen
in dem zweiten Band, der die Chronologie und
Textkritik bringen soll, höhere Aufmerksamkeit
zugewandt werden. Ob für solche eingehende Er¬
örterung, die Lenaus Lyrik an sich ohne Zweifel
verdient, nach den trefflichen Leistungen Castles,
Roustans, Farinellis, Klenzes noch ein unbedingtes
Bedürfnis vorlag, erscheint zweifelhaft, auf jeden
Fall begrüßen wir aber dieses Werk als Zeugnis
des Interesses an unserer Kunst in einem Lande,
dessen Abneigung gegen deutsche Art leider nur zu
begründet erscheinen muß. G. W.
199
Ernst Blaß t Über den Stil Stefan Georges.
(2. Druck des Argonautenkreises). Heidelberg,
Richard Weißbach, 1920. 150 numerierte Exem¬
plare.
Der von früher her bekannte Dialog erscheint
durch Denken und Formung des vornehmen Drugu-
linschen Druckes auf edlem Bütten wert.
G—i.
Maria Rafaela Brentano O. S. B., Amalie Fürstin
von Gallitzin. Mit zwölf Bildern. 2. u. 3. Auflage.
Freiburg i. Br., Herder (1920). *
Hanny Brentanos Büchlein von 1909 ist nach
Wandlung der Verfasserin in die Benediktinerin
Maria Rafaela mit nur unwesentlichen Änderungen
neu erschienen. Ein liebenswürdiges Buch, für
weibliche jugendliche Hand bestimmt. Anspruchs¬
volleren wird es nicht immer genügen. Gerade bei
der geistig so regen und so stark wirkenden Amalie
von Gallitzin möchte man tiefer sehen, und die
von der Verfasserin herangezogenen Quellen er¬
lauben das auch. Die Anhängerin der verbreiteten
Glückseligkeits-Philosophie des x8. Jahrhunderts
und die hingebende Tochter der damaligen katho¬
lischen Kirche in Beharren und Übergang kennen
zu lernen, ist für jeden ins Innere gerichteten wert¬
voll. Das Büchlein erzählt von ihr, gibt aber nur
eine Ahnung ihres seelischen Lebens. H. M.
Friedrich Brie, Ästhetische Weltanschauung in
der Literatur des XIX. Jahrhunderts. Freiburg i. B.,
Julius Boltze , 1921. 80 S. Geh. 14 M., geb. 20 M.
Entstanden aus einem in der Berliner Kant¬
gesellschaft gehaltenen Vortrag, zeichnet die Schrift
in klaren Grundlinien das Werden jener Lebens¬
anschauung , der die Kunst den ersten, wenn
nicht den ausschließlichen Wertmesser bedeutet.
Aus Ansätzen früherer Zeitalter entsteht sie eigent¬
lich erst seit der Romantik, auf der einen Seite
aus dem ästhetischen Idealismus entspringend, auf
der andern aus dem sensualistischen Epikuräismus.
Frankreich und England haben diese Betrachtungs¬
weise vornehmlich ausgebildet, immerhin hätten
aber doch die deutschen Spielarten, z. B. bei Feuer¬
bach (der gar nicht erwähnt wird), dem jungen
Richard Wagner, Nietzsche etwas eingehendere
Behandlung verdient. Das Literaturverzeichnis
am Schlüsse kann als ein gewisser Ersatz für das
Fehlende gelten, um so mehr, da das Gebotene
lebhaft zu weiterer Beschäftigung mit dem be¬
handelten Problem anregt. G. W.
Georg Bünau, Der Mut des Egidi Duldmann
und andere Geschichten und Novellen. Dresden ,
Lehmannsche Verlagsbuchhandlung (Lehmann <5-
Schulze). 1920. 224 S.
Man ist nicht gleich ein großer Dichter, wenn
man ein gutes Dutzend brauchbarer und sauberer
200
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Geschichten erzählt hat; vielleicht macht man auch
gar nicht den Anspruch darauf. Fabulieren und Er¬
finden kann dieser neue Mann jedenfalls, und so
kommt eine bunte Gesellschaft von Menschen zu¬
sammen. Stimmung und Grundton wechseln ab
und sind weit gespannt, aber zumeist geht es ernst
zu, bis zur Grausigkeit. Im ganzen bleibt der Ein¬
druck zurück, daß zuviel verstandesmäßige Klüge¬
lei mitspricht, nicht eigentlich ein erlebnis-belaste-
tes Dichterherz sich freizumachen gedrängt wird.
Legt’s zu den übrigen. Hans Knudsen.
Martha Burkhardt , Chinesische Kultstätten und
Kultgebräuche. Mit 53 Bildern und Zeichnungen
der Verfasserin. Erlenbach-Zürich, Rotapfel-Verlag.
Der Ertrag einer Asienfahrt. Ein Globetrotter¬
buch also. Aber eines, das man sich kann gefallen
lassen. Das macht: die Verfasserin, unverkenn¬
bar eine gebildete und feinsinnige Reisende, trat
in die fremde Weit nicht sonder Vorbereitung, gut
auch beraten sichtlich bei Auswahl der Literatur,
durch die sie sich den Blick hat schärfen lassen zu
verstehendem Erfassen des Neuen, das draußen ihr
entgegentrat. Das Religionswesen vor allem war
es, dem im Reich der Mitte ihre Aufmerksamkeit
sich zugewandt, das chinesische Religionswesen in
seiner ganzen Scheckigkeit: uralter und doch noch
urvitaler Dämonenaberglaube, Ahnenkult und To-
tenbräucbe, Klostertaoismus, Foismus, Lamaismus,
häuslicher Götterdienst und staatliches Verehrungs¬
ritual, das letztere in seiner durch den Sturz der
einstweilen letzten Dynastie herbeigeführten Dis-
equilibriertheit. Des Bandes Sonderwert machen,
sie mehr als bloßer Buchschmuck, zahlreiche Re¬
produktionen aus der Skizzenmappe der Verfasserin
aus, in die ihr gewandter Zeichenstift ein Vieles
eingefangen von dem, was sie von chinesischen
Kultstätten und Kultgebräuchen auf ihrer Wander¬
fahrt hat schauen' dürfen. Über diesen dankens¬
werten Zugaben vergißt man gern kleinere Schön¬
heitsfehler des Textes (wie' S. 66: das typische
Buddha-Trias; S. 82: des taoistischen Trias) und
etliches andere — des letzteren eigentlich auffallend
wenig —, das so ganz nicht stimmt. Daß Kung
die Kweis in Kategorien geteilt und dabei die Berg¬
geister zu den allerschlimmsten gerechnet (S. 145),
ist ganz gewiß nicht richtig, obwohl’s de Groot ist,
dem die Verfasserin das nachspricht; richtig da¬
gegen, dafür aber feinerem Ohr nicht eitel Wohl¬
klang der Satz S. 159: Für Kung war der Himmel
die Weltordnung, der sich zu unterwerfen er nicht
nur predigte, sondern sich selbst bemühte.
H. Haas.
201
Catalogus Codicum Manu Scriptorum Biblio-
thecae Monacensis. Tomi V Pars I Codices Genna¬
nicos complectens Editio altera: Die deutschen
Pergament-Handschriften Nr. 1—200 der Staats¬
bibliothek in München. Beschrieben von Erich
Petzet. München , In Kommission der Palmschen
Buchhandlung, 1920. Geh. 100 M.
Das 1866 erschienene Verzeichnis der deutschen
Handschriften der Münchener Bibliothek wird
durch die zweite Auflage aufs erfreulichste er¬
neuert und nach allen Seiten hin ausgebaut. Schon
der sehr vermehrte Umfang (360 statt früher
20 Seiten) bezeugt das, noch mehr der prüfende
Vergleich beider Fassungen. Der besondere Reich¬
tum an Denkmälern älterer deutscher Sprache
und Dichtung, den München besitzt, liegt nun in
seinem wesentlichen Bestände zu bequemem Ge¬
brauch ausgebreitet; freilich fehlen eine Anzahl
wichtiger Stücke (Glossen, Wessobrunner Gebet,
Muspilli u. a.), weil sie in lateinische Handschriften
eingefügt sind, auch die deutschen Handschriften
zur bayrischen Geschichte und die unter die Papier¬
handschriften eingereihten späteren Erwerbungen
und Bruchstücke verlorener größerer Handschriften
(nicht aber z. B. die Willehalm-Fragmente Cgm.
193). Leider mangelt es an systematischer Ordnung
irgendwelcher Art, weil die Signaturen die Folge
bestimmen mußten und nicht geändert werden
konnten. Mit dieser, durch die Sachlage er¬
zwungenen Einschränkung darf der Katalog als in
jeder Hinsicht brauchbar, in der Beschreibung und
den Literaturangaben musterhaft gerühmt werden,
auch wegen der zweckmäßigen Abweichungen von
den Normen, die für das Berliner Handschriften-
Archiv der Deutschen Kommission gelten. Im
Verein mit den von Petzet und Glauning heraus¬
gegebenen „Deutschen Schrifttafeln des 9.—16.
Jahrhunderts aus den Handschriften der Hof- und
Staatsbibliothek in München“ wird der neue Kata¬
log wohl allen Aufgaben, die in sein Bereich
fallen, die besten Dienste leisten. Daß unter so
vielen Schwierigkeiten sein erster Teil vollendet
werden konnte, bedeutet einen schönen Sieg wissen¬
schaftlichen Opfermutes und deutscher Tatkraft.
G. W.
Helene Christaller , Die Liebe und der Tod.
Novellenkranz. Mit Bildern geschmückt von Erika
Nöldeke-Christaller. Gotha , Friedrich AndreaS Per¬
thes , 1920.
Die Verfasserin soll eine große Gemeinde haben.
Sind ihre früheren Schriften wie dieser Band, so
müßten wir uns zu dieser Gemeinde beglückwün¬
schen. Die Art des Erzählens ist von einer Fein¬
heit, die großen Genuß bereitet, und das, was sie
zu sagen hat, ist wie ein Stein, der ins Wasser ge¬
worfen immer weitere Kreise ausschwingt, bis die
erregten Wellen sanft verebben. Es handelt sich
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September‘Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
um die höchsten und tiefsten Dinge. Wie sich die
Gesellschaft des Boccaccio in der Abgeschiedenheit
Novellen erzählt, so hier eine kleine Zahl von
Menschen, die durch das Wüten der Revolution ins
Staatsgefängnis geworfen die Wahrscheinlichkeit
baldigen Todes vor Augen haben. In dieser Lage
haben sie das Bedürfnis, hinter den Vorhang zu
schauen, der vor dem Wesen der Dinge herabge¬
lassen ist. Wie sich die Erzählungen runden, so
daß einige davon im Finale des Ganzen ihren Schluß
finden, das ist mit feiner Hand und ernster Meister¬
schaft gegeben. E. L.
William Cohn , Indische Plastik (Die Kunst
des Ostens. Band II). Mit 180 Abbildungen auf
161 Tafeln und 3 Textabbildungen. Berlin , Bruno
Cassirer, 1921. 4 0 . In Halbleinen 70 M.
Von den Wundern der indischen Bildhauer¬
kunst gibt diese schöne Sammlung die erste wissen¬
schaftlich gründliche und geschichtlich geordnete
Anschauung. Sie bietet weit mehr, als das allzu¬
bescheidene Vorwort des kenntnisreichen Verfassers
erwarten läßt: auf 53 Seiten eine Fülle von Be¬
lehrung, auf den 161 Tafeln staunenswerter Reich¬
tum an hochwertigen und geschichtlich wichtigen
Denkmälern. Hier ereignet sich der seltene Fall,
daß Forscher und Laien in hohem Maße befriedigt
werden, mit ihnen zugleich der Bücherfreund, der
die würdige Gestalt des Buches zu rühmen hat
G. W.
Louis Couperus , Aphrodite in Ägypten. Berech¬
tigte Übertragung von Else Otten. Berlin , Ernst
Rowohlt , 1920.
Roman aus dem alten Ägypten, lautet der Unter¬
titel. Aber es ist nicht das Ägypten des Amenophis,
es ist das römische Ägypten der Tiberianischen
Zeit. Man kann an historische Romane ebensowenig
literarischen Maßstab legen wie künstlerischen Ma߬
stab an Historienmalerei. Couperus ist groß in
seinem Fach, bezwingend in seiner Schilderung von
Architektur, Landschaft, Festen und heiligen Riten.
Die (unwichtigere) Romanhandlung bleibt blässer,
die Menschen Kostümfigurinen, ein wenig süßliche
obendrein. Dennoch fesselt auch dieses Buch von
Anfang bis zu Ende und muß vornehmlich jenen
Lesern empfohlen werden, die auf diesem unbe¬
schwerlichen und sehr unterhaltsamen Wege ihre
kulturgeschichtlichen Kenntnisse vermehren wol¬
len. E. E. S.
Dichtungen des Ostens , Sadis Roseiigarten —
Der Olhändler und die Blumenkönigin — Arabische
Erzählungen aus der Zeit der Kalifen. Hyperion-
Verlag 1920.
Als weniger kriegerisch gesinnte Nachkommen
der Kreuzfahrer haben deutsche Literaten schon
203
seit Jahrzehnten im Osten das gelobte Land der
Poesie gesucht und nicht ohne Erfolg nach seinen
Schätzen gefahndet. Indien und Arabien, die un¬
erschöpflichen Märchenquellen, haben uns ihre
Schatzkammern geöffnet, wir haben uns ihre großen
Sammlungen voll köstlichster Erzählerkunst zu
eigen gemacht, aber noch immer läßt sich Neues
fördern. Nun hat auch der Münchner Hyperion-
Verlag der östlichen Dichtung eine Bücherreihe
gewidmet und sie mit den drei obengenannten
Werken eröffnet. Schon immer habe ich es be¬
dauert, daß nicht allen denen, die den Witz und
die Weisheit des Orients lieben, Sadis Rosengarten
zugänglich war. Um so erfreulicher ist dieser Neu¬
druck nach der seit Jahrzehnten vergriffenen Über¬
setzung aus dem Persischen von Karl Heinrich
Graf, die 1846 bei Brockhaus zuerst erschien. Der
Rosengarten des Moslicheddin Sadi ist eine köst¬
lich-unterhaltende Anekdotensammlung, in der
sich asiatischer Esprit und fabelweise Moral reiz¬
voll verbinden. Wie meist in der indischen Lite¬
ratur verfolgen auch hier die kurzen Erzählungen
keinen literarischen Selbstzweck, sondern um¬
kleiden einen Grundsatz, wollen eine Lehre geben,
wollen Lebenserkenntnisse mit Beispielen und
Gleichnissen belegen, um überzeugender zu wirken,
um sinnfälliger zu werden und mit dein Verstand
zugleich die Phantasie anzuregen. Sadis Zuversicht
auf den Wert seines Werkes war nicht gering, meint
er doch selbst in seiner Einleitung, daß es nach
Jahren noch bestehen werde, wenn von ihm selbst
kein Stäubchen mehr geblieben. Und in der Tat,
er hat einen trefflichen Vortrag, eine bündige,
lebendige Rede, eine gesunde Lebensanschauung,
die ihm Unsterblichkeit sichern. Der Rosengarten
ist ein gutes Stundenbuch, wie man es von Tag zu
Tag gern zur Hand nehmen wird, um auf die Lehren
eines weisen Derwischs zu lauschen. — Einen
zweiten Band der Sammlung füllen Geschichten
des arabischen Erzählers Schabuschti, Beamter am
Hofe des Kalifen Alasis von Ägypten, in der Über¬
setzung von Eduard Sachau. Sie geben in Einzel¬
ausschnitten ein Bild des üppigen und verschwen¬
derischen, dekadenten Lebens Bagdads zur Glanz¬
zeit der Kalifen, sie enthüllen das Privatleben der
Großen des Landes, über das die Chroniken sich
ausschweigen, und bilden somit deren Ergänzung,
wenn auch nicht immer zuverlässig und wahrheits¬
getreu. — Eine chinesische Novelle, „Der Ölhändler
und die Blumenkönigin“, bildet den dritten Band,
den Walter Strzoda verdeutschte. Den „Wunder¬
samen Geschichten aus neuer und alter Zeit“ ent¬
nommen, die aus der Zeit der Ming-Dynastie
(1368—1644) stammen, entrollt sie in lebhafter
unterhaltender Schilderung ein anschauliches Bild
chinesischen Volkslebens. Die Ausstattung der
Bände bei erstaunlich niedrigem Preise ist sehr
gut. Von dem gelblich getönten holzfreien Papier
hebt die klare Antiqua sich gut ab und der
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Einband aus farbigem Handpapierüberzug mit
weißem Rücken gibt den Büchern ein reizvolles
Äußere. Curt Moreck.
Denis Diderot , Gesammelte Schriften. Fünf
Bände. München, Georg Müller, 1921. J eder Band
in Halbleder 70 M.
Der Verlag Georg Müller hat seinen früher
bereits einzeln erschienenen Übersetzungen Dide¬
rotscher Werke eine Anzahl kleiner Stücke hinzu¬
gefügt und so diese äußerlich sehr gefälligen fünf
Bände hergesteilt. Freilich muß man sich fragen,
warum die überflüssige Vorrede Lothar Schmidts
wieder an der Spitze der „Geschwätzigen Kleinode"
erscheint und weshalb an Stelle so mancher unbe¬
deutender kleinen Aufsätze nicht die wichtigsten:
die „Lettre sur les aveugles" und die „Lettre sur
les sourds et muets", aufgenommen wurden. Denn
der Rahmen der Erzählungen ist ja schon durch
die „Paradoxe sur le comödien" durchbrochen.
Aber immerhin hat jeder der „petit papiers" so
viel Reiz, daß der Leser an diesen anmutig einge¬
kleideten Ironisierungen des ausgehenden ancien
rögime seine Freude haben muß. E. J.
Ehrengabe deutscher Wissenschaft. Dargeboten
von katholischen Gelehrten, dem Prinzen Johann
Georg Herzog zu Sachsen zum 50. Geburtstag ge¬
widmet. Herausgegeben von Franz Feßler. Frei¬
burg in Br., Herder & Co Lex.-8°. XX und 858 S.
mit sieben Bildertafeln. In Leinwand 250 M., Vor¬
zugsexemplare mit dem Bildnis Johann Georgs und
eigenhändiger Unterschrift, numeriert in Liebhaber¬
halbfranzband 500 M.
Man staunt, ein solches Denkmal deutscher
Wissenschaft in dieser Zeit aufgerichtet zu sehen.
Umfang und Ausstattung, Vielseitigkeit und Wert
der Beiträge, Fülle der angesehenen Persönlich¬
keiten lassen den gewaltigen Band zu einer großen
Ruhmeshalle der katholischen Geistigkeit unserer
Tage werden. Die höchsten Würdenträger der
Kirche, die stolzesten Namen der Germania docens
schließen sich zu einer Heerschar zusammen, die
mit den Waffen des Bekennertums und der For¬
schung für die ungeminderte geistige Kraft des
Vaterlandes eintritt. In vier Gliedern sind sie ge¬
ordnet: Religion und Kirche, Kunst, Literatur,
Geschichte; als kleiner Nachtrab schließen drei
alleinstehende Aufsätze den Zug. Unmöglich er¬
scheint es, aus der Fülle einzelnes als das wert¬
vollste herauszuheben, dazu bedürfte es einer aus-
gebreiteteren Sachkenntnis, als sie irgendeinem
Referenten gegeben ist. So sei nur auf einige Bei¬
träge hingedeutet, die unserm Leserkreis zeigen
können, wie vieles auch für kunst- und literar¬
historischinteressierte hier zu finden ist: Sauer, Die
spätmittelalterlichen Kreuzigungsdarstellungen;
205
Neuss, Michelangelos Schönheitsideal; Muth, Zu
Goethes Ansichten über bildende Kunst; Drerup,
Die Götterschlacht in der Ilias; Dyroß , Zu Dante;
Krebs, Erlebnis und Allegorie in Dantes Commedia;
Kosch, Der junge Adalbert Stifter in seinen Briefen;
Haase , Christlich-orientalische Handschriftenkata¬
loge \Grisar, Ein unterschobener Bericht über Luther
als Tondichter und — Stammgast; Cardauns, Die
Entdeckung des Verfassers des Febronius; Was-
mann, Ideale Naturauffassung einst und jetzt.
Über den Anlaß des großen, schönen Unternehmens
soll hier nicht gerechtet werden; nur die Frage sei
gestellt, ob einem wackern unzünftigen Forscher
und Schriftsteller wohl je zuvor eine solche Huldi¬
gung dargebracht worden ist, ob der Zufall fürst¬
licher Geburt dem also Geehrten ein Anrecht dar¬
auf verleiht und ob endlich das Ungewöhnliche
gerade heute als erwünscht angesehen werden
kann. Aber wie dem auch sei, die staunende Be¬
wunderung des Geleisteten wird dadurch nicht ge¬
mindert, sondern eher noch gesteigert. G. W.
L. Endets. Schwarze Schnurren. Scheren¬
schnitte. München, Parcus 6* Co. Geb. 13,50 M.
Ein sehr reizvolles Bilderbuch für Erwachsene.
Zu allerlei Texten von Goethe, Mörike, Heine
und kleineren Leuten hat Enders liebenswürdige
Schwarzkunst gespendet und der Verlag hat daraus
eine wunderhübsche, besinnliche und erfreuliche
Gabe gestaltet. G. W.
Gustav Ernest, Beethoven. Persönlichkeit, Leben
und Schaffen. Mit fünf Bildnissen und einer Schrift¬
probe. Berlin, Georg Bondi, 1920.
Nach seiner guten Wagner-Biographie gibt
Ernest einen Beethoven von ähnlicher Art und
gleichem Umfang. Er kennt die ausgebreitete
Forschung, vielleicht sogar zu gut, da sie ihn ver- .
leitet bei den Einzelheiten länger als billig zu ver¬
weilen. Die großen Linien des tragischen Schick¬
sals und des heldenhaften Menschtums treten nicht
stark hervor, wenn auch an passenden Stellen
ihr Verlauf herausgehoben wird. Zuverlässig und
gründlich, in einfacher Schreibweise werden die
Tatsachen vorgetragen, die Werke sorgsam ana¬
lysiert und durch zahlreiche Notenbeispiele erläu¬
tert. Die wertvolle Leistung stellt sich als populäre
Ergänzung neben die großen Werke von Thayer,
Marx, Nohl und Frimmel; sie bedeutet insofern
einen sehr erfreulichen Zuwachs der gewaltigen
Beethoven-Literatur. G. W.
Hanns Heinz Ewers, Vampir. Ein verwilderter
Roman in Farben und Fetzen. München, Georg
Müller, 1920.
In der Vorrede erzählt Verfasser, wieviel Mühe
die Amerikaner sich gegeben hätten, das Manuskript
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September-Oktober igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
dieses Romanes zu vernichten. Wäre es ihnen doch
gelungen. Ein echter Ewers! Satanisch-sadistisch
montierte Zoten, Landsberger-Marlitt gekreuzt
und in Pfefferersatztunke serviert, grauenvoller
Kitsch ohne ein Gran künstlerischen Wertes, Lek¬
türe für W. W.-Demivierges. Vielleicht aber be¬
danken selbst diese sich. E. E. S.
Victor Gardthausen, Handbuch der wissenschaft¬
lichen Bibliothekskunde. Bd. i, 2. Leipzig , Quelle
& Meyer, 1920 (XII, 239; IV, 147 S. Gr.-8°). 48 M.
Es ist erstaunlich, daß der Verfasser in einem
Alter, wo sonst auch der eifrigste Gelehrte sich
nach dem otium cum dignitate sehnt, noch mit
einer so großen, umfassenden Arbeit hervortritt.
Wir begrüßen das aus langjähriger wissenschaft¬
licher und praktischer Beschäftigung hervorge¬
gangene Handbuch mit Freuden. Der erste Band
gliedert den Stoff nach den Hauptüberschriften:
Das Buch. Erwerbung der Bücher. Die Bibliothek,
Verlust der Bibliotheken, Die heutige Bibliothek
gedruckter Bücher. Der zweite enthält: Verzeich¬
nisse der Bücher, Kataloge, Personal, Verwaltung.
Überall finden die geschichtliche Entwicklung und
die heutige Ausübung ihre Darstellung. Von gro¬
ßem Werte ist es, daß immer auf die ältesten Zeiten
zurückgegangen wird. Der geschichtliche Teil ist
auch besonders wichtig, bewegt sich doch G. hier
auf seinem eigensten Gebiet. In den praktischen
Teilen wird dem Fachmann, wie das ja bei dem
Zweck des Buchs ganz natürlich ist, nichts weiter
Neues gesagt, aber zur Einführung eignen sie sich
sehr gut, schon wegen der Verbindung von Ge¬
schichte und Anwendung. Jeder einzelne Gegen¬
stand wird nach allen seinen Richtungen geschil¬
dert, also Papier, Druck, Schrift und ihre Ge¬
schichte beim Buch so gut dargestellt wie Behand¬
lung, Fälschung, Einband, der Bibliothekar mit
seinen Aufgaben im Altertum und Mittelalter so
gut gekennzeichnet wie der in der Neuzeit, die Ver¬
waltung in allen ihren Einzelheiten, der Gang des
Buchs von der Erwerbung bis zum Ausleihen aufs
genaueste beschrieben. Reiche Literaturangaben,
aber doch mit Recht auf das Notwendige oder
Wünschenswerte beschränkt, begleiten den Wort¬
laut. Unrichtigkeiten und Versehen sind bei einer
so gewaltigen Fülle des Stoffs unvermeidlich, auch
Druckfehler finden sich mehrfach. Doch alles in
allem haben wir hinreichend Grund, dem Verfasser
für seine Gabe dankbar zu sein. —d —e.
Nikolai Gogol, Das Bildnis. Mit Zeichnungen
von Masjutin. Stuttgart, Julius Hoff mann, 1920.
Der Dämon des Bösen und der Geldgier, der
sich in einem Bildnis verkörpert, überträgt sich
auf geheimnisvolle Weise auf den jeweiligen Be¬
sitzer, lockt ihn von Verbrechen zu Verbrechen
und treibt ihn ins Verderben. Das sittliche Pathos
der Novelle unterscheidet sie von den Spukge¬
schichten eines E. T. A. Hoffmann oder Edgar Allan
Poe. Masjutins dilettantischen Illustrationen eignet
nichts vom dämonischen Zug des Buches. Gogols
Heimlichkeiten hat Walter Gramattö in seinen
Lithographien zum „Mantel“ in erschütternder
Weise erfühlt, in diesem jungen Künstler besitzen
wir den gegebenen Interpreten des schwerblütigen,
lebensunfähigen, russischen Menschen; Masjutin in
Deutschland einzuführen, ist zum mindesten ein
Fehlgriff. Rosa Schapire .
Fannina W. Halle, Altrussische Kunst —
W. Graf Uxhull-Gyllenband, Archaische Plastik der
Griechen — Alfred Salmony , Die chinesische Land¬
schaftsmalerei (Orbis pictus, Weltkunstbücherei.
Band 2, 3, 4). Berlin , Emst Wasmuth A.-G.
Die Einführung in die streng religiös orientierte
Welt altrussischer Kunst, in der ein Abglanz von
Byzanz neben einer sehr eigenen russischen Note
lebt, ist dankbar zu begrüßen. 1 Die Abbildungen,
vom 11. bis ins 17. Jahrhundert reichend, ver¬
anschaulichen das Eindringen italienischer Ein¬
flüsse in der Malerei während des 15. Jahrhunderts.
Die Plastik an der Georgs-Kathedrale in Jurjew-
Polskij (13. Jahrhundert) ist von außerordentlicher
Eindruckskraft, so daß man die angekündigte Pu¬
blikation über russische Plastik mit Spannung er¬
wartet. Die prachtvolle kirchliche Architektur ist
mit nur drei Abbildungen zu wenig berücksichtigt.
Mit starkem Gefühl für künstlerische Werte ist
Bekanntes und weniger Bekanntes im Bändchen
über archaische Plastik zusammengestellt. Neben
dem streng Gebundenen der Kunst des 6. Jahr¬
hunderts erscheint die liebenswürdigere Welt des
5. und 4. Jahrhunderts, in der der Zusammenhang
mit der Architektur gelöst ist, kleiner, zierlicher
und bedeutungsloser.
Das Bändchen über chinesische Landschafts¬
malerei ist mit seinen schlechten, verschwommenen
Klischees das wenigst gelungene unter den bisher
erschienenen. Rosa Schapire .
Richard Hamann, Rembrandts Radierungen.
Dritte Auflage. Mit 139 Abbildungen. Berlin, Bruno
Cassirer.
Ein so allgemein bekanntes und anerkanntes
Werk bedarf bei seinem dritten Erscheinen keiner
Charakteristik und keines Lobes mehr, um so
weniger, da diese Auflage wörtlicher Abdruck der
zweiten ist. Denen, die es noch nicht kennen, sei
gesagt: hier finden sie den Führer in die Tiefen
des gißten nordischen Künstlers, seiner äußeren
und inneren Welt, seiner Stilentwicklung und ihres
nie erschöpfbaren Reichtums. G. W.
1 Vgl. Zeitschrift für Bücherfreunde August-Septem¬
ber 19*0.
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Willi Handl , Die Flamme. Roman. Berlin ,
Erich Reiß t 1920.
Von dem früh verstorbenen Willi Handl, der
als Theaterkritiker in Wien und Berlin sich einen
Namen zu machen gewußt hat, liegt nun als eine
Art von Vermächtnis ein Roman vor, der in Titel
und Thema dem neusten Schauspiel seines Wiener
Landsmannes Hans Müller nahekommt, ohne daß
damit gesagt sein soll, daß die beiden Werke sich
auf dem gleichen künstlerischen Niveau bewegten.
Denn während der schöpferische Wille Hans Mül¬
lers im wesentlichen nur darauf hinausläuft, eine
Anekdote auf ihre theatralischen Wirkungen hin
auszubeuten, spürt man bei Handl deutlich den
literarischen Ehrgeiz eines ernsthaft Strebenden,
der ein Stoffgebiet nicht lediglich seiner sensa¬
tionellen Reize wegen erschließen will, sondern dem
es auf Gestaltung und dichterische Deutung an¬
kommt. Die „Flamme“, die sich selbst verzehrt
und, indem sie über sich hinausgreift, alles Erreich¬
bare rundum vernichtet, ist bei Müller sowohl als
auch bei Handl die elementare Gewalt der Sinn¬
lichkeit Handl, mit allen Hilfsmitteln der psycho-
logisierenden Russen und Franzosen ausgerüstet,
erzählt uns die Geschichte einer Ehe, in welcher der
sinnliche Mann an der lächelnden Kühle seiner Frau
zu Grunde geht. Ein ernstes Thema, das mit ernst-
zunehmenden Mitteln und sittlicher Kraft behan¬
delt wird, wenn es dem Verfasser auch nicht gelingt,
bis zu den letzten Konsequenzen überzeugend zu
bleiben, und wenn auch gegen die Einkleidung der
Handlung Bedenken erhoben werden können. Aber
die Art, wie Handl das heikle Thema anfaßt, die
Art, wie es ihm gelingt, über das Sensationelle
hinweg zu rein künstlerischen Wirkungen zu ge¬
langen, erheischt vor dem Können des Verstor¬
benen Respekt und läßt nur bedauern, daß es Willi
Handl nicht vergönnt gewesen ist, auf dem von
ihm beschrittenen Wege weiterzugehen. J. B.
Karl Paul Hasset Die deutsche Renaissance.
1. Teil. Meerane i. Sa. 9 E. R. Herzog , 1920.
Der Verfasser dieses Bandes, der im speziellen
dem deutschen Humanismus gewidmet ist, während
ein zweiter die „Ausgestaltung der deutschen Re¬
naissance durch Denker, Forscher und Künstler“
behandeln soll, bringt für seine schwere Aufgabe das
Rüstzeug eines gediegenen, umfangreichen Wissens
mit; eine frühere Arbeit über „italienische Renais¬
sance“ hat ihm viele dankbare Anerkennung er¬
worben. Nun läßt er in langem Zuge die Großen des
Geistes, von Thomas v. Aquino bis zum Praeceptor
Germaniae Melanchthon, an uns vorüberziehen,
eifrig bemüht, jedem einzelnen nach Wert und Un¬
wert gerecht zu werden. Indem dieses Mühen oft allzu
deutlich zutage tritt, indem Begreifen und Werten
oft nicht vom Standpunkt der Bedeutung der Einzel¬
nen für die Entwicklung der Idee, sondern von dem
einer etwas schulmeisterlich vorgetragenen, mit
Zensuren arbeitenden absoluten Moral aus vor¬
genommen wird; indem endlich der ungeschulte
Leser eben durch die Fülle der Gesichte eher ver¬
wirrt als geklärt wird, biegt der Verfasser vom
selbstgewählten Wege, „schlicht und anschaulich
zu erzählen“ und „ohne Anforderungen besonderer
Vorbildung mit den Erscheinungen der deutschen
Renaissance vertraut zu machen“, allzuweit ab und
gerät in Gefahr, sein Ziel zeitweise ganz aus dem
Auge zu verlieren. A. D.
E. Th. A. Hoff mann , Zwölf Berlinische Ge¬
schichten aus den Jahren 1551—1816. Nach der
Folge der Handlung zusammengestellt und erläu¬
tert von Hans von Müller. Mit 10 Bildbeigaben.
München , Georg Müller t 1921. Geh. 70 M., Halb¬
franz 120 M.
Es ist bekannt, daß Hoffmann eine Reihe von
Erzählungen in Berlin lokalisiert hat: am häufig¬
sten genannt werden in diesem Zusammenhang der
„Ritter Gluck“ und das „Öde Haus“, die „Braut¬
wahl“ und „Des Vetters Eckfenster“. Eine syste¬
matische Durchsicht von Hoffmanns Dichtungen
ergab nicht weniger als zwölf Erzählungen, die ganz
in Berlin spielen, und größere dort spielende Teile
von acht weiteren erzählenden Werken. Diese
zwanzig Texte ergeben, in der Folge der Handlung
zusammengestellt, eine phantastische Chronik von
Berlin; die letzten vierzehn bilden außerdem, da
fast in allen Hoffmann selbst unter irgendeiner
Maske auftritt, eine fragmentarische Autobiogra¬
phie des Dichters vom Monat seiner Ankunft in
Berlin, dem September 1814, bis zum Monat seines
Todes, dem Juni 1822. Dies Moment dürfte allein
schon die Zusammenstellung der Texte rechtfer¬
tigen.
Der vorliegende Baud enthält die zwölf Ge¬
schichten aus den Jahren 1551—1816. Sie sind in
der Regel in der ersten Fassung gegeben, die sich
durch größere Lebendigkeit und Lokaltreue aus¬
zeichnet. Die Sammlung wendet sich einerseits an
Freunde des vormärzlichen Berlin: für sie sind die
wichtigsten Personen und Örtlichkeiten, die Hoff¬
mann nennt, auf beigegebenen Tafeln dargestellt
und in Anmerkungen am Schluß des Bandes die Ber¬
liner Ereignisse und insbesondere die eigenen Erleb¬
nisse Hoffmanns nachgewiesen, die jeder der Erzäh¬
lungen zugrunde liegen.
Andererseits wendet sich der Band an alle nach¬
denklichen Freunde der Erzählungskunst. Für
sie ist die reiche Gliederung der Texte sorgfältig
ermittelt und kenntlich gemacht; mancher, der
seinen Hoffmann zu kennen glaubte, wird erst jetzt
ganz innewerden, wie inhaltsreich und wie kunst¬
voll auf gebaut z. B. der „Ritter Gluck“ und das
„Öde Haus“ sind, Erörterungen über die \ nicht
immer gleich erkennbare) Tendenz und die Tech-
Beibl. XQI, 14 209
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
nik jeder Erzählung am Schlüsse des Bandes ergän¬
zen diese Andeutungen. Für Germanisten ist die
Sammlung dagegen nicht bestimmt; literarische
Quellen und Lesarten sind in der Regel nicht an¬
geführt. Hans von Müller.
Hölderlin , Die späten Hymnen. Herausgegeben
von Rudolf Delius. Hannover , Paul Steegemann.
Die ,,Nachtgesänge‘ 4 und die gleichzeitigen
lyrischen Fragmente, entstanden unmittelbar vor
dem geistigen Zusammenbruch Hölderlins, bedeu¬
ten die reifste Frucht seiner Kunst, eine poetische
Höchstleistung, die sich neben die größten ihrer Art
aus aller Zeit und allen Völkern stellt. Der schöne
Druck bietet sie zum ersten Male nach der Höl¬
derlin-Ausgabe des zu früh vom Kriege dahin¬
gerafften Norbert von Hellingrath: eine bedeut¬
same Gabe für alle, die solche wahrhaft edle und
tiefe Poesie zu würdigen vermögen. G. W.
Theodor Hosemann , der Maler des Berliner
Volkes. Ausgewählt und eingeleitet von Lothar
Brieger. Mit 40 Bildern. München, Delphin-Verlag.
Der glänzende Illustrator von E. T. A. Hoff-
mann und Münchhausen, von Immermanns „Tuli¬
fäntchen* 1 und „Peter Schlemiehls Heimkehr“ ver¬
dient der Vergessenheit entrissen zu werden. — Bei
seinem Tode, 1875, hat Hosemann nicht weniger
als 5—6000 graphische Blätter und etwa 500 Öl¬
gemälde hinterlassen, und wenn vieles davon auch
rein handwerksmäßigen Charakter trägt, so bricht
immer wieder der klassische Illustrator der Ber¬
liner Märztage von 1848 durch, sowie in vielen
lockeren Aquarellen der Vorläufer des Impressio¬
nismus. — Der Generation, die Dorös Frühwerke
wieder zu schätzen gelernt hat, sollte auch der
Sinn für Hosemanns Illustrationen aufgehen; eine
Gegenüberstellung der Illustrationen beider zum
Münchhausen etwa würde Hosemanns künstlerische
Überlegenheit, seine wundervolle Einfühlung in
dieses Renommisten- und Lügenbuch eweisen.
Rosa Schapire.
A. Hulshof en M . J. Schreiten , De kunst der
oude boekbinders. XV de en XVI de eeuwsche boek-
banden in de Utrechtsche Universiteitsbibliotheek,
beschreven en afgebeeld. Door de Nederlandsche
vereeniging van bibliothecarissen en bibliotheehamb-
tenaren uitgegeven te Utrecht in het jaar MCMXXI.
4 Blatt, 59 Seiten und 40 Tafeln. 8°.
Der Bucheinband aus den Jahren von 1475 bis
1575 ist und bleibt wohl doch der schönste Ein¬
band. Einmal ist es das Material, das ewigschöne
Leder, das der streichelnden Hand des Bücher¬
freundes wohltut. Und dann nimmt sein Auge mit
Ergötzen wahr, was Gotik und Renaissance an
2 XX
Zierat in das Leder gepreßt haben. Eine zusam¬
menfassende Arbeit über diese Periode gibt es wohl
kaum; deshalb ist aber auch jede einzelne diesbe¬
zügliche Veröffentlichung zu begrüßen. Hier kommt
nun der Stoff aus Holland, dem uns verwandten
Lande, das besonders durch seine Beziehungen
zum westlichen Teile unseres Vaterlandes stets
von größter Wichtigkeit bleiben wird. Aber auch
sonst ergeben sich in dem neuen Buche Wechsel¬
wirkungen genug. Kommt es doch, wie ich meine,
immer mehr darauf hinaus, daß die Einband¬
stempel, und hier vor allen Dingen wieder die
Rollenstempel, schließlich ein wichtiges Handels¬
objekt geworden waren, dessen Verbreitung nicht
weit genug angesetzt werden kann. So müßten
z. B. Köln und Wittenberg einmal als Zentren für
diese Art Kunst vertrieb voll erkannt und beleuchtet
werden. Und dann dürfte endlich die vergleichende
Kunstgeschichte sich auch des Bucheinbandes jener
frühen Zeit annehmen, dieses so lange und so ganz
mit Unrecht vernachlässigten, reichblühenden
Zweiges des Kunstgewerbes. Eine gute Hilfe böten
hierbei die Monogramme, die mir auf den Einband¬
stempeln oft nicht weniger wichtig erscheinen als
auf den Produkten der Graphik. Denn auch hier
verstecken sich kleine und große Künstler, die das,
was sie draußen in der großen Kunst gesehen
haben und was sie selber können, dem geänderten
Zwecke entsprechend umgestaltet, daß heißt zum
Schmuck für den Bucheinband umgearbeit haben.
Damit sind wir aber auch bei der so wichtigen
Frage der Auflösung der Monogramme auf den
Einbandstempeln angelangt. Hier dürfte jene Me¬
thode, die in dem Einzelmonogramm überall meist
nur den Namen des Buchbinders sehen wollte, auf¬
zugeben sein; vielmehr sind der Zeichner bzw. der
Künstler, der Formenschneider und der Buchbinder
in Berücksichtigung zu ziehen. Zur sicheren Ent¬
scheidung aber muß dann jedesmal die Einzel¬
forschung einsetzen, nämlich die vergleichende
Kunstgeschichte, die das betreffende Material sucht
und ordnet und die Zuweisungen trifft, und die
Orts- bzw. die Landesgeschichte, die ihr helfend
zur Seite springt.
Aus diesen Gesichtspunkten heraus muß das
Werk von Hulshof und Schretlen betrachtet
und bewertet werden, und wir dürfen feststellen,
daß die beiden zuletzt formulierten Forderungen
voll und ganz erfüllt werden. Vierzig in unserer
Zeit besonders kostbare Tafeln bringen äußerst
gelungenes, wertvolles Vergleichsmaterial. Und
dazu gibt dann der Text eine Fülle von lokaler
bzw. regionaler Forschung auf dem Gebiete des
Bucheinbandes jener so wichtigen Zeit. Hier ist
eine Arbeitsteilung derart durchgeführt, daß Huls¬
hof die Einzelstempel und die Rollenstempel,
Schretlen die Plattenstempel behandelt. Für beides
aber, für das neue Material und für dessen sach¬
gemäße Bearbeitung, schulden wir den beiden
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
holländischen Gelehrten reichen Dank. Möge diese
Veröffentlichung über die Utrechter Buchschätze
auch noch andere Zentren holländischer Gelehr¬
samkeit und holländischen Kunstfleißes anreizen
zur Erschließung des ihnen anvertrauten Besitz¬
tums an wertvollen Bucheinbänden. Hsg.
Heinrich Eduard Jacob, Der Tulpenfrevel. Ein
Schauspiel in fünf Akten. Berlin, Emst Rowohlt.
ui Seiten. Geh. 15 M., geb. 21 M.
Der zeitlich lang auseinandergezogene Prozeß
der Demoralisierung der meisten Gemeinschafts¬
werte durch den hemmungslos wuchernden Ka¬
pitalismus, als Ursache erkannt oder empfunden
der gegenwärtigen europäischen Katastrophe, er¬
fährt hier eine dramatische Symbolisierung in einer
seiner markantesten geschichtlichen Episoden:
dem Spekulationswahnsinn der holländischen Tul¬
penzüchter im 17. Jahrhundert. Gewöhnlich sehen
wir diese Kulturmarotte nur in ihrem grotesk¬
komischen Charakter; der Verfasser benutzt sie
mit bemerkenswertem dramatischen Geschick und
zeigt ihre im tiefsten frevelhafte Beschaffenheit
als packende Analogie zur geistigen und sittlichen
Atmosphäre unserer Gegenwart. M. M.
Jahrbuch der Bücherpreise. Ergebnisse der Ver¬
steigerungen in Deutschland, Deutsch-Österreich,
Holland, Skandinavien und der Schweiz bearbeitet
von F. Rupp. 13./14. Jahrgang: 1918 und 1919.
Leipzig, O. Harrassountz, 1920. 8°. XII, 539. Geb.
40 Mark.
Bei der unerhörten und fortdauernden Steige¬
rung aller Werte können die Bücherpreissätze von
1918/19 natürlich heute keinen Anspruch mehr auf
unmittelbare Gültigkeit machen. Trotzdem wird
ein solches Preisverzeichnis dem Kundigen, der
über die Einzelheiten der Preisveränderungen, über
die Mode, über die Sammlemeigungen usf. orien¬
tiert ist, immer noch als wertvoller Leitfaden er¬
wünscht sein können; ja auch weiter zurückliegende
Jahrgänge wird er nicht entbehren wollen, wenn
er sie vielleicht auch nicht so hoch einschätzt wie
der Verleger, der die ersten 12 Bände des Jahr¬
buchs jetzt mit 1500 M. (statt 99 M.) anbietet. Im
Verhältnis zu diesen älteren Jahrgängen ist der
neue nun nicht bloß billig, sondern auch reich¬
haltig. Sein Umfang ist erheblich gewachsen, was
noch mehr ins Gewicht fällt, wenn man beachtet,
daß die Auktionen der romanischen Länder, die zu
Anfang des Krieges noch nicht ganz fehlten, jetzt
überhaupt unberücksichtigt geblieben sind. Von den
67 verarbeiteten Versteigerungen ist für den neuen
Band ganz besonders die der Schüddekopfschen
Bibliothek durch M. Breslauer charakteristisch. Ihr
verdankt er vor allem die reichen Materialien aus
der schönwissenschaftlichen Literatur der letzten
213
drei Jahrhunderte. Wenn ihnen gegenüber manches
andere, wie die Frühdrucke, etwas zurücktritt, so
liegt das ja in der Natur dieser Zusammenstellungen,
die mit ihren einzelnen Bestandteilen wie auch mit
ihren Preisnotierungen immer ein wenig Sache des
Zufalls bleiben, aber dennoch für die Bücherinter¬
essenten ihren Wert behalten werden. Daß an
den alten Editionsgrundsätzen festgehalten wurde,
wird man billigen können. Zu überlegen wäre viel¬
leicht, ob man nicht die wichtigeren Illustratoren¬
namen in das Alphabet auf nehmen könnte. Dringend
zu wünschen wäre auf jeden Fall die möglichst
schnelle Veröffentlichung der Auktionsergebnisse.
G. K.
Graf Hermann Keyserling , Philosophie als
Kunst. Darmstadt , Otto Reicht , 1920. 320 Seiten.
Gebunden 60 M.
Dem Grafen Hermann Keyserling ist durch
den Erfolg seines „Reisetagebuch eines Philoso¬
phen“ (vergl. Jahrgang XI dieser Zeitschrift,
Spalte 399) eine Führerrolle zugefallen.
Der vorliegende Band enthält eine Sammlung
gelegentlicher Vorarbeiten zu der umfassenden
Darstellung im „Tagebuch“ und bringt Nachklänge
und Ergänzungen, welche die Resultate jener kon¬
templativen Weltumschau verknüpfen mit der für
uns Abendländer so überaus fragwürdig gewor¬
denen geistigen und sittlichen Situation. In ver¬
schiedenen Einstellungen werden die durch jenes
Schicksal unvermeidlich gewordenen Willensent¬
scheidungen nach Wert und Möglichkeit geprüft.
Wer immer sich innerlich gezwungen fühlt, den
Fragen unserer ganz Problem gewordenen Gegen¬
wart die Antwort zu finden, wird der Auseinander¬
setzung mit diesem reichen Geist nicht ausweichen
dürfen. Max Martersteig.
Kunstschätze der Sammlung Dr. Max Strauß in
Wien. Wien, Carl Gerold*s Sohn. 4 0 . Mit 89 Tafeln
in mehrfarbigem und einfarbigem Lichtdruck, so¬
wie in Kupferdruck. 250 numerierte Exemplare.
In Leinen 650 M., in Leder 1000 M.
Ein Katalog, der uns zwingt, von dem wohl¬
begründeten Brauch abzugehen, der solche Gelegen¬
heitspublikationen von der Anzeige in unserer Zeit¬
schrift ausschließt. Nicht die Seltenheit und Schön¬
heit der verzeichneten Gläser, Porzellane, Möbel,
Gemälde und Miniaturen gibt dabei den Ausschlag
nicht ihre mustergültige Beschreibung durch erste
Fachleute wie Robert Schmidt, von Trenkwald,
Wilhelm Suida und Leo Grünstein, — es ist die
ganz ungewöhnliche typographische Leistung. Die
Lichtdrucke Max Jaffas und der Wiener Kunst¬
druck-Gesellschaft vorm. J. Löwy, die Kupferdrucke
von Paulussen & Co. stehen auf der Höhe der heu¬
tigen Technik ^und machen das Buch zu einem Be-
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September-Oktober 1921
Nette Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
siztum, das jeder für typographische Werte emp¬
fängliche Sammler zu dauernder Freude seinen
Schätzen einreihen wird. Deshalb sei die Aufmerk¬
samkeit unserer Bibliophilen auf diese, etwas ab¬
seits liegende Erscheinung hingelenkt G. W.
Isolde Kurz, Legenden. Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart und Berlin 1920. 198 S. Geb. 20 M.
An ein Werkchen aus ihrer Frühzeit die „Phan¬
tasien und Märchen“, anknüpfend, vereinigt die
Dichterin in ihrem neuesten Buche fünf Stücke, in
denen Irdisches und Himmlisches zu wunderbaren
Gebilden zusammenfließt. Sie erweitert den Begriff
der Legende und beschränkt sich nicht darauf, alte
Heiligen- und Märtyrergeschichten frisch zu erzäh¬
len und umzudeuten. Sie holt vielmehr die selbst¬
tätige Phantasie zu Hilfe und beweist, daß dieser
Quell ihr noch so lebendig wie nur je sprudelt.
Gerade das umfangreichste Stück der Sammlung,
„Der Zwillingsbruder“, ist nicht sowohl eigentliche
Legende als freie Märchendichtung seraphischen
' Charakters. Sie schildert, wie ein Engelein zur
Welt gesandt wird, um einer bedrängten Erden¬
maid als treuer Helfer bis in den Tod beizustehen.
„Die Gnadeninsel“ nähert sich vollends der Novelle,
aus der das Übersinnliche ganz ausgeschaltet bleibt
oder hätte ausgeschaltet bleiben können. Hier
wird die Allmacht der göttlichen Gnade an einem
bußfertigen Sünder in einer von der Starrheit
des kirchlichen Dogmas losgelösten weihevollen
Weise dargetan. Was uns Isolde Kurz da bietet,
sind ausgewählte und durchgeistigte Gaben von
leichter und klarer, wenn auch etwas kühler Schön¬
heit. Am meisten erinnert an Gottfried Kellers
Legendenart die letzte gar liebliche Erzählung der
Sammlung, worin mit souveränem Humor die Be¬
kehrung der Quellnymphe Arethusa, als letzten
Überbleibsels der ganzen heidnischen Götterherr¬
lichkeit, durch einen ehrwürdigen Einsiedler dar¬
gestellt ist. R. Krauß .
Julius Meier-Graefe, Courbet. Mit acht Licht¬
drucktafeln und 106 Netzätzungen. München, R.
Piper &• Co., 1920.
Den starken, neuen, unfranzösischen Menschen,
den Ideologen, den Sozialisten Courbet hat uns
Meier-Graefe musterhaft geschildert, vor allem den
Maler, den großen Materiellen, der zu dem Spiri¬
tualismus Delacroix', zu seinem Heroenkultus nein
sagen mußte. Durch die Lebensgeschichte vom
„Enterrement“ zum „Atelier“, zu den Frauen¬
akten und dem großen Höhepunkt der „Vague“
von 1870 und dem Abstieg der letzten Lebensjahre
werden wir mit steter Sicherheit geleitet, um dann
in dem Schlußabschnitt „Courbet in der Kunst
unserer Zeit“ seinen Eindruck auf die Nachfolger,
sein Verlöschen in der Gegenwart zu begreifen.
215
Die zahlreichen und vortrefflichen Bilder ergänzen
die Schilderung zu einem Gesamtüberblick des
Werkes. G. W.
Bernd Melchers , Chinesische Schattenschnitte.
Ein Bilderbuch. Gesammelt und herausgegeben.
München, Hugo Bruckmann, 1921.
Von den Deutschen, die jetzt aus China wieder¬
gekommen sind, hat mancher jahrlang draußen ge¬
lebt und ist mit den Chinesen, ihrer Kultur und
ihrer Kunst vertrauter geworden als Reisende, die
ihre flüchtigen Eindrücke in anspruchsvollen Bü¬
chern ausbreiten. Da dürfen wir wohl nun tiefer
gegründete Werke erwarten, und kommen wir nicht
nach China, so kommt die Kenntnis Chinas zu uns.
Eine anmutige Vorfreude und Vorahnung gibt uns
das sorgfältig und geschmackvoll hergestellte Büch¬
lein von Bernd Melchers, das auf 64 Blättern
Schattenschnitte in schwarz und bunt wiedergibt:
Scherenschnitte auf einseitig gefärbtem Papier,
zum Schmuck der Papierlatemen und ähnlicher
vergänglicher Gebrauchsgegenstände, volkstüm¬
liche Kleinkunst, mit ausgeprägtem Stilgefühl
für den Zweck geschaffen. Linien sind zu Flächen
gestaltet, vor dem Licht gewinnt das Bild Leben.
Werkchen der letzten Vergangenheit, der Sammler
hat sie entstehen sehen, der schmutzige, hagere
Chinese an der Straßenecke von Tsinanfu hat sie
für ihn geschnitten, wenn es ihm paßte. Auch er
ein Künstler. Es ist eine Freude, das was von der
Sammlung hier wiedergegeben ist, durchzusehen,
Menschen und Tiere, Blumen und Schmetterlinge,
Schmuckstücke und Fabelwesen, tägliche Han¬
tierung und stark bewegte Schauspieler-Gestalten.
Ein Abglanz hoher Kunst liegt auf dem Ganzen
und läßt die Ahnung einer strengen selbständigen
Schöpferkraft aufkommen. H. S.
Franz Pocci, Kasperl wird reich. Mit Holz¬
schnitten von Karl Ritter. München, Braun <S»
Schneider . 4 0 . 100 Exemplare auf Velinpapier.
Eine der hübschesten Kasperliaden aus Poccis
„Lustigem Comödien-Büchlein ‘ ‘ feiert in dem präch¬
tigen Druck mit den kunstvollen, von seelenver¬
wandtem Humor eingegebenen Holzschnitten Karl
Ritters ihre fröhliche Auferstehung. Das „Schick¬
salsdrama in vier Aufzügen“ muß heute noch bei
großen und kleinen Lesern ängstliches Gruseln
und jauchzendes Gelächter erregen. Schade daß
Pocci, wie häufig, mittendrin die Lust verliert
und allzuschnell zum Ende eilt. Der ausgezeichnete
Bruckmannsche Druck des Textes und der Bilder
steht auf dem gerippten bräunlichen Papier der
gewöhnlichen Ausgabe ganz besonders gut.
G—i.
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Max Pulver , Das große Rad. Komödie in einem
Vorspiel und neun Bildern. München , Dreimasken-
Verlag , 1921.
Der Versuch eines satirisch-ernsten Zeitbildes
aus den Revolutionstagen ist mißglückt. Der Maler
Eugenio schwankt von der edlen Kaufmannstochter
Ines zu der mondainen Baronesse Valesca hinüber,
Ines will sich darauf von ihm trennen, scheint aber
am Schlüsse wieder zur dauernden Verbindung
mit dem Maler geneigt. Dazwischen tauchen eine
größere Zahl ironisch beleuchteter Typen auf,
weder an sich noch durch ihre Beziehung zu dem
Hauptgescheheo gefestigt. Die Umrisse sind mit
unsicherer Hand so flüchtig gezogen, daß kaum
von einem der neun Bilder (es könnten ebenso
gut vier oder vierzig sein) der Eindruck starken
inneren Erlebens bleibt. P—e.
Hans Roselieb, Der Erbe. Kempten , Jos. Kösel -
sehe Buchhandlung, 1920.
Der Erbe in seinem unerbittlichen Wahrheits¬
suchen ein Ödipus, in seinen menschenbeglücken¬
den Ideen eine wahre Prometheusgestalt — so er¬
scheint mir der Held dieses beachtenswerten Ro¬
mans, der Graf Asseweeth, an dessen Schicksal uns
Hans Roselieb (Firmin Coar) soziologische Pro¬
bleme der Gegenwart entwickelt. Um ein reines
Menschentum in Wahrheit und Liebe zu begründen,
sagt er sich blutenden Herzens von seiner Mutter
und dann von seinem Erbe los, da an diesem nach
seiner Meinung das Unrecht klebt, gibt die Vor¬
rechte seines Standes preis, opfert Freundschaft
und Liebe, bis er schließlich Fabrikarbeiter wird.
Trotz vieler Enttäuschungen bleibt er seinem in
christlichem Idealismus wurzelnden Kommunismus
treu, lehnt aber ausdrücklich den Sozialismus ab.
Die harte Arbeit des Landwirtes und die Liebe zu
einem schlichten Mädchen aus dem Volke, der
Tochter seines früheren Pächters, sollen ihm end¬
lich Glück und Erfüllung seiner phantastischen
Träume bringen.
Man mag von der in eiserner Folgerichtigkeit
psychologisch entwickelten Idee denken, wie man
will, die kraftvolle Darstellung und feine Stimmungs¬
kunst erschüttert und bezaubert. Der vollwertige
Roman gibt ein treffliches Zeit- und Kulturbild
der letzten Kriegsjahre — das Münstersche Lokal¬
kolorit ist glänzend getroffen — und gestattet
tiefste Einblicke in die deutsche Volksseele, die
Gründe des Niederganges und die verborgenen
Kräfte des Aufstiegs. Heinrich Dechelmann.
Karl Scheffler, Der deutsche Januskopf. Berlin ,
Bruno Cassirer, 1921. 151 Seiten.
Der Freund von Schefflers immer zur Synthese
dringender Geistigkeit wird diese gesammelten
kleineren Arbeiten mit Genuß und Vorteil lesen;
217
sie begleiten das Geschehen, das verantwortliche
wie das unverantwortliche, in den letzten fünf Lei¬
densjahren deutschen Lebens mit klugen und im¬
mer Hilfe darbietenden Mahnungen an das Wesent¬
liche. Unser besseres Gesicht ist jenes, das nicht
zum Ausschließlichen sich hinwendet und hypno¬
tisch erstarrt von einem Punkte aus die Welt ku¬
rieren will; wir sollen frei um uns blicken und alle
Erscheinungen darnach werten, wie sie einfließen
können in das breite aber regulierte Bett des
Stromes, der das ewige Werden befruchtet.
M. M.
Arthur von Schendel , Die schöne Jagd. Er¬
zählungen, übertragen aus dem Holländischen von
Hilde Teschow. Leipzig, Inselverlag , 1920.
Die Erzählungen Schendels sind weder im
Künstlerischen so stark, noch im Stofflichen so
eigenartig, daß sie einen Vergleich mit den ver¬
wandten Publikationen des Verlages aushalten
könnten. Es sind saubere, zwischen Skizze und
Novelle hin und her schwankende Erzählungen,
wie man sie bei uns in jedem besseren Journal fin¬
det. Durchweg auf der Grenze zwischen Wirk¬
lichem und Unwirklichem stehend, greifen sie we¬
der aus diesem noch aus jenem Bezirk so vieles, daß
sie sich ins Außerordentliche erhöben. Mit dem
letzten Wort ist auch die Wirkung dahin. Gtflesen
und vergessen, das ist das Ergebnis.
Hans Franck.
Reni Schichele, Weiß und Rot (Gedichte) —
Schreie auf dem Boulevard — Die Mädchen (Drei
Erzählungen) — Meine Freundin Lo. Eine Ge¬
schichte aus Paris—Am Glockenturm (Schauspiel).
Berlin, Paul Cassirer , 1920.
In heiter anmutenden Bändchen, hell und
soigniert, bringt Paul Cassirer, außer früheren Ar¬
beiten, die Nebenfrüchte der Kampf- und Leidens¬
jahre, während derer Renä Schickele als Heraus¬
geber der „Weißen Blätter“ der Dolmetsch des
elegischen wie des entrüsteten Pazifismus war und
ein Erleidender unter dem Zusammenbruch des
humanistischen Ideals in Europa wie kaum ein
anderer Schriftbeflissner unserer Zunge. Mit dem
Zwiespalt im Blute zwischen romanischer und
germanischer Geistigkeit, für den er ethisch und
ästhetisch früher so erfolgreich den Ausgleich
suchte, war er in besonderem Maße in Mit¬
leidenschaft gezogen während des blutigen Aus-
trags jener Urfeindschaft und beiderseits hinein¬
gerissen in die nationalistischen Fanatismen. So
galt es für ihn, das schöne Gleichgewicht wieder¬
zufinden , das vor der Katastrophe ihn uns wert
machte als einen mit dem Herzen beteiligten Ver¬
mittler der Kulturen diesseits und jenseits der Vo¬
gesen. Nach dem Abschwur „jeglicher Gewalt“,
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September-Oktober 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
jeglichen Zwanges gewinnt bildnerisch der schöne
Vorsatz wieder Gestalt: „Wie ich die Welt will,
muß ich selber erst ganz und ohne Schwere werden,
ein klares Wasser und die reinste Hand zu Gruß
und Hilfe dargeboten“. In keinem der Bücher,
die im einzelnen hier keine Besprechung erfahren
können aber warm empfohlen werden sollen, ist
diese von reinster Menschlichkeit durchpulste Hand
zu verkennen. Man wird ihren Druck dankbar er¬
widern. M. M.
Gertrud Schneider - Enges, „Gine“. Roman.
Löwen-Verlag, Berlin 1919, 254 S.
„Gine“, eine Neuausgabe des älteren Romans
„Fruchtbarkeit“ weist unverkennbar die Vorzüge
und Nachteile der naturalistischen Darstellungs¬
kunst einer verflossenen Literaturepoche auf. Was
aus dieser Zeit lebendig geblieben ist, hat seine
Daseinskraft nicht der frappantesten Naturnach¬
ahmung zu verdanken, sondern der Wärme mensch¬
licher Persönlichkeit, die jede äußere Form durch¬
schmilzt. Der Verfasserin von „Gine“ ist gewiß
tüchtige Gesinnung und solides Können nachzu¬
rühmen. Aber ihr fehlt so ganz der Zauber der
Persönlichkeit, daß der Grund, warum gerade dieser
Roman „nach einer Reihe von Jahren“ wieder auf¬
gelegt werden mußte, nicht recht einzusehen ist.
. _ J- B-
Karl Schottenloher, Philipp Ulhart. Ein
Augsburger Winkeldrucker und Helfershelfer der
„Schwärmer“ und „Wiedertäufer“ 1523—1529
(Historische Forschungen und Quellen, herausge¬
geben von J. Schlecht, Heft 4). 8°. 160 Seiten mit
6 Tafeln. München und Freising, Dr. F. P. Detter er
& Cie . (Sellier).
Der Verfasser gehört, wie schon seine früheren
Arbeiten (so die über die Buchdruckertätigkeit
Georg Erlingers in Bamberg) beweisen, zu den
besten Kennern der Druckgesehichte des Reforma¬
tionszeitalters. In der vorliegenden Schrift behan¬
delt er eine Reihe in den Jahren 1523—1529 ohne
Angabe des Druckortes und des Druckers erschie¬
nener Flugschriften zur kirchlichen und religiösen
Bewegung jener Zeit. Auf Grund einer sehr ein¬
gehenden Vergleichung der Texttypen und der Aus¬
zeichnungstypen in Titeln und Überschriften, der
Initialen sowie der Titeleinfassungen ist es ihm ge¬
lungen, das bisherige Rätsel ihres Ursprungs zu
lösen und ihre Herkunft aus der Druckerei des
durch spätere mit seinem Namen versehene Drucke
bekannten Druckers Philipp Ulhart in Augsburg
nachzuweisen.
Im ganzen beweist die Schrift, daß nicht nur,
wie der Verfasser selbst bemerkt, die Typen be¬
währte Führer durch die Reformationsdrucke bil¬
den, sondern auch einen Faktor für wichtige Ein¬
zelfeststellungen zur Reformationsgeschichte selbst.
2X9
Beigegeben ist ein Verzeichnis von 24 Drucken,
die man wegen Übereinstimmung der Typen und
Zierformen für Drucke Ulharts halten könnte, die
aber, wie sich erweisen läßt, aus der Werkstatt
Sigmund Grimms in Augsburg herrühren.
R. Helssig.
Leo Sternberg, Im Weltgesang — Der Helden¬
ring — Der Venusberg — Du schöner Lärm des
Lebens. Berlin und Leipzig, B. Behr.
Es ist merkwürdig, daß in einer Zeit, wo breite
Massen des Volkes stark national empfinden, dieser
Dichter, der der Repräsentant eines tendenziösen
Deutschtums ist, mit seinen Werken so wenig Wi¬
derhall findet. Aber vielleicht mißtrauen sie ihm,
weil er die Gebundenheit heimatlicher Enge durch¬
bricht und ins Kosmische schweift, weil sein Welt¬
gefühl größer ist, als sie nachzuempfinden ver¬
mögen ? Wenn irgendwo in der deutschen Dichtung
unserer Gegenwart, dann klingt hier in Sternbergs
Gesängen der tiefe Ton wieder auf, der in den Lie¬
dern der Edda angeschlagen ward und der sich in
den großen Epen unseres Volkes fortpflanzte. Hier
wieder wächst Dichtung tief aus dem Erleben, aus
dem Bewußtsein des Lebens und den Erschütte¬
rungen der Zeit, aus der seelischen Atmosphäre
eines starkfühlenden Mannes, literaturfeme und
-fremde Dichtung. Denn das Literarische ist die
Gefahr des Schöpferischen. Stemberg hat noch ein
gutes Stück kräftiger Primitivität; seine Form ist
Eigenwuchs. Unvermeidliche Einflüsse sind geläu¬
tert durch seine Persönlichkeit. Seine Gedichte,
seine Novellen (auch diese letzten Endes: Balladen)
haben etwas von Schmiedearbeit, eisern, schwer,
gehämmert. Des Eisens Wucht und dunkler Klang
ist in ihnen. Sie sind bilderreich, und alle Bilder
sind erstmalig, lebendig, farbig, suggestiv, niemals
Klischee und hohler Schall. Ich möchte Vergleiche
meiden und muß, eine Vorstellung zu geben, Stem-
bergs Ballade an den besten Stücken Fontanes
und Liliencrons messen. Tief aus dem Sinnlichen
schöpfend spricht er stark zu den Sinnen. Rhyth¬
mus, Klang und Bild vermählen sich zu vollkom¬
mener Wirkung. Stemberg ist ein Bejaher des Le¬
bens, ein inbrünstiger, empfänglicher Betrachter
und Sinner; das macht ihn zu einem Tröster in
unserer Zeit. Was wir einst bei Verhaeren suchten,
das finden wir hier, als Eigenes, wieder. Das Er¬
lebnis der Zeit, gestaltet in hohen Rhythmen; aus
Gegenwartsbefangenheit aber weist Sternberg den
Weg des Aufstiegs und der Überwindung zum
Ewigen. Der Krampf und Kampf der Zeit ist nur
Übergang, Ziel ist Harmonie. Ein „Freund der
Menschheit und jeder guten Zukunft“ ist unser
Dichter, eine der „Weltseelen“, die uns wieder¬
kehren mögen, um ein neues Zeitalter zu beginnen.
C. M.
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September-Oktober igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Die Stillen. Dichtungen. Gesammelt von Max
Tau. Trier , Friedr. Lintz, 1921. 510S.
Mit gutem Recht steht Herrn. Stehr mit einer
Versdichtung „Der Monolog des Greises“ bedeutend
voran, Bonseis fällt aus der Geschlossenheit etwas
heraus, Wilh. Schäfer gibt, nicht eigentlich dich¬
terische, Charakteristiken von künstlerischen oder
poetischen Gestalten, die für die Entwicklung der
deutschen Seele die Bedeutung einer Station haben:
von Bach bis Faust. Wilhelm Lehmann, Arthur
Silbergleit, Ed. Reinacher, Bruno Arndt (dem, hei¬
matlich verbunden, Tau vor einiger Zeit eine be¬
sondere kleine Schrift gewidmet hat) haben unter
den jüngeren Bei trägem schon ihren Namen, Moritz
Heimann und Paul Emst dürfen mit Recht unter
der Fahne „Die Stillen“ stehen; das Glück, zu ent¬
decken, wird dem Herausgeber zuteil, indem er zwei
homines novi einführen kann: R. C. Muschler mit
einer nicht unbegabten, aber nicht genügend kon¬
zentrierten Novelle „Das Erwachen der Prinzessin
Annunziata“ und den Holsteiner Paul Friedr. Juels,
der mit einer Dichter-Novelle, last not least, ab¬
schließt ; seine „Lebensskizze“ endet mit den Wor¬
ten: „Es muß dem Leser gleichgültig sein, ob ich
Staatssekretär oder Torfgräber bin.“ Auf diesen,
Neugierde-Bedürfnisse ablehnenden, Ton sind zu¬
meist die autobiographischen Skizzen der Beiträger
gestellt. H. Knudsen.
August Strindberg, Ausgewählte Romane: Das
Rote Zimmer — Die Leute auf Hemsö — Am
offenen Meer — Die Gotischen Zimmer — Schwarze
Fahnen. — Ausgewählte Dramen: Märchendramen
— Nach Damaskus — Naturalistische Dramen
I—II. — Geschichtliche Dramen — Kammerspiele
— Jahresfestspiele. München , Hyperion-Verlag.
Ein unerquicklicher und unedler Streit um das
Verlagsrecht an der deutschen Übertragung der
Werke August Strindbergs beschäftigte lang genug
die Gerichte und die Öffentlichkeit und scheint
endlich nun entschieden. Nicht entschieden ist
damit die vor das Forum des Geschmacks zu ver¬
weisende Frage, ob ein Verlag seine wohlerworbenen
Rechte dazu mißbrauchen darf, um sich fortgesetzt
durch unvollkommene Übersetzungen an der deut¬
schen Sprache zu vergehen. Es soll nicht verkannt
werden, daß es in erster Linie das Verdienst Emil
Scherings und des Georg Müller Verlags war, die
Werke Strindbergs dem deutschen Publikum nahe¬
gebracht zu haben. Warum aber, fragten wir uns
schon seit langem, zieht der Verlag nicht eine Per¬
sönlichkeit bei der Redaktion der Übersetzungen
hinzu, welche mit sicherer Hand und makellosem
Sprachgefühl die Scheringschen Übersetzerschwa¬
chen ausmerzt ? Wir erfuhren es jeder an sich selbst,
welche Marter dem empfindsamen Ohr die Lesung
eines Strindbergschen Werkes in solcher Verdeut¬
schung war; wir wußten, daß kein Schauspieler
221
imstande war, die Dramen in dieser Sprache zu
interpretieren. Mußten wir uns nicht um der Ge¬
rechtigkeit gegen Strindberg willen freuen, als
andere Verlage sich zu einer Ausgabe Strindberg-
scher Werke entschlossen und bessere Übersetzungen
versprachen? Zu weit führen würde hier ein
Vergleich der erschienenen Einzel-Ausgaben des
Inselverlags, der Verlage Reiß und Oesterheld. In
12 Bänden gesammelt veröffentlichte der Hyperion-
Verlag in München des schwedischen Dichters
Hauptwerke in der deutschen Übertragung Else
von Holländers: 5 Bände mit den Romanen,
7 Bände Dramen. Man kann von einem kritischen
Vergleich der beiden, in Gegensatz stehenden Aus¬
gaben absehen, Stichproben genügen bereits, uns
zu überzeugen, daß Else von Holländer ein gutes
klares Deutsch schreibt, an dem man keine Spur
der Übersetzermühe mehr vorfindet. Bedauerlich
ist nur, daß diese Ausgabe Fragment bleiben muß;
fehlen in ihr von den bedeutenden Werken doch
die höchstwichtigen autobiographischen Schriften
außer dem in Morgensterns trefflicher Übersetzung
als Sonderausgabe vorliegenden Inferno, ferner die
Einakter und der dritte Teil von Nach Damaskus.
Als besonderer Band erschienen auch Heiraten im
gleichen Verlag. Wer Strindbergs Gesamtwerk,
diesen Gaurisankar rastloser Dichter- und Forscher¬
arbeit, studieren will, wird wohl oder übel zu der
großen Ausgabe greifen und sich durch das Inferno
einer vergewaltigten Sprache durcharbeiten müssen.
Curt Moreck.
Karl Hans Strobl , Umsturz im Jenseits. Phan¬
tastischer Roman. München , Rösl 6* Co.
Strobls Weg geht bergab. Dieser „phanta¬
stische“ Roman gehört nicht mehr zur Literatur,
sogar nicht mehr zur besseren Unterhaltungs¬
literatur, von der man zum mindesten einen ange¬
messenen Zeitvertreib mit einigermaßen erfreu¬
lichen Erzählermitteln verlangen kann. Eine Idee,
die an und für sich brauchbar wäre, wird ohne
Erfindungsgabe und vor allem ohne jegliche Be¬
mühung, eine geschlossene Handlungserzählung zu
schaffen, vor- und rückwärts gedreht. Man merkt
an allen Ecken die krampfhafte Sucht nach Ori¬
ginalität und die Not, die gewünschten dreihundert
Seiten voll zu bekommen. Endlose Dialoge, an den
Haaren herbeigezogene Füllsel lassen nichts als Un¬
willen aufkommen. Man wirft das Buch als wert¬
loses Geschreibsel beiseite. O. E. H.
Auguste Supper , Der Weg nach Dingsda. Er¬
zählungen. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und
Berlin 1921. 199 S. Geb. 16 M.
Wen es nach Gaben leichtbeschwingter Phan¬
tasie oder gar nach flüchtiger Unterhaltungslek¬
türe gelüstet, der wird bei der tiefgründigen und
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September-Oktober igei
Neue Bücher und Bilder
Zettschrift für Bücherfreunde
tiefsinnigen Art der Supper nicht auf seine Rech¬
nung kommen. Auch in ihrem neuen Novellen¬
band sucht sie hinter die Geheimnisse des Welt¬
alls und des menschlichen Seins zu kommen, und
sie tut es auf eine höchst originelle und dabei
künstlerisch einwandfreie Weise. Sie stellt die
Natur als die große Lehrmeisterin und Erzieherin
zur Weisheit und Güte dar und erwählt sich als
deren Interpreten die Ärmsten der Armen, Dorf¬
lumpen und alte Weiblein; schickt sie doch einmal
den Pfarrer zu einer als Hexe erscheinenden Greisin
in die Lehre. Am schönsten vielleicht sind die
Ideen der Dichterin über die Nichtigkeit aller
menschlichen Wichtigtuerei im „Sturz in den Bach“
zum Ausdruck gebracht. Da macht ein die Situation
beherrschender Humor die Schwere des Stoffs flüs¬
sig. Die bei aller Sorgfalt doch überaus natürlich
anmutende Sprachkunst der Supper verleiht den
neuen Erzählungen des Bands noch besondem
Wert. Nur die zweite, „Versammlung“ betitelte
fällt aus dem Rahmen — „politisch Lied, ein garstig
Lied“ —, zumal inmitten solcher beschaulichen,
weitabgewandten Geschichten. R. Krauß .
Eckart v. Sydow , Die deutsche expressionistische
Kultur und Malerei. Mit 14 Bildbeilagen. Berlin,
Furche-Verlag , 1920.
Zum erstenmal sind in einem Buch über ex¬
pressionistische Malerei Schmidt - Rottluff und
Nolde als die Träger der Bewegung erfaßt. Beide
waren von Fechter (Expressionismus 1914) so gut
wie von Däubler (Der neue Standpunkt 1916) über¬
sehen worden, und Hausenstein gefällt sich auch
heute noch darin, Schmidt-Rottluff totzuschweigen,
ohne zu ahnen, daß er damit nur den Beweis seines
kritischen Unvermögens erbringt.
Scharf wird der deutsche Expressionismus, in
dem sich ein metaphysisches Weltgefühl auswirkt,
gegen den französischen und russischen abgegrenzt.
Der Schluß, den Sydow daraus zieht, „formal¬
künstlerisch ist Deutschland ein Gebiet der Ver¬
mittlung, des Überganges“, ist zurückzuweisen.
Nicht Übergang, eine in sich ruhende, aus letzten
Tiefen geschöpfte Welt offenbart sich in der Kunst
unserer Zeit. Auf deutschem Boden hat sie ihre
stärkste Ausprägung erfahren. Rosa Schafnre .
Ludwig Tieck, Das Leben des berühmten Kaisers
Abraham Tonelli. Mit bunten Bildern von Rolf
von Hoerschelmann. München, Musarion-Verlag,
1920. Klein-4 0 .
Daß nun diese aus alten Volksmärchenmotiven
aufgebaute Geschichte, die an der Pforte der Ro¬
mantik steht, erneuert wurde, muß jeden freuen,
der für solche heiter ironischen Scherze Sinn hat.
Am erfreulichsten aber sind die ganz dazu stim¬
menden handkolorierten Bilder Hoerschelmanns,
113
dem Stil und Geist nach zwischen Kubin und
Preetorius schwebend, voll von gutem Humor und
trefflich gezeichnet. Sie fügen sich als Schmuck
und Ergänzung dem ausgezeichneten Druck auf
schönstem Papier völlig ein. Für erwachsene Kinder
und reifende Jugend wäre schwerlich eine will¬
kommenere Gabe zu finden. G. W.
Karl Viitor , Die Lyrik Hölderlins. Eine ana¬
lytische Untersuchung (Deutsche Forschungen,
herausgegeben von F. Panzer und J. Petersen,
Heft 3). Frankfurt a. M ., Moritz Diesterweg , 1921.
Geheftet 35 M.
Dem großen, in raschem Aufstieg den Gipfel
der Kunst erklimmenden Lyriker Hölderlin gilt die
sorgsame, von gründlicher Methode und feinem
Gefühl getragene Untersuchung. Sie stellt gegen¬
über den zahlreichen Ansätzen der Vorgänger den
ersten gelungenen Versuch einer Gesamtwürdigung
dar. Ihre Ergebnisse sind beträchtlich, sie werfen
auch auf die Grundfragen lyrischen Schaffens
manches helle Licht. G. W.
Meir Wiener, Die Lyrik der Kabbalah. Eine
Anthologie. Wien-Leipzig , R. Löwit, 1920. 189 Sei¬
ten. Brosch. 16 M., geb. 20 M.
*Dem vorliegenden Bande, der den Leser in die
Tiefen der jüdischen Seele schauen läßt, sollen zwei
weitere: „Religiöse Lyrik des jüdischen Mittel¬
alters“ und „Jüdische Gebete und Hymnen“ folgen,
alle drei aber sollen zeigen, wie die Entwicklung
des religiösen Erlebens bei den Juden der letzten
zwei Jahrtausende im dichterischen Gebet zum
Ausdruck kamen. Was Wiener bietet, sind nicht
wissenschaftlich zuverlässige Übersetzungen, es sind
meisterliche Nachdichtungen, denen es wenig auf
Vermittlung der Originalform, ganz nur auf die des
Originalgehalts und des Intensitätsgrads des Aus¬
drucks ankommt. Nicht weniger wirklich wertvoll
als sie ist die Einführung der ersten 5 3 Seiten des
Buchs, die den mir bislang unbekannt gewesenen
Autor, den nun zu kennen mir ehrliche Freude ist,
als einen ungemein feinsinnigen Religionspsycholo¬
gen ausweisen. Friedrich Heiler wird für eine fol¬
gende Neubearbeitung seiner religionsgeschicht¬
lichen Monographie „Das Gebet“ kaum einer Arbeit
habhaft werden, der er, diese zu bereichern und zu
vertiefen, mehr und Besseres entnehmen könnte
als diesem neuen Buche. H. Haas.
Friedrich Wolf, Die schwarze Sonne. Eine
Komödie. Berlin , Ernst Rowohlt, 1921.
Der Gegensatz verlogener, veräußerlichter Zivi¬
lisation und freien, wilden Urmenschentums, ver¬
bunden mit dem Motiv vom betrügerischen Prie¬
ster, der eigennützig aus Furcht der Menge Götter
324
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September-Oktober igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
erstehen läßt, hat Wolf zu einer Komödie verleitet.
Sie ermangelt jenes überlegenen Humors und
jener Tiefe dichterischen Schauens, die in Goethes
„Satyros“ und Hebbels „Moloch“ zwei verwandte
Ansätze entstehen ließ. Eine Zeile aus diesen
Skizzen zweier Großen ist mehr wert als das ganze
literatenhafte Machwerk Wolfs. Man kann es den
Schauspielern der ersten Dresdener Bühne nicht
verdenken, daß sie sich weigerten, diese dürftigen
und langweiligen Gestalten zu verkörpern.
P—e.
Karl Woermann , Geschichte der Kunst aller
Zeiten und Völker. Zweite, neubearbeitete und
vermehrte Auflage. Fünfter Band: Die Kunst der
mittleren Neuzeit von 1550—1750 (Barock und
Rokoko). Mit 235 Abbildungen im Text, 6 Tafeln
in Farbendruck und 56 Tafeln in Tonätzung und
Holzschnitt. Leipzig und Wien, Bibliographisches
Institut , 1920. Geb. 80 M.
Mit immer neuer Bewunderung empfängt man
jeden Band dieses völlig auf den Stand der jetzigen
Forschung gebrachten, auf den doppelten Umfang
der ersten Auflage erweiterten Werkes. Wie Woer¬
mann die ungeheuren Stoffmassen verarbeitet und
gliedert, wie er mit energischem Zusammendrängen
Reichtum der Einzelcharakteristik, durchgehende
Linien und allgemeine Betrachtungen zu vereinen
weiß, das steht auf einer hohen Stufe geschicht¬
licher Darstellungskunst. Vielleicht am erstaun¬
lichsten erscheint es, daß noch allenthalben Ge¬
legenheit zu ungezwungene^ Aufzählung der Vor¬
arbeiten und zur Auseinandersetzung mit ihnen
bleibt. So werden zahllose Einzelfragen berührt
und meist mit selbständigem Erwägen des Sach¬
verhalts beantwortet. Der reiche Bilderschmuck,
bis auf einige kleine Textillustrationen durchwegs
dem Zwecke genügend, erläutert das Wort und
ziert zugleich die schöne, in jetziger Zeit doppelt
dankenswerte Gabe. G. W.
Heinrich Zerkauten, Der wandernde Sonntag.
Geschichten aus dem Alltag. Kempten, KöseVsche
Buchhandlung.
Der durch „Die Spitzweggasse“ und seine
Kriegslyrik bereits weiteren Kreisen bekannt ge¬
wordene junge Rheinländer bringt in diesem klei¬
nen Bändchen köstliche Proben einer feinen Er¬
zählungskunst, die an Stifter und Raabe anklingt
Es sind 14 Stimmungsbilder aus dem Leben des
Alltags voll Farbe, Duft und Klang. So einheitlich
auch jede einzelne Erzählung in Farbe oder Tem¬
perament ist, so mannigfaltig ist das Gesamtbild.
Die Einheit aller Geschichten liegt darin, daß diese
Bilder des Alltags durch etwas Sonntägliches erhellt
werden: es ist immer etwas Außerordentliches,
bald Weihevolles, bald Seltsames, bald Schauriges,
das durch das Alltagsleben hindurchschimmert.
Bdbl. XIII, 15 325
Seelisch-geistiger Gehalt und künstlerische
Form bilden eine bewundernswerte Einheit. In den
musikalischen Erzählungen („Sonate“ und „Das
große Konzert“) hört man förmlich die Melodien
heraus und ahnt die musikalische Komposition,
in den mehr bildhaften herrscht das Plastische,
Malerische vor („Rote Geranien“). Satzmelodie und
Bildprägung des Ausdrucks sind im ganzen vor¬
trefflich, wenn auch noch einzelne Mißgriffe Vor¬
kommen.
Einzelnen Geschichten möchte man mehr innere
Geschlossenheit wünschen, doch erscheint im all¬
gemeinen das weich Zerfließende dem Gehalt ent¬
sprechend richtig getroffen.
Heinrich Deckelmann.
Emile Zola , Gesammelte Novellen. Durchge¬
sehen und herausgegeben von Hans Jacob. Drei
Bände. Potsdam , Gustav Kiepenheuer, 1921.
Zola, der Novellist, ist neben dem Romancier
vergessen worden. Um so verdienstvoller ist das
Unternehmen des G. Kiepenheuer Verlags, der Zolas
novellistische Feinarbeit in drei Bänden gesammelt
würdig veröffentlicht. Auch hier lebt das Oben und
Unten der bürgerlichen Gesellschaft des XIX. Jahr¬
hunderts, auch hier spielen die großen Gegensätze
der sozialen Ordnung und lösen Handlung und Be¬
wegung aus. Den Kenner Zolas können gelegent¬
liche Ausflüge ins Romantische nicht befremden,
wenn es im kleiner gefaßten Kreise auch mit mehr
Bedeutung auf tritt. Aber gerade diese zarten Stücke
einer das Spielerische streifenden Erzählerkunst ge¬
ben bemerkenswerte Aufschlüsse über die Seelen¬
stimmung des Dichters, der in seinen Romanen
ernster und wuchtiger auf trat, waren sie ihm doch
Kampfplatz der Idee, wo es einer neuen, neuge¬
wollten Welt, über den Trümmern der zarstörten
alten, Raum zu schaffen galt Hier, in seiner Klein¬
prosa, wird er vertraulicher; der Prophet wird zum
Plauderer, der sein Niveau wahrt Er erzählt, um
zu unterhalten, zu fesseln, und gibt doch plötzlich
einen Ausblick über die Peripherie des Feuille-
tonistischen hinaus. Neben pastellhaft hinge¬
strichelten Geschichten, die in sonnigen Sommer¬
landschaften wurzeln, stehen knapp umrissene
Charakterbilder aus dem dramatisch bewegten
Leben der großen Welt, neben poetischen Ver¬
klärungen der Grisettenliebe, die ihre Heimstatt in
Mansardenkammern hat, finden Erzählungen von
legendenhafter Innigkeit und dann wieder ergötz¬
liche Schilderungen aus der Kleinwelt des Bürger¬
tums ihren Platz. Unvergeßliche Gestalten dieser
Novellen gesellen sich denen der Romane in Eben¬
bürtigkeit. Wie eine Zeichnung von Daumier lebt
vor uns der muschelessende Herr Chabre in seiner
erschütternden Komik. Eine ganze Tragödie spielt
sich in der Seele des lebendigbegrabenen Olivier
Becaille ab, dessen schauerliche Haft im Sarge von
296
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September-Oktober 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
einem traurig-einsamen Weiterleben in liebesarmer
Welt abgelöst wird. „Blut“, eine Episode vom
Schlachtfeld, wirkt mit ihren zwölf Seiten flammen¬
der als Protest gegen den Widersinn des Krieges
denn der ganze breite Roman von Zolas Landsmann
Barbusse, weil von dichterischer Kraft getragen,
weil im Vorgang symbolisch gesteigert. Diese No¬
vellen sind von einem wohltuend gedämpften Na¬
turalismus, der allzulautes mit Rücksicht auf aku¬
stische Wirkung abdeckt und auf künstlerische
Pointierung bedacht ist; denn die Novelle ver¬
pflichtet mehr auf formale Gesetze als der Roman,
der durch Masse, Fülle, Komplex wirkt, im Fall
Zola auch durch Tendenz. Die Ausstattung der
Bände ist recht gefällig und in ihrer Einfachheit
gut. Curt Moreck.
Kleine Mitteilungen.
Setserteufeleien. In dem „Faust“ der „Ideal-
Bibliothek“ (Halle a. d. S., Lehmann & Fink) liest
man auf S. 257:
Magna peccatrix: Bei der Liebe, die den Füssen
Deines gottverklärten Sohnes
Tränen ließ zum Balsam fliessen
Trotz des Pharisäer-Hohnes;
Beim Gesässe , das so reichlich
Tropfte Wolgeruch hernieder,
Bei den Locken, die so weichlich
Trockneten die heirgen Glieder —
Ein anderer Höllensohn hat sich in das Buch
„Goethes unsterbliche Freundin“ von Lena Voß ein¬
geschlichen (Leipzig, Klinkhardt& Biermann, 1921,
S. 82): „Als Charlotte Goethe im August 1776 in
Ilmenau besuchte, trat sie ihm entgegen, reizend
gekleidet in ein weißes Taffetkleid und rosaseidene
Schuhe, ein rosa Schleier schmiegte sich über die
weiße Sefae und eine rote Nase schmückte ihr
dunkles Haar.“
Zwei Sammlungen französischer historischer
Lieder. Bei der von mir unternommenen Neuord¬
nung der Gräflich Rothenburgischen Majoratsbiblio¬
thek in Polnisch-Nettkow, Kreis Grünberg in
Schlesien, stieß ich auf Handschriften, von denen
ich hier wenigstens über zwei eine kurze Nachricht
bringen will und ihre Bearbeitung und Ausnützung
den Romanisten überlasse.
Vorausschicken muß ich ein paar Worte über
die Herkunft der Sammlung. Zum größten Teil
geht sie zurück auf die Bibliothek, welche die
Prinzessin Dorothea von Kurland, eine geborene
Reichsgräfin Medern und Schwester der Elisabeth
von der Recke in Löbichau im Altenburgischen
gesammelt hat. Christian August Tiedge berichtet
in seinem Buche von der letzten Herzogin von
227
Kurland (1823), S. 318, daß sie z. B. die Bibliothek
des Geheimrats von Piatoli (wohl Piattoli, vgl.
Ledebour, Adelslexicon III, 322) von dessen Witwe
gekauft habe. Nach dem Tode der Dorothea (20.
VIII. 1821) ging ein Teil der Bücher in den Besitz
ihrer Tochter Pauline über, die seit dem Jahre
1800 zu Prag mit dem Fürsten von Hohenzollem-
Hechingen vermählt war. Von Löbichau kamen
die Bücher nach Schloß Hohlstein bei Löwenberg,
dem Sommersitz des Fürsten. Nach dem Tode
ihres Vaters hatte die Fürstin Pauline die Herr¬
schaft Polnisch-Nettkow geerbt, die dieser nach
dem im Jahre 1788 erfolgten Tode des letzten
Rothenburgers gekauft hatte. Diese Herrschaft
kam 1838 an den Sohn der Pauline, den Fürsten
Friedrich Wilhelm Konstantin von Hohenzollern-
Hechingen. Aus dessen morganatischer Ehe mit
Amalie Freiin Schenck von Geyern stammen die
heutigen Grafen Rothenburg. Die Bibliothek wurde
von Hohlstein nach Polnisch-Nettkow gebracht,
wo sie heute noch aufbewahrt wird. Sie ist sehr
reich an seltenen Drucken, Mappen und Hand¬
schriften, über die einmal ausführlicher berichtet
werden wird.
Hier will ich nur auf zwei französische auf¬
merksam machen. Trotz vieler Mühen, die auf¬
gewandt worden sind — auch Herr Dr. Schneider
von der hiesigen Universitäts-Bibliothek hat sich
vergeblich umgetan — ist es bislang nicht ge¬
lungen, etwas Ähnliches zu ermitteln. Fraglos hat
die Prinzessin Dorothea die Handschriften in Paris,
wo sie sich oft aufhielt, erworben. Die eine führt
den Titel: Le satyricon frangois Moderne ou Le
Mdlange historique et criiique De pi&ces en prose ei
en vers qui ont preceddes La Mort de Louis 14 et
depuis sur la Constitution Ex les principaux Evene -
mens de La Regence de Philipp Orleans 1724. Der
Band ist in mattbraunes Leder vornehm gebunden
in Quart. Er enthält 621 durchgezählte Seiten.
Darauf folgt Täble des pieces contenues dans Le
Present Recueil. —
Die zweite Handschrift besteht aus sieben
gleichfalls in mattbraunes Leder gebundenen
Quartbänden. Ursprünglich zählte die Sammlung
acht Bände, der erste war aber bereits im Jahre
1844 nicht mehr vorhanden. Der Titel lautet:
Recueil de Chansons Choisies en Vaudeviles Pour
Servir d Uhistoire Anecdote depuis 16601 jusqu: 1666
Tome Second. Der dritte Band enthält Lieder von
1669—1701, Band 4 von 1702—1704; der fünfte
von 1708—1713; der sechste von 1713—1718; der
siebente von 1719—1730; der achte von 1714 bis
1734 (vgl. z. B. S. 382). Die Schrift stammt aus
dem 18. Jahrhundert Drei Schreiber sind bestimmt
zu unterscheiden. Jeder Band ist nach Blättern
durchgezählt und enthält am Schluß ein Namen¬
register. Vielen Liedern sind die Melodien beige¬
setzt. Fast immer ist am Rande links eine kurze
Bemerkung über den Ursprung der Lieder oder
228.
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September-Oktober igai
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
die historische Begebenheit, auf die es sich bezieht,
hinzugefügt. Aus jedem Bande gebe ich nun den
Anfang eines Liedchens.
Band 2, S. 75:
Je deteste
Comme peste
Lordre du Roy.
Band 3, S. 62:
Bergers et Bergeres dllant
Ahl qu'il y a gayement.
Ronde 1692 Sur le Siege du Namur.
Band 4, S. 51:
Ales amis me veulent prescrire
Que je fasse une Chanson
Sur Vami du Grand Bourbon
Qui fut frotU dans Lempire.
Zum Jahre 1704.
Band 5, S. 75:
Lorsque je fus blessi
Je gagnois la Bataille .
Lorsque le giniral de Villars fut blessi.
Band 6, S. 39:
Enfin ce grand jour est venu
Que nons avons tant attendu.
Sur la mort de Louis 14.
Band 7, S. 47:
Mort du pape Innocent 13: 1722.
Le pape vieux de s'en aller
Lagr Säble no uv eile
Chretiens il nous faut ranimer
Notre foy et zele.
Band 8, S. 1:
Mon fils d'Apoticaire
A bien changi d*Etat
Car il est Secretaire
Envoyi ä Rastatt.
Am linken Rande steht 1724: Hebert valet de
chambre de Monseigneur le duc d'Orlöans dont le
pdre ötoit apoticaire. Für Mitteilung ähnlicher
Sammlungen wäre ich sehr dankbar.
Breslau. Georg Schoppe.
Zur „Neuen Zeitung aus Brasilien “. In der
Zeitschrift des Deutschen Vereins für Buchwesen
und Schrifttum, 3. Jahrgang (1920), Nr. 1 u. 2 wird
S. 28ff. eine Faksimilereproduktion des Drucks Wel¬
ler, Repertorium typographicum Nr. 315: „Copia
der Newen Zeytung || auß Presillg Landt“, S. 3off.
eine ebensolche des Drucks Weller Nr. 313: „Copia
der Newen eytung || auß Presilg Landt“ (Augspurg,
Erhärt Öglin) dargeboten; dazu S. 27 und dann
wieder 32 ff. wertvolle Bemerkungen von H. Bock¬
witz. Weller Nr. 313—5 sind nicht drei verschiedene
Drucke; vielmehr haben bereits Harrisse , Biblio-
tbeca Americana novissima, New-York 1866, und
(ihm folgend) Wieset , F., Magelhäes-Straße und
Austral*Continent auf den Globen des Joh. Schöner,
Innsbruck 1881, gezeigt, daß Weller 314 “*315; da¬
gegen erwähnen beide zu Weller 313 einen ver-
239
besserten Zweitdruck aus derselben Presse. Zweifel¬
haft ist nur noch, in welches Jahr uns die „neue
Zeitung aus Brasilien“ versetzt. Keine der drei
Druckausgaben ist datiert, und der Anfang der
Zeitung lautet (nach Weller 315): „Item wist, das
auff den Zwelfften tag des Monadts Octobers Ein
Schiff auß Presillg landt hye an ist kummen ...“;
es wird weder gesagt, in welchem Hafen, noch in
welchem Jahre das Schiff einpassiert ist. Wieser,
der die bisherigen Forschungsergebnisse zusammen¬
gefaßt hat, setzte den Druck ins Jahr 1508 oder
Anfang 1509. 1895 aber entdeckte K. Häblervm
Fürstl. Fuggerschen Archiv eine Handschrift unserer
Zeitung, beginnend: „Wist, das auf den 12. October
1514 Ain schiff aus presill landt hie ankummen
ist“. Danach hätten wir die Drucke mit 1514 oder
1515 zu datieren. Ich glaube jedoch, daß das eine
handschriftliche Zeugnis nicht gegen die von Wieser
für seine Ansetzung angeführten guten Gründe
aufkommen kann. Und es kommt noch etwas
hinzu.
Bockwitz verzeichnet von Weller 315 (ein¬
schließlich eines Exemplars, das aus dem Anti¬
quariat von L. Rosenthal in die Nationalbibliothek
von Rio de Janeiro übergegangen ist, und eines in
der Sammlung des französischen Gelehrten Henri
Ternaux-Compans in Paris, das aber noch nicht
sicher identifiziert ist), 7 Exemplare. Nun besitzt
die Zwickauer Ratsschulbibliothek ein achtes, das
als Nr. 15 in dem einige der seltensten und kost¬
barsten Frühdrucke enthaltenden Sammelbande 24,
10, 14 enthalten ist. Ich gebe eine kurze Übersicht
über den Inhalt des Bandes:
Nr. 1. Der gemeine Pfennig. Worms, 7. August
1495.
Nr. 2. Praktik auf 1501. Straßburg, Bartholo¬
mäus Kistler, 1501. Weller 201. Paul Kristeller ,
Die Straßburger Bücherillustration, Leipzig 1888,
Nr. 238. Vgl. [Joh. Gottfried Weller], Altes aus allen
Teilen der Geschichte, 1, Chemnitz 1762, S. 382.
Nr. 3. Joh. Eck, Traktat von beiden Sarmatien,
Augsburg 1508. Panzer, Annalen Nr. 916. Theodor
Wiedemann , Dr. Joh. Eck, Regensburg 1865, S. 488,
Nr. XIV.
Nr. 4. Von der geschieht vnd handlung So || ge¬
schehen ist im Jar. M. CCCCC. vi. zu || Lißbona...
Vgl. Panzer 567 f.
Nr. 5. Historie von der Belagerung von Rhodus
(Bericht des Vizekanzlers W. Caoursin). Weller 2657
(nur nach Antiquariatskatalog von Beck in Nörd-
lingen und fälschlich mit 1523 datiert; es handelt
sich um die Belagerung von 1480, vgl. Weller, Altes
1, 448 und Pastor, Gesch. der Päpste 2, 3. und
4. Aufl., 560).
Nr. 6. Werbung und Rede des Anthoni Justinian
(Antonio Giustiniani) von Venedig 1510. Panzer 681.
Nr. 7. Kalender (die ersten zwei Bogen fehlen).
Reutlingen, Mich. Greyff, 1490. Panzer, Zusätze
305 b.
230
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September-Oktober 1921
Kleine Mitteilungen — Kataloge
Zeitschrift für Bücherfreunde
Nr. 8. Den rechten Weg auszufahren von Lissa¬
bon gen Kalkutta. Weller 305 (1504).
Nr. 9. Pestregiment. Straßburg, Matth. Hupfuff,
-1502. Weller 217. Kristeller 263.
Nr. 10. Ambrosius Jung 1 , Pestregiment. Augs¬
burg, Hans Schönsperger, 1494. Panzer 390.
Nr. 11. Wunderbarliche Geschichten von geist¬
lichen Weibspersonen (betr. Lucia von Narni).
Straßburg, B. Kistler, 1502. Weller 230 (vgl. 187).
Kristeller 239.
Nr. 12. Weissagung von zukünftiger Betrübnis.
Augsburg, H. Schönsperger, 1510. Panzer, Zusätze
685 c = Weller, Suppl. I, S. 7, Nr. 54.
Nr. 13. Historie vom Ritter Thorelle. Straßburg
[Hupfuff?]o. J. Panzer, Zusätze 99c. Kristeller594.
Gödeke, Grundriß i 1 , 375.
Nr. 14. Hans Virdung von Haßfurt, Auslegung
des Kometen auf 1507. Weller, Suppl. I, S. 5, Nr. 33.
Nr. 15 s. o.
Nr. 16. Ein erdocht falsch history etlicher Pre¬
diger münch ||... (betr. Berner Jetzerhandel 1509).
Panzer, Zusätze 642, 3. Weller, Altes 2 (1766), 120.
Nih. Paulus , Ein Justizmord an vier Dominikanern
begangen, Frankfurt a. M. 1897, S.66.
Nr. 17. Von St. Anna und von dem Taw. Erfurt,
Hans Sporer, 1495. Panzer 400. Weller, Altes 1,541.
Nr. 18. Bl. ia weiß, ib Holzschnitt, 2a oben:
Hie lernet sant Bernhart wie ein yegklich || man
haußhalten vnd sein hauß regieren sol. || Vgl. Panzer
378 ( 1494 ) und Weller 532 (1510).
Nr. 19. Antwort der Herren Fürsten || Kethen
Hoffgesind... (1504). Weller 272 (nur nach Anti¬
quaritätskatalog).
Außerdem ergibt sich aus dem alten hand¬
schriftlichen Inhaltsverzeichnis auf der Innenseite
des Vordereinbanddeckels, daß ursprünglich zwi¬
schen Nr. 14 und 15 noch eine jetzt schon längst
fehlende Druckschrift mit eingeheftet war: „von
gebrante wein“. Da Weller, Altes 2, 805 besprochen
ist: Wem der gebrannt Wein nutz sei oder schad,
Bamberg, Marx Ayrer und Hans Pemecker, 1493
(Panzer, Zusätze 373 b), und die bei Weller kom¬
mentierten seltenen alten Drucke größtenteils der
Zwickauer Ratsschulbibliothek entstammen, so ist
anzunehmen, daß es diese Druckschrift war, die an¬
fänglich in unserm Sammelbande mit enthalten war.
Was folgt aus dieser Inhaltsübersicht für die
Datierung unserer Zeitung? Die jüngsten Drucke
des Sammelbands sind von 1510. Es fällt schwer,
anzunehmen, daß ein Druck von 1514 oder 1515
mit darunter sein kann. Datieren wir die Zeitung
mit 1508 oder 1509, fügt sie sich viel besser in die
Reihe der 20 Drucke ein. O. Clemen.
I Identisch mit dem 1548 gestorbenen Augsburger Stadt¬
arzt {Friedrich Roth , Augsburgs Reformationsgesehichte
1517—1530, 2. Aufl., Manchen 1901, S. 151 A. 113)?
Das Goethebildnis des Schweizers Lips , 1790 ge¬
zeichnet und in stattlicher Größe gestochen, zeigt
den, antike Heiterkeit und tiefen Lebensemst
paarenden Ausdruck des in Italien Neugeborenen.
Kein anderes Goethe-Porträt kann ihm in dieser
Hinsicht zur Seite gestellt werden, und so ist der
Stich zu einer vielbegehrten Seltenheit geworden,
während die Zeichnung seit einigen Jahren in der
vortrefflichen Wiedergabe des Freien deutschen
Hochstifts erworben werden kann. Das gleiche
Verdienst erwirbt sich der Verlag Holstein < 5 * Puppet
in Berlin durch eine sehr gute Reproduktion des
Stiches in der ursprünglichen Größe. Sie darf als
vollwertiger Ersatz des Originals gelten und wird
zu dem mäßigen Preise von 30 M. vielen ein freudig
begrüßter Besitz werden. G. W.
Als ein brauchbares Hilfsmittel zur ersten
Orientierung über Autoren, Titel, Preise sei emp¬
fohlen der 11. Band der Kompendien - Kataloge
von Koehler 6* Volckmar (Leipzig 1920). Er ent¬
hält altklassische Literatur in deutschen Über¬
setzungen und deutsche Dichtung, leider ohne Auf¬
lagen, Jahreszahlen und Verleger. Der zweite Teil
(S. 354—520) bietet eine Romanliste, nach Stoffen
geordnet, für die jüngste Zeit ein mit Dank zu be¬
grüßendes Repertorium. A—s.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgeber* erbeten.
Karl W. Hiersemann in Leipzig . Nr. 493. Kunst¬
geschichte : Malerei, Skulptur, Kupferstich, Holz¬
schnitt, enthaltend u. a. die Bibliothek des be¬
kannten Goyaforschers Dr. Julius Hoffmann-
Wien 1227 Nm. — Nr. 494. Geographie und
Reisewerke 1173 Nm. —Nr. 495. Kunstgewerbe
993 Nrn. mit Schlagwortregister.
Koebner'sche Buchhandlung in Breslau I. Nr. 301.
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BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
Herausgegeben von Prof. Dr. GEORG WITKOWSKI
LEIPZIG-GOHLIS / Ehrenstdnstraße 20
XIII. Jahrgang November-Dezember 1921 Heft 6
Wiener Briet.
_ Zum 50. Geburtstag des Dichters Franz Karl
Ginzkey, der in den September dieses Jahres fällt,
kündigt die Staatsdruckerei eine Festgabe an: eine
von Ginzkey selbst zusammengestellte Sammlung
des Wertvollsten seiner Lyrik mit einer stattlichen
Reihe neuer noch unveröffentlichter Gedichte. Der
Band erscheint als dritter in der Reihe der Muster¬
werke hervorragender österreichischer Schriftsteller.
Der Text wird in drei Farben gedruckt. Einband,
Vorsatz und Buchschmuck stammen von dem ersten
österreichischen Buchkünstler, Dr. Rudolf Junk.
Es werden fünf Exemplare auf feinstem Whatman-
Bütten in schwarzem Ganzledereinband (Subskrip¬
tionspreis 3000 M.), 1 s Exemplare auf altem Bütten¬
papier in braunem Ganzledereinband (zu 2500 M.)
und 230 Exemplare auf bestem Dokumentenpapier
in feinstem Pappband (zu 500 M.) hergestellt. Jedes
Exemplar wird vom Dichter unterschrieben und
vom Künstler signiert und beziffert.
Auch zum Dante -Jubiläum stellt sich unser
Buchkunstgewerbe mit zwei auserlesenen Gaben
ein. Als achter Avalundruck erscheint „Das neue
Leben* 1 , übertragen von Richard Zoozmann, in
einer Großfolioausgabe auf schwerem Büttenpapier
in der Original-Walbaum-Antiqua mitHolzschnitten
von Erwin Lang in 300 Exemplaren (Nr. I—XXX
in Ganzpergament, Subskriptionspreis 2000 M.,
Nr. 1—100 in Halbpergament 900 M., Nr. 101—270
in Pappband 400 M.). Der Amalthea-Verlag bringt
„Die göttliche Komödie** italienisch und deutsch
(nach Gildemeister) mit 60 farbigen Lichtdruck¬
tafeln nach Originalen von Franz von Bayros, auf
bestem Papier nach Japanart gedruckt, in einer
einmaligen numerierten und vom Künstler sig¬
nierten Auflage von 1100 italienisch-deutschen,
bzw. 250 italienischen Exemplaren. Die Platten zu
den von Max Jaffö hergestellten Lichtdrucken wer¬
den nach der Verwendung vernichtet.
Durch den Wettbewerb mehrerer unterneh¬
mungslustiger Verlage wird vielleicht nach und nach
der Liebhaberwelt zugänglich gemacht werden,
was Österreich an Kunst besitzt, geschaffen hat
und noch schafft.
Beibl. XIII, 16 241
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Ein Prachtwerk ganz einzig in seiner Art be¬
reitet der Kunstverlag Anton Schroll & Co. vor:
„Albertina-Faksimiles" in Farbenlichtdrucken, die
den Originalen so nahe kommen, wie es eine künst¬
lerische Wiedergabe nur überhaupt vermag. Aus¬
wahl und einleitenden Text besorgt Joseph Meder,
der auch die Reproduktionsarbeit überwacht hat.
Es erscheinen zunächst 40Blätter Handzeichnungen
französischer Meister des 18. Jahrhunderts (Aubert,
Boucher, Callot, Chardin,Clouet, Fragonard, Greuze,
Lancret, Lavraince, Le Prince, Liotard, Moreau le
jeune, Natoire, Poussin, Robert, St.-Aubin, Vanloo,
Watteau), Studien, Mythologisches, Sittenbilder,
Bildnisse, Landschaften, Tiere. Weitere Mappen
in der gleichen Ausstattung, je in einer Auflage
von 500 numerierten Exemplaren, werden folgen.
Ebenfalls aus der Albertina stammen die Rubens¬
zeichnungen , von denen die Maries - Gesellschaft
zwölf Faksimilia mit Einleitung von Gustav Glück
in die sechste Reihe ihrer Drucke aufgenommen
hat (R. Piper & Co. in München).
„Handzeichnungen und Aquarelle des 19. und
20. Jahrhunderts aus der österreichischen Staats¬
galerie**, herausgegeben von deren Leitern Franz
Haberditzl und Bruno Grimschitz, in Faksimile¬
farbdrucken sollen auch die erste Publikation der
Kunstabteilung des Rikola*Verlages bilden, der
weiterhin eine Reihe „österreichische Künstler¬
monographien" verspricht: angekündigt werden
Hans Canon (von L. Baldass), Anton Hanak und
Joseph Hoffmann (von Max Eisler), Gustav Klimt
und Schwind (von G. Glück), Kolo Moser (von H.
Glück), Peter Fendi (von L. Grünstein), Otto Wagner
(von Hans Tietze), Pettenkofen (von Weixlgärtner),
außerdem eine Itten-, Wassermann-, Kubin-, Fai¬
stauer- und Pajer-Mappe, Radierungen von Oskar
Laske, das graphische Werk von Egon Schiele mit
Text von Artur Rößler — vorläufig eine etwas bunte
Zusammenstellung, hoffentlich fehlt es nicht an
einem Gesamtplan.
Rüstig schreiten die Unternehmungen der
staatlichen Lichtbildstelle, die die Verlagsgesell¬
schaft Ed. Holzel & Co. in Wien vertreibt, weiter
242
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November- Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
fort. Von dem großen Mappenwerk über die vor¬
mals kaiserliche Gobelinsammlung (durch eine zweite
Ausstellung im Belvedere von ganz neuer An¬
ziehungskraft auf die zahlreichen Besucher des
„billigen** Wien) werden die Lieferungen in rascher
Folge ausgegeben. Als neues kunst- und kultur¬
geschichtliches Anschauungsmittel verdienen die
preiswerten blauen Wiener Kunstbücher die wärmste
Empfehlung. Zu einer Reihe „ Die Kunst in Tirol**
sollen „ Monographien Tiroler Künstler** treten.
Dort finden sich Aufnahmen aus Kitzbühel und
St. Johann, Schwaz, Kloster Stans, Innsbruck
(Altstadt, Bürgerbauten, kirchliche Denkmale),
Schloß Ambras, Innichen, Kufstein, Rattenberg,
Sterzing, Bruneck, Bozen, romanische Wand¬
malereien, der Kreuzgang im Dom zu Brixen mit
Texten von Garber, Hammer, Juraschek, Strohmer,
Waschkler, Weingartner; hier werden die ersten
Bändchen Ferdinand Andri und Egger-Lienz ge¬
widmet sein. Man hofft, das Ausland zu inter¬
essieren, indem man auch seine Kunstschätze in
tadellosen Vervielfältigungen, begleitet von einer
gediegenen wissenschaftlichen Einführung, vorlegt.
Von den „ Süddeutschen Kunstbüchern** behandeln
die ersten Bändchen die niederbayrischen Donau¬
klöster, Schloß Nymphenburg und Freudenhain
bei Passau (die Texte von R. Guby und A. Feulner);
von der „ Kunst in Holland “ liegt vor Dordrecht
(von G. A. S. Snijder), der Utrecht-Psalter (von
E. Tietze-Conrat), der Dom zu Utrecht (von C. H.
de Jonge), Geertgen von Haarlem (von L. Baldass),
der Baumeister Berlage (von Max Eisler), Erasmus
von Rotterdam im Bilde (von E. Tietze-Conrat).
An der Spitze einer anderen Reihe von Beschrei¬
bungen und Erklärungen zu „Meisterwerken der
Kunst in Holland** stehen Max Dvoräks Ausfüh¬
rungen über Rembrandts Nachtwache. Eine volle
runde Ausgestaltung dieses Unternehmens könnte
uns einen neuen Cicerone auf Grund der Ergebnisse
der modernen Kunstwissenschaft schenken. Max
Dvoräk hat auch noch den einleitenden Text zu
einem Prachtwerk über Pieter Bruegel d. Ä. (den
sogenannten Bauern- oder Höllenbruegel), mit
37 Farblichtdrucken nach seinen Hauptwerken in
Wien, verfaßt.
Einen ansehnlichen Bucherfolg hat ein Band der
Amalthea-Bücherei, „ Wiens Kirchen und Kapellen**
von Alfred Schnerich, in kurzer Zeit erzielt.
Außerordentlich ergiebig waren die letzten
Monate an hervorragenden Erscheinungen auf dem
Gebiete der geschichtlichen Forschung: Heinrich
Kretschmayer hat seiner „Geschichte Venedigs**
einen neuen Band hinzugefügt. Nach langer Unter¬
brechung ist die von Oswald Redlich übernommene
Fortsetzung von Hubers „Geschichte Österreichs**
erschienen, der sechste Band des Gesamtwerkes,
Österreichs Großmachtbildung in der Zeit Kaiser
Leopolds I. behandelnd. Kraliks unglaublich Stoff -
reiche, streng katholische „Allgemeine Geschichte
*43
der neuesten Zeit von 1815 bis zur Gegenwart'* ist
mit dem vierten Band bis 1899 gediehen, an dem
letzten fünften wird bereits gedruckt. „Wallensteins
Ende'* hat Heinrich Ritter von Srbik auf Grund
neuer Quellen untersucht und wieder einmal in
ein für den Wiener Hof minder gutes Licht gerückt.
Eine reiche Fülle allgemein interessanten Stoffes
erwartet uns in den „Historischen Blättern**, heraus¬
gegeben von den Beamten des Haus-, Hof- und
Staatsarchives in Wien. Die beiden ersten (Viertel¬
jahrs-) Bände bringen bereits Beiträge von G. v.
Below, V. Bibi, L. Bittner, C. Brinkmann, A. und
O. Cartellieri, E. Castle, A. Foumier, E. Friess,
H. Glück, J. K. Mayr, O. Mitis, B. Molden, H.
Steinacker, A. Stern, J. Szekfü, E. v. Wertheimer,
A. Winkler.
Den „Salzburger Festspielen** ist ein etwas en¬
thusiastisches Buch von Max Pirker (Amalthea-
Verlag) und eine inhaltreiche, trefflich ausgestattete
Festnummer der „Modernen Welt** (III. Jahrg.,
3) gewidmet, auf die wir die Freunde der
alten Mozartstadt besonders aufmerksam machen.
Nimmt man noch hinzu die zahlreichen belle¬
tristischen Publikationen der Wiener Literarischen
Anstalt, des Rikola-Verlages, des Verlages E. P.
Tal & Co. u. a., so wird niemand die geistigen Ar¬
beiter Österreichs beschuldigen können, daß sie
müßig die Hände in den Schoß legen und tatlos
dem Untergang entgegensehen. Wird er darum zu
vermeiden, ja nur hinauszuschieben sein? Das ist
die bange Frage, die uns nervenzerreibend Monat
um Monat in folternder Spannung hält.
Prof . Dr. Eduard Castle.
Neue Bücher und Bilder.
Peter Baum , Gesammelte Werke. 2 Bände.
Berlin , Emst Rowohlt. 280 u 209 S. Pappbände,
78 Mark.
Peter Baum istafcn 6. Juni 1916 einer tödlichen
Verwundung im Felde erlegen. Er war in Elber¬
feld im Jahre 1869 geboren, kam 1890 nach Berlin,
war Angestellter in einem Teppichgeschäft, um
dann mit fast 30 Jahren, nach einem Aufenthalt
in Leipzig, als später Student Erich Schmidt und
Simmel zu hören. Bald darauf trat er dem Kreise
Peter Hilles (Else Lasker-Schüler, Paul Scheerbart
usw.) nahe, dem er innerlich und auch in seinen
Ausdrucksformen verwandt war, so daß man ihn
fälschlich einen Kopisten nennen konnte. Freund¬
schaft, Ehe und Reisen weckten ihn aus seiner Ich-
Versunkenheitund führten zur Menschengestaltung
in der romanartigen Komposition „Spuk“ (1905)
und in den Novellen. Aber im „Spuk** ist die Welt
noch ganz mit den Augen des einen Ich gesehen, erst
der Roman „Kammermusik“ (1914) zeigtMenschen,
die aus eigener Kraft leben, wennschon auch hier
*44
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November-Dezember igzi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
in der ganz selbstherrlichen Gestaltung der Rokoko¬
welt sioh der moderne Mensch und der Bekenner
Peter Baum nicht verbirgt; ihm lag nicht daran,
einen „historischen“ Roman zu schreiben. Die
Sprache seiner Prosa werke ist zart, huschend, da¬
bei sehr reich an Bildern. Man wird nicht von Satz
zu Satz getragen, jeder Satz ist eine Welt für sich.
Darin erscheint er in gewisser Weise als ein Vor¬
läufer des Expressionismus, dem auch nicht die
logischen Zusammenhänge einer objektiven Dar¬
stellung, sondern die bis ins Widersinnige getrie¬
benen Ausbruche betonter und übersteigerter
Eigenart wichtig sind. Ein Grundzug Baums ist
seine Frömmigkeit, die weniger das Produkt der
Erziehung bei den „gottesfürchtigen Fräulein“ in
Heidelberg und Wimpfen als vielmehr eingeborenes
Gefühl war. Sie spricht aus seinen Versen ebenso
wie aus manchem Kapitel der Romane und gibt dem
Gesamtwerk den einheitlichen Charakter großen
Ernstes und tiefer Versonnenheit. Sie spricht auch
aus dem Porträt Baums, das der Ausgabe voraus¬
gestellt ist, die jetzt alle wichtigen Werke,
darunter auch ein Romanfragment und Verse aus
dem Felde, vereint. Dr. Hans Schlieper bat in einem
Nachwort Leben und Schaffen Baums kurz ge¬
schildert und die Entwicklungsmöglichkeiten an¬
gedeutet, die durch den Tod nun zunichte gemacht
worden sind. Die beiden Bände sind gut gedruckt
und sorgfältig ausgestattet; sie verdienen die An¬
dacht und Liebe, die sie einst geschaffen und die
ihnen jetzt Gestalt gab. F. M.
Hans Bethge , Jens Peter Jacobsen. Ein Versuch.
Berlin , Axel Juncker , 1920. Geh. 15 M., geb 22 M.
Aus dem Verstehen einer verwandten Dichter¬
seele erwächst das zarte, blonde Bild Jacobsens,
des Dänen mit der Scheu vor der Tat, mit der
Liebe zum eignen Land, die ihm auch Italiens
Reize abstumpft, mit dem krankhaft feinfühligen
Empfangen und Festhalten kleiner und kleinster
Sensationen. Leben und Schaffen sind Einheit:
dem Schwindsüchtigen gelingt das Morbide, aber
auch eine sanft gedämpfte, nur gewaltsam hier
und da sich aufbäumende Lebensfreude. Sehr gute
Beobachtungen gelten der Technik, Psychologie
und Sprache Jacobsens. Das wundervoll gedruckte
Buch ist solchen Gewandes durchaus wert.
G. W.
Otto Julius Bierbaum , Briefe an Gemma. Mün¬
chen , Georg Müller , IQ 21 . Geh. 35 M. .
Vergebens wird man in den Briefen Bierbaums
an seine Gattin den lustigen Ehemann suchen,
vergebens auch tiefere Aufschlüsse über sein Wesen
und Schaffen. Der menschliche Gewinn besteht
in der Erkenntnis des einfachen, warm fühlenden,
fast philisterhaft anmutenden Liebhabers, der
245
Bierbaum auch in zehn Ehejahren blieb. Seine
Liebe zu Gemma erklärt er für seine erste, be¬
wußte, klare Liebe (noch 1906) und auf derselben
Seite nennt er seinen „Prinzen Kuckuck“ entsetz¬
lich unanständig und fragt sich oft beim Schreiben:
woher weiß der das alles? Klagen über die Fron
des Bücherschreibens, Sorgen um Bühnenerfolge,
leise durchschimmernde Geldnöte, das ist der übrige
Hauptinhalt. Die schwer lesbare Schrift Bierbaums
hat eine Anzahl Fehler, namentlich in den Namen,
bedingt. Gemma Bierbaums Porträt gibt von
dieser Schönheit keine Vorstellung. G. W.
Johannes Bühler , Klosterleben im deutschen
Mittelalter, nach zeitgenössischen Aufzeichnungen
herausgegeben. Mit 16 Bildtafeln. Leipzig , Insel-
Verlag. VIII, 528 S. Pappbd. 40 Mark.
Der in der Sammlung „Memoiren und Chro¬
niken“ erschienene Band vereinigt Klosterregeln,
Chroniken, Briefe, Lebensbeschreibungen, Legen¬
darien, Predigten, Anekdoten und Scherze zu einem
höchst anschaulichen Bild vom deutschen Kloster¬
leben des Mittelalters. Eine uns fremd gewordene
Welt spricht hier zu uns mit ihrer eigenen Stimme,
und daß nicht alle Töne der gewaltigen Orgel lauf
werden, daß nur die wichtigsten Orden berücksich¬
tigt wurden, erhöht noch die Wirkung. Alle Le¬
bensäußerungen zwischen demütigem Gebet und
bitterer Selbstanklage, lautem Lobpreis Gottes und
frechem Scherz der Fratres sind aus den alten Co¬
dices zu neuem Klang geweckt. Klöster aller deut¬
schen Gaue, St. Gallen und Fulda, Hixsau und Re¬
gensburg, Villingen und Eisenach, bauen sich in den
Lebensbeschreibungen ihrer Gründer und Verwalter
neu vor uns auf. Aus der Masse der sündigen Knechte
heben sich licht die Heiligen: Benedikt, Bonifaz,
Tauler, Seuse, die selige Luitgart und viele andere.
Der Herausgeber hat die einzelnen Abschnitte durch
kurze Einleitungen geschickt verknüpft. Anmer¬
kungen und Literaturverzeichnis dienen dem wei¬
ter forschenden Leser, dem Liebhaber erhöhen die
gut gewählten Bilder den Genuß der Lektüre.
F. M.
Georg Bünau , Zum Hundertguldenhaus und
andere Erzählungen für reife Menschen. Dresden ,
Lehmannsche Verlagsbuchhandlung (Lehmann 6*
Schütze).
Bünau fabuliert frisch drauf los von alten
Häusern und alten Gesichtern. Er ist noch kein
Meister der historischen Novelle; solche Gewalt¬
samkeiten wie „Die Kuppel und das Bild“ oder
„Du Pont de Fer“ müßten weit zwingender vor¬
getragen werden, um glaubhaft zu wirken.
G. W.
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November- Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Johann Bunkels Leben, Bemerkungen und Mei¬
nungen nebst dem Leben verschiedener merkwür¬
diger Frauenzimmer. Nach der ersten Ausgabe von
1778 neu erzählt von Curt Moreck. Mit 16 Kupfern
von Daniel Chodowiecki. Berlin , Zürich , Leipzig ,
Pantheon-Verlag.
Eines der übelsten Beispiele imnötiger Buch¬
macherei. Der dickleibige Schmöker von 1778 ist
von Wieland in einer Folge von Aufsätzen seines
„Teutschen Merkurs“ vernichtet worden. Nicolai,
der Verleger dieser ersten deutschen Ausgabe, hat
sich seines Pflegekindes in einer heftigen Erwide¬
rung angenommen und Wieland auf den groben
Klotz noch einen groben Keil gesetzt, woran
sich neue Streitschriften von Cranz und anderen
schlossen. Von dieser ganzen, durch L. Geiger
und R. M. Werner im Zusammenhang behan¬
delten Polemik weiß Moreck nichts. Er weiß
nicht einmal, daß der „angeblich“ aus dem Eng¬
lischen übersetzte Roman von dem bekannten
Thomas Amory (nicht Armory) als „The Life of
Bunde“ in London 1756—66 herausgegeben wurde,
daß der deutsche Übersetzer Reimarus von Spieren
(nicht Reinhard von Schieren) hieß. Der von Moreck
gefertigte Auszug unterdrückt alles, was allenfalls
den Bunkel für den Kulturhistoriker anziehend
machen konnte und läßt nur das kahle Gerippe
der erbärmlichen Erfindung übrig. Und warum?
Wieland mag die Antwort geben: „Im Grunde
haben die Liebhaber sich nicht zu beklagen, wenn
sie für 3 y 2 Taler sechzehn Kupferstiche von Cho¬
dowiecki von den besten Abdrücken und noch vier
baare Alphabete Maculatur in den Kauf bekommen. “
Man sieht, die Zeiten ändern sich zwar sehr, die
Bibliophilen, früher „Liebhaber“ genannt, aber
wenig. „Nicht mitzulesen, mitzusammeln bin ich
da!“ Dieses Losungswort galt schon 1778 und
wird auch noch 1921 Büchern wie dem Bunkel
zum Erfolg verhelfen, wenn sie so gut in 1000
numerierten Exemplaren gedruckt, mit so vorzüg¬
lichen Hanfstaenglschen Gravüren nach Chodo-
wieckis Probedrucken, mit so netten Einbänden
versehen und so hoch im Preise angesetzt sind wie
diese typische Leistung. G. W.
Max Creutz t Wilhelm Leibi — Kölner Kirchen
(Rheinland-Bücher,Band 1 und2). Köln , Rheinland-
Verlag G. m. b. H.
Das Rheinland zählt unter seine Größten auch
Wilhelm Leibi, der in Köln aufwuchs und von der
alten Kunst des Niederrheins starken Nachklang
in seinen erd haften Werken verspüren läßt.
Creutz schildert den Lebensgang, das Schaffen und
Kämpfen und die wichtigsten Bilder, gibt vom
Werden und Wesen der Leibischen Kunst eine
klare und tiefe Vorstellung und unterstützt sie
durch acht gute Nachbildungen. — Dem etwas
umfangreicheren, ebenfalls mit acht trefflichen
247
Bildern geschmückten Bande über die Kirchen
Kölns gebührt noch höheres Lob. Gute Kenntnis
der Baugeschichte vereint sich mit einfühlender
Nachempfindung der Grundgedanken und unge¬
wöhnlicher Schilderungsgabe. In überaus eindrucks¬
vollen kleinen Aufsätzen werden dem Leser die
Grundstimmungen und ihre in Stein gebannten
Abbilder vor die Seele gezaubert. G. W.
Max Deriy Die neue Malerei. Sechs Vorträge.
Mit 95 Abbildungen. Leipzig , E. A. Seemann , 1921.
Wer die sechs Vorträge Deris über die neue
Malerei in Leipzig mit etwa 1200 anderen Hörern
genossen hat, der kennt die fast gefährliche Über¬
zeugungskraft dieses Redners. Schwarz auf Weiß
schwindet ein Teil dieses Zaubers; es bleibt der
Eindruck scharfen, entwicklungsgeschichtlich ein¬
gestellten Denkens. Was gegen seine Kunstpäda¬
gogik im allgemeinen einzuwenden ist, wurde an
dieser Stelle früher gesagt, als das große Werk
über die Malerei des 19. Jahrhunderts zu be¬
sprechen war (1920, S. 314). Auf engerem Raume
gewinnt nun der gleiche Gegenstand an Intensität
der Wirkung, unterstützt durch die zahlreichen
guten Bilder und den vortrefflichen Druck.
G. W.
Deutsche Dichterhandschriften. Herausgegeben
von Hanns Martin Elster. Band 1—5: Thomas
Mann, Wilhelm Raabe, Walter von Molo, Clara
Viebig, Börries Freiherr von Münchhausen. Dres¬
den , Lehmannsche Verlagsbuchhandlung (Lehmann
& Schulze). 4 0 . Je 25 M., Luxusausgabe in Halb¬
leder handgebunden 125 M.
Die Sammlung „Deutsche Dichterhandschriften“
bereichert unsere Literatur um eine neue, wie man
schon jetzt sagen darf, höchst wertvolle Quelle
künstlerischen Erlebens. Dichter von Rang offen¬
baren sich in der ursprünglichen Form ihrer Schöp¬
fungen, der Handschrift, und abseits alles grapho¬
logischen Anspruchs wird jeder Betrachter einen
Hauch ihres Wesens in den festen, geschmeidigen,
leicht fließenden oder widerspenstigen Linien ver¬
spüren. Darüber hinaus gewähren bei der Mehr¬
zahl Korrekturen unmittelbaren Einblick in den
Schaffens Vorgang und werden einem wissenschaft¬
lich gefärbten, aber auch dem Laien anziehenden
Studium hilfreich. Endlich ergänzen Beigaben in
Form von Selbstbiographien, Porträts, charakteri¬
sierenden und erläuternden Beigaben des kundigen
Herausgebers das Bild und lassen vor uns die Ge¬
stalten in einer Lebendigkeit erstehen, wie es weder
der übliche Druck der Werke noch die Darstellung
des Literarhistorikers vermöchte. Der Verlag hat
die schöne Gabe würdig zu gestalten gewußt, ohne
durch hohen Preis sie denen zu versagen, die ihrer
am meisten wert sind: den ohne Geschmäcklertum
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November-Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
dankbar und freudig unsern Dichtern huldigenden,
nach edler Seelenspeise verlangenden deutschen
Männern und Frauen. In ihrer Hand denken wir
uns diese schönen Bücher. Langsam gleitet das
Auge über die Zeilen und inniger als sonst erzittert
die Seele des Lesers, von dem Fluidum der Künstler¬
seele durchwärmt. G. W.
Die Dichtung. Herausgegeben durch Wolf
Ptzygode . Zweite Folge, erstes Buch. Potsdam ,
Gustav Kiepenheuer , 1920. 4 0 .
Auf die erste Folge der „Dichtung 44 (siehe X,
396; XI, 125) folgt in neuem Verlag die zweite,
gleich würdig in ihrem Äußern, gleich jugendlich
in ihrer Gesinnung. Die Namen Kasack, Baudisch,
Max Herrmann, Oskar Loerke, E. A. Rheinhardt
besagen, daß hier zwischen allen —ismen ein Weg
zum geläuterten und doch ungeschwächten Per¬
sönlichkeitsausdruck gesucht wird. Vielleicht eint
unter allen Friedrich Schnack am besten Leiden¬
schaft mit selbstgeprägter, schöner Form.
Den gleichen Geist atmen die sechs kleineren
Bände, die als Begleiter des neuen stattlichen
Buches der „Dichtung 44 hervortraten: Martin
Gumpert , Heimkehr des Herzens; Hermann Kasack ,
Stadium und Der Gesang des Jahres; Simon Krön -
berg, Chamlam; Georg Kulka , Requiem; Oskar
Loerke , Pompeji. Schön auf schönem Papier ge¬
druckt und in pergamentartige Hüllen gekleidet,
wirken diese „Bücher der Dichtung 44 wahrhaft
vornehm und erweisen sich einem Inhalt ange¬
messen, der von unbeherrschtem Schrei wieder
deutlich dem gezügelten Rhythmus und der Plastik
klassischer Kunst zuschwingt. Die Preise der
„Dichtung 44 und ihre Bücher sind erstaunlich
friedens-mäßig. G. W.
Ernst Droem t Ex tenebris. München , C. H.
Beck , 1921.
Vorworte des Dichters zu seinen Versen mögen
an sich wertvoll sein, und manch einer hätte sich
den Weg erleichtert, wenn er nicht davor gescheut
hätte, selbst von seinem Ziele zu sprechen. Aber
ich kann nicht heraushören, daß den Vorbemer¬
kungen Droems ein dem Wollen gleichlautendes
Vollbringen folgt. Weniger um Lyrik im überlie¬
ferten Sinne soll es sich handeln, als vielmehr „um
den langsam gewachsenen Versuch einer unter den
Bedingungen des — stets wechselnden — Zeitge¬
fühls sich gestaltenden Raummystik unserer Tage
in der sprachlichen Form von episch durchbauten
Sonaten“. Nun wird man wohl von eingestandener¬
maßen frühen und zurückliegenden Versen nicht
gleich das Letzte verlangen dürfen; aber schon daß
man das Wollen so sehr spürt, daß man einer im
wesentlichen vom Kopf her stammenden Kunst
249
gegenübersteht, oder das gewaltsame Verzichten auf
Einschnittandeutung, die gewollt kurzen Verse —
das alles ist Hemmung. Die Verse sind formal sicher,
aber auch sehr gelernt, und jedenfalls vermißt man
den inneren Zusammenklang .von Erlebnis und
Rhythmus. Selten einmal ein so reiner Klang und
gelungener Ausdruck -wie in den Versen: „Grabe
dein Haupt in die Düne . . .“. Daneben steht
vieles, was nicht mehr ist als nahezu prosaische
Aneinanderreihung. Keine ergiebige Kraft, kein
entscheidender Reichtum. Hans Knudsen.
Paul Duysen , Jedermann der viehische Mensch.
Ein Schrei in die Zeit. Psychoanalytischer Roman.
Illustrationen von Joh. Wüsten auf Japan. Ham¬
burg , Konrad Hanf , 1921.
Der Titel versprach allerlei — schlechtes. Das
Buch übertrifft die Erwartungen. In groben Invek-
tiven verdammt der Autor von vornherein die¬
jenigen, die sich am Inhalt des sogenannten Ro¬
mans stoßen. W’arum auch sollte man sich an
einer Geschichte stoßen, in der jemand seine grobe
Sexualität nicht zu sublimieren weiß, und am Ende
eine Art Lustmord begeht, wenn diese Geschichte
künstlerisch gestaltet würde. Aber von künst¬
lerischer Gestaltung findet man keine Spur und
die Anmaßung des Autors wirkt nahezu paro-
distisch. Es verlohnte sich nicht, über dieses
Meisterwerk überhaupt zu referieren, wenn es nicht
den Untertitel: Psychoanalytischer Roman trüge.
Dies könnte Uneingeweihte nämlich auf den Ge¬
danken bringen, daß das Buch mit Psychoanalyse
etwas zu tun hätte. Wenn auch nicht „vom Fach“,
hat Referent sich doch eingehend mit Psycho¬
analyse beschäftigt. So kann er behaupten, daß
es durchaus nicht das Ziel der Psychoanalyse ist,
wie Duysen es anscheinend meint, hinter jeder
Handlung das sexuelle Moment zu wittern, sondern
im Gegenteil dieses sexuelle Moment zu sublimieren.
Was man also einzig dem Helden Jedermann raten
könnte, wäre, sich in psychoanalytische Behandlung
zu geben, um sich von seiner „Viehischkeit“ heilen
zu lassen. Ich nehme an, daß ernste Psychoanaly¬
tiker in ihren Organen gegen dieses Buch Front
machen werden. Ich tue es an dieser Stelle, um
zu verhindern, daß die Psychoanalyse, zu der man
im einzelnen sich stellen mag, wie man will, durch
solches Kunstwerk diskrediert wird, das nichts
weiter ist als eine arrogant vorgetragene sexual¬
pathologische Kasuistik, wie Interessenten sie besser
und ohne irritierenden Schwulst in jedem psycho-
atrischen Lehrbuch finden. — Die Illustrationen
sind um ein Atom besser als das Buch.
E. E. S.
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November-Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Ernte , Jahrbuch der Halbmonatsschrift „Das
literarische Echo“, herausgegeben von Ernst Heil¬
born. 2. Band. Berlin, Egon Fleischet 6* Co., 1920.
In Pappband 25 M. t in Ganzleinen 31 M.
Der Herausgeber des literarischen Echos, das
für den, der sich über das zeitgenössische lite¬
rarische Schaffen in Deutschland und im Auslande
unterrichten will, unentbehrlich geworden ist, bietet
mit seinem Jahrbuch knappste Auszüge aus den
Beiträgen des Jahres und gewährt so einen ge¬
drängten Überblick über den reichen kritischen
Inhalt der Zeitschrift. Den kurzen, sachlichen
Würdigungen der Neuerscheinungen, dep Nach¬
richten über bemerkenswerte Persönlichkeiten und
Berichten über Uraufführungen sind ausführlichere
Aufsätze vorangestellt. G. K. Brand in „Der Weg
zum Mythos“ handelt von verinnerlichter, in die
eigene Tiefe und zu Gott führender Seelenkultur;
F. Gregori etwas überschwenglich von E. Lissauers
„Ewige Pfingsten“; Max Fischer über das die
Entwicklungsgeschichte suchender Seele gebende
Erzählungswerk von Albert Steffen; K. Schultze
über Juliane Karwath als Dichterin ihres Ge¬
schlechts ; H. F. Helmolt etwas allzusehr von oben
herab über Spenglers „Untergang des Abend¬
landes“; H. Maync über den deutschen Frauen¬
roman des 18. Jahrhunderts, im Anschluß an das
Buch von Christine Touaillon; H. Schiller über
die Bedeutung des Cotta’schen Verlags und F.
v. Zobeltitz über bibliophile Veröffentlichungen.
Mit besonderer Sachkenntnis berichtet von der
französischen Literatur des Jahres Otto Grautoff.
Kurze Berichte von englischer und italienischer
Literatur geben Leonhard und Gorm.
Walther Küchler.
F. H. Ehmcke, Drei Jahrzehnte Deutscher Buch¬
kunst 1890—1920. Eine Bücherschau in dreißig
Vitrinen, nicht streng chronologisch, doch möglichst
vorteilhaft angeordnet. Berlin, Euphorion-Verlag,
1921. 800 Exemplare in Pappband 28 M., außer¬
dem 30 auf Zanders-Bütten.
Die kleine imaginäre Ausstellung Ehmckes
trat 1914 der großen wirklichen Buchgewerbe-
Ausstellung zur Seite. Nun eröffnet er sie zum
zweiten Male und fügt in fünf neuen Vitrinen die
Ernte der Kriegszeit hinzu. Solch eine Auswahl
ist immer in gewissem Sinne zufällig; indessen
kann der Führung Ehmckes, der unter unseren
Buchkünstlern an erster Stelle steht, jeder ver¬
trauensvoll folgen. G. W.
Emil Ermatinger, Die deutsche Lyrik in ihrer
geschichtlichen Entwicklung von Herder bis zur
Gegenwart. 2 Bände. Leipzig und Berlin, B. G.
Teubner. , 1921. Geh. 56 M., geb. 66 M.
Eine wahrhaft erfreuliche Erscheinung, ein
Werk, das zugleich der Forschung und denen, die
251
nur angeregt und belehrt sein wollen, reichen Ge¬
winn bringt. Es konstruiert nicht, es sucht nicht
das Typische in den Erscheinungen und ordnet
weder ethnographisch, noch psychologisch, noch
formgeschichtlich, sondern es läßt den natürlichen
Gruppen und den einzelnen Gestalten ihr volles
Recht. Das Verfahren Ermatingers, das einzige
für den Literarhistoriker zum Erfüllen einer Auf¬
gabe dieser Art geeignete, ist das Nacherleben.
So fühlt er sich in die Erscheinungen ein, erkennt
ihre Bedingungen und das Eigne, Einmalige, läßt
die Gegensätze und die Übereinstimmungen in
freiem Spiel sich entfalten. Die großen Lyriker
werden in selbständigen, essayartigen Aufsätzen
vorgeführt, als Ein- und Überleitungen dienen
scharfe Zeichnungen der Zeithintergründe und zu¬
sammenfassende Bilder der Begleiter und Gefolgs¬
leute. Das Urteil erscheint nirgends voreinge¬
nommen, wenn es auch hier und da angefochten
werden kann, wie z. B. die Wertung von Heines
„Romanzero* * gegenüber den früheren Gedichten,
während im übrigen gerade die Kritik Heines —
der aufschlußreiche Vergleich mit Mörike! — als
besonders zutreffend zu rühmen ist. G. W.
Till Eulenspiegel. Dem Volksbuch nacherzählt
von Victor Fleischer. Mit 24 Originallithographien
und 31 Schwarzweißzeichnungen von Oskar Laske.
Wien, Anton Schroll <S* Co. 100 Exemplare auf
feinem Hadernpapier in Halblederhandeinband.
Fleischer hat den rechten Stil für die Erneu¬
erung des Eulenspiegelbuchs gefunden und Laskes
wienerisch farbenfrohe Bilder geben eine lustige,
echt künstlerische Begleitmusik in der gleichen
Tonart. So ist ein prächtiges Buch entstanden,
das die Alten durch die gute Form, die Jungen
durch den Inhalt ergötzen wird. G. W.
Festgabe für Friedrich Clemens Ebrard zur
Vollendung seines 70. Lebensjahres am 26. Juni
1920, gewidmet von seinen Freunden. Mit fünf
Tafeln und einer Textabbildung. Frankfurt a. M.,
Joseph Baer 6* Co., 1920. 4 0 . Geh. 100 M., 200
numerierte Exemplare.
Einem Manne von vielseitigen wissenschaft¬
lichen Interessen bezeugen die Mitstrebenden Freude
und Dank durch eine Gabe, die an Mannigfaltigkeit
und edlem Charakter des Gefeierten würdig ist. Es
gäbe für diese Sammelschrift wohl nur einen Kri¬
tiker von der erforderlichen Weite der Umschau —
und das wäre Ebrard selbst. Wer außer ihm könnte
berechtigte Meinung über Arbeiten aus so ver¬
schiedenen Gebieten äußern ? Immerhin hebt sich
als beherrschend die bibliothekarisch-literarhisto¬
rische Gruppe aus der Menge heraus, und so darf
vielleicht der bücherliebende Germanist feststellen,
was ihm beim Durchwandern dieses reichen Gartens
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November-Dezember 1921
Neue Bücher und Bildet
Zeitschrift für Bücherfreunde
am kräftigsten entgegenleuchtete (ohne damit die
übrigen, andere Augen stärker lockenden Früchte
als weniger begehrenswert zu bezeichnen): die Ab¬
handlung Ziehens über das Reisegedicht des Fürsten
Ludwig zu Anhalt-Köthen, in der aber leider die
wichtige, in ihrer Zeit einzige Stelle über Dante
nicht genügend hervorgehoben wird (vgl. Bolte,
Ein deutsches Urteil über Dante aus dem 17. Jahr¬
hundert, Zeitschr. f. vgl. Literaturgesch. 1, 164L),
Dechants schöner Essay Die Anfangszeit der Auf¬
klärung in Frankfurt a. M., Richels Publikation
eines unbekannten Frankfurter Theaterzettels von
1668. Gespielt wurde von der Hoff mann sehen
Gesellschaft hochteutscher Comoedianten ,,Die
Egyptische Olympia oder Der flüchtige Virenus",
eine viel aufgeführte Hauptaktion, und ein dem
sechs Blätter umfassenden Quartheft beigegebener
Kupferstich gibt, was besonders wertvoll ist, ein
gutes Bühnenbild. Bettines Bericht über die Trau¬
ung des in Wahrheit ledig verstorbenen Freiherrn
von Drais wird von Liebmann als Erfindung nach¬
gewiesen, wobei noch eine Anzahl erhellende Lich¬
ter auf den bekannten Erfinder und die älteste
Geschichte des Fahrrads fallen. Am Schlüsse er¬
zählt Bernhard Müller die Geschichte des Goethe-
Standbilds Pompeo Marchesis in der Frankfurter
Stadtbibliothek. Der Druck der Festschrift ist
prächtig; um so ärgerlicher der Gummistempel
„Zur gefl. Besprechung", mit dem der Verlag das
Titelblatt glaubte verunzieren zu müssen.
G. W.
Festschrift für Berthold Litzmann zum 60. Ge¬
burtstag. Im Auftrag der Literarhistorischen Ge¬
sellschaft in Bonn, herausgegeben von Carl Enders.
Berlin , G. Grote , 1921.
Im Gegensatz zu so manchen anderen Fest¬
schriften, die nur Besuchskarten der Glückwün¬
schenden in einer Schale sammeln, bringt diese
Gabe 15 stattliche Aufsätze, deren Stoffe sämtlich
der deutschen Dichtung von der Klassikerzeit bis
zur Gegenwart angehören. Die Methode entspricht
der in Bonn üblichen, ästhetisierenden Betrach¬
tungsweise. Dadurch wird hier und da der wissen¬
schaftliche Ertrag etwas gemindert, aber dem Laien
werden dafür gerade solche Beiträge um so mehr
Zusagen. G. W.
Hans W. Fischer , Das Schwert. Ein Zyklus
Gedichte (Dominadrucke Nr. 1). Stuttgart und Heil¬
bronn, Walter Seifert, 1920. Geb. 35 M., 100 nume¬
rierte und gezeichnete Exemplare in Halbleder
85 Mark.
Unter den handgeschriebenen Büchern jüngster
Zeit ist dieses eines der umfangreichsten (71 Seiten
Klein-4 0 ) und bestgelungenen, dabei erstaunlich
wohlfeil. Die „niederdeutsch-gotische Schrift" (gibt
253
es in der Geschichte der alten Kalligraphie diesen
terminus technicus?) Willi Webers steht in dem
sorgsamen zweifarbigen Druck Carl Winters vor¬
trefflich auf dem guten pergamentgetönten Papier
und der mit Batikpapier überzogene Einband
stimmte gut dazu, hätte ihm nicht ein böser Dämon
im letzten Augenblick noch ein greuliches gelbes
Titelschild aufgezwungen. Fischers Gedichte sind
solcher auserlesenen Buchgestalt würdig. Sie er¬
heben sich von erdhafter Derbheit zu erhabenem
Aufschwung, vom Zeitgebundenen zum Zeitlosen,
keiner Tagesmode dienstbar, voll persönlicher Kraft,
die sich namentlich in der bei heutigen Lyrikern
fast ausgestorbenen Fähigkeit zum echten, welt¬
überwindenden Humor offenbart. Allen in allem:
eine besonders erfreuliche Erscheinung. G. W.
M. W. L. Foß, „England als Erzieher". Tägliche
Rundschau , Berlin 1921. 327 Seiten. Geh. 32 M.,
in Halbleinen 40 M., in Halbleder 65 M.
Auch wer diese Schrift völlig ablehnt, in der
Gesinnung wie in den Ergebnissen ablehnt, wird
ihr die Ehrlichkeit nicht absteiten. Sie ist im Ver¬
lag einer politischen Zeitung erschienen, der Zei¬
tung, die in jahrzehntelanger geduldiger Arbeit
mehr als irgendein anderes Blatt dafür getan hat,
daß im heutigen Deutschland der Haß als ge¬
schätztester politischer Trieb gilt. Sie gibt im
Vorwort die Tonart für das folgende an, indem sie
als die drei großen Gegner des deutschen Volkes,
die ihrem Plan der Weltbeherrschung nun nahe
gekommen seien, England, die römische Kirche
und Alljuda bezeichnet. Einer der Sätze, in die
sie ausklingt, ist: „Jeder Niggerstaat ist ein be¬
neidenswertes Gemeinwesen, verglichen mit dem
vor kurzem noch so mächtigen Deutschen Reiche.
Dort ist doch immer etwas vorhanden, was an
Souveränität erinnert. Danach wird man im deut¬
schen Vaterlande vergeblich suchen. Überall stößt
man hier auf das Hineinreden unserer Feinde, die
uns ganz nach Belieben knechten, denn seit das
Reich wehrlos geworden ist, hatten wir auch keine
Rechte mehr. Das danken wir Wilhelm II., den
Herren Bethmann und Erzberger sowie der Sozial¬
demokratie, und wollen das nie vergessen" (S. 303
und S. 326). Ebenso getreu und maßvoll wie hier
der Zustand Deutschlands, ist in dem Buch der
Aufbau der englischen Weltmacht beschrieben.
Von dem „Zeitalter Tudors und Cromwells" —
Tudor war wahrscheinlich einer von den verfluchten
Juden, die England so groß und herrschgewaltig
gemacht haben, daß es heute Deutschlands Er¬
zieher werden soll — bis zum Burenkrieg wird die
englische Machtpolitik geschildert. Wie es Eng¬
land fertig gebracht hat, für den Krieg Südafrika,
Indien, ja, so lang er dauerte, sogar Irland unter
seinen freiwilligen Hilfstruppen zu haben, erfahren
wir freilich nicht. Die Darstellung schließt mit
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November-Dezember igsi
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
den Worten: „Durch eine brutale Kriegführung,
die 20000 Frauen und Kindern in den englischen
Konzentrationslagern das Leben kostete, und unter
fleißiger Benützung silberner Kugeln, gelang dem
Lord Kitchener 1900 die Niederwerfung dieses
Heldenvolkes, das zwar keine militärische Mannes¬
zucht besaß und zum großen Teil dadurch unter¬
lag; aber immerhin geschah es ehrenvoller als das
deutsche Volk iqi8. Es folgte dann die neue Ord¬
nung in den damit gewonnenen Kolonien, die
Einführung chinesischer Minenarbeiter unter Be¬
dingungen, durch die sie tatsächlich Sklaven waren.
Die neuen Gebiete erhielten Eigenregierung, wurden
der südafrikanischen Union einverleibt und sind
damit Glieder des britischen Weltreiches geworden.
Auch hinter diesem Kriege steht als Triebfeder der
kommerzielle Gedanke“ (S. 276,277). ObTreitschke
sich freuen würde, wenn er diese Früchte am Baum
der deutschen Geschichtsschreibung noch wahr¬
nehmen könnte? M. B.
Bruno Frank , Die Kelter. Ausgewählte Ge¬
dichte. München , Musarion-Verlag.
Kein großes Erleben, nur in dem „Requiem“
spürt man von fern etwas Aufwühlendes; seine
Mahnung: „Versäume dich Dicht zulange! Es ist
Zeit, Ans maßvoll Wirkliche dich hinzugeben“ be¬
folgt er selbst allenthalben. Gelegentlich sind die
Verse so sehr nur aneinandergereihte Gesichte,
Augenblicksbilder oder Einfälle, daß sie von der
Prosades Nichtkünstlers nicht gar weit entfernt sind.
Aber die eingehaltene mittlere Linie, eine fühlbare
formale Sicherheit und eine Ausdrucksform, die
frei ist von heute gewohnten Sprachgewaltsam-
keiten, geben den Versen Franks dennoch etwas
wohltuend Schlichtes und irgendwie Gefangenneh¬
mendes. Aber weil sie letzten Endes arm lassen,
so spendet diese „Kelter“ doch nur Duft und Rausch
des Augenblicks. Hans Knudsen.
Die Freude , Blätter einer neuen Gesinnung.
Herausgegeben von Wilhelm Uhde. Erster Band.
Burg Lauenstein (Oberfranken ), Die Freude , 1920.
Geheftet 60 M.
Enthielte dieser reiche Band nichts weiter als
den Beitrag Hans Siemsens „Über Kunstkritik“
mit seiner Ablehnung des überstiegenen Phrasen-
schwalls von gestern und heute, so wäre er schon
großen Dankes wert. Aber die Gesamtgesinnung
des Herausgebers und der zahlreichen andern Mit¬
arbeiter, die Weite der Seele und des Auges, die
edle Form und der Reichtum der Kunstgaben (auf
50 Tafeln) machen „Die Freude“ zu einem Organ
höchster Bildung. Sie flieht nicht in stolzer Ein¬
samkeit die Menge, sondern sie will ihre Gesinnung
ausbreiten. Ob sie durch die faulige Oberschicht
in die gesunden Tiefen unseres Volkes hinabdringen
255
kann? Ob dieser Sinn für das Große und Starke
in die einfachen Herzen gepflanzt werden kann?
Ein Segen wäre es, und der Hoffnungsmut dieser,
von Uhde geführten Schar stärkt auch uns den
Glauben an das Wunderbare. „Neue Ziele“: Ver¬
innerlichung, Liebe, Friede und Freude, Ausbau
eines neuen, beseelten Deutschlands mit Hilfe neuer
Erziehung, die nun nicht gerade ausschließlich auf
Wynekens Ideen gegründet zu sein braucht^ das
wären die Grundlinien des Programms; die Kunst,
dichtende und bildende, füllt den Raum mit Klang
und Farbe. Und handelte es sich auch wieder ein¬
mal um eine edle Utopie — glücklich, daß wir
noch zu solchen Träumen von einer schöneren
Zukunft, zu solchem Erfassen des wenigen Edlen
der Gegenwart die Kraft haben! G—i.
Adolf Frey , Blumen. Ritornelle mit 16 farbigen
Bildern von Ernst Kreidolf. Erimb ach-Zürich und
Leipzig , Rotapfel-Verlag. In Halbleinen 45 M.
Kreidolfs guter Name gewinnt in diesen
süßlichen, durch den üblen Dreifarbendruck noch
gezuckerter anmutenden Blumenbildem keinen
neuen Klang. Und Freys Ritornelle würden den
starken und tiefen Schweizer kaum verraten, wenn
nicht ein paar Töne aus den dünngereimten Be-
gleitverschen etwas voller hervorklängen.
G—i.
Genius. Halbjahrsschrift für werdende und
alte Kunst. Erstes und zweites Halbjahrsbuch
1920. München , Kurt Wolff. Kartoniert 120 M.
Schön, daß der so viel verheißende erste Band
des „Genius“, der Ungunst der Zeit zum Trotz,
einen Nachfolger erhält Ohne Zweifel ist die Zeit¬
schrift unter ihresgleichen in der Gegenwart die
vornehmste, würdig, die Erbschaft des „Pan“, der
„Insel“ und des „Hyperion“ anzutreten. Verkör¬
perten jene drei die Stilepochen des ausgehenden
neunzehnten und des beginnenden zwanzigsten
Jahrhunderts mit ihren wider Willen noch immer
nach rückwärts gewandten Grundeinstellungen,
so ist nun der Blick entschieden von allem Ver¬
gangenen abgekehrt und mit bewußter Absicht
steht im Untertitel die werdende Kunst an erster
Stelle. Der Leitaufsatz Heises kündet dem Museum,
wie es ist, Krieg an, der folgende, mit zehn Bildern
und einem prächtigen Farbendruck geschmückte
Gosebruchs sucht in die Tiefen Schmidt-Rottluffs
einzudringen, des großen Erneuerers, der das Mor¬
genrot eines neuen Tages über dem Trümmerhaufen
unserer zerschlagenen, geschändeten Kultur herauf-
dämmera läßt. Und so geht es weiter zu dem
Zeichner Josephson, zu dem starkgearteten Holz¬
schneider Franz Masereel und zu den jung-öster¬
reichischen Malern. Dazwischen und darnach auch
Betrachtungen über exotische und ältere euro-
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UMIVERSITY OF CALIFORNIA
November-Dezember igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
päische Kunst, aber immer doch nur so erfaßt,
wie sie jüngstem Bekennertum verwandt erscheint.
Gleiches gilt von dem kleineren, der Dichtung
geltenden Teil mit Beiträgen von Mombert, dem
Neuling Alfred Brust, Anatole France, Nietzsche,
Bonseis, der Holländerin Henriette Roland-Holst.
Die Leistung Drugulins und Emil Herrmanns für
Text und Holzschnitte, Brockhaus ’ und Meisen¬
bachs für die Farbendrucke, Wolfs & Sohn für
die Originallithographie genügt den höchsten An¬
sprüchen, das edle Papier (heute der wichtigste
und am schwersten befriedigend zu beschaffende
Faktor) vollendet diesen glänzenden Eindruck.
* G. W.
Georgika. Das Wesen des Dichters — Stefan
George: Umriß seines Werkes — Umriß seiner
Wirkung. Heidelberg , Weißsche Universitätsbuch¬
handlung ; 1920.
Der ungenannte Verfasser hat das Menschen¬
tum und das Schaffen Georges klar erfaßt und
schön dargestellt. Seine Schrift eröffnet, in die
Tiefe dringend, den Zugang zu dem Reichtum der
Persönlichkeit und der Dichtungen, besser als es
irgendeiner der Vorgänger vermocht hat. Wird
auch das Wesen des Künstlers hier nur voh der
Seite angeschaut, wo die französischen Pamassiens
und ihre deutschen Nachfolger stehen, so ist doch
der so gewonnene Ausblick ohne Zweifel der höchste
im Bereich der gegenwärtigen Poesie. Reine, sorg¬
sam durchgebildete Sprachform, Klarheit des
Denkens und edle Gesinnung kennzeichnen die
schöne Schrift als Frucht jenes Samens, den kein
Zeitgenosse so reich ausgestreut hat wie Stefan
George. G. W.
Goethes Faust. Erster und zweiter Teil. Heraus¬
gegeben von Prof. Dr. Max Hecker. Mit Bildern
nach sieben Handzeichnungen von Goethe und zahl¬
reichen Illustrationen zeitgenössischer deutscher
Künstler, herausgegeben und eingeleitet von Franz
Neubert. Leipzig, J. J. Weber , 1921. In Leinen¬
band 34 M.
Der Name Heckers gibt für die Zuverlässigkeit
des Textes dieser neuen Faustausgabe die beste
Gewähr und darüber hinaus leistet er durch Zeichen¬
setzung und Schreibung dem Verständnis der Leser
vorteilhafte Hilfen. Den eigentlichen Reiz des
Buches bedeuten die Bilder, von Neubert sach¬
kundig erläutert. Er kann sieben Inszenierungs¬
skizzen des Dichters zu seinem größten Werke
darbieten, sechs davon bisher unbekannt, und er
fügt eine Fülle zeitgenössischer Faust-Bilder hinzu,
die von der Auffassung unmittelbar nach dem
Erscheinen sprechendes Zeugnis ablegen. Daß
Delacroix, der größte Maler, der noch zu Goethes
Lebzeiten den „Faust“ illustrierte, fehlt, kann mit
Bcibl. XIII, 17 257
dem Grundsatz, nur deutsche Erzeugnisse darzu-^
bieten, nicht völlig gerechtfertigt werden; aber
dies bedeutet den einzigen Einwand gegen die sehr
willkommene schöne Ausgabe. G. W.
Schweizerische Graphik. Vier Bände. Im Rhein-
Verlag zu Basel. Geb. je 12 M.
Der künstlerische Reichtum der Schweiz auf
graphischem Gebiet ist von jeher groß, größer als
auf anderen Feldern der Kunst. Die neue, nur
durch die Gemeinschaft des Themas verbundene
Bücherreihe bringt bisher in drei, von Albrecht
Baur herausgegebenen Bänden „ Landsknecht-
Kunst “ (Niklaus Manuel, Urs Graf, Holbein,
Stimmer u. a.), ,, Schöne alte Schweiz“, in den
Stichen Matthäus Merians, die freilich durch die
verkleinerten Strichätzungen nur zum Teil zu ihrer
vollen Wirkung gelangen, und „ Schweizerische
Graphik seit Hodler “, durch die vortrefflichen
Wiedergaben und die Künstlerbiographien beson¬
ders dankenswert und gleich den früheren Bänden
von dem Herausgeber mit sicherem Urteil kennt¬
nisreich eingeleitet. Etwas abseits steht „Der Anti-
Philister : Maler Distelis Kalender“. Von Jules
Coulin. Dieser Band ist eine Monographie über den
glänzenden Karikaturenzeichner, der mit seinem
,,Schweizerischen Bilderkalender“ seit 1839 gegen
die Philister zu Felde zog. Schon als die erste selb¬
ständige Behandlung des ausgezeichneten Künstlers
(nach der Schrift Hartmanns von 1861) wird das
reich geschmückte Büchlein sich Freunde er¬
werben. G. W.
Hagadah , Hebräischer Text. Mit 26 Bildern
nach Radierungen von Joseph Budko. Wien-Berlin,
R. Löwit, 1921. Geb. 25 M.
Joseph Budko hat gewiß sein Bestes aufge-
boten, dem nackten Hagadah-Hebräisch liebevoll
die Zier der Kunst zu leihen, ähnlich wie solche
durch Rudolf Schäfer dem Gesangbuch für die
ev.-luth. Landeskirche von Sachsen geworden. Daß
er selber von der, leider die Lupe des Betrachters
heischenden, Wiedergabe seiner Radierungen ganz
befriedigt sein wird, ist nicht anzunehmen. Von
ihren zarten Feinheiten im Drucke nichts verloren
gehen zu lassen, hätte doch wohl zu entsprechen¬
derem Papier gegriffen werden müssen. Nur daß
das ultra posse nemo obligatur auch dem Verleger
wird zugebilligt werden müssen. H. Haas.
Alfred von Hanstein , Die Feuer von Tenoch-
titlan. Roman aus vergangenen Tagen. Geb. 18 M.
— Die Sonnenjungfrau. Roman aus dem Kaiser¬
reich Tahuantinsuyn. Geb. 22 M. Stuttgart, Deutsche
Verlags-Anstalt, 1920.
Eine spannende, stellenweise höchst aufregende
Liebes- und Leidensgeschichte aus dem alten
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November- Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Mexiko. Sehr geschickt erfunden und auf den
Hintergrund der Kaiserstadt Tenochtitlan, ihres
grausigen Kults und ihrer wundersamen Natur¬
schönheit gezeichnet. Hanstein kennt diese ver¬
sunkene Welt aus ihren Urkunden und Ruinen,
und sie ersteht in seiner Phantasie zu neuem,
überzeugendem Leben. Der Roman verdient unter
den ethnographisch-geschichtlichen Erzählungen
eine besonders hohe Steile und wird zumal jugend¬
liche Geister aufs stärkste anregen. —,,Die Sonnen¬
jungfrau 1 * verläuft nach dem gleichen uralten
Märchen - Schema. Liebhaber-Hirt und Geliebte
werden nach allerlei Gefahren König und Königin.
Der Schauplatz ist diesmal das Inka-Reich, drei
Jahrhunderte vor der spanischen Eroberung, und
wieder hat Hanstein Geschichte und Archäologie
wohl zu nutzen gewußt. G. W.
A. Hauschner , Nachtgespräche. (Die Bücher¬
lese.) Leipzig , Paul List.
Eine Rahmengeschichte: Der Eisenbahnzug
kann nachts, bei einem kleinen Dorf, nicht weiter;
die Reisenden machen sich in einer Bauernstube
Licht und Feuer und erzählen, ohne ihre Namen
zu nennen, Geschichten aus ihrem Innern, am
schönsten die Frauen, deren eine auch im letzten
Stück, einem wirklichen Abgesang bester Art, das
Schlußwort für alle sprechen darf. Zu voller Be¬
wältigung dieser schwersten Kunstform, der Va¬
riation, gehört freilich mehr als das freundlich¬
angenehme Erzählertalent und die offenbare Freude
am Verschiedenen, die August Hauschner zu eigen
sind. Ein kleiner, aber bezeichnender Zug der
Unsicherheit ist zum Beispiel, daß sie zwar von
dem Unbekanntsein und Ungenanntsein der er¬
zählenden zusammengewürfelten Menschen aus¬
geht, aber dann doch die meisten von ihnen so
beschreibt, daß ihre Visitenkarten uns keineswegs
mehr sagen könnten als diese Beschreibung. Der
Herr der Form ließe uns die Art der Menschen aus
ihrem Erzählen sehen, in dem nur vielleicht.hier
und da ein Stocken oder Verschweigen, eine ge¬
wollte Lücke einer Geschichte dramatisch wirken
dürfte. M. B.
Heinrich Heine , Sämtliche Werke. Registerband
von Paul Neuburger. Leipzig , Insel-Verlag , 1920.
Es zeugt von dem Opfermut des deutschen
Buchhandels, daß der längst vollendeten, treff¬
lichen Heine-Ausgabe Walzels in unserer Zeit dieser
Band an geschlossen wird. Ein „Geschäft“ ist da¬
mit auf keinen Fall zu machen; denn die Zahl
derer, die ein solches Hilfsmittel nach Gebühr zu
schätzen wissen, ist nicht groß genug, um die heut¬
zutage gewaltigen Kosten eines solchen, 274 Seiten
zählenden Registers zu decken. Desto dankbarer
müssen die Literarhistoriker und die ernsthaften
259
Heine-Leser — Freunde und Gegner — der ent¬
sagungsvollen Arbeit Neuburgers und der Ent¬
schlußkraft des Insel-Verlags sein. Denn für Stu¬
dium, Polemik, genießende Gesamtbetrachtung
wird ein bisher fehlendes Hilfsmittel in solcher
Form geboten, wie es praktischer, jeder Absicht
bequemer entgegenkommend und zuverlässiger
nicht zu denken wäre. In einem Alphabet ver¬
einigt sind sämtliche Eigennamen und Sachbegriffe
mit sorgsam gegliederten Unterabteilungen jedes
größeren Artikels, — bei den Autoren die Erwäh¬
nungen der Einzelwerke, bei den allgemeinen Aus¬
drücken ihre Sonderbedeutungen bis in die feinsten
Spielarten hinein — und so ist das Auffinden ge¬
suchter Stellen leicht, die Feststellung der Be¬
ziehungen Heines zu Menschen, Orten, geistigen
und künstlerischen Problemen ohne vieles Nach¬
schlagen möglich. Wer in irgend einer Richtung
sich mit Heine zu befassen hat, kann künftig das
Register Neuburgers nicht entbehren und wird
auf ihn dankbar das Goethewort anwenden: „Seine
durchgewachten Nächte haben unsern Tag erhellt“.
G. W.
Heinrich Heine , Prinzessin Sabbath. Mit 20
Steinzeichnungen von R. Hadl, 1921. (Vorzugs¬
drucke, herausgegeben von R. Hadl, Nr. 3.) Nr. A
bis D auf Kalbpergament, gebunden in braunem
Ecras6 oder blauem Maroquin 3500 M.; Nr. E—K
auf Japan-Bütten, ebenso gebunden, 2250 M.; Nr.
I—XXIII auf Kaiserlichem Japan in dunklem
Schweinsleder 1500 M.; Nr. XXIV—C auf Van
Gelder-Bütten und in gleichem Einband 1300 M.,
in Kalbpergament 1000 M., Kartoniert 700 M.,
ausschließlich Luxussteuer. Subskriptionen bei der
Offizin W. Drugulin in Leipzig.
Das tiefsinnige Gedicht Heines erscheint hier
in einem ungewöhnlich prunkvollen Gewand. Je
drei Strophen sind in den unteren Teil einer seiten¬
großen Lithographie Hadls eingedruckt, die den
Inhalt in der Art älterer Illustratoren versinnlicht
und glossiert. Sauber und ein wenig nüchtern be¬
gleiten so die Bilder den Text. Die Verbindung
beider mag nicht unbedenklich erscheinen; aber
ohne Zweifel haben die ausführenden Anstalten
(Jütte für die Steindrucke, Drugulin für den Buch¬
druck, Köllncr für die Einbände) ihr Bestes ge¬
leistet. G. W.
Norbert von Hellingralh f Hölderlin. Zwei Vor¬
träge. München , Hugo Bruckmann , 1921. In Papp¬
band 15 M.
Als Hellingrath am 14. Dezember 1916 fiel,
hatte er durch zwei aus reiner Liebe und eindring¬
lichster Forschung geborene Hölderlin-Bände be¬
reits sein überragendes Verständnis des Dichters
erwiesen. Noch deutlicher spricht es aus diesen
Vorträgen „Hölderlin und die Deutschen*' und
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’v Google
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November - Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschritt für Bücherfreunde
,,Hölderlins Wahnsinn“, die nun, mit Hellingraths
Bildnis geschmückt, ihm zur würdigsten Gedächt¬
nisschrift geworden sind. Man lese den ersten, um
Hölderlins Deutschtum, den zweiten, um die Tragik
seines Lebens und Dichtens tiefer als je zuvor zu
erkennen. G. W.
Max Herrmann , Cajetan Schaltermann. Roman.
München , Dreiländerverlag. (1921).
Wenn es mich treibt, in aller Nachdrücklichkeit
auf Max Herrmann und seinen Roman hinzuweisen,
so will ich darum nicht in den Fehler so vieler
Referenten verfallen, die sich gebärden, als wäre
das von ihnen gelobte Buch der Gipfelpunkt aller
verflossenen und kommenden Kunst. Dies ist Ca¬
jetan Schaltermann gewißlich nicht, vielleicht ist
es sogar sub specie aeternitatis ein schwaches Buch.
Trotzdem sei es empfohlen. Weil hier ein Dichter,
obschon er jung und obschon er Expressionist ist,
fernab von der Clique kraftloser, aber um so be-
klatschterer Wortjongleure in wahrhaft ehrlicher
Arbeit sich müht. Cajetan Schaltermann ist ein
J üngling mit kleinstädtisch spießbürgerlicher Seele,
der vergeblich durch Extravaganzen mehr zu wer¬
den versucht. Dies aber wird nicht mit der ätzenden
Spottlauge eines Sternheim begossen, nicht in der
dummüberheblichen Art der Kaffeehausgrößen ka¬
rikiert, die meist selbst nur emanzipierte Spießer
sind . . . durch eine straffe, ehrliche, durchblutete
Schilderung wird die Tragik dieser armen Seele uns
erschütternd nahe gebracht. Aber auch darauf
kommt es weniger an, als daß eben die Arbeit des
Dichters als solche so ehrlich ist. Und daß solche
Arbeit Förderung verlangt, die aus dem lite¬
rarischen Bolschewismus wieder Wege zum Neuauf¬
bau der Dichtung weist. E. E. S.
Klara Hofer , Goethes Ehe. Stuttgart , J. G.
Cotta*sehe Buchhandlung Nachf. VII, 411 S. Geh.
20 M., in Halbleinen 29 M.
Eine neue, mit leidenschaftlicher Liebe verfaßte
Verteidigung der Charlotte von Stein verbindet
sich mit der harten Anklage ihrer Nachfolgerin in
Goethes Herzen, der „Schmarotzerpflanze“ Chri¬
stiane Vulpius. Das Urteil ist eingegeben von edler
weiblicher Gesinnung, unterstützt durch beste
Kenntnis des Materials und vorgetragen mit hoher
Srhriftstellerbegabung. Niemand wird dieses Plai-
doyer ohne lebhafteste Teilnahme, wenn auch
schwerlich mit völliger Zustimmung, lesen.
_ G. W.
E. T. A. Ho ff mann, Signor Formica. Eine No¬
velle. Herausgegeben und mit 19 Radierungen
geschmückt von R. Hadl. Leipzig , Offizin W. Dru -
gulin. 128 Seiten Großfolio (50:65 cm) auf Van
Gelder-Bütten. 120 in der Presse numerierte Exem-
261
plare. In dunkelgrünem Kalblederband von R.
Köllner 4200 M., kartoniert auf echten Bünden
3000 M.
Dieser herrliche, an die höchsten Leistungen
der Bodoni-Presse gemahnende Druck gereicht dem
Herausgeber und der Offizin W. Drug ulin zu hoher
Ehre. Die Anordnung des Satzes, die tiefschwarzen
Lettern gestalten das Seitenbild zu einer Augen¬
weide für jeden, der die ästhetischen Werte edler
typographischer Kunst zu würdigen weiß. Material
und Einband stehen auf gleicher Stufe letzter Er¬
füllung aller bibliophilen Wünsche. Die Radierungen
Hadls sind sämtlich in den Text eingedruckt und
liefern zu ihm im Sinne alter, gediegener Illu¬
strationstechnik die begleitende Musik. Wenn je
die Bezeichnung des Prachtwerks ohne den üblen
Beiklang verflossener Zeiten berechtigt war, so
kommt sie dieser, in ihrer Art wohl einzigen Pu¬
blikation zu. G. W.
Johannes Hof mann. Die erste deutsche Schrift¬
stellerorganisation und die Schriftstellerbewegung.
Leipzig , Kurt Schultze , 1921.
Die kleine Schrift gibt erwünschte Kunde von
dem frühesten Versuch deutscher Schriftsteller,
sich zur Wahrung der Standesinteressen zusammen¬
zuschließen, und wirft dabei Blicke auf die Vor-
und Nachgeschichte dieses „Leipziger Literaten¬
vereins“ von 1842, alles mit gründlicher Sach¬
kenntnis und in klarer, geschmackvoller Darstel¬
lung. Vielleicht hätte auch die frühere Leipziger
Schriftsteller- und Künstlervereinigung, die „Sonn¬
tagsgesellschaft des Peter im Tunnel über der
Pleiße“ erwähnt werden sollen. Sie war, wie schon
der Name andeutet, ein Ableger des berühmten
„Tunnels über der Spree“. G. W.
Hölderlin , Hyperion. Mit Nachwort von Fried¬
rich Seebaß. Potsdam , Gustav Kiepenheuer. Geb.
10 M., in Halbleder 25 M.
Als Vorläufer der Gesamtausgabe der Werke Höl¬
derlins von Friedrich Seebaß und Hermann Kasack
erscheint sein Roman, zu dessen Kennzeichnung
nichts gesagt zu werden braucht, in einem schönen,
sorgsamen Druck zu billigem Preise. G. W.
Monty Jakobs, Ibsens Bühnentechnik. Dresden.
Sibyllen-Verlag. 208 S. Geh. 18 M.; geb. 23 M.
Sachlich und sorgfältig, dabei in durchweg
unterhaltsamer, bisweilen witziger Darstellung un¬
tersucht Jakobs die Mittel der Ibsenschen Bühnen¬
technik, die Mittel der Charakteristik, die Art der
Behandlung von Monolog und Dialog, das Steigern
und Spannen, die Kunst, Beziehungen unter den Per¬
sonen herzustellen, jene berühmte Ibsen-Methode,
die Vergangenheit aufzurollen, und schließlich
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November- Dezember ig2i
Neue Bücher und. Bilder
Zeitschritt für Bücherfreunde
eine Reihe einzelner Motive. Es kam Jakobs nicht
darauf an, dem geistigen Wege Ibsens nachzu¬
spüren, aber indem er zeigt, wie Ibsen z. B. in den
verschiedenen Lebensaltern das eine oder andere
bühnentechnische Problem löst, gibt er auch ein
Stück der Entwicklungsgeschichte des Künstlers.
Die jüngere Generation, die zu Strindberg hält,
kann hier lernen, daß Ibsens Bühnentechnik durch¬
aus nichts so Äußerliches ist, wie sie meint, und
auch der Ibsen-Freund, der oft den reibungslosen
Gang der Theatermaschine in seinen Dramen be¬
wundert hat oder aber durch ein Knarren dieser
Maschinerie peinlich berührt worden ist, wird viel¬
leicht erst durch die genaue Analyse einen tieferen
Blick in dieses vom geistigen Motor nicht zu tren¬
nende Räderwerk gewinnen und sich, bei manchem
Zweifel und Widerspruch im einzelnen, der Führung
Jakobs* gern anvertrauen. F. M.
TheodorKlaiber , Die deutsche Selbstbiographie.
Beschreibungen des Lebens, Memoiren, Tagebücher.
Stuttgart , J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung.
VIII, 358 S. Geh. 35 M., geb. 40 M.
Der vor einiger Zeit gestorbene Stuttgarter
Literarhistoriker Theodor Klaiber hat mit der Ge¬
schichte der deutschen Selbstbiographie seinem
vielseitigen Schaffen einen schönen Schlußstein ge¬
setzt. Im frühesten Mittelalter beginnend, regist¬
riert er die selbstbiographischen Zeugnisse bis za
Bebel und Bismarck, Fontane und Spitteier. Alle
wichtigen Werke sind ausführlich charakterisiert,
wobei allerdings nicht immer das bloße Nach¬
erzählen des Inhalts vermieden ist Besonders ein¬
gehend sind die berühmten autobiographischen
Werke wie Goethes „Dichtung und Wahrheit“ und
Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen“ behan¬
delt. Allgemeine Betrachtungen über den erziehe¬
rischen Wert der Selbstbiographien, über ihre Be¬
deutung als Geschichtsquelle erhöhen den Wert
des Werkes, das freilich auch noch manche Wünsche
unerfüllt läßt. So vermißt man genauere biblio¬
graphische Angaben bei den alten, selteneren Wer¬
ken; es wäre wohl für den Verfasser, dem die
Bücher Vorlagen, leicht gewesen, dem Leser hier
die notwendigsten Titclangaben zu machen, damit
ihm zeitraubendes Suchen erspart bliebe. Unge¬
schickt sind die Zitate aus modernen Werken über
die Quellen; sie wären allenfalls in .Anmerkungen
am Platze gewesen. Aber das sind nur technische
Mängel. Schwerwiegender sind die Bedenken gegen¬
über der ganzen aufzählenden chronologischen An¬
ordnung. Aufschlußreicher und fruchtbarer wäre
es doch wohl gewesen zu untersuchen, aus welcher
Geistesverfassung heraus Selbstbekenntnisse ge¬
geben wurden, welcher Anlaß zum Bekenntnis
führte, und vielleicht darnach Gruppen zu bilden.
Dann gäbe es etwa die großen Ruhmredner, die
Historiker, andere Schriften würden als Beichten im
263
eigentlichen Sinn, andere als Selbstrechtfertigungen
(Gottfried von Berlichingen, Bismarck) erscheinen.
Ansätze hierzu finden sich in den die Kapitel be¬
schließenden Übersichten hier und da, aber damit
wird wenig erreicht. Es wäre etwa die Frage zu
stellen gewesen: wie äußert sich in den Werken
der verschiedenen Zeiten die Selbstanalyse, wie
wird jeweils vom seelischen Leben gesprochen?
Bei solcher Betrachtung wäre wohl die innere Ent¬
wicklung der Selbstbiographie erst ganz deutlich
geworden. Aber selbst bei der gewählten Anord¬
nung hätte noch manches tiefer, geistiger ver¬
knüpft werden müssen. Wenn z. B. im Zeitalter
des großen Friedrich Memoiren von „Ausländs¬
deutschen“ ausdrücklich als besondere Gruppe zu¬
sammengefaßt wurden, so hätte auch gesagt wer¬
den müssen, ob sich die Memoiren dieser Ausländs¬
deutschen von anderen generell unterscheiden; ist
das nicht der Fall, dann bleibt die Trennung ganz
äußerlich und ist schließlich belanglos, sofern es
sich nicht nur um ein „Register“ handeln soll.
Was immer sich aber cinwenden läßt: als ein
erster Versuch, das ganze große Gebiet der deut¬
schen Selbstbiographie zu bewältigen, bleibt das
Werk wertvoll; bedauern muß man nur, daß Klaiber
nicht selbst bessernd und erweiternd daran fort¬
arbeiten durfte. Denn es wird sich nicht leicht
wieder ein so guter Kenner des ganzen Materials
finden. F. M.
Victor Klarwill , Der Fürst von Ligne. Erinne¬
rungen und Briefe. Aus dem Französischen über¬
setzt und herausgegeben. Mit 40 Bildbeilagen und
zwei Handschriften. Wien, Manz Verlag (1920).
In Ganzleder 500 M., in Halbleder 360 M., in Pappe
240 M., kartoniert 220 M.
„Der letzte Ritter, der letzte Soldat, der letzte
Causeur des 18. Jahrhunderts, ce favorit des Dieux
et des hommes, wie ihn Gentz nannte“, so steht
der Fürst Karl von Ligne, am Schlüsse eines ur¬
alten Geschlechts, verschwägert Kaisern und
Königen, mit denen er auf den Fuß der Gleich¬
berechtigung verkehrt; Kriegsmann und Schrift¬
steller; Buffon, Rousseau, Voltaire, Friedrich dem
Großen und Katharina, zuletzt noch Goethe nahe,
der dem Achtzigjährigen, als dieser 1814 dahin¬
gegangen, als den frohesten Manne des Jahrhunderts
das Requiem zu dichten beginnt. Ein wundersames
Leben war heiter zu Ende gegangen. Trotz schweren
Schicksalsschlägen, langen ärmlich verbrachten
Jahren, unbefriedigtem Ehrgeiz blieb rosenrot in
jedem Sinne die Farbe des bis zuletzt genußfrohen
Grandseigneurs. Seine „Memoiren“, Aphorismen
und Einzelbilder aus der hohen europäischen Ge¬
sellschaft, seine geistreichen, warmen Plauderbriefe,
durchweht von der Luft des ancien rögime, sind
bis jetzt nur französisch gedruckt und verdienen
doch die Verdeutschung wie wenige Denkmäler
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November-Dezember igai
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
jenes in Schönheit sterbenden Zeitalters. Klarwill
gibt sie uns so, daß kein berechtigter Wunsch un¬
erfüllt bleibt: gut übersetzt (wobei freilich so
manche Wortspiele erst wieder in den ursprüng¬
lichen Wortlaut zurückgedacht werden müssen,
um ihre Schlagkraft ganz zu empfinden), mit reich¬
lichen, zuverlässigen Erläuterungen und einer vor¬
trefflichen Biographie. Eine auserlesene Bilder¬
sammlung, zumeist aus der unvergleichlichen Wiener
Fideikommißbliothek und von J. Löwy in den
besten Verfahren wiedergegeben, begleitet und
schmückt den Text, der technisch tadellos, aber
leider in einer etwas langweiligen Antiqua gedruckt
ist. Die hervorragende Publikation bedeutet in
dieser freudenarmen Zeit einen Herzenstrost. Die
unverwüstliche Lebenskraft des alten Fürsten stärkt
den Mut und die heitere Grazie seiner Welt läßt
die Häßlichkeit der unsern vergessen. G. W.
Heinrich von Kleist , Die Marquise von O . . . .
Mit sechs Radierungen von Heinrich Heuser.
Leipzig , Friedrich Dehne. Nr. i—ioo auf echt
Bütten, in Halbleder; Nr. ioi— 300 auf Federleicht-
Papier, Radierungen auf Kunstdruck, in Halbperga¬
ment.
Die unveraltete Novelle Kleists in dem schönen
Druck Poeschels zu genießen und dabei die kräf¬
tigen, suggestiven Radierungen Heusers am Auge
vorüberziehen zu lassen, — das gewährt eindrucks¬
vollen Genuß, der durch den gesamten vornehmen
Habitus des Buches noch gesteigert wird. G. W.
Friedrich Kluge , Deutsche Sprachgeschichte.
Werden und Wachsen unserer Muttersprache von
ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Leipzig , Quelle
<S* Meyer , 1921. Geb. 30 M.
Kluge ist wie kaum ein anderer berufen, den
Vielen, denen unser geliebtes Deutsch mehr als
praktisches Ausdrucksmittel bedeutet, den Weg
zu tieferen Erkenntnissen zu weisen. Das haben
seine früheren wissenschaftlich gediegenen und zu¬
gleich für jeden verständlichen Bücher „Von Luther
bis Lessing“ und „Bunte Blätter“ bezeugt. Sie
galten vornehmlich der neueren und neuesten
Sprachentwicklung. Nun leitet er uns in dem neuen,
umfangreicheren Werk zu den Ursprüngen des
heutigen Zustands, der Vorgeschichte und den
Stadien bis zum Beginn des Neuhochdeutschen
zurück und zeigt, welche Gesetzmäßigkeiten und
Einflüsse das geschichtliche Werden bedingt
haben, alles in einer Darstellung von ebenso
vieler Sachkunde wie lebendiger Kraft, die den
Leser aufs gründlichste und angenehmste unter¬
richtet. Wer dies zu eigner oder anderer Belehrung
sucht, findet es nirgends besser als hier. Zu fort¬
gesetzter Beschäftigung mit den vielen Einzel¬
fragen wäre die Beigabe eines Literaturverzeich¬
nisses in den hoffentlich bald folgenden weiteren
Auflagen recht willkommen. G. W.
265
Adolf Freiherr von Knigge , Die Reise nach
Braunschweig. Ein komischer Roman. Essen, W.
Girardet, 1920.
In der Jugend hat uns die heitere Ge¬
schichte von den Dorfbewohnern, die vergebens
zur ersten Luftschiffahrt nach Braunschweig reisen,
im Reclamdruck ergötzt. Nun genießen wir sie
mit doppeltem Behagen in stattlichem Format,
geschmückt mit den Holzschnitten Osterwalds, die
sich dem Geiste der Erzählung so gut anschmiegen.
Der Herausgeber Heinz Amelung hat mit dieser
Gabe sicher so manchen Lesern eine heitere Stunde
geschenkt. P—e.
A. H. Kober, Geschichte der religiösen Dichtung
in Deutschland. Ein Beitrag zur Entwicklungsge¬
schichte der deutschen Seele. Essen, G. D. Baedeker,
1919. X, 348 S. in Halbleinen. Geb. 20 M.
Merkwürdig unsicher setzt das Buch ein. Gleich
die erste Seite erweckt gegen die Zuverlässigkeit
im Tatsächlichen ernste Bedenken, nicht minder
die schreckenerregende Behauptung der Vorrede,
der Verfasser habe alle Darstellungen der hier in
Betracht kommenden Persönlichkeiten, Zeitab¬
schnitte und Probleme gelesen. Immerhin zeigt er
sich in der einschlägigen Literatur gut bewandert,
weiß Streitfragen der Wissenschaft mit selbstän¬
digem Urteil zu erörtern und beherrscht den weit¬
schichtigen Stoff so vollkommen, daß ihm kein
schädigendes Übersehen wichtigerer Denkmäler
nachzuweisen ist. Uber dieser Fülle des Tatsäch¬
lichen steht seine Verwendung in einem Sinne, der
ebenso neu wie bedeutsam erscheint. Der Unter¬
titel des Buches zeigt eine Absicht an, die mit
überraschender Kraft erfüllt wurde: die Wand¬
lungen des deutschen Seelenlebens an der Hand der
Erzeugnisse religiöser Dichtung zu kennzeichnen.
Je näher die Schilderung dieser anderthalb Jahr¬
tausende der Gegenwart kommt, um so mehr ge¬
lingt es ihr, die Untertöne der Seelenstimmung
herauszuhören. Die Frömmigkeit solcher Naturen
wieDehmel, Hofmannsthal, Rilke, George, Mombert,
Werfel und die spezifische Religiosität Karl Rött-
gers wird am Schlüsse mit feinem und sicherem
Gefühl charakterisiert. Solche Vorzüge entschä¬
digen für Unebenheiten (Drama der Reformations¬
zeit), auch in der Anordnung (Lessing zwischen
Herder und Goethe!) und lassen das Buch als
rühmliche Leistung eines selbständigen Geistes
erscheinen. G. W.
Robert Kohlrausch, Deutsche Denkstätten in
Italien. Neue Folge. Stuttgart , Rob. Lutz.
Der Deutsche wandert gern, von sachkundiger
Hand geführt, über die Stätten, die ihm durch die
Großen seiner politischen und Geistesgeschichte
geweiht sind; zumal in jenem Lande, mit dem er
durch seine schicksalvolle Vergangenheit eng ver¬
knüpft war, und an das ihn heute noch, trotz allem,
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November-Dezember ig2i
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
was geschehen ist, unerwiderte Liebe und unstill¬
bare Sehnsucht kettet. Kohlrausch versteht es
meisterhaft in diesem zweiten Bande, so wie er es
im ersten getan, die Geister unserer deutschen Vor¬
fahren, die hier im Dienste einer im letzten Grunde
unerfüllbaren Idee oft als Sieger triumphiert haben,
öfter in tragischem Kampf unterlegen sind, zu
wecken und sie zum Sprechen zu bringen, daß sie
uns ihre oft von wildem Sagengerank umsponnenen
und für die meisten verschollenen Geschicke er¬
zählen. Aus feinstem Gefühl für die Reize der ita¬
lienischen Landschaft, aus melancholischen Träu¬
men, Trümmern und Erinnerungen, aus Wetter und
Wind, Sonne und Nacht des Landes, das er wie
wenige bis in seine weltfremdesten Winkel kennt,
braut er uns einen bittersüßen Trank, den wir in
Erinnerung an die großen heroischen Zeiten unserer
Vergangenheit mit tiefer Wehmut, aber auch in
stiller Dankbarkeit genießen. A. D.
Josef Körner , Das Nibelungenlied (Aus Natur
und Geisteswelt 591. Bd.) Leipzig und Berlin , B.G.
Teubner t 1921. Kart. 2,80 M. und 100% Teuerungs¬
zuschlag (warum also nicht 5,60 M. ?).
Der Titel ist irreführend. Nicht nur vom Lied,
sondern auch von der Nibelungensage, ihrem Wer¬
den und allen ihren Gestaltungen handelt Körner,
die zahlreichen Probleme klar aufzeigend und mit
eignem, nicht immer gesichertem, aber wohl er¬
wogenem Urteil prüfend, was die zahlreichen Vor¬
gänger zu ihrer Lösung beigebracht haben. Nament¬
lich jüngere Germanisten werden von dieser knap¬
pen Darlegung mannigfachen Nutzen haben. Einer
folgenden Auflage sollten Literaturverzeichnis und
Register nicht fehlen. G. W.
Frankfurter Liebhaberdrucke. Hauff, Phanta¬
sien vom Bremer Ratskeller. Mit 9 Lithographien,
Buchschmuck und Einband von Georg Poppe.
18 M. — Immermann, Münchhausen unter den
Ziegen. Mit 12 Lithographien, Buchschmuck und
Einband von Georg Poppe, Frankfurt a. M. % Frank¬
furter Verlags-Anstalt A.-G. 25 M.
Diese hübschen Bändchen in hohem Klein¬
oktavformat bereichern die nicht sehr große Zahl
solcher Bücher, die man feinfühligen Menschen
ohne Bedenken und ohne allzu hohen Aufwand
darbieten kann. Hier hat alles Qualität: Inhalt,
Druck, Papier und, für die gute Wirkung am ent¬
scheidendsten, die Leistung des trefflichen Gra¬
phikers Georg Poppe, der den sehr verschieden¬
artigen Humoren Hauffs und Immermanns in
gleichem Maße nachfühlend Ausdruck verleiht.
G. W.
267
Wolf gang Liepe , Elisabeth von Nassau-Saar¬
brücken. Entstehung und Anfänge des Prosa¬
romans in Deutschland. Halle a. 5 ., Max Niemeyer ,
1920. XVI, 277 S. Geh. 24 M., geb, 32 M.
Eine Untersuchung, die Scherers bekannte
Schrift von 1877 über die Anfänge des deutschen
Prosaromans ergänzt und auf Grund der in¬
zwischen erschienenen Literatur und eindringlicher
eigner Studien fortführt. Daß dabei über die Vor¬
gänger mit jugendlicher Strenge, aber nie unge¬
recht, Gericht gehalten wird, verleiht dem Ton
eine erfreuliche Frische, namentlich im ersten, all¬
gemeinen Teil, während im zweiten die Musterung
der Vorlagen und der vier Prosaromane Elisabeths
sehr gewissenhaft durchgeführt ist. Wertvolle
kultur- und literarhistorische Ergebnisse machen
das Buch auch über die wissenschaftlichen Fach¬
kreise hinaus anziehend für alle, die deutscher und
französischer Dichtung des ausgehenden Mittel¬
alters Teilnahme zu wenden. Der „bibliophile
Dilettantismus“ wird (S. 73 ff.) mit gutem Grunde
gestraft. G. W.
Thomas Mann , Wälsungenblut. Mit Stein¬
drucken von Th. Th. Heine. München , Phantasus-
Verlag. Privatdruck in 530 Exemplaren.
Dem Ruhme Thomas Manns wird von dieser
schwachen Satire kein neues Blatt Zuwachsen;
er wußte, weshalb er sie seit 1905 in seinem Pulte
barg. Hier geriet er in die Region des Schlaraffen¬
landes, das einst der Bruder Heinrich weit blutiger
geißelte und in der er selbst nie heimisch war.
Trotzdem — und vielleicht gerade wegen der Selt¬
samkeit wird dieses Nebenwerk dem Verehrer
Thomas Manns und dem Sammler wert sein, um
so mehr, da die Steinzeichnungen Th. Th. Heines
den Text aufs wirksamste ergänzen und sich typo¬
graphisch dem schönen Druck willig einschmiegen.
Papier und Einband vollendeten den guten biblio¬
philen Eindruck. G. W.
Agnes Miegel , Gedichte und Spiele. Jena , Eugen
Diederichs , 1920. Brosch. 10 M., geb. 15 M.
Gedichte und Spiele — der Titel ist fast zu
leicht für diese neuen Schöpfungen der bedeuten¬
den Balladendichterin. Fast in allen zittert der
Sturmschlag der Leidenschaft und weht der Hauch
des Todes. Selbst da, wo das Lachen des Lebens
erklingt, singt das Geheimnis des Lebens, das aus
dem Spiel in den großen, feierlichen Ernst führt.
Vielfältig sind Themata und Töne dieses Buches:
Klagelieder um Gefallene, im schlichten Paul
Gerhard-Ton oder in wehmütigem Grabschriftstil,
spukhafte Traumbilder, Volksliederzählung, Legen¬
denzauber, diö schauervolle romantische Ballade
und die prächtige Kunstballade, lyrisches Schluch¬
zen der Seele im Mondestau der Nacht, Lied der
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November-Dezember /921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
formbefreiten, wunschlosen Toten, die in der Selig¬
keit der göttlichen Allgegenwart versunken sind,
weltgeschichtliche Visionen und zuletzt in zwei
dramatischen Spielen jähes Sterben in Verzückung,
die wie Illusion höchsten Lebens ist, und liebendes
Sichlösen der Frau in Verzicht auf einen Besitz,
den sie mit so vielen Schatten und Erinnerungen
teilen müßte. Alles — Erzählung, Stimmung, Ge¬
fühl, Beschreibung, Handlung — gesagt mit hoher
Meisterschaft der Form, die Herbes und Süßes,
Hartes und Weiches, Klirrendes und Verschwie¬
genes, heißen Überschwang und leises Ahnen in
große, mit Sinn und Seele beladene Rhythmen zu
bannen vermag. Walther Küchler.
Martin Andersen Nexö , Stine Menschenkind.
III. Teil: Der Sündenfall. 234 S. — IV. Teil:
Das Fegefeuer. 195 S. Übers, aus dem Dänischen
von Herman Kiy. München, Albert Langen. Geh.
je 15 M., geb. 23 M.
Die Geschichte der kleinen Stine Menschen¬
kind, die vor Jahren verheißungsvoll begann, ist
in zwei neuen Bänden fortgeführt, und alle Erwar¬
tungen, die damals geweckt wurden, haben sich
erfüllt, wenn auch der Abschluß des Ganzen, soweit
man sehen kann, noch in weiter Ferne liegt. In
breiter Ausführlichkei t wird das elende DaseinStincs
als .Dienstmagd, zuerst auf dem Bauernhof, dann
in Kopenhagen, geschildert. Aber diese Breite
ist notwendig. Man denke an Nexös Hauptwerk
„Pelle der Eroberer“: auch dort mußte erst die
breite Grundlage geschaffen werden, die eine Dar¬
stellung der sozialen Bewegung der dänischen Arbei¬
terschaft tragen konnte. Ob in Stine die „Genossin“
Pelle zur Seite treten wird, bleibt abzuwarten.
Vorerst wird das arme Menschenkind, das so un¬
endlich reich an natürlichstem Fühlen und Denken
ist, zweimal in ehelose Mutterschaft gestoßen. In
den Nöten ihrer Dienstzeit kann sie die ganze Tapfer¬
keit bewähren, die ihr eigen ist. Wie in den ersten
Bänden bleibt uns auch hier nichts von ihrem Elend
erspart, aber auch die alte Heiterkeit ist da, die
sich aus dem natürlichen Zusammenklang der
Menschenherzen in Stines Armeleute-Welt ergibt.
Frauen vor allem sollten Stines Geschichte lesen.
Denn so wenig der Dichter im „Fegefeuer“ eine
tendenziöse Anklage der Dienstherrschaften beab¬
sichtigt hat, so sicher ersteht doch in der unbarm¬
herzig wahren Schilderung der Verhältnisse ein
Vorwurf und zugleich die Mahnung, im dienenden
Mädchen den Menschen zu achten. Erwartungsvoll
sieht man Stines fernerer Entwicklung entgegen.
_ F. M.
Martin Andersen Nexö , Die Leute auf Dangaard.
Drama in drei Akten. München , Albert Langen.
Der feine, starke Erzähler von Stine Menschen¬
kinds Schicksalen und Pelle dem Eroberer ist in
diesem derbschlächtigcn Volksstück nicht wieder-
269
zuerkennen. In der vornaturalistischen Zeit gab
es auch bei uns solche Schauspiele, meist mit Musik,
wo böse Leuteschinder ihre gerechte Strafe fanden
und biedere Knechte durch die Güte Gottes (von
der nun freilich keine Rede mehr ist) oder eigene
Tüchtigkeit den Lohn ihrer Treue ernteten. Aber
was soll uns diese altmodische Mache heute? Muß
denn jedes fremde Erzeugnis, wenn es hur einen
bekannten Namen trägt, verdeutscht werden ? Und
noch dazu so hölzern, wie es der (ungenannte)
Übersetzer hier getan hat ? G. W.
Wilhelm Niemeyer , Oluf Braren, der Maler von
Föhr, 1787—1839. Mit zehn Tafeln. Berlin, Furche-
Verlag, 1920. 75 M.
Dem zu Unrecht völlig vergessenen Maler von
Föhr, mit dem sich 1912 auf einer Ausstellung des
Hamburger Kunstvereins die Öffentlichkeit zum
erstenmal beschäftigt hat, widmet Niemeyer eine
feinsinnige Würdigung. Vom Bildnis, in dem seine
Stärke liegt, herkommend, entrichtet Braren, viel¬
leicht von Tischbein beeinflußt, der klassizistischen
Zeitströmung seinen Tribut und begibt sich auf
das Gebiet antikischcr Darstellungen. In einem
Kinderbildnis (im Besitz der Kunstgewerbeschule
zu Hamburg) erreicht er auch in dieser kühlen,
blutlosen Formensprache einmal ein ungewöhnlich
hohes Niveau. — Die vorzüglichen Reproduktionen
veranschaulichen ein klares Bild von Brarens stiller,
in sich ruhenden Kunst. Rosa Schapire.
Friedrich Nietzsche, Lieder des Prinzen Vogel¬
frei (4. Band der von Dr. Kurt Bock herausge¬
gebenen Bücherei „Der Strahlenkranz“.) Hannover,
Banas < 5 - Dette , 1920. 550 Exemplare.
Die Lieder des zur fröhlichen Wissenschaft
Genesenen sind Grundpfeiler einer ganzen Dich¬
tungsart geworden. Die prachtvolle Lebensfrische,
das neugeprägte Sprachgut, der hochgemute Ton
stolzer Bejahung — und dahinter das dunkle Weh
des Einsamen, alles stellt diese Gedichte in die
erste Reihe deutscher Lyrik. Sie sind wie wenige
andere edelster Gewandung würdig, wie sie ihnen
nun angelegt worden ist. Zweifarbig gedruckt, auf
schneeigem Bütten, gebunden in Halbpergament
bereitet das Buch außen und innen dem Auge
gleiche Befriedigung: kein Luxusdruck, sondern
eine Ausgabe für die „wenigen Edeln“. G. W.
Novellen in Gelb. München, C. O. Recht.
Gut gedruckt und aus der guten neueren
Erzählungsliteratur geschickt gewählt, eröffnen
folgende drei Bände die neue Bücherreihe: Turgen-
jeff. Der Duellant; Zola , Um eine Liebesnacht;
Heinrich Mann, Die Tote und andere Novellen.
Die Umschlagzeichnungen von Ottomar Starke
und, Josef Eberz erhöhten den erfreulichen Ein¬
druck. G. W.
270
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November-Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
Palatino-Bücher. Berlin , Karl Schnabel.
Die ganz in Kupfer gestochenen Bücher
früherer Jahrhunderte, die aristokratischste Form
typographischer Kunst, sind heute nicht wieder zu
beleben. Auch Wieyncks Maries-Druck der „Meta¬
morphosen“ bedeutet nur ein Surrogat, weil die
Schrift mechanisch auf die Platten übertragen
wurde. Als ein der alten Technik nahestehender
Ersatz dürfen die von Wieynck geleiteten Palatino-
Bücher betrachtet werden. Sie geben die Schrift
des Künstlers unmittelbar wieder und wirken so
mit der Frische eines Originals. Die bisher vor¬
liegenden dreizehn Stücke enthalten Dichtungen
von höchstem Wert, die solcher Wiedergabe (in
je 100 Exemplaren) würdig erscheinen: Hölderlin,
Schiller, Nietzsche, Mörike, Lessing, Fontane, Heine
und Goethe sind vertreten. Tiefer Schwarzdruck,
farbige Initialen und Anfangszeilen verbinden sich
zu anmutigen Seitenbildern und erfreuen das Auge
gleich dem Werke jener alten Miniatoren, die in
den Klöstern mit hohem Geschmack, warmer
Liebe und unsäglicher Geduld ihre Handschriften
fertigten. Wer nach gleich beschaulichen Stim¬
mungen verlangt, wird sie in diesen Drucken
finden, ohne daß doch archaisierende Nachahmung
den Geist der Gegenwart verleugnete. Die hübschen
Kleisterpapierhüllen mit Seidenfäden erhöhen den
Eindruck der liebenswürdigen Bände. G. W.
Jean Paul , Die wunderbare Gesellschaft in der
Neujahrsnacht. Mit 27 Federzeichnungen von Alfred
Kubin. München , R. Piper & Co., 1921. Groß-4 0 .
200 numerierte, vom Künstler handschriftlich sig¬
nierte Exemplare. — Dasselbe Werk mit 38 Litho¬
graphien von Walter Becker. Heidelberg , Richard
Weißbach, 1920. 8°. (Die Drucke des Argonauten¬
kreises, 1. Druck) 225 Exemplare, vom Künstler
handschriftlich signiert.
Die Vision Jean Pauls beim Jahrhundert¬
wechsel, die 1800 im Komischen Anhang zum
„Titan“ erschien, ist fast gleichzeitig von zwei
Künstlern der Gegenwart als Thema ergriffen
worden. Der bald verschwimmende, bald beinahe
nüchterne Charakter dieses wundersamen Capriccios
läßt sehr verschiedene Übersetzung ins Bildhafte zu.
So hat Kubin sich mehr an die real erfaßbaren,
Becker nur an die stimmungsmäßigen Elemente ge¬
halten. Kubin kommt seinem Ziele dank der vir¬
tuosen Technik und der höheren Bestimmtheit seiner
Federzeichnungen näher; Beckers weiche, die Ge¬
stalten leicht ins Bizarre verzerrende Lithographien
lassen dem eignen Mitschaffen der Leserphantasie
weiteren Raum. Indessen entfernt er sich doch
aus der Stilwelt Jean Pauls allzuweit, als daß hier
noch von Illustration gesprochen werden könnte,
während Kubins Sehart der des großen Franken
verwandt erscheint. Gedruckt sind beide Werlte —
das erste bei Knorr & Hirth in München, das zweite
271
für den Text bei Drugulin, für die Bilder bei Fried¬
rich Hornung in Heidelberg — hervorragend gut.
Schrift und Druck stehen auf den edlen Papieren
vortrefflich. G. W.
Die deutsche Philosophie der Gegenwart in
Selbstdarstellungen. Mit einer Einführung von
Dr. Raymund Schmidt. Leipzig , Felix Meiner , 1921.
2 Bände, in Halbleinen je 60 M.
Der neue, an sich schon vortreffliche Gedanke,
die deutsche Gegenwartsphilosophie in Selbst¬
porträts ihrer Haupt Vertreter sich widerspiegeln
zu lassen, hat sich weit über Erwarten in der Ver¬
wirklichung bewährt. Einmal durch fast vollzählige
Teilnahme der Führenden, daneben durch die
richtige Einstellung auf Schilderung der geistigen
Faktoren und ihrer Auswirkung im Werden und
Sein der Denktätigkeit jedes einzelnen Wahrheits¬
forschers. Die zwei starken Bände enthalten mit
guten Bildnissen und Schriftproben geschmückte
Selbstcharakteristiken von Barth, Becher, Driesch,
Joel, Meinong, Natorp, Rehmke, Volkelt, Adickes,
Baeumker, Jonas, Cohn, Cornelius, Groos, Höfler,
Troeltsch, Vaihinger. So entsteht ein Gesamtbild
der Zeit, wie es schwerlich auf andere Art so reich
und so bedeutungsvoll zu gewinnen wäre. Die
Mehrzahl der Aufsätze hat durch Form und per¬
sönlichen Reiz noch höhere Anziehungskraft ge¬
wonnen, und das schöne Werk bedeutet für jeden
am höheren Leben teilnehmenden Deutschen eines
der begehrenswertesten und erfreulichsten Besitz¬
tümer. G. W.
Robert Ricmann, Schwarzrotgold. Die politi¬
sche Geschichte des Bürgertums seit 1815. Leipzigs
Dieterichsche Verlagsbuchhandlung , 1921.
Eine interessantere und dankbarere Aufgabe als
die, die der Verfasser sich gestellt hat, läßt sich kaum
denken. Aber die Ausführung läßt leider manchen
Wunsch unbefriedigt. Was wir erhalten, ist ein aus
guten allgemeinen Kenntnissen geschöpfter Über¬
blick über die politische Geschichte des 19. Jahr¬
hunderts, die bald weitausholend über die Welt¬
meere greift, bald sich ganz auf Deutschland zu¬
rückzieht, hier viele unerhebliche Einzelheiten au9
der Parteigeschichte einstreut und in einer Um¬
schreibung der Weimarer Verfassung gipfelt. Was
etwa die ausführliche Erzählung der militärischen
Hauptereignisse des Weltkrieges mit einer' Ge¬
schichte des Bürgertums (im Umfang von wenig
über 200 Seiten!) zu tun hat, bleibt ebenso uner¬
findlich wie die bffcite, aber keineswegs tiefe Ana¬
lyse von Karl Marx* M Kapital“ oder der Bericht
über die Familien Verhältnisse August Bebels. Vom
Geiste dagegen, der in diesem Bürgertum lebendig
war und ist, von der Geschichte der liberalen Ideen ,
ohne die auch tiie politische Geschichte leer und
272
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November’Dezember 1921
Neue Bücher und Bilder
Zeitschrift für Bücherfreunde
kalt bleibt, erfahren wir so gut wie nichts. Die
apologetische Tendenz im Dienst bürgerlich-demo¬
kratischer Ideen, die klar hervortritt, mag heute,
wo dieses Bürgertum in scharfem Kampf um seine
Ehre und seine Existenz ringt, mag angesichts
mancher Verzerrung seines Wesens auch in wissen¬
schaftlichen Darstellungen ohne weiteres zugestan¬
den werden. Wer aber heute in Bismarck im wesent¬
lichen nur den preußischen Junker sehen kann, wer
die Philosophie Nietzsches als Ausdruck eines Bür¬
gerlichen, der lieber ein Adliger wäre, abtun zu
können meint, wer heute es wagt von der „als erle¬
digt geltenden Philosophie, der Hegelschen Spie¬
lerei der einander gebärenden Begriffe“ zu reden,
dem wird man, bei aller Würdigung seiner wissen¬
schaftlichen Verdienste auf anderen Gebieten, höch¬
stens «bei kleinstädtischen Bürgervereinsphilistem
ein Echo seiner hier geäußerten Anschauungen
prophezeien können. A. D.
James Rousseau , Robert Macaire. — Die Portier¬
frau. Zwei Bändchen mit Bildern von Honorö Dau-
mier. Berlin, Mauritius-Verlag, 1921. — Henry
Monnier , Die Geschichte des Spießbürgers. Mit
eigenen Zeichnungen. Berlin, Axel Juncker , 1919.
In Pappband 12 M., in Halbfranz 20 M., in Seide
60 M. — Walther Franke , Max oder die Seelen¬
haltung des Schiebers. Mit Bildern von Daumier.
Freiburg i. B., Ernst Guenther, 1920. Geh. n M.,
geb. 16 M.
Als der „Charivari“ unterdrückt wurde,
wandten sich die genialen Zeichner dieses größten
aller politischen Karikaturblätter der Gesellschafts¬
satire zu. Daumier behielt den von ihm geschaf¬
fenen Typus des Robert Macaire als Symbol alles
bürgerlichen Gaunertums bei, ließ sich von Rous¬
seau die „Physiologie“ dieses Helden und so man¬
cher anderer Typen schreiben. Wer die Büchlein
heute erlangt, genießt sie als historische Kostbar¬
keiten, gleich den nahe verwandten Monniers. Aber
das ist dj>ch kein Grund, diese Dinge nun zu ver¬
deutschen, die mit der ursprünglichen Sprache
auch allen in ihr aufbewahrten Reiz einbüßen. —
Will man Daumiers Bilder neu beleben, ihnen ihre
ursprüngliche Bestimmung als Illustrationen lassen,
so gehört für heutige Deutsche dazu ein neuer
Text. An allen möglichen Sorten neuer Robert
Macaires fehlt es dazu bei uns nicht. Deshalb
war es ein überaus glücklicher Gedanke Walther
Frankes, zu seiner Physiologie des Schiebers sich
der Bilder Daumiers zu bedienen. Der scharfe
Witz, die Erfindungsgabe und die überlegene Hal¬
tung des jungen Deutschen gehen mit den gleichen
Eigenschaften des alten großen Franzosen trefflich
zusammen. So ist ein Büchlein entstanden, das
als einheitliches Kunstwerk, als heiterer Seelen¬
trost besseren Menschen eine erquickliche Stunde
bereiten kann. G. W.
Beibl. XIII, 18 273
J. J. Rousseau, Die neue Heloise. Mit 24 Kup¬
fern von Chodowiecki und Gravelot. Zwei Bände.
Berlin, Pantheon- Verlag. Vorzugsausgabe Nr. I—C
auf Bünden in 3 Ganzlederbänden 1200 M.; Nr. 1
bis 100 auf Hadernpapier in 2 Ganzlederbänden
800 M.; Nr. 101—200 in 2 Halblederbänden 300 M.;
Nr. 201—250 in 2 Halbpergamentbänden 300 M.,
auf holzfreiem Papier in Halbpergament 150 M.,
in Ganzleinen 100 M., in Pappe 50 M.
Die „Neue Heloise“ zählt zu den geschichtlich
bedeutsamsten Denkmälern des europäischen Ro¬
mans, für uns Deutsche wichtig auch durch ihre vor¬
bildliche Einwirkung auf den „Werther“ Goethes.
Darüber hinaus atmet das leidenschafterfüllte Bild
der selig - unseligen Leidenschaft Julies und St.
Preux* noch jetzt eine fast unverminderte Glut,
um so mehr, wenn durch Kürzung die heute
weniger anziehenden moralisierenden Partien ein¬
geschränkt werden. Diese Aufgabe hat Curt
Moreck als Herausgeber gewandt erfüllt, indem
er die alte Übersetzung von Gellius zugrunde
legte, ohne freilich in den wenigen Sätzen seines
Nachworts dem Leser den richtigen Standpunkt
zu Rousseau und seinem Werke zu geben. Indessen
wird die Mehrzahl der Besitzer ihre Freude an
den schönen Bänden dadurch nicht gemindert
fühlen. Papier, Satz und Druck der Reichsdruckerei,
Einbände sind vollendet gut zu nennen. Die beiden
Reihen der Stiche Chodowieckis und Gravelots
bilden in ganz vortrefflichen Reproduktionen einen
erlesenen Schmuck, zugleich an der Hand des deut¬
schen und des französischen Illustrators zu mannig¬
fachen vergleichenden Betrachtungen anregend.
Die Preise, zumal der unnumerierten Ausgaben,
können als durchaus mäßig gelten. G. W.
Martin Sommerfeld, Friedrich Nicolai und der
Sturm und Drang. Ein Beitrag zur Geschichte der
deutschen Aufklärung. Mit einem Anhang: Briefe
aus Nicolais Nachlaß. Halle a. S., Max Niemeyer,
1921. Geh. 48 M.
In meiner grünenden Jugend bereitete ich eine
Geschichte der,, Allgemeinen DeutschenBibliothek* ‘
vor, um an diesem Organ das Wesen der Aufklärung
und ihr Verhalten zu den folgenden Stadien der
deutschen Geistesentwicklung nachzuweisen, wo¬
bei auch auf den vielgeschmähten Herausgeber
Nicolai gerechteres Licht fallen sollte. Diese Ab¬
sicht ‘wurde durch andere, 4 r i n £ en d ere Arbeiten
immer wieder gekreuzt, und jetzt kann ich kaum
noch auf ihre Verwirklichung hoffen. Um so mehr
freue ich mich, das von mir Geplante nun durch
eine jüngere Kraft ausgeführt zu sehen. Sommer¬
feld hat gründlich, kenntnisreich und mit sicherem
Urteil Nicolai als Kritiker charakterisiert, die
Grenzen seines künstlerischen Auffassungsver¬
mögens festgestellt und daraus seine Stellung zu
Klopstock und dessen Kreis, zu Gerstenberg,
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November-Dezember IQ2I
Drucke der Dehmel-Gesellschaft
Zeitschrift für Bücherfreunde
Hamann, Jacobi und Herder, sowie deren Ver¬
halten zu ihm dargelegt. Er war keineswegs der
unbedingte, philisterhafte Gegner des Sturmes und
Dranges, insbesondere hat er die künstlerische
Größe Goethes und seines ,,Werther“ sehr wohl
empfunden, nur von der moralischen Seite her
protestieren zu müssen geglaubt, wie übrigens
auch so manche andere geistig hochstehende Zeit¬
genossen, und er hat dafür beim Erscheinen der
berüchtigten „Freuden des jungen Werther“ fast
einstimmige Zustimmung erfahren. Schade, daß
der Kreis des wertvollen Buches mit Rücksicht
auf die Zeitumstande enger als ursprünglich be¬
absichtigt gezogen werden mußte; aber auch in
der vorliegenden Gestalt bildet es eine wesens¬
verwandte, aus gleicher wissenschaftlicher Ein¬
stellung hervorgegangene Ergänzung zu Ungers
„Hamann und die Aufklärung“. G. W.
Albert Verwey , Europäische Aufsätze. Aus dem
Holländischen übertragen von Hilde Telschow.
Leipzig , Insel-Verlag , 1919.
Wenn es einen guten Europäer nach dem
Herzen Nietzsches gibt, so ist es Verwey. Kein
weichlicher Pazifist, der die Zeit schon gekommen
meinte, da das Lamm neben dem Löwen weidet;
aber ein Mann mit aufgeschlossenem Sinne für das
Leben, die Verkörperung des kultivierten Holländer -
tums, zugleich ein Dichter und Schriftsteller höch¬
ster Begabtheit und höchster Selbstkultur. Wer
unter den heutigen Deutschen den Verkehr mit
einem solchen Manne sucht, seine immer selbstän¬
digen und meisterhaft geformten Essais, vorzüglich
über deutsche Literatur und Kunst, genießt, der
wandelt in einer Region heiterernster Geistigkeit,
in die nicht mehr die trüben und grellen Töne des
Zeitlichen hineinklingen. So ist der schöne, starke
Band von 414 Seiten gerade heute eine Seelenspeise
von auf richtender und beruhigender Kraft. Die
vortreffliche Übersetzung erscheint des Inhalts
würdig. G. W.
Vom Altertum zur Gegenwart. Die Kulturzu-
sammenhänge in den Hauptepochen und auf den
Hauptgebieten. Skizzen von F. Boll, L. Curtius,
A. Dopsch, E. Fraenkel usw. Zweite, vermehrte
Auflage. Leipzig und Berlin , B. G. Teubner , 1921.
Geh. 15 M., geb. 18 M.
Wir haben die hervorragende Aufsatzreihe bei
ihrem ersten Erscheinen nach Gebühr gerühmt
(Jahrg. 11, S. 503 f.) und freuen uns, nun wieder
auf sie hinweiscn zu könnfcn. Gilt es doch jetzt,
mehr denn je, aufzuzeigen, wie von der großen
geistigen Überlieferung des Altertums in alle Lebens¬
gebiete nahrungspendende Flüsse sich ergossen
haben und noch ergießen, wenn ihr Segen nicht
töricht und gewaltsam zurückgedämmt wird. Dieser
275
Nachweis wird hier von den Berufensten geführt,
in der zweiten Auflage noch vollständiger, da das
Alte vielfach geändert und — namentlich durch
nützliche Literaturangaben — gemehrt erscheint,
außerdem aber durch neue Aufsätze über „Die
Literatur der Romania“ von Klemperer, „Englische
Literatur“ von Imelmann und „Die Nachwirkung
des antiken Staatslebens und der antiken Staats¬
theorie in der Neuzeit“ von Wahl. Man sieht, die
Herausgeber, Eduard Norden und Dr. A. Giesecke-
Teubner, haben den Erfolg als Verpflichtung im
edelsten Sinne aufgefaßt. G. W.
Frank Wedekind , Gesammelte Werke. Sieben t er
und neunter Band. München , Georg Müller.
Der (nach dem bereits angezeigten achten Band)
erschienene siebente bringt alles bei Wedekinds
Lebzeiten gedruckte, was in den Werken noch
fehlte; der letzte kehrt, wie üblich, zusammen,
was der Tote mit gutem Grunde in sein Pult ge¬
schlossen oder im Keimen bereits als nicht lebens¬
fähig erkannt hat. Immerhin ist doch einiges, als
Vorarbeit oder wegen seines Mangels an jeglicher
Qualität, verworfen worden. Die Entwürfe deuten
zum Teil über den letzten Wedekind noch hinaus
und werden Bewunderern das Bild des amoralischen
Moralisten mit erhöhtem Glanze umklären. Er
war kein Essayist, und die nun gesammelten Auf¬
sätze hätten sich fast alle mit dem Eintagsdasein
begnügen dürfen. Anders die wichtigen Vorworte
und Bemerkungen zu den eignen Werken, eine
wirklich sehr aufschlußreiche Zusammenstellung,
die durch das verständnisvolle Nachwort Joachim
Friedenthals aufs beste ergänzt wird. G. W.
Drucke der Dehmel-Gesellschaft.
Unter der Leitung des Dichters AlfredfAombert y
des Hamburger Literarhistorikers Prof. Dr. Petsch
und von Gustav Kirstein ist vor einigen Monaten
die Dehmel-Gesellschaft gegründet worden, der
heute schon eine stattliche Anzahl von Mitgliedern
aus allen Teilen Deutschlands angehört und deren
Ziele folgende sind: im Nachlaß Richard Dehmels
hat sich eine Reihe außerordentlich interessanter,
wertvoller Manuskripte, Entwürfe und Briefe ge¬
funden, die für die Aufnahme in die Gesammelten
Werke des Dichters weniger geeignet, dafür aber
für seine Freunde und Verehrer in Gestalt von
Privatdrucken von umso größerer Bedeutung sind,
weil sie das Bild des Dichters in wesentlichen und
intimen Zügen ergänzen. Als Beginn dieser Ver¬
öffentlichungen ist ein Jugendtagebuch aus dem
Jahre 1893/94 soeben als erster Druck der Dehmel-
Gesellschaft herausgegeben worden, gedruckt unter
Leitung von Walter Tiemann und E. R. Weiß in
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November-Dezember 1921
Kleine Mitteilungen
Zeitschrift für Bücherfreunde
der Leipziger Akademie, in einer Auflage, die der
höchsten Zahl, die die Gesellschaft umfassen soll,
entspricht: nämlich 500. Diese geschlossene Zahl
ist schon deshalb gewählt, um neben dem privaten
Charakter der Gesellschaft den Drucken ihren
hohen bibliophilen Wert zu sichern.
Das Jugendtagebuch, das, wie gesagt, jetzt er¬
schienen ist, stammt aus einem der Wendekreise
in Richard Dehmels Leben: es beginnt mit einem
Briefe, den der eben Dreißigjährige, aus Italien
heimkehrend, an Hans Thoma schreibt, darin er
versucht mit sich selbst ins Reine zu kommen —
und endet mit der schwererkämpften Abschüttelung
der Berufsarbeit des Versicherungsmathematikers
und der vollen Hingabe an das freie Dichtertum.
Der nächste Druck der Gesellschaft soll im
Februar 1922 an Dehmels Todestage für die Mit¬
glieder ausgegeben werden; wahrscheinlich wird
dafür ein noch früheres Selbstbekenntnis, das sich
gefunden hat, gewählt werden.
Der Preis für das Jugendtagebuch beträgt
300 M.; von nun ab sollen aber die Drucke nur
100 M. kosten, sodaß jedes Mitglied der Dehmel-
Gesellschaft für einen Beitrag von 100 M. jährlich
einen Druck bekommt. Um jetzt noch eintretende
Mitglieder nicht zu schädigen, ist von dem Tage¬
buch eine Anzahl Exemplare reserviert, sodaß
jeder Subskribent in die Lage versetzt wird, seine
Reihe vollständig zu haben, selbst wenn er erst
jetzt nach Erscheinen des ersten Druckes der Ge¬
sellschaft beitritt.
Das gesamte Erträgnis der Dehmel-Gesellschaft
wird restlos einem gemeinnützigen Zwecke ge¬
widmet: es fließt vollständig der Dehmel-Stiftung
zu. Diese Stiftung haben die Erben des Dichters
errichtet, indem sie in Dehmels Wohnhaus in
Blankenese bei Hamburg den umfangreichen Nach¬
laß an Manuskripten, seinen ganzen sorgsam auf¬
bewahrten bedeutenden Briefwechsel und seine
Bibliothek als „Dehmel-Archiv“ belassen und der
Öffentlichkeit geschenkt haben. Das Dehmel-
Archiv bleibt in dem Hause des Dichters zur
Benutzung aufgestellt und soll in späteren Zeiten
einmal der Hamburger Universität zufallen. Die
Stiftung, die für die literarische Forschung der
Moderne von erheblicher Bedeutung ist, wird von
einem Kuratorium verwaltet, an dessen Spitze
Herr Dr. von Melle, der ehemalige Erste Bürger¬
meister Hamburgs, steht.
Der Beitritt zur Dehmel-Gesellschaft bietet
also den bibliophilen Sammlern Gelegenheit, sich
in den Besitz einer geschlossenen Reihe sehr wert¬
voller Privatdrucke zu setzen und dabei an der
Sicherung einer edlen Stiftung mitzuhelfen. Diese
Sicherung betrifft in erster Linie das Haus des
Dichters, das erhalten bleiben soll.
Die Geschäftsstelle der Gesellschaft ist in
Leipzig, Hospitalstr. 11 a. Zur Beitrittserklärung
liegt diesem Hefte eine Karte bei.
277
Kleine Mitteilungen.
Druckfehler-Berichtigung. In dem Aufsatz des
Herrn Professor Stuhlfauth: Weiteres zu Hans
Sächsischen Einzeldrucken, ist zu lesen: S. 117,
Absatz 2, letzte Zeile 48X10+ 24 = 482 und S. 118,
Anm. 3, letzte Zeile Scherer statt Valentiner.
Zu den „ Setzerteufeleien “ (Heft 5, Beiblatt
Sp. 227). Der Verlag Klinkhardt 6* Biermann in
Leipzig teilt uns mit, daß die „ rote Nase“ nur die
uns zugesandten Korrekturbogen schmückte und
vor dem Druck in eine „rote Rose“ verwandelt
worden ist.
Zu den Buchwidmungsbildern. I. Das Wid -
mungsblait des Wiener Dioskorides-Kodex. K. Schot¬
tenloher hat seiner verdienstvollen Zusammenstel¬
lung der Buchwidmungsbilder in dieser Zeitschrift
die Reservation der mangelnden Vollständigkeit
gleich mitgegeben, und es sei mir erlaubt, nicht
aus öder Splitterrichterei, sondern weil es sich um
ein Stück von ungewöhnlicher Bedeutung handelt,
die Lücke zu schließen, die in der Aufzählung
durch die Nichtbeachtung des in der Überschrift
genannten Widmungsbildes klafft. Handelt es sich
doch um den Erstling des erhaltenen Materiales,
der noch überdies zu einer Vertiefung der gesamten
Fragestellung zwingt.
Das Blatt ist der Gegenstand einer ausführ¬
lichen Abhandlung A. von Premersteins im XXIV.
Bande des Jahrbuches der kunsthistorischen Samm¬
lungen des A. Kaiserhauses (Wien 1903, S. 123ff.),
die von einer guten farbigen Abbildung begleitet ist.
Für alle Einzelheiten verweise ich auf diese Arbeit;
hier genügt die Her Übernahme folgender Ergebnisse.
(S. auch E. Diez in Byzantinische Denkmäler, hrsg.
von J.Strzygowski III. Wien 1903. S. 24ff. u.S.47ff.
Taf. IV, 1.) Anicia Juliana, eine Dame des höchsten
byzantinischen Adels, veranlasste zu Beginn des
6. Jahrhunderts die Herstellung der prunkvollen
Dioskorideshandschrift. Der Kodex beginnt mit
6 Miniaturblättern, von denen das letzte Juliana
auf einem Prunksessel zeigt, ihr zu Seiten die
„Großmut“ und die „Verständigkeit“, vor ihr als
kleine Figur kniend die „Dankbarkeit der Künste“;
ein beflügelter Putto, der „Wunsch der Kunst¬
gönnerin“, hält ihr ein Pflanzenbuch hin, und sie
zeigt mit stolzer Gebärde auf das Werk, das ihrer
Initiative seine Entstehung verdankt. Also ein
Widmungsbild, das — in die Sprache des Klassi¬
zismus übersetzt — zur Huldigung die Musen selbst
bemüht. Aber eine Widmung nicht im Sinne:
„Dir sei das Werk meiner Hände dargebracht,
verschmähe die Gabe nicht“, sondern in dem der
Verherrlichung der Bestellerin und zugleich wohl
auch in dem eines individualisierten Exlibris.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
November-Dezember 1921
Kataloge
Zeitschrift für Bücherfreunde
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Gerade darin scheint mir die besondere Bedeutung
des Blattes für unser Thema zu liegen, daß es auch
für die Folgezeit grundsätzlich die Frage nach dem
Sinne der einzelnen Widmung an lebende Personen
stellt: bedeutet sie die Bezeugung der intellek¬
tuellen Urheberschaft des Dargebrachten oder er¬
folgt eine Darbringung nur aus anderen Gründen ?
Wenn es sich auch an Bedeutung mit dem eben
besprochenen Blatte nicht messen kann, sei doch
auf das Widmungsblatt des Filokalus- Kalenders
hingewiesen, da es noch rund anderthalb Jahr¬
hunderte weiter zurückführt. Bekanntlich ist dieser
im Jahr 354 verfaßte Kalender uns nur noch aus
neuzeitlichen Nachbildungen bekannt. (J. Strzy-
gowsky, die Kalenderbilder des Chronographen vom
Jahre 354. Jahrbuch des k. d. archäol. Instituts.
1. Ergänzungsheft. Berlin 1888). Er trug auf dem
dekorativ behandelten Titelblatte (Strzygowski,
Taf. III. J. G. Graevius, Thesaurus antiquitatum
romanarum. Traject. ad Rhen. Lugd. Batavor.
1698 Fol. 95), an Inschriften neben der Verfasser-
angebe die Widmung an einen Valentinus in mehr¬
facher Form: Valentine floreas in deo; Valentine
lege feliciter; Valentine vivas floreas; Valentine
vivas gaudeas. R. Berliner.
II. Herr Bibliotheksdirektor Hans Fischer in
Bamberg verweist mich auf das kunstgeschichtlich
bedeutsame Doppelbild aus dem 11. Jahrhundert
in der Bamberger Handschrift Msc. Bibi. 95:
Kaiser Heinrich II. mit dem Buche, einer Evan¬
geliumhandschrift, auf Blatt 7 (Rückseite), ihm
gegenüber auf Blatt 8 (Vorderseite) „Sancta Maria
Theotokos“. Vgl. Friedrich Leitschuh und Hans
Fischer, Katalog der Handschriften der König¬
lichen Bibliothek zu Bamberg, Bd. 1, Abt. 1, Bam¬
berg 1895/1906, S. 80, und Hans Fischer im Zentral¬
blatt für Bibliothekswesen. 24. 1907, S. 367.
Karl Schottenloher.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
dea Herausgebers erbeten.
Ed. Beyers Nachf. in Wien I. Nr. 79. Vermischtes
279 Nm.
Friedrich Cohen in Bonn. Nr. 122. Philosophie
531 Nm.
Creutzer G. m. b. H. in Köln. Nr. 120. Folklore —
Altertumskunde — Kultur- und Literaturge¬
schichte 1139 Nm.
Gustav Fock in Leipzig. Anzeiger Nr. 140 und 141
— J. G. Fichte. Eine Sammlung von Werken
von und über ihn. Mit einer Einführung von
Univ.-Prof. Dr. Ernst Bergmann-Leipzig 624 Nm.
mit Register. — Bibliotheca Aldina. Eine Samm¬
lung von mehr als 500 Drucken des Aldus Manu-
tius und seiner Nachfolger. Mit einer Vorrede von
Geh. Rat Dr. phil. C. Boysen-Leipzig 511 Nm. —
Americana. Aus dem Besitz des Herrn Geheim¬
279
rats Prof. Dr. E. Seler-Berlin. — Codices Arabici.
Aus dem Besitz des Reisenden Dr. Burchardt,
mit Vorwort von Geh. Rat Prof. Dr. A. Fischer-
Leipzig 39 Nm.
Oskar Gerschel in Stuttgart. Nr. 94. Germanische
Sprachdenkmäler und Altertumskunde — Altere
deutsche Literatur 1417 Nrn. — Der Bücher¬
kasten, Jahrg. VII, Nr. 4. Vermischtes Nr. 2684
bis 3528.
Gilhofer 6* Ranschburg in Wien /. Nr. 139. Folklore
— Überseeische Reisen — Religionswissenschaft
2650 Nm.
Karl W. Hiersemann in Leipzig . Nr. 496. Mexiko,
Antillen, Zentralamerika 991 Nm. — Nr. 497.
Nordamerika 1036Nrn. — Nr. 498. Orientalische
Kunst 874 Nrn.
Franz Richard Holbach in Berleburg (Westf.) An¬
zeiger II/1921: Bibliographie, alte und neue
Bibliophilenbücher, Zeitschriften und Zeitungen
999 Nrn.
Holstein & Puppelin Berlin W15. Nr. 2. Ansichten,
Bildnisse 7161 Nm.
Rudolf Hönisch in Leipzig. Nr. 18. Vermischtes
1915 Nrn.
Max Hörhold in Leipzig. Vermischtes 928 Nm.
F.Karafiatin Brünn. Nr.48. Vermischtes 1201 Nrn.
Otto Ktifner in Berlin NW 6. Nr. 26. Kunst, Blätter
und Bücher 427 Nrn.
R. Levi in Stuttgart. Nr. 225. Vermischtes i25oNm.
Lipsius & Tischer in Kiel. Nr. 54. Vermischtes
2687 Nrn.
Friedrich Meyer in Leipzig. Nr. 161. Seltenheiten
und alte Drucke, Schmäh-, Spott- und Streit¬
schriften, Reinecke Fuchs usw. 403 Nm.
Leo S. Olschki in Florenz . Nr. 75. Vermischtes,
Bibliographie, Bibliophilie.
Ritter & Weise in Würzburg. Nr. 1. Deutsche und
fremde Literatur, Illustrierte Bücher 374 Nm.
Heinrich Rosenberg in Berlin W 15. Seltene und
schöne Bücher — Gerhart Hauptmann —
Kinderbücher.
Ferdinand Schöningh in Osnabrück. Nr. 200. Deut¬
sche Heimat-, Landes- und Ortskunde, Alte
Chroniken, Geschlechter- und Wappenkunde,
Urkunden, Bücher 2051 Nrn.
Dr. Ignaz Schwarz in Wien I. Nr. 3. Kunstliteratur
1899 Nrn.
Diesem Hefte der Zeitschrift für Bücherfreunde
sind Prospekte nachstehender Firmen beigelegt:
Robert Lutz, Stuttgart / Erich Reiss Ver¬
lag, Berlin I Dieterich’sche Verlagsbuch-
handl., Leipzig/Wiener Lit. Anstalt, Wien
Phantasus-Verlag, München / Fr. From-
mann’8 Verlag, Stuttgart / F. A. C Prcstel,
Frankfurt a. M*/Musarion-Verl., München
280
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UNIVERSrr OF CALIFORNIA
November-Dezember ig2i
A nzeigen
Zeitschrift für Bücherfreunde
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vom Dichter signiert
Das Werk erscheint im Trühjahr
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WALDEMAR BONSELS
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WALDEMAR BONSELS
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auf bolsfreie^ Sutten gebrucft. ©er I
Pergament = hanbbanb würbe oom 1
Äunftler mit ber$anb bemalt, bieOri*
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Butten gebrudt unt» tn $)alb*
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(©fe numerierte ©anjteber*
audgabe ift pergriffen.)
RÜTTEN&LOENING
FRANKFURT AM MAIN
RÜTTEN&LOENING
FRANKFURT AM MAIN
281 282
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November-Dezember ig2i
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■40 ©eften Sejrt unt» 41 tafeln mit 6 mehrfarbigen unt) 63 einfarbigen £(cf)tbru<fen
Vorwort unb frftffcfjer Äatalog von
Jr)an$ ‘Suchtet unb SRubolf OlbenBourg
Einmalige Auflage non 300 numerierten Qrjremplaren
3n Salbleöer 750 TH., in Jf)al6pergament 700 771, in ©anjleinen 600 771.
3oh. ftönig, SRatt). Äager, 3ob. SB. Baur, SR. Sdjamer, 3of. SBerner unb SR. oan Geer in grober Aeichhaltigleit auf*
treten. Da bte etnxelnen Silbchen, mal)llo* über* unb nebeneinanber gereift, in bie mit 3taat überlebe ne Oertäfelung
biefer eigenartigen ftunfttammer eingelaffen finb, toaren Jte bieder ber mtffenfchaftlichen gotf^ung ©erfd)Ioffen. Diefe erfte
unb moty auf lange hinaus einzige Seröffentlichung barf bafjer bat 3ntereffe ber Sammler unb ftorfÄer in befonberem
SRaße in Anfpruch nehmen; gumal fte alle bebeutenben Silber ber Sammlung in muftergflitigen fitchtbrucfen geigt.
(£tn 3afyrf)un&ert ?7lünc^en 1800—1900
3ei tgenoffifcf»e 73ilt»er unt» Dofumente
©efammelt unt» »on
®eorg 3 a coB SEÜolf
3toeite umgearbeitete u. vermehrte Auflage. 412 ©eiten mit 270 Ttbbflb. u. 33ef(agen
3n #alf>leinen&ant» 90 77tarf, in ©anateinen 100 77tarf
/ein Sud) ber (Erinnerung an ba* alte behagliche SRÜnAen! 3ebe Seite, bie man flberfiiegt, lagt mit Rümmer, aber
v einbringlicher Sora<he, bah ba* SRüncßen oon einft im Sterben Hegt unb ein anbere*, bem gemütlichen SRÜnchen
frembe* unb etfigtalte* SRÜnqien emporm&chR. ^ürftii^feilen, Staatsmänner, Brelbherren, Gelehrte, Äümtler, Dichter,
Sflrger unb Abenteurer bi* gu ben ©ollstümlichen Originalen plaubem in bem Suche ihre S«tgensgeheimniffe über SRün-
chen au*, fo baß ein fulturgefAlAtliches Sammelmerf entftanben ift, wie es in biefer grübe ber GeftAte unb Gefcßehniffe
über bie beutfehe Äunftmetropole SRÜnchen überhaupt noch nicht geschrieben xoorben iR. Ster hat nicht ein (Einzelner ben
Griffel angejefet, ^ter fchreibt ftch ein Sahrhunbert feine bebeutfamften (Erlebniffe oom Sergen.
(wem Dörfer 6taatsgeitung)
©ie ©rtöecfung ber 77tuncl)ner £anöfcl>aft
Silber unt» Dofumente «ui atoei 3al»rßunt>erten
©efammelt unb ßerau0gegeben oon
®eorg 3 acoB ^Dotf
®fn ftattlf<$er 53anb oon 400 ©eften mit 300 Tlbbil&ungen unb Beilagen
3n Salbleinenbant) 135 < 3Jlarf / in ©analeinen 150 TTlarf
cTNiefer neue Sanb geigt an Sanb ©on SeifebeJdjrelbungen, Berichten, Dagebuchblättern, Briefen unb bergl. unb eine*
reichen, größtenteils unbefannten Abbilbungsmaterials, mie bie Schönheit ber einft als häßlich oerfchrieenen SRünA«
ner Umgebung ©on Stünftlern unb anberen fteinfehmedern ber Staturfchönhett entbeeft unb basfianb gmifeßen SRÜnchen, SBafc*
mann unb 3ugfpiße, h«ute ba* iahrlidje Sfcifeglel ©ieler Saufenbe, bem Bertehr crfchloffen mürbe. Denen, bie ba* baptifAe
Alpenlanb gu lennen glauben, mtrb es manche Überreichung bringen, unb allen, bie e» lieben lernten, ungetrübten Genuß.
Profpefte mft Probebflbern foftenfotf burcf) alle ©ud^anblungen ober oom ©erfaß
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Zeitschrift für Bücherfreunde
:nno
Ü Neue Werke mit Originalgraphiken g
Jmax slevogt!
Ps „INSELN WAK WAK W . 57 Lithographien zum Märchen £2
S aus 1001 Nacht. Ausgabe A, 55 Exemplare, die Litho- =
El graphien auf Japan, jedes Blatt vom Künstler unterschrieben,
das Ganze in Mappe, durch Vorbestellung vergriffen. S
S Ausgabe B, Buchausgabe, Format 40,5:31,5 auf echtem S
Fl Handbütten, die Lithographien mit der Hand in den Text ein* u
E 2 gedruckt, einmalige Aufl. 360 Exempl. Preis etwa M. 3500.— SS
O „DIE TAPFEREN ZEHNTAUSEND“. 32 Federlithogra- 0
£2 phien zu Xenophon. Ausgabe A, 50Exempl.derLithogr. “
ohne Text auf kais. Japan, jedes Blatt vom Künstler unter- p§
§=E schrieben, das Ganze in Mappe, durch Vorbestellung vergriffen.
§=s Ausgabe B, Buchausgabe, 400 Exemplare auf Handbütten, PI
|=| die Lithographien werden mit der Hand in den Text ein- §=§
g gedruckt, Preis etwa M. 1800.— S
Ejf „HEKTOR“. 9 Lithographien zur Ilias auf echtem China, S
§b§ Auflage 50 Exemplare, jedes Blatt vom Künstler unter- =
n schrieben. Das Ganze in Pergamentmappe mit einer zehnten gj|
§5 Originallithogr. des Künstlers, durch Vorbestellung vergriffen. ö
Q „KINDERLIEDER, TIERFABELN UND MÄRCHEN“. §
«S Mit 42 in Holz geschnittenen Zeichnungen, Ausgabe A,
W die Holzschnitte auf China auf der Handpresse gedruckt fz|
pE ohne Text in Passepartouts und in Mappe, jeder Druck P?
§=f vom Künstler unterschrieben, durch Vorbestellung vergriffen.
El Ausgabe B, Buchausgabe, auf reinem Hadernpapier, die §=§
£3 Holzschnitte auf der Handpresse von der Reichsdruckerei §£|
:Rs eingedruckt, Auflage 600 Exemplare, Preis etwa M. 1500.— fe|
I MAX LIEBERMANN |
£3 „GOETHES NOVELLE“. Mit 19 in Holz geschnittenen
n Zeichnungen. Ausgabe A, die Holzschn. auf China auf der gf
5-5 Handpresse gedr. ohne Text in Passepartouts u. in Mappe, jed. |F§
« Druck vom Künstler unterschrieben, Preis etwa M. 3000.— p|
|§ Ausgabe B, Buchausgabe auf reinem Hadernpapier, die £|
pEE Holzschnitte auf der Handpresse von der Reichsdruckerei Pg
5=5 eingedruckt, Auflage 600 Exemplare, Preis etwa M. 1500.— §=§
Ilovis corinth|
§ „FRAU CONNETABLE“. Lithographien zu Honor 6 de g§
j=I Balzac. Gleichfalls in zwei einmaligen Ausgaben, wie die =§
£2 oben genannten Werke.
SIE Ausgabe A in 50 numerierten Exemplaren je ca. M. 2500.— gsj
=-= Ausgabe B in 380 numerierten Exemplaren je ca. M. 1000.— u
| BRUNO CASSIRER VERLAG * BERLIN |
*87 288
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Zeitschrift für Bücherfreunde
* * *
DER LEUCHTER
WELTANSCHAUUNG UND LEBENSGESTALTUNG
JAHRBUCH DER SCHULE DER WEISHEIT IN DARMSTADT
DER WEG ZUR VOLLENDUNG
MITTEILUNGEN DER SCHULE DER WEISHEIT IN DARMSTADT
GRAF HERMANN KEYSERLING
DAS REISETAGEBUCH EINES PHILOSOPHEN / DAS GEFÜGE
DER WELT / UNSTERBLICHKEIT / PHILOSOPHIE ALS KUNST
LEOPOLD ZIEGLER
GESTALTWANDEL DER GÖTTER / DER EWIGE BUDDHO
FLORENTINISCHE INTRODUKTION ZU
EINER PHILOSOPHIE DER ARCHITEKTUR
GOTTFRIED WILH. LEIBNIZ
MONUMENTALAUSGABE
SÄMTLICHER SCHRIFTEN UND BRIEFE, HERAUSGEGEBEN
VON DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
SCHULE DER WEISHEIT
GESELLSCHAFT FÜR FREIE PHILOSOPHIE IN DARMSTADT
AUSFÜHRLICHE MITTEILUNGEN IN
REICHLS VERLAGSBERICHT 1921
DER AUF WUNSCH KOSTENLOS
UND PORTOFREI ZUGESTELLT WIRD
OTTO REICHL VERLAG • DARMSTADT
Beibl. xni, rp
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November-Dezember igai
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Zeitschrift für Bücherfreunde
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Verlag © t r e <f e r nnb ©©r6ber,©tMttgart
ScrtRoffe Ttenerfd^einnngcn:
tityriftafler, Berborgenbeit. Vornan. Jpalbleinenbanb SW. 25.—, @an|leinmbanb . SW. 30.—
Die grobe Sbrlftenergemelnbe wirb bat ®u© gum 60. ©eburtotag ber Dl©tertn bcrjtfi© begrüben.
£ub»i§ 2)fe$t, (Sufo. Der Woman eine* berufnen ©eelenmenf^en. J^albletnenbanb SW. 30.—,
Scittenbanb mit $arbfc&mtt.SW. 40.—
.DaoVu© gibt mit grober gu bi©tertf<b«r 6*önbeft aufitetaenber ©mpftnbungafraft einem neuen
Öbealiamus tfusbrud, ber ni©t ettoa grüblerifcp auf ben ©eift bet fiefert brütft, fonbem mtt feiner
befonberen Hrt tbealer Sebensbeiabung befrelenb mtrtt.“ Kölntfdjc 3eitung.
3taria 3t Giften!, Dfe Bäuerin an ber Gtaig. Srjäblungtn. ^albletnenbanb . . . . SW. 20.—
©ef©i<bten. bie tote £eben*berid)te anmuten. Stiebt bte Sentimentale, oerguderte SauembarfteOung,
fonbem ein habhafter ReaUamuo bat bk* bie Ofebex geführt.
ftfutgettriftfie Gfbifftte Goetftea. Erläutert von Soren) Straub, £alblemenbanb . SW. 30.—
Der fiefer rotrb gu ttefftem ©enuh ber (ünftierifAen fform ber ©ebt©te angeleitet, (nbeut fic fbn
auf ben Sau, Stbptbmus, Klangfarbe, SBorttoagl u. bgl. aufmerffaifi_iia©t.
Gafpät ©atrib Jritbridf, Bi* romantifeftf Canbfäaff. Dofumente unb ©Über. JperauA:
gegeben oon Otto $if<fter. kartoniert SW. 22.—, gebunben.SW. 35.—
Die |©5nfien ber £anbf©aftobtlbet grtebrt©« finb bler auagemObit unb tn groben, guten IBteber*
gaben bargeboten.
£itfr(obCfQlt40df>t!t (auf fetnffem ftolgfreienf apier in numerierten (Sfemplaftn):
£nb»<§ ©feftl, Gufo. Der Wotnan eine* beutfiften @eelenmenfc^en. Scftt fergamentbanb
mit ©olbfc^nitt.SW. 150.—
£i*bet ©111/ Befenntniffe ber Baronin be Brionne. Woman. JJmlbleberbanb .... SW. 100.—
Gottfrieb ftetter, Gebiiftfe. Slufgemä^lt oon D^eobor klaiber. SWlt 6 Betonungen oon
Bruno ©olbfdjmttt, £albfrangbanb.SW. 100.—
Sfteabor Wo<ft»0rflnberg, 3»ei Jaftre bei ben Bnbianern Warbn>eft*Braflffen*. ^albieberbb. SW. 120.—
(fbuarb DWrife, GeWiftfe. #erau6gegeben oon J^anf JjeinriO Syrier. OTit 9
fOnitten oon SWaria 3u$. fetgamembanb.SW. 100.—
3u begießen bur0 bi* Butftftanbfungen
Haus Lhotzky Verlag
in Ludwigshafen am Bodensee
ttetserf©eiuitngen:
Dr.U«f fletnmeridj
Gefpenfier unb ©puf
Geftefiei ehoa 32 3tarf, gebunben eiu>a 45 3tarf
ftemmeri© führt und toieber einmal einen neuen, uo© nie
begangenen 2Beg gnr Vertiefung unb ©noettenmg nnfered
2Beiibt(bef; bemt lieber ifl rein Ahnlf©e* Sn© in unterer
Citeratnr erfftienen. 4>ier mir* bie Jirage na© ber 316g*
fi©reii nn» ftirfüäfeit non nnbeim(l©en ©rf©efmsngett,
bie ber VoUfmnnP alo ©efpenfler nnb ©pul beüi©<
net, non einem Staune febanbeit, ber tntffenf©aflli© in
beulen unb gu forf©en ergebt. Da* 28erf gipfelt ln
bem 3a©tneio nom gfortieten na© bem Kobe.
Dr. »itrcdM »tri*
Die 2Beffentnenbe
Gefteffet etwa 24 3tarf, gebunben etwa 30 3tarf
Droht ber Untergang bei tfbenblanbeo, ober ien©tei unfern
gegenwärtigen Xa©t ein borgen neuen ttuffttegee? Dtefe
»rage fn©t ber Verfaffer gu lofen, ber eine Vseltenmenbe
beronnaben gebt, üno ben ©rfabrnngen ber Vergangenbelt
Mmiebet er bie ©©lüffef, um bao Kor ber 3ufunf! an
offnen. 2Ber in ber nertnotrenen 3eit na© ©larbeit ffrent,
ber greife na© bem Vn©e: er tnirb 28ettgef©f©te mit
anberen Süden feben nnb neue 2Beltanf©auung gewinnen.
IM DEZEMBER ERSCHEINT:
ANTIQUARIATS«ANZE1GBR
ni/imi
NEUERWERBUNGEN:
WERTVOLLE VORZUGSDRUCKE
4
SCHÖNE EINBANDE
*
VERSCHIEDENES
VERZEICHNIS KOSTENLOS
FRANZ RICHARD HOLBACH fl
BUCHHANDLUNG UND ANTIQUARIAT fl
BERLEBURG IN WESTFALEN fl
ü2SBS98BBES9BBHBES9nd
391
29s
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November* De tember igai
A nseigen
Zeitschrift für Bücherfreunde
In unserem Verlage erscheint soeben:
Sdtiller
Wilhelm Teil
Mit elf Originallithographien von
Otto Baumberger
Die einmalig in 100 numerierten Exemplaren erscheinende Ausgabe ist in
ber Elzevir-Antiqua auf der Handpresse bei Otto von Holten, Berlin, auf
stärkstes handgeschöpftes Bütten gedruckt. Die dem Werk beigegebenen
Lithographien sind bei Meissner 8t Buch, Leipzig, mit der Hand abgezogen
und sämtlich vom Künstler signiert. Die Ausgabe ist nur in provisorischer
Kartonnage lieferbar.
Preis des Exemplars M. 900.—
In der Reihe der „Prospero-Drucke" erscheint:
Eduard Stucken
Das Buch Öer Träume
Mit zehn Originallithographien von
Ludwig von Hofmann
200 in holländischer Fraktur auf hanbgeschöpftes Bütten gedruckte Exemplare.
Ausgabe A: 50 in Pergament gebundene Exemplare. Die Lithographien
in den Exemplaren dieser Ausgabe sind sämtlich vom Künstler
signiert. Preis des Exemplars M. 600.—
Ausgabe B: ISO in Halbpergament gebundene Exemplare.
Preis des Exemplars M. 200 —
Ein ausführlicher Prospekt über die ganze Reihe der „Prospero-Drucke“
ist durch jede Buchhandlung oder direkt vom Vertag kostenlos zu haben.
Erich Reiss Verlag * Berlin W. 62
*93 *94
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November-Dezember 1921
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Zeitschrift für Bücherfreunde
In meinem Verlage ist erschienen:
DANTES
GÖTTLICHE KOMÖDIE
In Zeichnungen deutscher Romantiker zum sechshundertsten Todestag
Herausgegeben von PAUL SCHUBRING
1 Band in Quart mit'VIII, 126 Seiten u. 59 Tafeln in Lichtdruck. In
Ganzleinenband, entworfen v. Prof. Herrn. Delitsch. Preis M 600.—
Deutsche Zeichnungen der Nazarener und Romantiker von Jos. Führich, Jos. Koch, Alfred Rethel,
Ludw. Richter, M. v. Schwind, Schnorr v. Karoisfeld, Bd. Steinle sollen die Führer sein durch jene drei
Reiche, die Dante durchwandert. Die Einleitung gibt im Zusammenhang die Grundgedanken der
Dichtung und eine Übersicht über Dante - Illustrationen. Jedem Blatt geht eine ausführliche
Beschreibung voran neben der Textstelle, die italienisch und in der Gildemeisterschen Über¬
setzung abgedrucfct ist. Das Werk setzt keine Dante-Kenntnisse voraus, möchte aber Zögernde
ermutigen, an der Hand von Bild und Wort tiefer in die gewaltige Dichtung einzudringen
PROSPEKT KOSTENLOS
KARL W. HIERSEMANN • LEIPZIG
KONIGSTRASSE 29
<£ginhar*> s Preffe!
0o eben er fehlen als 5. Druck öer $ginbnrö-Pref f e au pochen
0torm, Der0d|immelreiter
150 in 5er Preffe numerierte gfempkrre, Umfang
1*0 Setten, formal 1?x*$, Cicero TDeift-fraktur,
tjnnfcgemalte Jnitiale,
allerbefteo Delta -Pötten mit 5em XDafferaeiChen
5er Preffe. ^anbgetxrbeiteter Pappbanö Tn. 375.-
Diefer Utagft ermattete 3an5 5er «gtnharö-preffe rechtfertigt 5ie aütaaenöe puf-
nalpne, bie nnfere Preffe fomohi bei 5er Kritik nie and) bei Öen Sficherfreunöen
gefnnben hot, non neuem.
Don frCUfer erfdtieneneu Drncken ift 5er I. Panö
<$octt]c, oon BcrMchingen
oergriffen. - Don ben »eiteren Bfinben
II. ffebbcl, fnMttj..uta? 5 .-
III. dtamiffo, Basgcroätilt« £«btditc.tn, iao.-
IV. 0 toEm, Jmraenfcc.nt 100.-
(tob noch eine kleine pnaot)l $?eraplare oerfögbor. Preiserhöhung oorbehalten!
J. p, TUager'fche Pudth* (Jnt|. ttta? Perger), pachen
295
296
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Zeitschrift für Bücherfreunde
50 ttTatf
IPorjugsausgabc in JOOEpempl.: Vtr.J—JO mit 20 <Drig.'<5rapbiPbl<ittcrn 3000 trt., ttr.JJ—50
mit d <Drig.«<0rapbifbl<hteni J000 tttarf, ttr. 5J—J00 mit 4 <Drig.><BrapbifbI<!ttcrn 500 tltacf
FRITZ GURLITT VERLAG/BERLIN
Ein umfaffenbes Btlb Oer (BraphiP unferer Seit mit Autobiographien ber erflen
Ä&nfUcr unb einer Einführung non ReicbsPunftwart Eb, Rebslob
Z 40 Seiten mit mehr als JOO Abbtlbungen
*
297
298
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Anseigen
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Eine neue wo hlfe ile Kunstbilcherei
BIBLIOTHEK
DER KUNSTGESCHICHTE
HERAUSGEGEBEN VON HANS TI ETZE
REGIERUNG BRAT UND PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT WIEN
Die Tietzesche Bibliothek der Kunstgeschichte will die altgewohnten
kunstgeschichtlichen Handbücher, die den modernen Menschen nicht
mehr voll befriedigen, ablösen. Sie gibt knappe, ernsthafte Belehrung
und moderne Problemstellung in buch gewerblich geläuterter Form.
Tietze teilt das ganze Gebiet der Kunstgeschichte, unter voller Be¬
rücksichtigung der Urzeit wie der Exoten, in 500 kleine Abschnitte,
deren jeder ein Bändchen mit kurzem Text und 20 Bildertafeln ergibt.
Er hat sich dazu der Mitwirkung der besten Spezialisten versichert.
Preis jedes Bändchens in handgear -
beiteiem Papier gebunden 6 Mark
Die ersten Bände:
1. H. Wölfflin, Das Erklären von
Kunstwerken.
2. H. Schäfer, Das Bildnis im alten
Ägypten.
3. M. J. Friedländer, Die nieder¬
ländischen Manieristen.
4. H. Tietze, Michael Pacher und
sein Kreis.
5. E. Waldmann, Wilhelm Leibi.
6. J. Schlosser , Oberitalienische
Trecentisten.
7. C. Praschniker, Kretische Kunst.
8. E. Panofsky, Die sixtin. Decke.
9. C. Glaser, Vincent van Gogh.
10. K. With, Japanische Baukunst.
11. K. Z. v. Manteuffel, Das vlä-
mische Sittenbild des XVII.
Jahrhunderts.
12. A. Matejcek, Böhmische Ma¬
lerei des XIV. Jahrhunderts.
13. W. Cohn, Altbuddhistische Ma¬
lerei Japans.
14. W. Waetzoldt, Bildnisse deut¬
scher Kunsthistoriker.
15. A. Grisebach, Deutsche Bau¬
kunst im XVII. Jahrhundert.
Viele weitere Bändchen sind in Vorbereitung .
Programmheftejmit dem vollständigen Inhaltsverzeichnis aller
500 Bände in ieder gutgeleiteten Buchhandlung vorrätig.
E. A.-SEE MANN / LE IPZIG
*99
300
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Zeitschrift für Bücherfreunde
DIE WEIHNACHTSBÜCHER
DES VERLAGES E. A. SEEMANN IN LEIPZIG
DEUTSCHE KUNSTHISTORIKER
^33 o n @antlrart bi i CR u m o l> r
von Wilhelm Waetzoldt
©rieftet 45 Warf, in halbleinen gebunden 60 TBarf, in halbfrans gebunden 75 Warf
TDeit übtt die eigentlich gelehrten Greife bfnaug werden gebildete, an der £iteratur und JCunft«
gefotzte interemerte £efer nach diefer „©efcbicbte der Äunftgefcbicbte* greifen, die ein wefent«
ficbeg ©tücf der deutfcben ©etfteggefcbicbte der fetten drei 3abrbunderte umfcbliefit.
ficheg ©tücf der deutfcben ©etfteggefcbicbte der festen drei 3abrbunderte umfcbtiegt.
DER LEIPZIGER VALERIUS MAXIMUS
TBlt einer (Einleitung über die Anfänge de* Sittenbilder in den Niederlanden
von Friedrich Winkler
TBit 5 tafeln und Abbildungen im $e?t. 145 numerierte (Exemplare
3n h^lbpergament gebunden 250 TBarf
t)ie foftbare, wundtroolle niederländifcbe 5311der^andfc^rift deg 15.3abrbundertg wurde bitfyv
noch niemafg puMfjfert, 3eder Tfttniaturenfammler wird ihre 33er5ffentli<bung ju fcbütjen wiffen.
JAPAN * KOREA * CHINA
CRelfeftu&len eine i Äunftfreun&ed
von Peter Jessen
TBit 72 Abbildungen. (Einbandentmurf t>on 20. Siemann. ©ebunden 25 TBarf
feiner der befannteffcen ©pejialiften für Oftapen bat 3effrng Arbeit für mit dag $efte erflürt,
maß in fo fnapper $orm über Oftafleng 23olf und Äunft gefibrieben wurde. X)er reiche
feffelnde Ötfdfcbmucf unterpü^t dag getriebene TDerf in angenehmer TDeife.
*
SINGINENS GESCHICHTEN
(Ein 3«»»9*^«*>^enf>u4>
von Paula Dehmel
3n entsüdendem Äunftlerband nach (Entwurf non ©. A. TBath^p 30 TBarf
20 numerierte 2>orsug*e|remplare mit dem NamenTjug der Äünftlerin und der
Signatur oon ©. A. TBath^p. 3n Seide gebunden 200 TBarf
3u Paula ©ebmeig ,£febem Tieft* gefeilt pcb nun diefeg wunderfam poetifcbe ©efcbtcbtenbucb
oon TDind und TDald, oon Blumen und oom lieben ©ott. ift aleicbermafjen ein ©efcbenf«
buch für ftiltbeftanlicbe <fBädcben, wie für TBütter, die darauü ©edanfen fchüpfen werden.
bI
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Zeitschrift für Bücherfreunde
FÜR KUNSTPFLEGE UND HEIMKULTUR
TAI n CruAxn? urTTlf Textlicher Ratgeber für Ausgestaltung und EiorichUiiig
Xlllilifl. der Wobnriume. Unter Mitarbeit von etwa 40 Kunst-
und Fachscbriftstellern herausgegeben von Alexander Koch. 300 Seiten. Gr.-8°, Buch¬
schmuck von Dagobert Peche-Wien. Leicht gebunden. ,.M. 52.—
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Eröffnungsheft des Jahrganges 1922 voraussichtlich.M. 20.—
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Eröffnungs-Doppelheft des neuesten XXII. Jahrgangs 1921/22, mit 60 Illustrationen M. 8.—
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Mit 13 Original~Holzschnitten von Erwin Lang
Großfolio-Ausgabe in einer einmaligen Auflage von 250 numerierten
Exemplaren. Druck der österreichischen Staatsdruckerei, auf deren
Handpresse die Holzschnitte von den Originalstöcken abgezogen,
worauf die Stöcke zerstört werden.
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ln Schweinsleder handgebunden, das Werk vom Dichter, jeder Holz-
schnitt vom Künstler handschriftlich signiert. Die Holzschnitte wurden
außer Text noch einmal abgezogen. Diese Abzüge tragen die hand¬
schriftliche Signatur des Künstlers und werden in einer Mappe ge¬
sondert mitgeliefert. Subskriptionspreis.Mark 4000.—
NR. 1-100
ln Halbleder handgebunden, das Werk vom Dichter, jeder Holzschnitt
vom Künstler handschriftl. signiert. Subskriptionspreis Mark 2000.—
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handschriftlich signiert. Subskriptionspreis .... Mark 1200.—
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
November-Dezember 1921
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Zeitschrift für Bücherfreunde
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bien über b e3 XMcf)ter£ Beteiligung
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fit ÄflnfUrr^albpergömentbanb 9Harf 30. -
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»Mi Carl ©$fibbrfopf, ^erau^gegeben oon
Prof. Dr. Äarl $einemann
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(Elegant gebunden STtarf 14 .-
£MeterCd>'f4>* ^erlagdbudj&an&tung m. 6. #.
| (n Selpgtg B
BBOcMBiBiaBaaBSBgtaiaca ^ ^
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
November-Dezember 1921 Anzeigen Zeitschrift für Bücherfreunde
f<$ute Bflcber au* t>em »erlog heoBibtiograpbifcbenJnffitutO/Xeipsig^
Ifleyers Handlexikon.
8000 ÄbbUtmngen auf 1632 ©galten Ztp, 68 ©afein unb ©afel»
oruppierungen, 45 «arten, 24 flberfUbten. 3 n grauem ©ai^lelnen«
banb 105 9 ?.. ober in rotem ©ansletnenpraqjthanb mtt ©olbprrffung
114 9t., ober tu $albleoerbanb., ... 160 9t.
Iflcym Kleiner Handatlas
Kulgabe 1921. 3n ©anjlcinett gebunben.80 91.
Helmolts Weltgeschichte.
ton Dr. Krmtn ©Ille. 9ttt mehr al« 100 «arten nnb 400 Bil*
bern auf 278 Betragen unb 1046 ©egtfHIbern. 9 BAnbe, gebunben
ju Je.118 5».
Beschickte der Kunst aller Zeiten und
ZIXllfA* Bon Brof. Dr. «arl fBoermann. flmeite Uuftage. 9tit
vVlwl» etwa 2000 ©egtftlbern unb 300 ©afeln. 6 BAnbe. in
halbleinen geb. ©rfdbtenen finb bie BAnbe 1—6 *u fei . 112 91.
-Banb 6 erfdjeint 1922 . Brei* nodj unbeftimmt.-
Geschichte der Deutschen Dteratur. £ 5 .
Dr. grlebr. Bogt, unb Brof. Dr. 9ta;Jtocb. Bierte Auflage.
9iit 182 ©etfbilbern, 80 ©afeln unb 40 Beilagen. 8 BAnbe, in
©aniletnen gebunben 288 91.; in halbleber gebunben . . 450 9t.
U All a** 771**1*4 «ritifcMlflorlfdje unb erlAuterte ttuftgabe,.
I\CIICI# W©IK©« ijeraufgegeben o.9t. Rubberger. 8 8 be.,
in halbleinen gebunben 256 9t., in Banaleinen gebunben 320 9t.;
Ku 8 gabe auf bolafreiem Baffer, in halbleber gebunben . 480 9t.
Drebnis ©erleben. ISÄ’WÄ
*en Kbbilbungen im ©ejt unb auf 346 ©afeln fotoie 279 farbigen
©afeln unb 18 «arten. 18 BAnbe in Seinen gebunben )e 118 9t,
ober in halbleber gebunben (nur boUftAnbig) .... 2275 9t.
Brebms ©erleben.
CSattber ftable. Bttt 587 Seytbilbern unb 142 ©afeln. 4 BAnbe
in halbleinen gebunben 448 9t., ober tn halblebet gebunben (nur
OoQftAnbig). 700 9t.
fl** »on Brof. Dr. 30 b. Banfe, ©ritte Auflage.
llCl IIICIIBVO» 9 tU 696 ©egfbitbern, 64 ©afeln unb 7 «arten.
2 BAnbe in halbleinen gebunben 224 9t., ober in halbleber ge*
bunben (nur boUftAnbig). 850 9t.
Die Pflanzenwelt, a«USÄ‘JÄ"Ä}5f.
8 BAnbe, in halbleinen gebunben ie 125 9e , ober in halbleber ae<
bunben (nur ooHflÄnbtg) . . .. 540 9t.
Dffl 4 M«AMlAltAM bon B*of. Dr. 21. fterner oon 9tari<
rfimiZCniCvCIlr laun. ©ritte, oon Brof. Dr. tf. hänfen
neubearbeitrte Auflage. 9tit 472 ©eftbilbern, 8 «arten unb 100
tafeln. 8 BAnbe in halbleinen gebunben 886 9t., ober in halb«
teber gebunben (nur ooUftänbtg). 585 9t.
Deuniayrs Erdgeschichte. JftSSftrJKt
2 BAnbe in (Danaleincn gebunben. «rfötenen tft Banb I: ©tyna*
ntiftfe ©eologte. 9tit 182 ©erbittern, 2 «arten unb
80 ©afeln.112 9t.
IDeyers Historisch - Geographischer Ka*
1 enAet IAH 9tit 12 ©ternfarten fotoie 353 ttnfigten, mit
ICHUCI ly&L» ©ebenftagen, ®prfld&en,afironomtf<benRotijen,
Stegifter unb 3abre«ttberfi(6t. 2U6 flbreibfalenber eingerichtet 30 9t.
Duden, Kecbtscbreibung der deutschen
Sprache und der JremdWörter.
bearbeitet oon Dr. 3 . ©rnft »filfing unb Dr. Ulfreb ©.
©djmtbt. Rennte Äuflage. ©ebunben. 22 9t.
Handwörterbuch der deutschen Sprache
Oon Dr. ©aniel ©anher«. Bebte Auflage Oon Dr. 3 . «rnft
IBfllfing. 3 n ©analeinen gebunben. 65 9t.
Jremdwort und Verdeutschung. MX
tAglicfen ©ebrnud), herau«gegeben oon Brof. Dr. Ulbert ZefÄ.
©ebunben..119t.
Deutsche Komane
xeitgentoiseher Dichter
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Die Worte 4er €fl$SUMg. ©in Roman bet ©ebnfuht. Bon
«arl Bienenftelri. 28 9t.
Renaissaftce-novelleil. Bon Manuel Bolbt ... 21 9t.
Überraschungen, ©chtoaraweibgefcbicSten. Bon 3obanne«
Bolbt.19 9t.
üeusteeber. ©inbumorlfttfcbfr Human.8on9tag8urtbarbt 289t.
Die mauern non Crostenberg. ©in «leinftabtroman. Bon
han« ftrtebrtcb.81 9 t.
0 «« de« tirfra 118t« 4« hu« SdMtflter. «t»
lld&!ett*roman. Bon (Btlbetm ©bmarb ©ierfe . . . . . 18 9t.
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haun..219t.
Der fremde Uogel. ©in granenroman unfern Seit. Bon
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Bogellberg. 28 9t.
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Die PTImeadecke der 6 rde. sin. onceactnc «sanim.
geograpbie. Bon ©rof. Dr. Ubolpf hänfen. 9ttt 1 «arte u. 6 ©afeln.
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Die deuttebea Caad»cl>aTtea aad Stlanae. an «rof.
Dr. Ulfreb «irebboff. 9tit 5 ©afeln. ©ebunben .... 28 9t.
Die deattekea ilttea aad Brlacke. «». «nf. Dr. susa
9togf. 9tit4Zafeln. ©ebunben.16 9t.
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Banb l: Der mcutcblicbc Körper. 9tit 24 ©afeln. ©eb. 44 9t.
Banb 2 : Die meuicleuraueu. 9tit 2 «orten unb 14 ©afeln.
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bnnbert bi« jurn Seitfrieg. Bon Brof. Dr. ©eorg ©trtnbaufen. 9ttt
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Hauff.4 Bbe. feilller» «leine Uu«gabe 9 Bbe.
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HeffuMua.4 Bbe. Storni. 6 8 t>e.
Homer, 3Ha« . . . . i Bb tleeb. 8 Bbe.
Hemer, Obbffee . . . l Bb. Ublaud . 8 Bbe.
Tmmermuuu . . . 5 Bbe. Wieland.4 Bbe.
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graphien von Werner Schmidt. Preis in handmarmoriertem Bütten gebunden
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Nach sorgfältiger Vorbereitung bringen wir diese neue Ausgabe von Themidor
auf starkem Velin-Papier in einem hübschen Band von 195 Seiten. Werner
Schmidt hat das Werk mit handkolorierten Lithographien geschmückt, die
den Duft des Rokoko ln sich tragen. Die Original-Zeichnungen wurden durch
die KunstaMtalt Dr. C. Wolf & Sohn, München, direkt vom Stein abgesogen.
Aus diesem Grunde ist die Auflage eine beschränkte.
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Kalbspergament gebunden . . • ..♦ M« 200.—
Das Veousgärtlein ist ein typographisch höchst reisvoller Neudruck dieses suerst
im Jahre 1456 su Hamburg erschienenen Werkes. In den Liedern des deutschen
Rokoko sieht man die Originale der särtlichen Hymnen des verliebten Daffins
an seine Florabella, die Klagen des seofsenden Geländer an seine kecke Phyllis.
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Die Kunst des achsehnten Jahrhunderts
Mit 42 gansseit« Bildtafeln. Einbandsdchnung v. E. Preetorius. 2 Bände geb.
M. 100.—• in Halblein. M. 120.—, in Halbleder mit reich. Vergoldung M. 110.—
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Nr. 1—100 In Ganspergament ... »etwa M. 250.—
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GEORG TRAKLi Der Herbst des Einsamen • . • Band
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{ GOURTHS-MAHLER.“ Schlichte Gewhicbten
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ment! traenbmann, Io gemifj je$t an bem gritpunfte ber großen
SSenbe in S)eutf<blanbl (Befcbid eingeräumt ; »erben. fBäftrenb
bie Beit ber jüngften fpoebe bei beutfdjen Scbrifttumi, ber fo*
genannte „neue Jruri*, etmai fritifdjer bebanbelt roirb, ali ei
ju geftbeben pflegte, mirb bie (Befamtentmitflung mieber in liebe*
bollere ©rtraAtung genommen, unb bie flaffifdten ©erioben er*
batten bai ftarffte Siebt. 6djule unb $aui merben mit biefer
«uffaflung im ®anjen etnberfianben fein. Äbet and) bie auf
ficb felberstebenben, bieRreunbe einei bemftnftigen 0rortf<brlttei
ber Siteratur, merben mit Bnterefle ben befonberen «uffaffungen
bei ©erfafferi folgen unb feinem «uiMid am 6djlufc Reibt
geben. Selbft bie «affeebauiliteraten merben oon ber (Benauig*
feit, bie bem neueften Sauf ber Siteratur folgt, befriebtgt fein,
«m meiften angefproeben aber merben mie btUig bie Slebbaber
bei beutfdjen 6djrtfttuini felber oon biefer felbftänbtgen
unb einbringenben (Erfaffung ber oerfdjiebenenStufen ber
(Kntmidlung merben. (Ein ©orjug bei neuen SBerfei ift noch ber
einer reinen, bii auf bie unentbehrlichen Ratbauibrütfe burepaui
beutfeben Sprache. (Ein guter R&brer für alle ©ilbungfuebenben,
fürStubium u.$aui, aber juglricb rin emflei ©er! für bie Rreunbe
einei oernünftigen ftortfebritti unt> für bie ©cbrift&efliffenen felbft.
3u höben in allen ^u^anMungen
3nu[tr.ilataIogüber(S>ef(benfmerfe,fom.92ooenen,3ugenbf(br.ufm.
oon ber Union ©eutfdje ©erlagigefrilfdjaft in Stuttgart foßenfrel.
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D Bond 1 (übers.V Nestler, Siena und Berlin 1905), 2 (▼.
Sdiurig, 1905), 4 (Privatdruck), 6 (▼. Schnrig, 1905. Mohr
fl nicht erschienen. Der Band 50 M.
jj 2. Bierbaum, Lobetanz. Panverlag 1895. 100 M.
Ü 3. Ernst, Ariadne auf Naxos. BibliophileageseÜsdiaft
1912. 100 M. '
D = 4. Sllhouttenalmanach auf 1900. Berlin 3dtft.M«yek 20M.
5. Bernut, 7 Schattenspiele. München, Müller 1910. 50 M
= 0. Werfel, TroeHnnen. Leipzig, Wolf 1915. 40 M.
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Qaloleber v«. 65*—/ 30 num. unb han&fö rt fM*
ftgn. (Ejremplare in ©anjperg. pro <£jpl, SH. 250.—
erfchien foe&en im
Efiberi Äfcb Verlag • £eip$ig
Durch alle Duchh^nblungen ju hegiehfn
— — M———H
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Original frnm
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
November-Dezember igai
Anzeigen
Zeitschrift für Bücherfreunde
■fföfHicfte ©eftfrenfroerfc ffitb beutet £au$
3fn befier lünfilerifcher Slubftattung erfdjienen Anfang November,
berautfgegeben von -
Setnet 3<ntfen:
©tcSÄärhen
(*8anb l bet SXeibe „bie 35flcher beineb QSolfeb" von ferner hänfen)
3fn ©anjleinen^rachtbanb von 440 Seiten auf feinflem, flarfem, fjotsfreicm
Rapier gebrucft, mit 6 farbigen unb 20 ©oppelton*£infchaltbilbern von ^rof.
<Paul hep.180 SÄarf
©ab bie ©rüber ®rimm unb viele anbere an ©chönftem unb jDauernbem vom ©tunbe
beb SBolfeb geiefen haben, hat fflerner Sanfen, ber ffiteberertoeder ber beutfcben Reiben»
fagrn, in biefem ©ud) vereinigt, ©o mürbe ein üßerf gefcbaffen, bab mie (ein jroeittb
baju befiimmt ift, bab ©t&rd)cnbud) beb beutfcf)en SBoUeb ju merben. SO gehört in bie
£anb aller, beren J^erj jung geblieben i|t. Sn ben ©ilbern $au( Jßepb, barin (ich
ber Jtünftler felbft übertroffen hat, fpiegelt (ich bab ©{Archen felber miber.
©otteS beutfd)er ©arten
Sftad) hanbfcfmft auf ©fein zweifarbig in öfffet auf feinflen, blütemveijien
Karton gebrucft unb in halbleinen gebunben.30 $0?arf
SQorjugtfautfgabe, banbfchriftlich von ^Berner hänfen unterzeichnet, in halb«
Pergament gebunben.140 ÖÄarf
Sab ©ud) gibt ein munbervoHeb <Sd>o ber emigen ©orte im beutfehen @emüt:
jDie ©(Ate ber geifUicbm Sieberbidjtung in aubgerodhiten einzelnen Oerfen.
©er ^eHatti)
Sftach hanbfehrift auf ©tein zweifarbig in öfffet auf feinflen, blütenweifen
äarton gebrucft unb in halbleinen gebunben.30 SfJtorf
QÖorjugdaubgabe, banbfcbriftlith von ^Berner hänfen unterzeichnet, in halb*
Pergament gebunben. 140 0ftar!
©iefeb einzigartige ©nd) bietet zum erflen ©täte in zufammenhdngenber gorm bie
2ehre beb Steinen in feinen eigenen ©orten, tobgelöft von fremben ®efd>ebniffen, ver*
einigt zu einem aufb Sieffte ergreifenben Xunfhverf.
©onberprofpeft Aber bie 95ücf>er fleht auf ^Gßunfch gern foflenlob zur Verfügung
©cotg ©eftetmann, &rauttfcbn)cig/$atnburg
3XQ
320
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November-Dezember jg2i Anzeigen Zeitschrift für Bücherfreunde
3 ofof> Sofort
©efammefteßrjöljtungen
6 ^appbänbe (rot) W. 160.— + 6 Jpalbleinenbänbe 190.—
3ebcr ©anb ift einjeln fäufltcf»
I. ©anb: 3w Titbtl 2Denn’6 lenjt / Der ©renjjäger / «profeffor
©enbelin / ftreunb <Paul / ©om ©olbe / 3m Webel
©rotiert ©t. 23.—, halbleinenbanb 9W. 32.—
II. ©anb: ©or bem Urnfturg. ©ergborf / Die ©arettlitochter. ©ro-
feiert 9Jt. 23.—, halbleinenbanb ©t. 32.— J
III. ©anb: Durch (Schmerlen empor. Die alte ©alome/Durch ©chmer:
jen empor, ©referiert 9Jt. 23.—, Jpalbleinenbanb 32.—
IV. ©anb: $rüh noltenbet. ©alto mortale / Da* $a*quiil / Die
3ugenbfönigin. ©rofcf>. 23.—, Äalbleinenbanb 2R. 32.—
V. ©anb: Örbfcpoden. Heimat / Wan muß Hug fein / Der Olic^'
ter / Olotbuchenlaub / Die beiben Stoffen / ©chtoeijer
Die geblenbete ©chtoalbe / D 2eben, o Siebe / Die ©$ü;
penbecher / ShrifaM- ©rotiert 2R. 23.— , halbleinen;
banb 9K. 32.—
VI. ©anb: Opfer. Döbeli* h°h e 3«* / Der ©öfe / Sin Srbteil / 2lufc
gebient / ©eftnnung / Der &uhh<mbel / Otimrob. ©ro-
febiert W. 27.—, Jpalbleinenbanb 2R. 37.—
3afob ©o§b«et iß ber Dieter beS Xragifchen. Sine beutenbften lebenben ©chtoeijerDieter, ber gleicbbere^
bobe ©egabung, ©eelifche$ tief ju ergrönben unb feine tigt neben ©ottfrieb ÄeQer unb ©. J. OTeper ju fleUen
^tenfepen mit meifferhafterSebentooahrheitbarjufMen, fei; fte fchäpt ibn baber |>5^er aU bie toefenäoer;
jeiebnet ibn auö. Smffe Äritif fchäpt in ibm ben be; toanbten ©chtoeijer 3eremia6 ©ottbelf unb Srnftgahn.
Sttadj mühevoller ©ammeitätigfeit ift bie #erfteHung eine* bebeutungtoollen umfang*
reichen 2Berfe$ beenbet worben:
So 6 c
©oefbeo <3cp toeijer (Keifen
3ßu(briert mit jahlreidjen SMlbniffen
Die Sanbfd)aft$bilber $u btefem ffierf (nad) ©tidjen unb 3*id)nungen jettgenöfftfdjer
heißer) enthält ber in größerem gormat erfdjeinenbe ©ilberbanb
mit $ejt non Wilhelm SD obe:
Oie Cdjtoeis, tote ©oeibe fte fab
©ine SDtlberfammlung für greunbe be$ Did)ter$ unb ber alten ©d)tt>ei$
@tn>a 130 Sid)tbrucfe n ad) #oljfd)nitten unb ©tid)en
au$ ®oetbefd>er unb »orgoethefdjer 3ett
. ©ilbelm ©obe ift in biefem anfcpaultch^retjoollcn lebenbig barjubringen. 20. ©obe* Dicpterfeele fchntolj
©oetpe;2Berfe Äulturhiflorifer unb SeoenSbarfteHer ju; bie ©ielpeit ju einem einbrucMooflen, lebenJooHen ©ilb
gleicp. Ungebrucfte Quellen oerarbeitete er pier |um jufammen. ®ür ben tiefer öbertoanb er alle ©eptoierig;
erflen 9ttale. Da* toirflicb Sigene ijf aber bie einjig; feiten: er fühlt ftdj) hdmifch auf ©chtoeijer ©oben, oer;
artige lebenbige DarfteUung«n>eife, mit ber ©obe ^ier traut mit bem 2eben u. ©chicffal ber auftretenben 2Jten:
feine eigenen früh«*« Arbeiten übertrifft. Äein ©elehrter fchen. ©oet(>ed an innerem u. äußerem Srleben reichte Se;
oermag I>iflorif<h« ^orfchungSergebniffe fo anfchaulidj; ben^auöfchnitte liegen in b.20erfeoorun6aufgef<hlagen.
H. HAESSEL / VERLAG / LEIPZIG
Beibl. XIII, 21 321 322
Safob ©oßfjart
Oetchnung oon Spant gebrich)
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Zeitschrift für Bücherfreunde
E. A. SEEMANN • VERLAG LEIPZIG
AUS DER UMGEBUNG
BERLINS
©e$£ Sit^ograp^ien
pon
WALDEMAR RÖSLER
3Rtt einem Donoort oon 311a? Siebermann
A: 20Ejremplare auf 3apan mit DemTlamen**
gug De* Künftlerl, ba$ Vorwort oon *331«?
Siebermann ftgniert. 3n $a!bper$ament«
mappe. .'. 800 Mark
B: 100 Exemplare auf Sutten, in halbleinen*
mappe. 300 Mark
SDalDemar SRöller wart) ein Opfer Del Äriegel,
ehe fein ©tem leuchtete, ©eft Der 7tochtaß*2lu4*
flellung weil man. wal mir an ihm verloren haben,
unD Die großen ©alerten fchmficfen fleh mit feinen
^Berten, ©eine ©rapbif ift fo ftarf wie feine
Malerei. Dittprefflonift von reinftem flarftenSBaffer,
hat er Sithographfen oon ungewöhnlicher Kraft in
©chwarg-wefß gegeben. Ätojr Siebermann, Der Den
CRtngenDen ftüßte unD förDerte. hat tu Diefer Etappe
eine Einleitung gefchrieben. UnD fepon Diefe feltene
Ehrung Durch einen großen Kollegen ßellt Die
9tö6(er*37toppe auf Den befonDeren Plaß, Den fle
oerDfent
*
RUDOLF GROSSMANN
Don Diefem Äßnftler beftße ich eine größere Äitgahl
eigenhAnDtg aquarellierter
ERSTDRUCKE
feiner föftlfchen ©chöpfungen. Diefe Drucfe pflegte
©roßmann bisher nicht in Den ?)anDel gu geben/
er hat fle feßt mir gum Vertriebe an ©ammler
unD Kabinette anoertraut. Dntereffenten bitte feb
um Anfrage. - Dabet gleich gur Ttacbrfcht. Daß
im fommenDen ftrübfahr bei mir ein EBcrf oon
SRuDoTf ©roßmann, betitelt
DAS SEELEN GÄRTLEIN
erßheinen wirb. «ftohere Änfünbigung erfolgt
redhtgeitfg.
ZWEI
BILDNISRADIERUNGEN
MAX LIEBERMANNS
oon
ERICH HEERMANN
I. Dorberanflcht
II. halbem Profil
Von JeDem Dlatt flnb Die Drucfe
Ttr. 1—30 auf 3apan abgegogen, oon SfRajr
Siebermann unD Erich heermann eigenhänbig
gezeichnet. PreW folgen Drucfeä 300 Mark
«r. 31-80 auf Dutten . . . 150 Mark
Daß IRar Siebermann Die 3apanDrucfe mit feiner
Unterßhrtft oerfehen hat, fagt am beften, wie oor«
trefflidb gelungen Die gwel SRaDierungen ftnD/ H
ftnD Wleißerleifhmgen oon frappanter Ähnlichkeit,
wichtig für Jeben Siebermann«©ammler.
*
ferner erfchien foeben:
FRIEDRICH DER GROSSE
Stabierung oon Erich h eetrmann
Plattengroße 33X25 cm
Ttv. 1 —30 mit einrabterter Krone 400 Mark
«r.31-80 . 200 Mark
Ein froppierenb wirffame* Dlatt, ein Dilbnil De*
großen $rteDrtch all 2DanDfhmucf für Die weiterten
Ärrtfe Der Kunßfammier, ein 3ugftücf für Den
Kunßhnnbel.
*
KÄTHE KOLLWITZ
Die Drei berühmten, in flgnierten Drucken oer*
griffenen Btobterungen
CARMAGNOLE/GERMINAL
DIE ARBEITERIN (KOPF)
ftnD feßt all ©chrtrtbrucfe in taDellol föönen
Drucfen auf beftem Sötten abgegogen worben, um
nach Dem Eounfche Der Künftterin Den Erwerb auch
weniger begüterten ©ammtem gu ermöglichen. •
PreCfe:
Carmagnola 150 Mark / Germmal 100 Mark
Die Arbeiterin 75 Mark
GRAPHISCHE ABTEILUNG
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November-Deiember jgei Anseigen ....... Zeitschrift für Bücherfreunde
E. A. SEEMANN VERLAG LEIPZIG
TAU R O M AC HIE
IM PARADIES
7 farbige £ 11hographIen
(baoon eine alg Titelblatt)
von LOVIS CORINTH
A: 10 ©jremplare In Probebrucfen auf 3«pan,
Denen für febeg Statt ein Srucf beg erften
3uftanbeg beigegeben ift. Ttumeriertl—X.
3ebeg Slatt oom Künftler alg Probebrucf
bege(ebnet
In Halbpergam.-Mappe 4000 Mark
B 1 : ©jremplar 1—6. Slufbeftem Sutten. 3ebeg
Statt oom Künftler flgniert
In Halbleinen*Mappe 2500 Mark
B n :®jremplar 7—100. 3n Jebem Setracht
ebenfo wie Zugabe B 1 unb ebenfalls febeg
Slatt flgniert 1000 Mark
£ooM Corintb batfelbft bie* 2Derf eine feiner heften,
wahrhaft gelungenen Arbeiten, genannt
*
ferner erfchienen:
IM TIERGARTEN
3m ei ^abierungen
oon LOVIS CO RI NT ff
1. fiotoenbruefe / 2. Steuer ©ee
©Ctf» betont 2M6tttr flnb nur (n 25 Sfemplaren aftgtiogtn
Preis je 500 Mark
*
IDYLLEN
lOfarblge £ 11 bograph I en
non
WILLI NOWAK
einmalige Stuflage non 200 ©jremplaren
10 Slatt In SJtappe
3ebeg Slatt oom Äünftler flgniert
500 Mark
SDittp Stoioaf Ift noch feine Serühmtbett, u>lrb
eg aber wohl halb »erben; bieg SBerf wirb
helfen, ben SDeg gu bahnen, ©chon hat fleh auch
Die SJlar£eggefellfchaf t eine SRappe beg Künftlerg
gefiebert. — SDer bie wahrhaft entguefenben
traumhaften ,3bpllen* fleht, wirb fleh angeregt
fühlen, SDillp Stowaf gu fammeln. ©g febwebt
ein $aucb Renoir um feine ©cbfyfungen.
31 Jlablerungen
(baoon eine alg Titelblatt)
oon
WILLI GEIGER
Tin Sanb in Querfollo, Tept oon
Profeffor Dr. Sl. £. SHaper
A: Str. 1 -10.3n ©angteberbanb, oom Äünft*
ter entworfen, febe ber 30 Äabierungen
flgniert 3000 Mark
B: Str. 11-100. 3n Oalbpergament ge»
bunben. €benfattgfebeber302{abierungen
oom Äünftler flgniert 1500 Mark
Stußerbem gibt eg 3 ©jremplare in 3uftanbg*
bruefen, mit ©figgen beg Äunftlerg
©eiger hat für bag oonthm oft behanbelte Thema
einen neuen fafginierenben, man mochte fagen:
enbgültigen ©til gefunben. Sluch in ber äußeren
ftorm a& graphifcheg Such - im ©egenfaß gu
feiner früheren großen SRappenpublifation — ift
biefe Tauromacpie etmag vteueg. (Ein foftbareg
©tüef für bie Sammlung Jebeg Sibliopbften.
*
EINE TÄNZERIN
12 getuf^te ©tubf en&lÄtter
oon GEORG KOLRE
©inmalige Stuflage oon 200 ©jremptaren
3n SBappe nach ©ntwurf beg Äünftlerg
400 Mark
20 ©jremplare Sorguggauügabe
?Ir. 1—20 oom Äünftler numeriert unb flgniert
600 Mark
©aß JM ber Silbbauer ©eorg Äolbe, ber ge¬
niale ©4öpfer ber Tangerin ber 3Tationatgaterie,
entfchloffen hat, eine Sfceibe feiner oielbetounber*
ten ©tubienblatter b*rauggugeben, ift ein ®r*
eignig für bie Äunftfreunbe. Sag SBerf ift
auch technifch oon höchfter Soflenbung unb bie
fleine Stuflage wirb wohl rafch in ben ©fron¬
ten ber Kabinette unb Sammler oerfebwinben.
GRAPHISCHE ABTEILUNG
3*5 3?6
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N amen-Register
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde
Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1921
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
A
Abel, Hans Karl 84.
Altmann, Arthur 84.
Amberger, Olga 196.
Amman, Jobst 117.
Anshelm, Thomas 65.
Aretr, Paul 160.
Arnold, Robert F. 179.
Auburtin, Victor 196.
B
Babits, Michael j.
Bader, Karl 66.
Bahr, Hermann 3.
Baidung-Grien, Hans 68.
Barbusse, Henri 196.
Bartholomaei, Johann Christian
6 .
Bartsch, Adam 119.
Barthel, Max 156.
Bauer, Johann Jakob 248.
Bauernfeld 49.
Baum, Peter 344.
Baumgarten, Siegmund, Jakob
14».
Bayros, Franz von *41.
Beardsley, Aubrey 157.
Becher, Johannes R. 197.
Bechthold, Arthur 35—37.
Becker C. 117.
Becker, Hellmuth 198.
Becker, Walter a 71 .
Beethoven 206.
Beggesen, Jens 90.
Beham, Hans Sebald 117.
Behrend, Walter 6.
Beier, August 147.
Bekker, Christoph 146.
Belgard, Wally 84.
Beltrami 148.
Bennemann, Paul 7.
Bension, Ariel 198.
Berceviczy, Gregorius Franz
von 38.
Berend, Eduard 135—128.
Berghoeffer, Christian Wilhelm
199 .
Bergschmied, Anton 7.
Berliner, R. 379.
Bernhard, Johann Adam 141,
143.
Bernhard!, Friedrich von 705.
Bernhart, Joseph 8.
Bernini 71.
Bernstein, A. 159.
Berstl, Julius 30. 125.
Bethge, Hans 245.
Biedermann, W. von 86.
Bierbaum, Otto Julius 245.
Biermann, Georg 109.
Bischoff, Heinrich 199.
Blaß, Ernst 200.
Blaufus, Jakob Wilhelm 148.
Blei, Franz 757, 138.
BlQmml, Emil Karl 3.
Bock, Kurt 9.
Boehn, Max von 9, 167.
Boerner, Friedrich 146.
Bojanowski, Paul xo.
Bondi, Werner 24.
Borchling, Conrad 50.
B6 Yin RI 30.
Bourgeois, Eugene 85.
Brade, O. R. 87.
Brandenburg, Erich xx.
Braren, Oluf 270.
Braun, Felix i$8.
Brentano, Clemens X25—138.
Brentano, Maria Rafaela 200.
Brie, Friedrich 200.
Brieger, Lothar 211.
Browne xxx.
Brückmann, Ernst Franciscus
2 44 .
Bruegel d. A., Pieter 243.
Brunhes, Jean X13.
Budko, Joseph 238.
Bühler, Johannes 246.
Bünau, Georg aoo, 246.
Bünemann, Joh. Ludolph X47.
Burckbard, Jacob X44.
Burg, Paul 84.
Burkhardt, Martha aox.
Busch, Nikolaus 67.
c
Castle, Eduard x —5, X03, 156,
344 .
Chantelou, Paul FrfeartSieur 71.
Chfenu, Maurice 194.
Chodowiecki, Daniel 31, 164,
247 . 374.
Christaller, Helene 202.
Cbristern 83.
Cinellus, Johannes 143.
Claudel, Paul 193.
Clemen, Otto63—68,12a—124,
xx, jr, 231.
Clement, David 147.
Cohn, Wilhelm 203.
Colet-Rfevoil, Louise 83.
Conrad-Eybesfeld, Mina 775.
Cornelius, Auguste 88.
Cornicelius, Max 779.
Couperus, Louis a 03.
Courbet 213.
Creutz, Max 247.
Croiset, Maurice xxa.
Crommelynck, Fernand 193.
D
Daumier, Honorfe 273.
Deckel mann, Heinrich 277, 226.
Deetjen, Werner 3—xx, 39—40.
Deinhardstein 86.
Delius, Rudolf von 138, 2x1.
Deri, Max 248.
Detmold 17, x8.
Deutsch, Otto Erich 62, 123.
Dibdin 80.
Diderot, Denis 205.
Diezmann, A. 85.
Dolfin 152.
Dommer, A. von 65, 66.
Dörries, Bernhard 12.
Dostojewski, F. M. xo6, 139.
Dreyer, Max 12.
Droem, Ernst 249.
Dürer, Albrecht xx8.
Dupin, H. 87.
Duysen, Paul 230.
Dvorak Max 243.
E
Ebstein, Erich *8—31, 34, 133
xöj, 180.
Ebrard, Friedrich Clemens 232 1
Eckermann, Joh. Peter 9.
Eckhardt, Ludwig 88.
Ehmcke, F. H. 25X.
Eliasberg, Alexander 106.
Elster, Hanns Martin 348.
Enders, L. 205.
Engel, Ernst 133.
Ermatinger, Emil 257.
Ernest, Gustav 206.
Ernout, Alfred X13.
Evenbach, Franz 83.
Ewers, Hanns Heinz 206.
F
Fabri, Marcello 193.
Faure, Elie 747.
Feßler, Franz 205.
Fichte 32—36.
Fiedler, Carl 83.
Filow, Bogdan D. 32.
Fingermann, Jakob 13.
Fiscbart, Johannes ja.
Fischer, Hans W. 233.
Fleischer, Victor 252.
Fleuron, Svend 13.
Folger, Fritz 85.
Fontaine, J. N. 88.
Fontane, Theodor 14, 123, 159.
Foß, M. W. L. 254.
Fouchfe, Joseph 160.
Francesca, Piero della X07.
Frank, Bruno 253.
Frank, Hans 73 , xotf, 171 1 180,
218.
Franke, Walther 273.
Frehsee, Martin 88.
Freierraut, Hans Heinrich 49—
56 .
Frentzel, Magister 61—64.
Freudenberg 167.
Frey, Adolf 256.
Frey tag, Friedrich Gotthilf 148.
Friedeil-Polgar 91.
Friedländer X2i.
Fritz, Gottlieb 160.
Fronsperger, Leonhard 117.
G
Gaffuri xja. -*
Gardthausen, Victor”*07.
Gatti 152.
Gauguin, Paul 161.
Geiger, L. 67.
Geisberg, Max xos.
Geisenhof, Georg 67.
Gensichen, Otto Franz 87, 88.
Georg, Johann 73— 80.
George, Stefan 200, 237.
Genfee, Rudolph X17.
Gerbrecht, Gustav Adolf 14.
Gesner, Johann Mathias 5.
Gide, Andrfe 97. 98.
Ginzkey, Franz 241.
Glossy Karl 24.
Glück, Gustav 242.
Goethe, Johann Wolfgang von
7, 8, 18, 19, 357, 261.
Goetze, E. 117, 1x8, 2x9.
Gogol, Nikolai 207.
Golz, Bruno 33.
Gothein, Marie Luise 176.
Gött, Hanns, 1x7.
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II
Namen-Register 1921
Gottlieb, Theodor 103.
Götze, Alfred 63.
Grabbe, Chr. D. 198.
Gräber, Hans 107.
Graf, Urs 49—56.
Grässe, J. G. Th. 148.
Grautoff, Otto 99, 147, X95.
Gravelot 274.
Grien, Hans Baidung 68.
Grimschitz, Bruno 242.
Groschuff, H. August 14z, 142,
146.
Groth, Ernst Johann 83.
Grfln, Albert 83,
Gu6gan, Bertrand 145.
Guenther, Johannes von 15.
Gugitz, Gustav 3.
Gütersloh, Paris 158.
Gutzkow, Karl 81.
H
Haas, Hans 29, 2 oX, 224, 258,
Haberditzl, Franz 242.
Habicht, Victor Curt 16.
Hadl, R. 260, 261.
Hagen, Oskar 16.
Hain 72.
Halbe, Max 17.
Halle, Fannina W. 208.
Hamann, Richard 107, 208.
Hamecher, Peter 180.
Handel, Willi 209.
Hansen, Fritz 33.
Hanstein, Alfred von 258.
Harich, Walter 69—71.
Hartlaub, G. F. 17.
Hartmann, Friedrich K. L. 53.
Hartmann, Ludo L. 54.
Hasse, Karl Paul 209.
Hasselberg, Felix 105—in.
Hauff, Wilhelm 56, 267.
Hauffen, Adolf 169.
Hauschner, A. 259.
Hausenstein, Wilhelm 20, 161.
Haußmann, Conrad 162.
Havet, Louis 113.
Haym, Nicold Francesco 148.
Hebbel, Friedrich 39,105—in,
131— 1 4°.
Hackel, Carl 84.
Hecker, Max 257.
Heimbeck, Hans 67.
Heine, Heinrich 259, * 6 °-
Heine, Thomas Theodor 268.
Heiseier, Henry 56.
Hellingrath, Norbert von 260.
Helssig, R. 220.
Henle Elise 86.
Hermann, Basilius 108.
Herrmann, Max 261.
Heuser, Heinrich 265.
Hirschberg, Leopold 22, T31.
Hitschmann, Eduard 57.
Hochdorf, Max 196.
Hoerschelmann, Rolf von 56.
158, 223.
Hofer, Klara aör.
Hoff mann, E. T. A. 69—71,
210, X6l.
Hofmann, Albert von 22, 58.
Hofmann, Johannes 61—64,
ror—104, 262.
Hölderlin axr, 224, 260, 262.
Hollpein, Heinrich 83.
Hosemann, Theodor 2x1.
Houben. H. H. isr—140.
Huber 243.
Hübner, Rudolf 108.
Hulshof, A. 2ix.
Humboldt, Karoline 162.
Humboldt, Wilhelm 162.
Hupp, Otto 162.
Hutten, Ullrich von 32.
I
Immermann 72, 166, 26 7.
Ibsen 262.
J
Jackson, A. V. William xxx.
Jacob, Hans 226.
Jacob, Heinrich Eduard 2x3.
Jaeobsen, Jens Peter 245.
Jacoby, Wilhelm 84.
Jacqudme 1x3.
Jakobs, Monty 262.
Jammes, Francis 194.
Jandolo, Augusto 87.
Janssen, Magda 74, 138, 172.
Jellmek Karl 163.
Johst, Hanns 128,163,176,181.
Junk, Rudolf 5, 241.
K
Kafka, Franz 59.
Kakane, Arthur xxo.
Kaphahn, Fritz 56, 70, 109.
Keller, Gottfried 57.
Kenealy, E. V. 91.
Kesser, Hermann 6.
Kessler, Harry, Graf 164.
Kestenberg, Adolf 60.
Keyserling, Graf Hermann 214.
Kirstein, Gustav 276.
Klaibcr, Theodor 23, 263.
Klarer, Theobald 89.
Klarwill, Victor 264.
Kleist, Heinrich von 263.
Klopstock 67.
Knudsen, Hans 9, 12, 60,157,
201, 221, 230, 255.
Klenz, Heinrich 20—24, 40—
48, 141—148.
Kluge, Friedrich 263.
Knigge, Adolf Freiherr von 266.
Kobald, Karl 61.
Kober, A. H. 266.
Köchling, Maria 173.
Koester, Hans xii.
Köhler, Reinhold xx. 67.
Kohlrausch, Robert 266.
Körner, Fritz 61.
Körner, Gustav 89.
Körner, Josef 267.
Kortum 132.
Kotzebue, August von 89.
Kralik 243 .
Krammer, Mario 139.
Krauss, Ingo 8x.
Krauß, R. 26, 122, 215, 223.
Kreidolf, Ernst 235.
Kretschmayer, Heinrich 243.
Krieck, Ernst nx.
Kroeber, Hans Timotheus 164.
Krüsike, Johann Christoph 145.
Kubin, Alfred 271.
Küchlcr, Walther 176,197, 231,
269.
Kühn, Julius 83, 1x2.
Kulka, Georg 62, 112.
nürnberger, Ferdinand 62.
Kurz, Isolde 215.
L
Labes, E. 86.
Lamer, H. 178.
Lang, Erwin 241.
Langer, Joh. 67.
Laske, Oskar 5, 232.
Lassalle 68.
Laurentii, Nikolaus 78, 80.
Lehrs, Max 102.
Leibi, Wilhelm 247.
Leitzmann, Albert 12—15, 129
—131, 162.
Lenau, Nikolaus 199.
LepSre, Auguste 114.
Leskow, Nikolaus 63.
Lichtenberg ra—15, 129—131.
Lichtenberger, Johann 142.
Liebermann 12 x.
Liebmann, Louis 37—38.
Liepe, Wolfgang 268.
Lindner, Albert 89.
Lips 232.
Lissauer, Ernst 89.
Litt, Th. 165.
Litzmann, Bertbold 253.
Lobsien, Wilhelm 26.
Loewe, V. 113.
Löscher, Valentin Ernst 145.
Loubier, Jean xox.
Ludhard, E. K. 64.
Luther 67.
Luther, Arthur 12, 51, 63, 124.
Luther, Joh. 63, 67, 68.
Lyser, Johann Peter 82.
M
Maas, Vax 111—xx6.
Maaßen, Karl Georg von 127.
Mader, Joachim Johann 14a.
Magliabecchi, Antonio 143.
Mann, Thomas 268.
Mansion, Colard 134. •
Mantis, Dr. 91.
Mftrker, Friedrich 1x4.
Martersteig, Max 20, 112, 127,
161 , 167, 2x4.
Marzi, Dem. 79.
Masch, Andreas Gottlieb 148.
Masjutin 207.
Mathorez 195.
Matthes, Alfons 82.
Maubel, Andrfe 147.
Mauermann, Siegfried 89.
Maync, Harry x66.
Meckauer, Walter 113.
Meder, Joseph 242.
Meier-Graefe, Julius 215.
Melchers, Bernd 2x6.
Menzel, Adolph von xai, 1 82.
Merbach, Paul Alfred 81—96.
Merker, Paul 168 ,
Meschko, Xaver 113.
Metternich - Sindor, Fürstin
Pauline 66.
Meurer, Kurt Erich 115.
Meyer, Conrad Ferdinand ja.
Michaelis, Curt 7 a.
Miegel, Agnes 268.
Mieses, Matthias 27.
Miethe, A. 1x6.
Minor, Jakob a.
Mittler, Otto M. 1x8.
Modersohn-Becker, Paula 167.
Mombert, Alfred 276.
Monnier, Henry a7J.
Monti, Antonio 75a.
Moreau 167.
Moreck, Curt 203, 222,227,247.
Morhof, Daniel Georg 143.
Moser, Hans Joachim 168.
Müller, Carl Arthur 87.
Müller, Georg Hermann 67.
Müller, Hans von 69—7x.
Müller-Jabusch, Maximilian 32
—36.
Müller-Walbaum, Wilhelm 1.
Murner, Thomas x68.
Mynona 776.
N
Nassa-Saarbrücken, Elisabeth
von 268.
Neubert, Franz 257.
Neuburger, Albert 769.
Neuburger, Paul 239.
Neumann, Friedrich 29.
Neuweiler, Arnold 777.
Nexö, Martin Andersen777, 269.
Nicolai, Friedrich 274.
Niebergall 73a.
Niemeyer, Wilhelm 270.
Niessen, Carl 1x8.
Nietzsehe, Friedrich 270.
NÖldcke-Christaller, Erika 202.
o
Ohorn, Anton 88.
Oncken, Hermann 68.
Ortlepp, Paul 7.
Osiander, Friedrich Benjamin
34 •
Osterwald 266.
Otten, Else 203.
Ovid 1x8,
P
Panin, Viktor 29.
Patissou 1x4.
Paul, Jean 271.
Pauli, Gustav 1x7.
Paulldva, Arthur 88 .
Payer von Thurn, Rudolf 2.
P 6 guy, Charles 770.
Peladan 779
Perkonig, Josef Friedrich 70,
770.
Perutz, Leo x»o.
Petsch 276.
Pfister, Kurt 30.
Pirker, Max 244.
Plaßmann, Joseph aj.
Pocci, Franz 216.
Point 779.
Poppe, Georg 267.
Prechtl, Robert 125.
Preller, Ludwig 9.
Prinzenhausen, Friedrich 83.
Proust, Marcel 793.
Prüß, Joh. 63.
Przygode, Wolf 249.
Pulver, Max 217.
R
Ranftl, Matthias 49.
Rappaport, Ewald, 133.
Raspe, R. E. 122—124.
Rathlef, Ernst Ludewig 143.
R6au, Louis 147.
Recke, Elisa von der 57.
Redlich, Joseph 7.
Redlich, Oswald 243.
Rehfisch, Hans Jose 777.
Reimmann, Jakob Friedrich
* 47 -
Reineke, Heinrich 50.
Rembrandt 30, 107, 208.
Rhaw, Ceorg 67.
Riemann, Robert rar, 87a.
Riemer, Friedrich Wilhelm 9.
Ritter, Karl 216.
Rividre, Jacques 98.
Roden, Max 777.
Röhl, H. 759.
Rolland, Romain 794.
Rose, Hans 77.
Roselieb, Hans 2x7.
Rother, C. H. 78—80.
Rothmund, Toni rar.
Rousseau, James 273.
Rousseau, Jean Jacques 274.
Rubens 242.
Rüge, Arnold 91.
Rupp, F. arj.
s
Sachs, Hans 117.
Salmonys, Alfred 208.
Salus, Hugo 77.
Schade, R. 86.
Schaeffer, Emil 87.
Scbapire, Rosa 77, 30, 775, 760,
767, 167, 208, arr, aaj, 270.
Scheffler, Karl 2x7.
Schelhorn, Johann Georg 146.
Schendel, Axthur von 2x8.
Schering, A. 22, 67, raj, 130,
Schering, Emil 779.
Scheurmann, Erich 72.
Schickele, Rent 2x8.
Schütter, Hans a.
Schlögl, Friedrich 99.
Schlögl, Nivard 1.
Schmehl, Augustus 73.
Schmidt, Lothar 87.
Schmidt, Raymund 272.
Schmidtbonn, Wilhelm, 74.
Schneider, Adolph Wilhelm 89.
Schneider, Hermann 122.
Schneider-Enges, Gertrud 219.
Schnerich, Alfred 243.
Schnüttgen, Alex. 77a.
Schöll, Adolf 10.
Schoeller, Ida 119.
Scholz, Wilhelm von 777.
Schoppe, Georg 229.
Schottenloher, Karl 2x9, 279.
Schretlen, M. J. 211.
Schubert, Franz 123.
Schuchardt, Christian 67.
Schücking, Levin L. 85, 173.
Schücking, Lothar 783.
Schüller, Eduard 84.
Schurzfleisch, Heinrich Leon¬
hard 3.
Schurzfleisch, Konrad Samuel
Schwarz, Georg Christoph 65.
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Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Namen-Register 1921.
m
Schwiefert, Fritz X07.
Schwindel, Georg Jacob 146.
Scsi he, Engine 86.
Seebaß, Friedrich a6a.
Seeger, J. G. 176.
Seehof, Arthur 83.
Segalen, Victor x6i.
Seligmann, S. 67.
Shakespeare 273.
Slber, Jules xa4.
Siewert, Ernst 87.
Smekal, Richard 3, X77.
Smith, Jps. 248.
Sommerfeld, Martin #74.
Sonnenschein, Hugo 6a, 176.
Sorbelli, Albano 249.
Souvestre, Emile 85.
Spilker, Job. Christoph 7.
Spontini x 6 .
Srbik, Heinrich Ritter von
* 44 .
Steindorff, Georg x6a, 170.
Steinwert von Soest, Johann
177 •
Stemplinger, E. 178.
Sternberg, Leo aao.
Stimming, M. 113.
Stosch, Ferdinand 247.
Strindberg, August aai,
Strobl, Karl Hans aaa.
Struve, Burchard Gotthelf 243,
* 46 .
StObel, Moritz 31.
Stuhlfautb, Georg 49—36, 227
—229.
Snpper, Auguste aaa.
Sydow, Eckart von 223.
T
Tannen bäum, Herbert 222.
Tanzi-Mira, Giuseppina 223.
Tau, Max aax.
Teichmann, Valentin 203—222.
Telschow, Hilde 173.
Theophilus Sincerus 246.
Thirive, Andri 194.
Thoma, Hans 22z
Thou, Jacques Auguste de
143 .
Tieck, Ludwig **3.
Touaillon, Christine 178.
Treitschke, Heinrich von 179.
u
Uhde, Wilhelm »«.
Uhland xaa.
Ulhart, Philipp 2/9.
Ulich, H. Robert 27, 17 8.
Ulitz, Arnold 32.
Uxhull - Gyllenband, W. Graf
ao8.
V
Vallotton, Benjamin X94.
Verkade, Willibrord 179.
Verwey, Albert 273.
Victor, Karl 224.
Vieweg, Richard X23.
Vischer, Friedrich Theodor 23.
Vogeler-Worpswede, Heinrich
X 79 .
Vogt, Johann 247.
Voigt-Diederichs, Helene 179.
Voltaire 180.
Vulpius, Christian August 8.
w
Wagner, Heinrich Leopold 89.
Wagner, Hermann 123.
Wagner, Richard 67.
Waiblinger, Friedrich Wilhelm
x8i.
Waldmann, Emil 97—98,220—
xaa.
Walloth, Wilhelm 87.
Walser, Karl 36.
Walser, Robert 84, 181.
Wandrey, Conrad X23.
Weber-Rieß 34.
Wedekind, Frank 276.
Weltsch, Felix xa6.
Wendler, Johann Christoph 242.
Wertheimer, Paul 88.
Wezel, Johann Karl 127.
Wiehert, Ernst 88.
Widekind, Melchior Ludewlg
148.
Wied, Martina 6a.
Wiegand, J. 92.
Wieland 125—228.
Wiener, Meir xa8, 884.
Wiener, Oskar 73.
Wieynck, H. 222.
Wilhelm, Gustav 49.
Wilmans, Friedrich 225.
Winckler, Josef 76.
Woermann, Karl 223.
Wohlfeld 120.
Wohlgemuth, Michel 68.
Wohlmuth, Leonhart 83, 90.
Wolf, Friedrich 224.
Wolf, Hans xax.
Wulffen, Erich 83.
Wüsten Job. 250.
z
Zech, Paul 130.
Zerkauten, Heinrich 225.
Zobeltitz, Fedor von x6—29.
Zola, Emile 226.
Zoozmann, Richard 242.
Zweig, Stefan x8x.
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Schlagwort-Register
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde
Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1921
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
A
Ahendrot X79.
„Adula, L'“ xjz.
..Aegyptus“ 115.
Albertina-Faksimiles 040.
Alfred Richard Meyer-Presse
67.
Altbulgarische Kunst 50.
Alt-Wiener Musikstätten 61.
Altwiener Theaterlieder 3.
Amalie, FOrstin von Gallitzin
aoo.
Anrufung 171.
Aphrodite in Ägypten 203.
Arme und das Abenteuer, Der
3 *.
Arnolds Graphische Bücher
zao—zaa.
Association Guiliaume Budi
na.
Aufsätze, Europäische 273.
Avalundruck 241.
B
Bank der Spötter, Die 226.
Bekehrung der Abte, Die 73.
„Beobachter an der Spree“ 19.
Berlinische Geschichten 210.
Bestrafte Wollüstling, Der 158.
Bewegung 6a.
Bibliophilie 34.
Bibliothekswesen, Österreichi¬
sches 133.
Bild und Gemeinschaft xöx.
Bilderhandschrift des Ham-
burgischen Stadtrechts von
Z 497 , Die 50.
Bildnis, Das 207.
„Blätter, Historische“ 244.
Blumen -236.
„Bollettino deli’ Antiquario“
149.
„Brennus“ 19.
Briefe eines politischen Flücht¬
lings 6a.
Briefe an Gemma 243.
Buch vom Jenseits, Das 30.
Buchbinder 21z.
Bücherpreise, französische 99.
BOcberpreise, italienische X48 m
Buchkunst, Drei Jahrzehnte*
deutscher 23z.
Buchwidmungsbilder 278.
Bühnentechnik, Ibsens 262.
Burgtheater a, 3.
c
„Cahiers d’aujourd'hui, Les“
Z46.
Ca je tan Scbaltermann a6z.
Catalogus Codicum Manu Scrip-
torum Blbliothecae Monacensis
202.
„Centralblatt für Bibliotheks¬
wesen“ 65.
Collectiones des Universitas de
France zza.
D
Dante-Ausgabe 78—80.
Dante-Ausgabe, italienische
15».
Dante-Jubiläum 24z.
Dehmel-Gesellschaft 076.
Denkstätten in Italien, Deut¬
sche 266.
Deutsche Litaney, Die 67,
Deutsche Land, Das 57.
Deutsches Sehen z6.
Deutschtum und Antike 278.
Dichter und das Ali, Der zza.
Dich ter h andschr if ten, Deu tsche
»48.
Dichtung, Die 249.
Dichtungen des Ostens 00 3.
Dramatische Darstellungen in
Köln von 1326—1700 zz8.
Dramatische Wille, Der Z29.
Drei Bücher über die Liebes-
kunst .. . zz8.
Du schönerLärm des Lebens aao.
E
Ebba Enevolds Liebe 06.
Ehrengabe deutscher Wissen¬
schaft 005.
Ein Jahr auf Oesel z24.
Einblattdruck 05—27.
Einzeldrucke, Hans Sächsische
Z17.
Elfen-Constitution, Die 49.
England als Erzieher 234.
Erbe, Der 227.
Erde auf Erden 6a.
Erinnerungen, Kölner 272.
Ernte 23z.
Erzzauberer Cagliostro, Der 23.
Expressionistische Kultur und
Malerei, Die deutsche 223.
Extenebris 249.
F
Familie Frack, Die 2x7.
Faust 057.
Festspiele, Salzburger 244.
Feuer von Tenochtitian, Die
258.
Flamme, Die 209.
Flammen 273.
Frankfurter Liebhaberdrucke
067.
Frauenroman des z8. Jahrhun¬
derts, Der deutsche 278.
Fremde Frau, Die, und der
Mann unterm Bett 239.
Freude, Die 055.
Fürst von Ligne, Der 264.
G
„Gazzetta di Bergamo“ 232.
Gebetbuch des Kurfürsten Jo¬
hannes des Beständigen von
Sachsen 73—80.
Gedichte und Spiele 268.
„Gefährten, Die“ 75.
„Genius“ 256.
Geschehenes, Gesehenes, Erleb¬
tes 66.
Geschichte der religiösen Dich¬
tung in Deutschland 266.
Geschichte der Kunst aller
Zeiten und Völker 223.
Geschichte von dem kleinen
Muck, Die 56.
Geschichte des Spießbürgers,
Die 273.
Gesellschaft der Bücherfreunde
zu Chemnitz 23a.
Gine 229.
Gnade und Freiheit 226.
Gobelinsammlung 243.
Godwi 123.
Goethebildnis 232.
Goethe-Dramen 8z—96.
Graphik, Schweizerische 258.
Graphische Bücher Z20—122.
Große Pan, Der 9.
Große Rad, Das 0x7.
Große Trost, Der 225.
Gutenberggesellschaft — Mainz
28a.
H
Hagadah 258.
Hamburger Kalender Z920 24.
Handbuch der wissenschaft¬
lichen Bibliothekskunde 007.
Handschriftenhandel, italieni¬
scher 149.
Handzeichnungen und Aqua¬
relle des Z9. und ao. Jahr¬
hunderts 242.
Hans Sächsische Einzeldrucke
1x7.
Haupt der Medusa, Das 75.
Heimwege 24.
Heldenring, Der aao.
Herrmann und Ulrike 227.
Herz in erhobener Faust, Das
156.
Histoire de la Nation frangaise
1Z3.
„Historische Blätter“ xoz.
Hochzeit des Todes, Die 298.
Holzschnitt 49—56, 117.
Hyperion 060.
I
Idiot, Der 239.
Im Weltgesang aao.
Individuum und Gemeinschaft
165.
Insel, Die za.
IstitutoItalianod’Arti Graf ich e
232.
Istituto per la Propaganda della
Cultura Italiana 230.
„Italia che scrive, L'“ 251.
J
Jagd, Die schöne ax8.
Jahrbuch der Bücherpreise 223.
Jahrbuch der Grillparzer-Ge¬
sellschaft 24.
Jahrbuch der jungen Kunst X09.
Jahrbuch der angewandten
Naturwissenschaften Z9Z4—
19 * 3 -
Jahresberichte der deutschen
Geschichte 223.
Januskopf, Der deutsche 0x7.
Jedermann d. viehische Mensch
050.
Jobsiade 23a.
Johann Bunkels Leben 047.
Jugendbefte für Literatur und
ai. Kunst 4.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Schlagwort-Rcgister 1921.
V
K
Kalender, Hamburger 24.
Kandide 180.
Kaplan, Der 8.
Kasperl wird reich ai6.
Kelter, Die 333.
Kilian Kötzler 176.
Kirchen, Kölner 247.
Klarheit 196.
Klerisei, Die 63.
Klosterleben im deutschen
Mittelalter »46.
König, Der 163.
Kriegsmusik aa.
Kultstätten und Kultgebräu-
che. Chinesische aox.
Kulturgeschichte, Deutsche 11.
Kunst, Altrussische ao8.
Kunst der oude boekbinders,
De an.
Kunst in Holland 3, 243.
Kunst und Religion 17.
Kunst in Tirol, Die 243.
Kunst, Wesenhafte 1x5.
Kunstbücber, BlaueWienera^j.
Kunstbücher, österreichische 3,
xox.
Kunstbücher, Süddeutsche 5,
a43 •
Kunstfaksimiles 97—98.
Künstlermonographien, öster¬
reichische 24a.
Kunstschätze der Sammlung
Max Strauß in Wien 214.
Kuriose Buch, Das 99.
L
Landesbibliothek Weimar r—
zz.
Landesvater-Einblattdruck 25
—27.
Landschaf tsmalerei, Die chine¬
sische 208.
Leben des berühmten Kaisers
Abraham Tonelli, Das 223.
Lebensgefühl und Weltgefübl
zi 4 -
Lederschnittbände aus dem
z 5. Jahrhundert zoz— Z04.
Legende vom weit verkommenen
Sonka, Die 176
Leute auf Dangaard 269.
Liebe, Die und der Tod aoa.
Liebess tücke 17.
Liebhaberdrucke, Frankfurter
367.
Lieder des Prinzen Vogelfrei
270.
Litanei vom schreienden Chri¬
stus, Die 170.
Literaturgeschichten, Persi¬
sche, in englischer Sprache
zzz.
Luterisch Strebkatz 52.
Lyrik, Die deutsche 25z.
Lyrik der Kabbalah 224.
M
Magische Laterne, Die 36.
Männer der Übergangszeit, Die
5 *.
Maries-Gesellschaft 342.
Maria am Rain 70.
Marques de Bolibar, Der xao.
Marquise von O . . . Die 265.
Massenregie 1x7.
Materialistische Geschichtsauf¬
fassung 11.
„Marzocco" zjz.
Max oder die Seelenhaltung des
Schiebers27j.
Meisterwerke der Kunst in
Holland 243.
Menschen im Abgrund 13.
Mentelin-Bibel zoz.
Messias 128.
Mikrologische Schriften 20—24.
Miniatur ZZ4.
Miszellen, Bibliographische 72.
„Moderne Welt** 244.
Monographien Tiroler Künstler
»43 •
„Morning Post" 114.
Münchhausen unter den Ziegen
367.
„Museion" 134.
Musik und Musiker im alten
Leipzig 7.
Musikgeschichte 168.
Musikstätten, Alt-Wiener 6z.
Mut des Egidi Duldmann, Der
aoo.
N
Nachtgespräche 259.
Narren, Von dem großen Lu¬
therischen 168.
„National-Zeitschrift für Wis¬
senschaft, Kunst u. Gewerbe
in den preußischen Staaten"
19.
Natürliche Tocher z8, Z9.
Neue Buch, Das 71.
Neue Heloise, Die 274.
Neue Malerei, Die 348.
„Neue Zeitung aus Brasilien"
•* 9 .
Nibelungenlied, Das 267.
Notizen über Mexiko 164.
„Nouveile revue frangalse, La"
97 .
Novellen in Gelb 270.
Nur ein kleines Stück Himmels¬
blau 33.
„Nyland" 75.
o
Olimpia x6, z7.
Ostern 64.
österreichische Kunstbücher 3,
xox.
P
Paganini 134.
Palatino-Bücher 27z.
Papalagie, Das 72.
Papyrus 115.
Paradies, Das 171.
Paradies auf Erden, Das 1x5.
Passion, Die 74.
Persische Manuscripte 183.
Pfauenfedern 196.
Phaeton 181.
Phantasien vom Bremer Rats¬
keller 267.
Philosophie der Gegenwart 272.
Philosophie der Kunst 2x4.
Philosophie der Liebe 138.
Plastik der Griechen, Archaische
a 08.
Plastik, Indische 20 3.
Politische Gedicht auf die euro¬
päischen Ereignisse von X854,
Das 106.
Portierfrau, Die 273.
Prager Dunstkreis, Im 75.
Prinzessin Sabbath 260.
„Producteur, Le" 195.
Prosaroman 268.
R
Rara et Curiosa x6—X9.
Rare Bücher X4X—Z48.
Rarobi bl iographie im 18. Jahr¬
hundert, Die 145.
Rednerschule 120.
„Reich der Toten" 37.
Reimgeschichte, Neuhochdeut¬
sche 29.
Reinigung alter Drucke 33.
Reise nach Braunschwelg, Die
266.
Renaissance, Die deutsche 209.
Republik derThiere, Die ...49.
Revolution der Wissenschaft
ixx.
„Revue de Paris, La" 195.
„Revue universelle, La" Z95.
Robert Macaire 27J.
Rokoko 9.
Rolandsage 113.
s
Sammelkatalog wissenschaft¬
licher Bibliotheken, Der 199.
Sammlung französischer histo¬
rischer Lieder 227.
Schattenschnitte, Chinesische
216.
Schießl Z25.
Schlesische Gesellschaft der
Bücherfreunde 35.
Schmierentheater-Zettel 76.
Schnurren, Schwarze 206.
Schriftgeschichte 27.
Schriitstellerorganisation 262.
Schwarze Sonne, Die 224.
Schwarzrotgold 272.
Schwere Stunde, Die 29.
Schwert, Das 353.
Schwierige Aufgabe, Die X7, 18.
Selbstbiographie, Die deutsche
263.
Selige Welt, Die 16.
Sieg des Gatten, Der 119.
Signor Formica 361.
Silhouetten aus Lichtenbergs
Nachlaß 164.
Silhouetten - Album aus der
Göttinger Gesellschaft um
X785 28—3X.
Sonette, Siderische 106.
Sonnenjungfrau, Die 238.
Sonnenstieg 7.
Sprachgeschichte,Deutsche2Ö5.
Staatsform der Republik, Die
xo8.
Stammbuch des Magisters
Frentzel, Das 57—64.
Stiefbruder, Der 62, 11a.
Stil und Behaglichkeit 22.
Stillen, Die 22z.
Stine Menschenkind 269.
Storchkalif, Der 3.
Strafkolonie, In der 59.
Strebkatz, Luterisch 52.
Strix 13.
Stumme Klavier, Das 121.
T
Tarnkappe, Die xxo.
Technik des Altertums, Die 169.
Technik im 20. Jahrhundert,
Die. Bd. 5. 116.
„Temps, Le" zza.
Terzett der Sterne, Das zjo.
Teufel, Die 139.
Theaterlieder, Altwiener 177.
Theoktista aus Byzanz 108.
Tiefurter Journal 39.
Till Eulenspiegel 252.
TipogTafia Elvetica 131.
Titeleinfassungen der Refor¬
mationszeit 65—68.
Tolle Hund, Der 132.
Träume in Vineta, Die 138.
Trio in Toscana 170.
Trlumphus Capnionis 52.
Triumphus veritatis 49—56.
Trost. Der große 1x5.
Tulpenfrevel, Der 313.
u
Über die ernsthaften Vergnü¬
gungen des Landlebens 67.
Um Gott 197.
Umsturz im Jenseits 222.
Ungarische Gesellschaft der
Bibliophilen 33.
Unruhe zu Gott, Die 179.
Ununterbrochene Reihe, Die
111.
Uralte Lieder aus dem Morgen¬
land 162.
V
Vampir 206.
Venus von Pharat, Die 60.
Venus und Tannhäuser 137.
Venusberg, Der 220.
Volksbildungswesen 160.
Vom Altertum zur Gegenwart
373.
Versteigerung des Nachlasses
des Erzherzogs Ludwig Vik¬
tor im Dorotheum X54.
Versteigerung bei Gilhofer &
Ranschburg einer Bücher¬
sammlung aus Wiener Privat¬
besitz 133.
Versteigerung des Nachlasses
des Miniaturenmalers Moritz
Michael Daffinger bei C. J.
Wawra 136.
w
Wälsungenblut 268.
Wandernde Sonntag, Der 223.
Wandlungen literarischer Mo¬
tive 53.
Weg nach Dingsda, Der 222.
Weimarer Landesbibliothek 39.
Weltanschauung der Literatur
des 19. Jahrhunderts, Ästhe¬
tische 200.
Weltengeheimnis, Das 163.
Weltreise 1911—za, Eine 105.
Wesenhafte Kunst 113.
Wharncliff Horae 1x4.
Wider die Schwarmgeister 162.
Wiener Kunstbücher, Blaue
a 43 .
Wohnungskultur aa.
Wunderbare Gesellschaft in der
Neujahrsnacht, Die 271.
z
Zauberflöte, Die 37, 38.
Zeiten und Bilder 20.
Zeitgenossen Chodowieclds 196.
„Zeitschrift für Bücherfreunde"
117.
Zeitungswesen ln Weimar, Das
61.
Zum Hundertguldenhaus 246.
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