X. Jahrg.
1936
Heft 2
Zeitschrift für
psychoanalytische
Pädagogik
Alice Bdlint . . .
. Versagen und Gewähren in der Erziehung
Editß Braun . . .
. Eine Kinderfreundsdiaft. Beobaditung aus
einem Kindergarten
Alfred Meser . .
. Das Kleinkind und seine Umwelt
Otto Fenlcßel , .
. Die sdiwarze Ködiin
Hans Scßiiola . .
. Über Lernstörungen
Editß Buxbaum .
. Detektivgesdiiditen und ihre Rolle in
•
einer Kinderanalyse
*
(
Berichte
Preis dieses Heftes Mark 2" —
Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
Begründet von Heinrich Meng und Ernst Schneider
August Aichhorn
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Herausgeber:
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Prof. Dr. Ernst Schneider
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Anna Freud
W t e n IX, Berggasse W
Hans Zul liger
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Schriftleiter:
Dr. Wilhelm Ho ff er, Wien, 1., Dorotheergasse 7
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«ngen , „Lern- und Denkstörungen«, „Jugendliche Verwahrlosung
und Kriminalifät".
ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHO-
ANALYTISCHE PÄDAGOGIK
X. Jahrg. 1936 Heft 2
Versagen und Gewähren in der Erziehung
Von Alice Baiin t, Budapest 1)
Trotz den schönen Erfolgen, die nach mehrjähriger intensiver und
ausgedehnter Arbeit auf dem Gebiete der Kinderanalyse und Erzie-
hungsnachhilfe bereits zu verzeichnen sind, befinden wir uns doch
noch immer in der unangenehmen Lage, die Antwort auf die naive
Frage: „Also, wie soll man nun seine Kinder richtig erziehen?"
schuldig bleiben zu müssen. Bei der Erörterung dieser Frage müssen
wir jedesmal auf die psychoanalytischen Auffassungen über die kind-
liche Entwicklung, über das Wesen und die Funktion der Erziehung
zurückgreifen; der ungeduldige Zuhörer oder Leser findet dann
häufig, daß ihm damit wenig Positives geboten wurde. Dazu kommt
dann noch als besonders erschwerendes Moment, daß es unter den Ver-
tretern der Psychoanalyse selbst verschiedene Auffassungen und nicht
nur eine einzige Anschauung oder Forderung, „wie erzogen werden
soll", gibt. Wer die Sonderhefte dieser Zeitschrift über Nacktheit,
Onanie, Strafe studiert hat, weiß selbst, wie uneinig die Autoren in
diesen elementaren Fragen der Erziehung sind. Auch bei der
Behandlung anderer Erziehungsfragen gehen die Autoren eher vor-
sichtig tastend vor, bemühen sich zu erklären, warum direkte Rat-
schläge unmöglich sind, und beschränken sich oft auf eine Mahnung
zur vorsichtigen Verwertung der neugewonnenen Einsichten. Das
beweist nur, daß die bisherigen Erfahrungen und Erfolge, an Einzel-
fällen gewonnen und gesammelt, eine Verallgemeinerung in Form von
jederzeit gültigen Regeln noch nicht zulassen.
Diese Situation erinnert stark an die, in welcher sich die psycho-
analytische Neurosenlehre befindet, die ebenfalls noch keine allgemein
gültige Antwort auf die Frage, wodurch ein Mensch neurotisch werde,
gefunden hat, obwohl sie in den einzelnen Fällen die Ursachen der
^) Nach einem auf dem XIL Internationalen Psychoanalytischen Kongreß
in Wiesbaden (4. bis 7. September 1932) gehaltenen Vortrag.
Zeitschrift f. psa. Päd., X/2 ^«^INTERNATIONAL ^
&■ PSYCHOANALYTIC
^H UNIVERSITY
DIE PSYCHOANALYTISCHE HOCHSCHULE IN BERLIN
Zr Alice Bälint
Erkrankung aufdecken kann. Diese zwei ungelösten Probleme der
i-sychoanalyse stehen in mehrfachem Zusammenhang miteinander. Sie
sind aber sieher nicht wie das Ei des Kolumbus durch einen glück-
lichen Einfall mit einem Schlag zu lösen. Wir stehen da vor etwas
Unbekanntem und Unberechenbarem, das noch gefunden werden muß-
Em ge Vermutungen können immerhin heute schon geäußert werden.
blemlTt"'' ri' ^""T ^""^ ^^^'^^^ Zusammenhang der beiden Pro-
dis MelbT'^.r' ^^^^^^--g. welche die seelische Gesundheit
schef Anl ivi T f'"t'^ -«^^ten wir zuerst (in den therapeuti-
seten tblS T ^''' f^'^'^'^^Sen mit seelisch kranken Erwach-
rankhe'tsveru -b T^T. '"^ ^^^^^^^^«^ ^^^ Einwirkungen als
^^Z^'^LTt^^'^T ^'^^^^^"^ ^'^ Erziehungsfehler
was in der Kindb^ir^ tT Folgerung schien einfach und leicht:
Zrs^Z^:ttl^^^^^^ °^- -terlassen worden
lassen. ^'' Erziehung nicht tun, bzw. nicht unter-
Heute wissen wir dnR o,-/,u a-
in der Folge als un»t^ P-gramm
diese Ergebnisse der a.., ^ ^^ ^•^^S*« ^ich nämlich, daß
Setzung noch zu allgete f z?" T^'''^'' '"^ ^'^^ ^^^^^^^^ ^"■
sehr verschiedene VorschHfZ I'.'^^'^^*^,? ^^^^^- ^an konnte daraus
ableiten. Die einen propa^ L e" '" 7'^'"^*^" ^^^^"^^^ ^^^^^^"
die Eltern gestatteten sich kau t^ ! e^trem=puritanisches Verhalten,
über dem eigenen Kind oder 7. ' ^^^P^^^^^^^« Zärtlichkeit gegen-
iürchteien, dadurch die aus ^^^^^^^^^^^^^^ie^ vor dem Kinde, denn sie
Schäften, insbesondere die Ödinn.l i?''^^^^'' wohlbekannten Leiden-
zu dem Schlüsse, dem Kinde ^" entfachen. Andere kamen
gewährt werden, sie machfPT. ^""^^^ ^'^^ größtmögliche Freiheit
und ihre FreiheitsbeschränkuLerf^''!"''^"^*^^'^^^ Einrichtungen
antwortlich. Ich glaube nicht T a ^^^lischen Störungen ver-
tlblichen Hinweis auf den ^ni/ "Jf ^'^^^ Gegensätze mit dem
■p ,. »goldenen Mittel wo»" ^ i j-
Es soll nun zuerst die Frage he.r.rlT '^'^'^ ^'^"•
«uch die Forderungen nach r' chtilfF . ''''^'"' ^^^^^ ^'' '^'''
der Krankenanalysen direkt «h!i.'^^''''S ^^^^ ^^^ Erfahrungen
denke da an eine Fehlerque Ue 1''. ""' '"''^' ^^^^^^^^ konnte. Ich
auffiel, die, wie ich glaube zu Z \'^'' '^^^'^ ^^'«t i^ letzter Zeit
In den Erwachsenp? 1' '^ ^'''^*^* ^^^^e.
^^^^-ii^nseneuanalvsen wit.^ -^
bei lortschreilender BesohSltk-^ "^ '''"'" beobachtet, wie
scliiclite der Kranke für die Antw "!" '^'''' «'«enen Kindlieitsge-
GSB. Sehr., Bd. V. "'• ''"'">'-'<' '^^^^^^^^^^^^:^rE^[^i^~^J-^.
I
Kinde wird". Dieser Eindruck wird immer stärker, je mehr der Kranke
selbst seine frühe Kindheit „wiedererlebt", sich als Kind sieht und
fühlt. Für ihn gibt es in diesem Moment nicht mehr die Ekel- und
Schamreaktionen, über die er sonst als Erwachsener selbstverständ-
lich und oft sogar in übertriebener Weise verfügt, und es können alte,
primitive Lustsensationen auftauchen, die ihm sonst nicht zur Ver-
fügung stehen. Für uns als Zuschauer scheint es dann, als wäre das
frühere kindliche Triebleben wiedererwacht. Ist dem aber auch wirk-
lich so? Nicht einmal für den sich kindisch gebärdenden Geisteskranken
träfe diese Behauptung zu, wie ich nach einer mündlichen Mitteilung
S. Ferenczis bemerken möchte. So groß auch der Unterschied
zwischen dem seine Triebe beherrschenden Erwachsenen und dem
wieder Kind gewordenen Kranken erscheinen mag, die Analyse hat
doch nur ein Guckloch in die Triebwelt geöffnet und nicht ein reines
Triebwesen aus ihm gemacht. In ähnlichem Zusammenhang legt
Anna Freud das Hauptgewicht auf die Tatsache, daß der Erwach-
sene im Gegensatz zum Kinde auch in der analytischen Situation ein
ausgebildetes Über-Ich besitzt. Auf diese Tatsache stützen sich dann
bekanntlich die von ihr hervorgehobenen Unterschiede in der Technik
der Erwachsenen- und der Kinderanalyse.
Wenn wir diesen Gedankengang weiterführen, kommen wir also zu
folgendem Schluß: Das Triebleben des Erwachsenen tritt uns niemals
mehr in seiner ursprünglichen, ungezügelten Form wie beim Klein-
kind entgegen; wir können es nur insoweit und in der Form wahr-
nehmen, als es das übergeordnete Über-Ich (Gewissen) zuläßt. Dieses
Über-Ich ist das in der analytischen Behandlung eigentlich Veränderbare,
es kann wenigstens zum Teil abgebaut und durch ein andersartiges,
brauchbareres ersetzt werden. Nicht rückgängig aber kann die Tat-
sache gemacht werden, daß ein Über-Ich vorher schon einmal da war;
das Triebleben war schon dem Erziehungsprozeß unterworfen worden,
ein regulierendes Ich sorgt nunmehr für einen Triebhaushalt, in dem
Entsagen, Warten, Ertragen größerer Triebspannungen ebenso not-
wendig sind wie das Vorsorgen für Triebentspannung und -befriedi-
gung. Etwas von den Trieben verlangt nicht mehr nach der direkten
Befriedigung, es hat sich den Bedürfnissen der Realität, wie sie das
wahrnehmende Ich erkannt hat, angepaßt und ist auf diese Anpassung
trainiert worden.
Ich denke hier an ein Beispiel, wie es in den analytischen Behand-
lungen öfter zu beobachten ist: In einem Abschnitt der analytischen
Kur käme z. B. die Freude und Lust am nackten Körper zur Sprache;
der Patient hat in der vorhergehenden Analysenarbeit von sich er-
fahren, daß diese Lust durch d?fs Kleidertragen und durch die ver-
1'
78
. ^ Alice Balint
t^Zj^^^^^ ^^^^- ^-i^h-g Btark unterdrückt und
däres, a?s mehr weni •'''''* ' Nacktheit hat er als etwas Sekun-
durch die Verböte^dpfp ^- ''^^^"'^'' ^''^''*^ ^^^en die ursprüngliche,
Nachdem das alles wLklkh J f *',^^^^^^ gewordene Lust erkannt.
Affektbeträgen wiedererll; ''^''*^^^^^ ^^^ «^i* ^en entsprechenden
Patient trotzdem lüXt il h/t '' ''"^ ^'^ ^°^^ ^i^^^^' ^^^ ^^'
befriedigung im elpinv,^ a ^^® ^^*' ^^® wiederentdeckte Trieb-
Die vorangegangene Er^i t""'"""? ^""^ ^^ ^^^^ genießen zu können,
geben. Die für die AnaW^^ ^* '^""^ Wirkung nicht ganz aufge-
Kenntnis zu nehmen orneL?'T;'f''f' Bedingung, Wünsche zur
durchzusetzen, setzt einen h T ^^^^^^digung unter allen Umständen
ertragung voraus, auf die wi.!"?! .^'^ ^'''" Fähigkeit zur Spannungs-
Kranken rechnen können >I°^^ '"^ ^^'' ^''^®'* "^^^ neurotisch
besser befähigt als ILy^aI ^^^^^^^^^r sind bekanntlich hiezu viel
die Technik für die Rphl^lrr^ '^""^ ^xz.n\^ und Verwahrloste;
von der klassischen Analv^f fl '?^'^''' Störungen weicht ja auch
ein Mißverstehen der Psvrh i ^^^ Neurosen ab. Es wäre also
die Fähigkeit, Triebregunr^''^^^^ ^^^^^ "^^^ annehmen, daß sie
wollte. Nicht die Fähigkeit an T\. ^^®^^^°^®n, an sich bekämpfen
benen Forderungen nach solcherp-T-''^^'''' ^^^ ^^^^en der übertrie-
der analytischen Kur In ih ^^^^gkeit sind die Angriffspunkte
dieser Forderungen, der ErziPfT ""* ^^"^ Kranken der Vertreter
recht, seine Gebote zu streng '• V*^''^''^ unaufrichtig und unge-
Triebverzicht als solcher ^w\ ^^^^^ Verbote übertrieben; nicht der
^ur Erkrankung führen mußte ^^^^^"**«°' sondern das Zuviel, das
lyse ihre befreiende Wirkung ^^^^'ilage. auf der also die Ana-
zum Triebverzicht. Es wäre fh/'''''^*' ^'* *^^^«°«h die Fähigkeit
Erziehung wäre gleichbedeutend mTt ""' '^ "^^^"^^' ^^^ ^^^"^"
stunde. Im Gegenteil: die Erzieh,.? TT ^^«S^'l^hnten Analyse-
Sie erzeugt nicht bloß die R.S^ ' Voraussetzung der Analyse.
reparieren helfen soll, sondern vtirf''' ^'^ ^'^ ^^^1^«« ^P^ter
f e Analyse erst arbe Uen kanJ W '. ' ''^ ^^^^^^^' i^^^^halb dessen
wTr'^'^- ' ^'^^*' ^^ß ^r ^rst geschaf-
InbalTdr^datX'?:h'L^t^^^ Teil der Erziehung, d. h. den
TrieW^'^'^ '^^ E-twickCfdes trT ""^^'^^^ ^^^ ^^bote, von
— Ü-ZÜ^^^eser Fähigkeit tr« ' "''^'^- ^«^ «föchte sagen,
nieren des Irhc 1^ ^^°^ sowohlaiTTC"" — " ■
Formulie?»;? f^^^^^ßt ^erdei. Weth v'"'"^^ ^^^ Triebe wie als Trai-
''""^ ist, kann bei dem heutitn I. ^'l ^^^tapsychologisch richtigere
iigen btand unseres Wissens schwer ect-
Versagen und Gewähren in der Erziehung 79
Kinder unterscheiden gewöhnlich sehr genau, was in einem Men-
schen vorgeht, der Triebbeherrschung gewöhnt ist, und jenem, der
unbeherrscht seinen Triebansprüchen gehorchen muß. Das illustriert
folgende Geschichte: Ein neunjähriger Junge las eine Geschichte, in
der ein Affe wegen Verrats anderer Urwaldtiere an die Menschen zur
Strafe selbst in einen Menschen verwandelt wurde; als Mensch ver-
kleidet, mußte er nun den Urwald verlassen. Das Kind brach über die
Härte der Strafe in Tränen aus, und auf die Frage, ob es denn gar
so schlimm wäre, ein Mensch zu sein, antwortete es: „Das nicht; aber
für jemanden, der im Dschungel gelebt hat, muß es schrecklich sein."
. Die Aufgabe der Erziehung kann, von diesem Gesichtspunkt be-
trachtet, in folgender Weise umschrieben werden: Wir wollen dem
Kinde unnötige und schädlich wirkende Triebeinschränkungen er-
sparen, wollen aber dabei doch die Fähigkeit, höhere Trieb Spannungen
zu ertragen, fördern und entwickeln. Dazu sind aber konkrete Auf-
gaben notwendig, etwa wie die Turnübungen für die Förderung der
körperlichen Kraft und Behendigkeit. Welcher Art sollen diese Auf-
gaben sein? ji'. ,1 . ^
Die Fähigkeit, Spannungen zu ertragen, das „Wartenkönnen",
kennen wir seit langem unter dem Namen „Realitätsprinzip". Freud
meinte bereits in den „Formulierungen über die zwei Prinzipien des
seelischen Geschehens", Funktion der Erziehung sei, das biologisch
vorgebildete Lustprinzip in das Realitätsprinzip überzuführen, d. h.
an Stelle des blinden Jagens nach Lust ein Benehmen zu setzen, das
den Dauernutzen einer Handlung voraussehen und berechnen kann.
Der Text der Aufgaben wäre damit bereits gegeben; es ist eben die
Realität. Doch welche Realität? Was ist die Realität für unsere Kin-
der? Sie setzt sich im wesentlichen, wenn auch durch gesellschaft-
liche und ökonomische Differenzen gekennzeichnet, aus den Personen
zusammen, auf die das Kind vom Beginn seines Lebens an angewiesen
ist. Die Naturgewalten haben wohl auf den Naturmenschen erziehe-
risch gewirkt, heute treten sie nur in Zeiten außergewöhnlicher Not
an die Kinder der zivilisierten Welt heran. Die unmittelbare Aufgabe
heißt nicht mehr wie für das Tier Anpassung an die Naturgewalten,
Nahrungssuche, sondern Anpassung an die Welt, wie sie von den Mit-
menschen eingerichtet und organisiert worden ist'). Di e Anforderun-
schieden werden. Ich selbst neige eher zu der ersteren, denn es scheint mir
s.nnvoler die Kräftigung oder Erweiterung des Ichs auf Kosten des Es bereits
als Folge des Triebtrainings zu betrachten. Wie dem auch sei, gewiß ist, daß
es sich hier um Vorgänge handelt, die sich an der ineinanderfließenden Grenze
zwischen Ich und Es abspielen.
*) „Soziale Anpassung" spielt auch bei den Tieren eine, wenn auch gerin-
gere Rolle. .. . : ., .... ;.,.. ....... . .
""■ ■ Alice B Alint
gen, Welche die Erz' Vi
Wirklichkeit der Bew-]7 ^^^^ ^^^^ ^"^ ^^^ ^^^^^ stellen, dienen in
nen. Die wirkliche A ^ ^^'^^^ ^^^^ ^i^l später eintretender Situatio-
senen, fehlt dem Kind^ ^^^^' ^^^ ^ö^ältigung der Welt des Erwach-
verhalten, als lebe es h ^°^^^^' ^"^ ^^^^ ^^^^ ^^ lernen, sich so zu
Kind noch voraussetzurT^ ''' ^^^^^"^ ^^^^- ^'^ ^^^^"^ ^^^*' ^^ ^^"^ ^^^
vorbereiten lassen in „P® geliebt und versorgt wird, muß es sich
Schutz nicht ohnewpH«^.'"^^, ^^^^"^S ^^ ^eben, wo ihm Liebe und
Je nach der geseUsch f ^ ^^'^ '''^^'^^''■
Eltern dauert diese Perioi^'f^" Zugehörigkeit des Kindes und seiner
mein gesagt werden daß !i l^®"" °*^^'' ^^^^®^' ^^^h kann ganz allge-
ersatz schafft, an dem e ®, ^""^^^^^ng dem Kinde einen Realitäts-
Von diesem Gesicht«^ ^ i ""^^"^ ''''^ stärken kann,
lemente der Erziehunl ^""^ betrachtet, können (
öosagi werden dan a- t^ ^«■^eer, uocn ks
ersatz schafft, an dem ! t ^^'^^''''^ ^^°^ ^^"^e e;
Von diesem Gesieht^^ ^ ""^^"^ ''''^ stärken kann.
Elemente der Erziehung l^"" ^""^ betrachtet, können die formalen
beim Aufstehen, Essen u^w"^'! ""' ^' ^^® Einhalten bestimmter Zeiten
zu tragen, bei gewissen gJ.' u ^"^^""^ ^^^^ g^^^sse Art Kleidung
(grüßen, Bitten, DankeT^ Ü^ ^'*^'' bestimmte Worte zu gebrauchen
oder, besser gesagt al« p v?""^* ^""^ ""^^ "^o^ehe Ersatzrealitäten
Wesentliche an ihain L".-^ , u'^^P^'^^^S^übungen" gelten. Das
^f ach in die Schüssel l^f"'^ f ' ^^^*^-- ^as Kind soll nicht
^der gar die in der FamilT.TKr ^^''^ ^'^^ ^^^ Eßbestecke bedienen
;^^g«gnung soll es nichTmtt ' Reihenfolge einhalten. Bei einer
^rn vorerst grüßen; sich die 'qT.^'"''^^^^^" herausplatzen, son-
ähn/- .'^ '^'^^«° ausreden il'"' abwischen, bevor es ins Haus
ahBUeher jlegeln bedeutet 1 T,f ^'^^ ^'' Einhaltung dieser und
fein ?r-^f '^^^^* -^- Triebbehf ^r ^"^^ beträchtlicher Spannun-
Man .'' -"'^ ^^^^ «^entiehr itr''^^"^^' '^« ^^^ dem Kinde vermit-
sie^^n :^''^'''''''^-^nt^^^^^^^ ^^ Lebenskampf.
wand liegt mir^itT. "'^''^^«chamichf t ^^^^^s^eifiiche praktische
Punkt ^ertmoTZu ''"''■ "'^ ^^ ^ ;!'f^" "^«""en. Dieser Ein-
"nd die Zeit ah,,,! ^^ wirklich ni,r . """»™ eigenen Stand-
'»« «^taige Mta^f 'f' »« «s mögS ."f "^^ ««^änld zu haben
AWarten de.'"^^^, "''« »Ur „ei^l tilu ' ''"■ '^'"'ä« ™ "»klären",
'»'"hier ennglT^^T ^""»'s, i e^" ,7"'ieu kann. Ein solche»
(^hen die eS '"' "'^^ Wr ihm ei ' ' ^^'■^^g««S von dem Kinde
ist das Apnem^™»«> ^att, bj,'"^ ^'»^ "ntellektuelle Entschädigung
das Kind Erkl ^^''^'«»aUschePr, I ^ keineswegs immer mög"
Seregelter Sti M™!*^™ überhaupt ,".""'!'.''« »eist früher einsetzt, als
Stillzeiten); zweitens »fif"^'""' ■^' (^- B. das Einhalten
'"""■ «in Teil der erzieherischen
Versagen und Gewähren in der Erziehung ot
Maßnahmen mit dem Hinweis auf ihren praktischen Sinn erklärbar
smd. Die Einschränkungen, die dem Kinde auferlegt werden können
m zwei Hauptgruppen geteilt werden. In die eine Gruppe 'gehören
Jene Verhaltensregeln, die das Kind und seine Umgebung vor irgend
einem Schaden schützen sollen (z. B.: „Rühre nicht den heißen Ofen
an" usw.). Diese Regeln lassen sich mit dem Hinweis auf die un
mittelbaren Folgen ihrer Außerachtlassung vollkommen erklären
(„Du verbrennst dir die Finger...", „Vater wird böse, wenn du
ihn nicht schlafen läßt . . ."). Diese Regeln sind aber auch keine Reali-
tätsanpassungsübungen in unserem Sinne. Sie vertreten vielmehr
Jenen Teil der einfachen Realität, mit der auch das Kind bald in Be-
rührung kommt. Ganz anders steht es mit den eigentlichen Anpas-
sungsübungen, zu denen wir die Regeln der Pünktlichkeit, Reinlich-
keit (mit Ausnahme der rein hygienischen Maßnahmen) und der
Schicklichkeit rechnen können. Ihr Sinn wird selbst für uns erst in
einem viel weiteren, für das Kind sicher unerfaßbaren Zusammenhang
verständlich. Wollten wir auch hier durchwegs mit Hilfe von Er-
klärungen vorgehen, so müßten wir bald zu Scheinrationalisierungen,
also zu einer Fälschung der Realität greifen, die meines Erachtens
schädlicher ist, als ein einfaches: „Sieh', du meßt, denn alle machen
es so
Folgerichtig müssen wir uns nunmehr die Frage vorlegen, ob die
„an sich" sinnlosen, formalen Forderungen, für die Entwicklung des
kulturnotwendigen Maßes an Fähigkeit zur Triebbeherrsehung über-
haupt notwendig sind, d. h. ob wir dasselbe nicht auch allein mit
Hilfe der einfachen äußeren Realität erreichen könnten. Eine Antwort
auf diese Frage gibt uns die Ethnologie. Sie zeigt uns die - am
kulturellen Maßstab gemessen - geringe erzieherische Kraft der ein-
fachen Realität. Der Hungersnöten ständig ausgesetzte Australier
lernt es nicht, etwas für morgen aufzuheben. R ö h e i m meint, diese
feorglosigkeit hätte ihren Grund in der Freigebigkeit, mit der die
austrahsch^e Mutter ihre Kinder nährt. Menschen, denen das schmerz-
liche Erlebnis der Entwöhnung erspart wurde, können sich keine
karge Mutter Natur vorstellen, so reaiitätsgerecht dies auch sein
7Jt n "T . ^P"°^i^^"«" ist 3edoch wahrscheinlich nicht die
31 y M? ! ''"" Verhaltens. Da die Kinder nicht entwöhnt
werden fehlt ihnen auch Jene frühe Trieberziehung (Training), die
sie befähigen Würde, ihre Eßlust zu hemmen, um Vorräte zu sammeln,
bie müssen eben sogleich alles verspeisen, was da ist. Die in tropi-
scher Fülle lebenden Papuas hingegen, kennen die ängstliche Sorge
um die nächste Mahlzeit, das Sammeln von Vorräten und auch die Ent-
Wohnung von der Brust im ersten Lebensjahr.
82
Alice Bälint
oder Trainingseremfi!'t!ri^' ^^^ ^^^ ~~ ^°^ "'^^ ^^ genannten - Drill-
als niedrig bezeichn t ^^^^^hung bei Völkern, deren Kulturstufe
sind. Bei solchen nrimTr'^^'' J"""^' '"^ geringerem Maße zu finden
Tageseinteilung, kein t -t" ^^^'"'^^ ^i^* «s keine regelmäßige
Arbeitsprogramins kein p"^ f Erledigen eines vorgeschriebenen
Beobachtungen von Roh ^-^ "^ ^^'^ Peinlichkeit. Ferner zeigen die
M. Mead, wie unter nrim-r^^ ^^^ ^^^ amerikanischen EthnologiB
solchen Erlebnissen aus^ 7^"^ Verhältnissen die Kinder regelmäßig
sich für schädlich halter^ 1 T"^' ^^^ ^^^ Kulturmensch an und für
Würde. ^^^ aem Kind nach Möglichkeit ersparen
Auf der Insel Samoa z R =■ ^ ...
schlechtsakt, bei der Geburt " i - ^^'^'^^^ Zuschauer bei dem Ge-
Leiche einer schwangeren P ^^^ ^^i^^en sehen, wie der Fötus aus der
gehenden sexuellen Spiele a^""^^ ■ T^^^^^^^^^^iiitten wird; die weitest-
alles Dinge, die innerhalb un"" t'' '^^^ereinander werden geduldet:
men gelten, an denen Men Jr""^"" *'''' ^^^ schwerwiegende Trau-
S16 Behandlung und Heilunr^'l''^''''''*^'''^ erkranken, derentwegen
nisse dort weniger schädlich wT ^' '"* ^^^'' ^^^ triebhafte Erleb-
zur Triebbeherrschung uiedrigli^i ^^ ^° ^^^ allgemeine Forderung
bare Maß^e^ Kulttrtedfnlt?^*?^'" ^"^* ^^er das uns vorstell-
Wissen Wir aber dies, so sehl ^riebversagung hinausgehen,
gluck in einer recht verhänll'^T, ^'''^' ^^^ ^^^It^r und Menschen-
^!^ kulturnotwendigen TriVh. i^"" Beziehung zueinander stehen-
V^; der soldatische Drill keTner ''''^''^"^ ^^b^"' S^^^ ä^^"^^'^^'
öe- Glückes des einzelnen Ch, 'I^^^^^^^^^en Sinn vom Standpunkte
t Pelhaften, aber vom Triebstand i ^^^^^^eine Sympathie für den
aus dem man auf keine Weise ^^^^^'^ ^^^^^^ gescheiten Rekruten,
au. W ''^'^^^^ des KulturLnse;' ™^*^^"° ^'^l^^ten machen kann.
Tn T\ "'' "'^^ ^ersuch'n köntr "T^""' ^^' ^^^^^ Triebglück
StÄ^r^^ - ^^'""ErTu^^^^^^^^ ^^^ - -ff
Maßzube^ow- , "^^^^^»agung auf L ^ Kultur bedeutet. Die
^^ --^mC^.T "' ''' '''' --l^tTult'f '''/'^"^* kulturnotwendige
men^nh ^^^' ^^^^^ Teil des ' , ^"^'^«^iieh. Im Gegenteil: sollte
nien8eJ,en Wiederzugeben, beJ^r'^'^ Triebglückes dem Kultur-
"^^^^^^^I^^LII^,^^^^^^^ ^'^^^- einigermaßen zu der.
R/lF'^^^dT^^;!;;;:--;-^^ beitragen, w a s und
•*-
Versagen und Gewähren in der Erziehung 83
wieviel wir dem Kinde gewähren können und sollen, und auf wel-
chem Gebiet es nützlich sein kann, ihm Versagungen aufzuerlegen
damit es die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, d. h. zum Ertragen
höherer Spannungen erlangt. Bei der Überlegung der Frage, was dem
Kinde aus erzieherischen Gründen versagt oder erlaubt werden soll
denken wir natürlich nicht an die undiskutierbaren, weil in jeder
menschlichen Gesellschaft vorhandenen Versagungen, deren Inbegriff
die Inzestschranke ist. Das Trainieren der Seele ist etwas darüber
Hinausgehendes, Es handelt sich hierbei um die Erreichung der Fähig-
keit zur Triebbeherrschung im allgemeinen, (Ihr Ausmaß ist aber je
nach der Art der betreffenden Kultur variabel.) '■ i -j^
Zusammenfassend können wir sagen, daß es vielleicht ein Irrtum
war, wenn wir — wie wohl die meisten unter uns — geneigt waren,
das Gewähren auf seelisch-inhaltlichem Gebiet mit der Vernach-
lässigung der formalen Disziplin zu verknüpfen. Das Kind soll mög-
lichst frei denken und fühlen und seinen Gedanken und Gefühlen auch
gelegentlich Ausdruck geben dürfen, und soll sich doch den verschie-
denen Formansprüchen der Gesellschaft bequemen müssen. Es soll
lernen, daß es nicht alles sagen und tun darf, was ihm einfällt, wobei
aber offen anerkannt wird, daß einem Dinge einfallen, die mit den
gesellschaftlichen Vorschriften nicht übereinstimmen. Durch Gewöh-
nung an die Formansprüche der Gesellschaft, ohne gleichzei-
tige moralische Verurteilung der zu zügelnden Trieb-
regungen, kann vielleicht jene Elastizität der Seele erreicht werden,
die uns befähigt, einerseits Entsagungen zu ertragen und anderseits
die sich bietenden Gelegenheiten zu freierem Ausleben einer Trieb-
regung zu genießen. Mit anderen Worten hieße das: die Sonde-
rung der Erziehung zum Realitätsprinzip von der
Über-Ieh-Bildung. t--,;; y: -■ -.::. ->..:-.i :. :r
Das Ziel einer jeden Erziehung ist eigentlich ein zweifaches: sie
soll die praktische Leistungsfähigkeit (Tüchtigkeit im Lebenskampf)
und die Glücks- oder Genußfähigkeit des Menschen gewährleisten.
Das erste Ziel wird mehr von der offiziellen Schulerziehung, das
andere mehr von der inoffiziellen elterlichen Erziehung vertreten.
Diese Einseitigkeit der Zielsetzungen hat die unnötige Härte und
Starre der einen und die Unsicherheit und Planlosigkeit der anderen
J'-'rziehung zur Folge. Eine allgemeine Erziehungslehre wird unbe-
<lingt beide Ziele vereinigen müssen.
j l:.i;i ij-^'-r
Eine Kinderfreundsdiaft
Beobaditung aus einem Kindergarten
Von Edith Braun, Wien
I-y
sechsjährigen
beob-
achten, über deren vfi/^i"'^''' ^"^ "^ ^^^^"^" Mädchen zu
I^ie öJ^iähri e ^ ' ^'®'' berichten will.
Vater und Muüer in ^ ^' ^^^ ^^^^ ^''^^^ Handelsagenten, lebte mit
ich, obwohl Eva dre" T^T"^ Kabinett in Untermiete. Die Mutter habe
Wohnung nicht weit ?f ^ ^^""^ ^^"^ Kindergarten besuchte und ihre
Jahr, als Eva noch n hf™* ^^""^ ^^"^"^ gekannt, da sie nur im ersten
brachte oder holte- ^ i '"^ "'^''^^'' Gruppe war, das Kind manchmal
kannte sie nur aus eITV u}'^^ ^'^ ^'^^ ^^öllig dem Vater. Ich
Bewunderung von ihrl ^""^^^^^^"Sen ; das Kind sprach mit großer
Sie habe. So erfuhr ich Z'IaTJ'^ ^^'' ^"^ "^^^ für schöne Kleider
baus mitgenommen wurde ''°'' ^®'' ^"*^^'' ^^ *^^^ ^°® ^''^^®^'
Eva War ein h"h ii ' G'^^^-
eitel. Von selten der'pi? ^'''^' ^^^'"^ ''"^ ^^rt und ungewöhnlich
^atte fast immer Uakl.T ^■''''^^ ^'^^^ Eigenschaft gefördert, sie
erzählte mir einmal daft !• ^/^«^^^^g^l ^"d gebranntes Haar. Sie
^^d den Kopf nich; beweTen^^'d T "^"'^^ ^""^ ^"^^^ ^^^^^^ "^^^'^
drucken. An zwei Tagen dSwl'' """^ ^^^^ ^^^^^ nicht zu zer-
Kmdergart^^ abgehoirda 1 ^'^?, "^^"^^ ^'^ früher als sonst vom
^hr diese Tanzschule w;r'Lrri'''''''^^^^ besuchte. Wie wichtig
beim Schnurspringen hlnZZ^^^V' ^^is^iele: Sie war im Garten
4 stLTbluer ^^^^^^re uet/"'^^^^^ ™^- ''' ^^^ü
Grund- üh! ^^^^ ^n und antwn.! . ^^^ ^^^^^t ^^h. Plötzlich
einem pCseTv'^" '^^^ -^ CsTld' T "^^^^ ^^^^ "^^ ^^"
babe ihr d! Q ^''^"^^^•" Am nach' ^'^^' ^^ ^^"^ ^^^ doch nicht mit
war er ga' ^''"^^^P^^ngen verbot?^. ^^ ^^^^^^^^te sie, ihr Vater
daran geahfr* ^^^ -^^ e ^r '' ^ V^^* ^^^ ^-^^- ^P^^^''
einmal ., ^'^ ^^^te sieh wohi ^ ' ''' ^^^^ "i^^t im entferntesten
"n z:^T'^^ -i^t ditr "^^^^^^ -^ ^^^^^' «^^^ -'^^
gebS w-'*i' ^^^"^eignüS'df '''"^«^S« ^-^ eine Kasperlvor-
wart n\ ^''' ^^^ ^^f das s'ie A"""'^^^ ^-^ern nur sehr selten
lTri>'\^"^d^ bitten wäh!;f/' "^^* besonderer Begeisterung
-e, nachdem sie ger^dlnoefd '^^ J-^^ellung abgehoft und ver-
aem Kasperl zugejubelt hatte, ohne
das geringste Zeichen des Bedauerns, da sie wußte, daß sie in die
Tanzstunde geführt werde. ^®
Ihr Benehmen war tiberlegt und unkindlich, den Erwachsenpr,
gegenüber sogar als kokett zu bezeichnen. Ihr Verhalten zu den Sn
dern, besonders zu den ganz kleinen, war im Vorjahr sehr neU
gewesen, sie hatte sie bemuttert und ihnen geholfen. Vor allem den
neuen, noch nicht eingewöhnten Kindern hatte ihre Fürsorge ee^ol
ten und es war ihr oft gelungen, sie zu trösten. Im Laufe dieses
Jahres, seit sie sich in einer Gruppe mit Gleichaltrigen befand ver-
änderte sich ihr Benehmen; sie hatte, besonders ihrer Freundin Susi
gegenüber, einen befehlenden, herrschsüchtigen Ton und ließ diese
ihre Überlegenheit deutlich fühlen.
Susi, die um ein halbes Jahr jünger war als Eva, war um ein
ganzes Stück größer als diese, körperlich sehr entwickelt und machte
einen durchaus gesunden Eindruck. Sie war das sorgfältig behütete
einzige Kind intellektueller Eltern. Sie kam zu Beginn des Schul-
jahres (Mitte September) in den Kindergarten, war zuerst in einer
anderen Gruppe und fiel mir unter den vielen neuen Kindern durch
ihr glückstrahlendes Gesicht und ihr fröhliches Lachen auf. Ihr Wesen
war im Gegensatz zu dem Evas offen und kindlich.
Im Oktober kam Susi in meine Gruppe und wurde von Eva, die
sie bis dahin nur vom Spielen im Garten^) kannte, mit einer Um-
armung und einem Kuß begrüßt. Sie waren also vom ersten Tag an
befreundet, doch war an dieser Freundschaft einige Wochen hindurch
nichts Auffallendes zu sehen. Erst gegen Ende des Monats November
zeigte es sich, daß Susi ihren Willen vollkommen dem Evas unter-
worfen und daß sie gleichzeitig ihre strahlende Heiterkeit verloren
hatte. Sie konnte ohne Evas Einwilligung nichts mehr tun oder lassen
mußte beim Essen neben ihr sitzen, an ihrem Tisch arbeiten usw. War
^va einmal anderer Laune und zog es vor, nicht mit ihr, sondern mit
dnaeren Kindern zu spielen, dann machte Susi ein finsteres Gesicht,
og sich von allen zurück, wagte es aber nie, sich Eva gegen deren
^'vuien zu nähern. ^j^iu::-
Ich trachtete nun, die beiden nach Möglichkeit zu trennen, und
orderte Eva auf, in der Werkstatt zu arbeiten, während Susi im
Arbeitsraum zurückblieb. (Die Werkstatt ist vom übrigen Raum
urch eine Glasschiebetür getrennt.) Susi war an diesem Nachmittag
viel fröhlicher als sonst. Zwei Tage später machte ich ihr den Vor-
f^gJa g^in die Werkstatt zu gehen, und erhielt als Antwort die Frage:
Gni ^^^ Kindergarten ist in drei Gruppen geteilt, und zwar so, daß in zwei
uppen alle Kinder von 2i4 bis 5 Jahren, in der dritten Gruppe die 5- bis
janrigen untergebracht sind. Nur im Garten spielen alle Kinder gemeinsam.
Edith Braun
),Geht Eva auch?" Ich a t
woraui Susi mit trnt^ialL^n^*^^?' "^®^^' ^^^ "^^^ J^ erst vorgestern",
Wie allen anderen Kifrl ablehnte. Daß die Werkstattarbeit
wußte ich von früher l?i. ''/''''^ '^'* großes Vergnügen bereitete,
weil Eva, die „Kellner'^ ""^^ ^^^ ^^'"'^^ ^'^ ^^ ^^^*^^ bitterlich,
decken hatte erst snäi-^ -^^I ^^^ ^^^ solcher die Mittagstische zu
Bezeichnend ftdasMa.''-.'" ^'^^'" ^^^^■
Begebenheiten: Susi ka r "^^^^^^^Skeit von Eva sind folgende
Schnur zu drehen da si°^ ^^ harten zu mir und bat mich, für sie die
im selben Augenblick h^^'T ^^''^'^^^'^ ^«^1*^. Ich nahm die Schnur;
Eva, und wollten auch ^™^^ ^^^^^^ andere Kinder, darunter
nicht eher sprang «i« k^^T^^""' ^ormt Susi sofort zurücktrat und
trug sich am nächsten tT f ^ ^"^ '^^^ ^^'^^ ^^^^^^^ ^^^- ^^^ "^^'"^
einander und hatten be'd^ ^^^^gendes zu: Susi und Eva saßen neben-
Jmge, der das Amt dp^'ir ii ^^"^^^^ bereits aufgegessen, als der
kam, um ihr anzubieten ^^^^""^ ausübte, mit den Kartoffeln zu Susi
zustimmend mit dem Vr.' f ^^^^^^te zögernd auf Eva, diese nickte
Bei einer Unerrl^?'-rr'^* '''^ ^^^^ ^^-^i^^te.
von Eva ^Prach uTdt^t t"^ ^^^' '^' «-^ -^^ ''''
nicht mehr ihre Frenn^f ^'^ '^'' *^^g^^ «^üsse, da Eva sonst
einmal gesehen hatte ^pi'i ''''' ^^''^^- ^^"^^ ^^^^^ war Eva, die er
Blick einer Schlange' ''l'^^^^^^^P^thisch, er behauptete, sie habe den
waren über Susis Liebn T T "dämonisch". Er und seine Frau
sie ihr auszureden indem ^^glücklich und bemühten sich.
Die Mutter versuchte sogar Ll^^^^""' ^""^ ""^'^ ^^^^^^^ ^^^ •^^^°''
^^d legte ihr nahe sich «rin ^ "" ^'"^"^^ "^^^ ^va zu verbieten,
gab zu, daß dieses VorlhT. Freundinnen zu suchen. Der Vater
2^higt war er darüber daTs-^-?'' ^^^^^' ^^^- Besonders beun-
Hose geschaut. ' ^ ^^"^ ^^^ erzählte, Eva habe ihr in die
Auf meine Veranla
S™f N"^"" ^--^'^^^^rJ^HAUe k'" '"^ ^'^^^t«" ^ag unter dem
fZIUT ^^' ^^^^«t Ziemlich ! ^^'^^«^^heit auf Susi haben
MUt'alst !!' '"^ ^'^^ bald. TuLr^^.'^*' '^^^*^ ^^-^g- Male nach
h n kn ^ "^'^ '^^^^»^ *>ei dieser Ar-r^r^^ ^'"^««^ 'ieckte sie die
wieder r?' '"^ ^^a im G^r 'n t« ^ '^^'^^ ^^« "^«^^h das Fenster
a^^enl. ^. '"'^^^^^ Glruppe ü Tr."^ a ^°^^^^^^^ Tag - Eva war
^tL^"^""'' ^-^h Z^tUchkef «"'' ^^^ ^«g-^über ein auf-
'^^t^rZ^^^^^ --^^ nicht von meiner
Wir i^ ; *^'^ ^i^ sonst keirT J "^'"^ ^^^«^^^t z'^ werden -
W^- überlegten weiter, was 2 , * ^'''^' ''^'''■
den beiden Kindern geschehen
\
Eine Kinderfreundschaft o-j
solle. Durch Evas Versetzung in die andere Gruppe hätte man sie
wohl ganz trennen können, aber ich hatte Bedenken, dies sofort zu
tun. Susi hätte den Verlust der Freundin wahrscheinlich als Strafe
empfunden, und ich wollte es vermeiden, übermäßige Schuldgefühle
in ihr zu wecken. Anderseits wagte ich es aber nicht, mich abwartend
zu verhalten, um zu sehen, ob diese Bindung sich von selbst lösen
würde; denn die Gefahr, daß sie sich nicht lösen, sondern noch mehr
vertiefen würde, war zu groß. • • -.. ...v: ., .. • .a^ s
Ich wählte also einen Mittelweg, nämlich den der Trennung für
halbe Tage. Dadurch ergab sich auch noch der Vorteil, daß ich Ge-
legenheit hatte, die Kinder sowohl einzeln als auch gemeinsam zu
beobachten und festzustellen, wie weit tatsächlich sexuelle Spiele
stattfanden. Ich konnte allerdings bis zur endgültigen Trennung der
beiden nichts derartiges beobachten. Gleichzeitig versuchte ich Susis
■b-ltern zu beeinflussen, ihre Antipathie gegen Eva nicht so deutlich
2u zeigen; dadurch würden sie Susi die Möglichkeit, sich mit ihnen
auszusprechen, erleichtern. Ich nahm mir auch vor, Susis Bedürfnis
ach Zärtlichkeit und besonderer Fürsorge, das sie in den letzten
agen so deutlich gezeigt hatte, möglichst entgegenzukommen.
Aus meinen Tagebuchaufzeichnungen über die folgenden Wochen
geht am besten hervor, wie sich Susis Verhalten änderte, je nachdem
va an- oder abwesend war. Ich werde daher die mir am wichtigsten
erscheinenden Stellen hier anführen:
>• ^^ember. Eva war heute zum dritten Mal in der anderen Gruppe su Besuch.
Ute auch mitgehen und war zuerst sehr unglücklich, als ich es ihr verwehrte. Mit
arung, daß keine Kindergärtnerin mehr als einen Besuch haben möchte, weil sonst
zu vi elf Ä^ ■ j • •
2 .. , ■"■""'*^'" «" einer Gruppe wären, gab sie sich zufrieden. Eva kam um II Uhr
S' ;, 7 "'^ ^^^^ ^"'^ '^^" Garten anzuziehen; trotzdem zog Susi es vor, im Raum zu bleiben.
°J beim Aufräumen und zeichnete. Beim Mittagessen saß sie wieder neben Eva.
^^ • ezember. Eva war ivieder in der anderen Gruppe. Susi, die meine Erklärung
die'^ a zeptierte, aber doch den Wunsch hatte, es ihrer Freundin gleichzutun, bat mich, in
^ an cre „kleine" Gruppe gehen zu dürfen. („Klein'^, weil dort kleine Kinder sind. Ich
ih '* beiden Gruppen zur leichteren Unterscheidung mit I und II bezeichnen.) Ich gab
^ stverständlich die Erlaubnis. Susi blieb dort zum Mittagessen als „Kellner", obwohl
t~rarten war. Nach der Ruhestunde forderte ich Susi auf, in die Werkstatt zu
'kommen ? '
j- . ■ '^ Sagte: ,^Aber nur, wenn Eva auch geht.'^ Eva kam und wollte malen. Susi,
^ gentlich den Wunsch hatte, mit Ton zu arbeiten, nahm daraufhin auch Farben und
^ • Voc/i bevor die Arbeit begonnen wurde, räumte Eva die Maigeräte wieder weg und
B J,- ''^ ""'^ Papier zum Ausschneiden, worauf Susi sofort dasselbe tat. Bei dieser
^^'^ 'Iftigung blieben dann beide bis zum Schluß.
^^^ * ezembe r. Eva wollte heute nicht zu den Kleinen gehen, sie war den ganzen Vor-
vo T "*'* '^"^* beisammen. Die beiden setzten sich bei der Arbeit absichtlich so, daß sie
«t gerade anwesenden Zuschauern gesehen werden konnten. Susi benahm sich besonders
Jii
f-
§^^ Edith Braun
)
•ert-
auffamgund nÖHe bei den rhythmischen Übungen so, daß ich sie wegschicken mußte. Ah
aue Kinder in den Garten gingen, u,einte sie heßig und gab als Grund an, daß sie nicht
m^ hinaus gehen u^oUe. Das konnte aber nickt der u^ahre Grund sein, denn es besteht bei
^J >r die Kmder kein Zu,ang, in den Garten zu gehen. Ich beruhigte sie und erklärte
a«e 1-. TTT"^'''^ '■" '""^ ""■^-' '''"■-/«" --'« «•<= "-'^ M^'ser und
ZiV LT ; ;' '" """" ^" ^^^- ^- ^-^- """■ sie dann sehr vergnügt.
W „n^. ,ut gelabt. Sie Zi^Z ^^ '' '""" ^ ^^"^ ^"'^" "^ ^"'^^
Gruppe II zu gehen. "^'"' ff^^^^ng^en war, wünschte sie dringend, in die
IJ. Dezember, Eva war in der C
sie schrieb h^ute zum erstenmal m,V 7%- ''! ' " ^'^' S^'' "'"^* "«"'^ *'" ^'^''"^^
C/^» einen Zwischenfall der sich ' Vf ''"^ "''^ ^^^ ""'^ ^^'^ "''«'^'^«'^ ^'"'^''''''''
^^ em/ü^en: Die gArln Kind Zrf' ""^'^''^''^ =" "•^^-^' ^"-^ ^'^'^ ■^'''^'"
nur eine halbe Stunde und rZ d ''''^' """'' '^"" Mi«a^«sm, ^onrfern iiV^^
muß ich vermeiden, daß alleZTj. '^^ '^Z ^i^g^^tühle selbst fort. Um das zu erleichtem,
Obwohl die Zeitspanne vom Au^nT , "•^"'''"' ""'^ '""•^^ ''' ^"^^'^ ^'^^ ^"'^ ^"'"'"'
^ehn Minuten beträgt, wünscht doch ' T '"^'*'" ^^ ^" '**'" ^' ^^^^"^ ^'"'^" ^löc/i^««^
aHen Kindern gleich unbeliebt Aus d ""'"^ '^"' '"*"" ^" '"""' '^'"'^ '^''' ^■'^^^" ''* ^^'
an diesem Nachmittag als eim der '*^^'" '^'^""'^ '" " """"^ bemerkenswert, daß Susi, dü
rief nun Eva absichtlich erst ganz a"'^ jf^''"''^'^ "'"'^'^*' ''''^ "'">«'■*« aufzustehen. le^
räumte auch Susi ihren LiegesuM T" '^' ""^ ^"""^ ''°"* "^^ ''""^" ^'""'^'^ ^eru/et»
li". Dezember. Während Ev h •
^urde Susi aufgefordert Eiersi, " '^ "i '" '^^'* ^'''■''''■''*« """•, um sich auszuziehen,
Herd bedeutet jedesmal eine besond '""''""• ^°°^ ^"'^^^'^ ^uf dem kleinen elektrischen
die Arbeit erst an, als sie sah dZ T''^''"' ^^^ ^'' ^'""^'''^ ^""' "'««^« «^ ""'^ """^
nrit großem Eifer und sichtlicL FreudTdZan" ^""^^^ ^ ^'''^' '^''"" ^''"'''^'' "' ''"''
wollte nichts tun. Nach ei^er W^^l f''' ^''^^ ^""^ Sing unschlüssig im Saal Urum und
^ieinen gehe. Im Augenblick, nachll Zt "v '""' "" "" ^" ^''^^"' ^'^ ''" '" ^""
und Feder und begann zu schreiben '^" geschlossen war, nahm Susi Tinte
BeschlüsseTvor Eva^'b?^?^ '"''" besonders deutlich, wie sehr sie in ihren
20. De abhängig war.
«^*^n 5u.4 Jefd. IchruZ Zit T^! "'Jr ' T ^"^'^*"' '" '^^ ^^P''*' ^ ^" ^^'^"'- ^^'^ '""^
'»'»"^«««den Zuschauer zu neck c '• """'" ''"^^'^ ^'""'** /^'"^ ■E^'« «". '''"'^" '^^''
^«'*, 6» ich ihnen verbot zud 7 '"'''''' " '°^'"'' '""'^- ^^' wiederholten es einige
^n einen Tisch in seiner Nähe N 1^^^^ ^'^^^gehen. Beim Frühstück setzten sie sich
nur Dummheiten, immer in der N-h, '^''"''" ''' '^'' ^»^'^gstische decken, machten aber
ordentlich zu machen nicht . \T ^"'"^""'"- ß'^ ne meiner Aufforderung, ihre Arbeit
^^•Dezembel Eva T f'"' "'"^ ^'' ^''^'«'^ ^^ ^^«~
in die Gruppe IL Gestern 5 ""''^"" '" '''"' ^""W* ^' Susi auf memm Vorschlag
""'^ ™^^"^^'-'» '^""^ "e diesen Vorschlag abgelehnt, da Eva
— '■i~niTrj°rir7~i
Eine Kinderfreundschaft 89
Jiier geblieben war. Eva kam um zehn Uhr zurück und half heim Kettenmachen ßir den
Weihnachtsbaum. Nach kurzer Zeit kam auch Susi. (Die Leiterin der Gruppe II erzählte mir
nachher^ daß sie nach dem Frühstück unter Tränen gebeten hatte, zurückgehen zu dürfen.) Sie
Hieb in der Garderobe und war nicht zu bewegen, in den Saal zu kommen. Ah ich später
eine Geschichte erzählte, öffnete sie ein wenig die Tür, um zuzuhören, kam aber trotz mehr-
maliger Aufforderung nicht herein, -. . . ,.
^m Ende der Ruhestunde weigerte sich Susi wieder aufzustehen, da Eva noch nicht
gerufen war. Da ich sehen wollte, wie groß ihre Beharrlichkeit war, erklärte ich ihr, sie
müsse aufstehen, und räumte ihren Liegestuhl fort. Darauf legte sie sich an derselben
Stelle auf den Boden und weinte heftig, als ich ihr dies untersagte. Sie beruhigte sich
<«^ als Eva aufstehen durfte. ^^' *• = " -^ -"-> ' - ' - .•--:- ^r :x_:
2}. Dezember. Tag der Weihnachtsfeier. '
■^Is die Kinder im Begriffe waren, ihre Geschenke einzupacken, konnte Eva die ihren
nicht finden und suchte verzweifelt danach. Susi, die während des ganzen Festes freudig
*^regt war und sich gar nicht um Eva gekümmert hatte, war sofort bereit, ihre Sachen
^va zu geben, und weinte sehr, als ich sie daran hinderte. Sie weinte noch lange; erst als
^fas Sachen gefunden waren, war sie wieder so strahlend und glücklich wie vorher.
Aus allen diesen Beobachtungen merkt man deutlich, um wieviel
besser sieh Susi fühlte, wenn sie von Eva getrennt war. Nur in deren
■A-bwesenheit war es ihr möglich, eigene Wünsche zu haben und ihrer
Aktivität freien Lauf zu lassen. ■ "'' ' ' ' '
Da durch die Weihnachtsferien ohnehin eine natürliche Unter-
brechung dieser Freundschaft herbeigeführt wurde, hatte ich nun
keine Bedenken mehr, Eva nach den Ferien ganz in die andere Gruppe
211 versetzen. Sie wehrte sich auch gar nicht dagegen, sondern war
Sanz damit einverstanden und war zu den kleinen Kindern ebenso nett
^le im Vorjahr. In den ersten Tagen nach den Ferien stürzte sie im
^i'ten auf mich zu, fragte nach Susi und war enttäuscht, als ich ihr
®^gte, daß sie noch nicht da sei.
öusi kam erst eine Woche später, machte einen sehr vergnügten
_indrück und erwähnte Eva mit keinem Wort. Sie spielte den ganzen
ormittag mit Heinz, einem Jungen, dessen Eltern mit ihren EVtetn
©freundet waren. Auffallend war, daß sie sowohl an diesem als auch
^ nächsten Tag nicht in den Garten ging; man hatte ganz den Ein-
^^ck, als wolle sie es vermeiden, mit Eva zusammenzutreffen. Erst
^^ dritten Tag fragte sie nach ihr; als ich ihr sagte, sie sei jetzt
eaiiz in der Gruppe I, gab sie sich gleich damit zufrieden und fragte
^icnt nach der Ursache. Sie bemühte sich in den nächsten Tagen, viel
it Heinz zusammenzusein, der zwar sehr zärtlich zu ihr war, aber
och die Buben als Spielkameraden vorzog. Sehr frei in ihren Ent-
^chlussen war sie auch jetzt noch nicht. Ein Beispiel dafür: Die
"^^nder, die in den Musiksaal gehen wollten, zogen ihre Turnschuhe
Edith Braun
den GarteTLne^^"^*!!^' ^^ ^^^ ^^®' ^^^ ^^^^^ ™^* einigen andern in
Nach einer W ^u ^^^ ^^^ i'^^« Schuhe um und folgte ihm.
später kam waTp ^^'"'"^^ ^''^^ ^^^"k- '^"^ als sie zwei Wochen
darauf abgemeldet inzwischen krank geworden und wurde baia
ir auch jetirnfih?^ Erlebnis nicht spurlos vorübergegangen. Sie
iwnndör, ' ^"^®m Eva vollständiv nn= ih^^m rjAfii-rbtskreis ver-
'* ar auch jetzt naohri ~;*"""^« "icni spurlos voriibergega"B^"-
schwunden war ml?'" vollständig aus ihrem Gesichtskreis ver-
sie kennengelernt b.n'^^T'' ^^^ gleichmäßig heitere Kind, als das icn
baren Grund, der nlll^' ^""^ ^^^^^ wechselte rasch und ohne sieht'
^ind zu heftigem Wa-'*^ ^"^^^ konnte das gerade noch strahlende
Nach drei Cr, T'^'^^Sen.
begrüßte sie soforTTl ^^"^ ^""^ ""'^^^^ ^^ den Kindergarten. Susi
W^ile miteinander 'auir^^^^^ ^«^ ^^^ten erblickte. Sie spielten eine
^«« Haus. Susi erwähnt. T "2^""'^ ^^"d^^"' dann ging Eva wieder
Ein paar Tage '1/ .'\''^°^^^^^ "^^* deinem Wort. ^ .^
"^^f olo" mitgebracht h ^T^^^»^*«*- ich folgendes: Susi hatte ^n
Nach einer Weile bat Ih^'"/' ''^^'^ ^va, als diese es verlangte^
S^^i und sagte: „Jet, ^t"V'' ^''^''^' «P-l*« damit, gab es dann
^."^i ging sofor dl * u? '* ^"^ ^^^^' dann Lotte, dann wieder Eva-
^^n^gen Monaten hä'te « / -^^^'^ ^^^^*^ ^« ^^ch durch. Noch vo
ly zu benutzen, das E ' ^k ^'"' ^«t^ehieden geweigert, ein Spiel
gva auf der Wippe und . h -^'^ ^""^^- ^ine halbe Stunde später saß
tT ^""^ "^it Zögernden. iJ"-""' ^^^^^^k^^ften: „Susi, Susi, Susi^
'^^^: geniere dich n'chl " B ''**'^ ^^^^^^^ Eva rief: „Aber so komm
Diese beiden Szenen L- ^^"^^^hin lief Susi zu ihr.
^2'' ''' Nieder in ihrrp^'"' ""'' ^^^^ ^-«i bemühte, den Versnoben
anßere, Ereignisse kamen T* ^" ^^^«"^™-' - widerstehen. I^^
bedau" > ^^- dr;nten wl^^" ^^^ Eltern waren übersiedelt,
bedauernd feststellten Ein eT. '^''^"^ ^^^ i^nen zu weit, wie sio
e'ne b T ^'^^ «türmiseheT'^.'^ ^'^^ ^^^ Susi im Herbst zu Besuch
^''wlt!^'^- --WvS: !ff ^.f ng ZTfischen den beiden Kindern,
einige T«^ ®^^ ganzPQ q l kommen.
l^bmeelr /" '^^ 'org c,'rtb^''^ ^^^ -- Es fehlten ihr nur
Suchen eine'r 'S' ^^^«r'dispenf^^^^ Schulalter, aber ihr Vater
spielte, doeh r' ^''^«^^i^' bei de/''"'"^^^°- Sie hatte nach kurzem
3ünger'w fa Is 1' '^^'^ '^ Äß! ""'^ ^"^^ ^^ ^^^^^^^ ^^
din weit überu ^^' ^^^ sie ^uJ^Lu- ^'^ ^^' Susi. Obwohl Grete
^^^^legen. Schon aus dil ^^'"^ ^«d Können ihrer Freun-
diesem Grund ließ sie sich nicht so i«
Eine Kinderfreundschaft
91
die passive Rolle drängen wie Susi. Es war Evas Geschicklichkeit
gelungen, die großen weltanschaulichen und Milieudifferenzen zwi-
schen ihrem und Gretes Elternhaus zu überbrücken und sich dort so
hehebt zu machen, daß Gretes Eltern die Freundschaft in jeder Weise
forderten. Sie luden Eva, die die Abende sonst im Kaffeehaus ver-
rmgen mußte, häufig zu sich ein. Auch während der Schulzeit, die
beide Kinder in einer Klasse verbringen, hält diese Freundschaft
noch an.
Nach zweieinhalbjähriger Abwesenheit von Wien kam Susi eines
ages in den Kindergarten. Ihre Mutter erzählte mir, daß sie schon
seit zehn Tagen in Wien sei, und daß das Kind vom ersten Tag an
gebeten habe, den Kindergarten besuchen zu dürfen. Endlich am
zehnten Tag wurde ihr Wunsch erfüllt, doch sobald sich Susi dem
Kindergarten näherte, bat sie die Mutter umzukehren. Die Mutter
ging auf diesen Wunsch nicht ein, sondern läutete an, und als ich die
her" r ^i!"^^^' ^^^ ^"®^ strahlend vergnügt und begrüßte mich sehr
^ rzheh. Sie ging durch das ganze Haus, erinnerte sich an viele
^_ nzelheiten, erkannte alle Lehrerinnen und fragte nach solchen,
16 nicht anwesend waren. Nach einer Weile hatte ich folgendes Ge-
sprach mit ihr:
»rmnerst du dich noch an deine Freundin von damals?''
i>Oh ja, Lotte und Ingel"
«Hast du nicht noch eine Freundin gehabt?"
»•Ja, die Ruth.'^
^GfrLm^^t ^^^^ Mädchen, die sie mir da nannte, war sie tatsächlich
TpK 7^ gewesen, bevor ihre Bindung an Eva begonnen hatte.
^cn forschte weiter:
" " ^« aber noch eine Freundin gehabt?"
»iVein.'' 6
Sie J""^ " "^^'^ ^""^ *""'"'"^' "'^"^ cwmfl/ nach."
^^^^^tiachte angestrengt nach und sagte dann: ^.- •...-. :;:
"»^e2"t^h """''*'^^ ^"^ ^"""^ """^ '^^ G*'"-^> <^«^ ^i'^ä doch Buhen."'
^'■"PJDe Ilr '^ '^T' "" ^^""" ^"''^'^^'"^ ^''^ '^«■"^ Freundin war, während du in der
erkennen^^^n^*®. ^^* gi"oßer Bestimmtheit den Kopf und ich mußte
hatte. ' ^^® ^^^ vollständig aus ihrem Bewußtsein verdrängt
♦
Wöj, .
Von ein ^^ ^^^^^ Liebesbeziehung ein Partner in einer solchen Weise
^®i dem ^ ^^^^^^ abhängig ist, wie Susi von Eva, so sagen wir, er
^örigke-f^ ^^" ^°^^^' "^™ Verhalten Susis zu Eva drückt sich die
darin aus, daß Susi Eva zuliebe ohne Widerrede auf die
'^^* ^ psa. Fad., X/2 _: .._,._. ^ 2
92
Edith Braun
Lieblingsbesehäftigunirr^^ '~~' ' ' '
sogar beim Essen die Ewn ' ""^ ^^^ ^^^^^ dienst zu tun, ja
^«g^nnt. Auch wie sie s^h '^^^ ^^'^^ abwartet, bevor sie damit
ganz den Eindruck der ^t T ^""^^ ^^^ Ruhestunde verhält, macht
"!it dem eines demütigen tV^k^I*' ^^"^ ^^^^ das Benehmen Susis nur
wT ^"^^^^^^^ Frau stehr t '" ^«^gleichen, der völlig im Banne
WUlens zugunsten einer fast r'f"- l'^f^ Ausschaltung des eigenen
J^raxis sonst je erlebt nnl ^l^^^haltrigen habe ich weder in der
36 beschrieben gefunden '"^ ^'' ^i^derpsychologischen Literatur
*Vie kann man ' v.
Meine Beobachtang"konnL'^°!^'"""'S ^'^"^^ Hörigkeit vorstelle»?
^«den; auBerdem kann °!„ ^ ^^ """" '^"Se genug durchgeführt
^^S in das Wesen einTri'"'"'™ ""^ Kindergartens nicht tief
talten restlos aufzukiCn'^'"*"» '''»'^"''g». nm ein solches Ver-
•"»«tionen angewiesen "■ '""^ *'«» =">! Mutmaßungen und Kom-
oasis Mutter war so'
I'TT """' konnfe Steh 1''^';^'^" ''^™'"<='' ^«^r in Anspruch
^al^scheinlieh früher der F J, "' ^'"'^ '^«»'S« kümmern, als dies
Bereitschaft zu einer solntenlr'.'^'''"'^ Enttäuschung wird ihre
Außerdem war der Gegensatz ™ ■^'"''"'''''^«''""S ™'^'ärkt hahen.
Eva d.e auf Susi gehefmutsvoirr. '" *^' intellektuellen Mutter und
Stet??'";'"'- ^^ Ev^v-eies ™V""''""^-'h »i^^te, sicherlich
tte w,'rd"'r'^'-»8- ThrÄjr '"^' '^'^°'^" -"'• ""
»am™ j " Ursache großer p """8 ""bewußter Wünsche.
*en Ei *r ^"her so heftert Kinr"''"*™""^'« ™* -ier Grund,
äertesÄ,^'™^ -SlückufhTn S ^**-8enheit verlor und
kam, schl. '™ '° ^™^ Abwesrnh^ f f '"^*'^- ^•«=>' ">■• ^^-ä»-
Das aitr"' ^"e Folge i w P ' "''™ Anatmen gleich-
Erwachsl '"■"" ""' äen Erfahr,,^ "''°'''"'"» «ewosen zu sein.
Partner fJ^" ^" Errelchune d!^ *^ *"'° gelegen ist, daß
""'- ■ ^"^ Sotigkeit ist fl.„ ^. *^«m\ict plöteUch und
dann em Teil des Schuldgefühls
—"^•' gelang
imteTgebraeht.
'■■'■■llllliilliiillilllllllllillltiiiiiiiiitlllilliillliit
ifTi
Das Kleinkind und seine Umwelt*^
Von Albrecht Meyer, Chicago
Die Rekonstruktion der realen Umwelt, in der das Kleinkind seine
für das spätere Leben so bedeutsame Entwicklung durchmacht, müßte
für das Verständnis der Lebensläufe Gesunder wie Kranker von Bedeu-
tung sein. Es soll daher im folgenden der Versuch gemacht werden,
die Schwierigkeiten und Aussichten eines wirklichen Eindringens in
diese Welt zu erörtern. An dem Beispiel der Raumverhältnisse soll
dann gezeigt werden, wie eine Einfühlung in die reale Welt des Klein-
kindes möglich erscheint.
Die experimentelle Psychologie hat in langer und mühevoller
Arbeit versucht, das Verhältnis des Kleinkindes zu dem es umgeben-
den Raum zu erforschen. Es hat sich herausgestellt, daß das Auge
dabei nicht die überragende Rolle spielt, wie es bei flüchtiger Beur-
teilung scheinen könnte. Man muß hier berücksichtigen, daß das Netz-
hautbild mit der Entfernung des Objektes wechselt und ein vorge-
haltener Gegenstand in einem Meter Abstand viermal so groß erscheint
als in einer Entfernung von zwei Metern. Die Angleichung des Netz-
hautbildes an die tatsächliche Realität wird erst ermöglicht durch
den komplizierten Vorgang der taktil-motorischen Erforschung des
Raumes, der dem Kinde erst zugänglich wird, nachdem es sich aktiv
fortbewegen kann. DoraMusolt und H. V o 1 k e r t sagen darüber
aus: „Die Größe eines Gegenstandes wird umso genauer beurteilt,
nicht je geometrisch einfacher und eigenschaftsloser er ist, sondern
je momentreicher und gestalteter, insbesondere je mehr nicht Optisches
sondern Motorisches, vor allem Taktil-Motorisches und Emotionelles,
wie z. B. bei Kugeln, in seine Gestaltauffassung eingeht. Die Leistun-
gen des sogenannten Augenmaßes sind überhaupt nicht allein aus dem
rein Optischen zu verstehen. Begünstigt wird diese Erwerbung von
Erfahrung dadurch, daß das Tastempfinden des Kindes gegenüber
dem des Erwachsenen ungeTaeuer veriemeTt ist, da die l^ervenendi-
gungen als Träger des Tastempfindens sich im Laufe des Wachstums
nicht vermehren und somit auf eine viel kleinere Fläche verteilt sind."
W. Stern glaubt, daß der Raum am Ende des ersten Lebensjahres
im wesentlichen in den Besitz der kindlichen Erfahrung eingegangen
ist. Er sagt wörtlich über diesen ersten Lebensabschni tt des Kindes.
M Mein Lehrer Dr. L an d au e r hat die Grundgedanken zu dieser Arbeit
entwickelt und hat mir bei ihrer Ausführung wesentliche und wertvolle Hilie
geleistet. •^:::'r'vr:- vv-'^'""-J." ■•;;-•-- --•-^ :-•-•-'»••■''■ — ■=•' -^-'
Albrecht Meyer
selnder Entf ern^r n f u "" ^^'''^' wirklichen Größe trotz wech-
Forseher nvMU^ Sehgrößenkonstanz ist gesichert." Andere
experimentel en For.'^'' abschließend über die Ergebnisse der
KiLheTerinnerl^ "^^^^^^ H. Volk er t glaubt, daß die
der 6xperim7r.T.i? TT . '^^'^^* ^^"^^ ^"^^^t^ über die Fortschritte
den Worten f ^'Z^^^^P^y^hologie aus dem Jahr 1925 mit folgen-
einzige eewiftTl? '^'''^ schließlich darauf hinweisen, daß die
umnitte'lbar in ^1 .^^^^^chsene und enge goldene Pforte, die uns
das an da, Wir^Tn"' ^^^^^^-^ ^^^rt, durch ein Verfahren,
■gemacht werden kn' T'"'*^^^ «^enzt, findbar und gangbar
an die eige^rJ^-X^Kindheit^'"*' "' '" Erinnerung des Menschen
Fre^d ulr^Pw^^^"" y^^ ^"^ unseren Kindheitserinnerungen, den
Menge von leiVhT'r^- ,?' *°^^^''' ^"^ ^*°^®° ^^^ ^^hon bald auf eine
Kind seinen ul^^f^^^r ^^"^^^^^ken, die für die Frage, wie das
tedeuten Die T-^H '^'^ ^^""^ ^^^^*' ^^^^ S^oße Bereicherung
^ehr dieselben ^1 '^'''^'' Kindheit sind dem Erwachsenen nicht
auch wenn er trr %T ^^'^ ^^^'^"^ ^^"^ Abwesenheit wiedersieht,
^ie in seinerHeTm"ortTie%fT ''"'?'" ^"^^^^
Während sie in Tn p ^*'^^^'' '^^'^ ^«g' die Häuser klein,
und bedeutend warLH«?.r''^''' T '''''^' ^'^^ ^^^^^^^^ ^''^
damals ein Strom m^l w ^f Tt^'' *'^^'" ^^^^^' ^^^ Flüßchen war
großen Anzahl F^' Z "" ^^''"°- ^^^^« ^^S^^en sind von einer
gemacht Cdl!nlt''.r'^'' Umgebung übereinstimmend
Verwandte von miTt L'htTt Ta """ ^^^^^^^gkeit nachprüfen. Eine
das ihre Eltern bewohr./ ? ^'"^ ^^^"^ ^'^"""^^ ^^weit des Hauses,
ihrer Erinnerung I7s efn a f^ ^^ ^'^ «^«^^ J^^re alt war, iB
allein, sondern nur L L ' ^^^ ^^^^^* ^^^^n- «^^^«1^ den sie nie
dann nur atemlos und lau^'^ "T" ^'''^^'' ^^"^^^^ gelaufen sei und
die dort hausen sollten in . ' ""^ '^"^^ ^^S^* ^or den Räubern,
auf dem ich in den Än"^"^- ^'' ^^^^'^ ^^^^hien der Schulhof,
•Erinnerung üesengTolZlCIT '''*'u ''^"^^^'"^ ^P^^^^"' ^^ 't
zwanzig Jahren wie einseinwf ^^ "^^""^ ^^"^^"^ Wiedersehen nach
das Verhältnis des Kindes zum p^ "^^^^ ^^^^^^ders schön aber kommt
Bewältigung in folgendem Fri!?'^"' ''''^ ^"^ ^^^^^^ taktil-motorischen
kam als Kind häufiger in den n ^"""^ Ausdruck. Der Beobachter
ihm das Kirchenschiff wie X ^^'""^^ Vaterstadt. Dabei erschien
l^änge des Domes und sogar hfih^^f^!;"" Wölbung, größer als die
mehrfach bestiegen und somit tlri ^'' ^^^"^ ^^^^ ^'^^'^^^ ^^^ ^'*
rend die Höhe der Wölbun« ff^ '^.^'^"■"^'^torisch bewältigt hatte, wäh-
woibung für eine taktil-motorische Erfassung nicht
Das Kleinkind und seine Umwelt 95
zugänglich war. Bei diesem Erlebnis spielt allerdings auch das Halb-
dunkel des Raumes eine Rolle, das bei der Eigenart der kindlichen
Sinnesempfindungen noch in Betracht gezogen werden muß. Ebenso
ist die Zeit, in der eine Entfernung zurückgelegt wird, von Bedeu-
tung. Das Kleinkind läuft mit schnellen, aber kurzen Schritten, es
kennt noch kein langsames Gehen, oder kriecht mit eigenartig schnel-
lenden Bewegungen. Auf diese Weise werden Entfernungen oft über-
raschend schnell zurückgelegt, und es wird somit ein Zimmer viel
schneller durchmessen, als wir es als Erwachsene tun. Denn auch für den
Erwachsenen ist das Zeitmoment in der Beurteilung seiner Umgebung
nicht gleichgültig. Ganz anders sind unsere Eindrücke von der Größe
einer Landschaft, je nachdem, ob wir sie zu Fuß durchwandern, sie
auf einem Pferd reitend sehen oder sie im Auto oder Schnellzug
durchfahren Alle Erwachsenen meiner Umgebung gaben an, daß,
soweit sie bisher in einer Kleinstadt gelebt hatten, der erste Eindruck
einer sehr großen Stadt für sie ungeheuer war. Die Mutter eines
Freundes, die mit etwa 40 Jahren von einem kleinen Ort zum ersten-
mal nach Berlin kam, berichtete, daß ihr nach der Rückkehr m die
Kleinstadt die Gassen so eng erschienen und sie so bedrückten, daß
ihr das Atmen schwer wurde. Ein anderer Erwachsener berichtete,
daß ihm die Wege in einer großen Stadt mit weiten Straßen und hohen
Häusern viel kürzer erschienen als die zeitlich gleich langen Wege in
seinem kleinstädtischen Heimatort.
Wir sehen daraus, daß die Wahrnehmung des uns umgebenden
Raumes durchaus nicht bei allen Menschen gleich ist, sondern daß
sie abhängig ist von den Maßen der gewohnten Umgebung und von
der Schnelligkeit, mit der wir uns bewegen. Der Raum ist kein kon-
stanter, sondern ein relativer Begriff, wobei wir schon bei den ange-
führten Beispielen aus der Kinderwelt sehen, daß diese Relation beim
Kind besonders stark zum Ausdruck kommt. Es muß in den spezifisch
kindlichen Verhältnissen etwas liegen, das diese Abhängigkeit außer-
ordentlich unterstreicht, und das kann zunächst nichts anderes sein
als die Größe des Kindes selbst. W. Stern schildert den Gegensatz
zwischen dem mathematischen und dem psychologischen Raum. Beide
erstrecken sich dreidimensional vom Nullpunkt aus, aber während der
Nullpunkt des mathematischen Raumes beliebig angenommen werden
kann, liegt der Nullpunkt des psychologischen Raumes in der Person
des Menschen selbst. Jeder Mensch ist der Mittelpunkt seines Raumes,
und alle Verhältnisse des äußeren Raumes werden zu dem Eigenraum
irgendwie in Beziehung gesetzt. Da wir zu jeder Lebenszeit ein deut-
liches Gefühl unserer eigenen Größe haben, muß auch unser Körper
als Vergleichsobjekt zu den Dingen unserer Umgebung eine Rolle
' ■ — — — Albrecht M eyer ^
der als Junge\[e A^^^ ^^^ Kindheitsermnerung eines Freundes an,
die andern Juneen • k* ^***^ "^""^ ^^^^ tüchtig herumschlug, sobald
dem Wege Rins 1k'*!^* ^''^^^'' ^^^^^ als er, aber Jedem Streit aus
kein Zufall daß Ki^ ^'"^ größerer Junge dabei war. Es ist auch
Beziehungen hab^ -u^"" ''^^'''^^ ^np^en oder kleinen Spieltieren
*lößt. Die letztere rAi,^""^ '^""^'^ ^^°^ 8^°^^^^ ß^r Schrecken ein-
gemacht, als er usr^t TU "^"^^ ^^^® ^^^ an meinem eigenen Jungen
Auße '^^^''^ wählte.
^elt in'^dirSeeS ^^^^^ ^^"^ eigenen Größe ist das Bild der Außen-
Faktoren beeinflußt ^^ f^^^ ''^''^ ^°'' ^^'^^^ großen Zahl anderer
lieh sind. Erinnert ' ^T ^^^^ '^^^ °^^ einzelne bekannt und zugäng-
nahme von akustil.r '' ^^^ächst an den Unterschied in der Auf-
berichtet folgendes f"^ T "P"®^^^» Eindrücken. Ein Beobachter
deutlich daran wie t '^ ^""^ ^^'""^^ Jugend: Er erinnert sich
staunend vor etwa vi^ h^ '' Jugend bei einem Landaufenthalt
dabei die ein- und 7 -fr ^^^^^ Bienenkörben gestanden war. Er sah
schwarze, fliegende M?^^^^''^®'' Bienenvölker als zahlreiche und
als seltsam tiefen nriTT'': ®'' ^^**^ ^^^^ Ton der sehwärmenden Bienen
sah er dann einen Bi "" ^^^""^ '"^ ^^"^ ^^^^^n- ^Is Erwachsener
Situation und erkannt« 7''^*°''^ ''°'' ''^^^^ 24 Körben in derselben
große Bienenschwarm ^^"f"^^^' ^^^ ^^^ dieser fünf- bis sechsmal so
summender Ton auch ^ ^^^ fliegende Masse noch als tiefer,
Ferner berichtet er d^f^^u ^°°^^^^°d denselben Eindruck machte,
so laut und voll in den nl f ^^^ ^^"^ heimatlichen Kirchenorgel
^ar, ein Wort des NaoTi ""^^ ^^^ ^^ ^^^ als Kind unmöglich
waehsenem ein Leichter^ "" ^^^^^^tehen, während es ihm als Er-
üorwahrnehmung ander« Jk '"■''' ^^^^"^ daraus, daß die kindliche
siver und besonders für h.f m* ^^' ^'^ ^^^ Erwachsenen, viel inten-
ftalt es sich mit dem Sehl tt ""^ ^«ipfindlicher. Ganz ähnlich ver-
empfindlichkeit festzustellen n ^' 1'* ^^^^^^ ^^«^ ^1^1 größere Licht-
viel leichter geblendet uI^aL 7 '"'"''^ ^''^^^^^ Sonnenlicht wird das Kind
^^l^oint, ein Schiff später a™ 1?''''* "" ^^ ^^ ^^^ ^ee, wenn die Sonne
di^l'^^^^^^^h^i^l-l^ d/adlST°''* ^^^ ^in Erwachsener. Ebenso
Erwletir^^'^^^^ ^i^de vleMnf^"^'' ^'"^ ^'''''^' ^«^ dem schon
keil de. ?'".-. ^^^Sewiesen sei h ert !'"'^ empfunden wird als vom
gebunrdr '^^^'^'^^^^^^^ Ertbens T?''^ "^^ ^'^^ ^-^ere Seltsam-
TrTh\Z T ^^' *^t^ ObiekL t u^'^ Clegenstände unserer Um-
Erwachi "^'^ ^^^^^ ^^t für ein ?';"'"' ^^"^ ^^^ ^as Kind oigen-
e^r u^^mr^^^^ -'^'' ^eTac^h^Bedürfl-^^^ ^^^^' '^ '^^^^ '"
iTi aiu ^®'' ^^®r einem g„i,„ Bedürfnissen seiner Phantasie,
'" '"'^ ^^^«^^ Wir sagen, daß un!7\^^^l^esen verändert. Alles
uns die Welt des Kindes wunderlich
Das Kleinkind und seine Umwelt 97
und unbekannt anmutet; das einzige, was uns sicher bleibt, ist das
Bewußtsein einer radikalen Andersartigkeit.
Wenn wir trotzdem versuchen, uns ein Bild dieser Welt zu machen,
weil die Tiefenpsychologie jeden Tag von uns dieses Bild fordert, so
dürfen wir dabei nicht vergessen, daß wir uns der Welt des Kindes
nur in groben Umrissen nähern können, während uns die feine Struk-
tur wahrscheinlich immer verschlossen bleiben wird. Von den ange-
führten Verschiedenheiten bleiben uns die akustischen und optischen
Phänomene und die Eigenart des Phantasielebens weit mehr ver-
schlossen als das Relativitätsverhältnis von Größe, Gewicht und Volu-
men des Kindes zu seiner Umgebung, das wir uns wenigstens einiger-
maßen rekonstruieren können, obschon wir uns auch hier der groben
Annäherungswerte des Vergleiches immer bewußt bleiben müssen.
Wir wollen im folgenden versuchen, uns diese Verhältnisse zwi-
schen einem ein- bis zweijährigen Kinde und seiner gewohnten
Umgebung wiederherzustellen und beobachten das Kind in seinem
Spielzimmer und im Wohnzimmer der Eltern. Nicht alle Gegenstände
des Zimmers sind ihm vom Boden aus erreichbar; es bewegt sich
ziemlich schnell, läuft am Tage etwa IJ^ km mit einer Schrittweite
von zirka 10 cm oder kriecht am Boden herum. Seine Größe zu Ende
des ersten Lebensjahres ist 75 cm, sein Gewicht etwa 10 kg. Zunächst
fällt uns auf, daß es die Gesamtheit des Zimmers gar nicht übersehen
kann. Ein gewöhnlicher Wohnzimmertisch hat eine Höhe von 80 bis
90 cm, eine Länge von etwa 1.50 m. Mit zwei Jahren hat das Kind eine
Größe von 85 cm, mit drei Jahren von 93 cm, mit vier Jahren von
99 cm. Es übersieht also erst im dritten bis vierten Jahr das Hinder-
nis, da die Augenhöhe erst dann über die Tischhöhe hinausragt.
Schon durch den Tisch ist dem Kleinkind das Zimmer aufgeteilt;
andere Möbelstücke, z. B. ein Schreibtisch, Sessel, Stühle machen die
Aufteilung noch viel größer. Jeder kann sich erinnern, daß seine Spiel-
ecke, die in unserer früheren Kindheit ein großer gewaltiger Raum,
eine ganze Welt war, vom Erwachsenen viele Jahre später beim
Eintreten in dasselbe Zimmer nicht wiedererkannt, ja übersehen
wird. Versuchen wir einmal uns vorzustellen, was ein Kind erlebt,
wenn es vor einem Tisch mit herabhängendem Tischtuch steht und auf
der anderen Seite des Tisches die scheltende, tiefe Stimme des Vaters
hört, den es nicht sehen kann. Es steht vor einer Wand und hört auf
der andern Seite ein tiefes, lautes Brüllen, das unheimlich klingt.
Vergleichen wir nun andere Gegenstände mit den kindlichen
Größenverhältnissen, so ergeben sich wunderliche, oft groteske Bilder.
Ein einjähriges Kind wird zur Frühlingszeit in ein Feld mit hohen,
üppigen Margueriten gesetzt. Die Blumen überragen das Kmd ganz
ein
und. fifar TTii j
Wald von MargueSrn ''^'^^''^'' '^* ^^ ^'^ ^^ -*^' ^^'^ '^''^ ^'"""^ ''^ ^'
Höhrvof i'J V ^'. i"" Deutschland meist angetroffen wird, hat eine
baute Öfen * dl f' \ ""■ ^^ "^^nchen Gegenden aber gibt es einge-
«ind. Nachdem ein t'ü' ^^«^«^erdeeke reichen, also bis 3.50 m hocß
gemacht, ist ^in TJ "^^""^'^ «®^^® »^sten Verbrennungserfahrung«
bis fünfmal grMe' ''!, ^^'" ^^^ brennendes Ungeheuer. Er ist vier^
I>reißigfache dT l .. ^' ^^^^ ""^ der Rauminhalt beträgt etwa das
^s ein Gefühl hl ^'""^^'^^^^ Körpers. Wenn es ihn betrachtet, m^
Elefanten sieht d ^'^^ intensiver, als wenn ein Erwachsener em^»
groß ist Wie er n ^"5'* ^^'""^^ ^^he von 3 m nicht einmal doppelt so
^ines solchen Inf ^'f "^ Volumen im Vergleich zu ihm etwa dem
spricht. - ^"^ ^*®ns im Verhältnis zu dem des Kindes ent-
•^iu großer Ri- t,
^^eite von etwa ^ "'"^'^''^ ^at eine Höhe von 2 bis 2.20 m, eine
Schlafzimmer hJ^' T^ ^'^^^ ^«^ 70 bis 80 cm. Ein Schrank i^
^^HdieindenvUTK .^ Größenverhältnisse (Möbel aus Deutsch-
ganz frühe Kindh^ V'^ "" Ländern verschieden sind). Eine in die
Analyse zeigt, daß ioKK^'^''"^^''^'^^^^*^® Erinnerung meiner eigenen
!;nes großen/dunk i.n p'"" "^^^^"^ ^^^^« ^«^^^en Schrankes das Gefühl
I^ie Höhe dieses SpH ."^^^ ^atte und erschreckt zu weinen anfing-
^i« ^enn ein ErwaoiT "^^"^^^^ '^'^' ==^^ einlährigen Kinde so,
^^.^° ein dreifacherdef?" T ^^^^^ ^^^^«^ emporblickt, die 5 m,
«mes Erwachsenen mißt, ^^'"^^^^^^i^lich 1.70 m betragenden Größe
^^eite von insgesl?^"^- Y'^f ''^^" ^^^g^ von etwa 2 m und ein^
dar; das Bettzeug mL^ ,^ ^^ ^^^ ^'^^^^^ ^^^^ g^oße Spielfläche
f m Formen phantlrt!lu^' kindlichen Phantasie alle Möglichkeiten
lür die diese Betterh . (Gegenstände. Auch zu den Personen,
^^^hiede in den Größen v'T-m* '^^^' ^^^^^en sich ungeheure Unter-
^in Kind sich fürcta I l '''' ^'^ '' erklärlich machen, daß
nähern. Zum VerffllrT . '^^'^''"^' ^ie es nicht kennt, sich ihn^
heranziehen, obwohl ^L^V "'^'' ""^^^^ ^^^ die Größenverhältnisse
wachsener von 1 70 m^ '^'^ '^^^^ «ehr erheblich sind. Ein Er-
ein Kind von einem Zhr 9 f'"''^^^^'''^^^ ^^^ ^ bis 3mal so groß als
l.Smal größer als einKi.;, "^^^ /^^ßer als ein Kind von zwei Jahren,
;on vier Jahren. Der G.-?'' '^^ "^^^^^^' l-^^ial größer als ein Kind
Kind und dem Erwaehsenln T''*®''^^^^^*^ zwischem dem einjährigen
Elefanten, wo er nur 1 7 h f* größer als zwischen Erwachsenem und
Es ist fast so groß wie d« tr ^^^'''^St (Größe des Elefanten ca. 2n0-
der Giraffe, die 5 m hooh Z^''^^^*''^^ ^^« Erwachsenen zur Kopfhöhe
ist- Die Verhältniszahl ist hier 2.9. Wichtiger
^
Das Kleinkind und seine Umwelt 99
als die Größenverhältnisse erscheint aber das Volumenverhältnis,
weil es den monströsen Eindruck, den ein Kind vom Erwachsenen
haben muß, viel besser wiedergibt. Um ungefähr das Volumen eines
Menschen zu berechnen, haben wir ihn als Zylinder aufgefaßt. Dies
Berechnungsbeispiel lag nahe, weil der Mensch ja auch bei der,
Geburt als Fruchtwalze aufgefaßt wird. Wir sind uns wohl bewußt,
daß es sich nicht um exakte Berechnungen, sondern um Vergleichs-
beispiele mit annähernd gleichen Fehlerquellen handelt, und haben den
Tierkörper ebenfalls als Zylinder mit größtem Leibesumfang als
Grundfläche, den Erwachsenen und das Kind mit größtem Brust-
umfang als Zylindergrundfläche aufgefaßt. Dabei ergibt sich, daß ein
einjähriges Kind sich zum Erwachsenen wie ein Erwachsener zum
Nashorn verhält. In diesem Beispiel ist der monströse Eindruck im
Volumenverhältnis besser wiedergegeben als im Gewichtsverhältnis.
Die Gewichtsunterschiede zwischen Nashorn und Mensch sind weit
größer als die Volumenunterschiede (Mensch im Durchschnitt 70 kg,
Nashorn im Durchschnitt 60 bis 70 Zentner). Umgekehrt sind die
Gewichtsunterschiede zwischen Erwachsenen und Kind viel kleiner
als die Volumenverhältnisse (70 kg zu 10 kg), wobei zu berücksich-
tigen ist, daß die Luftaufblähung des Brust- und Bauchraumes das
Volumen weit erhöht.
Für unsere Betrachtungen überhaupt nicht in Verhältniszahlen zu
bringen, sind die Höhenmaße der Dinge, die sich außerhalb der taktil
motorischen Sphäre bewegen. Ein Zimmer von 4 m Höhe ist etwa^
Ungeheures für das Kind, da es diese Höhe nicht sefner Erlwg
^uganglicTa macl:ien kann. Wir erwäVvneu nocYimals das Beispiel von
dem Kirchenschiff und der Höhe des Domes. Eine Tür, die von einem
Zimmer zum andern führt, ist für das Kind ein hoher Gang. Ein Bei-
spiel, welche Schwierigkeiten gerade Höhenunterschiede für das Kind
bieten, zeigt folgende Beobachtung. Ein ein- bis zweijähriges Kind
brauchte Tage, bis es eine minimal hohe Stufe überwand, die vom
-Zimmer zum Balkon führte. Immer wieder beschäftigte es sich mit
dem Erlebnis des Höhenunterschiedes. Ein Haus von 15 bis 20 m Höhe,
^0 bis SOmal größer als das Kind, muß für dieses ein Wunder sein
und bleiben.
Ganz kurz seien noch einige Vergleichszahlen genannt, die für das
Kind von drei bis vier Jahren interessieren. Ein drei- bis vierjähriges
Kind ist 93 bis 99 cm hoch, eine Lokomotive mit Tender hat eine Länge
von 12 bis 14 m, eine Höhe von etwa 3.50 m, ein Straßenbahnwagen
eine Länge von 8 bis 10 m, eine Höhe von 2.75 bis 3 m.
Wir wollen nun versuchen, unsere Beobachtungen auf einige Bei-
spiele von kindlichen Phobien anzuwenden, um ihren praktischen
■ . Alb recht Meyer
Angsträume leren n^'"" ^^^"^ ^^"^ ™ ^^*^^ ^«^^ *ünf bis sechs Jahren
denen immer ein IT „^^'^^ ^^i^«^ Beziehungen zu mir waren, und m
hatte, wiederkehrte It''^^^*^^' ^^"^ ^^ ^^^ ^^^^'' Abbildung gesehen
stellte den Vater dar r^^ ^^^^®' ^*^^^® "^^ ^^^^^ aussehende Tier
das Pferd einen ErwnT^^° ^^® ^^ ^^^ Analyse des „kleinen Hans"
der erwachsene Mensch ''^"" ^"^ ^^"^ Wahrnehmung des Kindes ist
'w^ählt es mit Vorliebe ^IT ^^^^' '^^'^ ^^ seinen Angstphantasien
Anstrengung hinaufsehest ^^^ starke Tiere, an denen es nur mit
groß und stark empfindJl ^^^' ^"^ ^^^ ^® ^°^ ^^^^ ^^^ ^^® ^^^^^'^
In dem Teilstüek eine A^^^ ^^^ gefürchteten Menschen,
geben möchte, ist die kinrtr^i''^^' ^^^ ^^^ ®*^^^ ausführlicher wieder-
punkt des erwachsenen B ^"^^^ Betrachtungsweise, auch vom Stand-
weil hier vom Kinde ein anT ^^^^^ ^^^' °"^^ deutlich zu erkennen,
Im Alter von etwa fünf Jah ^^^^i ^^^'^ °^^* einem Tier verglichen wird,
in städtischen Verhältni«*/^'' ^'"^ "^^^S®' ^er bisher vorwiegend
kleines Dorf. Er bekam h ^ * ^^**^' ^^ Verwandten in ein
auch häufiger, wie Hühner 7 m ^^^^^^^leisch zu essen, sah wohl
darum nicht erstaunt daß T'^ t^^*^* wurden, und seine Mutter war
Hühnerfleisch mehr äß N» ^ .. "^^^S® »ach seiner Rückkehr kein
überessen. Die Analyse zeilt '' Meinung hatte er sich einfach
Huhnerphobie handelte dem r^""' ^^^ ^^ ^^^^ ^™ eine typische
!>-* Jahre jüngeren SchVestp7 '""^^^^^ sein Verhältnis zu seiner
beobachtet, wie sie als etw« I^^'- ^'^^^ Schwester hatte er einmal
ü. h. mitten in einer Hühner^oh?^-^^^'"'®^^ Mädchen „Huhn" spielte,
r ^f^ ^^^^^^^ der Hühner r^r ^^^^^-^^r Stellung herumhüpfte
Ln ^'"'"' -^^^ Größenrnaw"^^^^- ^^ diesem fixierten Bild
zum Ausdruck, wenn man bÄ T^^"^ «uhn und Schwester
hockender Stellung und ein autetL l' ^'^ dreijähriges Kind in
l^TVT'^^' ^^^^^^ groß er '.'^^"^ Huhn mit ausgebreiteten
ist das Huhn eher noch grX b'' '.'''^- ^«^ blinde aus gesehen
Tieres den Größeneindruck noch r'""'''" ^^ ^^« ^^^te Gackern des
Überhaupt spielt das GrnT '^^'*-
fow^Kw"'^"'^^^ ^'^^ große Rolirf.Hv'' ^'' ^i^des zu den Tieren
FuTnh K " r^"^ ^^^-^"e Fors tr ■"'''' überreichliches Material
Furchtbeziehungen. Erinnert sefw ^'^ ^^^^ ^^r seine Liebes- und
zu Hunden haben, die, wenn st 1'-'^ ^'^ Beziehungen, die Kinder
schwisters und Spielkameraden . i'""^' '^' ^'^ ^'^^^ ^ines Ge-
sind den Eindruck eines großem T"?"^"^^"' ^enn sie aber groß
machen. An ihnen macht das Kind •f^'^'^g^^d aussehenden Tieres
ist, häuf ig seine ersten erfolgrethf ^? '' ^""«e einer Kohabitation
so Eindrücke an ein Tier, die in ih .^^^^^^If^^s^^hungen und fixiert
m Angst erzeugen.
Das Kleinkind und seine Umwelt 101
Aus meiner Tätigkeit als praktischer Arzt kenne ich zwei Phobien
^or kleinen Tieren, die bei Geschwistern bestanden. Der eine Fall
betrifft eine Froschphobie, die so stark war, daß die betreffende
Patientin noch heute laut aufschreiend davonläuft, wenn sie einen
hüpfenden Frosch sieht. Die Phobie reicht bis in die frühe Kindheit
zurück. Bei Ihrer Entstehung ist zu bedenken, daß ein Frosch, der
unsichtbar im Grase sitzt und plötzlich mit einem weiten Sprung an
einem kleinen Kind in Kopfhöhe vorbeispringt oder gar über den
Jiopf hinwegspringt, für dieses ein eigenartig einprägsames Schreck-
JiW darstellt. Dazu kommt, daß das laute Quaken in einem Froschteich
aurch die Empfindlichkeit des kindlichen Ohres für tiefe Töne beson-
ders stark wahrgenommen wird und auf ein Kind einen lebhaften und
tiefen Eindruck macht.
Die zweite Phobie betrifft Spinnen und hat sich in voller Stärke
^|s über das dreißigste Lebensjahr erhalten. Die Deckerinnerung zu
Jieser Phobie geht in die frühe Kindheit zurück, wo diese Patientin
^eim Besuch einer Großmutter in einer ländlichen Umgebung Spinnen
^^f dem Klosett im Garten sah. Die Spinngewebe sind in dieser Deck-
ermnerung über kindskopfgroß; die Spinnen werden zunächst als
^^esengroß, bei näherem Befragen als weit mehr als daumengroß
^gemeint ist der Daumen eines Erwachsenen) bezeichnet.
Aus dieser Deckerinnerung lassen sich einige interessante Schlüsse
^^er den Zeitpunkt der Entstehung des Erlebnisses ziehen, wobei wn^
!fhen, daß wir mit unserer Betrachtungsweise - abgesehen von dem
^^^inn einer größeren Anschaulichkeit der kindlichen Umwelt
y^ bestimmte Feststellungen machen können. Die Größe der Spinn-
f ^ebe und die Größe der Spinnen lassen uns die angeführte Ermn^
J^^g in eine sehr frühe Jugendzeit verlegen - etwa um das zweite
f.^« dritte Lebensjahr - denn das Verhältnis des Gegenstandes zu
'^^ selbst erscheint dem Kinde sehr groß. Dieselben Feststellungen
^«unen wir an anderen, früher angeführten Beispielen ^^«1^^^, f^^'
^;«d, das die scheltende Stimme des Vaters hört und nur ein herab-
^^ngendes Tischtuch sieht, muß weniger als vier Jahre gewesen sem,
2^ aus den schon angeführten Maßen eines Tisches einwandfrei her-
lll^^^t. Eine andere Deckerinnerung berichtet von einem Kmde das
^^ter einer Fensterbank stand, und dem der Raum unter dem Fenste^
iH ^'°^ ^«d ti^f ^r^chien. Aus der Höhe eines Fensterbre es, die
^ ^urchschnitt 80 bis 90 cm beträgt, läßt sich das Höchstaltei des
indes bei dieser Erinnerung genau berechnen,
j^anz langsam gleichen sich im Laufe des eigenen Wachstums di^e
^^oßendifferenzen aus, und in gleichem Maße werden uns die Eifan
102
-A-lbrecht Meyer
riingen der Erwachsen
"nd unsere ErlebnisinhIue'aSf v: ^' '^'^^ ^^«^^ Sinnesapparat
hmemwachsen. aHn^ahhch in die Welt der Erwachsenen
Li t
Übe
«••^t^rverzeichnis.
ärii. Zeitschr. f. Psycho-
^ g n B r u n s w i p L- . Yvi,
B'r.tw^:f ^y^^a ''' ^"''"' ^^''^'^- -^ Formkonstant in
vo^"x^''V'''^'-^n"Z^uT^ ""' Gegenstand weit 1934
W. St";,' p^- Sel^-. Leip4'i8V- ^^^«^^«^«S-, Bd. 88, Jhrg. 1933.
^•nger. 1934. ' ' ^ P »- 1: Streif züge durch
Springer, 1934. ^_^^
gang 1921'^"'*= Fortschritte der experi
die Tierwelt, Verlag Julius
imentellen Kinderpsychologie, Jahr-
\
Die sdiwarze Köchin
Von Otto Fenichel, Prag
K^öch^ rT^!? ^^^^^ Patientin vor dem Kinderspiel „Ist die schwarze
ein J° ^^^ Anlaß, über den unbewußten Sinn dieses Spieles
I^^""'^ nachzudenken,
sin^. ^^^^^ ^*® ^^^^^ ^^®«es Spieles in zwei Varianten. Die Kinder
"flögen entweder:
„Ist die schwarze Köchin da?
Nein, nein, nein.
Dreimal muß sie rummarschiern,
Das vierte Mal den Kopf verliern,
Das fünfte Mal kommst mit!"
oder:
-Jst die schwarze Köchin da?
Nein, nein, nein. '
■üreimal muß sie rummarscliiern,
Das vierte Mal den Kopf verliern,
Das fünfte Mal mußt sagen: " •. :
Du bist schön, du bist schön, du die Allerschönste." --' ■- =
«nd d ^^ J.®^'^^^ ^ie Kinder nach Art der Abzählreime „ausgezählt",
scheidet ^^^' ^^^ ^^^ „kommst mit" oder „die Allerschönste" fällt,
Kind -^l! ^^^" ^^^^ ^^^^ ^^^ Vers wiederholt, bis nur mehr ein einziges
rig bleibt. Dieses ist die „schwarze Köchin", die mit dem Vers
„Ist die schwarze Köchin da?"
Ja, ja, ja. ... ■; ]-
Da ist sie ja, da ist sie ja, . --; ' '
Vft^^ Pfii». pfui, pfui!"
^^^Pottet Wird. ,^ , _ .- .-
Unt erinnert an das bekanntere vom „schwarzen Peter."
ausff ^^ ^^^ Kindern wird durch ein besonderes Zeremoniell eines
genr^^T^^*' ^^® ^^*^^' ^^^ ^^® ^^^ ®® *^^^^*' ^®^^*^^* ^^^^- ^^ ^^^*
^usd^ "^^^i^n dafür, daß das Verlachen nur ein abgeschwächter
Sehm'^^^ ^ür etwas Schlimmeres ist. Der „schwarze Peter" wird mit
»schw ..^^^®^^™iert (und auch die „schwarze Köchin" ist wie er
nete r-^^"'^' ^^^ 'anderen ähnlichen Spielen wird das vom Los bezeich-
haud u"*^ ^^ ^^^ ^^^^® geschickt. Es kann also kein Zweifel sein: es
den ^^^^ ^^®^ ^^ „Ordal"-Spiele. Aus einer Anzahl von Anwesen-
au«. '^ filier, der bestraft werden soll, durch eine Art Gottesgericht
«gesucht. Auf ähnliche Weise ging nach R e i k die Beweisführung
!►
Otto Fenichel
el'rätl^ geflJnt'' Strafprozeß vor sich*). In diesen Spielen soll also
Machen wir es Z- ^^^ Bestrafung zugeführt werden,
nehmen wir diP w '! "^f ®^ '"^ ^^^ Psychoanalyse gewohnt sind, una
»das vierte Ma^ dl '4^ ^ "^^""^ ^^^«t- ^'^ »schwarze Köchin" soU
»Köchin" de=5 q. 1 . ^ verlieren". Die tatsächliche Strafe, die die
also offenbar nnt "" *'^*^*' ^^^ spottende „Pfui, pfui, pfui", i^*
viel Schlimmerem ^^^e sekundäre Abschwächung. Es droht ihr etwas
gen, die Köüfnn^'K !f ^opfung. - Warum? Mit analytischen Deutun-
weiter Wir wmt r "t ^'""^ Kastration, kommen wir offenbar nicht
Köpf ung bedeutpr i annehmen, daß die Köpf ung wirklich eine
Verbrechen began en h'^'''*^ ^^"^^""^ gesucht, der ein todeswürdiges
^^T%1nlT^'''''''T.'^''' ^^^ ^^ die schöne Arbeit von Sehne i-
besonders sol^bf/'' i^*' ^'^ ""^^ Kinderspiele und Kinderreigen-
Gebräuchen c^inH T^"" ""^^ unverständlich sind, Überreste von alten
in VergessPTih!; ^'"""^^^ gesellschaftlich wichtig waren, nun aber
Hier wird Zk f '^*^'' ^""^ ^^°^ Kinderspiel herabgesunken sind-
holt, bei der e. ." ?'^^ °^*^°^^^ ^^^^ Gerichtsverhandlung wieder-
ein Mörder oder p "" ^"^ ^^'^ ^^^^^ ^^^^= ^urch ein Ordal wird
Warum ZllrfV^'Z^'^l^ todeswürdiger Verbrecher gesucht,
anß erst dri rn« -^^"^ ^''* '^^^ "^i^^^e Mal" den Kopf? Sie
stehen: üle S 1^^ l'''^^"™"' ^^^ ^1^^^^«« ^i^ «chon zu ver-
Ereignis bei 211 ^ ^''^ Hinrichtungen waren ein öffentliches
Stadt\e;umgef^rtt?"S "^^ Verurteilten sehr oft vorher in der
^-|ehen£p^^^ -- durch eine Art vor-
„SchCrzTMaTie" nllf '^^'^^^^^'''' ^^"^ die „schwarze Köchin" ist?
.Hexenküche!?' befehlt "T ^' ^^^^^^^^^t, die die Hexen in ihren
treibt, den kann man wohl Jn' '\''''^' ^^'^^ ''^""^'^^ ^^^'* ^^
Die Kinder snioi. ""^^^me „schwarze Köchin" nennen,
die Hexe durch GotteLerinhr^T ^^^^- ^^^^^ Hexenprozeß, bei dem
der Stadt hingerichtet wird ^ "^^ '^''d dann nach Herumführen i»
herab? Dat lir^lf J',^ l!- 1?^' ^'^'*" Gebräuche zum Kinderspiel
die Kinderwelt als eine die '"''/^S^^- ^s kann nicht genügen, daß
men wird, besonders ' see'^i^^ Erwachsenen nicht ernst genom-
Institutionen, deren Reste • ^^tt V *^*' ^^^^llschaftlich überwundene
servieren. Dazu kommt nfT ^^^^^^^ten noch fortbestehen, zu kon-
^fÜlJür pädagogische vT a ^^"^ ^^^tere Umstand, daß solche
1) Roik- Der^Tk -Hüjdun ^ geeignet sind und zu diesem
"} Schneider: K^nTerleigS^'^y'; I^^P^ychoaBalyt. Verlag, Wien 1932.
zeigen. Ztschr. f. psa. Päd.. Bd. VI, 1932.
,r.. 1 . 105
Die schwarze Kochm
Zwecke sekundär umgebogen werden können. Was einmal ernst
gesellschaftliche Drohung war, reicht später noch zum E^^^^^^^ff ''^^i^
(Um etwas Ähnliches muß es sich heim „Herabsinken" der Myin
2u Kindermärchen handeln.) g .^1^
r>iese pädagogische Verwendung wird nun in unserem v^^^
besonders deutlich durch den Vers: „Das fünfte Mal kommst mit ^
?as klingt so, als ob dem Kinde gesagt würde: „Du weißt, daß Hexen,
^as sind schlimme Leute, geköpft werden; sei nicht ^^f^^^^^^^' '^^^.^
^'ird es dir nächstens ebenso ergehen!" ... In der andern Lariam
versichert das Aussuchen einer „Allersohönsten" diese ihrer Verlan
gen Unschuld und der Verzeihung; aber auch sie k^^^ /'\X.^' ...
«ein, ob das nächste Mal nicht das Ordal gegen sie entscheiden wir .
^'""'''"'"''"'"'llUlllllillllllltlllllllllllllllllllllllllllllillllllllllll^
über Lernstörungen
Von Hans Schikola, Wien
Le^ZfrZ^r''^^''!'^^' '"^''^"' ^^^ ^^«t ^^1« kindlichen Neurosen mit
BeClTg'lXf "''' ""'• '" ^^^^^^ ^^"^^ -^-^* -^^' -^^" '^'
der I ^vr.J- ^"'^*' sozusagen als Nebenprodukt auch die Behebung
Znole lT\f .'^'"^ ^^^ ^^^^^ ^^^bst in dem ganzen Gewebe der
bZL T!" "^ ^''"''"° ^^^^ ^^^ i^ ihr eine wesentliche
h^unfd. M '• ^''''^'"^ ''' "^^ ^^«ht unklar, warum die Auf-
wirk^^n ?'°'^ ''' ^^®"^"' günstigen Sinne auf die Lernstörung
in siner ^^/."//^^^'^hwere innere Konflikte verstrickte Erwachsene
Kind Ti T ^^^''* ^'^'^^^* ^^*' «^ ^^t ^«^h das neurotische
Neurose wt '' ^^^^ätigkeit gehemmt. Denn sowohl die kindliche
seehschen K fr^ ' ^'' Erwachsenen beruht ja auf einem inner-
die Inalv . '' '"' '^^^^ ^^^ ^-^^en unbewußt ist und durch
Wh'!!! ^^^^''''' -^^'^^^ ^'^ß- Wie nun durch die Analyse des
^i^dsoZt/l'V'l'"' ^^"^" ^'^ Berufsfähigkeit weit gesteigert
Ttörlg breUitt ;" '^^^^ ^^^^ ^^^-"^-- Kinderanalyse die Lern-
vor uns wp.^ T '^'' einfachsten Fälle dieser Art haben wir
lyi b^nST -' ^ ^- ^^^^^«hten können, wie selbst ohne eine Ana-
starke ßt.t'''' 1^ der Vorpubertät eine richtige sexuelle Aufklärung
solchen K^'r'"''^ '"" ^^^'^ bewirken können. Das Denken eines
spruch^tl' """" ^i^i^^^^hr durch seine Sexualforschung in An-
KrTf e freTrtT'pK '"' '^ '^^ ^^" ^^^^^^^^^ fernen nicht mehr die
fähigke rw.nl : T f ^^" ^'' ^^^^S ein Erwachen der Lern-
derSnder 'r T '"^ ' ^^i-deranalyse gelingt, die Onaniekonflikte
tisch arbeitenden p"f "'' ^'^^^'^- ^^-^^^^t^Prechend können die prak-
fähigkeit auch ^.ZT^f''^^'^ regelmäßig beobachten, daß die Lern-
Kinder in di^ ^^'^^^^^ssen sich beträchtlich vermindert, wenn die
fähr im Alter vo7l2 if it"*"*'^"' '" ""^^^^^ ^^^^^^™ ^^^^ ""^''
Kindern eine JrnR. v \ • '^''' ^'^ ^^^^^r stellen dann bei vielen
Der Be!r ff H ^^'^^^""^^heit und Zerfahrenheit fest.
schritt Pädagogischer T'*'?fi'°"'^^* ^^ ^^^^ ^^^^^ g^«^^^ ^^'*'
sung au? dafschWht r'"'''''*- ^' '^""^^^ ^^^^^1*^8 ^^^ der Auf fas-
.ei,'obw<;hrbih el^^^^^^^^^^
noch in denen derLehreT-^'''^?^' "" in den Kreisen der Eltern
wir daß der I IZ.f^ ^"^^«^^d durchgedrungen ist. Heute wissen
res\t'des"abl^^^^^^^^^^ -^ ^er Begabung und dem Willen
kon^titntinr,.!!. M '^ f ^^dern von vielen anderen Umständen. Das
konstitutionelle Moment der Begabung läßt sich natürlich nicht weg-
leugnen. Die Analyse hat uns aber gelehrt, es nicht zu überschätzen.'^)
Den Begriff „Faulheit" dagegen kann es in psychologischer Betrach-
tung überhaupt nicht mehr geben. Hier ergibt sich in der Praxis
immer, daß hinter der sogenannten Faulheit andere Störungen ver-
borgen liegen. Besonders wertvolle Beiträge zu dem Begriff der Lern-
störung hat die Psychoanalyse geliefert, indem sie gezeigt hat, daß
auch unbewußte Vorgänge Ursache für Lernstörungen sein können.
Neben den obenbeschriebenen Lernstörungen, die bloß eine Folge-
erscheinung der Neurose sind, gibt es aber auch Fälle, bei denen sie
selbst als neurotisches Symptom auftritt und als solches mit dem
ganzen Aufbau der Neurose fest verbunden ist. Daraus erklärt sich
natürlich, daß die Auflösung solcher Lernstörungen mit viel größeren
Schwierigkeiten verknüpft ist. Sie können erst sehwinden, wenn der
unbewußte Sinn dieses Symptomes durch eingehende Analyse aufge-
deckt worden ist.
Als einer der ersten hat meines Wissens A i c h h o r n-) über eine
neurotische Lernstörung berichtet. Es handelt sich um die Rechen-
hemmung eines Knaben. In einem Gespräch mit diesem ergibt sich
daß sie durch unbewußte Vorstellungen bedingt ist, die mit der Zahl
acht verbunden sind. Es wäre verfehlt, wenn man glauben würde
durch eine solche einmalige Aufklärung lasse sich eine Lernstörung
beheben. Was Aichhorn an der angeführten Stelle berichtet ist
nur eine der vielen Determinanten des Symptoms, das in Wirklich-
keit in höchst verwickelter Weise in die ganze Neurose eingebaut ist
Verhältnismäßig einfach war die unbewußte Determinierung der
Lernstörung bei einem Jugendlichen von ungefähr 17 Jahren, der in
meiner Behandlung stand. Es handelt sich um einen durchaus begabten
Mittelschüler, der aber schon von den ersten Klassen an unter großen
Lernschwierigkeiten gelitten hatte. Zunächst bedurfte es vieler
Wochen analytischer Arbeit, um das bloßzulegen, was er selbst bewußt
als die Haupthemmung beim Lernen empfand. In erster Linie stand die
Vorstellung, alles Lernen sei zwecklos. Warum zwecklos? Weil man
ja doch nicht wisse, ob das, was man lerne, wahr sei. Diese Vorstellun-
gen quälten ihn beim Lernen, nahmen ihm jede Lust daran. Sie gingen
so weit, daß er sich beim Geographieunterricht sagte: Wer weiß, ob
dieses Hamburg, von dem da der Lehrer erzählt, wirklich existiert?
Dabei wußte er mit einem Teil seiner Seele ganz genau, daß diese
^) Hermann: „Die Begabung im Lichte der Psychoanalyse", Ztschr. f.
psa. Päd., Bd. I.
Jakoby: „Muß es Unmusikalische geben?", ebd.
*■') „Über dissoziale Kinder"' (in Federn-Meng: „Das Psychoanalytische
Volksbuch"). .,,.^.
Zeitschrift f. psa. Päd., X/2 _. . S
Hans Schikola
108^
Zweiiel unberechtigt seien, daß er sich in so vielen Fällen von der
Richtigkeit dessen, was er in der Schule gelernt hatte, überzeugen
konnte. Gleichwohl war er nicht imstande, sich von ihnen frei zu
machen. Im Physikunterricht belästigt© ihn die Vorstellung, die Ver-
suche, die der Lehrer vorzeigte, seien irgendwie doch Schwindel und
Humbug. Und dann war es ja natürlich wieder zwecklos zu lernen.
Diese Skepsis dem Lernen gegenüber war auch in seinen Charakter
eingedrungen und hatte ihn zu einem Menschen voll Ironie und Sarkas-
mus gemacht. Für ihn gab es nichts Heiliges, nichts Ehrwürdiges, keine
Freundschaft und Liebe, alles war Schwindel und Betrug,
Die unbewußte Ursache seines Verhaltens war, wie die weitere
Analyse ergab, eine ihm eigentümliche Reaktion auf die ihm in der
Kindheit versagt gebliebene sexuelle Aufklärung. Auf ihn hatte diese
Tatsache aus bestimmten Gründen besonders traumatisch gewirkt.
Denn gerade in der Zeit seiner regsten Sexualforschung, zwischen
dem dritten und fünften Lebensjahr, waren ihm zwei Geschwister,
eine Schwester und ein Bruder, geboren worden. Zur selben Zeit hatte
er reichliche Gelegenheit zu Belauschungen im Schlafzimmer der
Eltern gehabt. Trotz dieser für ihn so feststehenden Tatsachen hatten
die Eltern ihm jede Aufklärung versagt. Besonders der Vater hatte es
geliebt, ihn sowohl auf diesem Gebiete wie auch auf anderen tait
Lügenmärchen zu necken, deren Unwahrheit auch dieses kleine '^^^^
durchschauen mußte. Psychologisch auffällig war es, wie diese in ^^^
Frage der Aufklärung so prüden Eltern in ihrem Schlafzimmer von
einer kaum zu verstehenden Naivität waren. Besonders dieser Gegen-
satz im Benehmen der Eltern war bestimmend für die Entwicklung des
Knaben gewesen. Damals begann seine Skepsis, seine Interesselosig-
keit und damit war die Grundlage geschaffen für seine spätere Lern-
Störung. Seine Ironisierung aller Werte und das Mißtrauen gegen jede
Liebe, die eine große Schwierigkeit beim Herstellen der Übertragung
boten, gründete sich im wesentlichen auf die Enttäuschung, die er,
der Erstgeborene, von der Mutter erlebt hatte, als die Geschwister
gekommen waren. Sie war vorgebildet durch die Erlebnisse im elter-
lichen Schlafzimmer, die seine Eifersucht auf die Mutter sehr ge-
steigert hatten und ihm die Enttäuschung durch die Mutter besonders
fühlbar machten. Bemerkenswert ist, daß natürlich die sexuelle Auf-
klärung in der Pubertätszeit, die er freilich wieder nicht von den
Eltern, aber in ganz derselben Weise erfuhr wie andere Knaben seines
Alters, an seiner Neurose gar nichts änderte; d. h. seine Skepsis und
sein Mißtrauen gegen die Lehrer, das er von den Eltern auf diese und
auf alles Wissen übertragen hatte, weil ihm einst die sexuelle Auf-
klärung verweigert worden war, blieb ruhig weiterbestehen. Mit der
über Lernstörungen 109
Auflösung dieses unbewußten Sachverhaltes schwand die Lernstörung.
Der Patient hat in der Folgezeit mit gutem Erfolg eine Hochschule
absolviert und war nie mehr im Lernen behindert. Ironie und Sarkas-
mus sind, wenn auch in vermindertem Maße, seinem Charakter ver-
blieben.
In einem anderen Fall litt ein Zwölfjähriger an einem starken Min-
derwertigkeitsgefühl, und damit verbunden waren schwere Lernstörun-
gen. Interessant war es, daß sich sein Minderwertigkeitsgefühl an
eine merkwürdige „Organminderwertigkeit" geknüpft hatte, nämlich
an seine Größe. Er war von Kindheit auf immer weit über sein Alter
groß gewesen und hatte sich im Gegensatz zu anderen Kindern seiner
Größe immer geschämt. Die Entstehungsgeschichte dieses Minder-
wertigkeitsgefühles war folgende: Die Mutter hatte sich immer ein
Mädchen gewünscht und war über die Geburt des Knaben, der ihr
einziges Kind blieb, zum Teil enttäuscht. Überdies gehörte sie zu den
Frauen, deren Liebesobjekt das kleine Kind bleibt, so daß ihnen das
heranwachsende Kind wenig Befriedigung bietet. Infolgedessen ließ
es die Mutter aus ihrer Unbefriedigtheit heraus schon im zartesten
Alter des Kindes nicht an Äußerungen folgender Art fehlen: „Ein
Mädchen hätte ich viel lieber gehabt", „Mädchen sind viel herziger
als Buben" usw. Sie kleidete ihn sehr mädchenhaft, beließ ihm trotz
seines Protestes bis ins späte Knabenalter seine langen Locken, auch
die geistige Erziehung lenkte sie stark in die weibliche Richtung. Es
ist leicht einzusehen, daß dadurch die seelische Entwicklung des Kna-
ben sehr erschwert war. Aber auch die bloße Tatsache des Herau-
wachsens war ihr ein Dorn im Auge. Später hieß es dann: „Früher
warst du viel herziger, jetzt bist du so ein großer Kerl und gar nicht
mehr herzig." Besonders Äußerungen dieser Art waren es gewesen,
die dem Knaben seine Körpergröße verleidet hatten. Als die Analyse
diesen Sachverhalt aufgedeckt hatte, besserte sich die Lernstörung
ein wenig, aber nicht wesentlich. Die tiefergehende Analyse ergab
andere Ursachen. Der in Wirklichkeit hochbegabte Knabe hatte unter
seinen Symptomen auch eine Art leichter Pseudodebilität ausgebildet,
hinter der die eigentliche Lernstörung verdeckt lag. Nachdem er durch
viele Wochen in der Analyse den Dummen und Schwachsinnigen agiert
hatte, konnte ich ihm aus dem Zusammenhang mit dem übrigen Mate-
rial die Deutung geben. Zu seinen großen Kümmernissen gehörte es,
daß ihn die Mutter nicht genug liebe, daß er ihr wegen seiner Größe
nicht gefalle, daß sie ihn nicht „herzig" finde. Das Dummstellen sollte
nun ein Mittel sein, die Liebe der Mutter wiederzugewinnen. Es bedeu-
tete in seinem Unbewußten soviel wie Kind sein. Wenn er wieder Kind
war, dann gefiel er der Mutter, dann war er wieder „herzig". In diesem
r
u
119 Hans Schikola
Dienste stand auch die Lernstörung. Auch sie bedeutete Kind sein, von
der Mutter geliebt werden. Denn er durfte ja nicht groß, nicht erwach-
sen, nicht klug sein, wenn ihn die Mutter lieben sollte. Als Neben-
gewinn erzielte er dabei, daß sich die Mutter mit ihm beschäftigen,
mit Ihm lernen mußte, für ihn sich in der Schule erkundigte, überhaupt
um Ihn sich sorgte. Das alles hieß aber für ihn, daß ihn die Mutter
also doch heb habe. Klug sein, viel können, groß und erwachsen zu
sein, war übrigens dem Vater vorbehalten und gefährlich. So sagte
wenigstens seine Kastrationsangst. Mit der Durcharbeitung dieses
Materials schwand das Symptom der Lernstörung sehr rasch. Der
Knabe war nun imstande, selbständig und ohne Nachhilfe zu lernen
und gute Schulerfolge zu erzielen. Obwohl die Analyse dieses Falles
noch nicht abgeschlossen ist, hält der Erfolg hinsichtlich der Lern-
Störung an.
.u7f ^^^^^^'^^^^^ht^ger blieb eine Lernstörung, die sich hauptsächlich
auf das Er ernen von Fremdsprachen bezog. Bei einem fünfzehnjäh-
rigen Mittelschüler kam im Laufe seiner Analyse sein Onaniekonflikt
zur Besprechung; er masturbierte, meist ohne zur Ejakulation zu
gelangen, und auch im Falle der Ejakulation blieb er häufig ohne
Befriedigung. Daneben bestand die Lernstörung. Er erklärte z. B.,
er kenne wohl glauben, einmal in der Zukunft durch Fleiß und Übung
irgend eine Wissenschaft zu erlernen, aber er könne sich nicht vor-
stellen, jemals eine Fremdsprache zu erlernen. Die Funktionsstörung
ptl^.r. ?r ^T '"^ ^®^''^' überstarken Bindung an die Mutter be-
!w .^ .ü^^^"^'' ««i^ö Masturbationsphantasien allzusehr inze-
war.. frl'' ^'''' ^^^y^even Schuld- und Angstgefühlen begleitet
iZh.ir^'ZT-^^rr^" ^'^ ^^ ^'^ ^P^^^ ^^^^beit Bettnässer gewesen
der Enure^ ." Unbewußten die Ejakulation als eine Forfsetzung
ScLirjf li * ;', ""^^ ^^'° ^^'^^ ^^^ ^'^^^' Seite her mit starken
Sri' w 'f'*- ^""'^ "^^""^^^ ^^^ ^'^-^^ Störung war seine
ten Stud- ^'f^'f^^^^ ^^^^-' - bringe ja doch nichts zusana-
han )l'l^'''^''''\^''^^^ ^^«h schließlich als Klagen über sein mangel-
haft funktionierendes Genitale auf. Das sich daraus ergebende Gefühl
übenrarer,'-'"'. .'""^ T T' '''' ^"^^^'^^ ^^^S^ben des Lebens
?e' ress'on ^/'Z^""''^^'^' Kastrationsangst, die in der Kindheit eine
dfeleranalen P • "''' ""'^ ''''''''^'' ^'""^^ bewirkt hatte (Zeichen
erenfaHsa'f ir^'T! ™'^ ^" ^^^*^^^^ ^^^^^ vorhanden), hatte
WeLe viel/ R ?'.'•' ^"^'''' ^'' ^^'^"^ übergegriffen und auf diese
rI-rE%I ,ß«t^tigungen in den Bereich des Verbotenen gerückt.
fTb^fi.': / u^'^? ''"^'''' ^^'"'''^^' ^^^ ^^ ^^^^ g^"^g^ Sublimierungs-
lanigkeiten besaß. Eine bedeutsamere Sublimierung hatte er nur auf
analem Gebiete zu Wege gebracht: er war ein guter Zeichner. Das
I
über Lernstörungen 111
Zeichnen und Malen waren auch zwei der wenigen Betätigungen,
die ihm wirklich Freude machten. An seiner Lernstörung war aber auch
sein passiv-feminines Wesen beteiligt, das er infolge seiner Regression
auf die anal© Stufe ausgebildet hatte. Auf Grund der sich daraus
ergebenden Identifizierung mit der Mutter war bei ihm ein starker
Wunsch vorhanden, so wie die Mutter ein Kind zu bekommen. Noch
als Achtjähriger hatte er auf dem Klosett Kugeln aus Kot geformt,
die Kinder darstellten. Seine Klagen, er bringe nichts zusammen,
bezogen sich auch auf die Unfähigkeit, Kinder zu bekommen. Auch
dies hatte er auf das Studium übertragen. Schließlieh befriedigte er in
seinen Mißerfolgen auch ein unbewußtes Strafbedürfnis, das sich an
seine inzestuösen Phantasien knüpfte. Er verhielt sich in der Schule
und beim Lernen häufig so, daß er Mißerfolge haben mußte. Die
Auflösung dieser unbewußten Zusammenhänge brachte eine wesent-
liche Besserung seiner Lernstörungen. Noch erfolgreicher wirkte sie
sich auf anderen Gebieten aus. Der früher ganz unsoziale Junge trat
in einen Verein ein, errreichte dort bald eine führende Stelle und
brachte es zu wirklich guten Leistungen. Dagegen ließ sich die Lern-
hemmung auf dem Gebiete des Sprachlernens nicht ganz beheben und
auch die unbewußten Zusammenhänge blieben undeutlich. Das ana-
lytische Material wies auf eine starke orale Unbefriedigtheit hin. Er
war als Kind nicht gestillt worden. Gerade diese Unbefriedigtheit
hatte er in stärkstem Maße auf alle Gebiete des Lebens übertragen,
besonders aber auf das Studium und das Lernen der Sprachen. Sie
war der Grund dafür, daß ihn im Leben nichts freute und er am
Lernen so wenig Interesse fand. Der Zusammenhang zwischen Lernen
und Oralität ist der Psychoanalyse schon lange bekannt.') Er zeigt
sich auch in der Sprache: der „Bücherwurm" frißt und verschlingt
die Bücher, die Universität wird „Alma Mater", die nährende Mutter
genannt; im Spotte sagen wir: „Der hat die Weisheit aus den Fingern
gesogen."*) Mein Patient hatte auf die orale Unbefriedigtheit ungefähr
nach der Formel reagiert: Wenn ich als Säugling oral nicht befriedigt
worden bin, verzichte ich auf alle Lust. Auf diese Weise war er z. B.
ein Feind des Trinkens geworden, war leidenschaftlicher Antialko-
holiker und konnte sich nicht genug tun, über den „Unsinn" des
Trinkens zu schmähen. Er war aber auch ein unbewußter Feind der
sublimierten Form der Oralität, des Wissens. Es fehlte nicht an Äuße-
rungen, das Lernen sei ja im letzten Grund sinnlos. In besonders
^) Abraham: „Psyhoanalytische Studien zur Charakterbildung", Int. psa.
Bibliothek, Nr. XVI, S. 49.
*) Vgl. R. Sterba: „Einführung in die psychoanalytische Libidotbeorie",
Zeitschr. f. psa. Päd., V. Jhrg.
r
112
Hans Schikola
veTkZtt 1?.°''''°' "" """ ^"^ Lernen der Sprache mit der Oralit«
Mn^enllfZ ',!,'''"■ ""'='' ^"0™ W«"^ die letzten ZuBammen-
Difi VHT, TTiiT. i. u! ™ gewünschten Maße ein.
2uS:rriZ.Cdrne^(?"\^'^'» ,-'<=" die Möglichkeit, aU
Störungen anf^n^lii a .? ^Gesetzmäßigkeit in bezug auf die Lern-
:SrTer" :C ,\etf3 ^ ^ '" '*' ^'*^''*'« ^""'"""
wiyrigKBiten meist sehr schwer ist.
'''"'""""'»»"»lllllltlllllllUllltlllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllltl»'"'
iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiitiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii"""""""
KINDERANALYSE
niiiiiiiiiiiiiiiiitiiiniiiii
Detektivgesdiiditen
und ihre Rolle in einer Kinderanalyse
Von Edith Buxbaum, Wien
Der Detektivroman ist ein wichtiger Bestandteil der Literatur. Er-
wachsene und Kinder lesen ihn mit gespanntem Interesse und sind xn
gleicher Weise unwillig üher jede Unterbrechung der Lektüre; wah-
rend aber der Erwachsene, was und wann er will, lesen ^ani^ smd
die Kinder sehr oft gezwungen, sich mit ihrer spannenden Lektüre
r verstecken Ein Teil der Erzieher hält es nämlich immer noch für
rTchtig die Zöglinge vom Lesen dieser „Schundromane abzuhalten
oder s^e dabei wenigstens soviel als möglich zu stören. Die Erfahrung
lehrt, daß pädagogische Maßnahmen dieser Art - sei es nun, daß man
verbietet, kritisiert oder versucht, die Verurteilung ^eun Kinde sen)st
hervorzurufen - zumeist fehlschlagen und nur den Erfolg haben, daß
das Kind von nun an vorsichtiger ist.
Wenn wir gegen eine Gewohnheit oder Unart der Kinder mit un-
serer Pädagogik und mit den Mitteln der Vernunft machtlos sind,
nehmen wir an, daß sie eine unbewußte Bedeutung haben, zu deren
Aufdeckung wir die Analyse zu Hilfe rufen können. Hans Z u 1 1 i g e r
hat dies, wie er in seiner Arbeit „Der Abenteurer-Schundroman"^)
zeigt getan. Er hat einen dieser Schundromane analysiert und seine
unbewußte Bedeutung für einen Jungen, dessen Lieblingslektüre
dieses Buch war, aufgedeckt. Er hat gefunden, daß das Lesen von
Detektiv geschichten für den Jungen ein Mittel zur Bewältigung und
Abwehr seiner Angst war.
Ich habe im Verlaufe einer im ganzen zwei Jahre dauernden Ana-
lyse Gelegenheit gehabt, die Sucht oder den Zwang - wie man es
nennen will — Detektivromane zu lesen, bei einem zwölfjährigen
Jungen zu beobachten und zu analysieren. Diesen Analysenabschnitt,
der sich auf einen Zeitraum von etwa sechs Monaten erstreckt, mochte
Ich im folgenden darzustellen versuchen. -c . . ■
Karl kommt mit zwölf Jahren zu mir in die Analyse. Er ist em
großer, hübscher Junge mit offenem Blick, aber von sehr gehemmtem
Wesen. Sein Onkel, der Bruder des Vaters, hat ihn zu mir gebracht,
weil Karl an sch werer Angst leidet. Auch lernt er schlecht.
^) Ztschr. f. psa. Päd., Bd. VII.. H. 10-12 (SondexheftT^.Die Angst des
Kindes").
t-
f~
Karl lebt mit der MuttPi- nT>^ • , ^ qphwesi-
bei diesem Onkel. D e MuLr f TT ^"^ ^"^'^ •^^^'" '^'''' , h ^acbt
auftreten doch soll tV f ^^"^ ^^^^«^ an Anfällen, die zumeist bei ^^^^
<^r mit der Mutter .•» ^'^^'^'^ ^^'^^^^ davon bemerkt haben, oo
auftreten doch soll\c f ^^^ ^^^^^^ *" Anfällen, die ziuu«i- -- ^^^ji
<^r mit der Mnttpr .• ^'^^'^'^ ^^'^^^^ davon bemerkt haben, oo
könZ S im D'%r^" ^^-^^ gleil^o: i;;; Angst, ein Ma^i
drücken. Er ürcht'l^ ''^^ '''^ ^^^^^^-- ^1- -drosseln oder J^l
könnte ihn anseht' '''^ ^'^ ^^^^^ aufzumachen, aus Angst, le^^ J
heraus, daß Karls nnf-M'^f'^""' ^^^'^ ^^^^^ ^^«»^ ^^ der zweiten bt^i J
"genz entsürin^f Unfähigkeit zu lernen nicht einem Mangel an i^ 1
«acbe seiner Wn T^"'^ "^^^^^ ^^örung, unter der er leidet- ^H
lesen muß. ErZTlT^ '^^: ^"^^ ^' zwanghaft DetektivgeschicWe^^
docb
"".wie »einer ijern<?r" --vv^ximg, uinci uoi ^^
lesen muß. Er hat = "''^ '^*' ^^^ ^"^ zwanghaft Detektivges
2u lernen liest ll T'^^'' ^^' ^^^h, in der Schule, zu Hause - ^i
immer an diese r """r.T^^" ^^ ^uch versucht zu lernen, muß er ^
^-eift er nad ^t '^"^^^^ ^^"^en. Wenn er die eine beende hat^
Eindruck daß et T' ^'^ '' '"^^^^ ^^^'^^^ ^^'' "'" S
seil. ..J.u!'' ^l.^^^h Wie ein Süchtiger benimmt, der fürchtet, oh»
zu fffthon, Äv. TJ„„,q ,1ioaftr Det©)^ •
sein gewohntes V%T ®^^ süchtiger benimmt, der fürcni<=-.
geschichtAT, ..„.. „"^"^^^^^de zu gehen. An Hand dieser ^et^ ^^^^
i difi Rii^iiioirv a;o öffentlich m
L :„,^«r wieder
geschickten ärgster sT'' ^"^ ^^^'^''- ^^ ^^^"^ '
verkauft werden du ^ a~^ ^^ ^"^^ ^^^ Büchlein, die öltenun
verschaffen — sn' ]f ^^^^ ^^er die Jungen doch immer ^i
■ Dem Detektiv 7er T-^.^ ^''^'' '^'^^ ^^"^^" ^"^^^^'^ '^' hend
^^d geschickt ist IhnfV"^''''*^^^ ^i^d, edelmütig, voraussehe
er so sein wie er ih l ^^""^^ Bewunderung. Natürlich mocn
^as ihn zunächst "^ f ^"^ ^"^ ^^'"^"^ Ich-Ideal erwählt. .^
verschiedenen ArteTi Z ^^tektivgeschichten interessiert, sind o
ein angenehmes Grn..T'' T"" ^^^^chen umbringen kann. Das gibt s
leiten der Kinder l'r S' '"=^hlt von den verschiedenen Grausa^
^«.^eiß er eine furcS« n"^' ^^^' ^^^^^ Tiere sind nicht wehrlo«'
beiden Pferden die w' ^'^^^^^^te von einem Kutscher, der seinj^^
treten hat; eines TaEe?«K ^""^^«t^ehen und sie mit den Füßen ^"
feedrängUnd il,. J.^''^^^^^ haben ihn die Pf.rrt. ..^en eine W^n^
f drangUndihnerdS^f^^^^ben ihn die Pferde gegen eine W f^^^
eescMcMen waren, in r,,~^^^^«er Ausgangspunkt ja die Detektiv
y T^'er, sondern zwiT' '''^ ''''''' Dinge nL.t zwischen Mens
Aufklärung, wer siellt? ^^'''''^ ^^^V^^lon. warten wir auf d
-achsüchtigen Tieren vtl' ^"^ ^^^^^' verfolgten, aber ge^äh/ f '
^^h Karl bitter iJber ZX"?'- ^^^on in der nächsten Stunde beklag
^hm vorzieht. Wenn '^ , n H 7'^"^' "^'^ ^^n neckt, und die der Onl^
«^e mit dem Fuß nach ibl V^' Schwester miteinander raufen, ^^f
grausame Kutscher -1 Z; ^' '^^ ^^^^ das gequälte Pferd und sie d^
l^' das Pfer, ,,^ ^^d er möchte sich rächen und sie ermorde^
^«tektivgeschichten erSn '' ''^^"^ ^^^ ^^^ <>rund der Tier- V^^
S^^^el. „damit er sie n chtTi ^' "^^^^^ ^^^h gegen sie mit e^ne^^
^leht verletze"; merkwürdigerweise aber i^t ^
1
Detektivgeschichten 115
rade der Sessel ein Instrument, an dem sie sich ungeschickterweise
manchmal hart stößt. , i , ,
Wir wissen von Karls Angst, erdrosselt und erdrückt zu werden;
wir haben Grund anzunehmen, daß er mit dem Ermordeten oder zu
Ermordenden der Detektivgeschichten identifiziert ist. Hier aber ist
der erste Hinweis, daß er wohl auch der Mörder sein könnte. Jeden-
falls können wir bereits sehen, daß neben der Identifizierung mit
dem Detektiv, die Karl gerne zugibt, noch andere Rollen für ihn in
Betracht kommen. ' =■ /''''- '•'•'
Als Zeichen seines Vertrauens bringt mir Karl in der folgenden
Stunde eine Detektivgeschichte, die ich lesen soll. Sie handelt von Ge-
spenstern, an die Karl natürlich nicht glaubt. Aber Spiritismus, das
ist etwas anderes - und gar Hypnose, das ist gefährlich, denn man
kann davon krank werden, man kann sogar daran sterben Karl ha
Angst daß ein Mann im Dunkeln ihn anschauen könnte, daher macht
er die Augen nicht auf. Der Mann nämlich könnte ihn hypnotisieren
und ihm in der Hvpnose verbieten zu schreien und ihn dann erdros-
seln Er erinnert sich in der folgenden Stunde, daß er mit etwa sieben
Jahren an Atemnot gelitten habe und Angst hatte zu ersticken. Er
spricht über eine Mandeloperation, die man an ihm vorgenommen hat,
als er fünf Jahre alt war. Er habe sich nicht gefürchtet, weil die
Mutter gesagt hätte, es würde nicht weh tun. Der nächste Gedanke
führt zum Tod des Vaters, der gestorben ist, als Karl zehn Jahre alt
war. Seine Schilderung ist etwas merkwürdig und, wie sich später
herausstellt, nicht ganz der Wahrheit entsprechend. Karl sagt: „Er
(der Vater) hat die Zunge herausgestreckt und ist umgefallen." Und
schließlieh beendet er die Stunde mit „etwas Lustigem": Dort, wo
Karl früher gewohnt hat, auf dem Land — Karl lebt erst seit dem Tod
des Vaters in der Stadt — gab es Schweine; und wenn man die „unten
geschnitten hat", durften sie sich nicht hinlegen; Karl stöberte sie
dann immer auf und ritt auf ihnen.
Karl hat die Mandeloperation, in der im Hals etwas geschnitten
wurde so aufgefaßt wie das, was man an den Schweinen geschnitten
hat als Kastration. Er hat dabei Todesangst und Schmerzen^gehtten.
•Zu einem späteren Zeitpunkt, etwa ein Jahr später, spricht Karl von
einer anderen Gelegenheit, wo ihm etwas ähnlich Traumatisches wider-
fahren ist: Man hat ihm eine Zahnextraktion unter N^^^^-^ ^^^^f^*^
Die Narkose hat ihn daran gehindert, zu ^«^reien und sich zur Wehr
^1 setzen so daß er sich gegen die Operation, d. i. die Kastration
niht wahren konnte; sein Verdacht aber ist, daß man den Vater auf
äLtlhe Weise wehrlos gemacht und 'fl^^^^ll^^'^^^^^^^
Detektivgeschichten spielen Narkose und die durch Gifte hervorg
i
r
ll^ Edith Buxbaum
Tufene WiUenslähmung eine große Rolle; das unglückliche Opfer is
in diesem Augenblick immer in höchster Gefahr. Wer der geheimnis-
volle Mann ist, der ihn und den Vater verfolgt, kastriert und umbringt,
ist in Karls Geschichte ebenso unbekannt wie in den Detektivge-
schichten. Mutter, Onkel, Arzt, Krankenschwester sind verdächtige
Personen.
Die Angst vor dem Angeschautwerden weist in diesem Zusammen-
hang darauf hin, daß er fürchtet, bei der Onanie entdeckt und dafür
kastriert zu werden. Er selbst aber, der die Augen krampfhaft ge-
schlossen hält, treibt nicht nur Vogel-Strauß-Politik, sondern er wiU
etwas Schreckliches nicht sehen. Das „Umfallen" des Vaters, wie er
sagt, läßt uns an das „Hinfallen" der Mutter denken, und läßt ver-
muten, daß Karl ihren Anfällen doch nicht so ahnungslos gegenüber-
steht, wie man glaubt, und daß auch ihre Krankheit und ihre Person
bei seiner Angst eine KoUe spielen.
Zunächst folgt nun eine Widerstandsperiode, wie sie nach diesem
Durchbrueh seiner angsterregenden Erinnerungen zu erwarten war.
Er bringt mir immer wieder Detektivgeschichten; eine davon emp-
fiehlt er mir besonders: „Die Schlinge des Mahatewa". Das Problem
des Erdrosseltwerdens ist also weiterhin aktuell. Seine Angst steigert
sich nun so weit, daß er schließlich krank zu Hause bleibt; er leidet an
Atemnot. Als er auf meinen Wunsch trotzdem kommt, erfahre ich den
aktuellen Anlaß zu seinem Anfall von Atemnot: Er hat einen Freund
nach Hause begleitet, und als er sich von ihm trennte, mußte er durch
finstere, neblige Gassen allein nach Hause gehen; da lief er aus
Angst, ein Mann könnte hinter einem Haustor hervorkommen und ihn
erdrosseln.
Er beginnt nun allmählich sehr vorsichtig, sich über den Onkel
zu beklagen. Er sei streng, verbiete ihm alles, was ihm Spaß mache.
Er nehme ihm die Detektivgeschichten weg, so daß er sie heimlich
lesen müsse. Obwohl das nicht stimmt, und der Onkel ihm sogar aus-
drücklich erlaubt, sie zu lesen, hält er an der Fiktion des Verbotes
fest und zeigt so, daß das Lesen als Onanieäquivalent verboten sein
müsse. Vor allem aber klagt er, der Onkel ziehe die Schwester ihm
vor und gebe ihr in Streitfällen immer recht. Hingegen weiß er aber
auch sehr viel Nettes von ihm zu sagen: daß er mit ihm spiele, ihn
beschenke und sogar manchmal verwöhne, mehr vielleicht, als der
Vater es getan habe.
Eine Detektivgeschichte, die als Einbanddecke eine drohende
Krallenhand zeigt, veranlaßt ihn, wieder über verschiedene Tötungs-
arten an Tieren zu sprechen. Er erzählt von seinen Beobachtungen
auf dem Land, wo es ihm großes Vergnügen bereitet habe zuzu-
Detektivgeschichten 117
schauen, wie „Stiere, Schweine, Hühner" gesehlachtet wurden. Er
selbst aber habe nie ein Tier getötet, aus Angst, das gereizte, aber
nicht zu Tod© getroffene Tier könnte ihn anfallen.
In den "Weihnachtsferien wird ein Ausflug gemacht, auf den auch
noch andere Kinder mitgehen. Man spielt Indianer, und Karls Onkel
wird von den Kindern gefesselt. Karl beteiligt sich nicht daran, son-
dern „gibt nur die Riemen dazu". Er ergeht sich in wollüstigen Phan-
tasien, was er dem Gefesselten alles abschneiden könnte, wie er ihn
wehrlos machen, ihm einen Knebel in den Mund stecken könnte. Er
fügt hinzu: „Wenn man wehrlos ist, ist man wütend; so wütend, daß
man den, der einen hält, umbringen könnte." Karl, den man gehalten
und wehrlos gemacht hat, dem man dann etwas abgeschnitten hat,
nämlich die Mandeln, den man durch Narkose betäubt hat ist wütend
darüber und will dem, der ihm das angetan hat, das Gleiche tun. Der
Onkel, der ihm verbietet und die Gewalt hat, ihn zu zwingen, ist die
geeignete Ersatzperson, gegen den sich die Wut richtet, die dem
operierenden Arzt und ursprünglich dem Vater galt.
In einer späteren Phase der Analyse, als der Onaniekonflikt be-
sprochen wurde, erzählte Karl: Einmal, als er bei dem Vater im
Bett lag, hat der Vater gefragt: „Du tust doch das nicht?" Die Frage
wurde von Karl als Verbot aufgefaßt. Kurze Zeit darauf sei der Vater
gestorben. Karls Schuldgefühl stellt die beiden Erinnerungen in ur-
sächlichen Zusammenhang: Seine Todeswünsche gegen den verbieten-
den Vater sind in Erfüllung gegangen. Da der Onkel für ihn an die
Stelle des verstorbenen Vaters getreten ist, gelten ihm nun alle Rache-
gelüste für die Operation, die er als Kastration auffaßte, für die er
ursprünglich den Vater verantwortlich gemacht hat. Der Onkel ist
sogar noch gefährlicher als der Vater selbst, denn er hat sich wirk-
lich an die Stelle des Vaters gesetzt, hat den Vater beseitigt, hat
getan, was Karl zu tun wünschte. Karl hat nur zugeschaut — wie er
auch diesmal nur zugeschaut hat, was man mit dem Onkel macht.
Die Ergänzung, die wir hier aus unserer späteren Kenntnis be-
stätigt finden, ist, daß ein Teil der Wut sich wohl auch gegen die
Mutter richten muß, die ihn zur Operation geführt und gehalten hat.
Bei der Schilderung der Narkose beschreibt er später, wie „die Weiber
sich auf ihn gestürzt und ihn gehalten und überwältigt haben". Die
Weiber" waren die Mutter und eine Krankenschwester.
" In der Sprache der Detektivgeschichten heißt das: Karl, der zu-
.-■1? ff Onfer war wird nun zum Mörder, Karl gibt uns eine Be-
naehst das Opfer war, wim uu-u i^ -u^ioniitöTi bplrnrnmen- er
stätigung- Er bat eine Taschenlampe zu Weihnachten bekommen er
spielt damit so. daß er sich selbst in die Augen leuchtet; er ist Detek-
118 Edith Buxbaum
(iv und Einbrecher, wie er sagt. Wir verstehen, er muß auf sich auf-
passen, damit seine Triebe ihn nicht zum Mörder machen.
Seine sadistischen Phantasien beziehen sich in der folgenden
Periode hauptsächlich auf einen Schulkameraden, mit dem er auch
einige seiner Phantasien im Spiel ausführt. Dieser Junge hat seiner
Beschreibung nach eine Chorea; Karl schildert, wie er mit den Armen
herumfuchtelt, grimassiert und sinnlose Bewegungen macht, beson-
ders wenn er wütend ist. Karl fühlt sich dazu berechtigt, diesen
Jungen schlecht zu behandeln, weil er ihm seine Füllfeder stiehlt und
ihn „betrügt und belügt". Karl muß sich eben dann sein Recht mit
Gewalt verschaffen. Eines Tages erzählt er, er habe dem Jungen den
Schal in den Mund gestopft — d. h. ihn geknebelt — und ihn gefesselt.
Er bringt Schal und Gürtel in die Stunde mit, auch ein großes Taschen-
messer. Er möchte also auch mit mir dasselbe Spiel spielen.
Die Analogie des Jungen mit der Mutter ist augenfällig: die sinn-
losen Bewegungen — d. i. das Herumschlagen; das Spucken — d. i-
der Schaum vor dem Mund; der Knebel — d. i. das Taschentuch, das
man der Mutter vermutlich in den Mund steckt, um den Zungenbiß zu
vermeiden. Überdies zeigt er, daß er dasselbe von mir als Über-
tragungsperson der Mutter erwartet. Wir hatten bis dahin nie von
den Anfällen der Mutter gesprochen. Sie war zu Beginn der Behand-
lung wegen eines anderen Leidens im Sanatorium gelegen, so daß
zwar von ihrer Krankheit im allgemeinen die Rede war, nicht aber
von den Anfällen, die zu jener Zeit nicht aktuell waren. Seit einigen
"Wochen aber war sie wieder zu Hause. Karl hatte durch seine Ein-
fälle gezeigt, daß er die Symptome und den Verlauf der Anfälle
kannte, daß ihn diese Frage beschäftigte, und ich hielt es daher für
richtig, diese Angelegenheit mit ihm zu besprechen.
In der nächsten Stunde frage ich ihn, ob die Mutter wieder einen
Anfall gehabt habe. Er bestätigt dies und gibt nun eine detaillierte
Schilderung der nächtlichen Anfälle. Wenn er das kurze Atmen höre,
denke er: „0 je, es fängt wieder an!" Dann falle sie aus dem Bett —
in der ersten Stunde sägte er, er schlafe sehr gut, nur „wenn die
Tuchent-) herunterfällt", wache er auf — , dann sei die Mutter bewußt-
los, habe Schaum vor dem Mu.nd und zucke mit dem Körper. Es graue
ihm so davor, daß er unter die Decke krieche und tue, als ob er
schlafe. Er fügt hinzu, er habe keine Angst vor der Mutter; aber wohl
vor einem Bettler, den er gesehen habe, und der „das Hinfallende"')
habe. Er weiß nicht, was der Mutter fehle; man sage es ihm nicht.
Einige Zeit später fügt er noch hinzu, das Schrecklichste wäre, wenn
2) ^ Oberbett.
- *) :^ Epilepsie.
Detektivgeschichten 119
der Bettler, der das Hinfallend© hat, auf ihn fiele oder sich auf ihn
stürze und ihn im Fall mit sich risse. Auch seine Träume, die er nun
erzählt, enthalten die Angst vor dem Verfolger und die Angst vor dem
Fallen:' Er läuft durch einen Wald, wird von jemandem verfolgt und
fällt in eine Grube. , . * .
Die Angst vor dem Fallen enthält wohl auch seine Angst, von der
Mutter angesteckt zu werden oder ihre Krankheit zu erben; überdies
aber ist das Fallen für ihn das Resultat der Verfolgung durch
Mann und Frau. Wir wissen bereits, daß er den Onkel, die Ersatzfigur
für Vater und Arzt, für die Operation — Kastration — verantwortlich
macht Die Mutter aber war es ja, die ihn zu den Operationen geführt
hat, die ihn gehalten, „sich auf ihn gestürzt hat", wie er sagt, damit
er sich nicht gegen die Narkose wehren könne. Was er dem Schul-
kameraden vorwirft, daß er ihn belüge, betrüge und bestehle das ha
sie ihm getan: sie hat gesagt, daß es nicht weh tue, - und es hat
weh getan- sie hat ihm Mandeln und Zähne nehmen lassen, hat dabei
geholfen, sie hat ihn dem Verfolger ausgeliefert, also ist sie auch ein
Verfolger. Wir erinnern uns, daß auch er bei der Fesselung des
Onkels sich damit begnügt zu helfen, statt es selbst zu tun. Der ver-
folgende Mann, den er fürchtet, ist aber auch noch in anderem Sinn
eine Mischfigur: Er setzt sich zusammen aus dem Mann, der auf die
Frau fällt, und der Frau, die dadurch zu Fall kommt. Fällt er aber
uf Karl selbst, dann ist er wie die Mutter und fällt hin — d. h. hat
d s Hinfallende, ist kastriert, eine Frau. Statt die Frau zu sein, möchte
^ lieber den Mann zu Fall bringen. In der Sprache seiner Detektiv-
^"^ hichten heißt das wieder, er möchte der Mörder sein und nicht das
^D'e Hilfeleistungen an der Mutter sind für ihn Vergewaltigungen:
b In fesseln, wir vermuten auch die sexuelle Vergewaltigung. Er
bestätigt dies bald durch seine Phantasie, was der Arzt mit der Mutter
mache Er gebe ihr eine beruhigende - d. h. für ihn: betäubende -
rniektion und dann tue er etwas mit ihr, was Karl nicht sagen könne.
Sfv Arzt macht mit der Mutter dasselbe, was Arzt und Mutter zusam-
men an Karl gemacht haben: Er betäubt, vergewaltigt, kastriert sie.
Da die Hilfeleistungen diese Bedeutung für ihn haben und seine Rache
und sexuelle Befriedigung an der Mutter wären, muß er sich von ihr
während des Anfalls in Angst und Grausen fernhalten.
In der folgenden Stunde spricht Karl von Filmen, die er gesehen
hat- vom Andreas Hofer, der gefangen wird; von einem Kampf zwi-
schen Schlange und Krokodil, wobei dem „Krokodil das Ruckgrat g^e-
bfochen^wirl ein Gorilla stürzt sich auf einen Mensehen usw^^^^
zählt das Furchtbare auf, was einem in solch emem Kampf geschehen
120 Edith Buxbaum
i*
kann: Man könne blind und taub werden, stumm, Arme, Beine ver-
lieren, die Nase könne gebrochen werden. Um sich vor dem Schreck-
lichen zu schützen, müsse man stärker sein als die andern; aber wenn
schon nicht stärker als die andern, dann doch stärker als der Onkel,
der Gefährlichste von allen, — hat er doch den Vater beseitigt und
sich an seine Stelle gesetzt. Karl zeigt in diesen Assoziationen, daß
er den Anfall der Mutter, das Hinfallen, als einen Teil der sexuellen
Szene auffaßt, gegen die sich die Mutter durch Herumschlagen wehrt;
er fürchtet, daß auch ihm dieses Furchtbare passieren könnte, dessen
Folge die Kastration und der Tod ist. Der Vater ist auch so ein Opfer.
Er muß versuchen, die verfolgte Mutter als Detektiv, Zuschauer, zu
schützen und gleichzeitig sich selbst vor ihr und dem Onkel. Der wirk-
samste Schutz ist aber nicht, Detektiv zu sein, sondern stärker zu sein
als der gefürchtete Onkel, selbst den Onkel auf diese Weise zu über-
wältigen, wie dieser in Karls Phantasie die Mutter und den Vater.
Er liest Detektivgeschichten, um darin zu lernen, wie man sich vor
dieser Gefahr schützt. Solche, die schlecht ausgehen, mag er nicht ■—
denn dann erfüllen die Detektivgeschicbten nicht ihren Zweck, die
Angst zu bannen, sondern dann erzeugen sie Angst.
Nachdem der Zusammenhang der Angst vor dem Verfolger mit der
Krankheit der Mutter besprochen ist, hört der Zwang, Detektivge-
schicbten zu lesen, auf. Sie sind nun als Abwehrmittel gegen seine
Angst unbrauchbar geworden. In Zeiten großen Widerstandes oder
gesteigerter Angst greift er wohl wieder danach, bleibt aber sichtlich
unbefriedigt davon, so daß er sie schließlich als dumm und unsinnig,
als immer gleich und unwahr ablehnt.
Die Analyse der Detektivgeschichten zerfällt in drei Abschnitte:
Der erste Abschnitt zeigt uns Karls Identifizierungmitdein
Opfer. Das ist der manifest© Inhalt seiner Angst. Der zweite Ab-
schnitt enthält Karls Identifizierung mit dem Ver-
brecher; seine Aggression richtet sich gegen Schwester, Mutter und
den Onkel, der auch für den Vater steht. Er hat Angst vor der Rache
semer Opfer und Angst vor der Ausführung seiner aggressiven
Wünsche, die die Strafe der Kastration nach sich ziehen würde Die
eigentlich angsterregende Gestalt aber ist der Mann, der das Hin-
fallende hat. An dieser Stelle zeigt es sich deutlich, daß Karls Aggres-
sion eigentlich Verteidigung ist; und zwar eine Verteidigung nach
zwei Kichtungen: Er verteidigt sich gegen den kastrierenden Onkel-
Arzt und kämpft gegen seine eigenen passiven Wünsche, das Opfer,
das überwältigt und kastriert wird, zu sein. Wir sehen an dieser Stelle
wieder seine Id e n tifi z i erun g mit dem Opfer, aber in der
tieferen Schichte seiner passiv-homosexuellen Wünsche- was sich
L
f
Detektivgeschichten
121
manifest als Angst ausdrückt, zeigt sieh hier als Wunsch. Die Angst
hat die Funktion, ihn vor seinen Trieben zu schützen: vor den aggres-
siven und vor den passiven, die beide die Kastration zur Folge haben;
die Aggressivität ruft die Kastration als Strafe hervor, die Passi-
vität enthält sie als Bedingung. _
Dieselbe Funktion wie die Angst hat die Identifizierung
mit dem Detektiv: Er schützt das Opfer und hindert den Ver-
brecher an der Ausführung seiner bösen Absichten. Die Identifizie-
rung mit ihm erspart daher Angst. Die Identifizierung mit dem De-
tektiv ist nicht ebenso wie die mit dem Verbrecher und Opfer deutlich
als Abschnitt in der Analyse erkennbar. Karl ist in allen Phasen be-
wüßt mit dem Detektiv identifiziert; dies ist die ichgerechte Rolle,
die er in seinen Phantasien spielt. Erst die Analyse decki auf, gegen
welche verbotenen Triebwünsche der Detektiv eingesetzt ist, welche
Tri^bbefriedigungen er verhindern soll, und zeigt daher, mit welcher
l::^eTvtZn'Ls der Trias „Verbrecher-Opfer-Detektiv" Karl
außerdem noch identifiziert ist. Während die DetektivroUe^ im Dienste
L Triebabwehr steht, steht die Identifizierung mit Verbrecher und
n f im Dienste der Wunscherfüllung. Die Zweiseitigkeit erinnert
den Aufbau des neurotischen Symptoms, das ebenfalls dies©
^^^ -^T le die Triebabwehr und den Triebdurchbruch, enthält und
zwei lei , ^_^^ ^^^^^ ^^jj^ ^.^ ^^gg^ ^^ verhindern. Da die Detek-
uberdies ^^^ ^_^^^ Bedingungen erfüllt, war sie bei Karl an die Stelle
tivgesc ic „ptreten und wurde ebenso wie ein solches zwanghaft
eines Symptoms 00-
f estgeha e . ^ ^^^ Karls Zwang Detektivgeschichten zu lesen, stimmt
• '7 1 1 ff e r s Analyse darin überein, daß auch hier die Detektiv-
h-\t n eine Form der Angstabwehr sind. Der Inhalt der Angst
^^^^ A des dort geschilderten Falles vollkommen verschieden, da
ist von i gj^ perSÖnliclieil Erlebnissen und aus einer anderen
Triebkonstellation entstanden ist. ■ . -
fii
f.::. -. -
•::':;vA Ji^i
llllllllllll
^ "'"" ' """"""" """"" "'""iiiiiiiiiiiiiiiiiiüiiiiiiifiiiiiiiiiiiiiiii iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiijiiiiiiiiiiiiiiiiiii iiitiiiiiiiiiiiiiiiiiüir
B E R I C HTE
Gehemmte Schüler
Von Ernst Schneider, Stuttgart
Im Verlage Joh. Ambr. Barth, Leipzig, i^^
erschienen: „Psfchodiagtiosüsches Praktikum für
Psychologen und Pädagogen. Eine Einführung
m Hermann Rorschachs Formdeutversuch von
Pfof. Dr. Ernst Schneider''. Die Monographie
umfaßt IJ2 Seiten und kostet RM S'öo; da
sich der Rorschach-Formdeutver such in Pädagogen-
kreisen wachsender Beliebtheit erfreut, benützen
wir gern die Gelegenkeit, ein uns vom. Autor
freundlichst zur Verfügung gestelltes Kapitel
zum Abdruck zu bringen.
Erz^itf'f tf "-^T^ '*''"^"'^ ^'^ ^^^^'^^"' ^i^ der Schule und der
keine .o^?, Schwierigkeiten bereiten. Unter ihnen befinden sich
InZr ' • T^^"" ^^^"^'^ ^^ Begabung den an sie gestellten
~ sX'sT';' 'TT ''""*^" ^^^ P^^^^^S- -'d leicht
geneigt, solche Schuler, die dem Unterricht nicht zu folgen vermögen,
m n und^Ff 1 ^^ '"'" Bezeichnungen den beiden Grup'pen der dL:
ScMiC In ? ^\-f dnen. Wenn man glaubt, einen unbegabten
P.l. K .'' ^^ haben, ist es manchmal angezeigt, noch das Urteil
einer besonderen Begabungsprüfung einzuholen. Es sind mir zwar
scho^ verschiedene Fälle begegnet, da eine solche nach den gewöhn-
lichen experimentellen Verfahren das Urteil der Schule bestätigte
wahrend der Versuch nach Ror schar h o« «i. ^=.l J' "''^S^^'
Tv„i,ßfo T?^^ ü • -IT.. \ ^^*J^ '^■ciiacii es als falsch bezeichnen
mußte. Em Beispiel hierzu bringt Protokoll K
Hemmungen die sich der pädagogischen Arbeit entgegenstellen,
können von außen und von innen stammen, vorübergehender oder
dauernder Natur sein. Eine vorübergehende Behinderung zur Mit-
arbeit m der Schule war der Liebesgram des Mädchens, das wir oben
kennen lernten. Ein Schüler kann wegen Zahnweh od;r abeT wegen
werL rr " ^^:Vr^^"S m seinen Leistungen beeinträchtigt
werden. Er kann ermüdet sein und nach einer Erholung wieder frisch
mittun. Er kann aber überhaupt zu rascher Ermüdung neigen. Im
allgemeinen ist zu sagen, daß bei Hemmungen zur Ausführung der
durch die Erziehung geforderten Leistungen die Person ganz oder
teilweise, vorübergehend oder dauernd, anderweitig beansprucht wird,
und zwar damit, irgendeiner Unstimmigkeit, einer Ungeordnetheit, zu
Gehemmte Schüler ^^^
V. ..o-x..n Fs sei hier besonders auf jene Gruppen von Störungen aui-
begegnen Es^sei^ier ^^^^^^en Befunden zutage treten,
^erksam gemad.^, de^ eine Enttäuschung stimmt traurig. Die
V 'rHrmln g kann bald abklingen. Fällt sie aber auf eine emjp-
l 'Irll rrundrage so tritt eine vorhandene Dauerverstimmung mehr
fmdhche Grundlage, so ^.^^^ Grundlage kann in der
t^pt^rer^rberodeTaber /ererbt sein. Erworben wird sie
Hauptsacne Vpr^aeuneen und Enttäuschungen in der fruhkmd-
eistens durch Yersagune^^^^^ Gefüge ihnen nicht gewachsen
^"tD^sI^en" bleibt verstimmt, und wenn das Leben auf ihm
ist. Das "^^^^^^"7 Erscheinungen zu beobachten sein, die wir unter
spielt, so werden jen^E^^^^^^^^^^^ „psychogene Depression" zu-
der Bezeichnung „n« (3,j,^^^^age zu Verstimmungen besonders im
sammenfassen. Liegt a zykloide Störungen bis schwere
Stammbaum, so ^'^'^sJeZ^erL können.
Gemütserkrankungen ^^^Seiobi ^^^ ^^^^ ^.^ p^^^^^ ^^^^^ ^^^^^
Anderweitig .^f 7%7;^' ^en vorübergehend sein, und nach ihrer
allerlei Konflikte, bie^^^^^^^ ungehemmt zur Verfügung. Es gibt
Lösung steht der ^^^^ ^.^ ^^^ Entwicklungsschwierigkeiten zu-
auch ^o^^^'^^^'/'luernder sind, aber mit der Zeit auch abklingen,
sammenhängen, die ^^^^.^^^ ^ie der Verdrängung anheim gefallen
Schwerer wiegen jene ^^.^ ' ^^^^ stärkere seelische Zerissenheit
sind und dadurch em ^s^ ^^^^^^^ ^.^ .^^^^ ^.^ begleitenden Gefühlen
herbeigeführt haben.^ ^_^^ ^^^^^ Bedrohung des Gleichgewichtes dar,
von Angst ^^^^^g^gg^iisch darnach getrachtet werden, die Angst und
und es muß in^e^ irgendwie zu binden. Es kommt dabei zu neuroti-
die ^*^^^ ,^]3iidungen. Alle diese neurotischen Vorgänge bean-
schen ^^"^ person, sie muß sich ihnen widmen und wird daher leicht
spruchen^^ie^^^ auferlegten Aufgaben abgezogen,
von an . r^^ gerrissenheit kann auch mit einer angeborenen
h^^ thischen Konstitution" zusammenhängen. Wir finden dann
„psyc opa ^ ^^^ schwereren Psychopathien (ängstliche, zerfahrene,
^^^ i haltlose gleichgültige, triebhafte, grausame, verstockte,
rdzbare uöw Charaktere) sowie die eigentlichen Geisteskrankheiten
^^ D^rSü^rten Störungs- bzw. Hemmungsursachen können vom
.^.ILchen Gesichtspunkt aus in drei Gruppen geteilt werden:
füfe vorübergehenden klingen ab und sind durch die Erzie.
läUnismäßiff leicht beeinflußbar. 2. Die ne ur o 1 1 seh e n
):Z:ü^TCr^^^^^^ -d eigentliche Neurosen) hängen mit einer
(neurotische Jjep (.^^ndlage zusammen, die hauptsächlich aus
'^::::^sfZTZo%.,.4^ is*. sie s^^ „ah« p.yeho>og..eh
Zeitschrift f. psa. Päd., X/2
-^
^^^ Ernst Schneider
verständlich und können durch besondere psychologisch-pädagogische
Verfahren behoben werden. 3. Di e P sy c h o p a t h i en und die
Gemüts- und Geisteskrankheiten beruhen auf einer Erbgrundlage, sind
psychologisch nur z. T. verständlich und pädagogisch nur in gewissem
Smne oder gar nicht beeinflußbar.
Die angeführten Protokolle gehemmter Schüler stammen in def
Hauptsache von Insassen eines Erziehungsheims, die dorthin wegen
Begabungshemmungen und Erziehungsschwierigkeiten gebracht wor-
den sind. Meine Prüfungen galten der Fortsetzung früherer Unter-
suchungenO. Bei Anlaß von vergleichenden Begabungsprüfungen er-
zielte eine Reihe von Schülern stark voneinander abweichende Ergeb-
nisse. Ich stellte mir dann die Frage, ob der Ro r schachscbe
Versuch eine Antwort darauf geben könne, warum sich ein Schüler in
einer Versuchsreihe als begabt ausweise und in einer anderen versage-
Aus den 87 geprüften Schülern im Alter von 10—16 Jahren konnten
21 mit stark voneinander abweichenden Ergebnissen ausgesondert und
der R r s e h a e h sehen Diagnostik unterworfen werden. Unter ihnen
fanden sieh 5 Depressive, 6 Neurotische und 5 Psychopathen sowie
Schizophrenieverdächtige. Bei den verbleibenden 4 Schülern konnte
keine sichere Diagnose auf vorhandene Störungen abgegeben werden.
Mit meinen Untersuchungen im Erziehungsheime wollte ich die Aul-
gabe von einer andern Seite aus anpacken und wählte daher Vpn.,
deren Begabungshemmung und Erziehungsschwierigkeiten als solche
feststanden. Ich erhielt die Möglichkeit, den Ro r seh ach sehen
Befund zu vergleichen mit: den Zeugnissen der früheren Schule, deu
Arztzeugnissen, den Berichten, die das Heim von Zeit zu Zeit an die
Eltern abgehen ließ, den Mitteilungen der Eltern, den Urteilen der
Lehrerschaft über Begabung und Leistung und mit den Ergebnissen
zweier Begabungsprüfungen nach B o b e r t a g und H y 1 1 a") (be-
zeichnet B-H I und II).
Um die Ergebnisse der verschiedenen Bewertungen der Begabung
miteinander vergleichen zu können, habe ich sie alle nach den Be-
gabungsgruppen 1-4 in Maßzahlen zu fassen gesucht. Das bereitete
bei der Begabungs- und Leistungsschätzung sowie bei den Prüfungen
nach BobertagundHylla keine Schwierigkeiten, wohl aber bei
R o r s c h a c h. Für meine frühere Arbeit hatte ich den Versuch ge-
macht, jene Begabungsan zeichen, die sich am leichtesten in Zahlen
^) Die Bedeutung des Ro r seh ach sehen Formdeutversuchs zur Ermitt-
lung intellektuell gehemmter Schüler. Ztschr. f. angew. Psychol., 32, 1928.
=>) Begabungsprüfungen für den Übergang von der Grundschule zu weiter-
führenden Schulen, Langensalza, Beltz — Begabungsprüfung für die letzten
Volksschuljabre, Berlin, Zentralinstitut f. Erz. u. Unt.
Gehemmte Schüler
125
ausdrücken lassen: G, B, F% und Orig% in Maßzahlen umzusetzen.
Die 87 Schüler wurden nach der Anzahl der erhaltenen G, B, der Hohe
de F% und Orig% geordnet und nach den arithmetischen, den ohern
und untern Mitteln je in vier Gruppen eingeteilt. Ich erhielt folgende
Zahlen:
Anzeichen
"g"
B
F%
Orig%
Höchste
Zahl
11
100
32
Oberes
Mittel
6,6
4,6
96,3
12,3
Arlthm.
Mittel
4,9
2,2
86,2
5,4
Unteres
Mittel
2,7
1,1
69,8
0,2
Niedrigste
Zahl
25
P..HU.t «nf diese Werte erhielten die einzelnen Schüler je eine
Gestutzt auf diese wer ^ entsprechend der
Maßzahl für ihre G, B, lür r /o u
folgenden Übersicht: c , ;:: r. ^ •:
2
3
4
5-6
3—4
87—96
6—12
3-4
2
70—86
1—5
0-2
0—1
-69
Nun wurden die vier erhaltenen Maßzahlen für jeden Schüler zu
sammengezählt und nach der Punktzahl wieder eine Vierteilung vor-
genommen. Danach wurde dann die endgültige Maßzahl für Ror-
chach ermittelt. Die Punktzahlen 4—8,2 erhielten die Maßzahl 1,
8,2-10,5 eine 2, 10,5-13,4 = 3 und 13,4-16 die Maßzahl 4.
Da beim F% die höchste Zahl nicht immer auch die günstigste ist,
so ist hier unsere Berechnung anfechtbar. Da jedoch beim F% em
weiterer Spielraum zulässig ist, fällt der Fehler weiter nicht ms
Gewicht. Wenn man die erhaltenen Abstufungen für die emzdnen
Anzeichen mit den Werten, die R o r s c h a c h auf einem andern Wege
erhalten hat, vergleicht, so ergibt sich eine weitgehende Über-
einstimmung.
Bei der Gewinnung der Maßzahlen der Schüler des Erziehungs-
heims wurden diese Übersichten verwendet. Es folgt nun eme Zu-
sammenstellung sämtlicher Begabungsbewertungen und der Schluß^
diagnose nach Begabung und Hemmungsursache. Die Schuler deren
Ro rech ach- Befund mitgeteilt und besprochen wird, sind ange-
merkt worden.
#
12b
Ernst Schneider
—
^
1— 1
o
O
o
Alter
4)
u ■
Heim
Bobei
Hyl
■tag-
Rorschach
Diagnose
Vp.
Schätzung
la
Anzeichen |
a
Hemmungs-
Be-
gabung
Lei-
stung
I
II G
B F7o
E
Orig"/o l
ursache
1. J
16
1
2
1
1 1
1 1
1 1
1
Neurotische
^
Depression
2.
K
14,10
3
2
3
4
4 2
3 1
1 1
l 2
Neurotische
Depression
3.
L
14,3
3
2
2
3
3 3
4 1
2 ;
2 2
Depressiv
4.
IM
13,10
3
1
2
2
1 1
4 2
1
1 1
Zwangs-
neurotisch
5.
N
13,7
3
1
3
2
1 3
3 3 4 1
3 1
Schizoid
b.
13,7
3
1
2
1
1 2
4 l
1
1 1
Neurotisch
7.
■~~
13,6
3
2
2
1
2 3
4 2
2
3 2
Neurotisch
(Hysterie)
8.
P
13,1
3
1
3
1
1 4
4 1
1
2 1
Depressiv
9.
— .
12,2
3
2
3
4
4 4
4 4
4
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Schizoid
lü.
Q
11,11
4
2
3
2
2 2
4 2
4
3 2
Depressiv u.
neurotisch
11
—
11
4
2
3
3
3 1
3 3
4
3 2
Neurotisch
12.
—
10,10-
2
3
2
3 2
4 3
2
3 2
Depressiv
la
—
9,2 -
2
3
2
2 3
4 4
4
4 2
Scliizoid
A4
—
9,2
3
1
2
1
— 1
1 2
2
1 1
Neurotisch
I j.
Der Eorscbach sehe Versuch dürfte demnach geeignet sein, fest-
zustellen, ob ein Schüler wegen Mangel an Begabung oder wegen
Hemmungsersclieinungen verschiedenster Art versagt. Dazu tana
allerdings ausdrücklich bemerkt werden, daß das Verfahren noch neu
und keineswegs voll ausgebildet ist und daß auch Fehldiagnosen mög-
lich sind. Man wird daher immer noch weitere Erfahrungen und Unter-
suchungen herbeiziehen. Immerhin wird der Pädagoge in einzelnen
Fällen Aufschluß erhalten, ob seine bisherige Einschätzung richtig
sein dürfte oder ob es angezeigt sei, Beurteilung und Verhalten zu
ändern, und ob es nicht erforderlich wäre, einen Schüler dem Arzt zur
Untersuchung und Behandlung zu überweisen.
Protokoll J: Ißjähriger Schüler, psychogene Depression
Test Ort
I O
o
II o
III o
IV o
V O
VI O
Deutung Zeichen")
Symmetrie, ausgebreiteter Tintenklecks G Hd Klecks
Wie ein Schmetterling, vielleicht GF+Tga
Zwei Clowns, die sich beschimpfen GB+Mgkb
Affen, die reißen, zanken sich um etwas G B+ T g kb
Eine Sehnecke (M. u.) kommt aus einem
Blatt hervorgekrochen D F+ T
Kopi eines Tieres, von hinten gesehen G F+ T a
Fledermaus GF+Tga
Hoheitszeichen, symbolisches Zeichen. Das
untere vielleicht der Grund . G F+ a
Ki>,>
Gehemmte Schüler
127
mi
Test
Ort
VII
VIII
G/8
S.
IX
S.o.
grün
X
S. 0. blau
M. u. in
_.,
grün
M. u. gelb
M. m.
V M.
Deutung
Da kann ich nichts draus machen
Gesicht eines Menschen mit langer Nase
Tier, das nach oben krabbelt, ein Maul-
wurf? Dem Gesicht nach?
Weihnachtsmann, der Spielzeug herunter-
wirft
Kleines Kind läuft herzu, jemand wills
halten ^ , . , . , ,
Wie Meertiere. Die Farbe ist falsch, sie
müßten rot sein
Ein Gesicht
Zwei Kinder, die daliegen
Versammlungsort. Da kommen noch zwei
Zwei Kirschen, Ohrringe, Farbe stimmt
nicht
Seepferdchen
Zeichen')
DdF+ Md
D F+ T g
DB+M
DB+M
DF+Tg
DdF+ Md
DB+MOrig
DB4-M0rig
DF+Pfl
DF+T
Vp. dentet ziemlich schwer und langsam.
Antworten: 18
= 7
= 9
= 2
G
D
Dd
G
F+
Hd
B
g
Orig
a
kb
= 4
= 1
= 2
= 4
= 4
= 2
F
B =
Hd =-
g =
Orig =
= 11 +
= 6
1
6
2
M
Md
T
Td
Pfl
O
Klecks — 1
= 5
= 2
= 8
= 1
= 1
F% = 100
T% = 44
g% = 33
Orig% = 11 i'-
Erf t = G — D
S ~ geordnet
ET =6:0
Dieser Befund liefert das ausgesprochene Bild einer psychogenen
oder neurotischen Depression. Das Depressive kommt zum Ausdruck
im schweren Deuten, im Suchen nach guten Formen, im erhöhten T%
und vor allem im Fehlen der Farben. Die erste Deutung wird durch
das Schwarz bestimmt, und es Ist anzunehmen, daß die Versuchs-
unlust z T mit den düstern Klecksen zusammenhängt. Vp. ist be-
herrscht und trachtet angestrengt nach Ganzantworten. Bei VII tritt
eine Sperre ein, die erst nach Aufmunterung überwunden werden
konnte Gleichzeitig fällt aber Vp. ab, indem sie nur ein Dd fertig
bringt, ein Gesicht, das einem Gespenst gleicht. Dieser Abfall ist
durch Überanstrengung un d Ermüdung allein nicht erklärbar. Es sind
n Abkürzungen: G - der Test ist ganz, D = als Teil, Dd = in einem
kleinen Teil gedeutet worden, F = die Form, B = eine erinnerte Bewegungs-
vorstenung. Hd = die Schattierung bewirkte in erster Linie die Deutung^
Orgi originelle, g = ganz gewöhnliche Deutungen, a == abstrahiert kb-
kombiniert. Erft = Erfassungstypus, ET = Erlebnistypus, S = Sukzession,
Folge der Erfassungsarten.
128 Ernst Schneider
da sicher neurotische Abwehrvorgänge im Spiel, da der Klecks offen-
bar das Gebiet der verdrängten Konflikte in Erregung versetzt hat.
Die B gelingen leicht und verteilen sich auf den ganzen Versuch.
Auch die andern Anzeichen für Begabung sind erhalten, so daß anzu-
nehmen ist, daß Bestrebungen im Gange sind, das durch die Intro-
version gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen, um mit der
Depression irgendwie fertig zu werden. Das alles ergibt das Bild einer
neurotischen Depression, einer solchen, die auf irgendwelche ver-
sagungen und Enttäuschungen zurückzuführen sein dürfte. Der Jung®
befindet sieh schon längere Zeit im Erziehungsheim. Er versagte m
der Schule und bereitete dem Hause in der Erziehung Schwierig-
keiten. Das Zurückbleiben im Unterricht wurde der Ermüdbarkeit
zugeschrieben. Zu Hause brannte der Junge oft durch, anfangs auch
im Heim. Die Psychologie des Durchbrenners dürfte es oft mit depres-
siven Personen zu tun haben. Der Ausreißer sieht die Umwelt m
düstern Farben und möchte ihr entrinnen, im Glauben, das Anderswo
erstrahle in hellem Farben. Bei der Melancholie führt die Flucht-
bereitschaft gelegentlich zum Selbstmord. Mark Twain zeichnet
treffend und ausführlich in seinem Tom Sawyer die depressiven Aus-
'\''den Heimberichten wird gesagt, der Junge sei ^^* ^^;; "?^f "^
Seite weich und matt, arbeite unlustvoll, sei weinerlich und J^^f^^^
in seinen Äußerungen sondierend, sehr vorsichtig, zuruckhaltenQ. i^
der andern Seite zeige er Angriffslust den Mitschülern g^g«^^^^^, ^
versuche, sie zu beherrschen. Wer sich nicht unterordne, werde lacner
lieh gemacht. „Der Junge hat zwei Naturen. Die eine ist auf Z-wecK
eingestellt, die andere zeigt ihn als artigen Jungen." — „Seme ganze
Veranlagung verlangt nach Geltung, und er will im Mittelpunkt
stehen. Ob er das erreicht durch Leistungen, Interessantmacherei oder
Wehleidigkeit, ist ihm gleich. Mit diesem Zug treffen wir seinen
Charakter. Sein Ziel ist ihm heilig, nicht aber die Mittel."
Als ich den Jungen kennenlernte, sah er körperlich gut aus, "war
ein ernsthafter Schüler und stand mit seinen Kameraden in einem
guten Verhältnis. Diese achteten ihn sehr. Einmal sah ich ihn Kleister-
papiere entwerfen. Sein Verhalten dabei war dem im Versuche ä n-
lich. Er wählte aus den verschiedenen vorliegenden Farben schwarz,
entwarf ein künstlerisch gut wirkendes Muster mit entsprechen ei
Schwarz-Weiß-Gliederung. Sein Entwurf übertraf alle andern. A _^^
er wirkte kalt. Im Laufe einer Unterhaltung berichtete er, er sei vi^^
vernünftiger geworden. Früher, wenn es ihm unerträglich ge wor
4) Schneider, Ernst: Todes- und Selbstmordphantasien Tom Sawyers.
Z. p. P. III, 1929.
l
\
Gehemmte Schüler
129
n
sei oder wenn er sich ungerecht behandelt fühlte, sei er einfach draus-
gelaufen Heute sehe er ein, daß das unsinnig war, er könne jetzt
ruhig abwarten, bis die böse Stimmung vorüber gehe und ihm wieder
besser zumute sei.
Wenn wir die Beurteilungen der Berichte mit einer depressiven
Grundlage in Beziehung bringen, so dürften sie einen andern Sinn
erhalten Wenn der Junge unlustvoll arbeitet, matt, weinerlich und
wehleidig ist, so verstehen wir das als Symptome der Verstimmung.
Wenn er sich vorsichtig sondierend benimmt und zurückhaltend ist.
so können wir das mit dem Zustand der Introvertiertheit in Beziehung
bringen Der Introvertierte hat mit seiner Umwelt schlechte Erfah-
rung^ gemacht und sich daher von ihr zurückgezogen^ Wenn er
rungeu ^ema^ Vioophäftieen, wird er daher doppelt vor-
genötigt ist, -* -' .*^;^,^J"11'e' kuBdgibt und vorsichtig dem
sichtig sem vorsichtig '" äem, * ^,^4 „,„ a, Neigung haben,
gegenüber, da« an ihn h«™ ""■ '' ^ ^^^ ^„^^16.
^'rnruCv;rll.:rrrrLKorschacH.Be,und, sagen
öem ueuuiB-^" iTpfnnden hat, um mit der Welt
Jod nriQAr Tiinee einen weg geiuuucii. lxk^v,
Ti^^llZelZl zu treten. Es ist der liber den Verstand. Im
wieder xn n ^ ^^^^ Einstellung verstärkt (Verhalten beim
Versuche ist ^die ^^^ ^^^^^^.^^^ Festbalten an den G). Die Selbst-
i!"" aehung zur Selbstsicherung ist da und ermöglicht die Betäti-
xiberwa ^^^^^^^^^ ^j-g dadurch rein intellektuelle Formen annimmt.
Q^^M er zum „Verstandesmenschen" geworden. Das Verhalten zu
rr t VII läßt uns vermuten, daß störende Einflüsse von innen nicht
usgeschlossen sind, und die Clowns, „die sich beschimpfen" und die
*\ffeD die „reißen" und „zanken" weisen darauf bind, daß die Angriffs-
lust noch nicht überwunden ist. . .. ., o ^■
Befund und Erfahrung dürften darin übereinstimmen, daß die
erzieherischen und unterrichtlichen Schwierigkeiten mit einer seeli-
schen Störung, die zu depressiven Verstimmungen führten zusam-
menhängen Vp. arbeitet an ihrer Abriegelung und entwickelt sich
dadurch zum Verstandesmenschen, d. h. es gelingt ihr, das gestörte
Gleichgewicht durch eine Verstärkung der bewußten Haltung wieder
herzustellen.
k
llllllllllllllllllilllilllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllltllllllllllllllllllll"'!""""^
illlllltlllllllllllllllllllllllllllilllllllllllllllllllllllllll""'"""'
(}<*?
: , Handwörterbudi der Psydioanalyse
-r =v< r Yon Richard Sterba, Wien
,.,.,■ . ..- , Soeben erschien im Internationalen ^^^f "'
analytischen Verlag die erste der etwa IS Y^/^J
rungen des „Handwörterbuchs der Psfchoanaifse
■ von Dr. Richard Sterba. Ein faksimiliertes Han -
schreiben von Prof. Dr. Si gm. F r eud an äen
Autor leitet das Werk ein.
Affekt (affect; affect) _ -^ ..t^^
Durch die Erkenntnis, daß die Neurose durch den Konflikt affektiver liT ^^
entsteht, wurde Freuds Forschung f rühseitig auf die Affekte hingelen^ ^
In der Tat spielen die Affekte, die zu deutsch als Gera ü t sbe w e gun g^^^^
bezeichnet werden, im Seelenleben eine überragende Rolle. Die Affekte s e ^^
vor allem Abfuhrvorgänge dar, d. h. sie bedeuten eine Entlassung v ^
seelischer Energie, die durch innere oder äußere Reize in den psychisc ^_^
Apparat eingebracht worden ist. Von den Gefühlen unterscheiden sie
Affekte durch ihre höhere Intensität und dadurch, daß sie die ganze "
lli , sönlichkeit ergreifen, so daß neben einem Affekt wenig andere I"^^^"®
Bewußtsein Platz haben. Entsprechend der Abfuhrbedeutung der Atl ^^
finden wir bei ihnen Innervationen der Muskulatur und zahlreicher Urus ^
die mit Lust- und Unlustgefühlen einhergehen. Nach Freud bildet den tve ^^
jedes Affekts die Wiederholung eines bestimmten bedeutungsvollen, träum j
tischen Erlebnisses, wobei dieses Erlebnis sehr frühzeitig, im allgemeine^
in der Vorgeschichte nicht des Individuums, sondern der Art, gelegen is ■
Affektzustände sind also dem Seelenleben als Niederschläge uralter trauma-
tischer Erlebnisse einverleibt. Für den Affektzustand der Angst wird da
Erlebnis der Geburt als Affektvorbild betrachtet. Diese Ansicht der Fsycno
analyse über den Ursprung der Affekte steht der D a r w i n sehen Auffassung
sehr nahe, die die Affekte als Rudimente von Triebhandlungen ansieht. Jeden-
lallB stehen die Affekte mit den Trieben in inniger Korrelation. Vor allem
beziehen sie ihre Energie (Affektbetrag) von den Trieben und bedeuten eine
Abfuhrmöglichkeit für Triebspannungen.
Bei der Verdrängung (s. d.) eines Affekts wird die Repräsentanz des
Affekts, d. h. die Wahrnehmung, oder die Vorstellung, oder der Wunsch, die
ihn ausgelöst haben, unbewußt. Der Affektbetrag verbleibt im Es und wird
durch die Gegenbesetzung (s. d.) vom Ansturm gegen das Ich abgehalten.
Von der ursprünglichen Repräsentanz abgelöste Affektbeträge können im üiS
verschoben, verdichtet, umgewandelt werden. Auch in Symptomen kann der
Affektbetrag zu abnormer Verwendung kommen.
Affektbetrag (amount or Charge of affect; charge affective)
An den psychischen Funktionen ist etwas zu unterscheiden, das alle Eigen-
schaften einer Quantität besitzt, etwas, was der Vergrößerung, der Ver-
\
Handwörterbuch der Psychoanalyse 131
uren
ie
„ Hpr Verschiebung fähig ist und sich über die Gedächtnisspur«
mmderong der Verschie g ^ ^.^^ elektrische Ladung über d„
der Vorstellungen ^erbreuet^^ ^^^^^ ^_^^^ ^^^^^.^^^^ ^.^ ^.^ ^^^^^^.^^^
' ' ""'m '"S^^^i^ - ™-sen, „Erregungsgröße" oder „Affektbetrag". Der
Btrif"S:it%Srt -it dem der „psychischen Energie" (s. d.) zusammen.
Mu„^n+i/iT, nf affect; liberation de l'affect)
Alfektentbindung (Ubera^ion of affec^- Entstehung des Affektes (s. d.)
Die Entbindung, d. h. die ^e^-^^^^^^^^^ ,^^ Es aus. Der Affekt selbst wird
geschieht ^---J^ßV entw ke uid kann nur dort verspürt werden. Es
aber vom System Bw «^™^^ ^j^r Weg vom Ubw zur motorisch-
. : kann sein, daß durch Verdrängungen J^er _^^ o ^ ^jf^^^^^tbindung unmög-
sekretorischen Leistung blockie ■ , ^_^^^^ ^.^ psychische Energie des Es.
lieh gemacht. In einem solchen ^^^^^^^ ^.^^ abnorme Verwendung,
die im Affekt hätte ^^^f^'^'T^'^^^, sie bleibt gestaut und muß durch
.. B. als Angst oder iu ^^-Pt --^^^ngehalten werden.
«ine Gegenbesetzung (s. Q-) vu , , , ,, „^.n
1 nt of affect; döveloppement de laifect)
Affektentwicklung t'^^^'f ''P"''^' , ^„torischer Abfuhrvorgang in Begleitung
Der Affekt als motorischer .^"^ seR ^^^^ .^ ^^^ ^^^.^^^^ ^^^ ^.^ ^^^_
i von Lust und Unlust wird ""..^J^f^j^ ' ^j^ psychische Erregung, die
;:sachende Vorstellung ^j^^f '.f/l.ätentwicklung verwendet werden,
[ ihr .ugehört, nicM olme ^^^^^^ ^^,^, ,,, ^,^,, ,der in Symptomen,
[ :tZTl:l :T.e Vorstellungen verschoben.
S affektiv t^«f ^^lilnetTvolgänge oder Inhalte sind solche, welche vermöge
Mit ^««^*'^^^''g'j^" das Seelenleben der erlebenden Person mit lebhaften
I fZmslZ^^-ge. verknüpft sind. . . - ,
I 4ffi.ktivität (affectivity; affectivite)
I !a «Aktivität bezeichnet man die Gesamtheit der Affektreaktionen (s.
I Als Alieiii Motilität bilden die Abfuhrwege des psychischen
I Affekt). AffektlVltat ^'f ^'''^ ^ ^.^ 2 änge zu diesen Abfuhr-
I Apparates, fi^« -^^^^ 'Z l^ tLLu. mAs Affektivit.t aber
r wegen werden "«^'^^"'^.^f T^^M.„fter als für die Motilität. Es erfolgen
^ ist diese Be^--h-S^ y;^^^ Te durch 1 das Ich die Herrschaft über
leicht Einbrüche von selten des ^^ ^^'^^ Kegelmäßig und normaler-
die Affektivität zeitweise -"^/^^^^^^ /j^^^'^t' Symptomen der Neurotiker
:t::^V^s^:::^^ t^-^^-^^^^^^ -r die Affektivität
erlangt
Affektsperre (blocking of affect. ^loquag. af^U. ^^^^^^^^T^.
Affektsperre bezeichnet die °^\"S.«^"<^^/t tu mX entsprechend durchzu-
raktere Lust- oder Unlusterlebnisse ^^-'^^^ f^!^^.;;^ s'hutzmechanismus
fühlen Die Affektsperre bedeutet nach Reich einen
132 Bericht aus Budapest
gegen starke unbewußte Antriebe, die das Ich sich verbietet, und wird ge-
wöhnlich nach schwereren, einschüchternden Erlebnissen der Kindheit aufge-
richtet. Zum Unterschied von der Gefühllosigkeit im Depersonalisations-
zustand wird die Affektsperre vom Affektgesperrten nicht von vornherein
als pathologischer Zustand empfunden, sondern als notwendige Eigenar
der Persönlichkeit aufgefaßt. Der analytischen Behandlung bereitet die
Affektsperre wohl große Schwierigkeiten, sie kann durch Aufdeckung der
infantilen Ursachen aber weitgehend vermindert werden. (Wilhelm Reic ,
Über kindliche Phobie und Charakterbildung, Z. XVI, 353).
Affektverkehrung (reversal of affect; retournement de l'affect)
ist die Umkehrung eines Affekts, z. B. die Umkehrung von Liebe in Haß,
von Genuß in Ekel u. dgl. m. Die Affektverkehrung ist regelmäßig die Folge
der Abwehr des Ichs gegen die ursprüngliche, meist sehr starke Trieb- o
Gefühlsregung (s. Reaktionsbildung).
Beridit aus Budapest
Das psychoanalytische Seminar für Pädagogen in Budapest ist aus einem
Einführungskurs hervorgegangen, der im Herbst 1933 für Pädagogen veran-
staltet wurde. In diesem Kurs wurden die psychoanalytischen Theorien über
Libidoentwicklung und Ich-Entwicklung vorgetragen, wobei auf die Gesichts-
punkte des Erziehers besonders Rücksicht genommen wurde. An diesen Kurs
schloß sich eine Reihe von Vorträgen über die Psychoanalyse der Erziehung,
des Kinderspiels und der kindlichen Fehlentwicklungen an; behandelt wurden
dabei: Hemmungen, Angst, neurotische Störungen und Verwahrlosung. Als
Vortragende fungierten: Dr. K. L4zar, K. Levy, Dr. S. Pfeifer, Dr. L. Rotter,
Dr, J. Szüts.
Von den Hörern dieser Vorträge meldeten sich 25 für die Arbeit des
Seminars, das seine Tätigkeit im Herbst 1934 aufnahm; die Sitzungen fanden
einmal wöchentlich bis Mitte Juni 1935 statt (31 Seminarabende). Als Gast-
vortragende sprachen in einer erweiterten Sitzung Vorstand August
Aichhorn (Wien) über Erziehungsberatung und an zwei Abenden Frau
Dr, G i m e s über „Totem und Tabu". An den anderen Abenden wurden unter
Leitung der Berichterstatterin zuerst F r e u d sehe Schriften besprochen; so
■wurde an 9 Abenden die „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" referiert,
und zwar in der Form, daß neben einem Inhaltsreferat ein Korreferat die
besondere Anwendung in der Erziehung behandelte. Diese Referate bildeten
die Grundlage für Fragen und Diskussionen. Anschließend daran wurden jene
Schriften referiert, die das vorwiegend von der ödipuseinstellung beherrschte
Entwicklungsstadium zum Inhalt haben. So wurden die entsprechenden Stellen
in der „Traumdeutung" und den „Vorlesungen" besprochen, daran schlössen
sich die Arbeiten „Der Untergang des Ödipuskomplexes" und „Einige Folgen
des anatomischen Geschlechtsunterschieds"; zusammenfassend sprach dann
ein Teilnehmer über die Bedeutung des Ödipuskomplexes für die Erziehung.
Daran schlössen sich Referate über die Themen der sexuellen Aufklärung;
L
1
Bericht aus Budapest 133
. A-. ArhMten Über infantile Sexualtheorien" und „Zur sexuellen
BS wurden die Arbeiten U ^^^ ^^^ Sonderheft der Z. p. P.
Aufklärung ^- f^^^^^^^^fX^, des Kindes" wurde ebenfalls an der Hand
r;Terhrrbe?prche;, insbesondere die Arbeit H. Sterbas „Tbeone
der Angst". „Erziehungsmittel" eingehend behau-
An 7 Abenden wurde ^'^ J^^f ^^^^.,,^ bildeten die Grundlage der
delt; Aichhorns und K. '^^ « Ungarn überaus aktuelles und
folgenden Diskussion über "St':a^^^^ ^^,^ ,,,tes Arbeitsjahr,
umstrittenes Thema. Damit schloß das feem^^^^ggg ^^ ^^ Seminarabenden)
Die Arbeit des ^ ^ ® '* ^"^^^_ Lektüre einschlägiger Schriften aufge-
.urdo wieder auf der g^-^^^^^^^ ^^^f^ung und Wahrheit", dann F e r e n-
baut. „Eine Kindheitsennnerung aus l_^.^^^.^^«^.^^^„ ^^^^^^ ^^^^^^^ ^„^ dis-
c z i s „Entwicklungsstufen des vv ^ ^^^^ ^j^^ng und Geständniszwang"
kutiert. D. T. B u r 1 i n g h a m s ^^^^^ ^^^derum Freuds „Zwei Kinder-
leitete zum Thema „Lugen J^"^ ' Beiträge im entsprechenden Sonder-
lügen", dann Böhms und ^^^''f ^ Deutschs „Über die patholo-
heft der Z. p. P. ^«^'^"^^'ff"^ Dichter und das Phantasieren" wurden
gische Lüge" und ^reuas „ ^^ ^uf Grund einer Zusammen-
gleichfalls referiert Das Thema^^p.^^^^^^^^ N. Wolf f he im, „Die psycho-
Stellung „Aus dem Schnlttum r ^ wälder und sonstigen Arbeiten
analytische ^h^";« ^«^ J^^^^^^ p p.' Gehandelt Im Dezember 1935 sprach
aus dem Sonderheft { I ^^^^ _^ erweiterten Seminar, diesmal über das
A. Aichhorn ^^^^J''^ ^.^ Psychoanalyse dem Erzieher in den Schwie-
Thema "^^^^^p'^^iJät?" die Diskussion zu diesem Thema wurde nach Weih,
nachten fortgeführt. Arbeitsprogramms hielt Referentin im Seminar
Zur Einl«^t"°^ e^nes^ Besprechung dieses Themas wird nun
einen Vortrag ;^« j^~^i,,,g ,«, Frau E d i t h G y ö m r ö i fortsetzen.
das Seminar unter der neuen Leuung Berufsgruppen:
Die Teilnehmer verteilen sich auf foigena
.#: .... 10
te^ Mittelschullehrer • ... 2 " '.
Volksschullehrer . • • • ^
Kindergärtnerinnen . 5
Sonstige Erzieher .•••••• ■
*y^ Sprach- und Gymnastiklehrer ■ ' ' ' / ' ' 2
l^'] Kinderärzte . . 2
Universitätshörer
^ ., u r.„r,h} nn den einzelnen Abenden betrug 16,
Die durchschnittliche Teilnehmerzahl an .^^;^ ^^"J^\ ^ durchgemacht,
Einige wenige Teilnehmer hatten bereits .'^^^^^^^^l^^^^ Ständig ein,
^ einige meldeten sidi im ^-^^^-^^tl^'^^^^^^nz^elf zurückgestellt,
laufende Neuanmeldungen zur Mitarbeit '^"^^^ / / .^.g ^^^ beginnen,
veranlaßten uns daher vor kurzem ^^^^J^'^^ ^^^t^, während die
dem sich wiederum ein Seminar für -^f"f!;,^".f;f;;°, geschilderte Arbeit
Teilnehmer des 1. Kurses als „Fortgeschrittene ihre oben g
fortsetzen werden. - -
134 Bücher
Die wichtige Frage, ob dem Pädagogen eine eingehende Beschäftigung mi
der psychoanalytischen Theorie in der geschilderten Art auch ohne ^^^^^^
Analyse nützlich sei, wurde von den Teilnehmern positiv beantwortet, w n^
sehenswert fanden sie die ständige Verbindung theoretischer Fragestelluno
mit praktischen Erziehungsproblemen (z. B. Aufklärung, Strafen).
K a t a L e V y.
Büdier
Mary Chadwick: Woman's Pcriodicity. Noel Douglas, London 1933^
Die Verfasserin führt uns zuerst in älteste Zeiten und zeigt uns dort m
Rolle auf, die die Menstruation für Mann und Frau, für engere und weitere
Familie, für die kleineren, aber ebenso auch für die großen Gememscha ten
Bpielt. Die Menstruation ist von den Männern durchwegs als eine gf^^hrhcüe
Angelegenheit angesehen worden, auf die sie mit Angst Scheu und Abscbeu
■ t T^ 7.1 V 1 V.L ^nft Kontakt mit der Menstruierenden
reagierten. Der Glaube herrschte, dali iv*nidKi imi. ,.
unheilvoll sei, und dementsprechend entstanden strenge Vorschriften um de
„Unreine" von der Gemeinschaft für die Dauer einiger Tage J^^^^^^^^^^!';^^';
Form der Ausschließung variierte je nach der Verschiedenheit d" S amma
Diese Verbannungen der Menstruierenden sind kurzdauernde Wiederholungen
der gewöhnlich mehrere Monate bis Jahre dauernden Ausschließungen aes
heranreifenden Mädchens aus den Gemeinschaften im Zuge ''^'^/^"''^^ ^
riten, wie wir sie auch heute noch bei den „Primitiven" finden. Sehr anscnau-
lieh legt Chadwick dar, wie diese Angst der Primitiven vor der "^1"^"/'®'!
eigentlich eine Angst vor der Rache gewisser Dämonen sei, die letztlictv
Kastrationsangst bewertet werden müsse. Außerdem zeigt sie auch, wie a
den gleichen Wurzeln in späteren Zeiten andere Massenerscheinungen en -
stehen, wie etwa die Angst vor den Hexen, die sogar zu deren Verbrennungen
geführt hat. Auch heute noch sehen wir denselben Motor in gewissen re i-
giösen Geboten und Verboten wirken-, auch in manchem Aberglauben ertiar
die Angst ihren Ausdruck, wie z. B. in der weitverbreiteten Meinung, dali
von einer Menstruierenden berührte Blumen zugrunde gehen müssen. Nun
wendet die Verf. sich der gegenwärtigen Generation zu — dem einzelnen
Individuum — und wiederum zeigt es sich, daß jeder einzelne sich mit ahn-
lichen Ängsten auseinanderzusetzen hat, die die Erkenntnis des Geschlechts-
unterschiedes und das „bedrohliche" Zeichen des weiblichen Rhythmus mit
der regelmäßig auftretenden Blutung in ihm verursachen. Früher oder später
entdeckt jedes Kind die Tatsache der Geschlechtsdifferenz und der Blutungen
— bewußt oder unbewußt arbeitet diese Erkenntnis in ihm weiter und es
setzen ängstliche Vorstellungen betreffs der Intaktheit des eigenen Genitales
ein. Entsprechend seiner Konstitution, Entwicklungsstufe, etwaigen Neurose
reagiert nun jeder auf diese Einsicht.
Chadwick schildert eingehend, was bei der Frau einerseits, beim Mann,
bei den Kindern, Angestellten andererseits — manifest und latent — in ^®p '
mäßigen Zyklen sich vor, während und nach der Periode der Frau abspielt.
Auffallend sind hiebei etwa die Zwistigkeiten, die zwischen den Famüien-
L
Bücher 1 35
mitgliedern entstehen, hervorgerufen durch die Depressionsneigung und
alliTemeine Nervosität der Menstruierenden. Wie die so häufige neurotische
Einstellung von Mann und Frau zur Menstruation sich auf die Kinder üher-
tr^i und wie diese, herangewachsen, ihrerseits dieselben Störungen zeigen
WhPl snielen Identifizierungsmechanismen die Hauptrolle ~ und sie
~ r auf demselben Wege ihren Nachkommen weitergeben; wie sich
Tuf Verweise Neurose von Generation zu Generation schleppt, stellt dieses
Sich sehr eindrucksvoll dar. Eltern und Erziehern kann diese Arbeit viel
Wissenswertes vermitteln, kann ihnen zum Verständnis der Materie und dazu
rerlelfen, durch geeignete Maßnahmen Schädigungen der heranwach^senden
"T^rr^h^^'Die psychopatMschen Persönlichkeiten. B;uticke,
Leipzig-Wien 1934. sorgfältige Untersuchung des Normbe-
Dem eigentlichen Thema ist eine j^rgfa^^^^^^ ^^^^^^^ ^^^^^^^^_
griffes vorangestellt, die m abnorme Persönlichkeiten, die an ihrer
pathische Persönlichkeiten sma.^ Abnormität die Gesellschaft leidet. Diese
Abnormität leiden oder unter aer ^^^^.^^j^^^ Gründen und ist willkürlich."
Abgrenzung ^^^'^.^'f * f kö perlichen Grundlagen der psychopathischen Per-
Zunächst ^«'^^«"^f ®„^."P\! ' i" tion und Psychopathie werden dabei mit
sönlichkeit -f-^h*;^^'!^^:,^^^^^^^^^^^ wird man sich, falls man
Kecht sehr f ^-;;;^^"",^:%^;,ge Irkenntniskritisch für erlaubt hält, die
^^''"fTlicrhe Persönlichkeit, wie jede andere auch, in der gesamten Körper-
psychopatniscii ^^^^ denken müssen. Gehirn, vegetatives Nervensystem und
konstitution ver^^^ dürften dabei im Widerspiel mit letzten Endes jedem
endokrines ^^^^^^^^ wichtige Rolle spielen." Die Frage, ob Psychopathen
Organ eine _^^^„^jj^i^j^eiteii seien, wird aber letzten Endes merkwürdiger-
krankhafte r ^^^ praktisch-forensischen Gründen, weil sonst der
^ei=e verneint, unu ^" ..n+„rn
V «o+h exkulpiert werden mußte (!).
^^^^ r *ichtigste Abschnitt des Buches gilt der Typologie der Psychopathien,
^ ■ e außerordentlich sorgiältige tibersicht über die bisherige Literatur
^° % hopathien gegeben wird. Schließlich bekennt sich der Verfasser zu
^^ vstemlosen Typologie, die nach „groben Orientierungspunkten"
^genommen wird. Die Einteilung erfolgt schließlich in zehn Grundtypen,
nämlich in hyperthymische Psychopathen .■^l^ ^.x^r^
depressive " .. - '-
selbstunsichere „ •■ ■■'""■. : 't
fanatische „ ,. . -
geltungsbedürftige „ ;,.? /.v?:^ v;^, ■^■;w
stimmungslabile „
explosive
gemütlose
willenlose »>
asthenische
die ihrerseits Unterteilungen erfahren. •
J2Q Bücher .
Man gewinnt aus dem Buch den Eindruck, daß keine der vorhandenen
Typologien das noch immer undeutliche Krankheitshild der Psychopathie, de
der Verfasser übrigens auch noch Hysterie und Zwangsneurose zuzahlt, e
Verständnisse näherbringt. So verstärkt sich an dem Buche die ^^^^^^1^^''°;'
daß ein genaueres und analytisch orientiertes Einzelstudium verschiedenste
psychopathischer Persönlichkeiten einer befriedigenden klinischen ^™^^°^
wohl noch wird vorausgehen müssen. Eichard b er
J h a n n a-R e n a t e F ö r s t e r : Die Dressur, eine pädagogische Unter-
suchung. Göttinger Studien zur Pädagogik, herausgegeben von Proies
Dr. Hermann Nohl, Heft 26. Langensalza 1935. Verlag von J^l^);^/^"^;^^^^
„In der Theorie der Pädagogik ist der Begriff der Dressur seit dem Huma
nismus immer abgelehnt worden... Aus manchen Systemen der 1«*=^*^°^'^
zehnte ist sogar das Wort Dressur verschwunden... Selbst m der M^ ^^
und Gefangenenerziehung... hält man nach besseren Methoden Umschau.
Im Widerspruch zu diesen Tendenzen der Theorie blieben ^^«^^ Ansicht der^
Verfasserin in der alltäglichen pädagogischen Praxis, selbst in der Worin
erziehung, reichlich Spuren von Dressurmethoden erhalten. Man «prach n^^
darüber, denn man hatte ein schlechtes Gewissen dabei, aber man benutzte
die Dressur weiter." „ . , j„a
Wenn das tatsächlich so ist, so scheint es selbstverständlich, daß sich da
theoretische Interesse der Pädagogen schließlich wieder auch /^^ ^res^^
zuwendet. Diese Zuwendung scheinen Förster mehrere Un>Btande erleicMer
zu haben: der vor allem Hagenbeck zu verdankende Wandel der Gewalt
dressur der Tiere zur „humanen" Dressur; die ^"t'T^l'lel fst was
Erfolge der „objektiven Pädagogik", worunter offenbar das gemeint ist wa
Staaten und Parteien treiben, um über die Beeinflussung der -"ß-«^ Haltung
auf die Gesinnung zu wirken; der Behaviorismus -^ /l^,^^^/^^,,^^^^^^^^
flußten Theorien, die mehr oder minder den ganzen Bereich der fcrzieim
von der Dressur aus verständlich machen wollen. nhprhlick
Die vorliegende Arbeit Försters gibt dem Leser einen kUren Überblick
Über das GesLtgebiet der Dressur der Tiere, die mechanische Dressur der
niedern Tiere, die persönliche der höheren, sowie über die Dressur in der
Menschenerziehung, schließlich dem Interessierten reichliche Literaturangaben.
Wir erfahren, daß es Dressur auch schon bei den niedrigst organisierten
Tieren, den einzelligen, gibt. Die Biologen haben, um Auskünfte über die
Physiologie und das Verhalten der Tiere zu gewinnen, eine große Menge von
Experimenten angestellt, deren Methode die Dressur ist. Schon Infusorien
besitzen „Lernfähigkeit", „vergessen" allerdings das „Gelernte" bald wieder.
Die Tiere werden etwa in eine Kapillare gesetzt, die an einem Ende ver-
schlossen und so schmal ist, daß das Zurückkriechen nur nach einer Um-
drehung des Körpers möglich ist. Nach 30—40 vergeblichen Versuchen findet
das Tier die Lösung und behält sie bis zu 30 Minuten im „Gedächtnis . — -
Ein Beispiel für die Wirkung von „Strafe" bei Ringelwürmern: Das Tier wir
in ein enges T-förmiges Rohr gesetzt; es kann entweder aus dem linken oder
aus dem rechten Schenkel herauskriechen. Auf der einen Seite bekommt aber
I
1.
'
Bücher 137
der Wurm einen elektrischen Schlag. Allmählich lernt er, diese Seite zu ver-
meiden und nur Krankheit oder veränderte äußere Umstände lassen das
Gelernte verschwinden. - Ein Beispiel für die Wirkung von „Lohn". Es
handelt sich um eine Krebsart, die positiv phototaktisch ist, d. h. sich jeweils
der helleren Seite des Aquariums zuwendet. Den Tieren wird unter einem
schattigen Schirm Futter geboten. Sie lernen bald, es sich dort zu holen, und
kommen noch unter den sonst gemiedenen Schirm, wenn es kein Futter mehr
dort sibt Bei den meisten Versuchen mit niederen Tieren hat es sich gezeigt,
daß das neu erworbene Verhalten in veränderter Umweltsituation wieder ver-
schwindet; weiters, daß eine Dressur nur dann gelingt, wenn sie die , wich-
Ten art;rhaltenden Bedingungen im Leben des Tieres berücksichtigt^ So
lind ;twa Spinnen nicht dazu .u bringen, Fliegen anzurühren, die man ihnen
aiiflPThalb des Netzes anbietet.
Nich ein Übersicht über die Dressuren bei Wirbellosen und niedrigen
rsacn einer uu .,„„^^.„„ ^p.gn vorliegenden theoretischen Deutun-
I Wirbeltieren wendet -«^^«^^^^/^'^rhiedene Fassungen der Theorie der
gen zu. Es sind im ^^^^^^^llJZlrn.üsol., unbedingt, von einem Reflex
„bedingten Reflexe . Em Re z wira ^^^ ^^^^^^ ^^^ ^^^
beantwortet. Em zweiter Reiz ^^'t gemein ^^^^^^^ ^^^
-J:^^:!'^:^^'^^^^^ etwa ist das Futternder e.te
rS die Zuwendung der Reflex, das normalerweise gemiedene Dunkel der
i. Liz Unter ähnlichen Bedingungen kommt es zu Hemmungen von
zweite n^ . ^ .^ ^.^^^ Aquarium von seinen Beutefischen
Reflexen. Em HecM ^^^^^^^ ^^^^^^^^^ ^^^ ^^^^^ ^.^ Erfahrung der Uner-
durch eine ^ Beute gemacht hat, beachtet er sie auch nicht, als die
reichbarkeit semei =.
Wand *°^*^"g°™yj.eii der höheren Tiere wird meist nicht allein die mecha-
^" Methode verwendet, auch nicht, wenn sie den Lebensbedingungen des
nische Me o ^^ _^^ ^_^ ergänzt oder an ihre Stelle tritt eine persönliche
Tieres ^^^ ^^^ Dresseurs zum Tier. Bis gegen das Ende des vergangenen
T\ derts war es allerdings noch nicht so; mechanische Methoden wurden
1. 1 mit Konsequenter Grausamkeit durchgeführt. „Man hielt z. B. bei
manchmal ui^ ^^^ Vorderpfoten dauernd
Kaninchen, aber auch ^e ^^^^^^ 2\.^^ ,^^,, ,,, Hervorrufen des bren-
offen, in die man Salz «^^«^^ '^^^^JfpX hochzuheben und auf den Hinter-
nenden Schmerzes zu veranlassen, die rioten no p.^^^^^,,.- ^_„ andere
, . , ,^^ .. apffPnwärtig verwenden die Dresseure ganz anaere
bemen zu laufen, ijegenwaiuo kv,™^„" cjso vorcnchon mit
Methoden Sie wollen nicht „bändigen", sondern „zahmen . Sie versuchen, mit
dem Tier Tn ganz bestimmte feste Beziehungen zu kommen, sie wollen von
Ännt^n^f^endTg w^er^^ we^^^^- -— - ^
Tuet: "e ;:;^^r:inLrdem Menschen wie mit i^-gleichen. Vor
allen Dressuren wird eine lange ^pielperiode eingeschaltet^ und wenn de
Dressurzeit beginnt zeigt der Dresseur vor allem Geduld und Ruhe aucn
GS:-nTetzt:f Linie hält er die Strafe d. ^^^^^^^ ^örpers^^f^^^^^^^^^^
manchen Tieren grundsätzlich zu vermeiden. Bei fu-'^ts-me^ Pferden
man viel Sanftmut, unendlich viel Geduld und niemals Gewalt an.
4
i
Affe, der in der Dressur <??■
für ihn Strafe genug n'^l AMtgahe nicht richtig löst, nichts erhält, ist es
erzielt man nur Unlust 'und off f^^'""^ ^"" .Strafen' hei falscher Wabl
Seehunde und Hunde sind allein f .^""^ Affektaushrüche." Affen, Elefanten-
fühlt sich heutzutage als Ti«.T T Überredung dressierbar. Der Dresseur
Allerdings ist Grundla'g^ n^d ." T' "^""* ^^«^ -"
unbedingten Gehorsams Niemal h *"^'" ^^^essuren die Erreichung
ehe seine Befehle ausgeführt sind^" ^""^^""^ ^«^ Dompteur zufrieden geben,
des Reiters immer stärker ist ale h " ^^^"""^ ^^^^ erleben, daß der Wille
erzielen, bedarf es einer Konsequen? 7-^T" ^"^ "^^^ "««gen Gehorsam ^^
einmal hat straflos durchgehen lassen f°^ Ausnahmen kennt. Was ma»
„Allerdings sind die Methoden von ^niT' '"'"'^^ ^^^^^er versucht werden,
das Tier dem Menschen steht" ^° "^'^ Strafe desto feiner je näher
Bei den Dressuren höherer Tiere 7 Tt .
bedeutende Erleichterung schaffen, wenn m« . ^^^°'^"' ^^"^ «^an sich eine
IZT. ^7^*«\=^"^-™n^enbringt. De NachaTmn ' f " <^^«^«ierende Tier mit
schleunigt den Lernvorgang. Natürlich hatSr^ ''' «^^^hrenen Tieres be-
vorhandenen körperlichen Grundlagen. E wt. r^'"' ^'^^ ""'^^^^^ ^" ''^
hochgewachsenen Hund zum Fährtenspuren 1 ^'""^ ^«^r gelingen, einen
Je nachdem aber ob es dem Menschen gef^gtl! "^^ ^«^ Erde, abzudichten,
zentralen Triebnchtungen zu vereinen, z. B 1 ''^ ^^'^«^«am des Tieres mit
Tier mehr oder weniger willig das Geforderte 7"S"^gsfreude, wird das
al er höheren Tiere spielt die Individualitärdes ^f ''^^" '' ^^ de'r Dressur
f^iriht %V!5 . 'i'*"' ''' ^'''^'' das abt'^^'Je« Menschen eine
furchtsames Pferd ist anders zu behandeln als etn f.?'"^*"* ^^«^d^n soll. Ein
Im Schlußkapitel wendet sich die Verfasser' a ^^^^^^
des Menschen zu. Sie gibt zuerst einige BegriJisawf '"^^^«^ *" ^er Erziehung
ein unpersönliches „üben in konzentriertester Ä '"r°^^«= ^er DdllTel
Zögling bewußte und einsichtige Hineinfuhrungr.\fL^^^*«^--Sd^^^
nung; die Gewohnung sei „vorbewußte, vom Willen dP^^^önUche Ord
!S f
Ulli
und ohne jn^^^^^" — <= — ^•^^nai ^
stellt die Ausdrücke „Naturdressur" x^t.A "„"""^^Pi^^en; die
zur
"' — -- ■ "& "^^ „vuxuew ujjie, vom Willen d *^— "=""11
richtete Einführung", unterscheide sich von der T)ro ^^ ^^^iehei
eines Kampf- oder Zwangmomentes. Solches Kamnf ^"^^'^ '^®" Mangel
Ich und dem höheren personalen Ich könne auch fmTr°'-^°* zwischen Trieb-
und ohne fremden Eingriff im Leben des Menschen e'ine^R^f *"" ''^ ^'^''^
Verfasserin stellt die Ausdrücke „Naturdressur" und „sSdrtst"^
Diskussion. , . j o i, i. • . ^ zur
In der Säuglings- und in der Schwachsinnigenerziehunif •
methoden am Platze. „Die ganze Artj fj^ ((gg M • p, '6 ^e'en Dressur-
Regelraaßigkeit des Lebens eingefügt >vira", di« nfcht'nur "n den wm"en 7**
Kindes, sondern bis in das Getriebe seines chemischen Stoff wech l^" -^^
greift, ist Dressur. Sie schafft die Grundlage des Lehensauf baues ob
die Triebe des Säuglings ungerichtet und sich gegenseitig störend bleiben
würden. Das gesunde Kind hat als Säugling den Rhythmus seiner wichtigsten
biologischen Funktionen andressiert bekommen, ebenso die Grundlagen für
Selbstbeherrschung und Sauberkeit. Die Verfasserin sieht dort, wo es an
dieser Dressur mangelt, aber auch dort, wo man allzu früh mehr als Dressur
Bücher 139
gibt und das Kleinkind allzu sehr psychisch anregt, es nicht in Ruhe läßt
und künstlich Bedürfnisse in ihm wachruft. Gefahren. Die Neurosen im
Kl • kindalter haben in vielen Fällen ihren Grund in diesem Zuviel an
Erziehung! in den großen Anforderungen, die man an den Geist des Klein-
^''^Bpim'^sihwachsinnigen soll die mangelnde Assoziationsfähigkeit durch
.T>7nisch-gymnastische Dressur gestärkt werden. Mehr als beim Normalen
mecnan ^ ^ö^^_ ^_^ vorhandenen Triebe befriedigen und benützen, aber ähn-
uch^^ie bei der mechanischen Tierdressur auf Konstanz der äußeren Bedin-
gungen achten. „Änderungen in der Abfolge der verschiedenen ^ errichtungen
iL Sglichen Lebens oder Änderungen ^^ ^^f ^ /^^^urdes ^^^^^^^^^
oft körperlich -angenehm st.ren . st d^ Behe^Jung^^ Er^
lernten. Zum Unterschied von ^^^J"^^^"^^^^^^ ,,!,, ^i.htig, er ist von ihr
Beziehung des ^*^^'^'^*'^^tj"^'^^"g Ist ein fremder Mensch mit den Schwach-
weit abhängiger als der orma. • " ^Ugg nieder vergessen, was sie
sinnigen allein, dann haben sie scn
gelernt haben." ^^^ gesammelte Material wertvoll und durch-
Das Buch Försters is ur ., Eine wirkliche Dressur macht
A «oinp Pädagogische H-aupiiue&i^. „
aus anregend. Seine^paa^g^S^^_^^_^^ ^^^^^^ .^^^^ ^.^ ^.^^^^ Grundlage, ge-
den Menschen *^^' ^^ j^ht, das höhere geistige Leben nicht stört, sondern
ordnet und im <J eisten Diskussion würdig. Allerdings dürfte eine solche
trägt", wäre einer^ ^^_^ meinen wir, wenn die weiten Gebiete, die die Psycho-
nur dann frucht ar .^^italen Grundlagen und dem höheren geistigen Leben
analys© ^^^^ ^jpckt hat auf den Landkarten der Diskutierenden nicht
aes Menschen entae • . P. B.
fehlen. -!=;-•• ■ --■-• -■ • . > . .
. , j g j. . Deutsche Sprachschnle mit Berücksichtigung der Basler
Josef M fiage, neu bearbeitet von einer Kommission. Volkslieder für
Mundart. 4. ^ ^^^^ ^^^ spring, spiel und sing, für das 1. und 2. Schuljahr,
Kinder. ^'-^^ gj-raumann, beide im Verlag des Erziehuugsdcpartements
von ^\""°Basel-St»dt.
des ^■*''^°, .ijode, das Mundartliche für den Unterricht des Hochdeutschen zu
^^^ • htigcö. auch der Versuch, an den aus der Mundart stammenden
herücKSi ^^^ gprache zu erlernen, wird als Beispiel der überall bestehenden
Fehler ^^fgabe dienen können und auch über einen einzelnen Kanton hin-
^"^^T^teresse erwecken. Auch im übrigen bemüht sich das Erziehimgsdepar-
aV'S „1 ^V\^\ W-^ Erfolg, die Neuerscheinungen und Neuauflagen von
temenl l^f '''■5"' . ,„^^1,11* und ärackleclraiEch so vorzulegen, flaB Uer
?"*:«!!:"'* b"ahende gemH...flige Be.ie,™„g zu sei». Le.nBtoH
bekommt. .. T „ n T seh ich o 1 d, der ausgezeichnete Typo-
Bei der Sprachschule hat ^J a^nT ^^^^^^^^^^ ^^^^ Ma r g r i t W a g e n das
graph, Einteilung ^™ . ' ^^^ ^llem die Farbe, lebendig gestaltet, so
Notenbild und die H^^^.^J'-^J'^^^^^, ;^, Ha„d nehmen dürfte. H. M e n g.
daß das Kind gerne ^^^^^_^^^^^^^^^^^^^|^|^|^|||||,,,,„,,,,,,„,,,,„,,,j,,,|,,,,„,|,,,i,,,^ Illlllll>l!lllil
Zeitschrift f. psa. Päd., X/2
' Druckfehlerberichtigung ^^^^jt
Infolge eiues drucktechnischen VerBehens wurde der eib
„Paiisexualisiiius" und Pubertät
Von F r i t z R e d 1, W i e n
eil
in Heft 5/6 dos IX. Jahrganges (1935) dieser ^eitBchnfJ; ^ ^^^j^ji ric
tstellt. Die einleiterden Sät^
Zeilenvertauschung sinnstörend en
lauten:
flieh eiD^
Für
Für den Erziehungsberater erhalten „Theorien ^e^. x -
ich beanspruchen ^^.^^^^.^tuog ^1
.^ s-^, -- ^^^» — n "^<i ^^^^'f"" "^die' Pri"^^P'^''cheO
brachten Kinder über Erziehung gebildet haben, „^iehen^
viel realere Bedeutung, als sie an si
sind die Meinungen, die sich Eltern und Lehrer cie p^.^^ipi®^"
e-
die
steckt ihrem ^^^' ipien,
die
sie bewußt oder unbewußt, offen oder verstecKi i---^ prinziP^!"'' ine
Verhalten zugrundelegen, ja, auch die Meinungen i^^.^^^ ^jrKS
sie beim Berater stillschweigend vermuten, nich ^^^j-t^t. •••
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^ie Geschichte der Psychoanalyse zerfällt für mich in
zwei Abschnitte . . . Im ersten stand ich allein und hatte
°lie Arbeit selbst zu tun, . . . im zweiten Abschnitt . . .
^ahen die Beiträge meiner Schüler und Mitarbeiter immer
fnehr an Bedeutung gewonnen, so daß ich jetzt . • • niU
innerer Ruhe an das Aufhören meiner eigenen Leistung
"denken kann . . , So kann ich denn, zurückschauend auf
'^'W Stückwerk meiner Lebensarbeit, sagen, daß ich vielerlei
Anfänge gemacht und manche Anregungen ausgeteilt habe,
"^'or^^us dann in der Zukunft etwas werden soll. Ich kann
'^^bst nicht wissen, ob es viel sein wird oder wenig. Aber ich
*'«'■/ di^ Hoffnung aussprechen, daß ich für einen wichtigen
Fortschritt in unserer Erkenntnis den Weg eröffnet habe.
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Das Ich
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die Abwehrmechanismen
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A. THEORIE DER ABWEHRMECHANISMEN
I. Das Ich als Stätte der Beobachtung
II. Die Verwertung der analytischen Technik zum Stu-
dium der psychischen Instanzen
III. Die Abwehrtätigkeit des Ichs als Objekt der Analyse
IV. Die Abwehrmechanismen
V. Orientierung der Abwehrvorgänge nach Angst u. Gefahr
B. BEISPIELE FÜR DIE VERMEIDUNG VON
REALUNLUST UND REALGEFAHR
(VORSTUFEN DER ABWEHR)
VI. Die Verleugnung in der Phantasie
VII. Die Verleugnung in Wort und Handlung
VIII. Die Ich-Einsciiränkung
C. ZWH BEISPIELE FÜR AßWEHRTYPEN
IX. Die Identifizierung mit dem Angreifer
X. Eine Form von Altruismus
D. ABWEHR AUS ANGST VOR DER TRIEBSTÄRKE
(DARGESTELLT AM BEISPIEL DER PUBERTÄT)
XL Ich und Es in der Pubertät
XII. Triehangst in der Pubertät
Schlußbemerkung
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Zeitsdirift für psycfaoanalytisdie Pädagogik, X. Jahrgang, He ft 2
INHALT:
Alice Bdlint: Versagen und Gewähren in der Erziehung 75
Edith Braun: Eine Kinderfreundschaft. Beobachtung aus einem Kindergarten . . '. ". ". ". 84
Alfred Meyer: Das Kleinkind und seine Umwelt qj
Otto Fenichel: Die schwarze Köchin ^^^
Hans Schikola: Über Lernstörungen TOfi
Edith Buxbaum: üetektivgeschichten und ihre Rolle in einer Kinderanalyse .'.!!!! 113
BERICHTE;
Ernst Schneider; Geheramte Schüler ,22
Kichard Sterba: Handwörterbuch der Psychoanalyse • • •
Bericht aus Budapest lao
BÜCHER:
Mary Chadwick; Woman's Periodicity (M. K.) .0.
Kurt Schneider: Die psychopathischen Persönlichkeiten (Richard Sterba) 135
Johanna-Renate Förster: Die Dressur, eine pädagogische Untersuchung (P. B.) . . 136
Josef Müller: Deutsche Sprachschule mit Berücksichtigung der Basler Mundart und
Bruno Straumann: Volkslieder für Kinder (H. Meng) 139
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lehre ihres Vaters das, was ihnen bei ihrer Arbeit helfen kann: namiich
die seelische und erzieherische Auswertung frühester, ins UnbewuiJte ver-
sunkener Kindheitserlebnisse, die in ihren Auswirkungen aber den Cha-
rakter und die Erziehbarkeit entscheidend beeinflussen. Sie begnügt sich
nicht mit den sichtbaren seelischen ,Leistungen' der Zöglinge, sondern
benutzt die Analyse zur Dechiffrierung von Charakteraußerungen, die
uns ohne Zurückgehen auf ihr erstes Zustandekommen oft rätselhaft und
zusammenlianglos erscheinen und die Erziehung erschweren, wenn sie
unerkannt bleiben." Eisfelder Zeitung.
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Acht Kapitel zur Theorie und Praxis der tiefenpsychologischen Er-
zichungsberatung und Erziehungshilfe
Aus dem Inhalt:
I. Einleitung, Einteilungen, Fragestellungen, Übersichten. II. Unter-
scheidungen. Dissoziales Symptom und dissoziale Grundlage; Dressur und
Erziehung; Milieuwechsel als heilerzieherisches Mittel. HI. Diskussion
des Mittels „Milieuwechsel". Vom Aufbau der seelischen Persönlichkeit.
Zivilisierung und Kultivierung. IV. Die Freud'sche Psychologie m der
Praxis der Erziehungshilfe. V. Herstellung der günstigen Übertragung.
Assoziations- und Spieltechnik. VI. Einbezug des Rorschach'schen Test-
versuchs ins Arbeitsfeld des Erziehungsberaters und -helfers. Abgrenzung
seiner Leistungen im Vergleich mit der pädanalytischen Methode. VIT. Zu-
sammenfassung. Paar-Beziehung und das Verhältnis von Gemeinschaft
und Führer. Gefahren der Bindung: das nichtbewußte, passive Erleiden
und das bewußte, aktive Handhaben der Übertragung. VIII, Über
Bereich der psychoanalytischen Erziehungsberatung und -hilfe.
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Printed in Austria
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