X. Jahrg.
1936
Heft 6
Zeitschrift für
psychoanalytische
Pädagogik
Hans Iuüig.et . Über eine Lücke in der psycho-
analytischen Pädagogik
M. Brunner. . . Beeinflussung des Stotterns
Alice Landau . Angsterlebnisse eines Drei-
jährigen
Berichte
Preis dieses Heftes Mark 2"-
Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
Begründet von Heinrich Meng und Ernst Schneider
August A i c h h o r n
Wien V, Sdhönbrunnerstraße 110
Dr. Heinridi Meng
Basel, Angensteinerstraße 16
Herausgeber:
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Wien VI, Köstlergasse 7
Prof. Dr. Ernst Schneider
Stuttgart N, Relenbergstr. 16
Anna Freud
Wien IX, Berggasse 19
Hans Zulliger
1 1 1 1 g e n bei Bern
Schriftleiter:
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und Kriminalität"-
ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHO-
ANALYTISCHE PÄDAGOGIK
X. Jahrg.
1936
Heft 6
Über eine Lücke in der psychoanalytischen
Pädagogik^
Von Hans Zulliger, Ittigen (Bern)
Seit zehn Jahren besitzen wir eine „Zeitschrift für psychoanaly-
tische Pädagogik". Wir sind stolz darauf und dürfen behaupten, daß
sie meist ein hohes Niveau innehielt. Sie ist bei den Erziehungswissen-
schaftern hochgeschätzt, und selbst die analysenfeindliche Kritik ver-
sagt ihr die Achtung nicht. Sie wissen, daß darin eine beträchtliche
Anzahl verdienstvoller Abhandlungen und vVufsätze erschienen sind,
die unsere Kenntnis von der Kinderseele bereichert haben und uns
wesentliche berufliche Anregungen schenkten. Sie ist Sammelstelle
und Zentrum der Bewegung für psychoanalytisch orientierte Päd-
agogik geworden, deren Entwicklung sich an Hand der Zeitschrift
verfolgen läßt.
Wenn ich Ihnen aber heute verrate, daß mich die Entwicklung der
psychoanalytischen Pädagogik im allgemeinen, und im besonderen
unsere Zeitschrift nicht ganz befriedigen, sind Sie wohl erstaunt. Sie
verweisen darauf, daß ich als Mitherausgeber zeichne, selber ziemlich
eifrig mitarbeite und daß ich mir das Messer ans eigene Fleisch setze,
wenn ich kritisiere.
Darüber bin ich mir selber klar genug. Meine Kritik will keines-
wegs herabmindern, was geleistet worden ist. Ich möchte nur darauf
hinweisen, daß innerhalb der psychoanalytischen Pädagogik als
SpezialWissenschaft eine Lücke besteht. Mir scheint, unsere Forschung
sei in bestimmtem Sinne einseitig geblieben, ich bin überzeugt, daß
dies andere ebenso empfinden, und möchte meine Stimme erheben, um
Sie auf einen Bezirk aufmerksam zu machen,, den zu beackern wir
vielleicht vernachlässigt haben.
*) Vortrag, gehalten im Herbst 1936 in Wien vor der Arbeitsgemeinschaft
der Pädagogen, in Prag, Budapest und Zürich vor den Ortsgruppen der Inter-
nationalen Psychoanalytischen Vereinigung.
Zeitschrift f. psa. Päd., X/6 ,
338 Hans Zulliger
Allerdings habe ich schon im Jahre 1929 anläßlich des XI. Inter-
nationalen Psychoanalytischen Kongresses in Oxford in einem Vortrag
auf die Fragestellungen aufmerksam gemacht 2 ), die ich Ihnen heute
unterbreiten möchte, und darum sage ich Ihnen jetzt eigentlich nichts
Neues.
„Psychoanalytische Pädagogik", führte ich damals aus, sei im
Grunde genommen eher ein massenpsychologisches Problem als eine
Frage der seelenkundlichen Erfassung einzelner an der Erziehung
interessierter oder beteiligter Objekte, und sie gehe die Psychologie
der Erzieher ebenso an wie jene der zu erziehenden Kinder. Es handle
sich weniger um die Psychologie einzelner Menschen und affektiv
und libidinös gefärbter Paar-Beziehungen als um die Erforschung,
Kenntnis und bewußte Regulierung der seelischen Relationen zwischen
einer Gemeinschaft und ihrem Leiter.
Daß das Hauptproblem der psychoanalytischen Pädagogik auf
dieser Ebene liegen muß, wird klar, wenn wir daran denken,
1. daß beispielsweise ein Schullehrer nicht einem einzigen Kinde,
vielmehr einer Schülerklasse gegenübersteht;
2. daß die wichtigsten erzieherischen Aufgaben, die sich ihm zeigen,
auf dem Boden seiner Beziehungen zur ganzen Klasse gelöst werden
müssen;
3. daß ihm die glückliche Bewältigung all der Erziehungsschwierig-
keiten bei normalen Kindern nur dann gelingt, wenn er aus Instinkt
oder willentlich und wissentlich die auftretenden Probleme als massen-
psychologische Phänomene angreift und erledigt.
Erziehung, sogar recht gute Erziehung gab es, lange bevor die
Erzieher die Seelenkunde als Hilfsmittel erkannten und benutzten.
Gewiß ist heute für den Pädagogen die Kenntnis der Psychologie
nicht überflüssig; denn die Um weit Verhältnisse des Kindes haben sich
gegenüber früheren Zeiten so bedeutend verändert, daß die Erziehung
ganz im allgemeinen viel schwieriger geworden ist. Es würde uns
vom Thema abführen, wollten wir hier einen Vergleich über die Be-
dingungen einstiger und heutiger Erziehung anstellen, — ■ wir müssen
uns mit der Feststellung begnügen. Zu allen Zeiten jedoch gab es
Pädagogen, die sich ihren Zöglingen gegenüber intuitiv so verhielten,
als wüßten sie von den seelischen Beziehungen, die eine Gemeinschaft
aufrechterhalten, tragen und um die Faktoren, die sie fördern oder
stören, auflösen und anarchistisch und regressiv auf die Zöglinge ein-
wirken.
Aber es gab und gibt Erzieher, die weder so viel guten pädagogi-
schen Instinkt besitzen, noch sich ihn durch Studium aneignen. Dank
2 ) „Psychoanalyse und Führerschaft in der Schule". Irnago, Bd. XVI, 1930.
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 339
der Untersuchungen Freuds und einzelner seiner Mitarbeiter ist es
heute möglich, daß ein Pädagoge sich einen großen Teil der Kennt-
nisse, die wir im Auge haben, erwerben kann, falls er sie nicht anlage-
mäßig besitzt, beziehungsweise falls sie in ihm latent geblieben und
verschüttet sind (denn kein normaler Mensch ist vollkommener Einzel-
gänger, jedem ist ein mehr oder minder großes Maß von Gemein-
schaftssinn, Gemeinschaftsgefühl und Gemeinschaftsinstinkt eigen).
Wo zum sicheren Instinkt noch das Wissen hinzukommt, scheint mir
ein Idealfall vorzuliegen — anders gesagt: auch der aus Begabung
„gute" Pädagoge sollte sich alles pädagogische Wissen mitsamt den
Hilfswissenschaften aneignen.
Wir wollen uns bemühen, auf dem sicheren Boden fier konkreten
Anschauung zu bleiben, und uns einmal die Verhältnisse in einer
Schulklasse ansehen, deren Leiter weder die nötige gemeinschaft-
erhaltende Intuition, noch das Wissen darum besitzt. Er kann ein ganz
ausgezeichneter Übermittler von schulischen Pensen sein und sich in
dieser Beziehung sehr wohl für seinen Beruf eignen. Nur gehört er zu
jenen Lehrern, die mit ihren dreißig Schülern dreißig Paarverhält-
nisse eingehen — oder die mit einigen wenigen Schülern solche bilden
und sich für die übrigen Zöglinge menschlich nicht interessieren. Die
Erfahrung lehrt, daß derartige Pädagogen, nachdem sie eine neue
Schülerklasse erhalten haben, schon in ganz kurzer Zeit auf unüber-
windbare Schwierigkeiten stoßen.
Es zeigen sich immer heftiger werdende Eifersüchteleien (oder
deren Ersatzerscheinungen) einzelner Schüler oder Schülergruppen.
Neid, Mißgunst, Haß, Streitigkeiten kommen auf, die Gemeinschaft
zerfällt oder kann sich gar nicht organisieren. Es bilden sich inner-
halb der Klasse Parteien, die um die Oberhand ringen. Die Schüler
oder Schülergruppen hetzen einander gegenseitig auf, und das sich
abwickelnde Drama ist durch heftige Affektausbrüche gekennzeichnet.
Diese entsprechen der Realität nicht mehr, aber sie fressen Interessen
und Energien auf, die einer besseren Sache, der Aneignung von Lehr-
stoffen und der charakterlichen Entwicklung, dienen könnten. Es
entsteht ein Bürgerkrieg im kleinen. Dabei entscheidet gewöhnlich
weniger der Geist als die rohe Körperkraft: die rücksichtsloseren
Robusten setzen sich als Führer durch, siegen über die Feinerorgani-
sierten, tyrannisieren sie, selbst wenn die Gegenparteien in der Mehr-
heit sind; dann geht der Kampf mehr unterirdisch weiter und in der
Klasse ist es der latenten Aggressionsbereitschaften wegen kaum mehr
auszuhalten. Wenn sie sich gegen den in solcher Situation unbehilf-
lichen Lehrer richten, liegt eigentlich die Sache für die Kinder sub-
jektiv am glücklichsten. Was die erwachsenen Beurteiler in einem
340 Hans Zulliger
solchen Falle als „schlimmen Klassengeist" kennzeichnen, eint zum
mindesten die früheren Widersacher innerhalb der Schülerschaft
neuerdings zu einer — wenn auch gefährlichen — „Gemeinschaft".
Der Lehrer ist am Abschluß der geschilderten Entwicklung gewöhn-
lich selber schuld: im Augenblick, als er den Zerfall in Gruppen
erkannte und nicht verhindern konnte, glaubte er, die Risse durch sein
Machtwort, durch Schulzwang, Strenge und Strafen zusammenleimen
zu können, — und dann zeigte sich jene Erscheinung, die Eltern an
ihren Kindern beobachten, wenn sich Erwachsene autoritativ in den
Streit der Geschwister einmischen: plötzlich wendet sich die Kinder-
sehar in einer geschlossenen Phalanx gegen den, der eingreift; die
Aggression hat in ihm ein gemeinsames äußeres Ziel gefunden, und
gestützt auf das gemeinsame äußere Aggressionsziel entsteht wie
automatisch eine Art „Gemeinschaft", angeführt von ihrem aggressiv-
sten Mitglied.
Der Pädagoge, der es nicht versteht, aus seiner Klasse eine Ge-
meinschaft zu bilden, sie durch seine Haltung zu unterstützen und
heimlich, in seiner Absicht für das Empfinden der Kinder unmerkbar,
zu leiten, und der statt dessen Paar-Relationen eingeht, ist noch in
anderer Beziehung als seiner Mißerfolge wegen zu bedauern. Er faßt
beispielsweise kindliche Ungezogenheiten als persönliche Beleidigun-
gen auf. Seine nur mühsam aufgerichtete Sicherheit im Beruf —
mühsam darum, weil er im Innersten genau fühlt, auf was für wacke-
ligen Grundlagen er sich bewegt, — wird durch Kleinigkeiten ge-
fährdet. Wo ein geliebter Schüler auch nur ein bißchen über die
Grenzen dessen geht, was sich der Lehrer als pädagogisches Ideal
abgezirkelt hat, überwältigen ihn Enttäuschung und Depression. Ist
der jugendliche „Sünder" von ihm ungeliebt, reagiert der Pädagoge
mit vollkommen unangepaßten Gegenmaßnahmen, die nur Haß und
Ressentiments hervorrufen. Die Ambivalenzerscheinungen an seinen
Zöglingen begreift er nicht, sie machen ihn irre, mißtrauisch und ver-
stimmen ihn, und vor allem steht er ihnen hilflos gegenüber. Sie ver-
leiden ihm auf die Dauer den Beruf, und die andauernde Spannung
läßt ihn „schulmüde" und „nervös" werden. Er steht seinem Berufe
überhaupt unsachlich gegenüber, weil er aus ihm und von den Kindern
in unzulässigem Maße libidinöse Befriedigungen erwartet. Darum geht
er auf libidinöse Ansprüche der Schüler positiv oder abwehrend ein,
in beiden Fällen zwangsweise unadäquat. Ihm mangeln Gefühl und
Wissen darüber, daß Erziehung am besten unter dem Gesetz der Ver-
sagung betrieben wird, und er hat die nötige Empfindsamkeit nicht in
seinen Fingerspitzen, wie die Versagung dosiert werden muß. Außer-
dem ist er nicht auch nur gröblich imstande, die Auswirkungen seines
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 341
Narzißmus innerhalb seines Berufes zu überblicken und abzuschätzen;
er gibt sich nicht Rechenschaft darüber, wie sehr er bestrebt ist, ihn in
seiner Arbeit abzusättigen. Er fällt in helle Empörung oder lähmende
Niedergeschlagenheit, wo sich seinem Streben nach Befriedigungen
Hindernisse in den Weg stellen.
Sie werden mir entgegenhalten, daß die tatsächlichen Verhältnisse
selten gar so schlimm sind. Sie haben Recht — ■ glücklicherweise ist
es so, wie Sie behaupten. Ich bin mir bewußt, daß ich mit kräftigen
Farben gemalt und Ihnen sozusagen den „Idealfall" eines ungeeig-
neten Pädagogen dargestellt habe. Meist zeigen sich die Zerfall-
erscheinungen in einer von einem Unfähigen geführten Schülerklasse
und am Pädagogen selbst weniger kraß. Die Auswirkungen sind
milder in der Form, sie äußern sich mehr nur andeutungsweise. Wir
wissen jedoch, daß eine Krankheit darum nicht weniger bedenklich
ist, wenn ihre Symptome nicht lärmend sind (um einen Vergleich aus
der Medizin zu brauchen). Und wenn Sie sich Ihrer Schülerzeit ent-
sinnen, erinnern Sie sich wahrscheinlich an gewisse Lehrer, deren
Klassen sich mit regelmäßiger Sicherheit in der Art zersetzten, wie
ich Ihnen geschildert habe. Ich füge bei, daß ich meine Darstellung
auch nicht aus der Luft griff.
Wenn ähnliche Verhältnisse dermaßen augenfälligen Ausmaßes
nicht gerade sehr häufig zu beobachten sind, ist der Grund darin zu
suchen, daß schon eine beträchtliche Instinktunsicherheit bei einem
Pädagogen vorhanden sein muß, um den naturgegebenen Gemein-
schaftswillen und die Gemeinschaftsbereitschaft der Kinder so arg zu
stören, daß alles in Gärung und Chaos gerät. Aber auch die milderen
Formen einer unbewußt durch den Lehrer provozierten Anarchie sind
bedenklich genug. Denn sie hindern die Weiterentwicklung der kind-
lichen Gemeinschafts f ä h i g k e i t oder sie stabilisieren sie
auf einer minderwertigen, regressiven Stufe. Damit will ich eine Art
„Gemeinschaft" kennzeichnen, die man vielleicht mit dem Ausdruck
„Band e" umschreiben kann. Sie ist auf der Basis der primitivsten
Triebe aufgerichtet, fast regelmäßig ausschließlich auf der Aggres-
sionsbereitschaft; sie hält so lange, als ein gemeinsames Aggressions-
ziel, ein gleichgerichteter Aggressionswille vorhanden ist, wendet
sich beispielsweise gegen den Lehrer, gegen andere „Banden", gegen
die Erwachsenen überhaupt, und zeichnet sich durch einen konspira-
torischen Charakter aus. Sie ist meist reichlich gewalttätig, und sobald
ihr das äußere Ziel genommen ist, wendet sie sich in ihren Aggres-
sionen nach innen; die „Bande" teilt sich auf und bekämpft sich mit
der gleichen Heftigkeit so lange, bis sich wieder ein „äußerer Feind"
zeigt. Bei allen diesen von dumpfen und wenig sublimen Affekten und
342 Hans Zulliger
Trieben geleiteten Äußerungen spielt die Vernunft eine sehr geringe
Rolle, und das Bedenkliche dabei ist, daß sich
1. die Dinge in einem diabolischen Kreislauf immer wiederholen,
und
2. daß der „magische" Kreis solcher Abläufe nur schwer zu spren-
gen ist.
Wo sich einmal eine „Bande" konstituiert hat, ist es beinahe un-
möglich, sie aus ihrer primitiven seelischen Organisation wieder her-
auszureißen und aus ihr eine Gemeinschaft herzustellen, die höhere
kulturelle Ziele verfolgt. Seelisch sind die Mitglieder „Gangster" ge-
worden und sie haben eine zähe Tendenz, es dauernd zu bleiben.
Ich wiederhole, warum dem so ist: ihr Gemeinschaftsinstinkt ist auf
eine primitive Stufe regrediert und dort fixiert worden — ich glaube,
deshalb, weil das Mitgerissenwerden in primitivste Aggressivität wie
ein psychisches Trauma wirkt — und niemand kann die vielen Mit-
glieder einzeln in eine psychotherapeutische Kur nehmen, um die
regressiven Fixierungen aufzuheben.
Gewöhnlich werden sie nur von der Gesellschaft in ihren Äuße-
rungen unterdrückt. Sie sind dann als gangsterhafte Grundlage in
Latenz, bereit, bei günstiger Gelegenheit wieder hervorzubrechen.
Wie sehr verbreitet unter dem Deckmantel braver Bürgerlichkeit
die bandenbildenden Grundlagen innerhalb unserer Kultur schlum-
mern, das lehrt — ■ unter anderem — die ersehreckende Geschichte des
Gangsterunwesens in den Vereinigten Staaten. Sie zeigt, daß die
Bildung primitiver „Banden" durchaus nicht abhängig ist von der
Prosperität oder Nichtprosperität eines Landes, denn es organisierten
sich in Amerika Gangsterbanden lange bevor die sogenannte Welt-
krise ihre Schatten über die Staaten warf.
Als Erzieher des Volkes fühlen wir uns für dessen Entwicklung
mitverantwortlich, und wir haben uns die Frage vorzulegen,
a) inwiefern wir am Aufkommen bandenbildender Tendenzen mit-
schuldig sind, und
b) ob es möglich sei, diesen Tendenzen bei den Generationen, die
uns momentan und in Zukunft in die Hände gegeben werden, wirksam
begegnen zu können.
Es wird uns bestenfalls nur teilweise gelingen, weil nicht allein
nur wir Berufspädagogen an der Erziehung des Volkes beteiligt sind.
Es wäre deshalb auch ungerechtfertigt, wollten wir die Schule allein
für Bandenbildungen verantwortlich machen. Wir verfielen so in den
Fehler jener zahlreichen bequemen Denker, die finden, an allem sei
die Schule schuld.
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 343
Daß und wie wir als Lehrer bandenbildende Strebungen in unseren
Schülern fördern können, ist bereits skizziert worden. "Wir haben ge-
sehen, es handelt sich um ein massenpsychologisches Problem, das
Veränderungen in der individuellen Psyche zustandebringt, — Ver-
änderungen, die, einmal vorhanden, nicht oder kaum auf dem Wege
der Massenpsychologie rückgängig gemacht werden können. Man
müßte die einzelnen Massenindividuen in Angriff nehmen können —
und das vermögen wir nicht aus zweierlei Gründen:
Die Gutmachung der Schäden würde in einer einzigen Schülerklasse
Jahrzehnte dauern, wollte sie ein einzelner Mensch vornehmen. Dann
bedeutet psychoanalytische Pädagogik etwas ganz anderes als Psycho-
analyse am Einzel menschen im medizinisch-therapeutischen Sinne.
Abgesehen davon, daß wir eine therapeutische Aufgabe meist aus
technischen Gründen nicht leisten könnten, da wir den Kindern noch
in anderer Weise als nur in der Ordinationsstunde gegenüberständen
und die daraus resultierenden Übertragungsschwierigkeiten kaum zu
bewältigen vermöchten, begäben wir uns auf ein Gebiet, das uns nicht
zukommt: wir würden einfach „Kinderanalyse" betreiben.
„Psychoanalytische Pädagogik" jedoch ist weder medizinisch-thera-
peutische Psychoanalyse, noch Kinderanalyse, noch psychoanalytische
Heil pädagogik. Sie ist hauptsächlich Handhabung der psychoanaly-
tisch erforschten Massenpsychologie. Der psychoanalytische Pädagoge
arbeitet bewußt mit den Phänomenen der Massenübertragung, Gegen-
übertragung, Versagung, Verzicht, Identifikationswunsch der Kinder;
er tut es, ohne zu „analysieren", sondern durch entsprechende Eeaktion
und Gegenreaktion, durch sein Verhalten. Psychoanalytische
Pädagogik ist eine Erziehungsweise, die auf psychoanalytischem Ver-
ständnis der Kinder in ihrer Eigenschaft als Einzelindividuum und als
Masse, und auf dem Verständnis der Erzieherreaktionen beruht. Ihr
Zweck ist, die Kinder sozial, mit einem andern Wort „gemeinsehafts-
fähig" im kulturellen Sinne zu machen 3 ), wobei die Betonung sowohl
auf dem Wort „Gemeinschaft" als auch auf „fähig" zu legen ist.
Anders gesagt: wir wollen bei der Pflege der naturgegebenen gesell-
schaftlichen Instinkte im Kinde dafür sorgen, daß die Fähigkeit, Ge-
meinschaften einzugehen, nicht vorzeitig stabilisiert und damit
in der Höherentwicklung aufgehalten wird. Wir haben nicht die Ab-
sicht, unsere Zöglinge ausschließlich für eine ganz bestimmte Gemein-
3 ) Im Gegensatz zu „gemeinschaftsfähig" im Sinne der „Banden". — Als
drei Stufen der Vergesellschaftung könnten wir zum Zwecke
der Unterscheidung folgende Einteilung machen: 1. Die Bande als primi.
tivste Form; 2. das Kollektiv als Mittelform; 3. die Gemeinschaft
als höchste Form.
_
schäft abzurichten, so daß sie sich in einer andersgearteten Gemein-
schaft nicht wohlfühlen und einpassen könnten. Sie sollen außerdem
Als Gemeinschaftsindividuen die Übersicht nicht verlieren; sie dürfen
nicht mit Scheuklappen versehen und zu jener Intoleranz getrieben
werden, als gäbe es nur eine einzig richtige gemeinschaft-
liche Organisation, nämlich die, in der sie stecken. Denn aus einer
solchen Einstellung resultieren unmittelbar Proselytenmacherei und
grobe Kampfinstinkte. Unser Ziel jedoch ist, den Aggressionstrieb so
weit als möglich in sublimiertere Bahnen zu lenken, in die Arbeit,
und den Menschen für die höchste Form der „Gemein-
schaf t", die „M e n s c h h e i t" reif zu machen, indem er alle seine
individuellen Fähigkeiten in deren Dienst stellt.
Es ist dies ein etwas gedrängtes Programm, und wir können nicht
im vorhinein dafür garantieren, wie ausgiebig wir es zu erfüllen ver-
mögen und wie nahe wir dem gesteckten Ziele kommen werden. Aber
wir wollen unsere gesamten Bemühungen in der Richtung der Ziele
orientieren. Es handelt sich eigentlich nicht um neue Erziehungsziele.
Aber auf den alten Wegen haben wir die Erziehungsziele oft nicht
erreicht. Die psychoanalytische Pädagogik ist ein neuer Weg. Der
Weg ist jedoch so wichtig wie das Ziel, denn ohne Weg hängen die
Ziele unerreichbar in der Luft.
Wo unser Weg durchführen muß, das hat uns F r e u d in den „Drei
Abhandlungen zur Sexual theorie", in der Schrift „Zur Einführung
des Narzißmus", hauptsächlich aber in „Totem und Tabu" und ganz
besonders in „Massenpsychologie und Ich-Analyse" gewiesen. Wir
müssen seine Darlegungen nur auf unsere Arbeit bezüglich umsetzen 4 ).
_• Im eingangs erwähnten Kongreßvortrag „Psychoanalyse und
Führerschaft in der Schule" habe ich skizziert, wie man die F r e u d-
schen Erkenntnisse in der Schulpraxis anwenden kann.
Ich weiß sehr wohl, daß Sie mir jetzt für ein paar ganz bestimmt
wirkende Rezepte dankbar wären. Aber ich kann Ihnen solche kaum
geben und weiß auch nicht, ob sie Ihnen etwas nützen würden. Denn
nirgends hängt so wie bei der Erziehung alles von momentanen
Verhältnissen ab.
Immerhin will ich Ihnen zwei mehr allgemeine Richtlinien auf-
zeigen.
Erstens ist nötig, daß jemand, der psychoanalytische Pädagogik
treiben will, die Psychoanalyse genau kennt. Eine allgemein gehaltene
Einführung, das Anhören einiger einschlägiger Vorträge oder Kurse
*) Anmerkung der Redaktion: Wie verweisen an dieser Stelle
auch auf die Arbeit von Edith B u x b a u m : Massenpsychölogische Probleme
in der Schulklasse. Diese Zeitschr., dieser Jahrg., Heft 4/5, S. 215.
r
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 345
genügen nicht — selbst nicht ein Vierteljahr Teilnehmen an einer
unserer Lehrinstitutionen, auch wenn man zuvor an irgend einer Uni-
versität in Psychologie doktoriert hat. Kurz und gut, man muß die
Psychoanalyse am eigenen Leibe erlebt und sich nachher das mehr
theoretische Fachwissen angeeignet haben. Erst dann ist man richtig
vorbereitet.
Zweitens ist innerhalb der Schule nicht nur danach zu trachten,
sämtliche Schülerbetätigungen soweit wie möglich als Gemeinschafts-
arbeiten einzurichten und Stoff- und Stundenpläne entsprechend um-
zugestalten; vor allem sind die sogenannten „Disziplinarfälle" ein-
zelner Schüler zur Gemeinschaftserziehung auszunutzen, wobei dem
Lehrer die Rolle des Mittlers, des Parlamentärs zwischen Trieb-
Ich und Über-Ieh zukommt. Wie das in Einzelfällen gemeint ist, habe
ich an Beispielen aus der Praxis bereits dargestellt 5 ), und es soll hier
später nochmals skizziert werden.
Woran, so werde ich häufig gefragt, sieht man denn in einer Klasse
die Auswirkung der „psychoanalytischen Pädagogik"? Wie äußern
sich die Bemühungen des Lehrers in der Haltung der Schüler?
Es kommt häufig vor, daß mir Leute, die um meine besondere
pädagogische Einstellung wissen, Schulbesuche machen in der Erwar-
tung, etwas Außerordentliches zu sehen. Als Kuriosum kann ich Ihnen
den Wunsch und das Ansinnen eines jugoslavischen Kollegen erzählen:
er schrieb mir, er wolle meine Schule besuchen, wisse, daß Psycho-
analyse eine subtile Angelegenheit sei, die durch fremde Zuschauer
nur gestört würde, und ich solle darum einen Schrank leeren und ihn
vor Beginn des Unterrichtes und von den Kindern ungesehen darin
postieren. Eine schwedische Kollegin, die einen Halbtag lang hospi-
tierte, konnte ihre Enttäuschung kaum verbergen, gab sieh Mühe, mir
trotzdem etwas Freundliches zu sagen und meinte: „Mir ist aufge-
fallen, daß ein freier, herzlieh kameradschaftlicher Ton herrscht
zwischen den Schülern beiderlei Geschlechtes untereinander, aber das
mag von der Gewöhnung zur Koedukation herstammen. Der gleiche
ungezwungene Ton besteht zwischen den Schülern und Ihnen, aber
daran kann Ihr Charakter und braucht nicht die Psychoanalyse schuld
zu sein. Ferner fiel mir auf, daß Sie die meisten Lektionen auf der
Grundlage der Gemeinschaftsarbeit einrichten, aber das kann Ge-
schmackssache oder vorgeschriebene Methodik sein!"
Solche Resultate sind wirklich mager. Ich kann nichts dafür, daß
man die Wirkungen meiner speziellen psychoanalytischen Bemühun-
gen in der Klasse nicht augenfälliger sieht. Vielleicht wird es anders
sein, wenn man einst noch viel mehr weiß als heute, oder wenn jemand
5 ) Siehe den erwähnten Kongreßvortrag!
346 Hans Zulliger
eine bessere Technik ausdenkt und sie virtuos handhabt. Vorläufig
tröste ich mich damit, daß die Wirkungen eben nicht sehr sichtbar
sind und daß ihre äußerliche Sichtbarkeit nicht so wesentlich sei.
Manchmal sieht man sie zwar blitzartig aufleuchten.
Ich will Ihnen drei Episoden aus meiner gegenwärtigen Sehul-
klasse erzählen, die ich als Phänomene eines starken Gemeinschafts-
geistes einschätze. Diesen hätte ich ohne Kenntnis der Freud sehen
Forschungen über die seelischen Bedingungen massenpsyehologischer
Erscheinungen niemals so weit entwickeln können.
Einmal im letzten Frühjahr, als ich ins Klassenzimmer trat, fand
ich die Schüler und Schülerinnen im Schwärm versammelt und eifrig
disputierend. Einer meiner Schulbuben, ein Vierzehnjähriger, hatte
nämlich einer meiner Schülerinnen ein Brieflein gesehrieben, das
einen kindlichen Liebesantrag bedeutete: „Liebes Anni, willst du mit
mir gehen oder nicht. Ich warte auf Antwort. Mit Gruß, Fritz."
Irgendwie war der Zettel in die Hände der Klasse geraten und diese
war der Meinung, eine Sonderfreundschaft zwischen andersgeschlecht-
lichen Mitgliedern ihrer Klasse sei unzulässig und der Fritz möge sich
eine Liebste in der Parallelklasse suchen.
Ich ließ weiterdisputieren, neugierig, was dabei herauskomme. Die
Klasse fühlte instinktiv, daß die Gewährung derartiger Sonderfreund-
schaften die Klassengemeinschaft störe und daß da zwei Mitglieder
im Begriffe standen, sich von der Gesamtheit zu isolieren.
„Wenn Fritz und Anna Schulschätze werden", meinte ein Fünfzehn-
jähriger, „dann machen es andere in der Klasse nach, dann gibts Eifer-
süchteleien und es ist nicht mehr so schön!"
„Jetzt sind wir alle untereinander gleich gute Kameraden!" sprach
eine Klassengenossin der Anna zu. „Wir kommen gut miteinander
aus, die Buben und die Mädchen. Das soll sich nicht ändern. Es gibt
sonst noch Buben genug, die nicht in unserer Klasse sind, lies dir so
einen aus, wenn du einen Schatz haben willst!"
„Wenn das erlaubt wird", urteilte ein dritter Schüler, „dann stecken
die zwei die Köpfe zusammen und haben etwas Heimliches, das wäre
schade und das begehrt ihr zwei doch selber nicht!"
Und so weiter. Nach einigen Einwänden gab das Pärchen nach und
die Klasse beruhigte sich wieder.
Instinktiv hatte die Gemeinschaft empfunden, daß die gegenseitige
Identifizierung der Massenindividuen untereinander gestört würde,
wenn sich innerhalb der Gemeinschaft Pärchen bildeten. Und mir fiel
jener bedeutsame Satz Freuds ein, daß „in den Massen für das
Weib als Sexualobjekt kein Platz" sei. „Die Liebesbeziehung zwischen
Mann und Weib bleibt außerhalb dieser Organisationen", sehreibt er
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 347
„Auch wo sich Massen bilden, die aus Männern und Weibern gemischt
sind, spielt der Geschlechtsunterschied keine Rolle. Es hat kaum einen
Sinn zu fragen, ob die Libido, welche die Massen zusammenhält, homo
sexueller oder heterosexueller Natur ist, denn sie ist nicht nach Ge-
schlechtern differenziert."
Was sich in der Schulklasse als einer kleinen „Masse" ereignet
hatte, könnte als Illustration zu den Freud sehen Ausführungen
gelten, und wir brauchen den Vorfall nicht weiter zu kommentieren.
Wir stellen nur fest, er bedeutet ein Symptom dafür, daß sich die
Klasse im Sinne F r e u d s als „Masse" empfand. Sie manifestierte sich
auch in folgendem Begebnis:
Im Frühsommer, als ich an einem Morgen kurz vor sieben Uhr dem
Schulhause zuschritt, hielt mich ein Bürger auf.
„Ihre Mädchenklasse hat gestern Nachmittag den Schulgarten be-
gossen!" beginnt er mit einem empörten Unterton in der Stimme.
„Ja. Warum, ist etwas Ungutes passiert?"
„Bitte, sagen Sie ihr, sie soll mir in Zukunft meine Erdbeerbeete
in Ruhe lassen!" brummt er. „Dafür zahle ich das teure Mietgeld
nicht, daß mir nachher mein Pflanzland ausgeplündert wird!"
Dieses grenzt an den Schulgarten.
„Sind Sie sicher, daß es die Mädchen gewesen sind? Wir dürften
Kinder nicht ungerecht verdächtigen!"
„Kurz nach Mittag war ich drüben auf dem Land. Ich sah die Erd-
beeren und dachte, ich lasse sie den Nachmittag über stehen, sie
können noch besser ausreifen. Im spätem Nachmittag wollte ich sie
pflücken gehn, da waren sie schon weg. Niemand als ihre Schüle-
rinnen sind in der Nähe gewesen, ich weiß es bestimmt, denn ich half
einem Bauern am Abhang droben mähen und konnte auf die Gärten
hinuntersehen."
Ich hätte einwenden können, warum er denn nicht beobachtet habe,
als die Mädchen über seine Erdbeerbeete herfiel* i. Aber ich wollte
das Gespräch abkürzen und sagte: „Die Sache wird von mir sofort
untersucht werden!"
„Sie brauchen sich keine Mühe zu geben!" sprach der Mann ge-
hässig. „Ich kenne den Erfolg solcher Untersuchungen genau! —
Sagen Sie den Damen lieber gehörig die Meinung, und wenn ich sie
mal auf frischer Tat ertappe, werden sie etwas erfahren können!" Er
hatte sich recht in Zorn geredet und trottete davon.
Im Klassenzimmer erteilte ich den Buben eine schriftliche Auf-
gabe, rief die Mädchen zu mir hervor und besprach mich mit ihnen. Sie
wollten nichts davon wissen, daß jemand Erdbeeren genascht hatte.
Sie behaupteten steif und fest, keine von ihnen hätte d,as fremde
Pflanzland betreten, sie seien alle miteinander zur Arbeit angetreten
und nachher gemeinsam wieder fortgegangen.
„Ich will euch Glauben schenken!" sprach ich. „Aber Herr X.
glaubt nicht an eure Unschuld. Er denkt schlecht von euch und hat
mir höhnisch gesagt, ich solle die Sache gar nicht untersuchen, er
wisse schon, daß dabei nichts herauskomme. Er hält euch alle für
nichtsnutzig und feige — für Leute, die zu einem begangenen Fehler
nicht einmal stehen dürfen!"
„Das tut uns leid!" meinten die Schülerinnen. „Aber wir haben
nichts getan und wissen nicht, wer es getan hat!"
Da traten plötzlich zwei fünfzehnjährige Mädchen hervor: „Lehrer,
wir wollen zu Herrn X. gehn, ihm mitteilen, wir seien die Fehlbaren,
und uns entschuldigen!"
In der Annahme, sie seien wirklich die Diebinnen, reichte ich ihnen
zwei Franken und rief: „Trabt, fragt den Herrn X., ob der Zwei-
fränkler genügt, und stellt die Saehe wieder ins Blei, der Mann ist
ziemlich wütend!"
Was jetzt folgte, ereignete sich alles sehr schnell. Kaum waren
sie, meinen letzten Zuruf hörend, aus der Türe, ging es in der Klasse
los in einem raschen Durcheinander:
„Sie sind gar nicht die Diebinnen, es ist sicher niemand von uns!"
rief es; aus einer Zimmerecke vernahm ich: „Der Zweif ränkler wird
aus der gemeinsamen Kasse bezahlt, der Lehrer soll nicht auch noch
zu Schaden kommen!" und in der mittleren Reihe standen vier Buben
auf: „Ruft die Dora und Marie zurück — wir sind nämlich die Erd-
beerenmarder!"
„Warum habt ihr euch nicht sofort gemeldet?"
„Wir achteten uns erst gar nicht, was Sie mit den Mädchen be-
sprachen, wir machten an unserer Rechnung. Erst als Sie den Namen
von Herrn X. laut ausriefen, merkten wir, was am Pult vorn ver-
handelt worden war!"
Man durfte ihnen glauben. Sie waren vier der besten Rechner der
Klasse, betrieben ihr Lieblingsfach wie einen Sport und verglichen
jeweilen, wer die Lösung zuerst fertig hatte. Es war festzustellen,
daß aueh andere Buben so konzentriert bei ihrer Arbeit gewesen
waren, daß sie nicht aufpaßten, was mit den Mädchen verhandelt
wurde.
Hinten im Zimmer riß einer der vier Sünder ein Fenster auf, um
die zwei Mädchen, die sich des Diebstahls hatten bezichtigen wollen,
und bereits auf der Straße gingen, ins Zimmer zurückzurufen.
Die vier Buben erzählten, sie hätten ihre Schulkameradinnen beim
Gießen beobachtet, und als sie mit ihrer Arbeit fertig waren und weg-
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik
349
gingen, da seien sie, die vier, nachschauen gegangen, was die Mädchen-
klasse verrichtet habe. Dann hätten sie in der Nähe die Erdbeeren
gesehen und davon gepflückt.
Sie liefen nun, um sieh zu entschuldigen, und sie wollten die Ent-
schädigung bezahlen.
Dora und Marie senkten ihre Köpfe, als sie eintraten.
„Was steht ihr da, als ob ihr das Öl verschüttet hättet?" fragte
ich sie.
„Wir haben Sie doch belogen!"
„Was sagt ihr dazu?" fragte ich die Klasse.
Diese fand nichts Schlimmes an der Lüge. Dora und Marie hätten
die Klassenehre damit retten wollen, und die Lüge sei heldenhaft ge-
wesen. Die zwei Mädchen hätten sich für die anderen opfern wollen.
Das anerkannte ich, und ich gab zu, daß man im Leben manchmal ein
Gebot übertreten müsse, um etwas Wertvolleres zu schonen. Darauf
ließ ich geheim darüber abstimmen, ob Dora und Marie richtig gehan-
delt hätten und ob man wirklich der Ansicht sei, die schlechte Meinung
des Herrn X. über unsere Mädchenklasse sei es wert, daß man das
Wahrheitsgebot übertreten dürfe. Die ganze Klasse stimmte mit „Ja!".
Diese Identifizierung aller mit den beiden Kameradinnen freute
mich heimlich. Aber ich sagte darauf: „Ihr scheint es ja mit der Wahr-
haftigkeit überhaupt nicht so sehr genau zu nehmen, wie? — Wir
wollen einmal seh'n! Erzählt ein bißchen, wie ihr gelogen habt, und
wir wollen dann untersuchen, ob der Lügner nicht ebensogut auch die
Wahrheit hätte sagen können, wenn er es klug angestellt und weniger
feig gewesen wäre. Denn meistens lügt man ja kaum aus Heroismus,
eher aus Dummheit oder aus Feigheit. Wer beginnt mit dem Er-
zählen?"
Wir vernahmen zuerst, wie „einst" Kameraden und Geschwister an-
gelogen wurden, dann kamen die Eltern an die Reihe und das Datum
der Lüge rückte nach und nach in die Gegenwart. Die Berichte wurden
immer aktueller, schließlich wagte man sich so weit vor, zu erzählen,
wie der Lehrer belogen worden war. Jeder Lügner konfrontierte sich
nochmals mit seinen Lügen, die Gemeinschaft beurteilte sie und wies
die Wege, wie sie hätten vermieden werden können. Wir benutzten
eine Reihe Lektionen für derartige Auseinandersetzungen. Sie hatten
den Zweck, die Identifizierung der Schüler untereinander zu bestärken
und so das Gemeinschaftsgefühl zu fördern, und gewiß trug die noch-
malige Durcharbeitung begangener Fehler dazu bei, Schuldgefühle
durch die Geständnisse zu lösen und etwas für die Wahrhaftigkeit der
Kinder beizupflichten.
350 Hans Zulliger
1
Überblicken wir die Sachlage nochmals: Ausgangspunkt war eine
„heroische" Lüge im Dienste der Gemeinschaft und geboren aus dem
Gemeinschaftsgefühl — sie wurde für die Stärkung gemeinschafts-
bildender Strebungen ausgewertet — das Geständnis vor der Gemein-
schaft löste Schuldgefühle — und endlich trug die Gemeinschaft durch
das Aufsuchen eines Weges zur Wahrheit bei zur Korrektur der Ein-
zelglieder und der Gesamtheit im Sinne eines hohen kulturellen
Ideales.
Das dritte kleine Geschichtchen, das ich Ihnen erzählen möchte,
ereignete sich Mitte August.
Der Klassenkassier meldete eines Tages, in der Reisekasse fehlten
fünf Franken. Er legte mir das Kassenbuch vor. Es wurde kontrolliert,
was jeder Schüler eingezahlt hatte, und mit den Bucheintragungen
verglichen. Die Rechnung des Kassiers stimmte, in der Kasse aber war
das von ihm angezeigte Manko.
Nach Schulschluß begleiteten mich ein paar Buben und Mädchen
ein Stück Weges und teilten mir ihren Verdacht mit, ein Mitschüler
namens Karl habe das Geld entwendet. Denn er habe sich schon in
früheren Klassen Diebstähle zuschulden kommen lassen und er klaue
auch zu Hause manchmal Geld. Ich riet ihnen zu schweigen, da sie
nichts beweisen konnten und den Kameraden möglicherweise unge-
recht verdächtigten.
Am darauffolgenden Tag ließ ich während einer Geographiestunde
das Tal, dem wir einen zweitägigen Besuch abstatten wollten, erst
zeichnen und nachher schilderte ich es mit Begeisterung, malte die
Freuden dieser Schulreise aus und versprach, daß es in der Jugend-
herberge eine „rassige Nacht" geben werde. Kein Teilnehmer würde
diese Reise je vergessen, versicherte ich, und ich fügte bei: „Auch
nicht der blöde Windhund, der uns fünf Franken aus der Reisekasse
stibitzt hat. Er kann mich dauern! Uns machts nichts aus. Die Reise
kann gleichwohl durchgeführt werden, ob wir den Fünffränkler noch
dazu haben oder nicht. Ein blöder Windhund ist er nämlich, weil er
sich selber zum voraus die Erinnerung an die schönste Schulreise
seiner ganzen Schülerzeit verteufelt, und darum kann er mich dauern.
, Prächtig war die Reise!' wird er sich einst sagen, ,und ich habe
damals Geld gestohlen, das der Klasse gehörte, meinen Kameradinnen
und Kameraden. Der Lehrer hat zwar gesagt, es mache nichts, die
Reise könne trotzdem genau gleich durchgeführt werden. Aber es war
doch gemein von mir!' und er wird keine rechte Freude haben können
an der Erinnerung. Ihm wird einfallen, daß ich gesagt habe, er sei ein
blöder Windhund, und er wird sich sagen, der Lehrer hat damals recht
gehabt. Jetzt ist er natürlich zu dumm, um die Tragweite seines Dieb-
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik
351
Stahls abzuschätzen. Er denkt, was für ein gerissener Kerl er sei, weil
er sich nicht hat erwischen lassen und da unter uns sitzt und der-
gleichen tut, er könne nicht ,Piep!' machen. Als ob das ein Kunst-
stück gewesen wäre, den Fünffränkler zu klauen, wo doch die Kasse
nicht versteckt wird und jeder nachzählen kann, was schon einbezahlt
worden ist. — Jetzt wißt ihr meine Meinung und ich verliere kein
Wort mehr darüber!"
Tags darauf teilte Karl meinem Sohne mit, er habe mir fünfzig
Rappen aus der Reisekasse genommen, aber er werde sie wieder er-
setzen.
Auf seinen Selbstverrat reagierte ich nicht. Und paar Tage später
meldete mir der Kassier, das Kassenmanko sei ausgeglichen worden.
Die Klasse freute sich.
Ich sagte: „Das ist recht, der Dieb hat sich da selber den größten
Gefallen getan. Ich freue mich für ihn, daß er doch kein so blöder
Windhund ist, wie ich glaubte. Wer es war, weiß ich nicht und ich
begehre es auch gar nicht zu wissen. Aber bitten möchte ich ihn, er
möge mir ebenso heimlich, wie er das Geld fortnahm und wiederum
rückerstattete, mal einen Bericht ins Käßchen legen, was er sich alles
gedacht hat: wie er auf die Idee kam, den Fünffränkler zu stehlen,
w a s er sich dachte, wie sich die Klasse und ich verhalten würden,
w i e er den Diebstahl ausführte, w a r u m er das Geld wieder zurück-
gab und wie er dies machte, daß ihn niemand erwischte. Er — oder
vielleicht war's ein Mädchen? — braucht den Bericht nicht zu unter-
zeichnen, da ich nicht wissen will, wer es war. Nur seine Gedanken
interessieren mich. Ich möchte mich in ihn hineinfühlen, wissen, was
er innerlich erlebt hat. — Nun denkt er wohl, ich könne ihn an seiner
Schrift erkennen. Das ist möglich. Aber ich werde nichts dergleichen
tun und ihm nichts nachtragen. Denn die Sache ist ja jetzt gutge-
macht. Ich werde ihm im Gegenteil heimlich dankbar sein, daß er mir
den Bericht abfaßte, weil er mich außerordentlich interessiert!"
Ich wartete. Der Bericht kam nicht. Wir machten die Reise, und
die Schüler behaupteten, sie sei noch viel schöner gewesen, als ich
vorher dargestellt hatte. Ich erinnerte die Klasse daran, daß ich jetzt
den Bericht des Diebes erwartete — ohne Erfolg. Ich wartete etwa
eine Woche und sagte nichts mehr. Insgeheim, unauffällig beobachtete
ich Karl. Er hatte meinem Sohn — quasi als einem Ersatz für mich —
seinen Diebstahl angedeutet. In seinem Verhalten mir gegenüber
zeigte sich nichts Auffälliges. Aber er arbeitete schlechter, oft war
sein Blick abwesend; sein Gesicht hatte dabei einen gespannten Aus-
druck. Er litt und er konnte es nicht ganz verbergen.
Mir schien nötig, ihm zu helfen. An einem Vormittage, während
352 Hans Zulliger
die Klasse schriftlich beschäftigt war, ging ich aus dem Zimmer und
dann rief ich Karl zu mir. Die Schüler konnten meinen, der Bursche
werde herausgerufen, um eine harmlose Auskunft zu geben, oder es
sei jemand gekommen, der ihn verlangte. Und auch Karl glaubte
solches, denn er trat harmlos vor mich hin.
Ich schaute ihn eine Weile stumm an. Er hielt den Blick aus, sah
mich aber gequält an. Dann legte ich ihm die Hand auf die Schulter
und sprach leise zu ihm: „Du, Karl, sag mal, bist du wirklich so ein
Feigling? Warum legst du mir den Bericht nicht hin?"
Er wurde rot bis über die Ohren, aber er antwortete sofort, ohne
lange Überlegung, so daß ich annehmen konnte, er rede die Wahrheit.
„Ich war mit mir uneins, wie ich es machen wollte. Zu Hause sollen
sie nämlich nichts wissen. Sonst erhalte ich unmenschliche Prügel. Ich
hatte auch nie gute Gelegenheit, ihn niederzuschreiben. Und ich paßte
Ihnen mal auf dem Schulweg, um die Sache mit Ihnen zu besprechen,
aber da gingen andere mit Ihnen. Auch möchte ich der Klasse mit-
teilen, daß ich der Dieb war, aber ich fürchte, dann verrät es jemand
meinem Vater. Und ich möchte der Klasse auch sagen, daß ich nie
mehr etwas nehmen werde!"
„Warum soll das die Klasse wissen?"
Er zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich habe so das Gefühl,
ich wäre schuldig, sie zu verständigen. Damit nicht ein Unschuldiger
in Verdacht kommt. — Und dann, wenn ich der Klasse sage, daß ich
nichts mehr nehmen werde, dann kann ich es auch ganz bestimmt
halten!"
Jetzt machte ich mit Karl folgendes ab: er sollte hineingehen und
sich am Nachmittag, wenn ich einen Aufsatz einschreiben ließ, an ein
leeres Pültchen setzen, um den Bericht abzufassen. Ich wollte mit seinem
Vater über die Sache sprechen und mir versiehern lassen, daß er den
Buben nicht abstrafe und ihm nichts vorhielt, — dann machte es nichts,
wenn einer der Kameraden etwa ausplauderte. Erst nachher sollte der
Bericht vor der Klasse vorgelesen werden, und ich würde sie bitten,
darüber zu schweigen.
Die Abmachung wurde in der vorbesprochenen Weise durchgeführt.
Der Bericht lautet: „Ich mußte an einem Abend, als es schon däm-
merte, am Sehulhause vorüber. Da sah ich, daß ein Fenster hinten in
unserem Zimmer offen war. Das Geld kam mir in den Sinn. Ich hätte
mir schon lange gerne eine Armbanduhr gekauft, wenn auch nur in
der EPA 6 ). Ich nahm einen Sprung durchs Fenster und ging mit dem
Fünfliber davon. Dann durfte ich die Uhr doch nicht kaufen, denn ich
könnte sie ja doch nicht tragen, dach te ich. Man würde mich fragen,
e ) Einheitspreis- Aktiengesellschaft, ein Warenhaus in Bern.
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik
353
wo sie her sei. Ich hätte auch gerne Pro- Juventute-Brief marken ge-
kauft. Und als ich das nächstemal in die Stadt ging, kaufte ich welche
beim Zumstein, und auch noch viele andere Marken. Den Eltern durfte
ich sie nicht zeigen, denn sie hätten es schon gemerkt, daß ich die nicht
von jemandem erhalten hätte. Denn es sind über zweihundert Stück.
Ich habe sie im Estrich versteckt.
2. Als man darauf kam, daß Geld aus der Kasse gestohlen wurde,
machte es mir erst recht Angst, denn ich dachte, es könnte eine poli-
zeiliche Untersuchung geben. Ich studierte, wie ich das Geld ver-
dienen könnte, um das ins Blumentöpfchen zu legen. Ich sammelte wie
verrückt Lindenblüten und verkaufte sie. Nahm der Mutter zu Hause
einen schönen Kaktus und verkaufte den auch. Sie hat viele, und ich
habe die Arbeit mit ihnen, sie fragt ihnen nichts nach. Ich war dann
froh, als Sie sagten, es mache nichts, daß das Geld gestohlen worden
sei. Und als Sie nicht einmal verlangten, der es gestohlen habe, solle
es wieder zurückbringen. Ich dachte daran, ich könnte jetzt eigentlich
das zusammengesparte Geld wieder verputzen. Dann fand ich das doch
nicht recht. Ich trug das Geldstück immer bei mir, fand aber nie eine
Gelegenheit, es zurückzulegen. Ich dachte, ich wäre wirklich ein
blöder Windhund, wenn ich es jetzt nicht zurückgäbe, wo ich es doch
hatte. Als Sie mich beim Turnspiel ins Klassenzimmer schickten, um
Bleistift und Papier zu holen, tat ich gerade noch das Geld in die
Kasse und war froh.
3. Jedesmal, wenn Sie davon sprachen, drückte es mich, und ich
dachte manchmal, es vor allen zu sagen, daß ich der Schelm sei. Ich
bitte alle, daß sie mir doch vergeben, es ist mir sehr leid, daß ich so
gewesen bin und es nicht eher zugab. Es wird nie mehr etwas solches
von mir vorkommen."
Das ist der spontan niedergelegte Bericht (an dem ich hier nur
die Orthographiefehler korrigiert habe). Die Klasse nahm ihn schwei-
gend zur Kenntnis, So viel mir bekannt ist, plauderte keiner aus. Der
Vater Karls versprach, nachdem er in den Bericht Einsicht genommen
hatte, den Buben in keinerlei Weise abzustrafen. Er war gerührt, als
ich ihm den Verlauf der Geschichte erzählte, und sprach die Hoffnung
aus, daß sein Sohn sein Versprechen halten könne. Ich versicherte
ihm, daß auch ich bestimmt daran glaube.
Man darf es tun, weil Karl den Drang zeigte, der Gemeinschaft zu
beichten, und weil er bestimmt glaubt, er könne sein Versprechen, das
er einer Gemeinschaft gegeben habe, besser halten. Es verhält sich
nämlich so, daß ihn die Gemeinschaft, der er gestanden und ver-
sprochen hat, in seinem Ehrlichkeitsstreben stützt, ohne daß sie etwas
Zeitschrift f. psa. Päd., X/G
354 Hans Zulliger
Besonderes zu dem Zweck unternimmt. Das Versprechen an sie il
Karl gleichsam Eückendeckung gegen seine Versuchungen 7 ).
Vom Ausgangspunkt der Diebsgeschichte hätte man jetzt von kind
liehen Diebereien in analoger Weise wie vorher über die Lüge redet
können. Es wäre sehr leicht gewesen, nach Karls Geständnis vor dei
Klasse eine Lektionenfolge etwa folgendermaßen einzuleiten: „Wij
könnten jetzt hochmütig sein und denken: Ich habe nichts aus dei
Klassenkasse gestohlen und nur der Karl ist so ein schwarzes Schaf
Aber das wollen wir nicht, denn wir wissen, daß wir alle einen Kampj
mit uns selber haben führen müssen, bis wir ehrlich wurden. Jedes
Kind stiehlt einmal etwas. Da weiß man beispielsweise, daß die Muttei
noch Zuckerzeug im Schrank aufbewahrt hat. Und wenn sie geradt
nicht da ist, dann nascht man unerlaubterweise. Im Keller stehet
Töpfe mit Eingemachtem, Flaschen mit Sirup oder Limonade, auf dei
Hürden liegen Äpfel und Birnen. Die Mutter hat einmal einen Zehnei
nicht versorgt, den man dann nimmt, man weiß genau, wo Herr X
seine Erdbeeren hat — und so weiter. Prüft euch, erzählt, und erinnen
euch, wie, unter welchen Umständen und wann jedes von euch dam
ehrlich geworden ist."
Karls Dieberei ist nicht in dieser Art für die Erziehung der Gemein
schaft ausgenutzt worden. Denn es gibt noch andere Angriffspunkt«
als stereotype Schuldbekenntnisse. Wir dürfen aus der Schule nich
eine Jugendriege von zukünftigen Heilsarmeesoldaten und Oxfor
dianern machen — wir müssen uns davor hüten, masochistischei
geistigen Exhibitionismus anzuregen. Ich meine Schuldbekenntnisse
kann man mit einer Klasse einmal im Jahre unbeschadet machen lassen
aber man soll es nicht bei einer jeden Gelegenheit wiederholen.
Karl hatte uns darauf hingewiesen, wie die Gemeinschaft das Ein
zelmitglied stützt, und es wurde besprochen, wie nötig wir alle di<
7 ) Ich möchte hier einen großen französischen Dichter zitieren, der einei
ähnlichen Gedanken entwickelt. Andre Gide schreibt in „Paludes" über seil
Verhältnis zu seinem Freunde Kichard: „Oft versichert mir Richard mit Ruh
rung, ich sei einer schlechten Handlung unfähig, und das hält mich zurück
wenn ich mich bisweilen zum Handeln entschließen möchte."
Diesen Freundschaftsdienst leistet an Karl die Klasse. Der Glaube einei
Gemeinschaft wirkt jedoch noch viel suggestiver und rückhaltender, als etw£
der eines vereinzelten Freundes.
Anders gesagt, ein kollektiver Glaube, ein kollektives „Gesetz" wirkt aui
die Affinität des Über-Ichs eines einzelnen intensiver als Glaube und Gesetz
eines isolierten Kameraden. Die Vielheit der Träger eines kollektiven Glau
bens und Gesetzes geben dem Glauben und Gesetz den Aspekt einer abstrakter
Idee; das Kollektiv-Gültige entpersönlicht das Individuell-Gültige zu einei
quasi „gottgewollten" Richtlinie und steht so der Aufnahme ins Über-Icli
näher als etwa die Erwartungen eines einzelnen Freundes.
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 355
Kameradschaftlichkeit haben, um uns gegen uns selber und gegen die
■laßeren Lebensnöte zu schützen.
Als Material zu solchen Besprechungen, die viel mehr einen kon-
kretorischen als einen theoretischen Charakter haben müssen, damit
s ie von einfachen Volkssehülern begriffen werden können und damit
der Unterrieht nicht in des Gedankens Blässe langweilig veröde,
können Beispiele aus dem Leben, aus der Geschichte und aus der
Literatur herangezogen werden.
Manifestationen des Gemeinschaftsgefühles, das eine Schulklasse
trägt und bewegt, können wahrscheinlich nicht nach Wunsch provo-
ziert, auf Kommando ausgelöst werden. Sie zeigen sich nicht alle Tage.
Man kann als Lehrer bei Inspektionen oder in Anwesenheit eines
Schulbesuches nicht demonstrieren, daß in der Klasse Gemeinschafts-
gefühl regiert und vom Lehrer bewußt gehandhabt wird aus der
Kenntnis der Beziehungen zwischen „Masse und Führer". Es läßt sich
nicht nachweisen, wie man als Pädagoge mit massenpsychologischen
Fakten manipuliert und wie und warum daraus sozialmachende Werte
für die Gemeinschaftsindividuen hervorgehen. Ich weiß nicht, ob man
es einst können wird, wenn man mehr Übung hat und mehr darüber
weiß.
Die drei Episoden aus dem Leben ein und derselben Schulklasse
sollen Ihnen nur beweisen, daß es möglich ist, gestützt auf die Lehren
Freuds über die Konstituierung von „Massen" bei Kindern Gemein-
schaftsfähigkeit in hohem Maße zu wecken, frei zu machen und für
die individuelle Charaktererziehung auszunutzen.
Eine solche kulturell wirkende Gemeinschaft beruht, um mit
Freud zu reden,
1. auf einer „Anzahl von Individuen, die ein und dasselbe Objekt
an die Stelle ihres Ich-Ideals gesetzt, und
2. sich infolgedessen in ihrem Ich miteinander identifiziert haben".
Die Sache kompliziert sich ein bißchen, sobald wir untersuchen,
wer das Objekt ist.
Das Objekt ist die Illusion eines idealen Menschen — nämlich die
idealisierte Gestalt des Massenindividuums selber, gefordert vom
Lehrer als dessen „Mittler" und dessen teilweiser Verkörperung. Das
illusionierte Objekt ist mit all jenen wertvollen Eigenschaften ausge-
stattet, die sich das kleine Kind als im Vater verkörpert vorstellt, es
ist die als vollkommen phantasierte Vater-Imago, und der Lehrer gilt
unbewußt als dessen reale und ihm nahe kommende Verkörperung.
Es ist deshalb an ihm, als dem Ersatz und dem Stellvertreter der
Vater-Imago, das Gefühl aufrechtzuerhalten, er liebe alle „gleich-
L
1
356 Hans Zulliger
mäßig und gerecht". Diese Gef ühlsbeziehung ist laut Freud unbe-
dingt nötig zur Konstituierung und Erhaltung einer Masse.
Einzelkind und Gemeinschaft sind bewegt vom heftigen Identifi-
kationswunsch mit dem eigenen, in die Zukunft projizierten Ideal-Ich,
dessen nahe Erfüllung sie im Lehrer verkörpert sehen, der den
Schülern zugleich fern und nah sein muß.
Er ist nicht das Ideal selbst, aber er ist, wie gesagt, dessen Mittler.
Ihm kommt insofern eine ähnliche Rolle zu wie dem Priester. Er muß
der Anwalt der Ideale sein, streng in der Aufrechterhaltung ihrer
Forderung und milde in der Beurteilung all der kindlichen Fehler, die
entstehen aus der Diskrepanz zwischen Ideal und kindlicher Eealität.
Ihm kommt vornehmlich die Aufgabe zu, die Kommunikation zwischen
dem kindlichen Trieb-Ich und dem Ideal-Ich aufrechtzuerhalten, gleich-
sam als Unterhändler zwischen entgegengesetzten Mächten.
Um seine Rolle richtig spielen zu können, muß er vor allem keine
Angst haben vor der kindlichen Trieb-Welt. Das kann er nur dann,
wenn er ihr sachlich gegenübersteht. Er ist es, falls er selber mög-
lichst vollständig mit seiner eigenen Infantilität fertig geworden ist
und seine seelischen Kräfte in einem gesunden Gleichgewicht wirken.
Die triebmäßig bedingten „Fehler" der Kinder dürfen keine latenten
eigenen Triebwünsche in ihm aktivieren, gegen die er Reaktions-
bildungen mobilisieren muß und derentwegen er den Zöglingen gegen-
über so reagiert, als bekämpfe er an ihnen eigene Unzulänglichkeit:
darin besteht die Unsachlichkeit, das Persönliche der Lehrer-Reak-
tionen. An ihrer Wurzel steht die Angst vor der eigenen Regression
ins Infantile.
Und jetzt wird klar, warum wir als nötig erachten, daß der Lehrer
selber analysiert sein muß.
Die Forderung gilt für den Erzieher überhaupt. Man kann jedoch
nicht alle Eltern, die Erzieher sind, analysieren. Unmöglich ist sogar,
nur die Berufspädagogen zu analysieren, obschon man die ungeheuren
Vorteile für die Erziehung künftiger Generationen unter angstfreien
Lehrern einsieht und wünscht. Wer jedoch psychoanalytische Päd-
agogik treiben will, von dem ist nicht zuviel verlangt, wenn wir seine
eigene Analyse fordern. Denn ohne sie wird er kaum erreichen kön-
nen, was er anstrebt.
Er muß nämlich von den Lehren Freuds so intensiv durch-
drungen sein, daß er sozusagen ohne vorherige Überlegung richtig
in ihrem Sinne handelt. Jedenfalls müssen ihm die psychoanalytischen
Erkenntnisse so geläufig und präsent sein, daß er sie nicht erst nach-
schlagen sollte, um sicher zu gehen.
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik
357
Die Analyse des Pädagogen fordern wir noch aus einem weiteren
Grunde; es wird oft behauptet, ein Pädagoge könnte die psychoanaly-
tischen Erkenntnisse dazu mißbrauchen, um die Schüler irgend-
wie zu ver-führen, statt sie zu führen. Er könnte eigene, oder auch
Parteiinteressen verfolgen und psychoanalytische Erziehung in die-
sem Sinne treiben.
Die eigene Analyse des psychoanalytischen Pädagogen und seine
spezielle psychoanalytische Ausbildung bieten eine gewisse Gewähr
und Sicherung dafür, daß er seine Kenntnisse ebensowenig mißbrauche
wie ein psychoanalytischer Therapeut. Er wird sogar seine Erziehungs-
ziele mehr im Sinne der Triebverwandlung, Triebumsetzung und
Triebsublimierung orientieren als an weltanschaulichen Dispositionen.
In der Praxis hat sich nun gezeigt, daß recht oft Pädagogen und
Pädagoginnen, die mit der Psychoanalyse intensiv in Berührung
kommen, umsatteln und Kinderanalytiker oder psychoanalytische
Therapeuten werden wollen.
Das sollten nur die dazu ganz besonders Geeigneten tun, die Mehr-
zahl sollte bei der Stange bleiben. Zu dem Zwecke muß die psycho-
analytische Pädagogik in ihrer Technik und Theorie so ausgebaut
werden, daß sie niemand mehr als fünftes Rad am Wagen betrachtet
— und daß sie keiner aus ehrgeizigen Gründen als Sprungbrett be-
nutzt, um Therapeut zu werden. Gerade die Lehranalytiker und
Therapeuten müssen die Aussichten und die Wichtigkeit der psycho-
analytischen Pädagogik einsehen — damit sich die Ansicht durch-
setzen kann, die Ausübung psychoanalytischer Pädagogik sei keine
nur zweitrangige und inferiore Tätigkeit. Das ist sie nämlich durch-
aus nicht! Warum sie ganz außerordentlich wichtig ist, ebenso bedeut-
sam wie die psychoanalytische Therapeutik, werden wir später klar-
legen.
Sie werden schon lange einen wichtigen Einwand auf der Zunge
haben. „Die berufliche pädagogische Betätigung", sagen Sie, „er-
streckt sich nicht allein nur auf den Lehrer, der eine Anzahl von
Schülern zu erziehen hat. Zahlreiche Berufserzieher haben es nur mit
einem einzigen Kinde zu tun. Der Erziehungsberater, Erziehungsfür-
sorger, Erziehungshelfer beschäftigt sich nicht mit einer Schar Kinder
zugleich, er steht in der Regel nur einzelnen gegenüber.
Wenn psychoanalytische Pädagogik eine massenpsychologische
Tätigkeit bedeutet, die unter anderen Bedingungen arbeitet als
solchen, wie sie bei der Behandlung eines einzelnen Kindes bestehen,
dann stimmt etwas in Ihren Ausführungen nicht. Irgendwo liegt ein
Denkfehler, eine Unklarheit."
358 HansZulliger
Freud hat uns nachgewiesen, daß die analytische Situation eine
„Masse zu zweien" bedeutet, antworte ich darauf.
„Dann ist ja alles in Ordnung!" entgegnen Sie mir. „Wenn wir uns
also mit einem Kinde in einer psychoanalytischen Relation befinden,
dann handelt es sich immer um ein massenpsychologisches Phänomen.
Wenn wir Sie richtig verstanden haben, wollen Sie der psycho-
analytischen Pädagogik und unserer Zeitschrift vorwerfen, sie hätten
sich viel zu wenig um die massenpsychologischen Verhältnisse bei der
Erziehung gekümmert. Ihr Vorwurf fällt in dem Augenblick in sich
zusammen, wo Sie sich erinnern, daß jede psychoanalytische Situation
eine massenpsychologische ist!"
Wir wollen nicht aneinander vorbeireden. Ich meine:
Sobald ein psychoanalytisch orientierter Erzieher es nur mit einem
einzigen Kinde zu tun hat, betreibt er notwendigerweise Psychologie
am isolierten Individuum und diese ist etwas anderes als die Massen-
psychologie, unter deren Gesetzen er zu arbeiten hat, sobald ihm
mehrere Kinder anvertraut sind. Im ersten Falle nähert sieh seine
Arbeit der des Kinderanalytikers. Meist betreibt er psychoanalytische
Heilpädagogik. Sind ihm aber sieben oder dreißig Kinder zugleich
anvertraut, dann ist nicht seine Aufgabe, zugleich sieben oder dreißig
„Massen zu zweien" zu bilden, sondern eine Masse zu acht oder zu
einunddreißig — und das ist ein wesentlicher Unterschied. Denn die
massenpsychologische Einstellung geht in einer solchen Situation
nicht nur, wie bei der Kinderanalyse und bei der Einzelerziehung,
vom Analytiker oder analytischen Pädagogen aus, sondern auch
vomObjektderErziehung, das in dem Falle eine „Masse" ist.
Alle Kinder gehen zur Schule, und sie dauert in den meisten Län-
dern sehr lange Zeit. Ihr Einfluß auf die Kinder ist bedeutend. Mir
scheint, daß er für die Kultur eines Volkes bedeutender ist, als es der
Einfluß psychoanalytischer Einwirkung auf die relativ wenigen Kin-
der sein kann, die mit der individuell gerichteten Psychoanalyse in
Berührung kommen. Wir müßten danach trachten, daß die Vorteile
psychoanalytischer Erkenntnisse breiteren Schichten der Bevölkerung
zugute kommen, und wir können dies als psychoanalytische Pädagogen
verwirklichen, wenn wir als Lehrer, Kindergärtnerinnen, Hortleiter,
Sportführer usw. die massenpsychologischen Erkenntnisse Freuds
fruchtbar machen.
Wenn das gelingt, dann erhält unsere Lehre einen viel frucht-
bringenderen Charakter für das Gedeihen der Menschheit und eine viel
universellere Bedeutung, als wenn wir nur einzelnen damit aus ihren
Neurosen heraushelfen. Damit will ich nicht etwa die Wichtigkeit der
therapeutischen Analyse herabsetzen. Ich meine nur, die weitergehende
_
Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik
359
Kultivierung und die Glücksmöglichkeit und Lebenstüchtigkeit der
Vielen als Gesamtheit, die wir durch psychoanalytische Pädagogik in
dem hier dargestellten Sinne fördern können, ist ebenso wichtig wie
die Kultivierung, Glücksmöglichkeit und Lebenstüchtigkeit Verein-
zelter, die wir in die therapeutische Analyse hineinkriegen, um sie
a us ihren Verhinderungen zu lösen.
Wir sollen das eine tun und das andere nicht lassen, scheint mir.
Und innerhalb der psychoanalytischen Pädagogik und ihrem Publi-
kationsorgan besteht die Lücke, daß sie ihr Augenmerk bis dahin viel
35U sehr individuell-psychologischen Dingen zugewendet und die
massenpsychologischen etwas vernachlässigt haben. Diese sind jedoch
so außerordentlich wichtig und wir wissen darüber außer den kon-
zisen, aber wenigen Formulierungen Freuds noch so verhältnis-
mäßig wenig, daß wir uns bemühen sollten, das Fehlende in den näch-
sten zehn Jahren aufzuholen.
Noch eines: mir als Lehrer, der vor alle die praktischen
Probleme gestellt ist, wie sie sich im besonderen neben einem
Lehrer zeigen, ist die Lücke, von der ich Ihnen heute sprach,
hauptsächlich auffällig geworden. In meinen beruflichen Umwelt-
verhältnissen, die den durchschnittlichen meines Landes entsprechen,
empfinde ich die besprochene Lücke darum besonders, weil wir
Berufspädagogen die Kinder vorläufig nicht schon früher als im Schul-
alter mit der psychoanalytischen Pädagogik erreichen können.
ftlllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllM
Beeinflussung des Stotterns 15
Eine psychoanalytisch -pädagogische Studie
Von M. Brunner, Cluj (Klausenburg, Rumänien)
Im folgenden will ich Beobachtungen über die ersten zwei Lebens-
jahre des kleinen Andreas mitteilen; sie wurden, durch eine vor-
teilhafte Konstellation begünstigt, von mir selbst gemacht.
Andreas war das zweitgeborene Kind, er hatte einen um drei-
zehn Monate älteren Bruder. Seine Geburt war ganz leicht und verlief
normal. Die ersten vier Wochen brachten nicht Nennenswertes. Von
da an versiegte allmählich die Muttermilch, so daß man nach der
sechsten Woche gänzlich zur künstlichen Ernährung übergehen mußte.
Das Absetzen von der Mutterbrust und den Übergang zur Flasche
schien das Kind ohne merkliche Erschütterung gut zu vertragen. Er
bekam seine Nahrung mittels einer Soxletflasche.
Nach kaum zwei Wochen trat eine Darmerkrankung auf. Diese gab
Anlaß, auf die Flasche zu verzichten und die Nahrung mit einem
silbernen Löffelchen zu verabreichen. Nach dem Essen bekam das
Kind den Lutscher. Auch gegen diese Art der Ernährung zeigte es
keine Einwände. Zugleich mit der Darmerkrankung war im Gesicht
ein Ekzem aufgetreten, das sich immer mehr verbreitete; die Darm-
erkrankung war längst wieder behoben, als das Ekzem sich noch hart-
näckig behauptete. Es erfüllte die Eltern und den Arzt mit großer
Sorge. Es schien jeder Therapie zu trotzen und verursachte heftiges
Jucken, so daß der Schlaf bei Tag wie bei Nacht gestört war. Beide
Hände mußten an den Wagen gebunden werden, damit das Kind nicht
kratzen konnte. Das Kind versuchte sich gegen den Juckreiz so zu
helfen, daß es den Kopf hin und her drehte; so bot es in diesem
Stadium ein jammervolles Bild.
Jedem, der das Kind zu dieser Zeit sah, fiel die scheinbare Geduld
und Gelassenheit auf, mit der es die großen Schmerzen zu ertragen
schien. Wenn Umschläge oder Salben keine Linderung brachten, klagte
das Kind nur durch leises Wimmern, nicht durch Schreien. Ließen
die Schmerzen nach, nahm es Nahrung zu sich und schlief für kurze
Zeit ein. Von einer regelmäßig durchgeführten Ernährung aber kann
in dieser Zeit nicht gesprochen werden. Vier Monate hielt dieser Zu-
stand in unverminderter Intensität an.
Vielleicht ist aus meiner Beschreibung nicht zu ersehen, wie schwer
das Kind zu leiden hatte. Darum möchte ich hier die Äußerung der
1 ) Nach einer Mitteilung, gehalten im Seminar der Kinderanalytiker der
Ungärländischen Psychoanalytischen Vereinigung in Budapest am 11. Mai 1936 1 .
Beeinflussung des Stotterns 361
Eltern anführen, die meinten, sie würden leichter den Tod des Kindes
ertragen, als es noch länger seinen unsäglichen Leiden überlassen zu
müssen. Nur mit größter Mühe und peinlichster Sorgfalt konnte es>
bei Gewicht erhalten werden, es nahm während der vier Monate über-
haupt nicht zu. Nun trat auch noch eine Furunkulose auf, größere
Furunkel mußten aufgeschnitten werden. Da änderte sich am Ende
des vierten Ekzemmonats das Bild. Unter der Kruste sammelte sich
Eiter an, der bisher nie vorgekommen war. Damit begann die Heilung.
Innerhalb von zwei Wochen waren die vom Ekzem befallenen Körper-
teile, Kopf und Gesicht vollkommen frei.
Andreas war jetzt sechseinhalb Monate alt und so schwach, daß er
weder Hände noch Füße heben konnte. Sein Geburtsgewicht betrug
3800 Gramm, jetzt wog er 5800. Der Appetit lag darnieder, er bekam
auch weiterhin mit dem Löffelchen zu essen, dann aber besserte sich
der Appetit und auch das Gewicht begann zu steigen. Hier muß ich
noch eine Beobachtung aus der Krankheit nachtragen: Während der
großen Schmerzen bekam er oft den Lutscher zugesteckt, er lehnte
ihn aber gewöhnlich ab und drehte den Kopf beiseite, wenn man ihm
zur Beruhigung den Sauger doch weiter anbot.
Als Andreas dreizehn Monate alt war, ging sein erster Gummi-
sauger in Stücke und er wollte um keinen Preis einen neuen in den
Mund nehmen. Besonders beim Einschlafen fehlte er ihm. Drei Wochen
dauerte es, bis er den Verlust verschmerzt hatte. Er weinte und warf
sich hin und her. Bis endlich eine Lösung gefunden wurde, wobei
auch seine Eßlust auf ihre Bechnung kam. Er bekam nämlich Keks,
Mehlspeise oder Brotrinde mit ins Bett, er lutschte daran bis zum Ein-
schlafen. Seine Lust am Essen steigerte sich in dieser Zeit zu einer
förmlichen Freßsucht. Fast ständig mußte er etwas in der Hand haben,
woran er nagen konnte. Mit Rücksicht auf die überstandene schwere
Krankheit bekam er auch alles, was er haben wollte. So wurde Andreas
ziemlich dick und entwickelte sich in jeder Beziehung gut. Mit fünf-
zehn Monaten hat er an Gewicht schon alles nachgeholt. Um diese Zeit
fing er auch zu reden an und machte seine ersten Gehversuche. Die
ersten Zähne kamen etwas verspätet, doch ohne Komplikationen.
Eine ganz auffallende Erscheinung muß ich hier festhalten. Andreas
war nämlich mit 13 — 14 Monaten in der Nacht immer trocken geblie-
ben. Als er 15 — 16 Monate alt war, war er auch bei Tag stubenrein.
Das Auffallende dabei war, daß niemand ihn mit Absicht zu dieser
Leistung bewogen hatte. In seiner Erziehung herrschte vielmehr die
Tendenz, die überstandene schwere Krankheit zu berücksichtigen und
das Kind nicht zu früh stubenrein zu machen. In derselben Zeit war
sein Bruder Georg in der Früh beim Aufwachen immer naß, tagsüber
1
362 M. Brunner
war aber auch Georg stubenrein. Wenn ich sage, daß Andreas ohne
jegliche aktive Erziehungsprozedur stubenrein geworden ist, so muß
ich noch erwähnen, daß er zusehen konnte, wie man seinen Bruder
täglich aufs Töpfchen setzte. Dieser Umstand, daß Andreas wie von
selbst stubenrein geworden ist, war auch der Mutter und dem Kinder-
mädchen aufgefallen. Sie meinten nur, Andreas wäre ein Musterkind,
die schwere Krankheit hätte er ja auch mit großer Geduld ertragen.
Daher fanden sie es selbstverständlich, daß er in der Erziehung keine
Schwierigkeiten verursachen würde.
Als mir das bekannt wurde, regte mich das zum Nachdenken an. Ich
konnte den Standpunkt der Mutter nicht teilen, behielt aber meine
Überlegungen bei mir. Mein erster Gedanke war, daß Andreas bezüg-
lich des Saugens zu kurz gekommen sei. Im zweiten Gedanken glaubte
ich schon einen kausalen Zusammenhang erblicken zu können zwi-
schen den beiden Momenten, daß er nur kurze Zeit saugen konnte und
daß er jetzt auffallend leicht stubenrein wurde. Andreas hatte ja kaum
fünf Wochen lang die Mutterbrust bekommen. Dann wurde schon nach
zwei Wochen die Flasche weggelassen. Es folgten nun vier Monate,
die Ekzemperiode, während der er so schwer zu leiden hatte, daß er
sehr oft vor Schmerzen den Sauger nicht in den Mund nehmen wollte.
Und als der erste Sauger in Stücke ging, lehnte er einen neuen ab.
Ich war neugierig, ob bald neue Tatsachen eine Aufklärung bringen
würden. Aber Andreas wurde wieder krank und lag drei Wochen lang
mit hohem Fieber und mit Schwellung der linksseitigen Submaxillar-
drüse zu Bett. Der Kinderarzt meinte, die Krankheit beruhe auf einer
Infektion, die durch eine Angina verursacht worden sei. Das Fieber
war abgeklungen, die Drüsenschwellung verschwand und Andreas war
wieder gesund. Sein Appetit, welcher während der Krankheit sehr
schwach gewesen war, kehrte jetzt wieder mit erneuter Intensität
zurück. Mit auffallender Gier aß er alles, was man ihm vorsetzte.
Andreas war sehr lebhaft und spielerisch. Er hatte jetzt so manches
von seinem älteren Bruder zu leiden, der nur auf die Gelegenheit
wartete, um ihn schlagen zu können. Andreas versuchte sich durch
Beißen zu wehren und dies gelang ihm auch manchmal. Im allge-
meinen aber ist er sehr empfindlich, ein lautes Wort bringt ihn zum
Weinen, obzwar er sonst nur selten weint. Er kennt keine Lieblings-
speisen, denn er ißt alles mit gleich großer Gier auf. Ich habe ihn
einigemale beim Essen beobachtet: er lehnt sich mit der Brust an das
Tischchen und beugt sich nach vorne, um durch diese Haltung den
Weg zum Mund zu verkürzen. Bekommt er gleichzeitig mit seinem
Bruder etwas in die Hand, so stopft er es schnell in den Mund. Da er
zu dick geworden ist, bekommt er jetzt keine Mehlspeise beim Ein-
Beeinflussung des Stotterns
363
schlafen. Eine seiner Spieisaehen nimmt er mit ins Bett, umarmt den
Gegenstand und schläft so ein.
Fremden Leuten gegenüber ist er sehr freundlich. Er geht zu einem
jeden hin, auch wenn er den Besucher zum erstenmal sieht. Jetzt fängt
er an, in Sätzen zu reden. Er ist nunmehr zwei Jahre alt.
Zu dieser Zeit fiel der Umgebung auf, daß Andreas beim Reden
Schwierigkeiten hatte. Wenn er aufgeregt war, konnte er die Worte
nur schwer aussprechen. Die Mutter des Kindes sagte mir verzweifelt,
sie habe Angst, das Kind würde stottern. Als ich das Kind daraufhin
beobachtete, mußte ich selbst zugeben, daß die Angst der Mutter nicht
unbegründet war. Denn ich hörte Andreas stottern, auch wenn er
ruhig war. Zur genaueren Beschreibung seines Sprachfehlers wäre
folgendes zu sagen: das Kind stotterte nur dann, wenn das Wort mit
einem Vokal anfing. Besonders häufig konnte man ihn stottern hören,
wenn er den Vokal i aussprechen wollte. Hätte jemand daran zweifeln
wollen, ob Andreas wirklich stotterte, so hätte ihm sein Bruder Georg
Klarheit darüber verschafft. Ich selbst hörte Georg einmal folgendes
sagen: „Du, Andreas, sag nicht i-i-i-ich, sondern sage so: ich!"
Die schon früher gehegte Vermutung einer Regression schien jetzt
bestätigt zu sein. Nun entstand die Frage, wie dem abzuhelfen wäre.
Wie konnte das Kind von seinem Sprachfehler befreit werden?
Hier kam mir wieder jener schon früher ausgesprochene Gedanke
in den Sinn, daß Andreas bezüglich des Saugens zu kurz gekommen
sei. Dazu kam noch, daß ihm die Saugperiode durch die schwere
Krankheit ziemlieh vergällt worden war. Ich dachte nun daran, diese
schlecht erledigte Saugperiode beim Kinde neu zu beleben, die Lust-
quelle des Saugens wieder zu eröffnen. Ich riet, dem Kinde solche
Süßigkeiten zu geben, die ihm das Saugen wieder ermöglichen würden.
Es wurden daher zu Hause Karamellen bereitet. Bevor die Karamellen
hart wurden, wurde die Masse in kleinere Stückchen zerteilt, und ein
jedes Stück wurde mit einem Stiel versehen. Dieser Stiel war aus
Holz, ähnlich einem Zahnstocher, daran konnte das Kind das Zuckerl
halten und so lutschen. Natürlich bekam auch Georg von den Zuckerln,
denn ihm wurde zuerst erklärt, daß diese Zuckerl nur gelutscht und
ja nicht zerkaut werden dürfen. Was Georg tut, wird von Andreas
treu nachgeahmt. Es war sehr interessant zu beobachten, wie Georg
eine Zeitlang wirklich am Zuckerl lutschte, dann aber schließlich
doch seine Geduld verlor, die Zuckerl zerkaute und herunter-
schluckte. Andreas dagegen schien das Lutschen größere Freude zu
bereiten, denn er zerkaute sie nie.
Es vergingen so vier Tage. Am fünften meldete mir die Mutter, daß
Andreas munter aufwachte, wie auch sonst, jedoch mit dem Unter-
364 M. Brunner
schiede, daß diesmal kleines und großes Bedürfnis bereits im Bett
erledigt waren. Am selben Tage kam es oft vor, daß er einnäßte. Und
so ging es von nun an jeden Tag. Oft sagte er: „Jetzt mache ich in die
Hose", und es war schon geschehen. Verlangte er hie und da das
Töpfchen, so verrichtete er nur die kleine Not, und die große ließ er
nach einigen Minuten in die Hose. Er durfte kleine und große Not
dort verrichten, wo er wollte.
Dieser Zustand dauerte bereits sieben Tage. Andreas lutschte die
Zuckerln und hielt sich beim Urinieren und Defäzieren gewöhnlich
nicht an die von einem Kind dieses Alters geforderten Umstände, als
seine Sprache eine auffallende Besserung zeigte. Sie wurde wieder
fließend. Nur bei Streitigkeiten zwischen den Kindern konnte es ge-
schehen, daß das „i" in die Länge gezogen wurde, es wurde aber nicht
wie vorher ruckweise hervorgebracht.
Es kamen dann wieder Tage, an denen Andreas aufs Töpfchen ver-
langte; doch verschlechterte sich dann sogleich wieder seine Sprache.
Ich riet, den älteren Georg nicht vor ihm auf Topf chen gehen zu lassen,
da Andreas ihn auch darin immer nachahmen wollte. Eine andere Schwie-
rigkeit dabei kam wieder von Andreas' empfindlicher Haut. Wenn er
sich eingenäßt hatte, klagte er bald darauf unter Tränen über beißende
Schmerzen an den Schenkeln. Ich veranlaßte, daß die Oberschenkel
eingefettet werden, und so konnte Andreas, ohne die Folgen fürchten
zu müssen, einnässen. Automatisch besserte sich hierauf seine Sprache.
Die Mutter fügte sich diesen unangenehmen Bedingungen, da sie
merkte, daß das Kind tatsächlich nicht stotterte, wenn es einnässen
konnte. Nachdem sie diesen Zustand einige Wochen durchgehalten
hatte, wurde sie aber doch ungehalten, beruhigte sich jedoch schließ-
lich bei dem eindringlichen Vorhalt der Folgen einer vielleicht lebens-
länglichen Neurose bei Andreas.
Jetzt ist Andreas zweieinhalb Jahre alt. Einmal verlangt er das
Töpfchen, um sein Bedürfnis zu erledigen, ein andermal macht er
beides in die Hosen. Er ist körperlich und geistig sehr gut entwickelt.
Ein Fremder merkt keine Spur des Stotterns, aber es kommt vor, daß
er, in Aufregung versetzt, den Anfangsvokal in die Länge zieht.
Bevor Andreas zu sprechen begann, war er in der Nacht, wie er-
wähnt, immer trocken geblieben, sein Bruder Georg hingegen, hatte
zu jener Zeit in der Nacht immer eingenäßt. Jetzt, wo Andreas schon
ganz gut spricht, ist er wiederum bei Nacht trocken, macht aber bei
Tag in die Hosen. Georg näßt bei Nacht das Bett, ist aber bei Tag
trocken. Unlängst hörte ich nun folgendes Zwiegespräch: „Du sollst
wissen, ich bin der größere und ich werde es auch immer sein", sagte
Beeinflussung des Stotterns
365
Georg. Andreas blieb einige Sekunden stumm und dachte nach, hier-
auf sagte er: „Ja, aber ich darf einpissen".
Das Kind wird weiterhin beobachtet und ich werde, wenn Sie Inter-
esse dafür haben, bei gegebener Gelegenheit weiter berichten.
Nachtrag: Seit der Niederschrift der Arbeit sind neun Monate
verstrichen. Andreas ist jetzt dreieinviertel Jahre alt. Seit einem
halben Jahr ist er ganz stubenrein. Seine Sprache ist vollkommen in
Ordnung. Er spricht viel und ganz fließend, auch wenn er aufgeregt
ist. Der Appetit ist unverändert sehr gut. Er schläft ruhig, doch
manchmal wacht er in der Nacht auf, weil ihn „ein Hund beißen will".
Die körperliche, seelische und geistige Entwicklung des Kindes läßt
nichts zu wünschen übrig.
«iiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiitiuiiiiiiiiiiiinM
Angsterlebnisse eines Dreijährigen
Beobachtungen aus einem Privatkindergarten
Von Alice Landau, Wien
Heinzi ist gerade drei Jahre alt geworden, als er das erstemal
in den Kindergarten eingeschrieben wird. Er ist ein einziges Kind
und seine Eltern leben in auskömmlichen Verhältnissen. Sein Vater
ist Ingenieur, die Mutter ist zu Hause und führt die Wirtschaft. Vater
und Mutter stehen beide etwa im Alter von vierundreißig bis sechs-
unddreißig Jahren. Heinzi besitzt zwar ein eigenes Spielzimmer,
schläft aber im Schlafzimmer der Eltern. Das Kind sieht besonders
zart aus, ist nicht gerade hübsch zu nennen, hat aber sehr viel Lieb-
reiz, wodurch es sich bald die Sympathien von Groß und Klein er-
wirbt. Die Mutter ist eine nette Frau, die sich die Erziehung ihres
Kindes anscheinend sehr angelegen sein läßt und sich viel mit ihm be-
schäftigt. Sie ist uns gegenüber anfangs ein wenig reserviert, wir
sehen nur, daß sie sich zum Kind recht nett und humorvoll verhält,
doch wir wundern uns gleichzeitig, daß das Kind so auffallend zer-
fahren und oft aggressiv ist. Heinzi kommt gleich zu Beginn des
neuen Arbeitsjahres, also schon im September in den Kindergarten.
Es sind noch wenig Kinder da und es wird bei dem schönen Wetter
ausschließlich im Garten gespielt. Heinzi bleibt gleich am ersten Tag,
ohne eine Miene zu verziehen, im Kindergarten und schließt sich
sofort an das junge Mädchen an, das während der ersten zwei Wochen
die wenigen Kinder betreut.
Zu diesem Zeitpunkt lernte ich ihn kennen. Gleich in den ersten
Tagen, die ich im Kindergarten war, begann Heinzi große Eßschwie-
rigkeiten zu machen. Er brach in Tränen aus, sobald die Frühstücks-
zeit da war, und da meine Mitarbeiterin behauptete, er müsse die ohne-
hin sehr dünnen Brotschnitten aufessen, weil die Mutter großen Wert
darauf lege, so versuchten wir mit vereinten Kräften, ihn doch zum
Essen zu bewegen. Nach ein paar Tagen kam nun die Mutter selbst
und bat, das Kind nicht zum Essen zu zwingen, da es plötzlich deshalb
nicht mehr in den Kindergarten gehen wolle. Ich war sehr froh dar-
über und erfüllte nur zu gerne ihren Wunsch. Trotzdem blieb Heinzi
die nächsten Tage ganz aus. Wir erkundigten uns nach ihm und die
Mutter sagte, daß er nicht mehr kommen würde, er wäre noch zu klein
für den Kindergarten, möglicherweise würde ein späterer Zeitpunkt
geeigneter sein. Ich besuchte daraufhin Heinzi in seiner Wohnung,
sprach mit der Mutter und bat sie, das Kind noch zwei Wochen probe-
weise in den Kindergarten zu schicken; sollte es sich bis dahin noch
Angsterlebnisse eines Dreijährigen 367
nicht eingewöhnt haben, so würde ich ihr selbst raten, das Kind noch
zu Hause zu behalten.
Sie befolgte meinen Rat und wahr sehr erstaunt, als es keine drei
Tage dauerte, bis der Kleine wieder leidenschaftlich gerne den Kinder-
garten besuchte. Sie wußte allerdings nicht, daß ich Heinzi eine für
Kinder in diesem Alter sehr verlockende Beschäftigung angeboten
hatte, die ihn auch sofort sehr interessierte. Ich hatte Pinsel und Far-
ben vorbereitet und Heinzi begann mit besonderem Vergnügen zu
schmieren. Er malte nun täglich, sobald er den Kindergarten betreten
hatte, und es war einige Wochen hindurch die einzige Beschäftigung,
bei welcher er mehr als drei Minuten ausharren konnte. Sonst wech-
selte er seine Beschäftigung sehr oft und rasch, auch seine Sprache
fiel uns auf; er verfügte nur über wenige Worte, konnte noch keine
Farbe benennen und war auch sonst anderen Kindern seines Alters
gegenüber im Auffassungsvermögen zurückgeblieben. Er war auch
unselbständig und die anderen Kinder behandelten ihn so, wie man
eben ein kleines Kind behandelt, das man noch nicht ernst nehmen
kann. Die Kinder ließen sich von Heinzi alles gefallen und sie mußten
sich sehr viel gefallen lassen. Er schlug zu, sobald ihm ein Kind aus
irgendeinem Grunde im Weg stand. Er nahm den Kindern alles weg,
zerstörte ihnen alles und erzeugte stets Wirbel in der Gruppe. Er war
auch aggressiv ohne ersichtlichen Grund und war sich meist der Trag-
weite seiner Handlungen noch gar nicht bewußt. So schlug er einmal
einen Jungen unvermutet mit einem eisernen Rechen auf den Kopf
und machte ein sehr erstauntes Gesicht, als man ihm erklärte, daß man
so etwas absolut nicht dulden könne. Bei kollektiven Spielen schloß er
sich nach zwei Minuten wieder aus und störte, wo er nur konnte.
Das Frühstück verlief in dieser Zeit etwa folgendermaßen: Er
packte sein Kipferl aus, aß einen oder zwei Bissen davon, dann warf
er es auf den Boden und stieg mit den Füßen darauf herum. Ich ließ
ihn lange Zeit gewähren und beobachtete nur sein Verhalten, ohne-
einzugreifen. Ich konnte dies tun, da die Kinder, wie erwähnt, ihm
von sich aus eine Ausnahmestellung einräumten und sich durch seine
Aggressionen nicht ernstlich stören ließen. Ich begnügte mich in
dieser Zeit damit, ihm gegenüber ebenso wie bei den anderen Kindern
gelegentlich festzustellen, was erlaubt sei und was man nicht tun
dürfe. Nach zirka zehn Wochen hatte Heinzi, was sein soziales Ver-
halten betrifft, bereits große Fortschritte gemacht. Er konnte schon
bis dreißig Minuten bei einer Arbeit verweilen, störte weit weniger
und aß sogar täglich sein Frühstück, ohne wie früher besondere
Schwierigkeiten zu machen. Kurz nach Weihnachten fehlte Heinzi
eine Zeitlang, da er Halsentzündung hatte. Als er zurückkam, fiel mir
1
368 Alice Landau
auf, daß er wenig Appetit hatte, doch ich sah diese Appetitlosigkeit
als eine Folgeerscheinung seiner Krankheit an. Ich beobachtete wohl,
daß er bestimmte Dinge mit besonderer Unlust aß; so mußte man ihn
stets füttern, wenn er geschälte Apfelschnitten mithatte, Banane aß
er nur dann allein, wenn noch ein Stück Schale daran war, sonst nahm
er sie nicht in die Hand.
Heinzi näßte sich niemals ein; sehr selten mußte er im Kinder-
garten das Klosett aufsuchen. Wenn dies doch einmal der Fall war,
begleitete ich ihn hinaus und da sah ich, daß er sich sehr ungeschickt
verhielt, er konnte sein Glied nicht ordentlich halten; da er so kom-
pliziert angezogen war, bereitete die Handhabung reale Schwierig-
keiten, aber sein Verhalten blieb doch auffallend.
Eine Beobachtung machte ich im Laufe dieser ersten Monate, die
mir viel zu denken gab. Heinzi begann bei verschiedenen Anlässen,
auf die ich noch näher eingehen werde, zu weinen und konnte dann
nicht mehr aufhören. Mit viel Mühe und List gelang es uns erst ihn
zu beruhigen. Im Monat Februar traten plötzlich diese Weinanfälle in
erschreckendem Maße auf. Heinzi hatte täglich, manchmal zweimal an
einem Vormittag so einen Weinkrampf.
Je weiter die Zeit fortgeschritten war, desto weniger unterschied
sich Heinzi von den anderen Kindergartenkindern. Sie sahen ihn nun
.auch nicht mehr als einen Neuling an und reagierten daher auf seine
Angriffe mit weniger Toleranz. Und so geschah es einmal, daß ein
älterer Junge den kleinen Heinzi zurückschlug. Die Folge davon war
ein endloses Weinen. Ebenso unglücklich wurde er, als ich ihm einmal
die Farben wegnehmen mußte, da er sie alle durcheinander im Farb-
kasten verschmiert hatte. In dieser Woche nun weinte er aus schein-
bar ganz geringfügigen Anlässen, so z. B. weil ihm der große Junge
seinen Sessel weggenommen hatte u. ä. m.
Wenn er so weinte, nahm sich meine Mitarbeiterin sehr lieb seiner
-an. Sie nahm ihn auf den Arm, ging ins andere Zimmer zu den Puppen
und lenkte ihn ab, so gut sie konnte. Es schien mir nun, daß Heinzi
diese Weinanfälle nur deshalb produzierte, um nachher so nett ge-
tröstet zu werden, denn so oft er jetzt zu weinen begann, lief er gleich
zu meiner Kollegin hin und verlangte direkt, zu den Puppen geführt
zu werden. Meine Kollegin fragte nun die Mutter, ob er zu Hause auch so
weine, worauf diese sagte: „Oh nein, bei mir gibt's so etwas nicht.
Wenn er zu weinen beginnt gehe ich aus dem Zimmer, dann hört er
gleich auf." Als Heinzi am Tag darauf wieder zu weinen begann, ver-
suchte ich mich ähnlich wie die Mutter zu verhalten. Das Resultat war
ein Fiasko, das Kind regte sich mehr auf als je zuvor.
In diesen Tagen machte ich eine wichtige Entdeckung: Heinzi, dem
Angsterlebnisse eines Dreijährigen
369
beim Händewaschen vor dem Frühstück oft von den Kindern geholfen
wurde, stand eines Tages allein vor dem Waschtisch und wusch sich
ohne Seife die Hände. Auf meine Aufforderung, doch Seife zu nehmen,
antwortete er, ich sollte ihm helfen. Ich entgegnete, daß er schon groß
genug sei, um sich allein zu, waschen, und wollte ihm die Seife in die
Hände geben. Doch da bogen sieh die Hände auseinander und er war
nicht imstande, die Seife zu halten. Da er wieder im Begriff war zu
weinen, half ich ihm und mir wurde klar, daß ich nun möglicherweise
einen Weg finden könnte, den Schwierigkeiten dieses Kindes auf den
Grund zu kommen. Am gleichen Vormittag hatte ich mit Heinzi folgen-
des Gespräch: Ich fragte: „Warum kannst du die Seife nicht an-
greifen? Du greifst doch auch den Bleistift an und den Pinsel", und
nun zählte ich noch einige Gegenstände auf. Zuletzt kam ich auf sei-
nen Körper zu sprechen und meinte, er könne doch auch seine Nase
angreifen. Da bekam mit einem Mal sein Gesicht einen sehr gespann-
ten Ausdruck und als ich ihm weiter sagte: „Du greifst doch auch
deinen Lulumacher an", da fand er nun auch selbst Worte und ant-
wortete prompt: „Angreifen schon, aber nicht halten!" Daraufhin ver-
sicherte ich ihm sehr entschieden, daß seine Vorsieht übertrieben sei
und seine Mutter bestimmt ebenso darüber denke wie ich und Anni,
meine Kollegin. Ich sagte ihm: „Oh ja, den kann man ruhig halten, da
kann einem gar nichts geschehen." Darauf springt Heinzi auf, hüpft
die Stiegen hinunter, die in den Garten führen, und ruft: „Morgen
werd' ich mir allein die Hände waschen!"
Ich sah in dieser Reaktion eine Bestätigung meiner früheren Ver-
mutung und nahm mir vor, mit der Mutter zu sprechen. Das Gespräch
mit der Mutter verlief günstiger, als ich erwartet hatte. Ich begann
damit, daß ich mit dem Kind im Augenblick große Schwierigkeiten
hätte, und bat sie, mir behilflich zu sein, die Ursachen seiner Nervo-
sität ausfindig zu machen. Ich möchte hier bemerken, daß die Mutter
schon oft Heinzi als überaus nervös bezeichnet hatte und daß ihr
dieser Umstand die größte Sorge bereitete. Ich erkundigte mich nach
Begebenheiten aus Heinzis Leben, nach seiner Reinlichkeitserziehung,
und erfuhr darüber, daß Heinzi nur mit Mühe rein geworden war und
daß es da viel Schläge gegeben habe. Auf meine Erkundigung erzählte
sie mir auch bereitwillig, daß Heinzi im Alter von zwei Jahren
exzessiv onaniert hatte, daß er beim Onanieren laut gestöhnt hatte und
daß ihr Mann damals sehr brutal gegen das Kind vorgegangen war. Der
Vater war überhaupt sehr streng mit dem Kind und sie mußte stets
das Kind vor ihm schützen. Ich selbst hatte auch den Eindruck, daß
Heinzi seinen Vater nicht leiden mochte, denn er machte ein auffallend
enttäuschtes Gesicht, wenn der Vater ihn einmal vom Kindergarten
Zeitschrift f. psa. Päd., X/6
abholte. Ich versuchte nun, der Mutter klar zu. machen, daß infolge
der damaligen Behandlung Heinzis Angst, seinen Penis zu berühren,
so groß geworden sei, daß er nicht einmal mehr imstande sei, Dinge
anzufassen, die ihn irgendwie an sein Genitale erinnerten. Ich be-
richtete ihr von der Seife, von der Banane, vom geschälten Apfel, und
sie bestätigte mir alle meine diesbezüglichen Beobachtungen. Sie er-
zählte mir noch, daß Heinzi eine Vorhautverengung habe, was sie
als die Ursache ansah, daß er so früh und so intensiv onaniert hatte.
Ich knüpfte an diese Annahme an und meinte, daß diese körperlich
bedingte ständige Versuchung, am Genitale herumzuspielen, das Kind
mit den früheren Verboten in Konflikte bringen mußte und daß sich
auch daraus seine Nervosität erklären ließe.
Ich versicherte' ihr, daß ihre Ängste übertrieben waren und bat sie,
in Zukunft mit Drohungen und Warnungen sehr vorsichtig zu sein.
An diesem Tag — es war ein Montag — half ich Heinzi wortlos
beim Händewaschen, da er sofort sagte, er könne es nicht allein. In
den nächsten Tagen befand sich Heinzi in einer sehr argen psychi-
schen Verfassung. Auf dem Weg in den Eindergarten weinte er be-
reits, er könne sich nicht allein die Hände waschen, und nur mit viel
Überredungskunst brachten wir ihn dazu, im Kindergarten zu bleiben.
Wir mußten uns ständig in seiner Nähe aufhalten, er konnte nicht
einen Augenblick allein gelassen werden, sonst begann er sofort zu
weinen. Am Donnerstag hatte seine Verstimmung den Höhepunkt
erreicht. Er saß beim Tisch, schnitt ein Stück Papier in ganz kleine
Stückchen und die Tränen rannen ihm dabei über die Wangen. Ich
ging zu ihm und streichelte ihn, worauf sich sein Gesicht sofort auf-
heitere. Gleich darauf war er wieder so unglücklich wie zuvor. Er
wollte nichts essen und ich ließ ihn beim Frühstück neben mich setzen.
Ich fragte ihn, warum er denn heute so schlecht aufgelegt sei, ob er
Vielleicht schlecht geschlafen habe? Er erzählte, daß er im Finstern
Angst gehabt, daß er geweint habe und daß dann die Mutti gekommen
sei. Dann erzählt er weiter, wie er in den Topf „Stinki" gemaeht habe,
und bei diesem Punkt angelangt, beginnt er sehr zu lachen, seine
schlechte Laune ist wie weggeblasen und er bleibt auch den restlichen
Vormittag vergnügt. Die nächsten drei Tage sehe ich ihn nicht, da er
wegen Schnupfens zu Hause bleibt. Am Montag wird er wieder ge-
bracht, kommt aber nicht gerne und benimmt sich im Kindergarten
sehr merkwürdig. Er provoziert in einer bisher nie dagewesenen Art.
Er erklärt: „Ich werde heute im Kindergarten nicht essen, nur zu
Hause." Als ich ihm ein Spiel vorschlage, sagt er: „Ich werde hier
nicht spielen, nur zu Hause." Dabei sieht er mich herausfordernd an.
Ich bin aber mit allem, was er tut, einverstanden und werde nicht im
Angsterlebnisse eines Dreijährigen
371
geringsten böse. Die Folge davon ist, daß er nach einigen Tagen sein
Verhalten wieder aufgibt. In dieser Woche weint Heinzi nicht mehr,
verhält sich nur sehr passiv. Nur ein einziges Mal fängt er beinahe zu
weinen an und das bei folgendem Anlaß: Ich ließ die Kinder Kleister-
papiere machen, und zwar so, daß sie den Kleister mit der bloßen Hand
auftrugen. Als ich nun Heinzi aufforderte, es auch so zu machen, da
sah ich, daß es ihm ganz unmöglich war, und ich verhinderte eine
Weinszene nur dadurch, daß ich ihm schnell einen Pinsel in die Hand
gab. Die Mutter berichtete mir am Anfang der Woche, daß sie dem
Kinde täglich ihre Seife in die Badewanne zum Spielen gäbe, daß sie
ihm auch gesagt hätte, sie selbst und der Vater nähmen die Seife auch
immer in die Hand. Sie teilte mir nach ein paar Tagen wieder mit,
daß Heinzi jetzt mit der Seife der Eltern im Bad schon ein wenig
herumspiele, nur seine eigene lehne er weiterhin ab. Gegen das Ende
der Woche ging in Heinzis Wesen eine auffallende Änderung vor
sich. Er war wie von einem Alpdruck befreit. Nie hatten wir ihn so
heiter und ruhig, so wenig aggressiv gesehen. Samstag kam die Mutter
und erzählte, Heinzi hätte sich zum erstenmal beim Urinieren nicht
helfen lassen. Er hatte sie fortgeschickt mit den Worten: „Laß mich,
ich kann mir's schon allein halten." Mit größter Spannung erwartete
ich den kommenden Montag. Ich war überzeugt, daß er sieh nun auch
allein und mit Seife die Hände waschen würde. Und so war es auch.
Heinzi ging zum Waschtisch, rief mich und sagte mit strahlendem
Gesicht: „Schau, ich bin schon groß, ich kann mir schon allein die
Hände waschen."
Bevor ich nun meinen Bericht fortsetze, möchte ich das bisher Vor-
getragene kurz zusammenfassen:
Heinzi ist ein Kind, bei dem deutlich neurotische Symptome zu beob-
achten sind. Er bricht bei verschiedenen Anlässen in Weinen aus, er
kann die Seife, die Banane, den geschälten Apfel und, wie wir später
erfahren, seinen Penis nicht halten. Wir wissen, daß Heinzi mit Hilfe
von Schlägen dazu gebracht worden war, sich den Anforderungen der
Reinlichkeitserziehung zu fügen. Im Kindergarten nun wird ihm er-
laubt, was ihm sonst so strenge verboten ist, 3a, er wird sogar dazu
aufgefordert. Er darf schmieren. Eines Tages aber wird die Kinder-
gärtnerin böse, sie nimmt ihm das Spiel weg, als ihm das Schmieren
gerade die größte Lust bereitet. Er erlebt dadurch die gleichen Ver-
bote wieder, die in der Zeit seiner Reinliehkeitsgewöhnung mit sehr
viel Schlägen, daher auch mit Unlust und Angst verbunden waren.
Das Bösesein der Kindergärtnerin beim Beschmutzen der Farben läßt
diese Angst wieder akut werden. Sie äußert sich darin, daß er nicht zu
weinen aufhören kann. Aber auch noeh bei einer anderen Gelegen-
heit ist Heinzi geschlagen worden, mußte folglich ebensolche, wenn
nicht noch ärgere Ängste erleben — damas, als er onanierte. Es ist
sehr wahrscheinlich, daß der Vater Heinzi nicht nur schlug, sondern
ihm auch mit Wegnehmen, Abschneiden usw. drohte. Wir können nun
verstehen, warum Heinzi so verzweifelt weint, als ihm die Kinder-
gärtnerin die Farben wegnimmt, als ihn der große Junge schlägt oder
ihm den Sessel wegnimmt: Die Angst vor dem Vater, wahrscheinlich
auch vor der Mutter, die auch schlug und drohte und ihm, wie er
glaubt, etwas wegnehmen will, bricht hier durch. Heinzi kann seinen
Penis nicht in die Hand nehmen, diese Körperstelle ist für ihn tabu.
Das Glied berühren, heißt: etwas Schmutziges anrühren und verbotene
Lust empfinden. Wenn er es doch berührt, so kann etwas Schreck-
liches geschehen. Beide Verbote, das des Schmierens und des Berüh-
rens des Gliedes, werden im Kindergarten aufgehoben. Das Kind be-
findet sich in einer Zwangslage. Die Kindergärtnerin wird als Ver-
führerin empfunden und die Angst nimmt ungewöhnliche Dimen-
sionen an.
Hier greift die Mutter ein, indem sie ebenfalls das strenge Verbot
indirekt aufhebt. Sie fordert ihn auf, die Seife anzugreifen, und sagt
ihm, daß auch der Vater immer die Seife in die Hand nehme. Wenn
Heinzi nun das Gleiche wie der Vater in die Hand nehmen darf, wozu
die Mutter dem Kinde ja ausdrücklich die Erlaubnis erteilt, dann ist
es eben nicht mehr verboten und Heinzi ist imstande, seine Angst zu
überwinden.
Heinzis Zustand war und blieb in den nächsten Wochen bedeutend
besser. Er beschäftigte sich um diese Zeit viel mit Blumengießen,
wobei ihm ein Topf, in dem sich nur Erde befand, besonders lieb war.
Er schüttete viel Wasser hinein und panschte dann mit den Händen
darin herum. Außerdem spielte er gerne mit einem Schüttspiel, zu
welchem er sich aber anstatt des vorbereiteten Kännehens, das nur
einen kurzen Schnabel hatte, die Kakteengießkanne mit dem langen
Ausguß holte. Auch mit Ausschneiden und dem Zusammensetzen von
verschiedenen Mosaikspielen verbrachte er viel Zeit. In diesen Tagen
konnte ich einmal folgende Szene beobachten: Heinzi setzte sich mit
der vierjährigen Liesel in eine Sofaecke, umarmte sie zuerst zärtlich,
wurde immer stürmischer und körperlich zudringlicher und verhielt
sich so, daß ich überzeugt war, er müßte im Schlafzimmer Beob-
achtungen gemacht haben. Ich versuchte die Mutter zu veranlassen,
das Kind aus dem elterlichen Schlafzimmer zu entfernen, doch war die
Durchführung dieser Änderung zur Zeit nicht zu erreichen, denn
Vater und Großmutter vertraten den Standpunkt, ein kleines Kind
müsse noch unter der Obhut der Mutter schlafen.
Angsterlebnisse eines Dreijährigen
373
Eines Tages kam ein neues Angstsypmtom zum Vorschein; d. h.
dieses Symptom war schon früher aufgetreten, doch war es mir; im
Zusammenhang mit Heinzis anderen Ängsten damals noch nicht als
ein spezielles aufgefallen. Heinzi konnte plötzlich nicht allein bleiben.
Wenn wir Erwachsenen ab und zu einen Augenblick aus dem Zimmer
gingen, lief er uns überallhin nach. Er war nicht dazu zu bewegen,
zu den Kindern in den Garten hinauszugehen, bevor nicht eine von
uns beiden auch mitging. Als er einmal allein in der Garderobe blieb,
da er mit dem Ausziehen nicht fertig war, fanden wir ihn in Tränen
aufgelöst. Er spielte in dieser Zeit folgende Spiele: Er ließ die Puppe
in weinendem Ton sagen: „Ich bin so allein" — die Antwort in bar-
schem Ton: „Schlimmes Kind"!" Oder er spielte mit mir „Ich laß dich
allein, du mußt weinen!" Ich ging auf sein Spiel ein und weinte nach
Leibeskräften, worüber Heinzi große Freude zeigte. Dieses Spiel
wiederholte sich mehrere Male. Nun folgte wieder eine kritische Zeit.
Heinzi wurde mit einem Mal in einer Art und Weise aggressiv, daß
sein Verhalten uns neue Rätsel aufgab. Es begann damit, daß
er in strengem Ton die Kinder anfuhr und zurechtwies. Er sehimpfte
und schrie mit ihnen herum, als ob er eine strenge Erziehungsperson
darstellen wollte. Man hatte ganz den Eindruck, als müßte er eine
ähnliche Behandlung selbst mitgemacht haben. Eines Morgens kam er
besonders aggressiv in den Kindergarten. Im Vorraum beim Aus-
ziehen würgte er plötzlich einen anderen Jungen, ein außerordentlich
sanftes Kind, dem ich in keiner Weise eine Angriffslust zumutete.
Wir sagten ihm, daß er so etwas nicht tun könne, und er zog sich
daraufhin ruhig aus, setzte sich dann mit einer Arbeit zum Tisch.
Die Kinder saßen alle beschäftigt an den Tischen und es herrschte
friedliche Arbeitsstimmung. Da sprang Heinzi auf, und mit den Wor-
ten: „Jetzt muß ich aber den Georg hauen", geht er zum Nebentisch
und schlägt den Jungen, der ahnungslos, in ein Spiel vertieft, dasitzt.
Es ist derselbe große Junge, der Heinzi schon oft zum Weinen ge-
bracht hat. Meine Kollegin fragt darauf in verwundertem Ton: „Aber,
Heinzi, was tust du denn?" Daraufhin bricht Heinzi in sein bekanntes
Weinen aus. Ich führe ihn ins Puppenzimmer, erzähle ihm, daß die
Puppe in der Früh so schlimm gewesen sei, und daß man sie unbedingt
durchhauen müsse. Er ist gleich sehr einverstanden, haut fest auf die
Puppe los und macht dabei ein sehr vergnügtes Gesicht. Den Rest des
Vormittags ist er ruhig und verhält sich ganz normal. Sein aggres-
sives Verhalten wird in der nun folgenden Zeit nicht besser, es äußert
sich nur in anderen Formen. Er attackiert nicht mehr die Kinder,
wird aber renitent, unfolgsam und benimmt sich so, daß ich fürchte,
die Mutter könnte die Geduld verlieren, Heinzi wieder falsch behan-
374 Alice Landau
dein, was einen argen Eückfall aui der ganzen Linie zur Folge haben
könnte. Ich nahm mir aber vor, mich wieder mit der Mutter ins Ein-
vernehmen zu setzen. Vorher allerdings mußte ich mir selbst darüber
im klaren sein, was nun eigentlich im Kinde vorgehe. Ich war über-
zeugt davon; daß Heinzi von der Angst geplagt werde, seine Mutter
könnte ihn eines Tages verlassen. Ich erinnerte mich daran, daß die
Mutter ihn, wenn er weinte, nicht tröstete, sondern ihn allein ließ.
Heinzi mußte vor diesem Alleingelassenwerden solche Angst haben,
daß er sich zu Hause nicht einmal mehr zu weinen traute.
Warum war er nun so aggressiv? Vielleicht wollte er die Mutter
damit auf die Probe stellen? "Wie lange und wie weit würde sie seine
Schlimmheit ertragen, wann würde sie doch von ihm fortgehen? Es
kam mir vor, wie wenn er eine Entscheidung herbeiführen wollte,
da ihm die Ungewißheit und die Angst, die diese begleitete, unerträg-
lich waren. Es waren dies Annahmen ziemlieh oberflächlicher Natur,
da ich aber für eine andere Erklärung nicht genügend Tatsachen zur
Verfügung hatte, blieb es vorläufig dabei. Ich sprach mit der Mutter
und fragte sie, ob Heinzi zu Hause sich jetzt auch so provokant be-
nehme wie im Kindergarten. Sie antwortete mir, daß sie ihm bereits
am Vortag eine Tracht Prügel verabreicht hätte, weil es mit ihm
überhaupt nicht mehr auszuhalten gewesen sei. Eine Unart sei vor
allem schon ganz unerträglich geworden, er stoße sie alle Augen-
blicke mit den Händen fort, das könne sie sich von ihm doch nicht
gefallen lassen. Ich teilte ihr daraufhin meine Vermutung über sein
schlimmes Benehmen mit und berichtete ihr alles, was ich mir dar-
über zusammengereimt hatte. Und merkwürdig: Was bei viel heikle-
ren Themen bisher nie der Fäll war: Die Mutter wollte diesmal keines
von meinen Argumenten akzeptieren. Nein, es sei ausgeschlossen, er
könne sich nicht davor fürchten, von ihr verlassen zu werden. Im
Laufe des Gespräches erfuhr ich allerdings Verschiedenes, das mich
in meinen Annahmen bestärkte und die ablehnende Haltung der Mutter
ins Wanken geraten ließ.. Sie erzählte, Heinzi sage jetzt öfters sehr
sonderbare Dinge, so hatte er zu ihr gesagt: „Die Elektrische soll
dich überfahren", um dann fast weinend fortzusetzen: „Dann habe ich
keine Mutti mehr". Er sei überhaupt so leicht gerührt, wenn sie ihm
Märchen erzähle, beginne er auch gleich zu weinen. Ich entgegnete
ihr, daß ich schon öfters Märehen erzählt, noch nie aber diese Beob-
achtung bei ihm gemacht hätte, und fragte sie, was für Märchen es
wären, die sie ihm erzählt habe. Es waren die Märchen von Schnee-
wittchen und Hansel und Gretel. Ich konnte ihr daran zeigen, daß in
diesen beiden Geschichten das Thema der armen, ausgesetzten, von
den Eltern verlassenen Kinder vorkomm© und daß daher Hednzis Mit-
gefühl von diesem Punkt her zu verstehen sei. Ich bat sie sehr, ihm
jedenfalls bei der nächsten Gelegenheit mit Nachdruck zu versichern,
daß sie niemals von ihm fortgehen würde. Sie verließ mich noch
immer ein wenig ungläubig, doeh mit dem Versprechen, meine Wei-
sung zu befolgen. Am nächsten Tag, als die Mutter das Kind brachte,
kam sie ganz aufgeregt zu mir: „Sie haben wieder einmal recht, alles,
was Sie mir gestern gesagt haben, stimmt." In der Früh hatte sich zu-
fälligerweise folgendes zugetragen: Die Mutter war mit einer Arbeit
auf dem Balkon draußen gewesen und das Kind hatte sie indessen in
der Wohnung gesucht und nirgends gefunden. Als Heinzi daraufhin
fürchterlich zu weinen begonnen hatte, war sie zu ihm geeilt und
hatte ihn gefragt, ob sie ihn denn schon einmal ganz allein gelassen
hätte. Heinzi antwortete ihr darauf: „Oh 3a, wie ich krank war."
Damals, als er nach Weihnachten Angina gehabt hatte, war die Mutter
auf kurze Zeit weggegangen, um dem Arzt zu telephonieren, hatte
sich aber vorher bei Heinzi die Zustimmung geholt, ihn eine Weile
allern in der Wohnung zu lassen. Als sie dann zurückgekommen war,
hatte sie trotzdem das Kind in größter Verzweiflung angetroffen. Sie
benützte nun gleich die Gelegenheit, ihm zu sagen, daß sie ihn be-
stimmt nicht verlasseh werde, und ich wunderte mich, wie schnell die
Reaktion erfolgte. Heinzis Angst, älleinzubleiben, war verschwunden,
aber auch die Aggressionen waren tatsächlich damit liquidiert.
Es ist klar, daß Heinzi auf seine Mutter böse war, daß er sie dafür,
daß sie ihn allein gelassen hatte, strafen wollte. So stößt er sie fort,
wünscht ihr, die Elektrische soll sie überfahren, und gibt mit seinem
Verhalten zu verstehen: So wie sie ihn einmal in Stich gelassen hat,
so will ;er jetzt von ihr nichts mehr wissen. Die Aggression war der
Ausdruck seiner Angst: lieber wollte er sie wegschicken, als allein
gelassen werden. Die nächste Zeit verlief, ohne daß Besonderes vor-
gefallen wäre. Heinzi weinte nie mehr in der heftigen Weise, wie wir
sie bisher gesehen hatten, war ein heiteres Kind, das keinerlei Angst
zeigte. Er traute sich eher zu viel, war oft frech und unverschämt,
dabei aber leicht lenkbar und in seinem Wesen so gewinnend, daß
man ihm nie böse sein konnte. Wie mir die Mutter berichtete, begann
Heinzi wieder mit seinem Genitale zu spielen; ich selbst hatte auch
bald darauf im Kindergarten einmal Gelegenheit, die gleiche Fest-
stellung zu machen: Eines Tages setzte sich Heinzi neben mich, ent-
blößte sich sehr ungeniert und sagte: „Schau Lizzi, was da herausT
guckt."
Es waren zirka zwei Monate vergangen, als die Mutter wieder mit
einer Klage zu mir kam. Heinzi zeige wieder neue Ängste, die sie
sich gar nicht erklären könne. Er fürchte sich plötzlich so vor dem
376 Alice Landau
Badeofen und vor der Badewanne, das Baden sei jetzt täglich eine
Affäre. Sie wüßte gerne, was da nun wieder los sei.
Eine mögliche Erklärung für diese Angst fand sich rascher, als ich
gedacht hatte. Liesel, mit der sich Heinzi sehr angefreundet hatte, war
selbst ein gestörtes Kind, das von dem Wunsch, ein Bub zu sein, be-
sessen war. Sie hatte Heinzi dazu verleitet, mit ihr aufs Klosett zu
gehen und dort voreinander zu urinieren. Dort hatte Heinzi Gelegen-
heit — ich weiß nicht, ob schon vorher einmal in dieser Deutlich-
keit — , das Genitale des kleinen Mädchens zu sehen. Kurze Zeit
darauf weigerte er sich, auf dem Klosettsitz Platz zu nehmen, er hockte
sich etwas ängstlich über die Muschel. Gerade damals folgte Heinzi
einmal meiner Mitarbeiterin in ihre an den Kindergarten angrenzende
Wohnung, sie kam dabei auch in ihr Badezimmer, dorthin aber
wollte ihr Heinzi nicht mehr folgen. Sie brachte ihn aber doch dazu
hineinzukommen und beobachtete dann, wie es das Abflußgeräusch
war, das ihn so beunruhigte. Sie beruhigte ihn, indem sie sagte, bei
dem kleinen Loch der Badewanne könne nur Wasser abfließen; sie
nahm eine kleine Gummibürste, legte sie auf das Abflußloch und
demonstrierte ihm, wie das Wasser abfloß und die Bürste dabei doch
liegen blieb. Heinzi zeigte größtes Interesse, spielte eine Weile selbst
das Spiel mit der Bürste und die eben entstandene Angst, die offenbar
dem Abflußgeräusch galt, war — wie auch die Mutter bestätigte —
überwunden. Ich meine, es müßte die im Zusammenhang mit dem
Beschauen der kleinen Liesel entstandene Angst vor dem Verlust
seines Genitales gewesen sein, die dann als Angst vor den Abfluß-
geräuschen im Klosett und Badezimmer in Erscheinung trat.
Indessen war es Sommer geworden und der Kindergarten wurde
geschlossen. Nach mehreren Monaten begegneten wir — meine Kol-
legin und ich — die Mutter und Heinzi auf der Straße. Sie erzählte
uns, daß Heinzi kurz, nachdem er uns verlassen hatte, an Keuch-
husten erkrankt war und viele Monate am Lande verbrachte. Nachher
wäre er an einem hartnäckigen Darmkatarrh erkrankt, der im Kinder-
spital als nervöser Katarrh erklärt wurde. Heinzi sah ungemein
schlecht aus, war blaß und recht mager und — was uns am stärksten
beeindruckte — ungemein scheu und ängstlich. Als wir ihn begrüßen
wollten, versteckte er sich hinter der Mutter, erst als wir alle den
Kindergarten betreten hatten, taute er auf, begann zu sprechen und
das ihm bekannte Beschäftigungsmaterial aufzusuchen. Die Mutter er-
klärte uns, sie wisse, wie sehr Heinzi wiederum eine erzieherische
Führung, richtige Beschäftigung und die Gemeinschaft mit anderen
Kindern nötig habe, aber ihr Mann und Heinzis Großmutter stünden
auf dem Standpunkt, daß er erst körperlich vollkommen wiederher-
Angsterlebnisse eines Dreijährigen
377
gestellt sein müsse, bevor er einen Teil des Tages außer Haus ver-
bringen könne.
Zusammenfassung der Beobachtung und
Erklärungsversuch.
Die Veränderungen, die wir im Laufe des Jahres an H e i n z i beob-
achten konnten, möchte ich in folgender "Weise zusammenfassen: Der
Knabe lernte zuerst, sieh in eine Kindergemeinschaft einzufügen, er
holte dabei auch vieles von der geistigen Entwicklung nach, das ihm
bisher nicht zur Verfügung stand. Nunmehr konnte er tadellos spre-
chen, seine Sachkenntnisse hatten sich sehr erweitert und man hätte
ihn jetzt nicht mehr für jünger geschätzt als er tatsächlich war.
Beim Eintritt in den Kindergarten bot H e i n z i das Bild eines über-
aus ängstlichen, neurotischen, oft auch aggressiven Kindes. Im Ver-
laufe des Jahres änderte sich daran manches, wenn wir auch die Be-
deutung dieser Änderung nicht überschätzen wollen. Vor allem trat
die allgemeine Angstbereitschaft so weit zurück, daß die einzelnen
Ängste deutlich zum Vorschein kommen konnten. Jede Angst wird,
sobald wir sie verstanden und uns auf sie eingestellt haben, von einer
anderen abgelöst, es kommt nicht dieselbe Angst wieder, sondern ein
Stückchen von der nächsten; das Kind will weitere Beruhigung und
Iiösung, wir können so ein Stückchen Entwicklung nachzeichnen.
Darauf möchte ich es zurückführen, daß Heinzi die Onanie wiederum
aufnahm. Diese trägt exhibitionistischen Charakter, dient also nicht
bloß der direkten Befriedigung, sondern der Darstellung seiner sexuel-
len Wünsche vor den Augen der Personen, die er verführen möchte. Im
zweiten Lebensjahr war seine exzessive Onanie durch den Vater
unterdrückt worden. Dies Verbot und die damit zusammenhängende
Einschüchterung scheinen seine Berührungsangst ausgelöst zu haben.
Durch Beruhigung im Gespräch (Seite 369) und durch die indirekte
Erlaubnis der Mutter (Seite 371) konnten wir die Störung wieder zum
Verschwinden bringen. Das Spiel mit der kleinen Liesel, mit der er
so gerne gemeinsam das Klosett aufsucht, weist auf Beobachtungen
im elterlichen Schlafzimmer hin, das Heinzi ja seit jeher mit seinen
Eltern teilt.
Am deutlichsten tritt uns aber die Folge dieser Koitusbeobachtung
in seinen Aggressionsausbrüchen und in der Angst um die Mutter ent-
gegen; diese Angst führt uns mitten hinein in den Ödipuskonflikt des
Knaben und legt uns nahe, seine Onanie nicht bloß als autoerotische
Betätigung, sondern auch als Werbung um die Mutter zu verstehen.
Der Erfolg unserer Anteilnahme an den Störungen und das Er-
gebnis unserer Bemühungen Heinzi im Eahmen des Kindergartens zu
378 Alice Landau
verstehen, sehen wir darin, daß Hemmungen aufgehoben wurden, und
das Kind so nachholen konnte, was es früher, hilflos sich und seinen
Ängsten überlassen, versäumt hatte. An dieser Stelle mußte das Kind
wieder stehen gelassen werden. Was solche Teilbehandlung nützt?
Es ist hier nicht der Ort, diese Frage in der Ausführlichkeit, die sie
verdient, zu beantworten. Da das Kind nicht nur Ängste, sondern eine
ausgesprochene Angstbereitschaft zeigt, so müßte man vor allem daran
denken, diese herauszuarbeiten und zu behandeln; dies kann aber nur
Sache einer Kinderanalyse sein. Die Aufgabe der Kindergarten-
pädagogik ist es, dieser Angstbereitschaft in einzelnen dafür geeigne-
ten Phasen zu begegnen und sich im übrigen möglichst vernünftig zu
benehmen, so daß die Entwicklung des Kindes nicht auch noch vom
Kindergarten aus gestört und verzögert wird.
: lllil!!llllllllllllll!illlll!llllllll!lllllll!llinilllfl!lll!lllll!M
B ER I CHT!
in
Zeitschrift für Kinderpsychiatrie (Journal de Psychiatrie infantile),
III. Jahrg., Heft 1, Mai 1936. (Vgl. Ztsch. f. psa. Päd., Bd. VIII, 1934, S. 278).
Dieses Prof. Sigm. Freud zum 80. Geburtstag gewidmete Heft enthält
neben einem Glückwunschschreiben des Herausgebers, Doz. Dr. M. Tramer,
Direktor der Kant. Heilanstalt „Rosegg", Solothurn (Schweiz), Arbeiten von
ärztlichen Vertretern der Psychoanalyse und Besprechungen analytischer
Literatur.
Dozent Dr. Josef K. Friedjung schreibt einleitend über
Organische Ausdrudksmittel der Kinderneurose
folgendes:
„Als ich vor mehr als 34 Jahren auf dem Wege zur Wiederentdeckung
der später sogenannten rezidivierenden Nabelkoliken der Kinder — Wer t-
h e i m b e r s erste Beschreibung dieses Krankheitsbildes war der Vergessen-
heit anheimgefallen — beim Studium der Literatur mit dem seither berühmt
gewordenen Buche von Breuer und Freu d 1 ) bekannt wurde, wußte ich es
zunächst meinen damaligen wissenschaftlichen Anschauungen nicht einzu-
ordnen. Bis dahin gewöhnt, überall in der Krankheitslehre an das anatomische
Substrat zu denken, sah ich hier mit einem Male den Blick vornehmlich auf
die Funktion gerichtet, die unter dem Einflüsse seelischer Energien eine
Wendung ins Krankhafte nehmen konnte. Alltägliche, zu wenig beobachtete
Beobachtungen erschienen aber damit allmählich in neuem Lichte, gewannen
an Bedeutsamkeit: das Sehwanken etwa künstlerischer Leistungen, sport-
licher Erfolge unter dem Einflüsse der „Disposition", selbst des Bestehens
in der Schule wurde unserem Verstehen zugänglicher. Aber auch manches bis
dahin dunkle Geschehen an Kranken, auch am Kinde, wurde klarer. Freuds
weitere grundlegende Arbeiten lehrten uns bald insbesondere das Kind von
neuen Seiten sehen, sein Trieblehen, bis dahin unbeachtet, rückt© in unser
Blickfeld, und ein immer weiter gezogener Kreis krankhafter Erscheinungen
selbst schwerer Art wurde als funktionell entlarvt. Zuerst war es das damals
in Mitteleuropa rasch an Verbreitung gewinnende einzige Kind, das mit seiner
eigenartigen Pathologie mannigfacher somatischer Fehlfunktionen auffiel,
bald waren es auch Kinder verschiedenartiger anderer pathogener Familien-
situationen, die sich dazu gesellten, bis schließlich die Fehlerziehung in der
Pathologie des Kindes der vererbten Konstitution ebenbürtig an die Seite
gestellt werden mußte. Die Kinderneurose wurde so in ihrer Entstehung ver-
folgbar und verständlieh, ihre Bedeutung für die spätere Neurose des reifen
Menschen klar. Und mannigfache, organische Störungen der Kinder wurden
erst jetzt unserem Verständnis näher gebracht und der kausalen Therapie zu-
gänglich, da der Kinderarzt anfing, Erziehungsschwierigkeiten jeder Art in
den Bereich seines Interesses zu ziehen." .
Es, folgen nun kinderärztliche Befunde über Körpergestalt und Haltung
beim neuropathischen wie neurotischen Kinde, die ja den Praktiker — sofern
er diesen Erscheinungen überhaupt Aufmerksamkeit schenkt — * direkten die
*) „Studien über Hysterie", 1895. '■ H* ." . — " ~ '
380 Berichte
Probleme der Kinderpsychiatrie heranführen müssen. Die Aufzählung der
„Organsymptome" beweist, daß dem modernen Pädiater die Lehre von der
Psychogenese körperliche Symptome, die ja auf der Breuer-Freud sehen
Studie basiert, geläufig sein muß. Schließlich wird noch im Abschnitt über
„Veränderungen geläufiger Krankheitsbilder" eindringlich hingewiesen, daß
die Kinderneurose — gemeint ist wohl in erster Linie die kindliche Angst-
bereitschaft — jede organische Erkrankung kompliziert, daß sie nicht wie ein
tlbel, sondern eben als Komplikation behandelt werden muß. „Grundsätzlich
aber ist festzustellen, daß eine bloß symptomatische Behandlung der beschrie-
benen Störungen nie allein genügen kann. Ist sie gelungen, dann muß erst
recht der Boden ärztlich assaniert werden, aus dem die unangenehmen Er-
scheinungen erwachsen sind."
*
Psychologie des Kindes das „Caput Nili" der menschlichen Psychologie.
l8 a 6 — 1936. (Zu Sigmund Freuds 80. Geburtstag)
Im Jahre 1896 veröffentlichte Prof. Sigm. Freud eine Arbeit „Zur
Ätiologie der Hysterie" betitelt, in welcher er die hysterischen Erkrankungen
auf frühkindliche Sexualerlebnisse zurückführte. Er schrieb dort: „Ich stelle
also die Behauptung auf, zugrunde jeden Falles von Hysterie befinden sich
— durch die analytische Arbeit reproduzierbar, trotz des Dezennien umfas-
senden Zeitintervalles — ein oder mehrere Erlebnisse von vorzeitiger sexuel-
ler Erfahrung, die der frühesten Jugend angehören 2 ). Ich halte dies für eine
wichtige Enthüllung, für die Auffindung eines Caput Nili der Neuropatho-
logie ..."
Von diesem Satze ausgehend, unternimmt Hans Christoffel in seiner
Arbeit einen Streifzug durch die älteren Schriften Freuds, um die Leser
auf diese Quelle psychologischen Wissens aufmerksam zu machen. Nimmt er
doch wohl mit Recht an, daß den ärztlichen Lesern Freuds Werke so gut
wie unbekannt sind, was aber nach Ansicht des Referenten keineswegs allein
auf die Bevorzugung der modernen Fachlektüre zurückzuführen ist. Man
möchte gerne hoffen, daß die Absichten des Autors voll realisiert werden.
*
Dr. A. R e p o n d, Medecin-Dir. de la Maison de Santo de Malevoz, Montley
(Schweiz) schreibt in französischer Sprache folgendes:
Freud und die Kinderpsychiatrie
Die überwiegende Mehrheit der Schweizer Irrenärzte, und namentlich die
in den letzten dreißig Jahren aus der Schule des Burghölzli 3 ) hervorgegan-
genen, sind daran gewöhnt, psychologische und psychopathologische Erschei-
nungen in der Weise zu betrachten, die Freud gelehrt hat. Es würde für
s ) 1924 fügte Prof. Freud folgenden Zusatz hinzu : „All dies ist richtig,
aber es ist zu bedenken, daß ich mich damals von der Überschätzung der
Realität und der Geringschätzung der Phantasie noch nicht freigemacht hatte."
') Anm. der Redaktion: Züricher Universitätsklinik für Geistes-
krankheiten, an der schon um das Jahr 1907 die Psychoanalyse studiert und
verwendet wurde. Vgl. Ges. Sehr., Bd. IV, S. 432.
f
Berichte 381
sie einer großen Anstrengung bedürfen, diese Denkungsart auszuschalten,
oder sich den Zustand der Psychiatrie ohne das Auftreten der Psychoanalyse
vorzustellen. Wenn auch in geringerem Maße, könnte man von den Irrenärzten
aller Länder das gleiche sagen, auch von den ausdrücklichen Gegnern der
Analyse: denn in der Tat, wenn man sie liest oder hört, wird man sofort dar-
über belehrt, daß auch sie sich Freud scher Termini bedienen und sich seine
Begriffe zu eigen gemacht haben.
Jedoch sind die analytischen Erkenntnisse im allgemeinen im Spezial-
gebiet der Kinderspychiatrie am wenigsten verbreitet; dies bezieht sich ebenso 1
auf die kindliche Psychopathologie wie auf die Zusammenfassung der theore-
tischen und praktischen Erkenntnisse, die die Pädagogik ausmachen. In der
Pädagogik stieß die Psychoanalyse mit einem festgefügten Gemenge von
Doktrinen, Unterweisungen und Belehrungen zusammen, das langer Gebrauch
bestätigt hatte; durch die Annahme psychoanalytischer Lehrsätze wäre zu
vieles verwirrt worden, eine Bevision aller Werte wäre nötig geworden, viel-
leicht sogar eine Änderung der überlieferten Grundlagen, auf denen die ganze
gegenwärtige Pädagogik aufgebaut ist. So blieb die Psychoanalyse den wirk-
lich abnormen Fällen, in denen die allgemein üblichen Erziehungsmittel ver-
sagen und in denen die Medizin nichts erreicht, vorbehalten.
Trotzdem können sich Ärzte, die seit Beginn ihrer Berufsarbeit mit analy-
tischen Methoden vertraut sind, die Bedeutung Freuds für die Kinder-
psychiatrie kaum vorstellen; erst wenn sie Pädiater, Lehrer oder Erzieher
antreffen, die von der Analyse jene vage, irreführende Meinung haben, die
die gelegentliche Lektüre polemischer Schriften mit der üblichen moralischen
Entrüstung über den vermeintlichen Pansexualismus vermittelt, dann wird
ihnen der Sachverhalt klar. Diese Personen werden durch die häufigsten
nervösen Symptome, wie Enuresis oder exzessive Onanie in völlige Verwir-
rung gestürzt; die allereinfachste neurotische Störung, die jedem, der Freuds
Konzeption kennt, sofort in die Augen springt, demonstriert ihre absolute
Unfähigkeit, zu verstehen, und die Armseligkeit ihrer Hilfsmittel.
Ich will hier weder den wissenschaftlichen Wert von Freuds Ideen über
die Entwicklung und die Organisation der kindlichen Triebe noch seine
Theorien über die Genese der Neurosen oder der Perversionen diskutieren.
Es ist klar, daß sein Lehrgebäude, wie alle Theorien, die Feststellungen und
isolierten Entdeckungen über diese oder jene Sondererscheinung zusammen-
faßt, um daraus ein Ganzes zu formen, das so geschlossen wie möglich unser
natürliches Bedürfnis nach einer verstandesmäßigen Erklärung befriedigt.
In diesem Sinn muß man anerkennen, daß Freuds Lehrgebäude von genialer
Inspiration getragen ist; es beantwortet die Mehrzahl der auftauchenden
Fragen und gibt den Erscheinungen eine befriedigende und für die Praxis
genügende Erklärung.
In der Medizin verlangen wir von den Theorien vor allem, daß sie uns
heilen helfen, und auf diesem Gebiet hat die Psychoanalyse der Psychiatrie
die wichtigsten Dienste geleistet. Zuerst hat sie uns gelehrt, die Gewohnheit
aufzugeben, das Kind als einen Erwachsenen im kleinen aufzufassen; sie hat
uns gezeigt, daß es unzulässig ist, in der Kinderpsychologie die Normen anzu-
wenden, die für den Erwachsenen in moralischer, intellektueller und charak-
terologischer Hinsicht gültig sind.
Wir haben verstanden, daß für diesen Irrtum der dauernde Vergleich
zweier Erscheinungsgruppen, die auf keinen gemeinsamen Nenner zu bringen
sind, verantwortlich ist; daß die Kinderpsychologie unauflöslich an die Er-
wachsenenpsychologie gebunden blieb; von dort her wurde sie nach den Maß-
stäben des Erwachsenen bewertet, man vermutete identische Reaktionen und
erwartete völlige Analogien. Nur die Moralisten hatten eine Ahnung der
Wirklichkeit, sie hatten eine, übrigens recht schwankende Grenze festgesetzt :
das Alter der Vernunft als den Zeitpunkt in der kindlichen Entwicklung, wo
■es möglich wurde, die Maßstäbe der Erwachsenheit anzuwenden.
Ohne Zweifel wurden wir erst durch die Analyse in Stand gesetzt, uns
den so nahen und zugleich so fernen Geheimnissen der kindlichen Seele
objektiv zu nähern. Abgesehen von somatisch verursachten Erkrankungen des
Zentralnervensystems, gibt es kaum mehr psychische Störungen der Kindheit,
wo der Arzt nicht hoffen könnte, zu helfen. Die Charakteranomalien, die
Führungsschwierigkeiten, die Störungen der Realitätsanpassung, die Reibun-
gen innerhalb der Familie, die krankhaft übersteigerte Eifersucht sind zum
mindesten teilweise durch die psychoanalytisch fundierten heilpädagogischen
Maßnahmen beeinflußbar. Das gleiche gilt für die zahllosen, kleinen nervösen
Symptome der Kindheit: Enuresis, Stottern, Zornanfälle, krankhafte Gewohn-
heiten wie Nägelbeißen, Eßstörungen, verfrühte Sexualbetätigung und ähn-
liches mehr. Die ausgesprochenen Neurosen des Kindes, Hysterie, Zwangs-
neurose, Phobien, Angstneurosen sind heute oft heilbar, ebenso wie alle
Störungen des seelischen Gleichgewichtes, bei denen das Psychische in der
Verursachung irgendeine Rolle spielt.
Die nämlichen Annahmen gelten für die vereinzelten Symptome und die
akuten Neurosen der Pubertät. Man weiß auch, daß die Störungen der Puber-
tät leichter behebbar sind als frühere, weil das „Ich" des Kindes bereits besser
-organisiert ist und im Kampf gegen die Krankheit zum wertvollen Bundes-
genossen wird.
Ich möchte nicht, daß diese Zeilen als bloßer Lobgesang zu Ehren Freuds
aufgefaßt werden. Um vollständig zu sein, hätte man natürlich eine Abgren-
zung der jetzt gebräuchlichen heilpädagogischen Mittel, die auf Psycho-
analyse basieren, von den anderen versuchen müssen. Zum Beispiel ist es
klar, daß Watsons Behaviourismus der Psychotherapie und der Nach-
erziehung ein Gefüge von sehr wertvollen technischen Ratschlägen gegeben
hat. Ebenso hat die Intelligenzprüfung durch Tests, die es erlaubt die ver-
schiedenen geistigen Fähigkeiten und ihre Beziehung zueinander zu prüfen,
einen wesentlichen Fortschritt ermöglicht. Jedoch alle diese Methoden bleiben
an der Oberfläche unserer Kenntnis der Persönlichkeit und der Störungen,
die sie aufweisen kann; es ist das psychoanalytische Ideengebäude, welches
erlaubt, sie zu ordnen und zum Verstehen der Ursachen vorzudringen.
Einen Psychiater, der mit psychoanalytischen Methoden vertraut ist und
sie täglich anwendet, um seine Meinung über Freud befragen, hieße das-
selbe tun, wie wenn man einen Chirurgen über seine Meinung nach dem Ein-
Berichte
383
fluß von List ers Entdeckung der Desinfektion auf die Chirurgie befragen
würde. Die moderne Chirurgie ist unvorstellbar ohne die Ideen von Sepsis
und Asepsis und ebensowenig wäre die moderne Psychiatrie denkbar ohne
Psychoanalyse.
*
Es folgt nun die Arbeit:
Freuds Einfluß auf die Pädagogik und Heilpädagogik
von Heinrich Meng, Basel.
„Wenige Kinder sind durch Vererbung so dumm, daß sie die Schule des-
wegen nicht bewältigen können. Wenige sind von Lebensbeginn an so zur
Verwahrlosung disponiert, daß sie deswegen mißraten müßten. Kein Kind
stottert nur deshalb, weil es eine organische Veränderung im nervösen
,Stimmapparat' aufweist. F r e u d hat für das Entstehen der Seelenstörungen
allgemein angenommen, daß niemals ein einziger Faktor verantwortlich ist,
sondern stets kausale .Ergänzungsreihen' wirksam sind."
Konstitution und Milieueinflüsse, meint Meng weiter, seien umgekehrt
proportioniert beteiligt. Seelenstörungen können nämlich bei solchen Indivi-
duen leichter entstehen, die erstens auf Grund ihrer abnormen Triebkonsti-
tution oder auf Grund konstitutioneller Schwäche ihres Ichs dazu disponiert
sind; zweitens die bessere Konstitution zwar ausgereicht hätte, sie diesem
Schicksal entgehen zu lassen, wenn nicht das Leben die Mensehen „in allzu
gefährliche Lagen für das Entstehen und den Ausbruch einer Neurose ge-
bracht" hätte. Und wenn schließlich drittens äußere Lebensumstände so schäd-
lich wirksam waren, daß „eine an sich normale Veranlagung zu einer patholo-
gischen Form umgebogen wird". In jedem Fall von seelischer Störung wirken
innere und äußere Einflüsse zusammen. „Sie können auch einander entgegen-
wirken. So kann trotz deutlicher Anlage zur Zwangsneurose die Hysterie
vorwiegen und nur in Charakterzügen und Reaktionen das Zwangsmäßige
sich zeigen. In solchen Fällen trafen die schädigenden äußeren Einflüsse das
Kind auf einer Entwicklungsstufe, deren Struktur eben für die Hysterie dis-
poniert." Man soll Keimanlage, Erbgut und Keimschädigung nicht überschätzen,
der „Zeit nach der Geburt große Wirkungsgebiete und Kräfte zuteilen". Diese
Gesamtanschauung erkläre, warum Freud „der Pädagogik ebenso wie der
ärztlichen Therapie neuen, bedeutungsvollen Arbeitsraum . teils zugewiesen
hat, teils erobern konnte".
Meng würdigt nun die von Freud begründete Lehre von den Wider-
ständen. „Wie in der psychoanalytischen Therapie, so werden auch bei der
Erziehung bestimmte Erschwernisse des Kindes, auch seitens der Eltern des
Kindes, als Widerstand, selbst gegen das freundlichste Bemühen, geradezu ge-
fühlt, besonders dann, wenn es der Lenkung und Besserung des Kindes gilt."
Nachdem der Autor dann die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit —
wie die Psychoanalyse sie lehrt - besprochen, Angst- und Übertragungs-
erscheinungen beschrieben hat, kommt er zur Bedeutung der Psychoanalyse
für Pädagogik und Heilpädagogik, die er in folgenden 15 Punkten zusammen-
faßt :
L
384 Berichte
„Die Erforschung des Unbewußten hat den dynamischen und genetischen
Aufbau von der ersten Kindheit bis zur vollen Keife als einheitlichen Ablauf
und bis ins einzelne erforschen lassen. Auf dieser Grundlage wurden:
1. Die Mittel der Erziehung geändert und vermehrt.
2. Es wurden die Mittel dem Erziehungsziel besser anpaßbar.
3. Die Beurteilung der Erziehungsziele selbst wurde auf eine andere
Grundlage gestellt (Trieblehre, Kenntnis der Ich-Struktur, Wesen der Reali-
tätsanpassung, Bildung des Über-Ichs).
4. Es ergab sich so vielfach noch dort eine Erziehungsmöglichkeit, wo man
sich früher auf Grund der moralischen Verurteilung oder der bloßen An-
nahme eines schlechten Willens mit palliativen, rein abwehrenden Maßnahmen
begnügen mußte.
5. Es ergab sich eine Erziehungsmöglichkeit, wo man früher unter der
Annahme von schlechter Erbanlage und Degeneration davon völlig oder
partiell Abstand nahm.
6. Es wurde eine Früherziehung ermöglicht, welche der zunehmenden Fehl-
entwicklung vorbeugt und viele sonst leidvoll und unbenutzt verstrichene
Jugendzeit erspart.
7. So wird durch prophylaktische Pädagogik auch viel Heilpädagogik er-
spart.
Die „Erziehungshilfe" wird wissenschaftlich begründet und wurde so zu
einer allgemeinen Aufgabe der sozialen und individuellen Fürsorge.
8. Die „Heilerziehung" im eigentlichen Sinn empfing neue Hilfsmittel, be-
sonders durch die Kenntnis der „Übertragung" und der „Widerstände".
9. Durch die Erforschung der Kinderneurose, die vor Freud geradezu
unbemerkt war, ist der Heilpädagogik unfruchtbares, weil die Psychoanalyse
erforderndes Bemühen abgenommen worden. Die Indikationsstellung wurde
neu fundiert.
10. Die Enthüllung, daß viele Störungen, auch wegen ihrer Brauchbarkeit
analog dem sekundären Krankheitsgewinn, im Kampf mit der Umwelt fest-
gehalten werden, ist ein praktisch besonders wichtiges Beispiel für die Not-
wendigkeit, die Widerstände zu erkennen.
11. Durch die psychoanalytisch verstehende und danach vorgehende Er-
ziehung wurde für bestimmte Voraussetzungen einer Prophylaxe der Psycho-
sen erst der Weg gewiesen.
12. Die sexuelle Erziehung wurde ermöglicht und gleichfalls eine Forde-
rung der individuellen Fürsorge.
13. Die Versorgung der Unerziehbaren und Unheilbaren wurde wissen-
schaftlich gefördert.
14. Die Vorbeugung und die Behandlung der Verwahrlosten und der
Süchtigen, das gesamte Verhalten gegenüber den Grenzfällen wurde wissen-
schaftlich und praktisch gefördert. Besonders bei diesen Gruppen, aber auch
als allgemeine Erfahrung für jede Heilerziehung, kam zur Geltung, daß bei
allem Vorgehen die Spätfolgen im Auge zu behalten sind und daß ferner die
Heil- und Fürsorgetätigkeit auch nach erreichter praktischer Heilung oder
Besserung, je nach dem Fall angepaßt und vermindert, fortdauern soll.
Berichte
385
15. Die Psychoanalyse der Erzieher seihst erhöht die Eignung zur sonst
untragbar schweren Aufgabe der Heilpädagogik.
In der Tat: viel dankenswerte Arbeit ist hier im Dienst der Menschheit
geschehen."
Ein Fall von traumatischem Mutismus
wird von G. B a 1 1 y, Zürich beschrieben und in folgenden Sätzen zusammen-
gefaßt: „Ein sechsjähriges Mädchen zeigt nach einem schweren Hundebiß eine
traumatische Neurose von hysterischem Charakter. Die Symptome bestehen
in motorischer Gesperrtheit und Mutismus, in Appetitlosigkeit und Erbrechen,
in nächtlichen Ängstzuständen und Angst vor fremden Menschen.
In 82 über zehn Monate verteilten psychotherapeutischen Stunden gelangt
der Fall zur Heilung. Auf sprachliche Verständigung muß, außer gegen Ende
der Behandlung, notgedrungen verzichtet werden. Nach vielen tastenden Ver-
suchen wird endlich das Bilderkleben und Zeichnen als therapeutisches Mittel
gefunden. An Hand der daraus ermittelten Daten wird einerseits das Ver-
halten der Angehörigen beeinflußt (Entfernung des Kindes aus dem elter-
lichen Schlafzimmer, Weckung des Interesses der Angehörigen an den Be-
handlungsfortschritten statt an den Krankheitserscheinungen), anderseits
fördert die Behandlung durch stille Anerkennung und Gewährenlassen des
Kindes das Vertrauen in den sachlichen Kontakt mit der Mitwelt und befreit
damit die Motorik.
Die durch den Fall veranlaßten theoretischen Überlegungen zum Schluß,
daß das Trauma eine regressive Aktivierung des Ödipuskomplexes zur Folge
gehabt haben muß, die dadurch zustande kam, daß das Vertrauen in die objek-
tive Gültigkeit der Werte und Maße der Latenzzeit durch den Unfall erschüt-
tert wurde. Hinter den Nachtängsten wird ein Urszenenerlebnis vermutet."
Zeitschrift f. psa. Päd., X/6
386 Bücher
Büdier
Helene Löw-Beer und Milan Morgenstern: „Heilpädagogische
Praxis". Methoden und Material. Mit 71 Zeichnungen von L. Anninger und
M. Rubin. 1936. Sensen- Verlag, Wien— Leipzig. Preis kart. EM 6.—, Ganz-
leinen EM 7.—.
Wie aus dem Titel hervorgeht, soll dieses Buch der Förderung praktischer
heilpädagogischer Arbeit dienen. Seinen Ausgangspunkt bildet die Darstel-
lung heilpädagogischer Tätigkeit in einem Kinderheim, die man gewöhnlich
als hoffnungslose Fälle betrachtet, deren Erziehbarkeit oder Entwicklungs-
fähigkeit auch der Fachmann anzweifelt und die zumeist lebenslänglich in
Pflegeanstalten untergebracht werden. Detaillierte Schilderung der Organi-
sation dieser Arbeit, der Kontaktanbahnung mit den Kindern, der durchge-
führten Betätigungsweisen und des angewendeten Materials, sowie Protokolls
über den Arbeitsverlauf und Erfolg geben nicht nur ein klares Bild über die
geleistete Arbeit (an jüngsten Kleinkindern bis zum 14. Lebensjahr), sondern
bieten auch ausführliche Anleitung zur Arbeit mit schwachsinnigen Kindern
bis zur erreichten Hilfssehulfähigkeit.
Die Bildung der Kinder wird auf zwei Haupteigenschaften angestrebt:
1. Orientierung und manuelle Betätigung in der Dingwelt,
2. die Sprache; anschließend das Lesen.
Den besonderen Wert der dargestellten Methodik sehen wir in zwei
Momenten:
1. In ihrer Anwendbarkeit auf ein so frühes Lebensalter und auf so schwer
gestörte Kinder, an die sich heilpädagogisch fördernde Strebungen bisher
nicht methodisch herangewagt haben. Das defekte Kleinkind in den ersten
Lebensjahren als solches zu erkennen und so früh wie möglich dem geeigneten
spezifischen Erziehungsverfahren auszusetzen, ehe es sich noch mit psychi-
schen Eeaktionen auf seine Defekte festlegt, ist für seine Entwicklung be-
kanntlich von eminentem Interesse.
2. In der psychologisch richtigen Erfassung dieser Aufgabe, die nicht nur
die psychische Situation des Kindes, sondern auch die des Heilpädagogen be-
rücksichtigt.
Von der Voraussetzung ausgehend, daß jedes Kind, und sei es noch so
abnorm, letzten Endes den Weg des Normalen geht, wenngleich langsamer und
auf Umwegen, macht es sich diese Methode zur Aufgabe, auch dem defektesten
Kleinkinde die Leiter für den Emporstieg zur Entwicklung, entsprechend
dimensioniert, zu bauen, so daß sie vom niedrigsten Niveau aus erreichbar
und verwendbar sein kann.
Für die Art der Bewerkstelligung ist wesentlich, was die Verfasser als
„Arbeitsanalyse" bezeichnen. Sie zerlegen beispielsweise die Arbeit des Perlen-
reihens in zehn Leistungsmomente und beobachten, an welchem Moment das
Kind beim ersten Versuch versagt. Ohne wiederholtes Zeigen und Ermahnen,
das — wie bekannt — leicht in Quälereien, Ungeduld, Mißerfolg, beiderseitige
Verstimmung ausläuft, wird das Material gewechselt. Die „Fehleranalyse"
zeigt, wo dem Mangel durch Vorübung des betreffenden Leistungsmomentes
an anderem Material, unter erleichterten Umständen beizukommen sei. Zu
Bücher 387
spielerischen Tätigkeiten, die das normale Kind ohne Hilfe spontan ausführt,
werden dem Objekt der „Heilpädagogischen Praxis" Schablonen, Rahmen,
Schienen, Arbeitsmanschetten usw. als Hilfsmittel geboten, um ihm den Erfolg
als Lockmittel zu weiterem Fortschreiten zu sichern. Deshalb wird ihm auch
jeder Erfolg mit besonderem Nachdruck zum Bewußtsein gebracht. Vom
normalen Beschäftigungsmaterial würde das schwer gestörte Kind sich sehr
schnell abwenden, auf die Betätigung damit verzichten. Leistete man ihm nun
notgedrungen Hilfe, so bekäme seine Passivität nur eine andere Einkleidung.
Durch das beschriebene Vorgehen wollen die Verfasser Passivität, Mißerfolg
und Tadel gänzlich ausgeschaltet wissen, um die der Arbeit hinderliche Ab-
wehr des Kindes nicht zu mobilisieren.
Denn „das schwachsinnige Kind zeigt außer seinen verminderten Qualitä-
ten deutliche Abwehrhaltungen. Es hat sich ein Leben eingerichtet, hat seine
Methoden sich Lust zu verschaffen, hat seine Wege, Mißliches zu vermeiden".
s ,Es zeigt typische Abwehrhaltungen in Überkonzentriertheit, ünstetheit, in
einem Rückzug der Persönlichkeit." Jeder Versuch einer Veränderung kann
leicht Widerstand aktivieren. Deshalb wird dem Moment der Kontaktan-
bahnung mit dem schwer zugänglichen Kinde große Wichtigkeit beigemessen.'
Hat der Analytiker den Vorgang vor Augen, wie er als Kinderanalytiker oder
Erziehungsberater die Übertragung anzubahnen versucht, so ist der Akt wohl
analog, nur in der Transkription ins ungleich Primitivere. Material muß an-
sprechen, „Kontaktmaterial" Werbekraft ausüben, wo die Sinne dem mensch-
lichen Zuspruch noch unzugänglich sind. Der Heilpädagoge spielt auf der
Mundharmonika, um den schreienden Dreijährigen bei Beginn zu beruhigen,
dann um seine ersten Leistungen im Lautgeben begeistert zu begrüßen. Wie
er das Material handhabt, um die Schwierigkeit des Neuen, Unlustvollen zu
überwinden, um der psychischen „Sättigung" vorzubeugen, wie er zwar ein
Ziel ins Auge faßt „als ob es so ginge", aber jederzeit bereit ist, es wieder
fallen zu lassen, wie er der psychischen Situation des Kindes angepaßt impro-
visiert, zeigt, daß die Forderung nach Anpassung an die Realität zunächst
auf ein Mindestmaß beschränkt wird. Die Umwelt wird weitestgehend dem
Schwachen angepaßt, um ihn erst von Stufe zu Stufe der Realität näherzu-
bringen. Als solche Stufen sind z. B. das Handhaben von Werkzeugen, dann
das „Werkzeugdenken" zu betrachten. Als Hauptaufgabe wird angesehen, dem
triebhaften Betätigungsdrange, der oft in Zerstörungswut übergeht, zur Subli-
mierung zu verhelfen. Dabei wird von den Verfassern stets die Lust-Unlust-
Balance des Kindes bei der Darbietung des Materials, dem Träger ihrer ent-
wieklungsfördernden Strebungen, bedacht. So stellen sie die „Ersparnis-
technik" des motorisch gestörten Kindes, das unbequeme Motorik zu vermei-
den sucht in Analogie zum „sekundären Krankheitsgewinn" des Neurotikers
und suchen ihr durch „Störungsmaterial" beizukommen: die Übungen sind
dazu angetan, das Kind zu animieren, sich aus körperlich unlustvoller Situa-
tion zu befreien. Dazu muß es aus einem Korb herauskriechen, Fingerhand-
schuhe ausziehen, Leukoplaststreifen lösen usw. Immer wird der Ausgangs-
punkt gesucht, den das Kind bejaht. Die Verfasser suchen auch den von ihnen
beobachteten merkwürdigen Hang auszuwerten, demzufolge Betätigungen an
388 Bücher
Löchern, Vertiefungen, Ineinanderfügbarem mit besonderer Ausdauer ausge-
führt werden. Dementsprechend ist das Material von diesem Elemente erfüllt
(Einge, Perlen, Matador usw.). Sie achten auch darauf, daß unbeabsichtigte
Äußerungen, Fehlleistungen, wie neue Produkte aufgegriffen und womöglich
positiv verwertet werden. So glückte es z. B. einmal, das unwillige Schreien
eines hörstummen Kindes auszunutzen, um ihm den Weg zur ersten Artiku-
lation zu bahnen.
Sollte es der Methode von Morgenstern auch in allgemeiner Anwen-
dung gelingen, die Aufgabe, schwierigsten Kindern den Weg zur Sublimierung
zu eröffnen, so wird auch aus ihr manches für den Erzieher des normalen
Kindes herauszuholen sein, wie es bei den Methoden von D e e r o 1 y, der
Descoeudres und Montessori der Fall war, die alle vom Studium
des schwachsinnigen, also des organisch gestörten Kindes ausgingen. Es folgt
der Hinweis darauf, wie wenig scharf die Grenzen von seelischer und körper-
licher Störung zu ziehen sind, und wir können den Verfassern der „Heil-
pädagogischen Praxis" nur beistimmen, wenn sie sagen, daß psychologische
Erklärungen versuchen, noch nicht heißt: physiogenetisehe Begründung zu
leugnen. Daß sie trotzdem recht sparsam und vorsichtig in der Handhabung
psychologischer Deutungen sind, kann ihnen nur als Vorzug angerechnet
werden. Ebenfalls auch der prinzipielle Standpunkt, den sie einzunehmen
scheinen, psychoanalytische Therapie und praktische Heilpädagogik streng
voneinander abgegrenzt halten, wenn auch die letztere auf psychoanalytischer
Auffassung der kindlichen Psyche aufgebaut ist. Rata L . yy (Btldapest)
Schneider, Prof. Dr. Ernst : Psychodiagnostiscb.es Praktikum für
Psychologen und Pädagogen. Eine Einführung in Hermann Rorschachs Form-
deuteversuch. — J. A. Barth, Leipzig, 1936 (132 S).
Innerhalb des kurzen Zeitraums von vier Jahren, der seit dem Erscheinen
der zweiten Auflage von Rorschachs „Psychodiagnostik" vergangen ist,
bat sich das Interesse für das von ihm entwickelte und nach ihm bekannte
Testverfahren in überraschender Weise verstärkt und in weite Kreise ver-
breitet. Die vorliegende Arbeit Schneiders 1 ) will diese Ausbreitung
fördern und ist darauf berechnet, den speziellen Bedürfnissen der Pädagogen,
welche die Anwendung des Tests erlernen wollen, zu dienen. Schneider
meint, daß Rorschachs Buch sich für diesen Zweck nicht eigne, weil es
in erster Linie für Mediziner geschrieben sei, daß aber starke und berechtigte
Motive gegeben seien, den Rorschachtest gerade dem Pädagogen, dem er so-
gute Dienste leisten könne, zugänglich zu machen. So hat er in diesem „Psycho-
diagnostischen Praktikum" die Grundzüge des Rorschach sehen Formdeute-
experiments, das dazugehörige Auswertungsvei fahren und eine Reihe von
typischen Ergebnissen des Tests an Hand von zahlreichen und ausführlich
erläuterten Beispielen aus der Praxis dargestellt. In dieser Darstellung treten
nicht nur alle psychiatrischen Fragen, sondern auch diejenigen nach Charak-
terstruktur und etwaiger Neurose der Probanden in den Hintergrund zugun-
1 ) Vgl. unseren Teilabdruck bei Erscheinen des Werkes, diese Zeitschr.,
dieser Jahrg., S. 122 ff.
Bücher 389
sten der Frage nach der Begabung im schulmäßigen Sinn und nach ihrer
etwaigen Störung oder Hemmung durch die Auswirkung psychischer Störun-
gen. Mit andern Worten, die psychologische Fragestellung wird ganz nach
denselben Gesichtspunkten orientiert, die sich dem Lehrer im Unterricht in
aller Regel als die ersten aufdrängen. Auch die Sprache, deren sich Schnei-
derin seiner Darstellung bedient, ist der typischen Denkweise des gebildeten
Lehrers angepaßt; in ihrer Terminologie appelliert sie an die psychologische
Allgemeinbildung, wie sie gegenwärtig bei einem Akademiker in Deutschland
vorausgesetzt werden kann. Auf diese Weise wird die „Psyehodiagnostik" von
Borschach für den Pädagogen eigentlich gänzlich entbehrlich, zumal alle
von Eorschach eingeführten Termini durch Bezugnahme auf verwandte
Begriffbildungen von Jung, Spranger, Kretschmer u. a. erläutert
werden.
Obwohl Schneider mit seiner Arbeit unzweifelhaft ein starkes Bedürf-
nis in bestimmten Pädagogenkreisen befriedigt, glaubt der Referent, an ihr
Kritik üben zu müssen, — und zwar deswegen, weil der Autor diesem Inter-
esse offenbar zu weitgehende Konzessionen macht.
Eorschach stand der Psychoanalyse nahe; seine Denkweise ist auch
dort, wo die von ihm geschaffene Terminologie einen anderen Eindruck her-
vorruft, derjenigen der Psychoanalyse verwandt; er hat die Erfahrungen mit
seinem Formdeute-Erperiment in Kontakt mit psychoanalyitschen Fachkollegen
ausgearbeitet. Daß man die Darstellung dieses nicht nur historisch, sondern vor
allem sachlich bedeutsamen Zusammenhangs des Eorschach sehen Test-
verfahren mit der Psychoanalyse in Schneiders Buch gänzlich vermissen
muß, ist eine Enttäuschung, auf die man nicht vorbereitet war und die im
Interesse der Sache ungemein zu bedauern ist. Für den Analytiker sind am
Eorsohachtest das Wertvollste und das Interessanteste diejenigen Befunde,
welche mit bekannten analytischen Sachverhalten in einen Zusammenhang
eingereiht werden können oder doch wenigstens „physiognomische" Verwandt-
schaft mit solchen aufweisen. So verstehen wir immerhin einiges davon, daß
und warum sich Hysterie und Zwangsneurose im Eorschachtest in bestimmter
Weise unterscheiden; wir wissen etwas davon, wie sich Angst, genauer:
neurotische Bereitschaft zur Angstentwicklung und -abwehr, im Test aus-
drücken können; wir wissen und verstehen einiges Grundsätzliche davon, wie
Trieb, Abwehr und die Konflikte beider sich in den Testergebnissen zur Gel-
tung bringen. Ist es auf die fachliche Einengung des analytischen Interesses
zurückzuführen, wenn man die Vernachlässigung dieser und ähnlicher Befunde
so stark als Mangel des Buches empfindet? Ist es nicht vielmehr so, daß auch
das Interesse des Pädagogen und Psychologen sich in erster Linie auf diese
Befunde richten muß? Wissen wir denn nicht gut genug, in welchem Maße
Intelligenz und sonstige Begabung von der Triebentwicklung abhängig sind?
Und noch abgesehen davon: man muß sich auch der Tatsache bewußt bleiben,
daß die Intelligenz- und Begabungsdiagnose keineswegs zu den primären
Leistungen des Eorschachtestes gehört. Wenn Schneider jene bedeut-
sameren diagnostischen Fragen nach der psychischen Struktur behandelt, so
geschieht es in Anlehnung an die Denkweise und die Terminologie anderer
390 Bücher
psychologischer und charakterologischer Schulen, nicht im Sinne der von der
Psychoanalyse entwickelten Gesichtspunkte. Dafür nur ein Beispiel: das Ver-
drängte und seine Wirksamkeit wird dem Leser in der Terminologie
Kretsohmers als „energetisches Nebenzentrum" vorgestellt.
Die Kritik an dem Buche Schneiders, die hier vorgebracht wurde,
wäre vielleicht weniger berechtigt, wenn nicht auch der Kern des Testver-
fahrens von Eorsehach ein rein psychoanalytischer wäre. So wie der
Analysand in der Analysenstunde sich etwa zu einem bestimmten Traumstüok
etwas einfallen lassen soll, so soll beim Eorschachtest der Proband zu den
vorgelegten Tafeln mit Klexographien passende Einfälle liefern. Daß dabei
die Wirksamkeit der Zensur nicht wie in der Analyse nach Möglichkeit aus-
geschaltet wird, beeinträchtigt durchaus nicht die grundsätzliche Verwandt-
schaft des Rorschach sehen Testverfahrens mit der Methode des freien
Einfalls. Nach Meinung des Referenten wäre es nicht nur ein sachliches Erfor-
dernis, sondern auch ein didaktischer Gewinn gewesen, den Gesichtspunkt
dieser Verwandtschaft bei einer einführenden Darstellung des Rorschachtestes
zum leitenden zu machen. Wer den Test anwenden will, muß in erster Linie
die Fähigkeit zur Einfühlung in die psychischen Abläufe entwickeln, welche
durch die Darbietung der Tafeln in der Versuchsperson angeregt und durch
die von ihr gegebenen Deutungen in gewissem Sinn zum Abschluß gebracht
werden. Er muß etwas davon verstehen lernen, wie der eigentümliche Tat-
bestand zustande kommt, daß die beim Rorschachtest gestellte Aufgabe in
gewisser Weise die charakteristischen Triebkonflikte eines Menschen und
damit zugleich auch die für ihn charakteristischen Abwehr- und Verarbeitungs-
methoden mobilisiert. Und er muß das im konkreten Einzelfall nacherleben
können. Deswegen ist Referent der Meinung, daß die Darstellung instruktiver
geworden wäre, wenn Schneider das Hauptgewicht nicht so sehr auf die
Demonstration der Verrechnungsmethode gelegt hätte, sondern mehr auf die
Erläuterung der Auswertung der einzelnen Antworten an einer Reihe von
besonders eindrucksvollen Beispielen. Es besteht auch die Gefahr, daß die
ohnehin im Rorschachtest wie in allen eharakterologisch-diagnostischen Verr
fahren liegenden Verführungen zum Allmachtsdenken noch zu verstärken,
wenn man den Rorschachadepten im vorhinein zur Verrechnung des Befundes
und damit zur praktischen Anwendung des Tests drängt. Mit anderen Worten,
es besteht die Gefahr, daß der Rorschachtest ein ähnliches Schicksal hat wie
die Graphologie, deren fraglos brauchbare Erkenntnisse zwischen der Über-
schätzung ihrer Möglichkeiten und der Trivialisierung ihrer Leistungen durch
Unberufene nicht so, wie sie es verdienen würden, zur Geltung kommen
können. So überraschend es sein mag, daß schon die rein formale Auswertung
des Tests zu belangvollen Aussagen über die psychische Struktur und die
Intelligenz der Versuchsperson führt, praktisch ist das ohne sonderliche
Bedeutung, solange man nicht imstande ist, gerade die differenzierteren und
tiefer eindringenden Diagnosen zu stellen, welche der Test in einer beacht-
lichen Zahl von Fällen tatsächlich ermöglicht. Um das zu erreichen, muß man
aber nach Meinung des Referenten von Anfang an auf eine intime Kenntnis
des Rorschachtests, seiner Problematik und besonders seiner psychologischen
Bücher 391
f "Voraussetzungen hinsteuern. Eef erent fürchtet, daß das Buch Schneiders
gerade dafür keine Hilfe bieten kann, weil es den Test allzu sehr als eine in
sich abgeschlossene Sache darstellt. Es ist auch kaum anzunehmen, daß der
wohlmeinende Rat des Autors, sein Buch möge nur als Einführung zu Kor-
schachs eigenem Buch aufgefaßt werden, beherzigt werden wird. Ist nicht
die eigentümliche Sprödigkeit von Rorschachs Buch in gewisser Weise
gerade sein besonderer Vorzug — weil der Borschachtest in Wirklichkeit gar
nicht so leicht zugänglich ist? W. Marseille.
Hans Z u 1 1 i g e r : Schwierige Schüler. Bücher des Werdenden, Band X,
herausgegeben von Paul Federn und Heinrich Meng. Verlag Hans Huber,
Bern, 1935.
Die Herausgeber der „Bücher des Werdenden" verfolgen konsequent die
Absicht, psychoanalytische Kenntnisse zu verbreiten, soweit diese ohne Vor-
studien erworben werden können. Dieser Band ist nun in ununterbrochener
Reihenfolge der dritte (nach Anna Freuds: Einführung für Pädagogen,
2. Aufl., und Heinrich Mengs: Strafen und Erziehen), der diesen Absichten
dient.
Zulligers Buch will den Lehrer in die Ideenwelt der psychoanalyti-
schen Pädagogik einführen; dabei baut es auf die reiche Erfahrung und «das
geklärte Wissen des Autors auf und vermittelt so spielend leicht den ersten
Kontakt mit einer überwältigend großen Materie, die nun die psychoanaly-
tische Pädagogik schon einmal ist. Ausgangspunkt von Zulligers Dar-
stellung ist das praktische Denken des Erziehers, der sich mit den Schwierig-
keiten der Kinder und ihrer Umgebung auseinandersetzen muß. Er lehrt
Erziehungstechnik, kämpft gegen bequeme Dogmen — wie z. B. jenes von der
Bedeutung des Milieuwechsels — und führt so hinüber zu den Voraussetzungen
und der Arbeitsweise der Erziehungsberatung, wie diese von psychoanalyti-
schen Pädagogen verstanden und angewandt wird.
Man könnte den Eindruck gewinnen, der Autor hätte eine systematische
Darstellung angestrebt; bis zur Behandlung der Fragen über die Diagnostik
der kindlichen und juvenilen Störungen wenigstens mutet die Anlage der
Arbeit streng deduktiv an, als würde sie in ein System der Kinderfehler
hineinführen wollen; aber die Vielheit der kindlichen Störungen, wie sie dem
Erzieher entgegentreten, eignet sich nicht für ein praktisch orientiertes Ein-
teilungsprinzip, und so schließt das Buch mit der von überzeugenden, schönen
Beispielen untermalten Beschreibung von Übertragungssituationen und ihrer
Bedeutung für Symptombehandlungen.
Klar wird von Z u 1 1 i g e r die Bedeutung des Rorsehachtests dargestellt,
der ausschließlich diagnostischen, niemals therapeutischen Absichten dienen
kann. Damit setzt der Autor seine Bemühungen fort, dem Rorschachtest einen
entsprechenden Platz in der Heilerziehung zu erkämpfen. Der Test soll ein
Hilfsmittel zur raschen Bewältigung diagnostischer. Aufgaben sein, aber der
Referent argwöhnt auch weiterhin, daß er für viele nicht nur Hilfsmittel,,
sondern Ersatzmittel für andere diagnostische Methoden, insbesondere für
psychoanalytisches Verstehen sein wird, und glaubt, daß praktisch notwendige
392 Bücher
Eile beim Erheben eines Befundes mit unserer psychoanalytischen Methodik
überhaupt schwer vereinbar ist. Freilich erfordert die Handhabung des
„Rorschach" eine sehr gründliche Instruktion und reiche Erfahrung. Aber
im Vergleich zu dem weitläufigen Ausbildungsgang, den wir heute von
unseren analytischen Pädagogen verlangen müssen, ist das Erlernen des
Rorschachtests — selbstverständlich unter kundiger Anleitung — einfach und
eher leicht. Es ist deshalb verständlich, wenn viele Erzieher gerne ihre ersten
Erfahrungen mit Hilfe des Eorschachtests machen wollen, der ja außerdem
den Vorteil bietet, leicht überprüfbar zu sein. Auf dem langen Weg von der
alten zur psychoanalytischen Pädagogik muß es viele Rastplätze geben und
man wird es den Erziehern überlassen, wie eilig sie es haben und daß sie
verweilen können, wo und wie lange es ihnen beliebt.
Es ist überflüssig, diesem Buch die üblichen Wünsche mit auf den Weg
zu geben; es findet ganz bestimmt seinen Leserkreis und es überrascht uns
nicht, zu hören, daß es bald, in andere Sprachen übersetzt, noch vielen Päd-
agogen Anregung und Genuß bringen wird. W. H o f f e r.
Vorträge und Vorlesungen in Basel
I.
In der 8. Jahresversammlung der staatlichen Schulsynode in Basel am
1. und 2. Dezember 1936 hielt Vorstand August Aichhorn (Wien) einen
Vortrag über das Thema:
„Wie versucht das Kind die Realitätsforderungen zu bewältigen
und welche Hilfen können ihm Lehrer und Erzieher dabei geben?"
Unter anderem führte der Vortragende folgendes aus: Es gab eine Zeit,
in der der Mensch wesentlich Naturwesen war und sich nur zu behaupten
vermochte, wenn er über eine gewisse primitive Realitäts fähigkeit ver-
fügte. Aus dieser ist dann die Kulturfähigkeit hervorgegangen. Das Kind
durchläuft noch einmal beide Phasen der Entwicklung, dies aber nicht im zeit-
lichen Nacheinander, sondern Nebeneinander. Die Verknüpfung von Lust-
Unlusterlebnissen (auf übermäßiges lustvolles Obstessen folgt unlustvolles
Bauchweh) zwingt das Kind auch ohne Zutun der Erwachsenen in die primi-
tive Realitätsanpassung hinein. Die Erziehung aber ist die Steigerung der
Anpassungsfähigkeit zur Kulturfähigkeit. Diese ist für das Kind nicht durch
Anpassung allein, sondern nur durch Erfahrung erreichbar. Nun wäre Er-
ziehung, also Erreichung der Kulturfähigkeit sehr einfach, wenn es gelänge,
die automatische Verknüpfung von Lust und Unlust im sozialen Verhalten
zu garantieren. Das ist aber unmöglich. Die lustvolle Übertretung von Ver-
boten kann erst dann zum unlustvollen Erlebnis werden, wenn von außen her
geahnet wird, was aber praktisch nur unter besonderen Umständen möglich
ist. Würde sich im Kind nicht eine kritische Instanz ausbilden, die die Regun-
gen des Inneren wie ein Aufpasser beobachtet und kritisiert, so wäre es um
die Kulturfähigkeit der Menschen schlecht bestellt. Das Über-Ich hat die
kulturellen Weisungen und Verweisungen übernommen und reagiert auf lust-
volle Übertragungen, 3a selbst auf den Versuch durch Erregung des Schuld-
gefühls. Keine Erziehung kann auf Erweckung bewußter Schuldgefühle ver-
Bücher
393
ziehten. Wo diese zu groß werden und sieh auch gegen die erwünschten
Hegungen richten, dort droht dem Kinde eine ahnorme Entwicklung, es ist
von den Schuldgefühlen in die Neurose gedrängt worden. Was ist aher nun
•die Erziehungsidee, der sachliche Inhalt des Erziehungszieles? Eltern haben
im allgemeinen keine klar durchdachten Erziehungsziele — sie sind gewöhn-
lieh nur von einem Empfinden ohne klaren Vorstellungsinhalt besessen und
.geneigt es zu verabsolutieren. Diese elterlichen Erziehungsziele sind oft nichts
.als Versuche, das eigene niemals wirklich realisierte Über-Ich dem Kinde
aufzuzwingen. Der klassische Fall: der Vater, der selbst gern studiert hätte,
^es aus äußeren Gründen nicht konnte und nun den eigenen, wenig begabten
-Sohn unbedingt zum Doktor machen will, mit diesem Erziehungsziel aber dem
:Sohn das Leben erschwert, ja ruiniert. In solchen und ähnlichen Fällen geht
der Weg zur sinnvollen Erziehung über die Erziehung der Eltern. Es ist
.außerordentlich wichtig, die Eltern zu überzeugen, mit ihnen zu gehen, wo-
möglich nicht Anwalt des Kindes gegen die Eltern zu werden, weil das mehr
den affektiven als den sachlichen Bedürfnissen der Jugendlichen entgegen-
kommt. Wie ist ein Einwirken auf die Erwachsenen möglich? Man muß sich
"klar sein, daß es keine schwer erziehbaren Kinder in intakten Familien gibt.
Schwererziehbar wird das Kind in der Familie, wenn sie selbst, freilieh häufig
genug selbst nicht im inneren Gleichgewicht ist. Hier hat die Erziehungs-
beratung einzugreifen, sie muß Erziehungshilfe den Eltern bieten, wo dies
.nur möglich ist. In vielen Fällen genügt die Beratung und Hilfe allein nicht,
-das abwegige oder gestörte Kind oder der Jugendliche müssen einer Behand-
lung zugeführt werden/ Wie sieht es in ihm aus? Es ist von bewußten und
unbewußten Ängsten gequält, fürchtet die Wirklichkeit, seine eigenen kriti-
schen Gedanken, fürchtet die Eegungen seiner eigenen Triebe und den inneren
Widerstreit aller dieser wirksamen Kräfte. Gegen diese zermürbende Angst
-entwickelt das Kind Schutzmaßnahmen, Abwehrmechanismen genannt, die aber
unter Umständen, gar nicht selten, seine produktiven Kräfte binden und
lähmen können. So kommen Hemmungen zustande, die als Faulheit, Interesse-
losigkeit imponieren oder Aggressivität, die als Schlimmheit und seelische
Verwahrlosung in Erscheinung tritt. Nehmen diese Erscheinungen eine starre
Form an, dann kann Schule und Erzieher allein nicht mehr helfen, die Auf-
gabe geht dann an den Heilerzieher über.
IL
Die Universität Basel errichtete auf Antrag der medizinischen Fakultät
•ein Lektorat für seelische Hygiene und bestellte zum Vortragenden
Herrn Dr. Heinrich Meng.
Die
Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
berichtet auch weiterhin ständig
über die praktische Arbeit der
KINDERGÄRTNERIN
Bisher erschien u. a.:
H. Fischer: Sehnsucht und Selbstbefriedigung . . Bd. VIII
H. Fischer u. L. Peller: Eingewöhnungsschwie-
rigkeiten im Kindergarten Bd. VIII
A. Freud: Die Erziehung des Kleinkindes . . . . Bd. VIII
H. Fuchs: Probleme der heilpädagogischen Kinder-
H. Fuchs: Psychoanalytische Heilpädagogik im
[
L. Gero: Gespräche mit einem kleinen Kind . . .Bd. VII
A. Landau: Angsterlebnisse eines Dreijährigen . Bd. X
E. P e 1 1 e r: Eingewöhnungsschwierigkeiten im
[
K. Pensimus: Folgen der Entrechtung .... Bd. VII
A. Pörtl: Verspätete Reinlichkeitsgewöhnung . . Bd. VII
M. Schmaus: Bravheit und neurotische Hemmung Bd. VII
4G
i
INTERNATIONALER PSYCHOANALYTISCHER VERL
Einige wichtige Arbeiten aus der
Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
üb
er
KINDERANALYSE
A. Angel Aus der Analyse einer Bettnässerin . . Bd. VIII
B. Bornstein: Enuresis und Kleptomanie als
passageres Symptom Bd. VIII
B. Bornstein: Leugnung durch die Phantasie . . Bd. X
S. Bornstein: Eine Technik der Kinderanalyse
bei Kindern mit Lernhemmungen Bd. VIII
S. Bornstein: Eine Kinderanalyse Bd. VII
D. T. Burlingham: Kinderanalyse und Mutter . Bd. VI
E. Buxbaum: Über einen Fall von exhibitionisti-
scher Onanie ..... Bd. VIII
E. Buxbaum: Detektivgeschichten und ihre Eolle
in einer Kinderanalyse Bd. X
C 1. M c. Cord: Bemerkungen über den Stand der
Kinderanalyse in Amerika Bd. VII
Anna Freud: 'Psychoanalyse des Kindes . . . . Bd. VI
M. E. Fries: Beispiel der Spieltechnik in der
Analyse Bd. VII
W. Ho ff er: Bericht über die Einleitung einer
Kinderanalyse Bd. IX
M. Kr is: Märchenstoff in einer Kinderanalyse . . .Bd. VI
F. Levy: Psychoanalyse eines Kindes mit Stehl-
zwang Bd. VI
E. L i s s : Spieltechniken in der Kinderanalyse . . . Bd. X
A. Manchen: Denkhemmung und Aggression aus
Kastrationsangst Bd. X
M. Schmideberg: Die Spielanalyse eines drei-
jährigen Kindes Bd. VIII
M. Schmideberg: Zur psychoanalytischen Be-
handlung asozialer Kinder Bd. VIII
M. Schmideberg: Aus Kinderanalysen . . . . Bd. VI
E. Sterba: Aus der Analyse eines Zweijährigen . Bd. VIII
E. Sterba: Ein abnormes Kind Bd. VII
E. Sterba: Aus der Analyse einer Hundephobie . Bd. VII
J. Wälder: Analyse eines Falles von Pavor
nocturnus Bd. IX
INTERNATIONALER PSYCHOANALYTISCHER VERLAG
REGISTER ZUM X. JAHRGANG
Abenteuerromane 113 ff
Abhängigkeit von der Vater-
Autorität 7
Abneigung gegen das Kind 37 f
Abraham, Karl 111
Abstraktionsunfähigkeit 276
Abwehr, Zwei Arten der 263 ff
Abwehrmechanismen 10, 128,
174, 263 ff, 269 ff, 393
Abwehrvorgänge, neurot. 128
Abzählreime 103
Affekt 130; -betrag 130 f; -ent-
bindung 131; -entwicklung
131; -sperre 131 f; -verkeh-
rung 132
Affektion 131
affektiv 131
Affektivität 131
Aggression; Abreagieren der
330; als Ausdruck der Angst
375; gegen die Eltern 148 ff;
und Kastrationsangst 276 ff;
kindliche 367 ff; und Lehrer
328; in der Masse 228, 233,
235 ff, 339; Sublimierung der
235, 344; gegen d. Vater 298;
u. Verwahrlosung 47 f, 55' ff
Agieren 8; in der Übertragung
14 ff
Aichhorn, August 5 ff, 107,
132 f , 238, 392 f
Aktivität des Erziehungsbera-
ters 22
Alexander, Franz 204
Alkoholgegner 111
Ambivalenz der Identifizierung
23S; unter Kollegen 235; des
Schülers 340
anal (e, er); Lust 244 f; Trotz
180 ff
Analität 330
Analysiertsein d. Lehrers 345,
356 f
analytische Hilfe in der Erzie-
hungsberatung 35 ff
Andreas, Fat. M. Brunner 360 ff
Angst 113 ff, 123, 168 ff, 270 ff,
333 f, 383, 385; vor dem
Alleinsein 373 f ; v. d. Be-
rührung des Genitale 368 ff;
v. d. Dunkelheit 168; v. d.
Feuer 169; vor fremden Men-
schen 385; i. d. Pubertät 335;
beim Schwimmen 168; v. d
Verfolger 120 f
Angsterlebnisse eines Dreijähi-
rigen 366 ff
„angstfreies" Kind 278
Angstneurosen 382
Angsttraum 119
Anlehnungsbedürfnis des Kin-
des 52 ff
Anninger, L. 386 ff
Anomalie, körperl. 277
Anpassung, soziale 79 f
Anstoßen m. d. Zunge 187
Appetitlosigkeit 385
„Arbeitsanalyse" 386
Arbeitshemmungen 314
asoziales Verhalten 258
Atemnot 115 f
Atmungsorgane, Erkrankung
der 255. 257
Aufklärung, sexuelle 106, 108,
328, 333
Ausfragung m. therapeutischer
Wirkung 39 ff
Ausreißer, jugendlicher 128
außereheliches Kind 37 f
Australier, Realitätsanpassung
der 81 f
Autorität; u. Freiheit 336; d.
Lehrers 218 f
Autoritätssucht der Masse 229
Balint, Alice 75 ff
Bally, G. 385
„Bande" als primitivste Ge-
meinschaftsform 341 ff
Basel, Vorträge in 336, 392, 393
Bedürfnis; nach einem Identi-
fizierungsobjekt 55 ff; sado-
masochistisches 60; nach der
Vaterautorität 55 ff
Beeinflussung, planmäßige, d.
Eltern 14 ff
Befragung, indirekte 41
Begabung (-s) 106 f; -Prüfung
122 ff, 262; -Störung 324
Behaviourismus 382
Benehmen d. Verwahrlosten 48
Beranek, August 251 ff
Bergler, Edmund 311
Bericht; aus Budapest 132 ff;
aus Chicago 202 ff
Bernfeld, Siegfried 220 f
Beruf, unbefriedigender 28
Beschmutzungslust 182 ff
Beschneidung 295 f
Bettnässen 110, 381 f
Beyerl, E. 102
Beziehungen, libidinöse 12 ff
Bilderkleben 383
„Bindung" als Folge d. Über-
tragung 331, 336
Binetscher Test 211
Bitten 80
„Blödeln" 286
Bobertag 124, 126
Boehm, F. 133
Boote, Vorliebe für 258 f
Bornstein, Berta 269 ff
Braun, Edith 84 ff
Breuer, J. 379 f
Brunner, M. 360 ff
Brunswick, E. 102
„Bruderhorde" 330
„brutaler" Vater 40, 55 f
„Brutalität" u. Identifizierung
m. d. Vater 56
„Bücherwurm" 111
Budapest, Bericht aus 132 ff
„Bürgerkrieg" in der Schul-
klasse 339
Burlingham, D. T. 133
Buxbaum, Edith 113 ff, 215 ff,
325, 328 ff, 335, 344
Bychowski, G. 323 f, 331, 335
Chadwick, M. 134 f
Charakteranomalien 382
Chicago, Bericht aus 202 ff
Christoffel, Hans 380
Christus als Führer 215 f
Comenius 253
Congres International de Psy-
chiatrie Infantiles 1937 336
Czermak 102
Danken 80
Darmerkrankung 360
Darwin, Ch. 130
Debilität 324
Decroly 388
Degeneration u. Erziehung 384
Denkhemmung und Aggression
aus Kastrationsangst 276 ff
Depression; beim Kinde 245;
psychogene 123, 127 f, 324
depressive Anfälle 257
Descoeudres 388
Detektivgeschichten 113 ff
Deutsch, Helene 133
Dewey, John 253
Diebstahl i. d. Schulklasse 350 ff
„Disziplinarfälle" in der
Schule 345
Dressur 136 ff
Drillelemente d. Erziehung 82
Drüsendysfunktion 259, 362
Dummheit 106, 109 f, 122, 278,
324, 335
ehrgeizige Mutter 38
Ehrlich 304
Eifersucht; d. Eltern auf das
Kind 35 f; d. Eltern auf den
Lehrer 234; auf die Ge-
schwister 258; des Kindes
274, 329, 382; in der Schul-
klasse 220, 339
Einfühlung; i. d. Erziehungs-
beratung 14; i. d. Über-Ich
d. Eltern 25 ff
Einkoten 247
Einleitung d. libidinösen Be-
ziehungen 12 ff
Einnässen 247
Einsicht d. Kindes, intellek-
tuelle 80 f
Eitelkeit d. Kindes 84
Ekzem, hartnäckiges 360 f
Elsi, Fat. E. Sterba 176 ff
Eltern; u. Erziehungsberater
6 ff; mißtrauische 32 f; Über-
treibungen d. 21; Umgang
mit 323; Unbewußtes d. 11
Eltern-Typen 14 ff
Energie, psychische 131
Entfremdung i. d. Familie 53 f
Entwertungstendenz 323
Entwicklnngschwierigkeitenl23
Entwöhnung v. d. Brust 241 f
Enuresis, s. Bettnässen
Epilepsie 118 f
Erbanlage, Überschätzung
der 383
Erbrechen 255, 385
„Ersparnistechnik" des Kin-
des 387
Erstickungsangst 115 ff
Erwachsenenanalyse, Regres-
eion in der 76 f
Erziehers, Psychologie d. 338
Erziehung; intuitive 338; als
Realitätsersatz 80 f
Erziehungsberater; als libidi-
nöses Objekt 8 ff; und Eltern
6 ff, 393
Erziehungsberatung ; Aufgaben
der 8f; und Schule 141 ff;
und Schülerberatung 234 f t
Technik der 5 ff , 199
398
Eegister
Erziehungshilfen in der Schule
332 f
Erziehungmittel 384
Erziehungsnotstand und Uber-
tragungsdauer 16
Es in der Übertragung 25
Es-Kegungen 14
Eßregeln 80
Eßstörung 255 f, 366 ff , 382;
u. Verstimmung vor dem
dritten Lebensjahr 241 ff
Eßsueht 361
Eva, Pat. E. Braun 84 ff
Exhibitionismus 313, 354
Familie(n); -diebstahl 61 ff ; li-
bidinöse Struktur d. 9; -Strei-
tigkeiten 53 f , 188 ff, 382
Faulheit 106 f, 122, 325 f, 393
Februarrevolte 1934 57
Federn, P. 107, 326, 335, 391
„Fehleranalyse" 386
Fehlleistungen 313, 388
, ,Feigling-Vater" 55 ff
Feniehel, Otto 103
Ferenezi, Sandor 77, 133
Feuerspiel als Onanieersatz
286 ff
Fischer, Edmund 331, 335
Fixierung, anale HO
Formdeutversuch, Borschachs
122 ff, 388 ff, 391 f
Förster, J. R. 136 ff
Fragestunden i. d. Schulklasse
226, 335
Freiheit des Kindes 76
Frechheit 148 ff, .325
Freiheit und Autorität 336
Freizeitgestaltung 255
Fremdsprachen, Schwierigkei-
ten bei HO
French, Thomas 204
Freud, Anna 77, 205, 223, 225,
230, 253, 263, 269, 298, 391
Freud, Sigm. 5, 7, 76, 79, 82,
94, 130 ff, 210, 215 ff, 221,
225, 227, 229 f, 233, 237 ö, 251,
268, 291, 304, 308, 310, 314,
330 f, 335, 339, 344, 346 f,
355 f, 358 f, 379 ff
Freuds Einfluß auf die Päd-
agogik und Heilpädagogik
383 ff
Freuds 80. Geburtstag 379 ff
Frida, Pat. E. Sterba 142 ff
Friedjung. J. K. 327, 335, 379 f
Fritzi, Pat. E. Sterba 176 ff
Frobenius 305
Froebel 251 f
Froschphobie 101
Früherziehung 384
Fuchs, Herta 220
Führer und Masse 215 ff , 330
Führerschaft in der Schule
336, 338
Führungsschwierigkeiten 382
Fürsorgekinder 58 f
Furunkulose 361
Fußballspiel 257
„Gangster" 342
Gefühlsumkehrung 237 f
Gegenübertragung 343
Gehorsam gegen d. Lehrer
227 f
Geisteskrankheiten 123
Geiz als Kastrationsangst 295
Geld und kindl. Denken 273
„Gelegenheitsanalyse" 322
Gemeinschaft 338 ff , 343
Gemeinschaftsladen 229
Generationenkonflikt 323
Gerechtigkeitsfanatismus des
Kindes 150 ff
Geschlecht u. Übertragung 335
Gesperrtheit, motorische 385
Geständnis; gemeinsames 226 f,
349; v. d. Schulklasse 351 ff;
sexuelle 227, 231 f; -zwang
231 f
Gewähren u. Versagen 75 ff,
222
Gewinn, sekundärer 293
Gewissen 77, 186; schlechtes
165
Gide, Andre 354
Glücksfähigkeit 83
Goldstein, Kurt 318
„Gottesgericht" im Kinder-
spiel 103 f
Graphologie 390
Grausamkeit gegen Tiere 114
Gravelsin, L. 333, 335
Grefe, Pat. Braun 90 ff
Grimassieren 264
Grüßen 80
Gymnasiasten, Psychologie
des 335
Gyömröi, E. 133
Hackländer 326, 335
Handwörterbuch d. Psa. 130 ff
„Hans, kleiner" 100, 268
Haß; als massenbildendes Ele-
ment 216 f; gegen die Eltern
146 f, 312; gegen das Kind
28; gegen den Lehrer 222,
236, 335
Heer als Masse 215 f
Heilpädagogik 343
„Heilpädagogische Praxis"
386 ff
Heinz, Pat. Braun 89 ff
Heinzi, Pat. A. Landau 366 ff
Helene, Pat. E. Liss 255 f
Helli, Pat. M. Schmied 241 ff
Hemmung, orthographische 336
Herbart 253
Herder 205 f
Hermann 107
heterosexuelle Bindung an den
Lehrer 331 f
Hexenprozeß im Kinderspiel 104
Hilfe, analytische, in der Be-
ratung 35 ff
Hirnkranke u. Prüfung 317 ff
Hitschmann, Eduard 269
„Hochstapler, jugendliche"
61 ff
Hoffer, 'Wilhelm 391 f
Hoffmann, Walter 332, 335
Homburger, E. 328 f, 335
Homosexualität 70, 331 f ; ver-
drängte 325
Hörigkeit unter Kindern 85 ff
Hörwahrnehmung, kindl. 96
Hüftgelenksentzündung 277
Hühnerphobie 100
Hundebiß, Neurose nach 385
Hundefreundschaften des Kin-
des 259 ff
Hygiene, Lektorat für seeli-
sche 393
Hylla 124, 126
Hysterie 380, 382, 383; und
Zwangsneurose 389
Ich; der Eltern in der Erzie-
hungsberatung 31 ff; -Orga-
nisation d. Kindes 382; -struk-
tur 384; in der Übertragung
25 ff
Identifizierung 222 ff ; in der
Schulklasse 239, 343, 349; m
d. Detektiv 121; m. d. Eltern
24, 58, 111; mit dem Lehrer
220 ff, 329; als massenpsycho-
logischer Faktor 215 ff; mit
der Mutter 194 ff; mit dem
Opfer 120 f ; mit Spielgefähr-
ten 92; m. d. Verbrecher 120
Imitation, kindliche, des Leh-
rers 223
Impotenz u. Prüfungsangst 314
indirekte Befragung 41
Induktion, gegenseitige 237
Institute for Psychoanalysis in
Chicago 202 ff
„Insuffizienz" 326
Intelligenzprüfung 382
Interesses, Psychologie d. 329
Intoleranz d. Masse 216
Introversion 129
Intuition u. Erziehung 73, 338 f
Inzest 41; -schranke 83
Ironie 108 f
„Jack, Der Bankerott des
kleinen" 229
Jackson, Hughlings 318
Jähzorn 188 f
Jakoby 107
Jerry, Pat. E. Liss 258 f
Jordan, W. 330 f, 335
Judenfrage im kindlichen Den-
ken 295 ff
Jugendgruppen 229
„jugendliche Hochstapler" 61 ff
Jugendlicher, „brutaler" 56 f
Jung, C. G. 389
Just-Keri, H. 325, 335
Kaffeehausbesuche des Kin-
des 84 ff
Kampf zwischen Kind und
Eltern 9 ff
Kampfdarstellungen, zeichne-
rische 257
Karikatur des Lehrers d. d.
Schüler 224
Karl, Pat. Buxbaum 113 ff
Kastrationsangst 110, 115 ff,
276 ff, 311, 376
Kastrationskomplex 327
Kind(es) ; außereheliches 37 f ;
Wie sage ich's meinem 336;
„verdorbenes" 19; verschlos-
senes 187; „Undankbarkeit"
des 10
Kinderanalyse 113ff, 141 f, 151,
169 ff, 177 f , 198 ff, 202 f, 343,
378; u. Erziehungsberatung
141 ff, 198 ff
Kinderfreundschaft 84 ff, 193
Kindergarten, Beobachtungen
im 84 ff, 366 ff
Kinderneurose ; Organische
Ausdrucksmittel der 379 f ;
u. -psychose 46, 384
Kegister
399
Kinderpsychiatrie 379 ff
Kinderreigen 104
Kinderverse 103 ff
Kindwunsch 111
Kirche als Masse 215 f
„Klassenkämpfe' in der Schule
335
Kleider, Vorliebe für 256
Kleidungsvorschriften 80
Klein, Melanie 253
„kleiner Hans" 100, 268
Kleinkind und Umwelt 93 ff
Kleptomanie 254
Klexographien 390
Klimpfinger 102
Knaben in der Erziehungsbe-
ratung 51 f
„Köchin, schwarze" 103 ff
Koedukation 230
Koitusbeobachtung 108, 377;
an Tieren 100
„Kollektiv" als Stufe der Ge-
meinschaftsbildung 343
Konkurrenzkampf i. d. Schul-
klasse 219 f
Konstitution u. Milieu 383
Kontakt zwischen Lehrer und
Schüler 218
„Köpfung" im Kinderspiel 104
Korczak, Janusz 229
Körper, Lust am nackten 77 f
„Krankheitsgewinn, sekun-
därer" 387
Kretschmer, E. 389 f
Krieg u. Massenpsychologie 216
Krispat 102
Kritik in der Erziehungsbera-
tung 17
Kritiklosigkeit gegenüber dem
Führer 227
Kuendig, W. 322, 331 ff , 335
Kultur und Trieb 82
Kurse in Basel 336
Lagerlöf, Selma 269
Lampenfieber 306
Landau, Alice 366 ff
Landauer, K. 93
„Laster, sexuelle" 21
Launen des Kindes 16
Läzar, K. 132
Lehrer; in Chicago 204 f ; und
Kinderanalyse 169 ff; als
Liebesobjekt 331 f; u. Psycho-
analyse 333 f; und Schüler
331 f ; im Traum des Kindes
332, 335; als Vaterersatz 323,
355
Lehrerbildung und Psycho-
analyse 335
Lehrerhaß 335
Lernen und Oralität 111
Lernstörungen 106 ff, 122 ff,
142 ff, 276 ff, 323, 335 f
Lesestörungen 259, 325, 335
Levey, Beatrice £03
Levy, Kata 132 ff, 386 ff
Libido; narzißtische 65; -an-
spräche d. Frau 22 f; -haus-
hält der Eltern 11 f ; -kon-
stellation, innerfamiliäre 9
Liehtempfindliehkeit des Kin-
des 96
Liebesbriefe unter Schülern
346 f
Lieblingstiere 259 ff
Lina, Pat. E. Sterba 144 ff
Lisi, Pat. E. Sterba £63 ff
Liss, Edward 251 ff
Lister 383
literarische Ausdrucksformen
in der Kinderanalyse 258 f
Lobet, Emile £05
Locke, J. 253
Lohn u. Strafe als Erziehungs-
mittel 57 f
Löw-Beer, Helene 386 ff
Löwenfeld, Viktor 205 ff
Lügen 71, 349
Lust am nackten Körper 77 f
Lustbefriedigung, anale 185
Lust-Ünlust-Balance 387
Lutschen 244 f , 360 f
Mädchen in der Erziehungsbe-
ratung 51
Mädchenklassen, männliche
Lehrer in 331
Magen-Darm-Störungen 255
„Magie, schwarze" 104
magische Darstellung als
ßealitätsersatz 266
magisches Denken 315
Malereien in der analytischen
Behandlung 254, 256 f
Manchen, Anna 276 ff
Mandeloperation 115
Märchenerzählen 374
Marseille. W. 388 ff
Martha, Pat. E. Sterba 187 ff
Masochismus 312
massenähnliche Bildung In der
Schulklasse 240
Massenbildung 220 ff, 324, 329;
u. Pubertät 230
Massengeständnisse 226 t , 332
„Massenneurose" 324
Massenpsychologie und Schule
215 ff, 330. 338 ff
Massenübertragung 343
Masturbation, s. Onanie
Mead, M. 82
Melancholie 42 ff, 128
Meng, Heinrich, 107, 139, 336,
383 ff, 391, 393
Menschenscheu d. Kindes 191 f
Meyer, Albrecht 93 ff
Michaux, Dr. Leon 336
Milieu und Konstitution 383
Milieuwechsel 242 f, 391
Minderwertigkeitsgefühl 109
Mißerfolge in der Schule 335
Mißtrauen gegen den Erzieher
48 f , 68 f , 108
Montessori 253, 329 f, 388
Montessorischule 325, 329, 335
Moral, Vorstufe der 225
Morgenstern, Milan 386 ff
motorische Gesperrtheit 385
Müller, Josef 139
Münz, Ludwig £05 ff
Musolt, Dora 93
Mutismus, Ein Fall von trau-
matischem 385
Mutter; ehrgeizige 38; Neurose
der 11; als Haupt der Fa-
milie £2; und Kind 10
Mutterbindung in der Ehe 24
Mutterleibsphantasie 288
mythologische Grundlage des
Spieles 251
Nabelkoliken, rezidivierende 379
Nachhilfeunterricht 325
Nacktheit 77 f
Nägelbeißen 382
Narzißmus; d. Lehrers 341; u.
Prüfungsangst 313
narzißtisch (e, es); Libido 65;
Trauma durch d. Penisman-
gel 267; Übertragung des
„jugendl. Hochstaplers 61 ff
„Nebenzentrum, energetisches"
390
negativistischer Typus 324
„Nervosität" des Kindes 369
Nestroy 216
Neurose(n); kindliche 106, 123,
142 ff, 324, 368 ff, 379 f; der
Mutter 11; traumatische 385
Neurosenlehre, psa. 75 f
neurotische Verwahrlosung
59 ff
Nohl, Herman 208 ff
Ödipuskomplex 132, 164, 298.
309 f , 377, 385
Ödipusliebe 76
Onanie 20, 60, 106, 110 f, 116 f,
286 ff, 313, 327, 369, 381; ex-
hibitionistische 377; u. Schule
336; als Werbung um die
Mutter 377
Opposition gegen den Lehrer
228, £36
„Optimismus, oraler" 81
oral(e); Unbefriedigtheit 111;
Unersättlichkeit 294
„Ordal"-spieIe 103 f
Organminderwertigkeit 109,
187 ff
orthographische Hemmung 336
Outsider i. d. Schule 227 f , 237
Paarverhältnisse in der Schule
339
Pädagogen; erliegen d. Fluch
der Lächerlichkeit 323, 336;
ungeeignete 340 f
Pädagogik; Über eine Lücke
in der psychoanalytischen
337 ff; prophylaktische 384
„Pah"-sagen 245
Panik 216
Parteienbildung in der Schul-
klasse 228
Passivität des Erziehungsbera-
ters 22
Pavor nocturnus £69, 385
„Pazifismus" beim Kinde 269ff
Penisneid des Mädchens 263 ff
Persönlichkeit, Zerlegung der
psychischen 383
Pestalozzi 252
„Peter, schwarzer" 103
Pfeifer, S. 132
Pfister, Oskar 234, 327
Pflegeeltern £0
Phantasie(n) ; kindl. 96 f; kom-
pensierende 268; Korrektur
d. Eealität durch die 263;
Leugnung durch die 269 ff;
sadistische 118, 284; -ge-
schichten 152ff, 264 ff. 270ff,
278 ff; -spiele £64 f, 270 ff
Phasen d. Erziehungsberatung
12 ff
Phobien, kindl. 99 ff, 382
Pipal, Karl 332, 335
Plank-Spira, N. 325, 335
Plastilinspiele 180 f
plastische Arbeiten während d.
Analyse 254 f
politische Jugendgruppen 229
400
Register
Pötzl, Otto 317
„Praxis, Heilpädagogische"
Preiswerk, F. R. 325, 335
Priesterrolle des Lehrers 356
Projektionsmechanismen 321 f
Proletariermilieu 20, 241 ff
Prüfer, neurot. 315 ö
Prüfung und Lehen 319 f
Prüfungsangst 333 f, 335; und
Prüfungsneurose 300 ff
Prügelstrafe 168, 247, 321, 374
Pseudodebilität 109, 277
Psychiatric Social "Workers
203 f
Psychiatrie Infantiles, Congrös
Internationale de 1937 336
Psychoanalyse; und Führer-
schaft in der Schule 338;
Handwörterbuch der 180 ff;
n. Lehrer 333 ff; u. Lehrer-
bildung 335; u. Schule 321 ff
Psychodiagnostisches Prakti-
kum für Psychologen und
Pädagogen 388 ff
Psychologie; d. Erziehers 338;
d. Interesses 329
Psychopathien 123 f
Psychotherapie; in Chicago
203 f ; d. Schulschwierigkei-
ten 335
Puhertät(s); u. Massenbildung
230; -riten 305 ff ; -Störungen
382
Pünktlichkeit 81, 192
Puppenspiel in der Erziehungs-
beratung 178 ff
Puppentheater in der Kinder-
analyse 255 f
EaBmussen, Vilhelm 210 ff
Eauflust 269
Raumerlebnis des Kindes 93 ff
Realität; Erzieherische Wir-
kung der einfachen 81 f ;
Verleugnung der 263
Realitätsanpassung 58, 79 ff,
384, 387, 392 f; Störungen
der 382
„Realitätsanpassungsübungen"
80f
Realitätsersatz durch die Er-
ziehung 80 f
Realitätsprinzip 79 ff; u. Über-
Ich-Bildung 83
Realitätsprüfung 333
Rebellion i. d. Schulklasse 236
Rechenhemmung 107, 325
Redl, Fritz 323, 326 f, 333 ff
Reflexe, bedingte 336
Regression; anale 110 f ; in der
Erwaehsenenanalyse 76 f
Reich, Wilhelm 131 f
Reichtum als kindliches Pro-
blem 273
Reik, Theodor 103 f, 305
Reinlichkeit 81; Erziehung zur
180 ff, 242, 361 f, 369
Relativität; d. akustischen Er-
lebnisse 96; d. Raumerlebnis-
ses 94 ff
Repond, A. 380 ff
Reproduktion infantiler Erleb-
nisse 8
Revolution gegen den Vater 55
Rhythmik 257
Richard, Pat. A. Manchen
276 ff
Ritterschlag 305
Roheim, G. 81 f
Rollenspiel in der Schule 223 ff
Rorschach, Hermann 122 ff,
388 ff, 39H
Rotter, L. 132
Rousseau, J. J. 252
Rubin, M. 386 ff
Sadger, I. 311
Sadismus 60, 118, 330
Sarkasmus 108 f
Saugens, Entzug des 362 ff
Saugflasche u. EßBtörung 246
Sehieklichkeit 81
Schicksalsneurose 312
Schikola, Hans 106 ff
Schiller 251
Schizophrenie 123, 324
Sehläge 247, 305, 369
Sehlimmheit 250, 277
Schmied, Margarethe 241 ff
Schmieren 182
Schneider, Ernst 104, 122 ff,
322, 331, 335, 388 ff
Schneider, Kurt 135 f
Schreckeriehnisse des Kindes
147 f
Schreibstörungen 259, 328, 335,
336
Schreikrämpfe 188
Schüchternheit 187 ff, 257
Schularzt 335
Schuldbewußtsein und Massen-
bildung 226
Schuldgefühle 123, 231 f, 257,
312, 321 f
Schuldisziplin 33b'
Schule; u. Erziehungsberatung
141 ff; u. Kinderstube 220 f;
und Onanie 336; u. Psycho-
analyse 321 ff, 337 ff; Ver-
sagen in der 336
Schüler; -berater 335; -bera-
tung und Erziehungsbera-
tung 234 f; gehemmte 122 ff;
schwierige 335, 391 f; -Selbst-
mord 326, 335; soziales Ver-
halten der 330 f
Schulklasse; Massenpsychologie
der 215 ff; ohne Massenbil-
dung 228 ff
Schulreform 329 f
Schulschwierigkeiten 26 ff, 54,
60, 122 ff, 187 ff, 258, 323 ff ,
335
Schultag, erster 217 ff
„Schundromane" 113 ff
Schwangerschaft i. d. Phan-
tasie des Kindes 179
„schwarze Köchin" 103 ff
„schwarzer Peter" 103
Schwerhörigkeit 187
Scupin 210
Sehgrößenkonstanz 94
„sekundärer Krankheits-
gewinn 387
Selbstbeherrschung 83
Selbstbestrafungstendenz 312
Selbstinteresse, zwanghaftes
257
Selbstmord 128, 173, 335; -Phan-
tasien 257
Selbstvorwürfe d. Kindes 176
sensitiver Typus 324
Sexualbetätigung, verfrühte 382
Sexualerlebnisse, frühkindl. 380
Sexualforschung, kindliche
106, 108
Sexualität der Schüler 327
sexuell (e, es) ; Aufklärung 106
108, 328, 333; Geständnisse-
226 f; Interesse des Kindes
226; Neugierde 327 ff
Shinn 210
Smits-Jenart, A. M. 212 f
sozial (er, es); Unterschied
zwischen den Eltern 38; Ver-
halten d. Schüler 330 f
Spencer, H. 253
Spiel (es); als libidinöser Vor-
gang 251; Die zwei Auffas-
sungen d. 252 f; synthetische-
Komponente d. 261
Spieltechniken in der Kinder-
analyse 251 ff
Spießrutenlaufen 305
Spinnenphobie 101
Spitz, Rene 314
Sportinteressen, jugendl. 51 f
Sprachfehler 187
Spranger, E. 389
Sprechhemmung 142 ff, 176
Stehlen 60, 61 ff, 69 ff , 333,
347 ff, 350 ff
Stekel, Wilhelm 311, 314
Stengel, Erwin 300 ff
Sterba, Editha 141 ff, 263 ff, 323
Sterba, Riehard 111, 130ff, 133,
135 f, 224
Stern, H. 324, 331, 335
Stern W. 93 ff, 102
Stiefmütter 36 f
Stimmlosigkeit 321 f
Störungstypen, ätiologische 326
Stottern(s) 382, 383; Beein-
flussung des 360 ff
Strafen in der Schule 321, 335 1
Strafbedürfnis 111, 231 f
Straßenangst 226, 333
Straumann, Bruno 139
Streitigkeiten in der Familie
53 f, 188 ff
Sublimierung 261, 325, 330; der
Aggression 235, 344; d. Be-
tätigungsdranges 387
Suse, Pat. E. Sterba 168 ff
Susi, Pat. E. Braun 85 ff
Sylvester, E. 210 ff
Symbolbedeutung des Spieles
252 ff
Symptombildung, neurot. 123
synthetische Komponente des
Spiels 261
Szüts, J. 132
Tagebuchaufzeichnungen im
Kindergarten 87 ff
Tagtraum, gemeinsamer 270 ff
Tagträume 60
taktil-motorische Gestaltauf-
fassung des Kindes 93 ff
Tamm, Alfhild 325, 335
Technik der Erziehungsbera-
tung 5 ff, 199
Ted, Pat. E. Liss 259 ff
Testmethoden 382, 388 ff
„Teufel, Der schwarze" 256
Tiergeschichten in der Kinder-
analyse 259 ff
Tierphobien 100 ff , 168, 270 ff
Tierquälerei 114
Töchter, heranwachsende 30 f
Todesangst 291
Kegister
401
Todeswünsche; gegen die Mut-
ter 170 ff; gegen d. Vater 117
lum, Fat, E. Liss £56 f
Training der Triebe 78 f
Tramer, M. 379
Traum 119, 148, 149, 169, 257,
258
traumatische Neurose 385
Träume vom Lehrer 332, 335
Trieb; -beherrschung 78 f; -ein-
schränkungen b. Kinde 250;
-haushält 77, 175; -konflikte,
kindliche 166 ff; -lehre 384;
-sublimierung 357; -Setzung
35 (j -Verwandlung 357; -ver-
zieht 78
Trinkerfamilie 188 ff
Trotter 233
Trotz 149 ff, 326; analer 180 ff
Trunksucht 24
trunksüchtiger Vater 24
Twain, Mark 128
Typen Verwahrloster 49 f
Über-Ich; der Eltern 25 ff , 58;
d. Erwachsenen 77; u Über-
tragungssituation 8, 17 f;
-Bildung und Realitätsprin-
zip 83, 3S4. 392 f; -Entwick-
lung, Zwischenphase d. 225;
-Ersatz 58
Überlastung des Kindes, libi-
dinöse 10
Überraschungsmoment in der
Erziehungsberatung 22 f, 66,
69
Übertragung (s) 5 ff , 323, 383;
-dauer und Erziehungsnot-
stand 16; narzißtische, des
„jugendlichen Hochstaplers"
61ff; negative 282 ff; positive
«ff, 232, 331; in der Schul-
klasse 231 ff, 237 f , 332
Übertreibungen der Eltern 21
Überzeugungskraft u. Berufs-
erfolg 6f
Umgang mit Eltern 323
Umkehrungsmechanismus 284
Umwelt des Kleinkindes 93 ff
Unbefriedigtheit, orale 111
Unbewußtes, en); Erforschung
d. 384; d. Eltern 11; d Leh-
rers 321 ff
„Undankbarkeit" d. Kindes 10
Unersättlichkeit, orale 294
Unruhe, motorische 276
Urszene, Erlebnis d. 385
Urteilsfähigkeit i. d. Masse 216
„Urvater" 330
Uexküll 102
Vater; „brutaler" 40, 55 f •
„feiger" 55 ff ; trunksüchti-
ger 24; -Autorität 7f; -haß
in der Phantasie 57; -imago
229, 355; -Sohn- Verhältnis 27
270 ff, 308 ff; -Tochter-Bezie-
hung 313
Verbrecherfamilie 58
Verdrängung 130, 172, 234,
/37f; d. Aggression 235 f
Vereinsleben in der Schule 220
Vereinsmeierei 29
Verfolgungsangst 120 f
Vergessen 142 ff, 284
Vergewaltigungsphantasien 119
\ erhalten; soziales, d. Schüler
330 f ; asoziales 258; un-
freies 6f
Verleugnung; d. Geschlechts-
unterschiedes 289; d. Reali-
tät 263
Versagen u. Gewähren in der
Erziehung 75 ff, 222, 340. 343
Versager in der Schule 336
Verschiebung 245
Verschleierungen in der Er-
ziehungsberatung 33 f
Verschlossenheit d. Kindes 143
Verstandesmenschen, Entwick-
lung zum 129
Verstopfung; als analer Trotz
180 ff; aus Angst 243 f
Verträumtheit 106, 325
Verwahrlostentypen 49 f
Verwahrlosung 9 ff, 383 f 393;
neurotische 59 ff
Verzicht als Erziehungs-
mittel 343
Volkert, H. 93 f, 102
Volkshochschule Basel 336
Vorhautverengiing 370
„Wags und Woofie" 259 ff
Wälder, Robert 133
Waschzwang 22
Wassermann 304
Watson 382
wechselseitige Identifizerung
m der Schulklasse 226 f
Weinen 245 ff, 368 ff
Weiss, 8uth 321 ff
„Werlczeugdenken" 387
Wertheimber 379
Widerstand, Lehre vom 383
Wiederholungszwang 39 60
Wolffheim, N. 133
Wunschphantasien der Erwach-
senen 21
Wutanfälle 149, 188, 276
Yates, S. 321, 335
Zärtlichkeit und Kind 76
Zärtlichkeitsbedürfnis des Kin-
des 52 ff, 86 ff
Zeichnen als anale Sublimie-
rung 110 f
Zeichnungen in der Kinderana-
lyse 256 f , 281, 294
Zeit- und Raumerlebnis 95
Zerfahrenheit 106
Zerlegung der psychischen
Persönlichkeit 383
Zerstreutheit 325
ZornausbrUche, kindl. 188 382
Zudringlichkeit 325
Zuhörens, Kunst des 12 f
Zulliger, Hans 113, 121 133
218, 226, 234, 238, 323 ff, 327,
330 ff, 336, 337 ff, 391 f
„Zuzeln" 187, 196
Zwangsneurose 185 f, 254, 382
Zwangsneurose u. Hvsterie 389
T
INHALTSVERZEICHNIS DES X. JAHRGANGES
Seite
Aichhorn, August: Zur Technik der Erziehungsberatung. Die Übertragung . 5
B dl int, Alice: Versagen und Gewähren in der Erziehung 75
Bornstein, Berta: Ein Beispiel für die Leugnung durch die Phantasie . . 269
Braun, Edith: Eine Kinderfreundschaft. Beobachtung aus einem Kindergarten 84
B runner, M.: Beeinflussung des Stotterns 3^°
Buxbaum, Edith: Detektivgeschichten und ihre Bolle in einer Kinderanalyse 115
— Massenpsychologische Probleme in der Schulklasse 215
Fenichel, Otto: Die schwarze Köchin 10 5
Landau, Alice: Angsterlebnisse eines Dreijährigen 3 66
Li ss, Eduard: Spieltechniken in der Kinderanalyse 251
Manchen, Anna: Denkhemmung und Aggression aus Kastrationsangst . . . 276
Meyer, Albrecht: Das Kleinkind und seine Umwelt 93
Schikola, Hans: Über Lernstörungen lo6
Schmied, Margarethe: Eßstörung und Verstimmung vor dem dritten Lebensjahr 241
Stengel, Erwin: Prüfungsangt und Prüfungsneurose 300
Sterba, Editha: Schule und Erziehungsberatung 14 1
— Zwei Arten der Abwehr 2 "3
Z ulli g er, Hans: Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik . . 558
BERICHTE
Schneider, Ernst: Gehemmte Schüler 122
Sterba, Bichard: Handwörterbuch der Psychoanalyse . 130
Weiss, Buth: Psychoanalyse und Schule. Ein Sammmelbericht 321
Bericht aus Budapest 1 3 2
Berichte aus Chicago 202
Congres International de Psychiatrie Infantiles 1957 33 6
Kurse in Basel ... 35 6
Vorträge und Vorlesungen in Basel 39 2
Zeitschrift für Kinderpsychiatrie (Journal de Psychiatrie infantile) 379
Büdier
Chadwick, Mary: Woman's Periodicity (MX.) *34
Förster, Johanna-Benate : Die Dressur, eine pädagogische Untersuchung (P.B.) 1 36
Lobet, Emile : A Propos De L'Orientation Professionelle (P. B.) 205
Low- Beer, Helene u. Morgenstern, Milan: Heilpädagogische Praxis
(Rata Levf) 3 86
Müller, Josef: Deutsche Sprachschule mit Berücksichtigung der Basler
Mundart und Straumann, Bruno : Volkslieder für Kinder (H. Meng) 139
404 Inhaltsverzeichnis
Münz, Ludwig und Löwenfeld, Viktor: Plastische Arbeiten Blinder (J. L.) 205
N o h 1, Hermann: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie
(*■*■> 208
Basmussen, Vilhelm : Buth (E. Sylvester)
Schneider, Ernst: Psychodiagnostisches Praktikum für Psychologen und
Pädagogen (W. Marseille) 00
Schneider, Kurt: Die psychopathischen Persönlichkeiten (Richard Sterba) . 135
Smits- Jenart, A. M.: Le Systeme Pedagogicjue de Winnetka (f. B.) . 212
Z u 1 1 i g e r, Hans : Schwierige Schüler (W. Hoffer) w ,
I
Seite
Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik, X. Jahrgang, Heft 6
INHALT:
Hans Z ul 1 i g er:. Über eine Lücke in der psychoanalytischen Pädagogik 338
M. Brunner: Beeinflussung des Stotterns , 360
Alice Landau: Angsterlebnisse eines Dreijährigen 366
BERICHTE:
Zeitschrift für Kinderpsychiatrie (Journal de Psychiatrie infantile] 379
Vorträge und Vorlesungen in Basel 392
BÜCHER:
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Ernst Schneider: Psychodiagnostisches Praktikum für Psychologen und Pädagogen
(W. Marseille) T ? . 388
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„Anna Freud vermittelt allen Erziehungsbeflissenen aus der Seelen-
lehre ihres Vaters das, was ihnen bei ihrer Arbeit helfen kann: nämlich
die seelische und erzieherische Auswertung frühester, ins Unbewußte ver-
sunkener Kindheitserlebnisse, die in ihren Auswirkungen aber den Cha-
rakter und die Erziehbarkeit entscheidend beeinflussen. Sie begnügt sich
nicht mit den sichtbaren seelischen Leistungen' der Zöglinge, sondern
benutzt die Analyse zur Dechiffrierung von Charakteräußerungen, die
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scheidungen. Dissoziales Symptom und dissoziale Grundlage; Dressur und
Erziehung; Milieuwechsel als heilerzieherisches Mittel. III. Diskussion
des Mittels „Milieuwechsel". Vom Aufbau der seelischen Persönlichkeit.
Zivilisierung und Kultivierung. IV. Die Freud'sche Psychologie in der
Praxis der Erziehungshilfe. V. Herstellung der günstigen Übertragung.
Assoziations- und Spieltechnik. VI. Einbezug des Rorschach'schen Test-
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