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ABHANDLUNGEN
DER
PHILOSOPHISCH . PHILOLOGISCHEN CLASSE
DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN
AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.
SIEBZEHNTER BAND.
IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER LIX. BAND.
MÜNCHEN 1886.
VERLAG DER K. AKADEMIE
IN COMMISSION BEI G. FRANZ.
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AlEftdsmiacbe Buclukucktmi toxi F. Stimub in H(itii;b*iL
4
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Inhalt des XVII. Bandes.
I. Abtheilung. Seite
üeber die Beobachtung des Wortaccentes in der altlateinischen Poesie. Von
Wilhelm Meyer 1
Homer oder Homeriden. Von W, Christ 121
Die römischen Grenzlager zu Passau, Künzing, Wischelburg und Straubing.
Von F. Ohlemchlager. Mit einer Tafel 211
n. Abtheilung.
An&ng und Ursprung der lateinischen und griechischen rythmischen Dichtung.
Von Wilhelm Meyer aus Speyer . 265
Platonische Studien von W, Christ 451
HL Abtheilung.
Die troische Aera des Suidas. Von Georg Friedrich Unger 513
Handelsvertrag zwischen der Republik Venedig und dem Königreich Granada
vom Jahre 1400. Von Georg Martin Thomas 607
lieber die Homerrecension des Zenodot. Von Adolf Römer 639
Philologische Bemerkungen zu Aventins Annalen und Aventins Lobgedicht auf
Albrecht IV. von 1507. Von Wilhelm Meyer aus Speyer 723
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I
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Ueber die
Beobachtung des Wortaeeentes
in der
altlateinischeii Poesie.
Von
Wilhelm Meyer
aus Speyer.
Abh. tl. I. Cl. d. k. Ak. (1. Wi88. XVn. Bd. I. Abtli.
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Ueber die
Beobachtimg des Wortaccentes in der altlateinisclieii Poesie.
Von
Wilhelm Meyer,
Die Dichtungsformen der romanischen Völker haben sich aus der
rythraischen, d. h. nach dem Wortaccent betonenden, lateinischen Poesie
des Mittelalters entwickelt. Ein Hauptprinzip derselben war gleiche
Silbenzahl in den entsprechenden Zeilen, während es, abgesehen von
kunstreichen Strophen, auf gleichen Tonfall, also gleiche Zahl der Heb-
ungen nicht ankam. Die germanische Dichtung hat in der ältesten Form,
die wir kennen, die Hebungen des Verses an die betonten Silben gebunden
und nur die gleiche Zahl der Hebungen, nicht der Silben, auch nicht die
Gleichheit des Tonfalls erstrebt. Nachdem schon in kunstreichen mittel-
hochdeutschen Strophen Gleichheit des Tonfalls, also auch der Silbenzahl,
durchgeführt worden war, war in den Zeiten der Verwilderung das
Prinzip der lateinischen und romanischen Dichtung, Gleichheit der Silben-
zahl in den entsprechenden Zeilen ohne Rücksicht auf den Tonfall, ziem-
lich herrschend geworden. Opitz stellte nach antikem Muster in den
Zeilen die Gleichheit des Tonfalls her und setzte an die Stelle der langen
die betonten, an Stelle der kurzen die unbetonten Silben. So herrschte
in den entsprechenden jambischen und trochäischen Zeilen gleicher Ton-
fall und also, da die Hebungen wie die Senkungen gleich waren, auch
Gleichheit der Silbenzahl.
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Das erste lateinische Gedicht, in welchem die Vershebungen an die be-
tonten Silben gebunden sind, der Psalm Augustins contra partem Donati, ist
etwa 393 nach Christus verfasst. Demnach kann dieses Dichtungsprinzip
nicht aus der germanischen Poesie entlehnt sein. Allgemeinen Beifall
hat nun die Ansicht gefunden, dass die Römer ursprünglich nur nach
dem Wortaccent gedichtet hätten und dass auch in der Zeit, wo die
Gebildeten nur die quantitirende Dichtungsform der Griechen nachahm-
ten, doch der gemeine Mann immer noch nach dem Wortaccent gedichtet
habe; das Christenthum habe sich dann, da es sich gerade an den armen
Mann wendete, dieser Dichtungsform bemächtigt und sie zu Ehren ge-
bracht. Diese Ansicht sagt dem modernen Geschmack, der sich nur
schwer in die quantitirende Dichtungsart denken kann, natürlich sehr zu
und desshalb wurde sie mitunter romantisch ausgemalt.
Allein mit den Beweisen steht es schlecht. Vor Augustin gibt es
kein Gedicht, das nicht quantitirend gebaut ist oder wenigstens so gebaut
sein will ; selbst Commodians Verse sind in bestimmten Theilen nur (juan-
titirend gebaut. Ueberall werden die Silben . nur nach ihrer Quantität
gewogen ; die entweder von Natur gegebenen oder durch das Zusammen-
stossen von Consonanten oder Vokalen entstehenden Längen und Kürzen
sind es, aus welchen der lateinische Vers aufgebaut wird. Dieses Grund-
gesetz sammt fast allen Formen ihrer Dichtung haben die alten Lateiner
von den Griechen gelernt.
Aber vielleicht haben die lateinischen Dichter doch beim Versbau
neben der Quantität auch den Wortaccent beachtet, und das vielleicht in
dem Grade, dass auf eine ursprüngliche, oder auch später noch vor-
handene, und nur zufällig durch keinen Ueberrest uns bezeugte acceu-
tuirende altlateinische Volkspoesie ein Schluss sich ziehen, oder dass das
allmälige Wachsthum und der endliche Sieg der nur nach dem Wort-
accent gebauten Verse sich daraus erklären lässt?
Nach einigen Bemerkungen Bentleys und G. Hermanns hat Fr. Ritsch 1
im 15. Capitel seiner Prolegomena zu dem Trinummus des Plautus (1849,
S. 206 — 250) behauptet und ausführlich zu beweisen gesucht, dass im
jambischen Trimeter und im trochäischen Tetrameter die lateinischen
Dichter den Widerspruch des Versaccentes und des Wortaccentes mög-
lichst vermieden hätten. Luc. Müller hat dagegen in seinen verschie-
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denen Schriften über lateinische Metrik behauptet, möglichst starker
Widerspruch der Versaccente und der Wortaccente sei ein Hauptziel der
lateinischen Dichter gewesen, und W. Corssen hat in seinem Werke
'lieber Aussprache, Vokalismus und Betonung der lateinischen Sprache'
(2. Ausg. II, 1870, S. 948—1000) Ritschi zu widerlegen und nachzu-
weisen versucht, dass die lateinischen Dichter zu keiner Zeit sich um
den Wortaccent gekümmert hätten. Ritschi gibt dagegen noch in der
Einleitung zum 2. Bande seiner kleinen philologischen Schriften (Leipzig,
1868, S. XII) eine Cbarakterisirung seiner Widersacher und eine kurze
Darlegung seiner Ansicht mit folgenden Worten ' Was ist ihnen ein Her-
mann! was ein Bentley! die uns andern erst den Blick geöffnet haben
in die Geheimnisse der harmonischen Disharmonie von Vers- und Wort-
accent, auf welcher der Reiz der antiken, in besonders eigenthümlicher
Mischung aber der römischen Verskunst zu' einem so wesentlichen Theile
beruht. Denn es ist ja hier nur eine verschiedene Stellung der beiden
Elemente (Consonanz und Dissonanz), wenn der daktylische Hexameter
vom Widerspiel zwischen Vers- und Wortaccent in der ersten Vershälfte
übergeht zur Lösung des Zwiespaltes in der zweiten, und wenn ander-
seits der dramatische Vers das Widerspiel am Anfang und Ende dort
gestattete, hier mit Wohlgefallen suchte, die Verschmelzung dagegen mit
so merkwürdiger Consequenz des rythmischen Gefühles in die Mitte des
Verses, zu beiden Seiten der Caesur verlegte. Hie Rhodos, hie salin darf
man jedem Plautuskritiker zurufen.' Corssen wird dann noch als der-
jenige bezeichnet, der, selbst ohne Empfänglichkeit für die 'Musik des
Rhythmus', sich zum ausgesprochensten Anwalt einer rein mechanischen
Auffassung gemacht habe. Da die Erörterung dieser Frage bei der
Untersuchung über den Ursprung der lateinischen accentuirenden Poesie
nicht umgangen werden kann, will ich versuchen, sie mit möglichster
Kürze und Nüchternheit zu erörtern. j
Wichtig ist der Umstand, dass die griechischen und lateinischen
Bhetoriker, insbesondere Cicero (Urator c. 55, 56, 64 etc.) und Quintilian
(IX cap. 4) da, wo sie von dem Tonfall innerhalb und insbesondere am
Schlüsse der Sätze und Reden handeln, nicht die geringste Rücksicht
auf den Wortaccent nehmen, sondern, obwohl nur von prosaischen Reden
gehandelt wird, dennoch nur die Quantitäts-Kürzen und Längen ins Auge
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fassen.*) Daraus möchte man schliessen, dass die Alten sich um den
Wort^ccent überhaupt nicht viel kümmerten und dass der Unterschied
zwischen betonten und unbetonten Worttheilen weit schwächer war als
ihn (tie geniianistheu Stämme wenigstens bei der Aussprache des Lateini-
schen sein lassen.
Die Betonung der Ut^inl^hen Wörter.
Haben die lie tonungsgese tze der lateinischen Wörter das Zu-
sammen fallen von Wort- und Versaccent begünstigt oder beeinträchtigt?
In den Sprachen, welche im Versbau nur die stärkere oder schwächere
Betonung der Silben beachten, muss natürlich bei Beobachtung eines
bestimmten Versschemas stets Wort- und Versaccent zusammenfallen; so
in den modernen Sprachen. In den Sprachen dagegen, welche beim
Versbau die Quantität rler Silben berücksichtigen, kommt es in Betreff
des Wortaccentes darauf an, ob der Wortaccent irgendwie an die Quantität
der Silben gebunden ist. Wenn der Accent der Wörter sich nichts um
die Quantiüit der Silben kümmert, so wird, wie es eben der Zufall fügt
der Versaccent oft auf die vom Wortaccent belegte Silbe fallen, oft nicht.
So in der griechii*chen Sprache. Denn nach dem einen sonderbaren Ge-
setz, dai?s» wenn die letzte Sill)e lang ist die drittletzte nicht betont sein
darf, wird der Accent nicht auf, sondern neben die lange letzte Silbe und
zwar ebenso oft auf eine kury*e als auf eine lange Silbe gezogen, Uyovrtg :
1) Ueari^ WiiKwt. iW thuisuhi rhf*toncii iiniie iirtieee[>it t.'icero quatenua in orationibus secutus
iftt (Ötni^i^bur^ei" DiMM^rtafeion von l^^i ^ Disserüitiones philol. Arg-entor. V p. 227 — 828) zeigt,
daj*s die IthetorJker »ich in ihren thr^oretischt^n KchniUii nur um die Quantität der Sinken küm-
merte«, und düN^ Cicero üiifb in der ?uxt\n d. h, in seinen Reden dieselbe beachtet hat. S. 818
bin 820 will er iil»er wein^sti^iij? in den Heden de3 Cicero suich einige Rücksicht auf den Wort-
accent nachweinen; mit wenig UH^ek, wie mir Hoheint. t'icero meidet die steigenden (jambisch-
flmipäifltii^ehenK ?tncht ilie sinkenden (trochäi^cbenl 8i'h lil^^i^e. In den letztem, den trochäisch-spon-
deii4chen HcbhiHMen stimmt Worturccent und Quantiliit Ätetw überein. Aber, wenn Cicero auf den
Wortrieient gf?Hebtet hätte, ho hätte er von den Schlüssen mit vorletzter kurzer Silbe diejenigen
am ehej4t*^n zulu?tst*n münwen, in welchen der Wortaccent ;tiif diese Kürze föUt und so den jam-
bischen SchlusH einigenna^sen dem trochäinchen oder tiponileischen nähert, wie ägit, dgunt, da-
gegen die am meisten meiden, wo die vorletzt-e Kttrüe nirht einmal den Wortaccent* hat, wie
exigunt, exigit, AUein da« Unigekehrte \^i der Falb Die Schlüsse agit, agunt meidet Cicero
auch in seinen Reden ilugHtlicher al« die Schlüi^^c *Sixigunt, t-xigit. Auch sonst konnte ich keinen
Anhalt dafür Hnden, da«« Cicero in der Theorie oder in der Praxis sich um den Wortaccent ^o-
kilainieit habe.
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Xeyoyrwr, aiojLiaTa: aioudrcDy, so dass durch dieses Betonungsgesetz die
Häufigkeit des Zusammenfalls von Wort- und Versaccent nicht beeinflusst
wird. In den griechischen Versen ist also das Zusammenfallen von Wort-
und Versaccent nur ein,jaicht gemiedener nicht gesuchter, Zufall. Wenn
dagegen in einer Sprache der Accent des Wortes mehr oder minder von
der Quantität der Silben bedingt ist, so kommt es darauf an, in welcher
Weise dies geschieht. Würden z. B. im Verse, wie dies die Regel ist,
die langen Silben betont, die kurzen nicht, in der Wortbetonung gälte
aber das Gesetz, dass die kurzen Silben betont würden, die langen nicht, so
wäre ein Zusammenfallen beider Accente fast unmöglich; wenn dagegen
auch in den Wörtern die langen Silben den Accent auf sich ziehen, die
kurzen von sich abstossen, so wird, wenn dies Gesetz ohne Ausnahme
gilt, der Versaccent stets mit dem Wortaccent zusammenfallen, sonst wird
von der grösseren oder geringeren Herrschaft des Gesetzes auch das
häufigere oder seltenere Zusammenfallen beider Accente abhängen ; jeden-
falls aber muss dasselbe hier häufiger stattfinden als in den Sprachen,
wo der Wortaccent sich gar nichts um die Quantität der Silben kümmert.
In der lateinischen Sprache sind die ein- und zweisilbigen Wörter
in dieser Frage ohne Einfluss. Denn die einsilbigen Wörter sind theils
lang theils kurz. Die zweisilbigen sind alle auf der ersten Silbe betont;
da diese bald lang bald kurz ist, wie esset fäcit, so stellen sie zum Vers-
bau ebenso gut Wörter, in welchen der Versaccent dem Wortaccent ent-
sprechen kann, als solche, in denen er ihm widersprechen muss. Da-
gegen die drei- und mehrsilbigen Wörter geben den Ausschlag. Hier
richtet sich der Wortaccent nach der Quantität : wenn die vorletzte Silbe
lang ist, zieht sie den Accent auf sich; wenn sie kurz ist, stösst sie ihn
ab, so dass er auf die drittletzte Silbe fällt.
Da wir nun annehmen dürfen, dass die Zahl derjenigen drei- und
mehrsilbigen Wörter und Wortschlüsse, deren vorletzte Silbe lang ist, die
Hälfte von sämmtlichen beträgt, so folgt, dass erstens in dieser Hälfte
stets der Wortaccent auf eine Silbe fällt;, die vom Versaccent getroffen
werden kann. In jener Hälfte der drei- und mehrsilbigen Schlüsse, in
welchen die vorletzte Silbe kurz ist, also die drittletzte betont wird, darf
man die Zahl derjenigen Wörter, in welchen eben diese Silbe lang ist
(fecerat), für ebenso gross veranschlagen, als die, in welchen sie kurz ist
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(fäciunt), so dasa also die eine Hälfte dieser Hälfte lange, die andere
kurze betonte Silben bietet. Demnach kann in drei Vierteln der drei-
und mehrsilbif^en Wörter und Wortschlüsse der Versaccent mit dem
Wortaccent zusannnenfallen , und auch in dem letzten Viertel, dessen
drittletzte Silbe kurz ist, wird dadurch, dass auch die vorletzte Silbe
kurz ist die Möglichkeit geboten, beide kurze Silben als Auflösung einer
langen zu fassen und so, im dramatischen Verse wenigstens, auch die
drittletzte Silbe mit dem Wort- und Versaccent zugleich zu belegen.
In den griechischen Wörtern fällt also der Accent willkürlich bald
auf lange bald auf kurze Silben; in den griechischen Versen fällt der
Accent auf lange Silben, folglich fallen in den griechischen Versen Wort-
und Versaccent oft zusammen, oft nicht, wie es der Zufall fügt. In
einer Menge lateinischer Wörter fällt der Accent ebenfalls willkürlich
bald auf lange bald auf kurze Silben, in der andern, ebenfalls sehr
grossen Zahl von lateinischen Wörtern wird der Accent von den langen
Silben angezogen, von den kurzen abgestossen; in den lateinischen Versen
föUt der Accent auf lange Silben; folglich muss wegen der beson-
deren Betonungsgesetze der lateinischen Wörter in den
lateinischen Versen der Wortaccent mit dem Versaccent
viel häufiger zusammenfallen als in den griechischen.
Diese Thatsache hat Corssen (2. Ausgabe II S. 972 — 988) auf anderem,
längerem Wege nachgewiesen.
Der Wortaccent im Schiasse des Hexameters.
Wie Andere (vgl. Crain im Philol. X p. 251, 252), so hat auch Ritschi
(oben S. 5) sich darauf berufen, dass im 5. und 6. Fusse des Hexameters
Wort- und Versaccente zusammenfielen. Wirklich fallen dieselben z. B. in
den Schlüssen der 756 Verse des 1. Buches von Virgils Aeneide stets
zusammen: primus ab öris; iactatus et alto; cönderet lirbem; ünde
Latinum.; adire Labores; Tiberinaque lönge; nur in 12 Versen schliesst
1 einsilbiges Wort und 2 zweisilbige, wie 'ö dea certe; aüt ubi flävo';
dann finden sich die drei Schlüsse: praerüptus aquae mons; forte virüm
quem; ätque hominüm rex. Hier ist also in 15 Fällen der Wortaccent
verletzt; die eine Art des Schlusses *6 dea certe^ war, wie die grosse
Zahl der Beispiele zeigt, offenbar gestattet; die andere Art 'rüptus aquae
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mons' war, wie die geringe Zahl der Beispiele zeigt, offenbar gemieden.
Ist diese Art von Hexameterschluss gemieden, weil hiebei der Wortacx^ent
verletzt wurde? Die Antwort auf diese Frage haben schon Luc. Müller
(De re metrica p. 206 — 212, 218 — 222) und Corssen (Ueber Aussprache etc.
II, p. 969 — 972, 980—982 2. Ausg.) gegeben. Zunächst ist Ritschis oben
angeführte Gegenüberstellung vom Einklang der Wort- und Versaccente
im Ausgang (nicht auch im Anfang!) des Hexameters und in der Mitte
des Trimeters, dann vom Widerstreite beider Accente in der Mitte des
Hexameters und im Anfang und Ausgange des Trimeters zwar rhetorisch
hübsch, aber sachlich unrichtig. Denn bei den alten Dichtem von Hexa-
metern, wie bei Ennius, sind die einsilbigen, den Wortaccent verletzenden,
Schlüsse so häufig, dass ihre Vermeidimg offenbar noch nicht geboten
war. Dagegen sind dieselben von Virgil und noch mehr von Ovid und
ihren Nachfolgern so sehr vermieden, dass hier die Vermeidung der-
selben offenbar ziemlich strenge Regel geworden ist. Es hätten also nach
der Auffassung Ritschis die alten Dichter den Wortaccent unbedenklich
verletzt, die Dichter des augusteischen Zeitalters sorgfältig beachtet
Aber von dieser Zeit erklärt Ritechl selbst (Proleg. S. 207): illic accen-
tus vim propemodum nuUam esse constat, eine Thatsache, welche aller-
dings aus den gräcisirenden Dichtungen imd der ganzen Richtung dieser
Männer sich unzweifelhaft ergibt. So geräth Ritschi in einen unlösbaren
Widerspruch. Dass aber wirklich Virgil, Ovid und ihre Nachfolger im
Hexameterschluss nicht Uebereinstimmung der Wort- und Versaccente er-
strebten, geht daraus hervor, dass sie auch Schlüsse, wie 'res reparäre;
Ty ndaridärum ; ärmamentis', obwohl hier der Wortaccent trefflich gewahrt
wurde, dennoch nicht minder gemieden haben als jene 'aquäe mons'.*)
Nur rhetorische Gründe waren es also, um derentwillen erst diese feinen
Dichter die Regel ausbildeten, der Hexameter solle weder mit einzelnen
einsilbigen, noch mit einem vier- oder mehrsilbigen Worte schliessen
(vgl. bes. Quint. IX, 4 § 65). Somit blieben für den Hexameterschluss
die aus zwei oder drei Silben bestehenden Wörter. Aber ein schliessen-
des dreisilbiges Wort muss die vorletzte Silbe lang, also auch betont
1) Dagegen kommen z. B. in den 200 ersten Hexametern des Waltharius 13 yiersilbige und
7 f&n£ailbige Schlosswörter vor; einzelne einsilbige Schlusswörter mied auch das Mittelalter.
Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. I. Abth. 2
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haben, und üas ihm vorangehende Wort muss ebenfalls die vorletzte
Silbe lang, also auch betont haben, so 'defössa talenta', 'saepe libenter .
Ein schliessendes zweisilbiges Wort muss die vorletzte Silbe lang, also
auch betont liaben. Gehen demselben drei einsilbige voran, so wird
kein Wortaccent verletzt, wie hie et in Acci; geht ein drei- oder mehr-
silbiges Wort voran, so sind dessen zwei Schlusssilben kurz, also unbetont,
die drittletzte Silbe lang, also sowohl vom Wort- wie vom Versaccent
getroffen, 'cognoscere pössis; vehementibus ira'. In all den bisher be-
sprochenen Fallen ist im 5. und 6. Fusse des Hexameters das Zusammen-
fallen der Wort- und Versaccente eine mechanische Noth wendigkeit,
welche die lateinischen Dichter auch beim besten Willen nicht hätten
vermeiden können. Es bleibt noch der Fall übri;^^ dass dem schliessen-
den zweisilbigiMi Worte ein zweisilbiges vorangeht, wie ät memor ille.
Hier Mird der Wortaccent dadurch verletzt, dass 'memor' von keinem
Versaccent getroffen wird; allein da kein rhetorischer Grund solcher
Bildung des Schlusses entgegensteht, haben die Dichter sie nicht im ge-
ringsten gemieden.^) Aus all dem ergibt sich, dass, (wie sich später zeigen
wird, von den Lustspieldichtern veranlasst) erst Virgil, Ovid und ihre
Nachfolger im Schlüsse des Hexameters feine Gesetze über den Umfang
der dort zu verwendenden Wörter, aber durchaus nicht den Wortaccent
berücksichtigt haben.
üer Wortaccent in jambischen and trochäischen Versen.
In den Lustspielen des Plautus und des Terenz finden sich ab-
gesehen von weiten angewendeten Zeilenarten besonders vier: sehr häufig
der jambische Senar (Plautus über 8000 Zeilen, Terenz über 3000) und der
trochaiache Se[>tenar (Plautus über 8000, Terenz 1200), minder häufig
der jambische Septenar (Plautus über 1200, Terenz 380) und der jam-
bische Octonar (Plautus 300, Terenz 800). Die drei ersten Zeilenarten
sind bei den Griechen häufig, die vierte ist bei den Griechen fast un-
bekannt und erst von den lateinischen Dichtern ausgebildet. Nicht nur
diejenigen Dichter, welche griechische Schauspiele übersetzten oder um-
1} Die 5. Hebung wird dann stets durch ein einailbigeH Wort gebildet; überhaupt wird
also veroiietleD die b. Hebung durch Wortende zu bilden.
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11
arbeiteten, sondern auch diejenigen, welche heitere oder ernste nationale
römische Stoffe für die Bühne darstellten, kannten keine anderen Zeilen-
arten als jene den Griechen abgelernten. Mochten die Stoffe und die Sprache
der Dichtungen noch so volksthüinlich römisch sein, von besonderen, natio-
nalen römischen Dichtungsformen ist hier nichts zu finden. Bentley,
G. Hermann und Ritschi wollten aber doch bei den alten römischen
Dichtem ein nationales Element finden, nemlich neben dem Alles be-
herrschenden, von den Griechen entlehnten Gesetze, dass die Verse nach
der Quantität der Silben aufgebaut werden müssen, eine weitgehende Bib-
achtung des Wortaccentes. Bentley sagt in dem Schediasma de metris
Terentianis, welches er seiner Ausgabe des Terenz (Cantabr. 1726) voran-
geschickt hat, S. XVII: Id Latinis comicis, qui fabulas suas populo placere
cuperent, magnopere cavendum erat, ne contra linguae genimn ictus seu
accentus in quoque versu syllabas verborum ultimas occuparent. p. XVIII:
Totum autem hoc, quod de ictu in ultimis syllabis cautum fuisse diximus,
de secunda tantum trimetri dipodia capiendum; nam in prima et tertia
semper licuit; siquidem ista sine venia conclamatum actumque erat de
comoedia tragoediaque latina. cum igitur hunc versum similesque apud
nostrum videris 'Malüm quod isti di deaeque omnes duint' cave vitio id
poetae verteris; etsi malum illud et omnes si in communi quis sermone
sie acuisset, deridiculo fuisset. nimirum aures vel invitae patienter id
ferebant, sine quo ne una quidem in fabula scaena poterat edolari . .
In secunda igitur trimetri dipodia hoc de quo agimus non 1 icebat. Der
eine Theil dieser Hegel ist falsch, der andere fast selbstverständlich.
Denn bei Caesur im dritten Fusse schliesst die 2. Dipodie sehr oft
(104 Mal in den 680 Versen des Publilius) mit einem jambischen Worte,
wie in Amare et sapefe vix deö conceditur; Aegre reprendas, quod sinäs
consuescere; Brevis ipsa vita est, sed malis fit longior; oder bei Auflös-
ung der Hebung des dritten Fusses wird noch dazu die viertletzte Silbe
vom Versictus getroffen, wie in Avarus ipse miseri3.e causa'st suae; Ex-
celsis mülto fäcüius casus nocet. Dann ist es eine stille Voraussetzung,
dass in Fällen wie in 'Anus cum ludit mörti delicids facit' oder 'Audendo
virtus crescit, tdrdandö timor der Wortaccent nicht verletzt werde. Da
aber der Wortaccent auf die Silbe dan fällt, so ist es eigentlich ein
gleich grosser Verstoss gegen den Wortaccent, wenn der Versaccent auf
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die unmittelbar vorangehende Silbe fällt Dass abgesehen von diesen
Fällen der Wortaccent im 3. und 4. Fusse mit dem Versaccent zusammen-
fällt, ist nur eine mechanische Wirkung der Caesur. Denn nahezu alle
Verse haben Einschnitt im 3. oder 4. Fusse, sehr viele in beiden, wie
' Multos timere debet, quem multi timent*. Es steht nun hier vor den
Einschnitten stets ein Wort oder ein Wortschi uss, dessen vorletzte Silbe
vom Versaccent getroffen wird, zugleich aber, da sie lang ist, wie alle
langen vorletzten Silben, auch den Wortaccent hat; folglich müssen die
Wort- und Versaccente vor diesen trochäischen Caesuren, wie überhaupt
stets in trochäischen Wortschlüssen, zusammenfallend)
Schärfer hat G. Hermann beobachtet in seinen Elementa doctrinae
metricae (Leipzig 1816). Zunächst S. 141: Romani veteres paulo minus
saepe negligunt caesuram eam, quae est in medio tertio pede, quam
Graeci comici. quod magis a natura linguae Latinae repetendum videtur,
quam a poetarum diligentia, non enim amant Latini voces in ultima
syllaba ictu notare, nisi in primis et postremis senarii pedibus, etsi ne
in hac re ubique sibi constant. sed haec pluribus disputata sunt a Bent-
leio . . Deinde vero spondeum a Latinis veteribus in omnes trimetri
locos praeter ultimum receptos esse, res est notissima. curarunt tamen
illi, ut plerumque minus durus ad aures accideret spondeus iste. Hinc
illud inprimis caverunt, ne accenttis verborum, in quibus spondeus est ali-
quem e paribus locis tenens, cum ictu pugnaret Itaque raro invenias ver-
sum, qualis hie Ennii est 'Palam mutire plefreid' piaculum est. Seite 151
bemerkt dann Hermann von dem jambischen Septenar: et spondeum in
paribus locis recipi et anapaestum pro iambo positum inveniri, proceleus-
maticum quoque pro iambo admitti, modo ista omnia pronunciationem
habeant facilem et a naturali verborum sono non fiimis abhorrentem.
Ritschi hat in dem 15. Kapitel der Prolegomena zum Trinum-
mus (1849, S. 206 — 250) Hermanns Spuren folgend das Verhältniss der
Wortschlüsse zu den Versaccenten im jambischen Trimeter und trochäi-
schen Septenar genauer untersucht. Seine Resultate sind im Wesentlichen
1) Vgl. die häufigen Verse, wie Peccäre pauci nölunt, niilli n^ciunt ; Haec sola sanara
muntern gdstat meörum familiarium. Auch bei Daktylen kommen sie vor: Dignum m^nte domö-
que legc^ntis hon^ta Nerönis.
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folgende: Jambische Wörter und Wortschlüsse, deren Schlusssilbe vom
Accente getroffen wird, können überall stehen mit Ausnahme des vor-
letzten Fusses. Der dem schliessenden Jambus vorangehende Jambus darf
nicht durch ein einzelnes jambisches Wort gebildet werden und nur
selten durch jambischen Wortschluss; vergl. 0. Brugmann über den jam-
bischen Senar (Leipziger Diss. 1874, S. 17 — 21). Dagegen sind die
spondeischen und, wie Ritschi hinzufügt, die anapästischen Wolter und
Wortschlüsse, deren letzte Silbe vom Versaccent getroffen wird, beson-
dern Regeln unterworfen. Sie dürfen im 1. und 5. Fusse des jambischen
Senars stehen und stehen hier sehr oft. Dagegen kommen sie fast
nicht vor im 2. Fusse (S. 221—223), fast nicht im 3. (S. 218 u. 219),
am häufigsten, aber innnerhin noch selten im 4. Fusse, wo wiederum
die auf der Endsilbe vom Versaccent getroffenen spondeischen Wörter
und Wortschlüsse seltener sind als die anapästischen (S. 210 — 217); am
ehesten sind sie noch gestattet, wenn dem 4. Fusse ein viersilbiges Wort
folgt (Brugmann S. 32, 40 u. 49).
Den trochäischen Septenar sieht Ritschi nach antiken Metrikern an
als bestehend aus einem Creticus und einem Trimeter. Statt des Creticus
kann auch stehen förtunäm, cöncipiünt (S. 232 u. 241). Demnach können
jambische Wörter oder Wortschlüsse, deren letzte Silben vom Versaccent
getroffen werden, also die Senkung des einen und die Hebung des näch-
sten Trochäus einnehmen, überall stehen, nur nicht im Uebergange vom
6. zum 7. Fusse; hier darf, wie im Trimeter, vor dem schliessenden
Jambus kein jambisches Wort und nur in gewissen Fällen jambischer
Wortschluss stehen. Spondeischer und anapästischer Uebergang ist ge-
stattet vom 1. zum 2. und vom 2. zum 3. Fusse (S. 241 u. 238): Gog-
natös adfinitatem, Ef/ti^eds ex ürbe inanis; Ego te complures advorsum.
Quid faciam invenias argentum; vom 6. zum 7. Fusse ist er nicht nur
gestattet, sondern sehr häufig: Dücent damnatum domüm; Remedium in-
veniam miser.
Diese Beobachtungen Hermanns und Ritschis sind unbedingt richtig.
Denn wer z. B. die grosse Menge von Trimetern bedenkt, in welchen
der 2. oder 4. Fuss durch jambische Wörter oder Wortschlüsse gebildet
wird, wie in Plures tegit fortuna quam tutos facit. 0 pessimeiw periclum,
quod opertum latet. Occasid receptus difficiles habet; Quamvis non rec-
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tum, quod iuvdt rectum putes. Perpetuo vincit qui ntittir dementia.
Quemcunque querit csAamitas facile invenit (solche jambische Wortschlüsse
im 4. Fusse hat z. B. Publilius etwa 104 unter 680 Versen, abgesehen
von allen Versen mit Elisionen), wer anderseits bedenkt, wie selten bei
Plautus und Terenz an diesen Stellen auf der letzten Silbe betonte spon-
deische oder anapästische Wörter und Wortschlüsse stehen, der begeht
einen schweren Fehler, wenn er die Existenz einer Regel leugnet, wor-
nach solche Schlüsse an diesen Stellen mehr oder minder streng verboten
sind. Die Regel gehört bei Plautus und Terenz nicht zu jenen, die nie
verletzt werden, wie z. B. jene, dass ein Senar 6 Füsse oder in der letz-
ten Senkung eine kurze Silbe haben muss, sondern zu jenen, die hie und
da verletzt werden können. Regeln, deren es beim Versbau sehr viele
gibt. Allein mit vollem Rechte wendet sich Ritschi gegen diejenigen,
welche der wenigen Ausnahmen halber die Regel selbst nicht anerkennen,
und Corssen hat seine Bekämpfung Ritschis hauptsächlich dadurch kraft-
los gemacht, dass er jene Regel, bei der die Caesuren unwesentlich sind,
fast gar nicht berücksichtigt hat (S. 991 u. 992). Die Richtigkeit jener
Regel wird dadurch bestätigt, dass die Verletzungen der Regel, die bei
Plautus und Terenz vorkommen, bei den Dichtern späterer Zeiten ganz
vermieden werden. Publilius Syrus, der auch in seinen etwa 680
jambischen Senaren und 50 trochäischen Septenaren den Versbau der
alten Dichter festhält, hat im 1. und 5. Fusse des Senars viele auf der
Endsilbe vom Versaccent getroffene spondeische oder anapästische Wörter
oder Wortschlüsse, aber gar keine im 2., 3. oder 4. Fusse. Denn der
Vers S 20, in dem ich diese Ausnahme nach Naucks Vorschlag zuge-
lassen habe 'Stultum est ulcisci velle alium poena sua', lautet in den
Handschriften 'Stultum est alium ulcisci velle poena sua* und ist metrisch
richtig und rhetorisch besser so zu stellen: Stultum est ulcisci velle
poena alium sua. Phaedrus, der nach Luc. Müllers wahrscheinlicher
Vermuthung durch das Ansehen der publilianischen Sprüche zur An-
wendung derselben Zeilenart bewogen wurde, ^) hat nach Langens Unter-
1) Es lohnte sich der Mühe, die Verwandtschaft beider einmal näher zu prüfen ; nicht nur
die gleiche Zeilenart, die oben genannten Eigen thümlichkeiten und die sparsame Anwendung des
Anapästes im 2., 3. und 4. Fusse sprechen für direkte Nachahmung durch Phaedrus, sondern
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sachungen (Rhein. Mus. 1858, S. 198) ebenfallß keine der Ausnahmen
sich gestattet, die Plautus und Terenz sich noch gestattet haben, sondern
im 2., 3. und 4. Fusse spondeische und anapästische Wortschlüsse mit
dem Versaccent auf der letzten Silbe durchaus vermieden.
Natürlich fragt Jedermann, wie kommen die lateinischen Dichter zu
dieser merkwürdigen Regel? Ritschi antwortet in den Prolegomena
zum Trinummus S. 207: 'Tanquam acu res ita demum tangitur, ut etiam
veteris comoediae tragoediaeque arti metricae pro fundamento fuisse
quantitatis observationem intelligatur, . . cum quantitatis autem
severitate summa accentus observationem, quoad eins fieri
posset, conciliatam esse, prorsus enim utramque rationem ex-
aequare omnino non potuerunt poetae, si modo fieri versus vellent'.
Es ist das die bentleyische Verlegenheitstheorie: die lateinischen
Dichter hätten sich Verletzungen des Wortaccentes gestattet, weil sie
sonst keine Verse machen koniiten. Welch verschiedenartige Dinge muss
derselbe Grund decken! Bentley machte zwischen jambischen und spon-
deischen oder anapästischen Wörtern uud Wortschlüssen keinen Unter-
schied und behauptete, im 3. und 4. Fusse würde der Wortaccent nicht
verletzt, d. h. käme kein zweisilbiges Wort vor, das auf der Endsilbe
vom Versaccent getroffen sei. Hermann und Ritschi sehen ein, dass
diese Regel unrichtig sei, Ritschi gibt zu, dass in jedem Fusse des Tri-
meters ein jambisches Wort mit dem Versaccent auf der Endsilbe stehen
könne, dass dagegen ein ganz anderes Gesetz gelte, nemlich dass im 2.,
3. und 4. Fusse nicht spondeische oder anapästische Wörter und Wort-
schlüsse mit dem Versaccent auf der Endsilbe stehen dürften: für diese
völlig neue Regel muss auch jene Ausflucht gelten, die Bentley zur Er-
klärung seines unrichtigen Gesetzes sich erdacht hatte. Die Brücke dazu
baut Ritschi sich durch die S. 208 aufgestellte Voraussetzung, in jambi-
schen Wörtern sei die Betonung 'videt* 'fidem^ viel weniger aufgefallen, da
die Ohren durch Composita wie pervidet, perfidam schon daran gewöhnt
gewesen wären, dagegen sei die in mensas, animös stattfindende Verletz-
ung des Wortaccentes viel schwerer in das Ohr gefallen.
auch dessen Haschen nach spruchartigen Einzelversen von der Art der publilianischen, der gleiche
Gebrauch der Abstrakta statt der concreten Adjektiva, wie avaritia statt avari, und Anderes.
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Diese Voraussetzung erklärt Corssen (U S. 992) durchaus für falsch.
Man mag Ritschi zugeben, dass in multos, fortunae die Verletzung des
Wortaccents schwerer in das Ohr fallt als in erunt; allein in anapästi-
schen Wörtern und Wortschlüssen, wie animos, perficiünt verletzt die Be-
tonung der Endsilben den Wortaccent jedenfalls weniger als in jambischen
Wörtern, wie erant, da jene Endsilben ohnedies schon einen Nebenaccent
tragen, den nemlichen Nebenaccent, der die Betonung der jambischen
Wortschlüsse, wie pervident, acceperant, den Ohren Ritechls und seiner
Anhänger völlig regelrecht erscheinen Hess. Von den lateinischen Dichtern
aber werden an bestimmten Stellen die anapästischen Wortschlüsse ebenso
vermieden als die spondeischen. So steht es schon mit der Voraussetzung,
auf die Ritschi seine ganze Theorie aufbaut, ziemlich schlecht. Ritschl
schliesst weiter, spondeische und anapästische betonte Wortschlüsse
konnten die lateinischen Dichter nicht leicht meiden, wenn sie Verse
bauen wollten; desshalb Hessen sie dieselben wenigstens im 1. und 5. Fusse
zu. Nun könnte man freilich fragen, warum gerade diese Füsse frei-
gegeben wurden, warum nicht z. B. bestimmt wurde, dass in einem Tri-
meter vor dem 6. Fusse nur ein oder nur zwei, nicht mehr, spondeische
oder anapästische Wortschlüsse mit Versaccent auf der Endsilbe vor-
kommen dürfen, gleichviel in welchem Fusse. Noch unangenehmer ist
das andere Gesetze, von dem die Griechen ebenfalls nichts wussten, dass
nämUch im 5. Fusse ein jambischer Wortschluss gar nicht stehen darf,
dagegen spondeischer und anapästischer nicht nur erlaubt, sondern sogar
gesucht ist, dass also die mildere Verletzung des Wortaccents hier aus-
drücklich verboten, die starke sogar beliebt ist. Wahrscheinlich dess-
wegen hat Ritschi aus der Noth eine Tugend gemacht und findet in der
Vorrede in seinen Opuscula (II p. XII, oben S. 5) eine Schönheit darin,
dass der dramatische Vers das Widerspiel von Wort- und Versaccenten
am Anfang gestattete, am Ende mit Wohlgefallen suchte, die Verschmelz-
ung dagegen mit merkwürdiger Consequenz des rhythmischen Gefühls in
die Mitte des Verses zu beiden Seiten der Caesur verlegte. Aber auch
hiemit ist jene merkwürdige Regel ebensowenig erklärt.
Corssens Einwände trefifen Bentley, nicht Ritschi, wesshalb ich sie
hier nicht näher darlege. Zunächst ist misslich, dass jene Wahrung der
Wortaccente von Publilius und Phaedrus so viel genauer durchgeführt
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ist, als von Plautus iind Terenz, während doch jene Dichter in Zeiten
lebten, deren Dichter anerkanntennassen den Wortaccent nicht beach-
teten. Dann bleibt es eine sehr missliche Sache, dass jambische Wörter
überall, auch in der Mitte des Verses, den Wortaccent verletzen durften,
wie in Solet sequi laus cum viäm fecit labor, oder dass in der Hebung des
3. Fusses die erste Silbe eines viersilbigen Wortes accentuirt werden
kann, wie in Quemcunque quaerit cälamitas facile invenit. Dann unter-
scheidet sich der jambische Senar vom jambischen Septenar und Octonar
und vom trochäischen Septenar nicht so weit wie von den daktylischen oder
anapästischen Zeilenarten; ja wir werden nachher sehen, dass in allen
andern Stücken diese vier Zeilenarten wie über einen Leisten gemacht
sind, weit mehr als im Griechischen. Desshalb ist die Forderung unab-
weisbar, dass auch in Hinsicht auf Beobachtung oder Verletzung des
Wortaccentes für olle Jamben und Trochäen das gleiche Gesetz gilt.
Ritschi hat im 15. Capitel der Prolegomena den jambischen Senar und
den trochäischen Septenar untersucht; im trochäischen Septenar sind
spondeische oder anapästische Wörter oder Wortschlüsse mit dem Vers-
accent auf der Endsilbe allerdings im Uebergang vom 1. zum 2. und
vom 2. zum 3. Fusse gestattet, im Uebergang vom 6. zum 7. Fusse so-
gar sehr beliebt, dagegen im Uebergang vom 3. zum 4., vom 4. zum 5.
und vom 5. ziun 6. Fusse fast gänzlich vermieden, also im Anfang und
im Schluss der Zeile gestattet oder gesucht, in der Mitte vermieden;
Ritschi schliesst 'Reliqua metra mitto in praesens in eo solo acquiescens,
ut iambicorum trochaicorumque in observando accentu severitati prorsus
oppositam esse anapaesticorum licentiam dicam, ut pote vix ullis in eo
genere legibus astrictam: id quod etiam de iambicis octonariis dictum
esse volo, non item de septenariis iambicis.' Demnach behauptet Ritschi,
in dem jambischen Octonar seien seine Regeln über die Beobachtung des
Wortaccentes bei spondeischem und anapästischem Wortschlusse verletzt,
im jambischen Septenar eingehalten worden. Das ist aber nicht der
Fall. Beide sind sich ja gleich, nur fehlt im Septenar die letzte Silbe.
Wenn beide, wie in der Regel bei Plautus, nach dem vierten Jambus
Caesur haben, dann ist die erste Hälfte, der jambische Dimeter, in beiden
absolut gleich; und in der zweiten Hälfte haben dann auch die beiden
ersten Füsse wieder gleiche Gesetze. Darnach dürfen dann im 1., 3. und
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XVII. Bd. I. Abth. 3
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5. Fusse, im Octonar auch im 7. Fusse, spondeische oder anapästische Wort-
schlüsse mit starker, im 2., 4., 5., (8.) jambische Schlüsse mit leichterer Ver-
letzung des Wortaccentes eintreten. Dimeter, wie Leges ut conscnbät qui-
bus oder Nümquäm bonae frügi sient, und dann natürlich auch Octonare,
wie Amat: sapit recte facit, animö quando obsequitiir suö, sind unanfecht-
bar. Was will aber eine solche Beobachtung der Wortaccente heissen?
Jeder Unparteiische wird zugestehen, dass sie absolut werthlos ist. Nie-
mand kann im Ernste behaupten, dass in solchen Dimet^rn die Zulass-
ung der leichten Verletzung des Wortaccentes in 2. und 4. und der
schweren im 1. und 3. Fusse unvermeidliche Noth wendigkeit war, oder
dass mit ästhetischem Sinne in * der Mitte der Reihe beide Accente zu-
sammen, am Anfang aber und am Ende auseinander gingen. Keine der
beiden Erklärungen Ritschis passt hier. Da beiden Erklärungen auch im
jambischen Trimeter und im trochäischen Septenar gewichtige Bedenken
entgegenstehen, so muss man die Lehre von der halben Beobachtung
des Wortaccentes fallen lassen. Dadurch wird aber nicht im Geringsten
erschüttert die von Hermann und Ritschi gemachte Beobachtung, dass
die lateinischen Dichter sehr vorsichtig waren in der Zulassung von
spondeischen und anapästischen betonten Wortschlüssen. Diese Beobacht-
ung ist durchaus richtig, und ich glaube, wären die Meisten bei der
genaueren Untersuchung dieser Fälle nicht durch Ritschis Theorie be-
fangen gewesen, so wäre die Erklärung dieser Thatsachen längst ge-
funden. Aus der Bemerkung Luc. Müllers (Summarium rei metricae
p. 47 und Metrik der Griechen und Römer S. 35) 'Um den ursprünglich
jambischen Charakter seines Verses (des Trimeters) nicht zu verdunkeln,
bildet Phaedrus den 2., 3., 4. Fuss nie durch ein auf einen Spondeus
oder Anapäst ausgehendes Wort' leuchtet kein klarer Grund dieser Regel
hervor. Denn wenn die Griechen im 1., 3. und 5. Fusse spondeische
und in den sämmtlichen fünf Füssen (sogar im 2. und 4.) anapästische
auf der Endsilbe vom Versaccent getroifene Wortschlüsse unbedenklich
sich gestatteten, so konnte Phaedrus im 3. Fusse und, da er im 2. und
4. auch Spondeen und Anapäste zulässt, auch im 2. und 4. Fusse solche
Wortschlüsse unbedenklich sich gestatten.
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1§
Allgemeine Gesetze für den Baa der Jamben und Trochäen.
G. Hermann urtheilt (Elena, doctrinae metricae S. 86): veteres Ro-
manorum poetae quoniam Graecos in re metrica raagis imitati, quam
aemulati sunt, propriam quandam illi sectam constituunt, legibus utenteni
similibus quidem, sed multo liberioribus. Dieses allgemein ange-
nommene Urtheil ist ungerecht und irrig. Freilich die Bestimmungen
darüber, welche Silben der lateinischen Wörter als lang, welche als kurz
gelten sollten, welche Silben elidirt werden könnten, welche nicht konn-
ten den Griechen nur zum geringen Theile nachgeahmt werden, und
zwischen der Prosodie des Plautus und der des Ovid mag desshalb ein
Unterschied sein, wie zwischen der des Homer und der des Aeschylus:
allein die Gesetze der Griechen für den metrischen Bau der jambischen
und trochäischen Zeilen konnten nachgeahmt werden ohne besondere
Schwierigkeiten anderer Art, als sie in ihnen selbst lagen. Gewöhnlich
weist man auf die Längen in jenen Senkungen der jambischen und
trochäischen Dipodien hin, welche die griechischen Tragiker nur mit
einzelnen Kürzen gefüllt hatten, und glaubt damit die Nachlässigkeit der
altlateinischen Dichter bewiesen zu haben, ohne zu bedenken, dass ja
auch die griechischen Komiker jene Senkungen ganz regelmässig mit
zwei Kürzen füllten.
Die hauptsächliche Aufgabe der altlateinischen Dramatiker war,
griechische Lustspiele der späteren Zeit zu übersetzen oder umzuarbeiten.
Man muss also, um den altlateinischen Versbau richtig zu beurt heilen,
zum mindesten die metrischen Gesetze der griechischen Tragiker und
Komiker, ja vielmehr insbesondere die der letzteren, mit den altlateini-
schen vergleichen. So kommt z. B. der jambische Septenar bei den
griechischen Tragikern gar nicht vor. Die Aufgabe dessen, der zuerst
die Nachahmung der griechischen jambischen und trochäischen Dialog-
verse versuchte, war eine schwierige. Gerade in der gewöhnlichsten
Zeilenart, dem jambischen Senar, hatten die griechischen Dichter das
Meiste gewagt; in den fünf ersten Füssen konnte durch Vertaueehung
des Jambus mit Spondeus, Anapäst, Tribrachys oder Daktylus der ursprüng-
liche Charakter des Verses in der mannigfachsten Weise verändert oder
verborgen werden. Dann hörte der Mann wohl von einer rein zu lialten-
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den Senkung in jeder Dipodie, allein bei seinen nächsten Vorbildern, den
Lustspieldichtern, sah er sie ganz regelmässig mit zwei Kürzen gefüllt;
er hörte wohl von bestimmten Caesuren in jeder Zeilenart, allein ebenda
fand er ausserordentlich viele caesurlosen Verse. Der Mann, welcher
unter diesen schwierigen Verhältnissen die Nachahmung jener griechischen
Verse unternahm, wurde so von selbst dazu gedrängt, sich seinen Weg
zu suchen. Er war offenbar ebenso praktisch als energisch. Er hat
nicht viele und einfache Gesetze aufgestellt, in denen er theils eng an
die Griechen sich anschloss theils über sie hinausging, theils sich engere
Schranken setzte. So sind die altlateinischen Lustspieldichter im Bau
dieser Zeilen nicht zuchtloser als die griechischen, sondern sie haben
strengere Regeln und beobachten sie sorgfältiger. Anderseits sah der,
welcher diese Regeln nach der gewöhnlichen griechischen Lehre aufstellte,
diese in seinen besten Vorbildern oft verletzt. So ist es völlig natür-
lich, dass auch er seine Regeln nicht als absolut unverletzliche hinstellte,
sondern wenigstens hie und da eine Ausnahme gestattete. Viele von unseren
Philologen haben keinen Sinn für solche Regeln, deren Verletzung mehr
oder minder oft ('nunquam vel raro* sagt Eberhard Bethun.) gestattet sein
soll ; allein ger<ide für den wohlklingenden Bau der Verse gibt es in allen
Dichtungen viele Regeln der Art. So steht es z. B. mit dem Hiatus bei
den lateinischen rythmischen Dichtern des ganzen Mittelalters. Nur sehr
wenige, wie der Archipoeta, haben ihn gänzlich gemieden; die meisten
haben ihn selten zugelassen, wie Abaelard 2, 3 Mal in je 100 Zeilen;
fast keiner aber hat ihn so oft zugelassen als er in der Prosa sich
findet, d. h. fast keiner hat ihn absolut nicht gemieden. Auch bei Plautus
und noch häufiger bei Terenz finden sich hie und da Ausnahmen von
den sonst bei ihnen geltenden metrischen Regeln. Zu wundern ist es
nichtj dass spätere Dichter, welche in der Zeit der höchsten Kunstblüthe
den altlateinischen Versbau nachahmten, wie Publilius und Phaedrus,
diese Ausnahmen von der Regel seltener und seltener zuliessen. Wenn
nun auch die Perioden der lateinischen Metrik zum grössten Theil
nur Stationen der wiederholten stärkeren und neuartigen Nachahmung
griechischer Formen sind, so haben doch da, wo die altlateinischen
Dichter Etwas verboten hatten, was bei den Griechen erlaubt gewesen
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war, selbst die feurigsten Puristen fast niemals gewagt, die griechische
Freiheit wieder herzustellen.
Für solche Untersuchungen bietet Plnuttis den ältesten, reichhaltigsten
und wichtigsten Stoff; leider ist es nicht so gut bestellt mit der hand-
schriftlichen Ueberlieferung und gelehrten Bearbeitung der meisten Lust-
spiele. Von Terenz sagt man, er biete zwar keine grosse Mannigfalti^^keit
der Formen, dafür sei er aber im Versbau weit sorgsamer als Plautus.
Dieser allgemeine Glaube ist durchaus unrichtig. Der reich begabte
Plautus strebte nicht nur nach Mannigfaltigkeit, sondern ebenso sehr
nach Schönheit imd Reinheit der Dichtungsformen, Terenz dagegen liatte
dafür wenig Sinn. Seine Formen sind ärmlich, deren Bau nachlässig
und die Verletzungen der Regeln bei ihm mindestens doppelt so häufig
als bei Plautus. Dazu kommen noch besondere Eigenthümlichkeiteii, wie
z. B. im Bau der jambischen Octonare. Für Pubhlim Syrus glaube ich
nach Wölfflin die festen Grundlagen der handschriftlichen Ueberlieferung
nachgewiesen zu haben. ^) Ziemlich gut ist es mit dem Texte der Fabeln
1) Diese Spruchverse sind in verschiedenen Sammlungen theiJs ohne üeberschrift theils tiiit
falschen Ueberschriften, wie Senecae sententiae oder proverbia, Sententiae philosophonini, an?*
überliefert. Diese zu Schulzwecken gemachten Sammlungen sind unter sich verwandte Aunli'^^t^n
aus einer ursprünglichen reichhaltigen Sammlung. In einer Veroneser Excerptenhandschrift von
1829 sind auch 60 Spruchverse eingesetzt, die zum Theil in jenen Sammlungen vorkommen, theils
nicht; diesen 60 Sprüchen ist bald Ex sententiis Publii, bald Publius Syrus, bald Publiu^ mimuH
vorgesetzt. Da in jener Veroneser Handschrift auch andere wichtige Handschriften mit SorgtiiU
excerpirt sind, so erhellt, dass 1) daselbst eine Sammlung ausgenützt ist, welche vollrttiindtgt'r
war und der ursprünglichen näher stand, als die uns erhaltenen, und dass 2) diese Sammlung tlon
Titel *Publilii Syri mimi sententiae' hatte. Da ferner auch von 20 Sentenzen, welche die Ijf'iden
Seneca und Gellius mit dem Namen des Publilius citiren, \\) in diesen Sammlungen vorkomruen,
so müssen wir jene in den Veroneser Excerpten benützte vollständige Sammlung und die erhal-
tenen unvollständigen dem Publilius Syrus zuschreiben.
Ribbeck meinte, in diese Sammlungen seien Spruchverse aus der ganzen dramatischen PüL^^if^
der Römer, einschliesslich der Mimen des Laberius, auch aus verschiedenen Jambendieb tum und
Satirikern zusammengetragen. Wenn dieselben diese hohe Ehre verdienten, so müsste es hier
ähnlich stehen, wie in den griechischen Spruchsammlungen des Menander, Diese verschiedenen
ebenfalls aus diner Ursammlung zu Schulzwecken ausgelesenen Sammlungen enthalten t-twa
850 Spruchverse: von diesen kommen aber 124 theils in den erhaltenen Werken versclue<iener
alter Dichter vor, theils werden sie von Stobaeus und Andern den verschiedensten Autoren scnge^
schrieben; (vgl. meine Abhandlung 'Die urbinatische Sammlung von Spruchversen des Menamler
Euripides und Anderer; München 1880, S. 7). Wie steht es bei Publilius? Obwohl iitiH gut
20,000 Senare und 10,000 trochäische Septenare lateinischer Dichter erhalten sind und tlad Ein-
schieben in unsere Spruchsammlungen sehr leicht war, so findet sich doch nur in einer guteti Siinim-
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des Phaedrus bestellt. Von den übrigen jambischen und trochäischen
Gedichten der alten Zeit sind uns nur wenige Bruchstücke erhalten und
diese fast durchweg in unsicherem Zustande.
Ich beschränke mich auf den meti'ischen Bau der gebräuchlichen jam-
bischen und trochäischen Zeilen: der jambischen Senare, Septenare und Octo-
nare und der trochäischen Septenare. Voran schicken muss ich die Bemerk-
ung, dass Wörter lateinischer Verse, von denen eine Silbe in die Elision
fällt, weder für noch gegen eine Regel beweisen. Die Griechen schrieben die
elidirte Silbe nicht und verwendeten den Wortrest meistens ohne andere
Rücksicht nach den gewöhnlichen metrischen Regeln. Die lateinischen
Dichter schrieben diese Silben, und eine Menge von Versen beweist, dass
sie dieselben auch beim Bau der Zeile mitrechnen konnten. Denn, wenn
wirklich bei Elision die erste Silbe glatt wegfiele, so wäre jede der sonst
lung ein Vers de« Terenz, in einer anderen stark umgearbeiteten Sammlung drei prosaische
Sprüche aus Kirchenvätern und in der einen (nicht in der andern) Handschrift derselben Samm-
lung ein und ein halber Vers aus Terenz interpolirt. Damit vergleiche man die Menandersamm-
Inngen ! Die AehnlichktUen mancher Sprüche unter sich oder mit denen anderer Dichter, welche
Ribbeck (Fragm. Comic. 2. ed. p. XCVII) finden wollte, sind mit sehr wenigen Ausnahmen zufällig,
und selbst wenn sie nicht zuülllig wären, beweisen sie nicht«, da mehrere Menschen oder auch
ein Mensch in verschiedenen Zeiten Aehnliches denken und aussprechen können ; (vgl. hierüber die
obige Abhandl. S. 13 ffl.). Die Sprache passt durchaus in die Zeit des Publilius, die Prosodie hat
nur wenige Freiheiten der älteren Dichter sich gestattet und der Vershau hat die Grundgesetze,
Sihex nicht die Freiheiten und Ausnahmen des Plautus und Terenz festgehalten. In all dem sind
diese Spruchverse viel regelmässiger als Plautus und Terenz, aber noch etwas freier als Phaedrus.
Diese Thatsachen habe ich früher dargelegt (Die Sammlungen der Spruchvei-se d. Publ. S.
Teubner 1877, S. 47) und darnach meine Ausgabe (Teubner 1880) gearbeitet, Thatsachen, welche
für diejenigen, die selbst urtheilen, nicht erschüttert werden weder durch den Inhalt noch durch
den Ton der Recension, mit der 0. Ribbeck im Liter. Centralblatt 1880 S. 1044 gegen mich auf-
zutreten für nützlich und passend erachtet hat. Ich hatte nicht nur viel neuen Stoff gefunden,
sondern mir auch die Thatsachen reiflicher überlegt als er.
Da der Anfang der stark entstellten Zürcher Sammlung (Z, zuerst von mir edirt in den
Sitzungsber. unserer Akad. 1872, II. 4. Heft) nur in der Münchener Handschrift (6369 = M) er-
halten ist, so hoffte ich Hilfe von dem Cod. Vatic. Regin. 1762 saec. IX, wo ich fol. 224 b den
Anfang dieser Sammlung wieder fand. Allein nicht nur die Ueberschrift, sondern auch der Text
stimmt durchaus mit M. Die sämmtlichen Abweichungen von M sind in A : 10 Amici uitia. Nisi.
47 uiuit und longiore torpescit. 48 esse reum. 51 esse volet. Die Sentenzen von B 8ind = 3f: von
C sind erhalten: 15 (Cont.). 38. 17. 7 (inimico in gratia = M). 39 (= M). 40 (= M). 27 (= M:
doch possident bene). 41 (—3/). 30. Dann folgt nach sechs leeren Zeilen D 3 Diu praeparandum
est de hello, ut citius (?) uincas; dann nach zehn leeren Zeilen in der untersten Zeile F 29 und
9 Famulatur dominus ubi timet quibus imperat prorsus fatetur. Damit endet diese Abschrift, die
offenbar mit M viel mehr als mit der Zürcher Handschrift ( 2' von Buchstaben C an) verwandt
ist. Die Collation dieser Handschrift verdanke ich der Güte des Herrn Generaldefinitors Ph. Denifle.
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23
giltigen metrischen Regeln in vielen Fällen verletzt. In Versen, wie
(Publilius S 21, M 19) Sibi primum SLXxxüimn eripere est leges tollere,
Mala est medicina^ ubi aliquid naturae perit, stünden bei Nichtrechnung
der elidirten Silbe die sonst gemiedenen Wortschlüsse auxili und ^ ^-'
(medicin) an unrichtiger Stelle. Falsche Wortschlüsse und Mangel der
Caesuren würden eintreten in Versen, wie (Publ. N 28. Trin. 95. 4n6.)
Nisi vindices delicta^ improbitatem adiuves Siquid scis me fecisse inscite
aut improbe. Exessum, expotum, exünctum, elütum in balineis.
Diese Fälle sind häufig; besonders häufig sind die Verse, wo die
Caesur fehlen würde, wie in (Publil. C 5. P 13. Phormio 134. 349.
597. 637. Poen. III, 4, 10). Crudelem laedicum intemperans aeger facit.
Plus est quam poen^/ iniüriae succumbere. lUa quidem nos^m erit. Jocu-
lärem audaciam. Audistis fäcte/w iniüriam quam haec est mihi. Ubi
Phaedriae esse ostenderet nihilo minus. Si tu aliquam ^kctem aequl boni-
que dixeris. Quin sequere me er^o abdüc intro: addictum tenes.
Könnte man daran denken, die 1. nicht die 2. Silbe in solchen Eli-
sionen mitzurechnen, so zeigt die allerdings seltene Art der Elision in
(Phormio 87) Nos ostiö^i operkm dabamus Phaedriae, dass wir besser
mit Ritschis treffendem Ausdrucke sagen, in Elisionen der Art werde der
Wortschluss verdunkelt^ nicht aufgehoben; (vgl. Proleg. zum Trin. S. 282.
274. 217 und 220). Solche Elisionen sind bei Plautus, Terenz und Pu-
blilius häufig, bei Phaedrus (vgl. L. Müller editio maior p. XII) selten;
doch sind die beiden Verse *Novissime prolap^aw effündit sarcinam. Ipso
hxdiorum ostenderet sese die* nicht mit Luc. Müller durch 'Caesura post
praepositionem verbi compositi' ef | fundit und os | tenderet, sondern durch
jene, früher durchaus erlaubte Verdunkelung der Caesur zu erklären;
(vgl. noch Langen im Rh. Mus. 1858 S. 202). Ich gehe also bei diesen
Untersuchungen stets von den Fällen ohns Elision aus.
Beim Bau der jambischen und trochäischen Reihen kommt in Be-
tracht die Bildung der Senkung, die der Hebung und die Verbind-
ung beider.
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24
Bildang der Senkaiigen und der Hebungen.
In Betreff der Senkung stiess der Organisator der lateinischen
Metrik auf eine merkwürdige Ungleichheit oder Inconsequenz seiner grie-
chischen Vorbilder, der Lustspieldichter. Die Senkung verhält sich in
Jamben und Trochäen zur Hebung in gleicher Weise wie 1 : 2. Diese 1
Kürze der Senkung wurde aber in bestimmten Fällen mit einer Länge oder
mit 2 Kürzen vertauscht. In den Jamben waren nun die beiden Kürzen
dadurch vor der Länge bevorzugt, dass sie auch im 2. Fusse der jam-
bischen Dipodie die Senkung bilden durften, während der Länge dies
untersagt war. Wiederum waren die Jamben dadurch vor den Trochäen
bevorzugt, dass in den Jamben beide Senkungen der Dipodie, also in
einer längeren Reihe sämmtliche Senkungen mit Ausnahme der letzten,
durch 2 Kürzen gebildet werden durften, während in der trochäischen
Dipodie nicht einmal die 2. Senkung, obwohl sie durch eine Länge ge-
geben werden konnte, geschweige denn die 1. Senkung, durch 2 Kürzen
gebildet werden durfte: so dass also die Bildung der Senkung durch
2 Kürzen in allen Füssen der jambischen Reihen (mit Ausnahme des
letzten) erlaubt, dagegen von den trochäischen Reihen gänzlich ausge-
schlossen war.
Da nun demjenigen, der zuerst diese jambischen und trochäischen
Reihen in lateinischer Sprache nachbilden wollte, 2 Kürzen metrisch
einer Länge gleich galten und er weder einsah, warum die beiden Kürzen
vor der Länge, noch warum die Jamben vor den Trochäen bevorzugt
werden sollten, so setzte er zunächst überall, wo er die Senkung durch
2 Kürzen gebildet fand, also in allen Füssen der jambischen Reihen ausser
in dem letzten, statt der 1 Kürze nicht nur 2 Kürzen, sondern ebenso
gut eine Länge, zweitens behandelte er die Senkung der Trochäen ebenso
wie die der Jamben ; also ergab sich die einfache Regel, sämmtliche Senk-
ungen jambischer und trochäischer Zeilen können statt durch die Ursprung-
liehe Kürze ebenso gut durch eine Länge oder durch 3 Kürzen gebildet
werden. Nur die letzte Senkung einer jambischen Reihe darf bloss durch
1 Kürze gegeben werden, wobei die Senkimg des 7. Jambus im jam-
bischen Septenare, die bei den Griechen stets 1 Kürze war, von dem
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25
Lateiner nicht als letzte angesehen, folglich auch durch eine Länge oder
2 Kürzen gegeben wurde. ^)
So finden sich viele Verse, wie die folgenden (Trin. 797. Ainph. 998*
Phorm. 207) Quam vis sermönes pössünt longl texier. Jam hic delndetür
spectätores vobis inspöctäntlbus. Quid fkcöres si aliud quid graviüs tibi
nunc fäciündüm föret. Si istoc exemplö tu Omnibus | qui quäernot re-
spöndebis.
Die Bildung der Hebung ist wie bei den Griechen: statt einer
Länge dürfen auch zwei Kürzen stehen; schliesst aber die Hebung die
Zeile, so darf statt der Länge auch 1 Kürze, doch nie 2, stehen. Folgt
der letzten Hebung noch eine Senkung, was im Schlüsse des jambischen
Septenars geschieht, so wurde sie von den griechischen Lustspielrlichtern
nicht aufgelöst; der Lateiner aber gestattete es, wahrscheinlich aus eineui
später zu erörternden Grunde.
Verbindung der Hebungen und Senkungen.
Hebung und Senkung können nun 3 verschiedene Verhältnisse zu
einander einnehmen. Entweder füllt die Hebung oder die Senkung ein ab-
gesondertes Wort aus, oder die Senkung bildet mit der vorausgehenden
Hebung oder mit der folgenden Hebung ein Wort.
Die Senkung, ob lang oder kurz, kann ein einsilbiges Wort ein-
nehmen, z. B. Cui plus licet quam par est, plus vult quam licet; nur
geschieht dies im Schlüsse einer Zeile oder vor der Caesur nicht oft,
ausser wenn auch die vorangehende Hebung ein einzelnes Wort einnimmt,
während im griechischen Verse wenigstens das letztere oft geschah. Die
durch 2 Kürzen gebildete Senkung konnte bei den Griechen nur im
jambischen Senar und Septenar vorkommen, also in der Form eines Ana-
pästes. Hier galt nun als Regel, dass die beiden Kürzen des Anapästes
mit der folgenden Hebung ein Wort bilden. Desshalb bilden die wenigen
Anapäste, welche in den Trimetern der griechischen Tragiker sich finden,
1) So erklärt sich die Entstehung dieser Regel auf natürliche Weise; sie ist nicht ent^itainden
aus irgendwelchen Gewohnheiten der praehistorischen lateinischen Volksdichtung, wnrtiaeh die
Senkungen völlig vogelfrei gewesen wären, und z. B. ganz wegbleiben oder durch 1 K>1r7.e oder
Länge oder 2 Kürzen hätten ausgedrückt werden können.
Abh. d. T. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. 1. Abth. 4
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stets ein einziges, drei oder mehrsilbiges Wort. So stehen im 1. Fusse
bei Aeschylus etwa 60, bei Sophokles etwas mehr, in den 6 streng ge-
bauten Stücken des Euripides (Alkestis, Andromache, Heraklidae, Hippolyt,
Medea und Rhesus) etwa 30; von diesen sind nur 2 getheilt; in den
freier gebauten Stücken des Euripides finden sich im 1. Fusse sehr viele
Anapäste, von denen nur etwa 18 getheilt sind. Diese wenigen getheilten
bestehen stets aus eng zusammengehörigen Wörtern. Ausserhalb des
1. Fusses hat Sophokles nur etwa 10, Euripides in den freien Stücken weit
mehr Anapäste, aber nur in drei- oder mehrsilbigen Eigennamen zugelassen.
Also tritt der Anapäst bei den griechischen Tragikern als ungetheilter
Fuss auf. Im Kyklops des Euripides finden sich ausser dem 1. Fusse
nicht nur viele durch Eigennamen, sondern auch etwa 20 durch andere
Wörter gebildete Anapäste, von denen aber nur wenige aus mehreren
(eng verbundenen) Wörtern gebildet sind. Auf die 9000 Trimeter des
Aristophanes treffen etwa 3779 Anapäste; im 1. Fuss 482 ungetheilte,
661 getheilte; im 2. Fuss 913 ungetheilte, 270 getheilte; im 3. Fuss
184 ungetheilte, 84 getheilte; im 4. Fuss 678 ungetheilte, 169 getheilte;
im 5. Fuss 257 ungetheilte, 81 getheilte. Das üebergewicht der unge-
theilten Anapäste über die getheilten, 2514 gegen 1265, bezeugt, dass
der Anapäst auch bei Aristophanes ein ungetheilter Fuss sein will. Denn
im 1. Fuss, wo die Hälfte der 1265 getheilten Anapäste steht, verwischt
die Stimme von selbst die Theilung; für den 2., 3., 4. und 5. Fuss aber
haben die Untersuchungen C. Bernhardi's (in den Acta soc. philol. Lips. I,
245) ergeben, dass die getheilten Anapäste hier aus eng zusammenge-
hörigen Wörtern bestehen. Die Theilung selbst konnte in verschiedener
Weise geschehen; selten bildete jede Kürze ein besonderes Wort, wie in
/ice Ji otJcT, oder nur die 1. Kürze ein besonderes Wort, wie in xa
fieyiara; meistens nehmen die beiden Kürzen zusammen ein Wort ein,
wie in Iva fir].
Der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen hat zwei
Kürzen in jeder Senkung nicht nur der jambischen Senare, Septenare
und Octonare, sondern auch der trochäischen Septenare zugelassen,
natürlich mit Ausnahme der letzten Senkung. Dieselben sind sehr oft
getheilt, wie im Griechischen: selten sind die beiden ersten Arten, wie Et
is hödie apüd me, Ut eum ädvenientem. In amore; sehr häufig die letzte
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Art 'Mala mors, Jacet omnis ; Comes est*. Diese getheilten Anapäste finden
sich bei Plautus und Terenz vor Allem im 1. und im 5. Fusse, aber
(und das, wie es scheint, bei Terenz mehr als bei Plautus) auch im 2.,
3. und 4. Fusse. Dass sie sich im 5. Fusse so oft finden, beruht auf
der Behandlung dieses vorletzten Fusses, in welcher die Lateiner von
den Griechen durchaus abweichen. Bei der Theilung der Anapäste scheinen
die Lateiner nicht zu verlangen, dass die Theile dem Sinn und der Con-
struction nach mehr zu einander als zu den umliegenden Wörtern ge-
hören. Schon bei Publilius änderte sich der Gebrauch. Im 1. und
5. Fusse finden sich noch viele Anapäste, darunter im 1. Fusse sehr viele,
im 5. Fusse viele getheilte, wie in Bene dormit, qui non sentit, quam male
dormiat. Im 2., 3. und 4. Fusse finden sich überhaupt nur wenige Ana-
päste: ungetheilte (maledictum, benedicunt mitgerechnet) im 2. Fusse 8^),
im 3. Fusse 4, im 4. Fusse 5; getheilte keine im 4. Fusse; im 3. nur
B 13 Beneficium qui dare nescit iniuste petit (so die codd., däre qui
die Ausgaben seit Erasmus) und der unsichere in N 13 Numquam ubi
diu fuit ignis defecit vapor und der wegen der bestrittenen Theilung
sehr zweifelhafte in Q 52 Qui pote nocere, timetur (timeas Ribbeck), cum
etiam non adest; vgl. B 31 Bonam ad virüm cito moritur iracündia;
im 2. Fusse ausser dem verzeihlichen Etiam sine lege und Lucrum sine
damno in E 21 und L 6 nur M 24 Male secum agit aeger medicum
(med. aeger Spengel) qui heredem facit und P 49 Probo bona fama
maxima est hereditas, wo, da die einzige beachtenswerthe Handschrift
*Pro bona fama^ hat, vielleicht 'Proborum fama' zu schreiben ist; vergl.
H 15 Honestus rumor alterum est Patrimonium und B 40 Bene audire
alterum Patrimonium est. Phaedrus, der im 1. und 5. Fusse viele
Anapäste hat, theilt sie im 1. Fusse oft, aber fast immer so, dass die
beiden Kürzen ein Wort bilden; im 5. Fusse kommt auch diese Theil-
ung (ohne Elision) wie 'ruit Ilium' nur etwa 4 Mal vor; im 2., 3. und
4. Fusse hat er mit Ausnahme von I, 2, 23 'Inutilis quoniam esset' nur
ungetheilte Anapäste und auch deren nur sehr wenige: 8, 11, 19.
1) S 44 stellte ich mit Haupt 'Satis est superare inimicum, nimium est perdere*; da die
Handschrift hat 'Satis est inimicum sup.\ so ist die fehlerhafte Häufung der Anapäste zu ver-
meiden durch die Stellung: Satis inimicum est superä.re n. e. p.
4*
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28 •
Die durch eine Länge gebildete Hebung konnte, abgesehen vom
Zeilenschluss , ohne weitere Rücksicht ein einzelnes Wort einnehmen.
Wenn die Hebung durch zwei Kürzen gebildet wurde, so verbanden die-
selben bei den Griechen, was nachher zu besprechen ist, sich bald mit
der vorausgehenden, bald mit der folgenden Senkung. Wenn dies nicht
der Fall war, so nahmen sie in der Regel ein zweisilbiges Wort ein, was
sehr oft geschah; ausserdem nahm gewöhnlich die erste (betonte) Kürze
der Hebung ein einzelnes Wort ein, die zweite war ebenfalls ein einzelnes
Wort oder die erste Silbe eines längeren Wortes ; äusserst selten war bei
den Tragikern die erste Kürze der Hebung die Schlusssilbe eines zwei-
silbigen, nicht eines drei- und mehrsilbigen Wortes (vgl. Enger Rh. Mus.
1864, p. 133); bei Aristophanes zählt Rumpel im 1. Fusse des Trimeters
71 Fälle der Art, im 2. Fuss 28, im 3. Fuss 6, im 4. Fuss 25, im
5. Fuss 1. Verbinden sich bei den Lateinern die beiden Kürzen der
Hebung nicht mit der folgenden Senkung, welcher Fall nachher zu er-
örtern ist, so traten dieselben verschiedenen Fälle ein, wie bei den
griechischen Lustspieldichtem, wobei auch nicht vermieden wurde, dass
die erste betonte Kürze der Hebung durch die Schlusssilbe eines mehr-
silbigen (meist zweisilbigen oder tribrachyschen) Wortes gebildet wurde;
vgl. Ritschis Proleg. S. 225 und Wagner Rh. Mus. 1867, S. 111. Häufiger
bildete diese erste Kürze der Hebung ein einzelnes Wort, wie in Invidia
täcite sed inimice irascitur; aber sehr gewöhnlich nehmen die beiden
Kürzen der Hebung ein zweisilbiges Wort ein, wie z. B. Mercedem däre
lex iubet ei atque amittere oder Uhi peccatum cito corrigitur, fama solet
ignoscere.
Hebung und Senkung.
Wenn wir die Fälle betrachten, wo die Senkung mit der vorangehen-
den Hebung sich zu einem Wortschluss verbindet, so kann die durch
1 Kürze oder Länge gebildete Senkung solche Verbindung stets eingehen
imd die spondeischen und trochäischen Wortschlüsse, deren vorletzte Silbe
vom Versaccent getroffen wird, haben keine weiteren Regeln zu beachten.
Die griechischen Tragiker hatten hier eine von Porson bemerkte Regel,
dass nemUch bei jambischem Schlüsse der Reihe die durch eine Länge
gebildete Senkung des vorletzten Jambus nicht mit der vorangehenden
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29
Hebung zu Wottschluss gebunden werden solle, dass also TtQoacinov
rovfinahv regelwidriger, n^oacmov iitinaXiv regelrechter Versschluss sei.
Aber schon die griechischen Lustspieldichter haben diese Regel nicht
beachtet, und noch weniger die lateinischen.
Ob die durch zwei Kürzen gebildete Senkung von den griechischen
Lustspieldichtern ganz oder theilweise mit der vorangehenden Hebung
verbunden werden durfte, darüber ist viel gestritten worden. Bernhardi
(Acta soc. philol. Lips. I, S. 285) fasst seine eingehenden Untersuchungen
dahin zusammen, dass die Verbindimg der beiden Kürzen oder der ersten
mit der vorangehenden Hebung im 2. und 4. Fusse bisweilen zugelassen
wurde, in den übrigen nicht: Toig nevre raldyroig, olg KIscdv sirjueaey.
"Av&iforjiog leQog. dsvifo ndlir ßa^iareoy, ^Enioxonog i]Xü} ^evQo rcp xvdfKp
Aa/oiv. KäneiT^ dnodvatr^ ivyea nai^iov firjxeQa^ dass dagegen mit Elision
nach der 1. und 2. Kürze die Verbindung mit der vorangehenden Heb-
ung häufiger sei und auch in den andern Füssen vorkäme. Also sind
derartige Verbindungen immerhin Ausnahmen; die Regel ist auch hier,
dass der durch zwei Silben gebildeten Senkung Wortschluss voran-
gehen soll.
Da der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen solche
Senkungen von 2 Kürzen auch in die trochäischen Septenare zugelassen
hatte, so war die Gelegenheit zur Verbindung derselben mit der voran-
gehenden Hebung eine grosse. Er hat aber die griechische Regel, nicht
deren feine Ausnahmen, befolgt und solche Verbindungen untersagt. Schon
Hermann (Elem. doctr. metr. S. 78 u. 87) bemerkt 'Cavent ne quantum
fieri possit cum dactylo etiam vocabulum finiatur , Lachmann hat (zu
Lucrez S. 116) die einzelnen widerstrebenden Verse besprochen. Dass
die Verbindung der ersten Senkungskürze mit der vorausgehenden Heb-
ung, wie in Ibi erat bilifeWs äqual is sie propter cados (oder Miles 1288
Inhonesta propter amorem atque aliena a bonis), regelwidrig sei, hat
Ritschi (Praef. Miles Glor. p. XXH und Opusc. H, p. 399 und 684) be-
merkt. Dass bei Elision auch dies Gesetz nicht beachtet wird oder viel-
mehr, dass man dann an keine Verletzung desselben dachte, ist nach
dem früher (S. 22) Bemerkten selbstverständlich.
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30
Senkung und Hebang.
Wenn die Senkung sich mit der nachfolgenden Hebung zu
einem Worte verbindet, so kann diese vom Versaccent getroffene Hebung
Wortschluss bilden oder nicht. Da die Senkung w, - oder ww und die
Hebung — oder ^ w sein kann, so haben wir die Verbindungen ^ , — ^,
w \j — ^, \j \j \j ^ — w w , \* \t \j *a emerseiijo, ^ — ^j ? ww --,www , — «^ w — ,
w w :, w - anderseits zu betrachten. Wenn das Wort nach der Hebung sich
fortsetzte, also in den nächsten Fuss übergriff und die Hebung selbst
durch eine Länge gebildet wurde, so waren alle Verbindungen gestattet,
also W-— (amabant), — - ''- (extorquent), ^w' w (retinetis), wesshalb ich
diese nicht weiter berücksichtigen werde. Die Verbindung ^- (amänt)
ist den jambischen und trochäischen Reihen gebührend und eigen, da
ja Senkung sich zur Hebung verhält wie 1 zu 2; dagegen die Verbind-
ung -^ (multos) und w ^ - (animos) sind dem Wesen des Jambus und
Trochäus fremd, so dass man jene Verbindungen reine, diese unreine
nennen kann.
Die betonten Wortschlfisse bei den griechischen Dramatikern.
Da wir uns hiemit den Thatsachen nähern, zu deren Erklärung man
die Behauptung aufgestellt hat, dass die alllateinischen Dichter neben
der Quantität auch den Wortaccent möglichst berücksichtigt hätten, so
ist es nothwendig, zunächst einen Blick auf die entsprechenden Verbind-
ungen in den vier jambischen und trochäischen Zeilenarten des grie-
chischen Dramas zu werfen, damit klar werde, worin die Gesetze
der altlateinischen Dichter mit den griechischen übereinstimmen, und
woriii sie abweichen.^)
Die reinen, jambischen, durch eine kurze Senkung und lange Heb-
ung gebildeten Wörter oder Wortschlüsse mit dem Versaccent auf der
Schlusssilbe waren bei den Griechen überall zugelassen^): ^rerni; bnvjg
1) Ich habe zu dieser Uebersicht benutzt: Kumpel, der Trimeter des Aristophanes, Philo-
loguH 28 p. 599 — 627. Carl Friedr. Müller, de pedibus solutis in dialogorum senariis Aeschyli,
Sophoclis, Euripidis, Berlin 1866. Qunnar Widegren, de numero et conformatione pedum solu-
torum in senariis Aristophaneis, Upsala 1868.
2) Man entschuldige, dass ich oft die Wortaccente weglasse, um die Versaccente deutlich
iu geben.
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fi7] aavxov olxuig naie. XioQii xarci axelrj ^e xigxioaov ßia. Ovxavv xo
ßaQog Tovd^ b av (pegeig ovos ipegsi. Ebenso war der unreine spondeische
Wortschluss -^ überall zugelassen, wo er überhaupt möglich war:
JSisffyeir (piXav&Qtanov de navBO&ai rgonov. OovQiog Z€()^g xeycoaag naaay
^neiffov nlaxa. ^AXV iyio ae rj] ßoj] ravrri ye n^ana TQsyjofiai: also in
dem 1. Fusse der jambischen Dipodien und im Uebergang vom 2. Fuss
einer trochäischen Dipodie in den 1. Fuss der folgenden. Der unreine
anapästische Wortschluss « w-^ war bei den Komikern theoretisch
möglich in den fünf ersten Füssen des jambischen Trimeters und in den
sechs ersten des jambischen Septenars; nur wenn nach dem 4. Fusse, wie
oft, Caesur eintritt, so hat dieser Fuss fast ausnahmslos nur eine Kürze
in der Senkung; bei den Tragikern war der Anapäst nur im 1. Fusse
des Trimeters möglich. Von den etwa 150 Anapästen, welche bei
Aeschfflm, Sophokles und in den sechs streng gebauten Stücken des
Euripides, und von den sehr zahlreichen, welche in den frei gebauten
Stücken des Euripides im 1. Fusse sich finden, nehmen die meisten ein
dreisilbiges Wort ein, bilden also den unreinen Wortschluss ^w-^; ebenso
ein grosser Theil der Eigennamen, welche bei Sophokles (etwa 10) oder
in den freien Stücken des Euripides (hier sind es sehr viele) im 2. bis
5. Fusse Anapäste bilden. Von den 2514 ungetheilten Anapästen, die
sich bei Äristophanes finden (482 im 1. Fuss, 913 im 2., 184 im 3.,
678 im 4. und 257 im 5. Fusse), bildet im 2., 3. und 5. Fusse die
grössere Zahl Wortanfang, die geringere, aber natürlich immerhin grosse
Zahl Wortschluss, im 4. Fusse die grössere Zahl Wortschluss. Der un-
reine anapästische Wortschluss war also bei den griechischen Komikern
durchaus und in jedem Fusse erlaubt.
Die Geschichte der durch zwei Kürzen gebildeten Hebung
im jambischen Trimeter ist bei den griechischen Dramatikern ziemlich
merkwürdig. Ist die vorangehende Senkung kurz, so entsteht Tribrachys,
ist sie lang, Daktylus. Tribrachen treffen auf die 4400 Trimeter des
Aeschylus 123, auf die 7600 des Sophokles 197, auf die 18200 des
Euripides 100 in den 6 strenger, gegen 1600 in den freier gebauten
Stücken; auf die 9000 Trimeter des Äristophanes 2600. Daktylen
haben im 1. Fuss Aeschylus 12, Sophokles 24, Euripides 6 und in den
freien Stücken mehrere Hunderte, im 3. Fusse Aeschylus 137, Sopho-
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kies 185, Euripides 183 und 1400; im 5. Fusse kommen bei den Tra-
gikern keine Daktylen vor. Aristophanes hat 458 im 1., 851 im 3. und
156 im 5. Fusse.
Bei den Tragikern nehmen von den Tribrachen im 1. Fusse (A. 24,
S. 64, E. 27 und 200) die meisten ein dreisilbiges Wort ein, wie ayixB^
7iaTt()a (A. 20, S. 52, E. 25 und circa 140); die übrigen Füsse wurden
anders behandelt; im 5. Fusse sollten überhaupt wenige stehen (A. 9,
S. 10, E. 3 und 40); von diesen bilden wenige (A. 3, S. 5, Eur. Cycl. 1)
Wortende, die andern folgen der Regel des 2., 3. und 4. Fusses. Die
ziemlich grosse Zahl der Tribrachen in diesen 3 Füssen (etwa A. 13, 43, 45;
S. 50, 50, 65; E. in jedem Fusse mehrere Hunderte) zeigt die Regel,
dass vor den beiden Kürzen der Hebung Wortende eintritt, ferner die
Senkung mit der Hebimg des vorangehenden Fusses, die aufgelöste Heb-
ung selbst aber in dem nicht seltenen Falle, dass sie nur ein zweisilbiges
Wort einnimmt, mit der Senkung des folgenden Fusses dem Sinn und
der Construction nach eng zusammengehört, dass also bei Auflösung der
Hebung der betreffende Fuss vor der Hebung getheilt, die Theile aber
mit den vorausgehenden und folgenden Füssen enge verkettet sind. Die
Verletzung dieser Regel war in mannigfacher Weise möglich; zunächst
dadurch, dass die besonderen Wörter, welche die Hebung oder die Senk-
ung einnehmen, mit den nächstfolgenden Stücken nicht mehr eng ver-
bunden waren; das that schon Euripides oft in den freier gebauten
Stücken; freilich können die Ansichten über die Zusammengehörigkeit
der Wörter oft verschieden sein. Unverkennbar sind die stärkeren Ver-
letzungen der Regel, dass zwar die zwei Kürzen der Hebung noch mit
der folgenden Senkung zusammenhängen, dass aber vor ihnen kein Wort-
ende eintritt, sondern die Senkung des Tribrachys mit der Hebung ein
Wort bildet, wozu noch kommen kann, dass diese Senkung von der ihr
vorangehenden Hebung getrennt ist, dass also der Tribrachys Mitte oder
Anfang eines in den nächsten Fuss reichenden Wortes bildet, z. B. d^v-
Uns gehen besonders die beiden letzten Arten an. Wird die Regel
schon dann, wann die Senkung des Tribrachys mit der Hebung ein Wort
bildet und nach diesen zwei Kürzen Wortende eintritt, also die Verket-
tung mit dem nächsten Fusse gelöst wird, in hohem Grade verletzt, so
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am meisten dann, wenn auch die Senkung von der Hebung des voran-
gehenden Fusses getrennt ist, so dass die drei Kürzen ein Wort bilden
imd einen Fuss abschliessend ausfüllen; in diesen beiden Fällen, wo der
Tribrachys Wortschluss bildet oder ein Wort ausfällt, haben wir die un-
reine Verbindung ^ ^ ^ , wie im dfKpoTegaj ;f doi^/e. Diese Verletzung der
Regel ist bei Aeschylus, Sophokles und in den strenger gebauten Stücken
des Euripides sehr selten. Im zweiten Fusse bilden bei Sophokles 6 Tri-
brachen Wortanfang, dann nehmen 2 bei A., 2 bei S. und 1 bei E. ein
besonderes Wort ein. Im dritten Fusse bilden bei A. und S. je 1 Tri-
brachys Wortanfang, 1 Tribrachys bei S. füllt ein Wort aus. Im vierten
Fusse findet sich kein Tribrachys, welcher den Anfang oder die Mitte
eines Wortes bildet, dagegen bilden bei A., S. und E. die beiden Kürzen
der Hebung je 1 Mal das Ende eines dreisilbigen, den 4. Fuss ausfüllen-
den, dann bei A. und S. je 4 Mal das Ende eines mehrsilbigen, schon
im 3. Fusse beginnenden Wortes. Die Verletzungen der Regel werden
häufig in den freier gebauten Stücken des Euripides, wo ja auch die
ZeAil der aufgelösten Hebungen erstaunlich zunimmt. Allein \Jie Menge
dieser Verletzungen in den freien Stücken des Euripides hält genau die
Richtungen ein, welche schon die geringe Zahl der früheren eingeschlagen
hat und welche die naturgemässen sind. Im dritten Fusse muss regel-
mässig Caesur stattfinden, also jeder Fuss («— , — , w^^, — w^) nach der
-ersten Silbe, der Senkung, getheilt sein; also ist hier die Verbindung der
Senkung mit der Hebung am wenigsten zu erwarten. Diese Senkungs-
silbe des 3. Fusses verbindet sich naturgemäss meistens mit der Hebung
des 2. Fusses zu einem Worte: demnach werden die in sich verbundenen
Tribrachen des zweiten Fusses meistens als Wortanfang oder Wortniitte
auftreten. Nach der Hebung des vierten Fusses ist (mehr als man meistens
beachtet) Wortschluss sehr gesucht, wie ja nach Porsons Beobachtuog
hier ein Wort nur mit einer schliessenden Kürze, nicht Länge in den 5. Fuss
übergreifen darf; desshalb ist zu erwarten, dass die Tribrachen des
4. Fusses meistens ein Wort oder Wortende bilden. Wirklich sind auch
in den freier gebauten Stücken des Euripides die sehr zahlreichen Tri-
brachen des 3. Fusses stets vor den beiden Kürzen der Hebung getheilt;
im 2. Fusse füllen nur etwa 8 ein dreisilbiges Wort und nur 4 (in Eigen-
namen) den Schluss eines längeren Wortes, dagegen bilden etwa 4 die
Abh. d. I. Cl. (1. k. Ak. d. Wisa. XVII. Bd. I. Abth. 5
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Mitte und 80 den Anfang eines in den 3. Fuss sich erstreckenden Wortes.
Im 4. Fusse dagegen bilden nur 3 Tribrachen Wortanfang, aber 1 2 füllen
abgesonderte dreisilbige Wörter und 15 das Ende längerer Wörter.
Daktylen sind im strengen Bau des Trimeters im ersten Fusse
selten (A. 12, S. 24, E. 6); von diesen füllen nicht viele (A. 3, S. 4, E. 0)
ein dreisilbiges, also auf der vorletzten Silbe betontes Wort, wie «ör/pa^:,
'^Ue. In den freien Stücken des Euripides stehen im 1. Fusse mehrere
Hunderte von Daktylen, von denen etwa 75 ein dreisilbiges Wort füllen.
Im dritten Fusse der streng gebauten Trimeter stehen oft Daktylen
(A. 137, S. 185, E. 183); der Caesur entsprechend sind sie stets vor den
beiden Kürzen der Hebung getheilt, nur 2 bilden in Eigennamen wie
Ev()vaaxeg Wortmitte. Im 3. Fusse der frei gebauten Trimeter des
Euripides stehen etwa 1400 Daktylen; sie sind ebenso getheilt, indem
nur 6 Daktylen den Anfang und 2 die Mitte eines Wortes bilden, wie
in ifjevdoiu&a und uavxBvo^sd^a. Im fünften Fusse des tragischen Tri-
meters war nach langer Senkung die Bildung der Hebung durch zwei
Kürzen überhaupt nicht gestattet.
Für unsere Ziele ergibt sich hieraus: zwei vom Versaccent getroffene
Kürzen im Schlüsse eines Wortes waren im 1. Fusse des tragischen Tri-
meters gestattet. Dass sie im 2., 3., 4. und 5. Fusse selten waren, be-
ruhte darauf, dass eine solche aufgelöste Hebung stets von der voran-
gehenden Senkung getrennt, mit der folgenden Senkung aber verbunden
sein sollte. Dass gegen den Wortschi uss, welcher von zwei mit dem
Versaccent belegten kurzen Silben gebildet wird, keine besondere prin-
zipielle Abneigung bestand, ergibt sich daraus, dass bei der eindringen-
den Vernachlässigung der Hauptregel solcher Wortschi uss im 4. Fnsse des
tragischen Trimeters nicht selten war.
Diese Schlüsse werden durch eine Prüfung des komischen Trimeters
bestätigt. Leider hat Kumpel in seinen genauen Zusammenstellungen
mehr darauf geachtet, wie oft vor der aufgelösten Hebung Wortende
eintritt; dagegen nicht immer speciell ausgeschieden, wie oft mit der-
selben Wortende eintritt. Zunächst entspricht in der Bildung des ersten
Fusses der komische Trimeter dem tragischen. Von den 206 hier stehen-
den Tribrachen füllen 103 ein besonderes dreisilbiges Wort oder den
Anfang eines längeren; von den 460 hier vorkommenden Daktylen bilden
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€0 Wortanfang, 33 füllen ein dreisilbiges Wort Im 2., 3., 4. und
5. Fusse ist die strenge Regel des älteren Dramas, dass vor der auf-
gelösten Hebung der Fuss getheilt, die Theilstücke aber mit den nächsten
Füssen verkettet sein müssen, wenig beachtet, ja vielleicht gar nicht an-
erkannt Denn Aristophanes hat im 2. Fusse 576 getheilte, 370 un-
getheilte Tribrachen; im 3. Fusse 270 getheilte, 30 ungetheilte; im
4. Fusse 798 getheilte, 302 ungetheilte; im 5. Fusse 53 getheilte, 18 un-
getheilte; Daktylen aber im 3. Fusse 770 getheilte, 81 ungetheilte; im
5. Fusse, wo der Daktylus bei den Tragikern gar nicht stehen durfte,
146 getheilte, 10 ungetheilte. Die Hebung des 5. Fusses wird also auch
bei Aristophanes nicht gern aufgelöst. Die geringe Zahl der ungetheilten
Tribrachen und Daktylen des 3. Fusses gegenüber den getheilten (1 : 10)
ist durch die Scheu vor der Caesur herbeigeführt. Sonst aber ist die
Zahl der ungetheilten Tribrachen im 2., 3. und 5. Fusse bis zur Hälfte
der getheilten angewachsen, so dass man sagen muss, jenes Gesetz des
tragischen Trimeters gilt nicht im komischen.
Was nun den für uns wichtigen Fall betrifft, dass die zwei betonten
kurzen Silben der Hebung den Schlitss eines drei- oder mehrsilbigen
Wortes bilden, so tritt dasselbe Verhältniss ein, wie in den freier ge-
bauten Stücken des Euripides, d. h. die ungetheilten Tribrachen bilden
im 3. Fusse der Caesur halber nur selten solchen Wortschluss (unter den
30 füllen 5 ein Wort, wenige das Ende eines längeren Wortes); im 2. Fusse
bilden sie meistens den Anfang eines längeren Wortes, dessen Ende im
3. Fusse Caesur bildet, minder oft füllen sie ein besonderes dreisilbiges
Wort oder den Schluss eines längeren, während sie im 4. Fusse seltener
den Anfang eines in den 5. Fuss reichenden Wortes bilden, öfter ein
besonderes dreisilbiges Wort oder den Schluss eines längeren füllen; im
5. Fusse bildet etwa die Hälfte der ungetheilten Tribrachen Wortende.
Ton den 81 ungetheilten Daktylen im 3. Fusse bilden die meisten den
Anfang oder die Mitte eines Wortes, dessen Ende im 4. Fusse Caesur
bildet, nur 8 nehmen ein dreisilbiges Wort, nur 1 das Ende eines mehr-
silbigen Wortes ein; von den 10 ungetheilten Daktylen im 5. Fusse
bilden 9 den Anfang, 1 den Schluss eines mehrsilbigen Wortes. Dem-
nach war es im jambischen Trimeter den griechischen Lustspieldichterii
durchaus gestattet, ein mehrsilbiges, mit zwei Kürzen schliessendes Wort so
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zu stellen, dass diese beiden Kürzen die Hebung bildeten, also speziell die
vorletzte Kürze vom Versaccent getroffen wurde.
Dieselbe BVeiheit galt auch im jambischen und trochäischen Septe-
nar, nur dass hier die Auflösung der Hebung überhaupt minder häufig ist.
Noch eine Möglichkeit bleibt übrig für den jambischen Trimeter
und Septenar, nemlich dass mit der durch zwei Kürzen gebildeten Heb-
ung eine durch zwei Kürzen gebildete Senkung zusammenstiess. Dieser
Fall kommt, wenn auch selten, wirklich vor, aber in der Weise, dass die
zwei Kürzen der Senkung vorangehen, die vier Kürzen also einem Ana-
päst mit aufgelöster Hebimg entsprechen.
Darnach sind im griechischen Lustspiele die Wortschlüsse ^ --, — ^ ,
w w^ mit dem Versaccent auf der Schlusssilbe und ^ « w und —« ^ mit
dem Versaccent auf der vorletzten Silbe im Allgemeinen erlaubt, wo sie
überhaupt möglich sind.
Die betonten Wortschlfisse in den altlateinisehen Jamben nnd Trochäen.
In der Behandlung der drei- und mehrsilbigen Wörter, deren Schluss
im Verse in die Hebung fällt, bestand bei den griechischen Lustspiel-
dichtern fast völlige Ungebundenheit, bei den altlateinischen Dichtern
finden wir Gesetze. Dieselben sind hauptsächlich folgende: 1) Die zwei
kurzen Schlusssilben eines drei- und mehrsilbigen Wortes dürfen nicht
die Hebung bilden. 2) Spondeische und anapästische Wörter und Wort-
schlüsse mit dem Versaccent auf der letzten Silbe sind an manchen
Stellen der Verse gestattet, an manchen verboten; ja, es ist 3) sogar der
jambische Wortschi uss von einer Stelle fast ausgeschlossen.
Senkung und aufgelöste Hebung.
Die aus zwei Kürzen bestehende und den Schltiss eines längeren Wortes
bildende Hebung betrachten wir zuerst, da hier der Accent nicht auf die
letzte, sondern auf die vorletzte Silbe fällt. Man macht öfter einen
Unterschied, je nachdem die Senkimg, welche dieser aufgelösten Hebung
vorangeht, aus einer Länge oder einer Kürze besteht, und meint der
Schluss — i ^ (turpia) sei einem anderen Gesetze unterworfen gewesen
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als der Schluss www (genera). Das gründet sich darauf, dass bei Plau-
tus und Terenz im 1. Fusse sich einige (bei Plautus 43, bei Terenz 11
nach Brugman S. 42) daktylische Wörter finden, aber nicht tribrachische.
Allein einmal ist die Zahl dieser regelwidrigen daktylischen Schlüsse
gegenüber der gewaltigen Masse der regelrecht gebildeten Auflösungen
der Hebung mit vorangehender Länge so winzig, dass auch diese nur
als starke und seltene Ausnahmen der sonstigen Freiheit des 1. Fusses
aufgerechnet werden können; dann aber ist im 1. Fusse auch der regel-
rechte Tribrachys gemieden. So hat Publilius unter fast 700 Anfangen
zwar sehr oft den regelrechten Daktylus, wie In misero, Lex videt, In-
vidia, aber nur 10 regelrechte Tribrachen (A 2 Ab alio. F 15 Facilitas.
F 32 Facilitatem. J 7 Inöpiae. M 29. 33 Malivolus. M 55. 60 Malitia.
M 59 Misericors. R 14 Remedium); auch Phaedrus hat im 1. Fusse den
regelrechten Tribrachys gemieden (L. Müller edit. major p. IX) und Se-
neca hat hier neben 740 Daktylen nur 29 Tribrachen zugelassen. Wenn
also der Tribrachys im 1. Fusse überhaupt viel seltener ist als der Dak-
tylus, so ist es nur natürlich, dass auch der regelwidrige Tribrachys im
1. Fusse viel seltener ist als der regelwidrige Daktylus. Demnach können
wir jenen Unterschied fallen lassen und die Regel aufstellen: die Hebung
der Jamben und Trochäen darf nicht durch zwei kurze Schlusssilben
eines drei- oder mehrsilbigen Wortes gebildet werden.
Diese merkwürdige Thatsache haben diejenigen, welche den Einfluss
des Wortaccent^s auf den Bau der altlateinischen Verse verfochten,
ebenfalls für diese Theorie angeführt (freilich weniger oft und weniger
nachdrücklich als in ihrem Interesse lag). Sie trauten den altlateinischen
Dichtem die feine Berechnung zu, dass in solchen Schlüssen, z. B. in
animus, die Silbe 'a' den ganzen, 'mus' den halben, 'ni' aber weitaus den
schwächsten Wortaccent habe; da nun durch den Versaccent animus der
stärkste Widerspruch zum Wortaccent geschaffen worden wäre, so sei
nur dieser (nur in Jamben und Trochäen!) verboten worden. Doch der
Theorie von der Beobachtung des Wortaccentes stehen, wie oben eut-
wickelt, überhaupt starke Gründe entgegen. Zudem kommt man gleich
bei Wörtern, wie retineat, facilia in Verlegenheit; denn von r6tl, fäci
hat für den betreffenden Dichter doch nur eine Silbe den Wortaccent
gehabt, den Versaccent kann aber jede von beiden ohne Unterschied
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haben; z. B. Fortunam citius reperias quam r^neas; Invitum cum re-
tineas exire incites.*)
Mir scheint folgende Erklärung dieses Gesetzes die richtige: Der,
welcher zuerst lateinische Wörter in jambische und trochäische Zeilen
fügen wollte, hat alle Wörter, welche mit zwei reinen Kürzen schliessen,
ob diese beiden Kürzen nun eine Senkung oder eine Hebung bilden, auf
die nemliche Weise behandelt: er verbot sie in beiden Fällen ; wie türpiä
mültos oder facillä multos, so war auch turpiä multös und faciliä raultos
verboten. Diese Regel wird von den alten Dichtern nur sehr selten und
nur im 1. Fusse verletzt. In den Anapästen dagegen, wo die Senkungen
turpiä mültos und fäcilia mültos erlaubt waren, waren auch die Heb-
ungen wie turpiä und faciliä erlaubt.
Die durch zwei Kürzen gebildeten Hebungen, deren sich bei den
alten Dichtern in den jambischen und trochäischen Reihen eine gewaltige
Masse findet, sind demnach hier selten auf zwei Wörter vertheilt; oft
nehmen sie ein besonderes zweisilbiges Wort ein; meistens bilden sie den
Anfang oder die Mitte, aber nicht den Schluss, drei- und mehrsilbiger
Wörter; z. B. Dulce etiam fügias, fieri quod amarum potest. Laus növa
nisi öritur, etiam vetus amittitur. Nusquam melius mörimur hömines,
quam übi libenter viximus. Qui bene dissimulat citius inimico nocet.
Der, welcher zuerst dieses Gesetz aufstellte, war von den Griechen
abgewichen; aber auch die späteren Puristen und feurigen Nachahmer
der Griechen wagten nicht zur Freiheit der Griechen zurückzukehren.
In allen Zeiten galt in der lateinischen Dichtkunst die Regel, in jambi-
schen und trochäischen Reihen soll die Hebung nicht durch die beiden
letzten Kürzen eines drei- und mehrsilbigen Wortes gebildet werden.
1) Nicht genöjirend scheint mir der von Luc. Müller beigebrachte Grund : Ennius S. 220 (vgl.
De re metr. S. 155) Die Römer, welche . . die Metrik von Anfang an mehr schulmässig hand-
habten, fühlten immer, dass die Auflösung von Natnrlängen doch nur eine Licenz, ein Nothbehelf
sei, und suchten desshalb mehr als die Dramatiker der Griechen sie in bestimmte Grenzen zu
bannen. Daraus erklärt sich die merkwürdige Thatsache, daas in ihrer Poesie auf einen Tribrachys
ausgehende Wörter nur mit der ersten und zweiten Kürze, nicht mit der zweiten und dritten in
die Auflösung treten . . . Die Römer meinten, es sei genug, wenn an äiner Stelle die Lösung
gestattet sei: als solche aber bot sich naturgemäss der Anfang derselben!
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Senkung nnd lange Hebung.
Wir gelangen nun zu jener Verbindung von Senkung und Hebung,
wo die Hebung durch die Schlusssilbe eines Wortes gebildet ist, wo also
die vom Versaccent getroffene Silbe zugleich ein Wort
abschliesst. p]ine derartige Verbindung föUt kräftiger ins Ohr, als
wenn die Hebung in einem einsilbigen Wort steht oder, den Anfang oder
die Mitte eines längeren Wortes bildend, in dem Wortgefüge sich ver-
steckt. Die Griechen haben derartigen Verbindungen keine besondere
Aufmerksamkeit gewidmet; aber in der altlateinischen Poesie ist deren
Zulassung, wie allgemein anerkannt wird, besonderen Regeln unterworfen»
Dieselben sind nach meiner Auffassung folgende:
Derjenige, welcher zuerst sich die Aufgabe stellte, die jambischen
und trochäischen Zeilen der Griechen nachzubilden, Hess, weil er bei den
Griechen auch im 2. Fusse der jambischen Dipodien so oft zwei Kürzen
sah, die für ihn gleich einer Länge waren, die Rücksicht auf die kurze
oder lange Bildung der Senkung an und für sich fallen ; dagegen richtete
er seine Aufmerksamkeit auf die betonten Wortschlüsse. Zwischen
spondeischen und anapästischen Wortschlüssen machte er ganz verstän-
diger Weise keinen Unterschied, dagegen einen grossen Unterschied
zwischen den jambischen einerseits und den spondeischen oder anapästi-
schen andererseits. Das that er mit vollem Rechte. Denn jene Ver-
bindung ist ja die dem jambischen und trochäischen Versmaasse ureigene
(1:2), diese eine fremdartige. Er machte dabei keinen Unterschied, ob
nun diese Verbindungen als selbständiges Wort auftraten oder das Ende
eines längeren Wortes bildeten, ob sie in jambischen Versen standen, wo
sie einen Versfuss füllten, oder in trochäischen, wo sie, Senkung des
einen und Hebung des folgenden Fusses begreifend, den Uebergang des
einen Trochäus in den andern bildeten.
Bildung des vorletzten Jambus.
-Welche besondere Rücksicht in der altlateinischen Verskunst auf die
vom Versaccent getroffenen Wortschlüsse genommen ist, zeigt zunächst
die Bildung des vorletzten Jambus. Die jambischen Senare und
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Octonare und die trochäischen Septenare haben jambischen Zeilenschluss,
die jambischen Septenare und Octonare haben jambischen Caesurschluss.
Für diese gewaltige Masse gilt die Regel: die beiden schliessenden Jamben
dürfen durch zwei rein jambische Wörter oder Wortschlüsse, wie cäpüt
lutö, lentlör cubes, deligavimüs comas, nicht gebildet werden.*) Eine Aus-
nahme von dieser Regel findet sich ziemlich häufig (etwa 50 Mal im
Schluss des Senars nach Brugman S. 18), wenn nemlich dem vorletzten
Jambus in demselben Worte noch eine Kürze vorangeht, welche wie in
erüs operam dare, mit einer vorangehenden Kürze die drittletzte Hebung
bildet. Von Brugman angezweifelt sind die etwa 1 0 Fälle, wo die beiden
Kürzen der drittletzten Hebung mit dem vorletzten Jambus ein Wort
bilden, wie in legiönes reveniünt domüm.
Von den Griechen ist diese Regel nicht entlehnt, denn dort können
sich im Schlüsse der Zeile jambische Wörter ohne allen Zwang folgen.^)
Es liegt also auch hier eine Neuenmg dessen vor, welcher die lateini-
schen Jamben und Trochäen einrichtete und dabei, wie wir nun sattsam
gesehen haben, die betonten Wortschlüsse besonders ins Auge fasste. Da-
für, dass er im 5. Fusse des Trimeters jambischen Wortschluss verbot,
gibt Brugman (S. 17) die Regel *si ultima versus vox est iambica, verba
quae praecedunt non ita se habere licitum est, ut iusta iis conclusio
versus formari possit' ; da nun kein Vers mit 'erüs operam* hätte schliessen
dürfen, wohl aber mit 'reveniünt*, so seien Schlüsse der letzten Art im
vorletzten Fusse verboten, Schlüsse der ersten Art erlaubt gewesen. Mir
scheint der Grund folgender: Zwei völlig gleiche jambische Wörter
hintereinander, wie quis potest pati, klingen im Versschluss klappernd
und eintönig; dasselbe ist der Fall, wenn der vorletzte Jambus nur
1) Bentley (Hör. Serm. 2, 5, 79) raro aut nusquam in sede quinta iambum pedem usurpant.
2) Luc. Müller, De re metr. p. 149, 'regula . . ut paenultima thesis ne umquam eonstaret
brevi syllaba (Diom. 507). hoc placituni incerto tempore ortum ceterum Graecis poetis incognitum
omnino observatur a Seneca, id quod saeculi XVI. initio Avantius, mox Lachmannus (p. 130) per-
spexere*. Dagegen in der 'Metrik der Griechen und Römer, Teubner 1880, S. 76 'Die zu Augustus
Zeit eifrig cultivirte Tragoedie . . nahm von den Alexandrinern noch die Regel an, dass der dem
letzten Jambus vorangehende Fuss im jambischen Trimeter und catal. trochäischen Tetrameter
nothwendig ein Spondeus oder Anapäst, respektive Daktylus sein müsse*. Da ich kein Zeugniss
der Art kenne, so scheint dieser Satz nur auf einer Vermuthung L. Müllers zu beruhen: welche
unbegründet ist, da wenigstens in den Fragmenten auch der spätesten griechischen Tragiker oft
genug zwei jambische Wörter Zeilenschluss bilden.
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Wortschluss zu einer langen Silbe ist, wie in antea fuit ; desshalb wurden
beide Arten untersagt, dagegen gestattet, ja gesucht spondeische und
anapästische Wörter und Wortschlüsse. Für die Versschlüsse aber, wie
Ne ego hodie tibi. Ex hoc die in aliüm diem. Erus operam dare, mag
vielleicht die Entschuldigung gelten, dass sie leicht so ins Ohr fielen, als
ob das anapästische Wort wirklich einen Anapäst im Verse bildete.
Der, welcher diese Neuerung ersann, hatte Glück damit. Denn
nur wenige der späteren Puristen wagten zur griechischen Freiheit zu-
rückzukehren, wie Catull, welcher in den 13 jambischen Septenaren des
25. Gedichtes die Regel 3 Mal verletzte durch die Schlüsse languidö
sönis, türpiter tibi und palllüm mihi und Horaz in fast allen Epoden
(nicht in der 17.). Die meisten Dichter hielten die Regel fest, wie Pu-
blilius und Phaedrus ; ja viele gingen noch darüber hinaus. Denn während
Schlüsse, wie rogass6t alteram, pötentior, ursprünglich nicht verboten
waren, da hier jener zweifache gleichförmige Wortschluss von 'pötest
päti' nicht stattfand, weeshalb sogar Publilius und Phaedrus solche Zeilen-
schlüsse wenn auch selten zuliessen, sind die späteren Dichter wie Seneca
viel weiter gegangen und haben bei jambischem Schlüsse die vorletzte
Hebung überhaupt nicht durch eine Kürze gebildet, so dass Diomedes
die Regel aufstellte 'iambicus tragicus, ut gravior iuxta materiae pondus
esset, semper quinto loco spondeum recipit'. So hat Seneca die vorletzte
Senkung durch eine Kürze gegeben nur in den zwei Wörtern 'nepotibus.
cacumine' und in vier ähnlichen viersilbigen Eigennamen. So waren die
lateinischen Dichter in starken Gegensatz zu den griechischen Dichtern
gerathen. Dort wurde im fünften Fusse des Trimeters zwar lange Senk-
ung gestattet, aber sonst der Fuss sehr zart behandelt. Denn ausser
Jamben und Spondeen findet sich bei den Tragikern dort die geringste
Zahl von Tribrachen (9 bei Aeschylus, 10 bei Sophokles, 3 in den 6
strenger, 40 in den freier gebauten Stücken des Euripides), Daktylen
aber und Anapäste gar keine. Selbst Aristophanes schonte den 5. Fuss
sichtlich; denn er hat hier weitaus die geringste Zahl von Tribrachen (71)
und, wenn er auch die Daktylen zuliess, so sind sie doch hier viel weniger
(156) als im 1. und 3. Fusse. Anapäste hat er ebenfalls im 5. Fusse
weit weniger (337) als im 1., 2. oder 4., und dass im 3. Fusse noch
weniger stehen, kommt nur daher, dass der Anapäst ungetheilt sein will,
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wisa. XVII. Bd. I. Abth. 6
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der 3. Fuss aber für die Caesur Theilung verlangt. Die lateinischen
Dichter dagegen haben nur das eine angenommen, dass sie die 5. Heb-
ung nicht ebenso oft als die übrigen auflösend) Sonst kamen sie durch
Verdrehung eines ursprünglich ganz anders gemeinten Gesetzes dahin,
aus dem 5. Fusse den Jambus und Tribrachys ganz zu vertreiben und
ihn mit Spondeen und Anapästen zu füllen.
Das altlateinische Dipodiengesetz.
Die Schwierigkeiten, welche Ritschi zu seiner Theorie von der Fest-
haltung des Wortaccentes in den altlateinischen Versen führten, lösen
sich zum grössten Theile durch die richtige Erkenntniss des altlateini-
schen Dipodiengesetzes. Gewöhnlich wirft man den altlateinischen Dichtem
vor, in ihren Jamben und Trochäen sei die dipodische Gliederung zer-
stört und der Vers in die einzelnen Füsse aufgelöst. Das ist ungerecht.
Allerdings hat der Ordner der altlateinischen Jamben und Trochäen im
zweiten Fusse der jambischen Dipodie neben den vorgefundenen zwei
1) Genauere Untersuchungen verdienen diejenigen jambischen Schlüsse am Ende des Senars,
Octonars, trochäischen Septenars und den Dimeters (im Anfang des jambischen Septenars und
Octonars), deren vorletzte Hebung in zwei Kürzen aufgelöst ist. Irr führen kann, was Ritschi
(Proleg. p. 287) bemerkt : proceleusuiatici vel quarti paeonis speciem exitus versuum induit, sive
eum hrevUi sive longa syllaba praecedit. So viel ich sah, wird bei Auflösung der vorletzten Heb-
ung die vorletzte Senkung bei Plautua und lerem selten (auch die bei Mohr S. 31 aufgefiihrten
Beispiele haben fast alle eine Länge in der Senkung), bei Publilius, Phaedrus und Seneca nie
durch eine Kürze gebildet. Publilius S 3 *Suad^rd primum dein corrigere b^nivoli est* ist Con-
jectur von Bothe; da die einzige Handschrift hat 'suadere primum benivoli est dein corrigere, so
ist richtig zu stellen : 'suad^re primum, dein corrigere est bänivoli*. Gegen die Kürzen bei Phaedrus
hatte schon Langen (Rhein. Mus. 1858, S. 208) Einsprache erhoben, L. Müller früher noch manche
zugelassen (1, 5, 1. 19, 8. IV, 19, 3. App. 2, 10. 5, 6. 16, 6), in der grossen Ausgabe aber das
Gesetz anerkannt. Dann hängt die 5. Senkung bei Plautus und Terenz selten, bei Publilius und
Phaedrus sehr selten durch Elision mit der folgenden 1. Kürze zusammen. Der einzige Fall bei
Publilius (N 14 Necässe est minima mä,ximorum esse initia) ist nicht sicher; bei Phaedrus finden
sich nur vier Beispiele (I, 4, 5. III, 14, 10?. IV, 11, 16. App. 29, 8). Minder selten bildet die
lange Senkung mit den folgenden Kürzen ein Wort, wie ingänuitas. Die drei oder vier schlies-
senden Kürzen füllen bei Plautus und Terenz meistens ein viersilbiges Wort, wie miilierem; in
etwa dem fünften Theil der Fälle sind sie vertheilt auf zwei zweisilbige Wörter, wie b^ne putas,
viel seltener auf ein drei- und ein einsilbiges Wort, wie alia res, 4page te, oder ein ein- und
ein dreisilbiges Wort, wie qufd igitur. qufd agimus, Formeln, die sich bei Terenz meistens mit
vorhergehendem Personenwechsel finden; bei Publilius stehen neben 3 fünfsilbigen Schlüssen, wie
aequdnimitas, nur 34 viersilbige, bei Phaedrus neben 4 fünfsilbigen, 97 viersilbige und nur die
beiden 'sine mora, sdtis erit', bei Seneca überhaupt nur viersilbige Schlüsse der Art.
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Kürzen auch eine Länge und im 1. Fiisse der trochäischen Dipodie beides
auf eigene Hand zugelasssen und das, wie oben bewiesen, aus einem ganz
vernünftigen Grunde. Allein er hat wenigstens den Versuch gemacht
die alten griechischen Dipodien auf einem anderen Wege zu wahren.
Er Hess die 2. Senkung der jambischen und die 1. Senkung der trochäi-
schen Dipodie mit der folgenden Hebung nur reine, nicht unreine Ver-
bindung eingehen, d. h. er liess die 2. Hebung der jambischen und die
2. Hebung der trochäischen Dipodie nur jambischen, nicht spondeischen
oder anapästischen Wortschluss bilden. So sind z. B. in den einfachsten
jambischen Reihen, den Dimetern, Leges ut conscribat quibüs. Nümquam
bönäe frügi sient. Amat säpit recte facit, annno quando obsöquitür suö,
die betonten Wortschlüsse alle am richtigen Platze, wenn sie auch in
dieser Häufung weder häufig noch schön sind. Durch dieses altlateinische
Dipodiengesetz erklärt sich, warum im 2. und 4. Fusse des Senars, im
2., (4.) und 6. Fusse des jambischen Septenars und Octonars und im
Uebergang des 3. zum 4., und des 5. zum 6. Fusse des trochäischen
Septenars der Regel nach nur jambische, nicht spondeische oder ana-
pästische betonte Wortschlüsse stehen.
Von diesem Dipodiengesetz gibt es eine prinzipielle und manche
vereinzelte Ausnahmen. Die erste Senkung des trochäischen Septenars geht
ganz gewöhnlich mit der folgenden 2. Hebung unreine, spondeische oder
anapästische, Verbindung ein, wie Quid quässäs. Argenti. Cum pödlbüs.
Effügiäs, so dass hier ofifenbar ein grundsätzliches Aufgeben der Regel
vorliegt. Dies konnte geschehen, weil der 1. Fuss aller Zeilenarten be-
sondere Freiheiten geniesst. Die griechischen Tragiker haben z. B. nur
im 1. Fusse des Senai's den Anapäst zugelassen, Plautus und Terenz
haben im 1. Fusse etwa 50 Mal die sonst verbotene Betonung von
zwei kurzen Endsilben, wie corpöra, gestattet. So hat der Ordner der
lateinischen Jamben und Trochäen auch im 1. Fusse des trochäischen
Septenars die Neuerung gemacht, dass das Dipodiengesetz stets verletzt
und die 1. Senkung mit der folgenden Hebung auch zu unreinem, spon-
deischem oder anapästischem Wortschluss verbunden werden dürfe; in
den folgenden Dipodien aber hat er an dieser Stelle nur reinen Wort-
schluss gestattet.
Sodann wird das altlateinische Dipodiengesetz wie die Gesetze über
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44
die Caesur und manche ähnliche bei Plautus und Terenz (nicht bei Pu-
blilius und Phaedrus) hie und da verletzt. Der Grund ist bei den Aus-
nahmen von dieser und von den übrigen Regeln stets der gleiche, da
derjenige, welcher zuerst auf diese Weise die griechischen Dipodien nach-
ahmte, in seinen griechischen Vorbildern das Dipodiengesetz (durch Ana-
päste) ganz gewöhnlich verletzt sah, so hat er auch im lateinischen Ab-
bild wenigstens hie und da eine Verletzung der Regel gestattet^)
Zeilen- und Caesurenschlfisse.
Von den Thatsachen, zu deren Erklärung die Theorie Ritschis er-
sonnen ist, bleiben noch wenige zu erklären. Sie drehen sich um die
Frage, in wie weit die 3. Hebung des jambischen Senars und die 5. Heb-
ung des trochäischen Septenars durch Wortende gebildet werden können.
Verse, wie iy* i§okia&avnv dvvfi rag diaßolag. anffyitr (fiXar&{fijonov (fe
navta&ai rpoTioi^ tlne fioi, ii fiiiXtr^ lü TiavtiDV xaxiaxa S^riQuoy^ sind
bei den griechischen Lustspieldichtem sehr häufig, bei den altlateinischen
Dichtem sehr selten, bei den späteren fast nicht zu finden.
Diese That«ache ist die natürliche und unvermeidliche Folge von
zwei Regeln, auf welche die altlateinische Verskunst viel strenger ge-
halten hat als die griechische: 1) für jede Zeilenart war Caesur an
einer bestimmten Stelle festgesetzt und wurde dieselbe sorgfältig
beobachtet, 2) einzelne einsilbige Wörter oder Wörter mit elidirten
1) Eine Spur dieses altlateinischen Dipodiengesetzes findet sich schon bei Bentley, Sche-
diasma de metris Terentianis am Schluss : In verbo trisyllabo duos ictus recipiente (d. h. z. B. ex-
petünt), tfi id dipodiam trochaicam inchoat, media erit ex arte brevis. Weiter gekommen ist
Draheim in einem Aiifsatzef auf den ich erst nach Abschluss meiner Arbeit aufmerksam wurde
(Hermes XV, 1880. p. 238 — 243) : coniecturam facimus : dipodias Graecorum esse quodammodo a
Terentio observatas, nimirum syllabam longam, quae accentum ferat, quoad fieri possit, esse evi-
tatam in priore thesi dipodiae trochaicae sive in altera dipodiae iambicae. Jambici septenarii et
octonariif item trochaici legi parent, nisi quod septenarii trochaici primus pes suum sibi iudicium
quaerit; (auch er entschuldigt die Ausnahme mit der Freiheit des 1. Fusses). So erfreulich diese
Uebereinstimmung unserer Ansichten mir ist, so ist Draheim doch auf halbem Wege stehen ge-
blieben. Er findet das Dipodiengesetz nur bei spandeischem Wortschlusse beobachtet, dann nur
bei Terenz (welcher nach ihm 'artem exhibet simpliciorem et moderatiorem' als Plautus), glaubt
auch daran, dass in Wortschlüssen wie multös der Wortaccent viel schwerer verletzt werde als in
Wortschlüssen wie amänt und kommt nicht los von dem Satze Ritschis *poetae accentum . . neque
prorsus neglegebant neque antiquitus neglegere consuerant.
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45
Silben wurden im Zeilen- oder Caesurschluss nur unter grossen Be-
schränkungen zugelassen. Die Untersuchung dieser beiden Punkte ist
lehrreich und wichtig, weil sie uns auch zeigt, wie einige auffallende
metrische Gesetze der späteren lateinischen Dichter ganz natürlich sieh
entwickelt haben.
Vor den einzelnen Zeilenarten habe ich nachgewiesen, dass bei den
Griechen eine Menge von Senaren, jambischen und trochäischen Septe-
naren jeder bestimmten Caesur entbehrt, dass dagegen bei Plautus
und Terenz jede dieser Zeilenarten eine oder zwei fest bestimmte Cae-
suren hat, wie der Senar entweder nach der 3. oder 4. Senkung, und
dass Verse ohne eine dieser Caesuren nur in sehr geringer Zahl vor-
kommen. Daraus ergibt sich, dass der Ordner der lateinischen Jamben
und Trochäen für jede dieser Zeilenai'ten die Caesuren festgesetzt und
Verse ohne eine solche nur selten zugelassen habe.
Einzelne einsilbige Wörter wurden, wie wir schon oben ge-
sehen, seit Virgil und Ovid vor der Caesur und im Schluss des lateini-
schen Hexameters fast gänzlich gemieden. Die Prüfung der altlateinischen
Jamben und Trochäen lehrt, dass diese Regel nicht erst von jenen
Dichtem oder ihren nächsten Vorgängern ersonnen wurde, sondern her-
übergenommen ist aus den Regeln der jambischen und trochäischen
Verse.
Bei der Untersuchung sind zu scheiden die jambischen und die
trochäischen Schlüsse^ die Schlüsse vor der Caesur und die am Ende der
Zeile. Jambische Caesurschlüsse konnten bei den Griechen nur in den
seltenen jambischen Septenaren vorkommen, entziehen sich aber hier
wegen der Unsicherheit der Caesur der Untersuchung. Die lateinischen
jambischen Septenare haben fast alle, die jambischen Octonare des Plau-
tus etwa zur Hälfte die Caesur nach dem 4. Jambus. Im jambischen
Caesurschlüsse der Septenare finden wir oft einsilbige Wörter mit
oder ohne vorangehende Elision, wie 'Quor nön venisti, ut iüsseraiii,
m tonstrfnam. Hic'me morätust*, oder 'Proinde istuc facias ipse, quod
fagiamus nobis suädes'; in den Octonaren scheinen sie seltener zu sein,
wie 'Ut filium bonüm patri esse oportet, item ego süm patri\ Der
Grund liegt vielleicht darin, dass der nach der 4. Hebung getheilte
Octonar in zwei völlig gleiche Theile zerfällt, so dass manche Gelehrte
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-dchon versuchten, statt einer Langzeile zwei Kurzzeilen abzutheilen; es
ist also der Schluss im 4. Jambus dem Zeilenschluss sehr genähert.
Der jambische Zeilenschluss dagegen ist bei den lateinischen
Dichtern sehr strengen Regeln unterworfen. Wie die Griechen den
jambischen Zeilenschluss behandelten, mögen die ersten 1050 jambischen
Schlüsse in der Helena des Euripides lehren. Von diesen Zeilen sind 85
durch ein einsilbiges Wort geschlossen. In 35 derselben geht dem
schliessenden einsilbigen Wort ein anderes einsilbiges voran, wie ^i dri,
uiy ov, xad^ äv; die schliessenden Wörter sind meistens leichte Wörter,
wie aV, aoi, roi, ^v, aip, cor, ycpy; dann finden sich ^& y^g. Jf yfj. ri (pw,
6 rovg. fit X9^' ^* ^P^- ^^^ ^^^ 50 mit einem einzelnen einsilbigen
Worte geschlossenen Zeilen ist in 16 die Hebung des letzten Jambus
gebildet durch Wörtchen, die später Enklitika genannt wurden, in 29
durch mehr oder minder leichte Wörter, wie äv yaQ de ör] av vvv vw
el rjy ov ooig aov^ in 3 durch xifV ^^d in 2 durch yfig. Da in den
lateinischen Schlüssen auch die Elision eine Rolle spielt, so sei bemerkt,
dass abgesehen von der Elision vor den einsilbigen Schlusswörtern oi)
Tjv u. s. w. in etwa 45 Schlüssen dem zweisilbigen Schlusswort Elision
vorangeht, wie in nifoSov& iuov oder ij /u^ ^XifW' Demnach war es den
griechischen Dichtem gestattet in den jambischen Schluss 1 oder 2 ein-
silbige Wörter zu stellen, ohne alle Rücksicht auf Elision; nur scheinen
sehr schwere einsilbige Wörter, wie die im Prometheus vorkommenden
'alnvfifjra Tiai. na^ovia vovr. al&aXovaa (pko^, im jambischen Zeilen-
schluss nur selten gestattet worden zu sein.
Wie ganz anders steht es bei den Lateinern! Ich nehme zur
Untersuchung den Miles, Trinummus und Amphitruo von Plautus, den
Phormio und die Adelphoe von Terenz.
Unter den etwa 1150 einsilbigen Schlüssen im Miles bilden ein-
silbigen Schluss (abgesehen von 1179 thalassicust und 760 frigidust):
5 Mal est, 4 esj l sunt; dann ecce me, esse te, et ego vos, c^rta res, illa
vult; dann zwei einsilbige Wörter in 4 Mal 'Quid est' und 1 Sat est.
Bei der sonstigen Fülle von Elisionen wird man Schlüsse, wie nülla habet
oder omnia haec.^) in Menge erwarten; allein nur est findet sich oft;
1) Luc. Müller de re metrica p. 296: Elisionem in ultima versus syllaba evenientem nee
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. sonst nur der unsichere eine Fall 'animo bono es' und etwa 8 sichere
und 4 unsichere Fälle, wo vor einem zweisilhigen Worte, wie ego habet
ei, eine Silbe elidirt ist. unter den über 1000 jambischen Schlüssen des
Amphitruo schliessen 5 mit est, 2 quid est, 2 quisquis est; 1 sum,
1 esj 1 sunt, 1 sisy 1 sint. Elision findet statt vor 8 -3fM;cfsilbigeh Schluss-
wörtern, wie uti erae agat, und (abgesehen von est) nur vor einem ein-
silbigen, prol. 91 proscenio hie. Im Trinummus finden sich Fälle
ohne Elision ein wenig mehr: 4 est, 9 Mal Schlüsse wie quid est, id
est; dann 3 sunt, 2 es, 1 sit, 2 te, 1 se, 1 nos, 2 gnate mi; dann 158
unde dem. 734 expectare vis. 1182 esse vis. Sonst findet sich kein
Schluss, der aus zwei ciwsilbigen Wörtern besteht und nur einer (54 esse
item), wo einem -afM;eisilbigen Schlusswort Elision vorangeht. Demnach
wird der jambische Zeilenschluss von Plautus oft durch est, selten
durch die übrigen Formen des Zeitwortes esse, noch seltener durch
andere leichte einsilbige Wörter gebildet. Mit vorangehender Elision
findet sich bei Plautus im jambischen Zeilenschluss oft est, selten ein
zweisilbiges und fast nie ein einsilbiges Wort.
Bei Terenz sind die Fälle ein wenig mehr. Unter den 830 jam-
bischen Wortschlüssen im Fhormio findet sich zunächst est nach längeren
Wörtern, wie terapus est, 5 Mal ; nach den einsilbigen Wörtern sat, quod
und quid 7 Mal; als st in opüst 4 Mal und oft nach vokalischem
Schlüsse. Ausserdem finden sich die Schlüsse: 3 sunt, 2 es, je 1 sit und
sint\ dann mene vis, cüique mos, quid ita non und der eine Schluss mit
2 einsilbigen Wörtern ät. Quid 'at*. Häufiger als bei Plautus findet sich
besonders Elision im letzten Fuss; es ist eine Liebhaberei von Terenz,
einsilbige Interjektionen mit Elision den Schluss bilden zu lassen; so
findet sich 15 Mal em, oh, ah und ohe in Schlüssen, wie öccidi. Hem;
ausserdem 3 Mal ömnia haec, je 1 Mal crimine hoc, öbsecro es, animo
es und die zweisilbigen mültum habet, nossem. Itä, uerum itast, venisse
eäs, tantündem egö und ätque ego. Ebenso findet sich unter den 760
jambischen Zeilenschlüssen der Adelphoe 8 Mal est selbständig nach
längeren, 7 Mal nach den einsilbigen Wörtern is id quid quod ut und
Plautus adhibuit sine cautione et Terentius ita tantum ut sequeretur aut interiectio aut pro-
nomen 'hie*.
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Bat; als st 1 Mal in rectiüst und 4 Mal nach schliessendem m und na-
türlich oft nach vokalischem Schlüsse. Ausserdem finden sich nach
längeren Wörtern 2 es, 1 sunt, 1 sum und je 1 ille. Phf, hercle vdA,
audiret häec^ cognätus hdc, ipsa fert, mitte fn6 und facile fert Mit EUsion
schliessen wieder 12 Mal hem^ ah und hui, ausserdem 3 e$, 1 aut; dann
idem erit, ätque ibi, üsque adhüc, hie rem agit.
Dass diese grössere Zahl der Ausnahmen bei Terenz nur dessen
Nachlässigkeit zuzuschreiben ist und dass Plautus die reinere Regel zeigt,
beweist die weitere Entwicklung. Unter den über 700 jambischen
Schlüssen des Publilius findet sich oft est nach Vokalen, wie vehiculo
est, 3 Mal nach Consonanten (C 42 prudentis est). H 18 donätus est
und H 19 risus est. Ausser dem nicht sicheren Schlüsse A 51 esse vult
(der Vatic. hat 'esse volet*, vgl. oben S. 22) findet sich bei Publilius nie
im Schlüsse ein einsilbiges Wort, weder allein noch nach einem andern,
und findet niemals in oder vor dem schliessenden Jambus Elision statt.
Unter den 1900 jambischen Schlüssen des Phaedrus findet sich oft est
nach Vokalen, 7 Mal selbständig nach längeren Wörtern, wie confessus
est und 1 Mal natus es, ausserdem weder 1 noch 2 einsilbige Wörter,
und nie Elision weder in noch vor dem letzten Jambus. Unter den
über 300 jambischen Schlüssen in den Epoden des Horaz finden sich
ausser et heu, neque est und in hoc nur zweisilbige Wörter ohne vor-
hergehende Elision oder mehrsilbige. In der Medea des S e n e c a endlich
steht im Zeilenschluss oft est nach Vokalen, 1 Mal tempus est und 1 Mal
in hänc.
Demnach hat der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen
die Regel gegeben: im jambischen Zeilenschluss sind abgesehen von est
und einigen andern Formen des Zeitwortes esse zu meiden: 1) einzelne
einsilbige Wörter. 2) 2 einsilbige Wörter, 3) zweisilbige und insbesondere
einsilbige Wörter, deren erst« Silbe in Elision fällt. ^)
1) Die Gninde für diese Thatsachen mögen folgende sein: 1) betonte einsilbige Wörter im
Zeilenschluss fallen zu schwer in das Ohr; 2) in dem Falle» den wir gewöhnlich Elision nennen,
scheinen die Lateiner dennoch beide Vokale gesprochen zu haben; durch Elision im letzten Fusse
entstand also ein Klang, als ob dieser Fuss, der absolut rein sein sollte, aus drei Silben bestünde.
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Trochäisehe Schlässe.
Trochäische Zeilenschlüsse sind bei den Griechen selten, da
sie nur in den wenigen jambischen Septenaren des Aristophanes vor-
kommen. Hier wird der Schluss ziemlich sorgfältig gebildet Denn in
den gut 330 jambischen Septenaren der Vögel, der Frösche und der
Wolken finden sich nur 10 einzelne einsilbige Wörter (2 am, 2 av, je 1
ys nv yovv uiv vvv^ mit dem einen schweren at'xoif^avriai;: nrel) und
5 Mal 2 einsilbige (nwg ovv, fh dir, lo rdr^ (t^ fiot. <fi]^ at'). Die nli-
lateinischen Dichter sind in der Bildung des trochäisclien Zeilenschlusses
etwas freier als die griechischen Dichter, d. h* ein einsilbiges Schlusswort
wird nicht gemieden, einigermassen ein einsilbiges Schlusswort mit vor-
hergehender Ehsion.
Von den etwa 1300 jambischen Septenaren des Plautus werden
etwa 39, von den 380 des Terenz etwa 12 durch ein einzelnes einsilbiges
Wort geschlossen, von denen nur sehr wenige (dort fi, hier ebenfalls 5)
in Elision stehen.^) Die Bildung des trochäisclien Schlusses durch zwei
einzelne Wörter aber ist häufig und frei gegeben; so finden sich bei
Plautus etwa 50, bei Terenz etwa 20 Schlüsse der Art, wie ad me, qui
det, in eo, cäve sis, id nam est, von denen bei Plautus 5, bei Terenz 3
1) Plautus Asin. 411 obsecrö te. 446 satis tu. 493 taui^n me. 6391 43tf^eiN$ vos. 7IH HuhU
8um. Miles 375 obsecrö te. 1227 Venus vult. 1234 viderit me. 123S pulcridr «ul 1253 tnututim ßt.
1261 milit^m pol. Rud. 326 arioiüs sum. 329 ampliüs seit. 342 obeecrö te. IMY^ amö te* 1283 per-
ditüs sum. 1301 tenuiüs fit. 1332 adrog^t te. Poen. 1230 pen^ii nos. 1231 utri det, 1256 pmcÄa
me. Cure. 493 voldm te. 512 diedx es. 520 vendidi te. Epid. 358 nnin^i me. Tmc. 14^ ajiüd
vos. 220 pauper^s nos. Most. 175 plackt mi. 241 homö sum. Pera. 4*J rogä^ nie. Stich. 771 pa*
pÄe pax. eist. 4, 2, 36 vestif^um sed. 64 implicdt se. 70 ubi »it. Von diesen (34) Fälkn «ind
zu scheiden die 5 Fälle, in welchen vor dem einsilbigen Schlu*i*wort EIi»ion steht: Asin. 3^^ evo-
cä,to huc. 679 amplflxäre hanc. Rud. 691 hab^te hanc. iPoen. r^54 amälio est. Cist, 4, 2, 75
gratufta est). Terenz hat nur Eun. 599 proruünt se. 611 redifrit iam. 1012 oportuft te. Heaut.
698 adhüc est. Phorm. 178 nuntiat rem. 825 probrö sim. He*:. 255 apüt vo&. (Andr. 714 op-
perire hie. Eun. 260 honorem et. 1009 vid^bo. Ah. Phon«. 786 opitulata es. Het, 25^ adlini-
tätem hanc). Da die Elision im trochäischen Zeilenschluss besondereja Interesse hat werfen der
Verwandtschaft mit dem Schlüsse des Hexameters, so sei bemerkt^ dum Sohlnase, wie vkAno ipni,
sehr häufig sind, dagegen unter den erwähnten 50 Schlüssen bei P 1 ti u 1 u « j^ieh nur die ^* Hnden i
n^quam es (Asin.), ^stne hie (Rud.), s^rvo id (Men.), fürti est (Poen.) und id nam est (CinU).
Zu den 20 Schlüssen, die von Terenz aus 2 einsilbigen Wörtern gebildet aind, gehört: (quid na^ est
Andr.), omnem. Hem (Heaut.) und bina. Hui (Ph.).
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 1
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Elision vor dem letztea Wörtchen haben. Die angeführten Stellen legen
auch ein anderes Gesetz klar. Obwohl der 7. Fuss des Septenars als
der 1. einer jambischen Dipodie eigentlich in der Senkung auch eine
Länge oder zwei Kürzen haben dürfte, so haben doch die Griechen ofifen-
bar des Zeilenschlusses halber diese letzte Hebung nicht aufgelöst imd die
vorangehende Senkung nur durch eine Kürze gebildet So oft die letzte
Silbe mit der vorangehenden Hebung ein Wort bildet, kümmern die La-
teiner sich nichts um jene Regel, und die letzte Hebung wie die ihr
vorangehende Senkung ist freigegeben; so finden sich im Schlüsse des
jambischen Septenars alle möglichen Variationen (vgl. Mohr S. 29): lo-
quätur, aötate, mötüendus, Inöpia, efficeret, huic häbitam, mä,l6 metuo.
Sobald aber vor einsilbigem Schlusswort der betonte Wortschluss auftritt,
gilt hier dieselbe Regel wie beim Dipodienschlusse : war bei den Griechen
nur die reine Senkung erlaubt, die unreine verboten, so ist bei den La-
teinern nur der reine jambische betonte Wortschluss erlaubt, der unreine
spondeische oder anapästische verboten.
Der trochäische Caesurschluss findet sich ebenso massenhaft
wie der regelmässig ihm folgende jambische Zeilenschluss. Denn schon
die Römer haben jenes Princip angebahnt, das in der mittelalterlichen
und modernen Dichtung immer klarer hervortritt, dass nemlich der
Caesur und Zeilenschluss oder die Schlüsse sich folgender Zeilen abwech-
selnd jambische und trochäische sein sollen. In den jambischen Septe-
naren und Octonaren sind die trochäischen Caesuren theils selten theils
schwer zu prüfen; dagegen ist ihre Masse in den Senaren und in den
trochäischen Septenaren gross. Bei der Untersuchung liess ich zunächst
in den jambischen Senaren die zahlreichen Verse, wie Necessitas dat legem
non ipsa accipit, bei Seite, da ja Niemand a priori sicher sagen kann,
ob hier die Caesur im 3. oder 4. Fusse gedacht war. Geht man von
den Senaren aus, deren Caesur sicher ist, so ergibt sich, dass die Griechen
einzelne einsilbige Wörter ohne Bedenken in die trochäische Caesur so-
wohl des 3. als des 4. Fusses setzten und nur schwere Wörter, wie
Yifafifiara fia&HV Sei xai fia&ovra vovv ix^iv, seltener zuliessen, dass
dagegen die altlateinischen Dichter eine Bildung der Caesur, wie in Dis-
cordia fit carior concordia, sehr gemieden haben. So erklärt sich, warum
die 3. Hebung des Senars bei den griechischen Dichtern oft, bei den
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älteren lateinischen Dichtem selten, bei den späteren fast nie betontes
Wortende bildet Denn dies kann nur geschehen, wenn im 4. Fusse die
Caesur ganz fehlt oder vor derselben ein einzelnes einsilbiges Wort steht,
wie in "^(pwvi^ fiiaga ysyayag xax(Sg ayogaiog eV oder ^arfffyeiy (pilav&^ümov
(fi nama&ai tqotiov. Da aber sowohl caesurlose Verse als trochäische
Caesuren mit einsilbigem Schlusswort bei den Lateinern regelwidrig sind,
so kann auch der Fall, dass die 3. Hebung des Senars betonten Wort-
schluss bildet, nur als seltene Ausnahme vorkommen.')
Im trochäischen Septenar ist die regelmässige Caesur nach
der Senkung des 4. Trochäus. Die Frage, ob vor dieser ein einzelnes einsil-
biges Wort stehen darf, combinirt sich mit der oben aufgeworfenen
Frage, ob die 5. Hebung betonten Wortschluss bilden darf. Der trochä-
ische Septenar hat gewöhnlich Caesur nach der 4. Senkung, wie in 'Femi-
nae natiiram regere desperare est otium, selten nach der 5. Senkung (vgl.
später), wie in Heu dolor quam miser est qui m tormento vocem non habet.
Unter den sicheren Versen der zweiten Art sind nur sehr wenige, deren
5. Senkung durch ein einsilbiges Wort nach einem längeren Wort ge-
bildet wird, wie in Faciet o vir optume. o pater mi festivissime. Ausser-
dem gibt es viele Verse, deren 4. Senkung durch ein einzelnes einsilbiges
Wort gebildet wird; allein weitaus die' meisten haben die Caesur nach
der 5. Senkung, wie Quid id est quod scis. Tuös pater volt vendere.
Omnem rem* tenes. Selten sind auch hier die Verse, wo nach der
5. Senkung keine Caesur steht, also das einzelne einsilbige Wort in der
4. Senkung Caesurschluss bilden muss, wie in Cingitur: certe expedit se.
Non feret quin väpulet. Demnach wird auch im trochäischen Septenar
der trochäische Caesurschluss selten durch ein einzelnes einsilbiges Wort
gebildet und noch viel seltener bildet die 5. Hebung Wortschluss.
So erklären sich alle von Ritschi und seinen Anhängern durch ein-
gehende Forschungen ermittelten Eigenthümlichkeiten der altlateinischen
1) Den Grund, dass Verse, deren 3. Hebung betonten Wortschluss bildet, wie 'Quem video?
Estne hie Crito | sobriiius Chrysidis', die also in zwei gleiche Hälften zerfallen, wegen des üblen
Klanges gemieden worden seien, möchte ich nicht zu sehr betonen. Denn die griechischen Komiker
hatten doch auch metrisches Gefühl und mieden sie nicht, und die lateinischen Dichter Hessen
wenigstens Verse, wie Qui omnes insidias timet, | in nuUas incidit. Amans quid cupiat seit, | quid
sapiat non videt, unbedenklich zu.
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Jamben und Trochäen theils aus dem altlateinischen Dipodiengesetze theils
aus den Gesetzen über die Caesuren und deren Bildung, insbesondere
über die Vermeidung von einsilbigen Wörtern im jambischen Zeilen- und
trochäischen Caesurschluss. Dass hiebei die Rücksicht auf den Wort-
accent nicht mitgewirkt hat, ist offenbar. Denn gerade bei einsilbigem
Zeilenschluss, wie esse vult, würde der Wortaccent gewahrt: aber gerade
dieser Zeilenschluss ist am meisten verboten. Vielmehr hat der Ordner
der altlateinischen Jamben und Trochäen, wie er bestimmt« Caesuren
eii:igeführt und deren strenge Beobachtung geboten hatte, so auch in
Nachahmung und Verschärfung einer Regel, die er bei den Griechen
z. B. am Schlüsse des jambischen Septenars fand, die Vermeidung ein-
silbiger Wörter besonders im jambischen Zeilen- und im troQhäischen
Caesurschluss geboten. Da er die Regel bei den Griechen so oft nicht
beachtet sah, hat er auch hier Ausnahmen gestattet. Seine Nachfolger
haben diese Ausnahmen immer mehr vermieden und aus der jambisch-
trochäischen Verskunst ging die Vermeidung einsilbiger Wörter im Schlüsse
der Zeilen und Halbzeilen auch in die daktylische über.
Caesuren des jambischen Senars.
Die Caesuren der altlateinischen Senare scheinen noch nicht mit
derselben Sorgfalt untersucht zu sein, wie die der griechischen.^) Gegen-
über der Freiheit und Regellosigkeit der Griechen tritt gerade hier die
strenge Regel der Römer deutlich hervor. Zuerst sind zu betrachten
die Verse, welche weder im 3. noch im 4. Fusse die gewöhnliche tro-
chäische Caesur haben. *^) Bei den Griechen zählte Röding solcher cae-
surlosen Senare bei Aeschylus 80, Sophokles 70, Euripides 150. In
noch nicht zehn derselben steht der 3. und 4. Fuss in ein und dem-
selben längeren Worte, in fast allen schliesst mit dem 3. Jambus ein
zwei- oder mehrsilbiges Wort, so dass die Zeile in zwei gleiche Halb-
1) Der Versbau der griechischen Komiker nach Aristophanes verdiente schon um der La-
teiner willen noch eine genaue Untersuchung. So viel ich sah, steht er dem des Aristophanes an
Freiheiten und Härten gleich. — Hermann Elem. doctr. metr. S. 106 ffl. nahm so viele Caesuren
an, dass alle Regel aufhört.
2) Vgl. fiir die Griechen Rud. Roeding, de Graecorum trimetris iambicis caesura penth. et
hephthem. carentibus. üpsala 1874.
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Zeilen zerfällt; doch steht am Ende der ersten Halbzeile in der Regel eine
elidirte Silbe (quasi-caesura, Scheincaesur, von Porson genannt) 'nviio^ ß^o-
roXg äorfiQ^ ogqg lT()OfiTi&ea . ^akk^ lo ^fV ixsrevü) o\ dnayYBUov rade, Aristo-
phanes und mit ihm die übrigen griechischen Komiker müssen von den
Caesuren ihres jambisch-anapästischen Senars ganz andere Anschauungen
gehabt haben, über welche wir noch keine volle Klarheit habenJ) Denn
Röding zählte bei Aristophanes nicht weniger als 700 caesurlose Vei^e,
so dass etwa 1 auf 10 trifft Von denselben haben über 100 den 3. und
4. Fuss in einem längeren Worte stehen wie ylaxedaifiovioig^ 570 haben
nach dem 3. Jambus Wortende und fast stets, ohne dass eine ELision
den Einschnitt zwischen beiden Halbzeilen überbrückt; z. B. Ritter 491
'7y' k^oliaf^avaii^ dvvn rag diaßoXag und 218 <P(x)yri ^ia{)a^ yiyorag KaiCiög^
dyoQaiog h. Also sind 1) Senare ohne Einschnitt im 3. und 4. Fusse
bei den griechischen Tragikern nicht gar selten, bei den Komikern ganz
gewöhnlich; 2) bildet in denselben gewöhnlich die 3. Hebung das Ende
eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes, seltener stehen der 3. und der
4. Fuss in ein und demselben vier- oder mehrsilbigen Worte.
Ganz anders steht es bei Plautus und Terenz. Hier sind Verse
ohne Einschnitt im 3. oder 4. Fusse sehr selten. In der Mehrzahl dieser
wenigen caesurlosen Verse bildet der 3. und 4. Fuss ein Wort in der
Minderzahl ist die 3. Hebung der Schluss eines zwei- oder mehrsilbigen
Wortes. Die Verse der letzten Art haben, der Lehre vom Wortaccente
zu Liebe, theils Andere, insbesondere Brugman, corrigirt, während die
der ersten Art meistens unangetastet blieben. Von den Handschriften
verbürgt sind bei Plautus Ä Verse der ersten Art*^) Mil. 485 Certnm est
nunc öbservatiöni operäm dare. Capt. 159 mültigeneribüs. Rud. 525 vcli-
tatiönem. Stich. 227 ac perierätiunculas. Pseud. 430 renuntiantur. (Merc.
prol. 58 diffunditari 510 violarii) Capt. 146 incommodüm; dann 5 Verse
der zweiten Art Persa 410 Procax rapax trahax: trecentis versibus.
1) Vielleicht hängt diese Missachtung der Caesuren zusammen mit der gesetzmassig-en Zu-
lassung des Anapästes auch im 3. und 4. Fusse, da dieser Fuss in sich keine Caesur duldet.
*2) Ich mache hier keinen Unterschied zwischen zusammengesetzten und nicht 7,usanimen'
gesetzten Wörtern. Der Caesur zu Liebe ein zusammengesetztes Wort zu zerreissen ist nicht nur
geschmacklos, sondern nützt auch nur um die Zahl der Ausnahmen zu verringern, aber nicht um
sie aufzuheben. Schon das beweist, dass die Alten nicht daran gedacht haben.
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Bacch. 344 utrum velim. Truc 656 meo periratus. Amph. 137 donis
donätus. Rud. 1341 potestatem meam. Diesen wenigen Ausnahmen in
den über 8000 Senaren des Plautus steht in den gut 3000 Senaren des
Terenz eine grössere Zahl gegenüber; zunächst 13 der ersten Art:
Andr. 767 0 fäcinus änimadvertendüni. Quid clamitas. Eun. 436 suspi-
ciönem. Phorm. 547 deliberändum. Hec. 176 infirmitatis. Ad. 57 libe-
ralitäte. Andr. 60 iniuriä. 737 intellego. Eun. 929 dispendiö. Heaut. 444
mulierculam. 776 intellego. Phorm. 60 pecuniä. Hec. 508 renuntietque.
Ad. 973 aspexeram; dann .9 {10) Verse der zweiten Art: Andr. 801 Quem
Video? estne hie Crito sobrinus Chrysidis. Eun. (415 quia habes imperium).
832 lupo commisti. 190 Thais vale. Heaut. 64 preti maiöris. Andr. 64
studiis ad versus. (Eun. 836 cömprendi iube; freilich Bentley mit leichter
Aenderung comprehendi iübe). Phorm. 609 noster Chremes. Hec. 177
primos dies. Ad. 463 adöptandum dedisti.
Dass hier Plautus die gewöhnliche Regel sorgfältig beobachtet, die
verhältnissmässig vielen Ausnahmen bei Terenz aber nur seiner gewöhn-
lichen Nachlässigkeit im Versbau zuzuschreiben sind, geht daraus hervor,
dass in der weiteren Entwicklung der lateinischen Dichtung die Senare
ohne Einschnitt im 3. oder im 4. Fusse fast verschwinden. Unter den
680 Senaren des Publilius finden sich N 49 Nil aliud seit necissitas
quam vincere. C 33 Cicatrix conscUntiae pro vulnere est. (Q 3 Qui metuit
contumSliäm raro accipit ist unsicher); dann M 53 Malam rem cum
velis honestare (honestatem codd.) improbes. Die Worte 'pro medicina
dolor est qui dolorem necat* hat man wohl richtig gestellt zu P 14
'Pro medicina est dolor dolorem qui necat. Unter den gut 300 Senaren
in den Epoden des Horaz sind zwei caesurlose: 1, 19 ut assidens im-
plümibus puUis suis und 11, 15 quodsi meis inaestuet praecordiis. Unter
den 1900 Senaren des Phaedrus findet sich kein caesurloser; ebenso-
wenig in den Tragödien des Seneca.
Während also die Regel, dass der Senar im 3. oder im 4. Fusse einen
Einschnitt haben soll, von den griechischen Tragikern nicht selten, von
den griechischen Lustspieldichtern ausserordentlich oft missachtet wurde,
wird dieselbe von den lateinischen Lustspieldichtern sehr streng beob-
achtet und von den späteren lateinischen Dichtern fast gar nicht mehr
verletzt. Diese strengere Ausbildung der griechischen Regel kann nur
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auf den Mann zurückgeführt werden, der zuerst diese Zeilenart für die
lateinische Sprache einrichtete.
Nicht minder wichtig ist es, die Bildung der trochäischen
Caesur selbst zu untersuchen, was wenig geschehen ist. Auf dies^
Untersuchung wurde ich geführt durch die Thatsache, dass zwar die
Caesur im 4. Fusse sehr oft vorkommt, dass aber solche Verse, wie
Adelph. 233 Nihil est: refrixerit res: nunc demum venis, äusserst selten
sind. Bei Plautus finden sich in den Handschriften folgende, die frei-
lich von Herausgebern fast alle geändert sind: Amph. 912 inquies.
Ego expediam. Merc. 692 malae rei, quod. Bacch. 257 Archidemidem.
(hem add. Hermann) quam ?wquam. Archidemidem. Capt. 667 häs quidem
vel. Gas. 406 dies iam, Epid. 477 intus iubes. Haec. Men. 300 qui
amicam habeas eram meam hänc. Poen. 1091 tuae sint. Pseud. 454
mala re. Trin. 402 dies sunt. Dann Capt. prol. 51 quanti sunt Cas. 320
süspendam meam operam. Mil. 828 periisti iam, 853 paulum nimis loculL
Persa 456 proventuram hene confido. 1344 raulto post Zahlreicher
sind wiederum die Ausnahmen bei dem nachlässigen Terenz: Andr. 661
dicerem me. 745 forum quid Uli hominum. 774 dabit. tanto hercle. 783
Chremes per. Eun. 501 Chremes hoc. 901 Pythias. Non. Eun. 160 ames
quam. Hec. 701 miser sum. 770 mülieres sunt Ad. 233 refrixerit res,
470 amor vinum ädolescentia. Dann Andr. 116 etiam mali, Hem. 540
gnatam tuam et. 718 amatorem virum in. Eun. 418 di vostram fidem
höminem. Eun. 856 paulum quiddam eho. Heaut. 147 tantisper me,
543 expectat Syre? an. (Hec. 192 inter se. Ad. 395 sineres vero illum).
Bei Publilius, Horaz, Phaedrus und Seneca findet sich kein Vers der
Art, dass die 3. Hebung betonten Wortschluss bildet und demselben ein
einzelnes einsilbiges Wort folgt, nach welchem dann die Caesur im
4. Fusse eintritt.
Natürlich fragt man, warum? Gewöhnlich lautet die Antwort: solche
Senare wurden vermieden, weil jambische Wörter oder gar spondeische
und anapästische Wörter und Wortschlüsse im 3. Fusse den Wortaccent
verletzen. Allein in Caesuren, wie fecerant me, amäverant me, wird
nach der Ansicht dieser Theoretiker der Wortaccent nicht verletzt und
doch findet sich auch diese Art der Caesur bei Plautus und Terenz
äusserst selten, später gar nicht. Der Grund muss also ein anderer
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56
sein (vgl. noch oben S. 50/51.) Er besteht darin, dass die Bildung der
trochäischen Caesur durch ein einzelnes einsilbiges Wort mit vorangehen-
dem betonten Wortschluss bei den Römern überhaupt gegen die Regel
war. Bei der Untersuchung müssen die zahlreichen Verse, wie Cui plus
licet quam pär est, plus vult quam licet oder Necessitas dat legem, non
ipsa accipit, einerseits und Verse wie 'Discordia fit carior concordia^
streng auseinandergehalten werden; denn in Versen der eraten Art, die
ich mit 4 -}- 1 + 2 + 7 bezeichne, können die Dichter die Caesur im
4. Fusse gewollt haben, in Versen der zweiten Art (4-1-14-7) aber
kann nur die unregelmässig gebildete Caesur oder gar keine gewollt sein.
Die Griechen haben diese Art von trochäischen Caesuren offenbar nicht
gemieden. Ich nehme zur Prüfung die 500 ersten Trimeter des Prometheus
von Aeschylus und der Electra des Euripides und die 300 ersten der
Ritter des Aristophanes. Unter den 500 ersten Trimetem des Prometheus
haben 85 den 2. Fuss durch ein jambisches Wort oder Wortschluss ge-
bildet; auf diesen 2. Fuss folgt 1) in 36 Versen ein dreisilbiges Wort,
wie in Srioai ßia (pagayyi; 2) folgt in 20 Versen ein ein- und ein zwei-
silbiges Wort und in 3 folgen drei einsilbige Wörter, wie in ddaftavTi-
vov VW acfrivüg und fiox&oig iyio yag ovi^ dv. 3) folgt in 26 Versen
nur ein einsilbiges Wort und kein Einschnitt im 4. Fusse, wie z. B. in
^&€0i; d-fury ya() ot)/ vnonrrjOOVDV x^Xor oder ^'OT(p tqotkjo rrjatV ixxvXi-
aS^aei rvxtjg'. In diesen 26 Versen ist also sicher in die trochäische
Caesur im dritten Fusse ein einzelnes einsilbiges Wort gestellt; in 15
dieser Verse ist dies einsilbige Wort eines von denen, die später Enklitika
genannt wurden, re juoi /tis aoi aB\ in 11 Versen eines von den Wört-
chen y«p (Tf Jiy /tfV und je 1 Mal rfi^ und r^a^. Auffallend zahlreich
ist dieselbe Bildung dieser Caesur im vierten Fusse : in nicht weniger als
21 Versen unter den 500 des Prometheus, und zwar in 8 Versen nach
jambischem Wortschluss, wie n viv ojvytig; noyvDy ya{} log oltiXw koyit),
in 13 sogar nach spondeischem Wortschluss, wie in ari^^yeiy ip^Xav&ifa}-
710V (fe navBO&ai tqotiov. Auch hier stehen in 9 Versen Enklitika, in
den andern nur yap ^s iv in^ vor der Caesur. Von den 500 ersten
Trimetern der euripideischen Elektra bilden 99 den zweiten Jambus durch
jambisches Wort oder Wortschluss; dem folgt in 20 Versen ein dreisil-
biges Wort mit sicherer Caesur im 4. Fusse, in 36 ein ein- und ein
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zweisilbiges Wort und in 4 drei einsilbige Wörter, so dass hier die
Caesur im 3. oder im 4. Fusse gewollt sein keCtm. Aber in 33 folgt nur
ein einsilbiges Wort ohne Caesur im 4. Fusse, wo also sicher die von uns
gesuchte Art der Caesur angewendet ist. In 21 Versen stehen einsilbige
Enklitika oder fievj ya(), (T« vor der Caesur, wie wir sie schon bei
Aeschylus fanden; allein in 12 Versen finden sich hier nicht nur Wört>
chen wie o(p, rovg^, t<zvt\ sondern sogar ^ovg, x()fjy, ßäo\ yfjg, z. B. in
wg da&BVBL diwg | ao&eyrj laßoi (poßov. Demnach hat die Entwicklung
hier denselben Gang eingeschlagen, wie bei den aufgelösten Hebungen im
2., 3. und 4. Fusse, wo nach der Regel die folgende Senkung mit der
vorangehenden aufgelösten Hebung ein Wort bilden oder durch ein Wört-
chen gegeben sein sollte, das eng zu dem vorangehenden gehörte, wo
aber dafür bei Euripides auch schwerere einsilbige Wörter sich finden,
die sich mit der vorangehenden Hebung nicht enger verbinden als mit
der folgenden. Vor der Caesur im 4. Fusse steht ein einsilbiges Wort bei
Euripides seltener als bei Aeschylus, nemlich nur in 9 Versen miter jenen
500 und zwar in 5 nach jambischem Wortschluss, wie in ix^i fity dofh-
yrjg ^e, in 4 nach spondeischem Wortschluss, wie in roiatna fiia^irai ya(^;
die Wörtchen sind hier y« «V yap aV und (^e. Unter den 300 ersten Tri-
metern der Ritter des Aristophanes finden sich (abgesehen von 26 Versen
ohne Einschnitt im 3. oder 4. Fusse) 18, in welchen die Caesur Bicher
im 3. Fusse stattfindet und auf jambischen (11) oder anapästiachen (7)
Wortschluss im 2.Tusse ein einsilbiges Wort als Senkung vor der Caesur
steht; dann 12, in welchen die Caesur im 4. Fusse stattfindet und auf
jambischen (4), anapästischen (1) oder spondeischen (7) Wortschluss im
3. Fusse ein einsilbiges Wort vor der Caesur im 4. Fusse folgt; die ein-
silbigen Wörter sind sämmtlich Enklitika oder die oben genannten Par-
tikeln und ähnliche, wie firj, ov, «i, xai; z. B. xai TTjg dj^o(}ag xm \ rmv
iLfiBvojv xai TTjg nvxvog, 'AT ^tjfiaywyid yaQ | ov jiQog uovoixov. ^Eyoa fuv otV
avxixa juaV | ig ßovXriv iwv. Demnach war es sowohl den tragisclien als
den komischen Dichtern der Griechen stets erlaubt, die trochäische Caesur
sowohl im 3. als im 4. Fusse des Trimeters durch jambische, spoDdeische
oder anapästische Wörter oder Wortschlüsse mit dem Versaccent auf der
Endsilbe und ein folgendes einsilbiges Wort zu bilden; nur wurden
schwere einsilbige Wörter einigermassen gemieden.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 8
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Ganz anders steht die Sache bei den lateinischen Dichtern.
Schon oben (S. 55) ist darauf hingewiesen, dass ein einsilbiges Wort
nach betontem Wortschluss sich vor der Caesur im 4. Fusse des Senars
bei Plautus und Terenz nur selten, bei späteren Dichtem gar nicht
findet. Es bleibt die Bildung der trochäischen Caesur im dritten Fusse
zu prüfen.
Unter den 2300 Senaren, welche die 6 Stücke des Plautus Am-
phitruo, Asinaria, Aulularia, Menaechmi, Mercator und Trinummus ent-
halten, sind etwa 83, in denen der 2. Fuss durch ein Wort oder Wort-
schluss gebildet ist; darauf folgt in 14 Versen ein dreisilbiges Wort mit
Caesur im 4. Fusse, in 36 Versen ein einsilbiges und ein zweisilbiges Wort
und in 1 5 drei einsilbige Wörter, wie in 'A pröpitius sit potius. Confido
fore\ Ego eo ad forum nisi quid vis. Ei bene ambula. Dass in derartigen
Versen die regelmässig gebildete Caesur im 4. Fusse und nicht die un-
regelmässig gebildete Caesur im 3. Fusse anzunehmen ist,^) geht daraus
hervor, dass die Zahl der sicheren unregelmässig gebildeten Caesuren der
Art im 3. Fusse eine sehr geringe ist. Unter jenen 83 Versen finden
sich 16 — 18 der Art: Amph. (74 magistratum sibi alterive). 922 scio
quam doluerit. 923 dexteram tuam te Alcumena. Asin. 16 Sicüt tuum vis
3 SS
ünicüm gnatüm meum. 52 scio iam. 781 invocet sibi quam. 540 ni-
• 3 8 2 3
tidior sis. Men. 45 idem guod. 7 AI meum qui huc. Merc. 311 movere
3 SS
me seü secari. 553 cönloces dum. Trin. (186 propter res). 397 animo fU.
490 divites sunt. 497 scias hie. (582 Callicli med). 788 epistulas quando 6b-
sign. 1094 0 Cällicles, o Callicles, o Callicles. Auch in den übrigen Stücken
des Plautus sind solche Verse, in welchen die Caesur nur im 3. Fusse
stattfinden kann und hier durch einen betonten Wortschluss mit einem
einsilbigen Wort gebildet ist, nur sehr selten. So in Bacch. nur 143 An
hoc ad eas res obsonatumst öbsecro und 123 I stültior es bärbaro Po-
ticio. Unter den 1150 Senaren, die Terenz im Eunuch und in den Adel-
phoe gedichtet hat, finden sich 71, deren 2. Fuss durch ein Wort oder durch
Wortschluss gebildet ist. In 28 fällt nach einem dreisilbigen Worte die
1) Die Zahl der Senare mit Caesur im 4. Fusae wird dadurch beträchtlich vermehrt. Allein
diese Caesur war überhaupt sehr beliebt. Hat doch Publilius unter seinen ersten 100 Senaren 16,
in denen diese Caesur unbestreitbar ist, wie in Amäntis ius iurändum poenam nön habet.
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Caesur sicher in den 4. Fuss, in 34 ist sowohl der 3. als der 4. Fuss
getheilt, in nur 9 muss die Caesur in den 3. Fuss fallen, steht also
sicher vor der Caesur ein einzelnes einsilbiges Wort: Eun. 331 liquet mihi.
531 Chremes. 0. 834 tace tace öbsecro. 889 pater. Quid? 934 foris
sunt. 538 Dörias cito hünc. Ad. 486 miseram me. 458 deseris tu.
469 amplius, nam hoc. Es steht also hier, wie in den verwandten Fällen.
Die altlateinischen Dichter sollten keinen Vers ohne die bestimmte Cae-
sur bilden, sie sollten keine jambische Dipodie mit unreinem betonten
Wortschluss endigen ; allein da bei den griechischen Komikern Verse ohne
jene Caesur und mit Anapästen im Schlüsse der jambischen Dipodien in
Menge vorkamen, so war auch den altlateinischen Dichtem eine Verletz-
ung der Regel nicht absolut verboten. So stand es auch mit einsilbigen
Wörtern im Schluss der trochäischen Caesur; sie sollten nicht stehen,
allein da sie bei den Griechen sehr zahlreich vorkamen, so war hie
und da eine solche Ausnahme auch den altlateinischen Dichtern gestattet.
Wie dann die Caesuren im 4. Fusse des Senars überhaupt seltener sind,
als die im 3., so sind natürlich auch die unregelmässig gebildeten im
4. Fusse seltener als im 3.
Wie nun in den übrigen Fällen die den altlateinischen Dichtern ge-
statteten Ausnahmen bei den späteren mehr und mehr verschwinden, so
ging es auch mit den einsilbigen Wörtern im trochäischen Caesurschluss.
Schon oben ist erwähnt, dass eine solche Caesur im 4. Fusse bei den
späteren sich nicht mehr findet. Im dritten Fusse verschwand sie lang-
samer. So hat Fublilius unter 680 Senaren 60, deren zweite Hebung
den Schluss eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes bildet; in 38 folgt ein
dreisilbiges, in 16 ein einsilbiges und ein zweisilbiges Wort, in 3 Versen
folgen drei einsilbige Wörter; nur in 3 Versen dieser Art fällt die Caesur
sicher in den 3. Fuss: D 9 Discordia fit carior concordia. N 43 Ne-
cessitas quam pertinax regnum tenet. S 34 Solet sequi laus, cum viam
fecit labor. Unter den 311 Senaren in den Epoden des Horaz ist in 24
die zweite Senkung das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes; in
8 folgt ein dreisilbiges, in 10 ein ein- und ein zweisilbiges Wort, in 2
folgen drei einsilbige Wörter; in 4 fällt sicher die Caesur nach einem
einsilbigen Wort; so 5, 5 per liberos te si vocata partubus. 6, 11 cave,
cave wamque in malos asperrimus. 7, 11 neque hie lupis mos nee fuit
8*
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leonibus. 17, 25 urget diem nox et dies noctem neque est Demnach
ist Horaz im Bau der Senare wie im Bau der Hexameter nicht zu den
feinsten Dichtern zu rechnen. In den 1900 Senaren des Phaedrus (die
Appendix mitgerechnet) finden sich wohl 50 Verse, in denen die 2. Heb-
ung das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes ist (darunter 38, in
denen ein dreisilbiges Wort folgt), aber kein einziger, in dem die Caesur
in den 3. Fuss fallen muss. Unter den 1600 Senaren, welche die Medea und
Phaedra des Seneca enthalten, finden sich 78 Senare, deren 2. Hebung
das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes ist. In 54 folgt ein drei-
silbiges Wort, nur in zweien muss die Caesur in den 3. Fuss nach einem
einzelnen einsilbigen Worte fallen: Med. 245 hoc est penes te. si placet:
damna ream. Phaedr. 388 vestes procul sit muricis tyrii rubor. Schwere
einsilbige Worte, wie laus bei Publilius, mos und nox bei Horaz, finden
sich, wie die obigen Beispiele zeigen, bei Plautus und Terenz sehr selten
vor der Caesur : ob aus Absicht oder Zufall, wird schwer zu entscheiden
sein. Damach dürfen wir die Voraussetzung aufstellen, dass in den an und
für sich zweifelhaften Versen, wie *Necessitas dat legem, non ipsa accipit',
die altlateinischen Dichter nicht die unregelmässig gebildete Caesur im 3.,
sondern die regelmässig gebildete im 4. Fusse gewollt haben.
Demnach haben die altlateinischen Dichter nur sehr selten Senare
ohne Einschnitt im 3. oder 4. Fusse gedichtet und haben diese Ein-
schnitte nur selten so gebildet, dass vor der Caesur auf einen betonten
Wortschluss ein einsilbiges Wort folgte. Da die griechischen Lustspiel-
dichter beides sehr oft thaten, so kann jene strenge Regel der altlateinischen
Dichter nur von dem Ordner der lateinischen jambischen und trochäischen
Zeilen herrühren. Seine Regel verschärften die Nachfolger, indem sie die
wenigen Ausnahmen, welche jener im Hinblick auf die zahlreichen Aus-
nahmen bei den Griechen gestattet hatte, mehr und mehr verboten haben.
Elision in der Caesur des Senars.
Ich habe bisher alle die Verse bei Seite gelassen, bei deren Caesur
die Elision irgendwie mitspielt. Die Zahl der Senare ohne Caesur wie
der Senare mit einem einzelnen einsilbigen Caesurwort wäre beträchtlich
grösser, wenn bei Elision stets der glatte Wegfall des schliessenden Vo-
kals angenommen werden müsste. Allein während z. B. im Senar die
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beiden schliessenden Kürzen eines längeren Wortes weder als Hebung
noch als Senkung verwendet werden dürfen, also Betonungen, wie im-
pirat Achilles oder im^erat Hercules, verboten sind, sind doch Elisionen,
wie Bspicere in älienö oder conditio optima est und avari<ia ömnia, durch-
aus erlaubt. Diese und ähnliche zahlreichen Fälle beweisen, dase der
schliessende Vokal zum mindesten gesprochen werden konnte. Wie hierin
einerseits der Grund liegt, wesshalb in dem (durchaus rein zu haltenden)
jambischen Zeilenschluss am allermeisten ein einsilbiges Schlusswort mit
vorangehender Elision, wie ömnia häec, vermieden wurde, so werden
anderseits Verse, wie Cogäs amantem irasci amare si velis, hierdurch
gerechtfertigt. Sie sind nicht caesurlos (denn die regelmässige Caesur
ist durch amantem gegeben), nur fällt die Caesursilbe in eine harte Eli-
sion; denn gewöhnlich allerdings sind die Elisionen so gesetzt, dass der
schliessende Vokal nicht gerechnet wird. So ist eine Anzahl von Versen
gerechtfertigt, welche diese harte Elision im 3. oder im 4. Fusse oder
in beiden zugleich haben, ebenso ist in den anderen, wie Menaechine
amare ait te mültum Erotium, nicht die regelwidrige Bildung der Caesur
im 4. Fusse, sondern die gewöhnliche Caesur im 3. Fusse mit harter
Elision anzunehmen. Dieser Härte aber waren die Dichter sich bewusst;
desshalb sind die Verse der Art nicht sehr zahlreich.
Bei Plautus fand ich diese in harte Elision fallende Caesur im
dritten Fusse: Amph. 944 Primum cavisse oportuit ne diceres. AuK 352
Tibicinamque obsoniumque. 399 muraenam exdorsuä. Bacch. 597 uerba
mterpretör. Cist 2, 3, 56 est qui Alcesimarcho. Poen. 435 hercle
orationi. Rud. 101 integündam intellego. Pseud. 520 tibi me abducik).
Trin. 121 tüte accederes. 147 quäeso identidem. Von den Heraut^
gebem meistens geändert sind die Fälle der folgenden Art: Mil. 484
Nam egomet cubantem eam modo öflfendi domi. Cist. 2, 3, 16 Ne de-
serat se eam. Epid. 422 amici apud forum ägitur. Men. 524 amare
ait te. (Merc. 305 cäno amas senex). Most. 774 Ipse aedificato. Eon
voco hüc. Poen. 729 quantum ad eum erit delätum. Pseud. 29 hercle
habent quas. Rud. 455 äram uti confugiamus. Truc. 85 peregre; eo
nunc. Zu den Fällen, in welchen die 3. Hebung spondeischen Wort-
schluss bildet, braucht man nicht zu rechnen Merc. 691 vero istuc eo
und Trin. 551 contra istoc detrüdi oder Mil. 139 üna inter se, dagegen
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Aßin. 788 equidem illam moveri. Aul. 16 prol. observare ecqui maiörem.
Poen. 149 hercle immo mihi. Istuc. Poen. 711 ergo. Abduc intro: ad-
dictum. Trin. 427 spopondi. Immo quas. Au£Fallender, doch nicht an-
zuzweifeln (vgl. bei Terenz) ist Cure. 10 Egone apicul^rum opera con-
gestum non feram, wozu wohl zu stellen ist Trin. 114 Et rem suam
omnem et illum comiptum filium. Häufiger ist bei Plautus die harte
Elision bei Caesur im vierten Fusse, wie Most. 781 Ferratusque in
pistrino aetatem conteras; ebenso Amph. 1135 Alcumenae usuram. 1140
inmortali adficiet. Bacch. 172 vicine Apollo. Cure. 242 intestina ex-
pütescunt. 668 liberali adseruisset Mil. 137 consilio(]^ue adhortatur.
490 ludificatam ingenuam. 512 pleniorem erum. 1119 persuadere
amicos. Most 594 extentatum; agas. 1021 octogmta argenti. 1015 dis-
simulando infectum. Pers. 101 opportune advenisti. Poen. 74 liberorum
osori. Pseud. 41 Calidoro amatori. 68 horridulärum oppressiunculae.
794 gloriosum insulsum. 828 condimenta. Audäcter. Rud. 1239 tran-
senna avaritia. Trin. 78 bonasque adcürare. 95 fecisse inscite. - 167 in-
scient« inconsultu. 214 adulescentem evörtisset 745 ducendi int^rea.
Seltener ist bei Plautus harte Elision im dritten oder vierten Fusse:
Bacch. 233 Ut aurum efiiciam amanti erili filio. 869 animam amborum
exsörbebo. Mil. 508 Quin concubinam erilem insimulare. Pers. 408 in-
honeste iniure inlex. 423 exigere argentum? argentum. Trin. 406 Ex-
essum expotum exunctum elütum in balineis. 456 esse amicum inven-
tum. 759 amico alicunde exörari.
Bei Terenz findet sich Caesur mit harter Elision im dritten Fusse:
Andr. 815 Me sycophantem hereditatem persequi; Eun. 981. Heaut. 448.
794. Phorm. 349. 407. 597. 665. 887. 915. Hec. 96. Ad. 13. (? Heaut.
282 dedit tum existumandi ist wohl eher caesurlos); mit anapästischem
Anfang nach der Caesur: Andr. 156 Ea primum ab illo animadvertenda
iniuriast. Dieselbe harte Elision, doch so dass die 3. Hebung Wort-
schluss bildet findet sich in Andr. 717 Sunmium bonum esse erae pu-
tavi hunc Pamphilum. Phorm. 134 nostra erit ioculärem. (Andr. 442 secum
eam rem; Eun. 97 sed ita erat res; 852 quidem quae apud me est;
921 non sum apud me können nicht mit Sicherheit hierher gerechnet
werden und haben eher die Caesur im 4. Fuss); dann Andr. 526 pendo
illud mihi. Heaut 26 qua re omnes vos. 495 sensisti illos me incipere
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ea
Ph. 637 partem aequi bonique. 644 magnum. Immo malum hercle*
Ad. 107 et tu illum tu um. 131 alteruni. nam ambos curare. 250 usum
antehac amicitia. 833 Vitium adfert senectus; (in Andr. 220 inter se;
Hec. 635 inter nos} 659 inter nos; 486 ergä me ist eher Caesur im
4. Fusse anzunehmen; in Ph. 307 Phormionem. Istum; Ad. 450 paternum
istuc kann auch die abgekürzte Form stum, stuc angenommen werden).
Am auffallendsten sind solche harte Elisionen im 3. Fusse, wenn die
3. Hebung anapästischen Wortschluss bildet: Andr. 120 Adeo modesto,
adeo venüsto, ut nihil supra. Heaut. 61 atque hominum fidem. 518 recte
equidem te. 752 hosce aliquot dies. Ph. 87 otiosi operam dabamus.
Im vierten Fusse findet sich Caesur mit harter Elision in Eun. 927 Ca-
rissimum ä meretrice avära virginem; Andr. 34. 123. Eun. 819. Heaut.
512. Hec. 59. 77. Ad. 47. 109. 114. 355. 664 und mit anapästischem
Anfang Hec. 91 Quam cupida eram hüc redeundi abeundi a milite. Im
dritten oder im vierten Fusse: Heaut. 420 Aut ego profecto ingenio egre-
gio ad miserias. 39 leno adsidue agendi. Ph. 691 Aut nominare uxorem.
iniecta. Hec. 54 Ne eum circumventum inique iniqui inrideant.^)
In Betreff der übrigen Elisionen in der Caesur ist ebenfalls der
Unterschied zwischen Zeilenschluss und Caesurschluss festzuhalten. Im
Zeilenschluss soll das Metrum möglichst rein zum Vorschein kommen,
darum wird vor der Schlusssilbe Elision, d. h. wenigstens scheinbare Yer-
mehrung der regelrechten Silbenzahl gemieden; dagegen wird im tro-
chäischen Zeilenschluss betonter Wortschluss, wenn er nur rein jambisch
\) Schwierig sind die folgenden Verse, in denen man entweder Mangel der Caesur oder die bei
den Lateinern sonst verbotene Caesur nach einer Senkung von zwei Kürzen annehmen muss : Asin. 781
u. 782 Deam invoeät 8ibi qu4m lubebit pröpitiam, üeum nullum : si magis r^igiosa füerit. Cure. 236
Sed quid tibistV Lien enecat, renes dolent: so Varro, li^n necät die Handschriften. Eun. 452
Ridiculam: nön enim cögitaras: c^terum. Poen. 67 Sexenniö priüs quidetn quam moritur pater,
falls man nicht misst prius quidem. vgl. noch Miles 858, Persa 456, Andr. 74. Dann mit Elision
Cure. 65 Aequi bonfque ah eo fnpetrare. Iniürias. 217 Quando Aesculäpi ita s^ntio sententiam.
640 Serva me, quindo ego i6 servdvi sedulo. Trin. 131 Argentum amä.nti homini 4dulescenti,
animi impoti. Eun. 490 Hominis: nam qui Küic animum ddsentari induxeris. Ad. 512 Fac con-
sol^re. ego Mfcionem, si 4put forumst. Asin. 116 Audfn tu? Apud Archibdlum ego ero ärgen-
tarium. Ad. 82 Quid tristis es? Rogds me, übt nöbis Aeschinus. Dann Andr. prol. 11 Non ita
sunt dissimili argumento, söd tarnen. 745 Quid turbaest ä.pud forum V quid Uli höminum litigant.
In den Fallen mit Elision, wie Cure. 217 Aesculdpi ita s^ntio, kann man auch die regelm&ssige
Caesur mit harter Elision annehmen, wie oben in Andr. 156 ab fUo anim4dvertenda.
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ist, wie in amät nos, gestattet; denn dass nach 'nos* die Reihe zu Ende
ist, hört jeder. Dagegen tritt in einem Caesurschlusse, wie Solet sequi
laus cum viam fecit labor, Unsicherheit ein, wo eigentlich die Stimme
ruhen soll. Der betonte Wortschluss 'sequi' scheint das Ende der ryth-
mischen Reihe zu bilden. Darum werden vor trochäischer Caesur solche
betonten Wortschlüsse vermieden. Wenn hier nur kein betonter Wort-
schluss vorkommt, so ist die Bildung des betreflfenden Fusses im Uebrigen
ziemlich frei gegeben. Desshalb finden wir dann in der Caesur die ver-
schiedenen Arten von Elision bei den altlateinischen Dichtem oft angewen-
det. So im Anfang des Trin. 21 possidere hanc nomen. 23 castigare ob
meritam. 43 inimici atque irati. 79 Suspicionem et cülpam. 89 amicum
aut familiärem. Dann 110 filiam esse. 398 senectuti äcriorem. 403
quadraginta äccepisti 408 myropoloe aucupes. 413 frudavi. Em.
Die Nachfolger der altlateinischen Dichter verwendeten besondere
Aufmerksamkeit auf die Elision in der Caesur. Publilius hat die
harte Elision bei Caesur im 3. Fusse C 5 medicum intemperans. (0, 7).
P 13 poena iniüriae; im 4. Fusse: B 9 peccanti obsequium. N 18
delicta improbitatem ; im 3. oder 4. Fusse: All homini ingenio acerba.
B 14 numquam erranti obsequium. C 22 amantem iräsci amare. 28 saepe
iräsci irascaris. R 8 amico excütere amicum. Es kommen also weder
harte Elisionen mit anapästischem Anfang nach der Caesur (wie illo
animadvertendum) noch mit betontem Wortschluss in der 3. Hebung (wie
aram uti confugiamus) bei Publilius vor. Mit den übrigen Arten der
Elision in der Caesur ist Publilius (abgesehen von est) noch sparsamer.
So 10 Fälle, wie 0 5 tormentum übi (0 8. B 37. C 2. L 16); B 38
gaudiwm übi (J 59. S 38); F 23 difificilia üt; S 26 Solet höra quod multt
anni abstülörunt reddere. Mit diesem Verse wäre zu vergleichen Spengels
P 28 Perfacile quod vote imperant felix facit. Da jedoch diese Caesur
ungewöhnlich ist, so ist die Lesart der Handschrift 'Perfacile felix, quod
Vota imperant facit' wohl zu lassen und der fehlerhafte jambische Schluss
des 5. Fusses zu vermeiden durch die Aenderung *imperitant' ; vgl. z. B.
Plin. Paneg. 82 his validior toto corpore animus imperitet und das un-
sichere TibuU. 2, 3, 34 cui tristi fronte Cupido imperitat (iraperat andere):
aber nur die Fälle C 7 nemo in grätiäm. (M 69 'inopi^, ex copia* un-
sicher); denn Verse wie N 50 Nemo timendo ad sümmum pervenit locum
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können die Caesur im 4. Fusse haben. Horaz ist wenigstens hierin
sehr vorsichtig, da in den über 300 Senaren der Epoden sich nur findet
16, 8 parentibusgue abominatus Hannibal. dann 2, 35 pavidumque lepo-
rem et ädvenam laqueo gniem, 5, 37 exsucta uti meduUa et aridum
iecur. dann 5, 97 nos turba Yxcaiim hinc et hinc saxis petens, Phaedrus
hat (vgl. oben S. 23) zwei harte Elisionen in 3, 15, 6 Novissime pro-
lapsam e/Tiindit sarcinam und 5, 7, 19 ipso ludorura ostenderet sese die.
Sonst hat er — von Publilius hierin verschieden — in der Caesur hie
und da Elisionen, wie z. B. 2, 4, 11 terrore oSuso et perturbatis sensi-
bus. 2, 5, 10 Slculum et despicit. 3, 6, 9 tricanrfum et übi. 3, 8^ 12
utrumque et cärpens. 3, 2, 6 panem ut süstineret. Dagegen meidet er
nach Luc. Müller (p. XII ed. 1877) durchaus Elisionen, wie miscere illiüs.
Demnach haben die späteren lateinischen Dichter Elision in den Caesuren
selten und behuteam angewendet, die alten oft und ohne besondere Re-
geln. Die späteren Dichter haben wahrscheinlich die bei jenen für Elision
im Zeilenschluss geltenden Gesetze auch auf den Caesurschluss übertragen.
Betonte Wortschlfisse im Senar.')
Im ersten Fusse des jamb. Senars können als im 1. Fusse der jainb. Di-
podie reine wie unreine Wortschlüsse stehen, im zweiten Fusse nur reine.
Gleicher jamb. Wortschluss in beiden ist nicht selten. Jamb. Wortscliluss
im 2. Fusse ist selten, wenn im 3. Fusse die Caesur steht, wie in Discordia fit
carior concordia, häufig, wenn sie erst im 4. Fusse eintritt, wie in Habet
suum venenum blanda oratio. Unreiner Wortschluss im 2. Fusse findet sich
bei Plautus und Terenz, doch sehr selten; natürlich noch seltener mit ein-
silbigem Caesurschluss im 3. Fusse, wie Trin. 398 Miser ex animo fit fac-
tius nihilo facit. In Versen, wie Nisi quid me aliud vis, Phllto : respoüdi
tibi, ist die Ausnahme minder hart, da hier Caesur im 4. Fusse anzu-
nehmen ist. Im dritten Fusse ist betonter Wortschluss nur möglich,
wenn die Caesur ganz fehlt oder im 4. Fusse ein einzelnes einsilbiges
Wort vor derselben steht. Beide Fälle sind, wie oben ausgeführt, sehr
1) Vgl. Ritschis Prolegomena zum Plautus cap. XV und 0. Brugmann, (Bonn 1874, Dispert/)
Quemadmodum in iambico senario Bomani veteres verborum accentus cum numeris consociaiint.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 9
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selten; in diesen wenigen Fällen findet sich im 3. Fasse jambischer,
spondeischer oder anapästischer betonter Wortschluss. Im vierten Fasse
steht meistens Caesar; wenn dies nicht der Fall ist. so kann,- als im
2. Fasse der Dipodie, regelrecht nar jambischer Wortschlass stehen and
dieser steht aach sehr gern. Die anreinen Wortschlüsse sind hier gegen
die Regel, doch ist gerade in diesem Fasse die Regel am häafigsten ver-
letzt, fast stets nar so, dass der 5. and 6. Fass ein Wort oder eine eng
verbundene Wortgrappe bildet, wie in Trin. 410. 476 Qaam si ta obicias
iovmicis papaverem. Et quod illi placeat, praerfpidm potissimam, dagegen
fast nie, wenn die Senkung des 5. Fasses durch ein selbständiges ein-
silbiges Wort gebildet ist. Im fünften Fasse, dem ersten der 3. Dipodie,
sind die unreinen Wortschlüsse gestattet, ja sogar gesucht, dagegen der
reine jambische Wortschluss vermieden; derselbe findet sich (vgl. S. 40)
noch am ehesten, wenn die vorangehende Hebung aufgelöst und deren
2. Kürze mit dem 5. Fusse sich zu einem anapästischen Worte verbindet,
wie in erus operam dare. Da im sechsten Fusse Schlüsse, wie amicus
est, selten sind, so können hier überhaupt nur jambische Wortschlüsse
stehen. Also z. B. Publ. P 47 Flures tegit fortuna quam tutös facit.
S 12 Sapiens cum petitur si tacet graviter negat.
1) Die precatio terrae und herbarum (Baehrena Poet. min. I, 138), 63 Senare nach Art der
altlateinischen, übergehe ich, da sie zu schlecht gebaut oder zu schlecht überliefert sind.
Von diesen strengen Gesetzen des altlateinischen Senars sind manche vielleicht unter
anderem Einfluss ausgebildet. In den 1474 Trimetem der Alexandra des Lykophron treten
merkwürdige Gesetze hervor. 1) Er meidet alle dreisilbigen Füsae; trotz der sehr zahlreichen
spröden Eigennamen finden sich nur 18 aufgelöste Hebungen (8 in Eigennamen), 12 im 3. und 3
im 4. Fusse nach der Caesur, 3 im 2. Fusse vor der Caesur, sämmtliche aber so gesetzt, dass die
beiden Kürzen die Anfangssilben eines längeren Wortes sind. Dann findet sich nur 1 Anapäst
im 4. Fusse (720 naQd-it'onT^y). 2) Kein Vers kommt vor, der nicht nach der 3. oder nach der
4. Senkung Caesur hat. 3) Die Caesur nach der 4. Senkung ist sehr beliebt: z. B. 33 sichere Fälle
in V. 1 — 100. 4) Einsilbiger Zeilenschluss ist sehr gemieden, neben dem einen Fall 724 Xnß^os
"U kommen nur vor die 4 Fälle 253 6b fiot, 769 6k nar und 448. 1209 r« yrir, 5) Einzelne ein-
silbige Wört-er vor der trochäischen Caesur sind selten. Denn (abgesehen von 9 Fällen, wo zwei
einsilbige Wörter vor der Caesur stehen, wie 956 fJtoXoyjag ug yrjy) ist in 9 Fällen, wie 163 ^prvae,
toy 6i Xoia&or^ und in 19 Fällen, wie 104 xnl Sfvtegay eis uQxvy \ od-Qiiuiy ßgo^uiv^ die beliebte
Caesur im 4. Fusse anzunehmen. So bleiben 22 Fälle, wo sicher im 3. Fusse vor der Caesur ein
einsilbiges Wort steht und zwar 1 cxf, 1 aov, 1 T<f, 1 tto^', 4 rf, 1 fAty, 8 Sk; dann 286 yftaZy,
912 yris. 1013 avy- 1370 Zf vf . 1423 ^gvg. Im 4. Fusse finden sich 5 solche unregelmässige Schlüsse :
398 fxyioig 6i, 742 xaraßgo^ij yty. 924 OfQfivdQov re.1074 ^AfjKpiaaKv tf. 1338 dfnyaf^otg rs.
Offenbar ist sowohl der tragische als der komische Trimeter, wie er sich allmählich ausge-
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Die Caesaren des jambischen 8ep<enars und Octonars.
Von dem jambischen Septenar wird nach Reisigs Vorgang (Coniect* in
Aristophanem S. 117 — 121) gewöhnlich gelehrt, dass die griechischen
Lustspieldichter (denn nur b^i diesen findet sich diese Zeilenart, nicht bei
den Tragikern) - zwei Caesuren desselben anerkannt hätten, die gewöhn-
bildet hatte, von Lykophron verschmäht worden. Dagegen findet sich derselbe Bau des Trimeterf
bei Archilochus und den späteren Jambo- und Choliambographen, insbesondere bei Solon und
Simonides ; (aber ^InndHya^ noXXa nrtQSßt) rwy oS^iafiiytvy sy roig iufjßoif durch aufgelöst«
Hebungen). Die Form dieser Dichter kann Lykophron nicht wegen des verwandten Stoffes, äon-
dem nur wegen der gleichen Dichtungsgattung gewählt haben. Er schrieb kein Drama, alao ge-
brauchte er auch nicht den dramatischen Trimeter, sondern den für lyrische oder lehrhafte Gedichte
bestimmten. Wenn also der Scholiast zu Hephaestion p. 152 W (Christ Metrik § 377) von den
drei Gattungen des TQftyixog, xuifuxof und aarvQixos tafdßof unterscheidet o* ovTut nujg i6ms Xsy6-
fAfyog itt/jtßixog und erklärt tStoy Si tafjißixov ro diaavXdßovg fjtoyovg BTuSix^^^'^^ n66ag xai ptukiata
tafdßoy oioy ndjiQ Avxdfißa, noioy itp^datu r66(, so hat das seine Richtigkeit.
Dieser nicht dramatische, also lyrische Trimeter mit steter Caesur im 3. oder im 4, Fu^se
und mit selten verletzter Vermeidung der aufgelösten Hebungen und noch mehr des Anapae^^itefl
herrscht auch in den Epigrammen aus der guten Zeit; so in den etwa 74 Trimetem des Leonidos,
Antipater, Phaedimus, Krinagoras, Apollonides und Theokrit, wo die Caesur nie fehlt und kein
dreisilbiger Fuss vorkommt. In den etwa 97 Trimetem des Philippus Thessal. finden sich 6 auf-
gelöste Hebungen (5 im 3. Fusse) und 4 Anapäste im 1. Fusse; allein mit Recht hat Dübn^r (zur
Anthol. IX, 416, 7) ihm keinen Anapäst im 2. Fusse zugetraut. Von den beachtenswerthen Epi
grammen bei Kaibel sind rein die 63 Trim. in 185. 208. (246). 258. 502. 549 : komische sind in
236. 983. 1039. So erklärt und rechtfertigt sich auch die Bildung des hyzantinischen Trimetera.
Viele dieser gekünstelten Dichter hätten den Versbau des euripideischen und komischen Tnraetera
nachahmen können, wenn sie gewollt hätten. Allein sie waren sich des Unterschiedes Äwisiehen
dem dramatischen und dem lyrischen Trimeter bewusst. Gefehlt also haben nicht diejenigen
Dichter, welche die dreisilbigen Füsse vermieden, sondern jene, welche sie zuliessen. Ein war*
nendes Beispiel sind die umfangreichen ziemlich alten Dichtungen des Servilius Damokrnfe^ (aus
Galen in den Poetae buc. Didot 1851), der die Medicin in komischen Trimetem darstellte, wie
InigfJiatog dyglov xf rag taag dyd SüSSsxu ' 'Exxaidtxa ^iltjg XtvxoTnttig ßgvwyiag. Durch die Lek-
türe der bewunderten Komiker sind manche der gebildeteren Dichter angekränkelt worden;
so z. B. Gi'egor von Nazianz, der nach Paul Stoppeis (Rostock 1881) Zusammenstellungen in
seinen 7500 Trimetem neben 178 aufgelösten Hebungen 272 Anapäste und noch dazu gerade
viele im 2. und 4. Fusse (80 -f- 126) gewagt hat. PaUadas, der besonders die sogenannten
Spruchverse des Menander studirte, hat in seinen 77 Trimetem schon 11 Auflösungen und (3 Ana-
päste, davon je einen im 2. und 4. Fusse. Ja Paulus Silent. hat in den 169 Trim. 27 Auflösungen
u. 42 Anapäste (20 im 2., 14 im 4., 6 im 1., je 1 im 3, u. 5. F.) und der übergebildete A^ftthim
hat in den 46 Trimetem der Vorrede zu seiner Anthologie (IV. 3) nicht weniger als 1(J auf-
gelöste Hebungen und 9 Anapäste (davon 7 im 2. oder 4, Fusse). Diese geistlichen oder lehrhaften
Stoffe in den Formen der Komödie sind geradeso ein Unding, als wenn die sogenannten Spruch-
verse des Menander eine ursprünglich so angelegte Dichtung wären: didaktisch-lyrischer J^toff in
einem Gemisch von Formen des tragischen und komischen Dramas.
Der altlateinische Senar hatte zu Allem gedient: aber CatuU und die Priapeia sind nur das^
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liehe nach der 4. Hebung, die seltenere nach der 5. Senkung; die
Griechen nachahmend, hätten die altlateinischen Dichter dieselben beiden
Caesuren angewendet Allein Reisigs Lehre ist irrig. Nehmen wir die
Ritter des Aristophanes zum Beispiel, so haben von den 147 jambischen
Septenaren 110 die regelmässige Caesur nach der 4. Hebung ^Q^eSidraxor
x(}eag | aixpdi; ye mfovvoriau). In den übrigen 37 fallt in 22 ein Wort-
ende nach der 5. Senkung und zwar in 6 nach — « wie Sh \ vov^ in
6 nach - — (^' | dri), in 7 nach «-: — {vnei \ xf]^ fiayU | ifovg\ dann in 2
nach w-j-w {Xiyov \ rog^ /ircS | rog\ und in 1 nach _« — — (xamdei | xrvg);
in 9 Versen fallt ein Wortende erst nach der 5. Hebung und zwar in 5
nach -^ '- (i9^cü | neiaig), in je 1 nach -^«-^ (jitj \ x^vw^) und i« — '-
(xara | ti^oi^h)^ in 2 nach w ' '- {dvai \ dsia, mdrj \ xiofioig); in 6 end-
lich reicht das Wort über die 5. Hebung hinaus, so in i§ \ evgrjfia ; negi \
oixovoi, 7i€ ffi I rifiTiiax^v^ dno [ XTsireiar] ßw j fioXox^vfiaair; xars | yAoizTi-
OfiBvriv. Von den 37 Ausnahmen haben also 22 Wortende nach der
5. Senkung, 15 nicht; demnach ist hier von einer Regel keine Rede.
Wie wenig auf Reisigs Gesetz zu geben ist, erhellt auch daraus, dass
man gerade so gut Caesur nach der 4. Senkung annehmen könnte; da-
für hätte man doch 24 Beispiele unter den 37 Ausnahmen. Allein all
das ist nur ein Spiel des Zufalls; für die griechischen Lustspieldichter
gilt nur die Regel: im jambischen Septenar ist die regelmässige Caesur
nach der 4. Hebung; steht dieselbe nicht, was etwa in jedem 4. Verse
der Fall ist, so herrscht Gesetzlosigkeit.
Dieser lockeren Regel der Griechen steht besonders bei Plautus
eine strenge Regel gegenüber. Die fast 1300 jambischen Septenare des
Plautus haben alle ein Wortende nach der 4. Hebung, mit Ausnahme
von Rud. 318 Tortis superciliis conträcta frönte fraudulentum. Rud. 1296
treueste Abbild des lyrischen Trimeters und Choliambs der Alexandriner. Horaz mischte schon
Lateinisches bei (mehr Auflösungen; Anapäste im 1. und 5. Fusse; im 5. Fusse der 17. Epode kein
jambi|cher Wortschluss). Der tragische Senar des Seneca, ein Gemisch des tragischen Senars der
Griechen (2. und 4. Senkung nur eine Kürze) und des altlateinischen Senars (stete Caesar, viele
Auflösungen, viele Anapäste im 1. und 5. Fusse, manche im 3., in der 5. Senkung nie eine Kürze)
diente auch zu nicht dramatischen Dichtungen (Petron 89. Martial 1, 49. 3, 14. 9, 77. 11, 59);
und seine Freiheiten wanderten in den Choliamb: Martial hat hier viele Anapäste im 1. Fusse
und viele Auflösungen, ebenso der Grieche Babrius; hatte ja auch Phaedrus wieder den freien
altlateinischen Senar zu Fabeln missbraucht. Vgl. den Nachtrag.
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Ad Gripum ut veniat. nön feritis ist um, ut postulätis. Cure. 526 Dum
melius sit mihi dis. Dahüntur. cras, peti iubeto; wozu noch die an-
gefochtenen Asin. 556 'Id vlrtute huius cotUegae meäque cöraitate facturast
und 720 Opto id quod ut {om. Boihe) contingat tibi vis. Quid si optaro.
Eveniet* gestellt sein mögen. In diesen Versen ist, was Terenz wahr-
scheinlich macht, Caesur nach der 5. Senkung beabsichtigt.^)
Bei Terenz, der etwa 380 jamb. Septenare hat, ist die regelmässige
Caesur viel öfter verlassen als bei Plautus. Dieser Fall ist gegeben, sobald
der 4. Jambus nicht dem Jambus im Zeilenschluss gleich ist, d. h. sobald die
4. Hebung mit der 5. Senkung ein Wort bildet, oder die 4. Senkung durch
1 Länge oder 2 Kürzen oder die 4. Hebung durch zwei Kürzen gebildet
wird. Dann, steht bei Terenz regelmässig Wortende nach der 5. Senkung.
Die sicheren Fälle der Art sind bei Terenz: Eun. 288 Facete dictum mira
vero militi quae pläceant, 604 fätue fateor. Hec. 834 aliae nolunt.
Ph. 270 dum aliud aliquid. Eun. 603 sint video esse, 60ß pol ego is
essem. Hec. 252 perpetuam esse, 254 aiit purgando. Heaut. 703 velle
uxorem hanc. Ph. 754 habet au obsecro ünam, 759 üt volebam, 777 tii
Geta abi prae, 794 ne te adulescens. Emi. 1009 stültiorem. (Ph. 828
cönveniundi. Hec. 832 compressam ab eo et.) Hec. 250 illarüm pote-
State esse. Ad. 708 sodalis esset. Eun. 1021 pendebis qui stultum adu-
lescentulum. Dieselbe Caesur ist wohl anzunehmen in Hec. 359 Pärmeno
obviam ätque, 833 gaüdia lUi; durch harte Elision ist sie verdunkelt in
Hec. 790 enint ubi quamobrem adveneris und Hec. 818 qui paene harum
1) Schon oben (S. 22) ist bemerkt, dass bei Elision die gewöhnlichen Gesetze nicht gelten.
In den dort citirten Fällen fiel die Senkung in Elision ; bei den jambischen Septenaren und Octo-
naren wird die Sache verwickelter, indem die 4. Hebimg in Elision fallen kann. Einfach ist
1) die Möglichkeit, wie pröxumo hfc | scel^te, da hier der glatte Caesurabschnitt doch gegeben
ist. Schwieriger sind die folgenden Fälle: 2) älteram ^r | go in närvum (etwa 17 Mal bei Plau-
tus), 3) lenönium in | ter hömines (11 Mal), 4) fn scapham fn | sulüiraus (7 Mal). Krauss hat in
den Versen der dritten Gattung Caesur nach der 5. Senkung, in denen der vierten Ausnahmen
angenommen; Mohr (S. 11 — 14) sucht beide Fälle zu schützen durch jenes Gesetz Ritschis (Proleg.
p. 274) ^elisione vocalis non impeditur caesura, sed, si illa non elideretur, nihil ad legitimae cae-
sorae elegantiam deesset'. Jedenfalls tritt in Fällen der 2. Art nicht der glatte Abschluss ein
und in den auffälligen Caesuren der 3. und 4. Art ist zu bemerken, dass die zweite Elisionssilbe
stets lang ist, als wenn sie dazu hergerichtet wäre, den Yersaccent zu tragen. Auffallend war
mir, wahrzunehmen, dass fast in allen Fällen, wo die regelmässige Caesur durch Elision der
4. Hebung getrübt ist, Wortende nach der 6. Senkung eintritt, wie in 2) dfcito ünde arg^ntum.
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ipsi üsque opera.') Ich habe diese Beispiele ausgeschrieben, damit deut-
lich werde, wie fast in allen Fällen die 472 Füsse vor der nach der
5. Senkung stattfindenden Caesur gegliedert sind durch eine andere Cae-
sur nach der 3. Senkung, wie z. B. im Eun. 1009 Nimiquäm pol homi-
nem | stultiorem | vidi nee videbo ah.^
Das ist klar, dass bei Plautus ausser der Caesur nach der 4. Heb-
ung keine andere anerkannt ist^ dass dagegen bei Terenz ausser jener
gewöhnlichen Caesur die Caesur nach der 5. Senkung anerkannt ist. Da
bei den Griechen neben jener Caesur nach der 4. Hebung nicht jene
nach der 5. Senkung allein zugelassen ist, so kann Terenz jene 2. Caesur
nicht von den Griechen entlehnt haben. Er hat sie vielmehr aus der
nahe verwandten Gattung der jambischen Octonare entlehnt
Der jambische Octonar kommt bei den Griechen so gut wie
nicht vor, so dass die Lateiner die Gesetze für seinen Bau selbst machen
mussten. Es zeigt sich denn auch hierin zwischen Plautus und Terenz ein
starker Unterschied. Plautus hat, selbst viele der zerstreuten mitgerech-
net, nur gegen 300, Terenz gut 800. Plautus baut ihn auf zwei ver-
schiedene Arten; entweder theilt er ihn in zwei völlig selbständige
Dimeter, deren erster im Schluss die Schranken und Freiheiten des
Zeilenschlusses hat, d. h. die 4. Senkung darf nur eine Kürze, die
3) custodia ^sset sdmper, 4) fn scapham fnsulüimus ; von den 17 Fällen der 2. Art ist einer aus-
genommen (Cure. 511 frfgidam ^sse ita vös putätis l^ges), von den 11 Fällen der 3. Art drei
(Asin. 469 te auf^r domum äbs | cede hinc mol^stus n^ sis, Rud. 349 periculo ör | bas aüxilique
opilmque, Epid. 361 adyeni^ns domi ^x | templo üt maritus fias), wo dann Caesur nach der 5. Senk-
ung anzunehmen ist. In den übrigen Fällen ist vielleicht Caesur zugleich nach der 4. und 6. Senk-
ung anzunehmen, die wir bei Terenz ziemlich häufig finden werden.
1) Da an einer Caesur nach der 5. Senkung von der Form, wie Eun. 1007 qufd tibi Tfs'?
quid, Hec. 249 facer^s magis m | rem et v^stram, kein Anstoss zu nehmen ist, so ist auch kein
Grund Eun. 261 qua^rere: [ibi] homo cot?pit, 286 Pärmeno? [^ho] num nam hie, 1012 er^dere [äa]
quae dixi ; Hec. 343 ipsust [eüm] bis fdcere' die hier eingeklammerten Wörtchen zu verdächtigen,
wie in der Regel geschieht.
2) Wenn die 4. Hebung in Elision fällt und nicht die Caesur nach der 5. Senkung anzu-
nehmen ist, so findet sich fast stets ein Wortende nach der 6. Senkung. So in den Fällen, wie
Andr. 695 mfhi sciam dsse inimfeos; den 6 Fällen, Andr. 686 Pdmphile öptum^ mihi. Eun. 275
Thdidi arbiträre, 601 vfrginem öbprimit ego, 610 näm domo ^xulö nunc. Heaut. 704 öppido fm-
peräs et, 753 a^dium. Antiphönin, steht nur der eine Phorm. 780 eod^m luto häesitäs, vorsüra
sölves gegenüber. Da Terenz die Caesur nach der 5. Senkung kannte, so ist es natürlich, in den
wenigen Fällen, wie Hec. H33 gaüdia £lli, jene Caesur anzunehmen.
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4. Hebung nur eine Silbe, aber kurz oder lang, sein und nach der 4. Heb-
ung kann Hiatus eintreten; oder er lässt Caesur nach der 5. Senkung
eintreten, das geschieht also in all den Fällen, wo die 4. Hebung und
5. Senkung in einem Worte stehen oder wo die 4. Senkung durch eine
Länge oder 2 Kürzen oder die 4. Hebung durch 2 Kürzen gebildet ist.^)
Diese beiden Caesuren sind nur in einem Verse nicht beachtet: Amph.
257 Velätis manibus orant ignoscamus peccatum suum.^) Octonare der
ersten Sorte hat Plautus etwa 180, der zweiten etwa 120; er bildet bald
reine Reihen der ersten Sorte, die man dann auch als Reihen von Dime-
tem behandeln kann, wie Amph. 153—157, 1053—1061, 1068—1075;
selten reine Reihen der zweiten Sorte, wie Amph. 1076 — 1085, Capt. 909
bis 921; meistens mischt er beide, wie Amph. 984 — 1005, wo 993. 994.
996. 997. 998 von der zweiten Sorte, 984. 992. 1004 der Elision halber
unsicher, die übrigen von der ersten Sorte sind, und Amph. 248 — 261,
wo nur 250 und 254 von der ersten Sorte sind.
Terenz dagegen hat unter den 800 jambischen Octonaren kaum 60
mit Caesur nach der 4. Hebung.^) Diese in zwei völlig gleiche Theile
zerfallenden Langzeilen scheinen ihm nicht gefallen zu haben. Dieselben
sind stets zerstreut unter die zahlreichen Zeilen der zweiten Sorte mit
Caesur nach der 5. Senkung.^) Terenz hat auch hier wieder mehr Aus-
nahmen als Plautus. So Andr. 261 Amor misericordia hüius nuptiärum
sollicitatio. Andr. 650 Quantasque hie suis consiliis mihi conflävit söUi-
1) Die regelmässige Caesur steht in ungewöhnlicher Elision in Amph. 183 Aliquem hömi-
nem adlegent, quf mihi | adveni^nti os occill^t probe, die Caesur nach der 5. Senkung fällt in diese
ungewöhnliche Caesur im Capt. 539 nisi rep^rio atröcem utid Bacch. 938 nön in büsto Achflli. In
Amph. 197 'quo modo flli dfcam t^nd Men. 996 pra^sto ero illi quöm veni^tis' liegt kein Grund
vor, Caesur nach der 4. Hebung und nicht vielmehr nach der 5. Senkung anzunehmen. Dagegen
ist Pseud. 170 sowohl die Lesart der Handschriften *I puere prae ne quisquam pertundat crumf-
nam cautio est*, als Bothe's Umstellung *I püere prae: crüminam nä quisquam pertundat cautiost
gegen, die Regel.
2) Vielleicht ist auch Men. 995 Quid statis? quid dubitdtis? idm sublimen raptum opörtuit
hierher zu rechnen, da die Verkürzung von tis mindestens ungewöhnlich ist; vgl. jedoch Mohr S. 8.
3) Harte Elision in der 4. Hebung scheint anzunehmen zu sein Andr. 181 Speräntis iam
amotö metü | interea öscitantis öpprimi.
4) Harte Elision in der 5. Senkung findet statt in And. 863 me mentitum occiditö. Heaut. 675
qufn quaer^ndo invdstigdri. Andr. 946 Ex ipsa miliäns audfvi. Omnis nos gaudere höc (Ihremes,
welcher Vers allerdings durch die Verwandlung in einen Vers der ersten Sorte (ex fpsa audfvi
miliens) sehr gewinnen würde. And. 504 tibi narrdre occ^pi. 677 ät iam expädiam exp^dies.
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72
citudines. Eun. 294 Ubi quaeram, ubi investigem, quim percönter, quam
insistam viam. Heaut. 202 Pateretur, nam quem ferret, si parintem non
ferret suum. 208 Verum ubi animus semel se cüpiditäte devinxit mala.
585 (jhremes, vin tu homini stülto mihi aüsctdtäre. Quid faciam. Jube
hunc. In diesen 6 Fällen tritt Wortende zugleich vor der 4. und 6. Heb-
ung ein, so dass eine wohlklingende Dreitheilung der Langzeile entsteht,
die besonders in Eun. 294 hervortritt^)
Die Caesur nach der 5. Senkung ist also im jambischen Octonar bei
Plautus fast ebenso häufig als die nach der 4. Hebung, bei Terenz ist
sie weitaus die häufigste. Es ist das natürlich. Denn durch jene Caesur
wird die Langzeile in zwei Theile von ähnHchem, nicht völlig gleichem
Umfange zerlegt und der trochäische Caesurschluss steht in gutem Gegen-
satz zum jambischen Zeilenschluss. Durch die Vorliebe für diese Caesur
nach der 5. Senkung wurde wohl Terenz oder ein älterer Dichter, den
er nachahmte, dazu verführt auch in dem jambischen Septenar, der ja
hinten nur eine Silbe weniger hat, neben der gewöhnlichen Caesur nach
der 4. Hebung auch diese zweite, nach der 5. Senkung, als regelmässige
zuzulassen ; mit Unrecht, da die beiden Stücke zu ungleich sind und der
trochäische Caesur- und Zeilenschluss nicht mehr im nöthigen Gegensatz
stehen. Daraus, dass bei Plautus unter den 1300 Septenaren nur etwa
6 jene Caesur nach der 5. Senkung haben, erhellt, dass für die älteste
lateinische Dichtung das Gesetz bestanden hat, der jambische Septenar
1) Hierher ist auch zu rechnen Phorm. 249 Mol^ndum usqne in pistrfno väpulandum hab^-
dae compendes. Dann möchte ich von den durch Elision verdunkelten Fällen hierher zählen
Andr. 488 Cumque huic est veritus öptumae ädtUescitUi f^cere iniuriam. Ph. 742 nomine äppel-
Idssis, 804 dictum est: höc tu errästi, Heaut. 189 fram et änimum amicae, 219 mfhi per äiium
ostendU, Eun. 368 cäpiet cum ea intirdum. Eun. 1036 inv^ntam civem. Audivi, Ph. 475 cess4vit
pro te eniti. Hec. 860 ecästor mörem antiquum atque ingenium. Ad. 308 p^r vim vUium ohtulerat
Ad. 539 nüsquam tu me: audistin. Hier scheint es natürlicher, die Doppelcaesur vor der 4. und
6. Hebung imd nicht Caesur nach der 4. Hebung oder nach der 5. Senkung mit hartei^ Eli-
sionen anzunehmen. Andr. 596 sind die Worte der Handschriften 'ego väro solus. Corrigere mihi
gnatum porro enitere' von Fleckeisen umgestellt zu gnAtum mihi com'gere. Die prosodische Härte
gnä^tüm mihi oder der falsche Daktylus fällt weg durch die ebenso leichte Umstellung 'ego v^ro
solus. mihi corrfgere gnatum porro enftere*. Auch Andr. 499 'Quid cr^das. quasi non tfbi re-
nuntiäta sint haec sfc fore' ist, da einige Handschriften *sint* vor *ren.* haben, wohl zu stellen:
quid cr^as? quasi non sint tibf renüntiata haec sfc fore. Falsche Bildung des 4. Fusses bleibt
in Andr. 949 poss^di nihil | mutdt (mütat | nihil ?) und Andr. 239 nönne prfus | commünicätura
(non SpengeL)
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73
soll nur nach der 4. Hebung, der jambische Octonar entweder nach der
4. Hebung oder ebenso gut nach der 5. Senkung getheilt sein. Für den
jambischen Septenar können nur die griechischen Lustspieldichter den
altlateinischen Vorbild gewesen sein; es bedarf kaum eines Hinweises,
in welch scharfem Gegensatze stehen die griechische Freiheit oder Gesetz-
losigkeit und die lateinische eng beschränkte und streng beobachtete
Gesetzmässigkeit, wie also auch diese strengen Gesetze nur von dem er-
sonnen sein können, welcher zuerst jambische Septenare und Octouare in
lateinischer Sprache dichtete.
Die betonten Wortschlfisse im jambischen Septenar und Octonar.^)
Wenn die Caesur in diesen beiden Zeilenarten nach der 4. Hebung
eintritt, so haben wir es mit zwei jambischen Kurzzeilen zu thun: 1) dem
jambischen Dimeter, aus welchem die beiden Hälften des Octonar imd
die erste Hälfte des Septenar bestehen, 2) dem unvollständigen Dimeter
(3y2 Jamben), welcher die zweite Hälfte des Septenar bildet. Dieser un-
vollständige Dimeter entspricht durchaus dem Anfange des Senars, welcher
erst nach der 4. Senkung Caesur hat. Für den 5. Fuss dieses jambi-
schen Septenars sind also reine und unreine, für den 6. nur reine Wort-
schlüsse gestattet. Die Bildung des 7. Fusses ist schon oben (S. 49)
besprochen: für den nicht häufigen Fall, dass im Ende der Zeile ein
einsilbiges Wort steht und die 7. Hebung Wortende bildet, darf dieser
Wortschluss nur rein jambisch sein. Im vollständigen Dimeter dürfen,
wie schon oben (S. 43) erörtert ist, im 1. Fusse reine und unreine, im
2. nur reine, im 3. unreine, aber nicht reine, im 4. Fusse nur reine
Wortschlüsse stehen. Sind also Dimeter, wie Laudem lucrüm ludüm
iocüm. Nam illäm minis olim decem. Nam si sciät noster senex fidem.
Ulis perlt quidquid datür. Neuter stupri causa capüt. Noster socer videö
venit, auch nicht besonders schön, so sind sie doch vollkommen regel-
mässig. So finden sich im Amphitruo, der für die jambischen Octonare
hübsche Beispiele bietet, ausser den zahlreichen unreinen Schlüssen im 1.
1) Vgl. Jos. Krauss (Rhein. Mus. 1853 S. 531—560) Ueber die jambischen Tetrameter bei
Terentius. Paul Mohr, De iambico apud Plautum septenario, Leipzig 1873. Eine genauere Unter-
suchung beider Zeilenarten wäre wünschenswerth.
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. I. Abth. 10
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u. 7. Fasse solche oft im 3. Fusse (z. B. 182. 190. 192. 195. 200. 201.
202. 206. 208. 209) und im 5. Fusse (156. 180. 212. 217). Ausnahmen
sind selten. So steht unreiner Wortschluss im 2. Fusse Bacch. 968
Eum ego ädeo uno mendacio. Dagegen beruht derselbe im 2. Fusse
Capt 519 Neque s.uxiliüm mi est neque adeo, im 6. Fusse Amph. 1061
nam ubi "pavturiens deos invocat, Epid. 329 quoi ^viHa6 sunt maxumae
nur auf Conjekturen. Reiner, jambischer Wortschluss im vorletzten Fusse
wird Amph. 1058 animo malest, aqudm velim durch die Handschriften
bezeugt, Bacch. 974 üliös habet und Epid. 335 gentium' st neque sind
nur Conjecturen.
In den etwa 60 Octonaren der ersten Sorte bei Terenz sind im
3. und 5. Fusse die unreinen Wortschlüsse nicht häufig; im 3. fand ich
sie Andr. 583. 610. 612. 614. Phorm. 719. Ad. 255, im 5. Andr. 586
und Phormio 721.
Findet die Caesur erst nach der fünften Senkung statt, so bleiben die
Verhältnisse des 1., 2., 6. und 7. Fusses des Septenars und des 1., 2.,
6., 7. und 8. Fusses des Octonars die nomlichen. Die regelwidrigen un-
reinen Wortschlüsse im 2. und 6. Fusse sind auch in den Septenaren
und Octonaren dieser Art selten. Durch die Handschriften beglaubigt
sind solche Ausnahmen im 6. Fusse bei Plautus Asin. 834 Q,gitemüs
convivium. Psoud. 158 prae/fctö provinciae. Capt. 915 cum cami camarium ;
dagegen ist Bacch. 950 mendicdns paene interit nur Conjectur. Bei
Terenz finden sich abgesehen von jenen Härten, wie Ph. 246 praeter
spem. Hec. 207 inter nos. Andr. 202 ipsäm rem, die Ausnahmen Ad. 174
innueräm. 279 Quamvis etiäm maneo. Hec. 574 Ipse Mpüit vi. 198 pro
deum atque hominüm fidem; nur Conjectur ist Ad. 262 Qui ignominids
sibi. Im 6. Fusse ist bei Terenz beglaubigt Eun. 570 mmmonuit me
Parmeno. Andr. 490 facto esset puerperae. 496 nüm veritüs? quid re-
tulit. Hec. 320 ikxorim Philuraenam; unsicher ist Heaut. 982 neque me
consiliö quicquam adiuvas und 226 ignäram artis meretriciae.
Dagegen werden in dieser zweiten Sorte der Septenare und Octonare
die Verhältnisse des 3., 4. und 5. Fusses wesentlich verändert Im 4.
und 5. Fusse tritt dann überhaupt kein betonter Wortschluss ein. Der
3. Fuss ist nicht mehr der vorletzte der Reihe; so fallt der Grund hin-
weg, welcher im Dimeter an dieser Stelle reinen, jambischen Wortschluss
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verbot Darum steht in den zahlreichen Octonaren dieser Sorte nicht
selten jambischer Wortschluss im 3. Fusse, so Capt. 521 und 522 Nee
s^cophantiis nee fucis. Neque deprecatiö perfidiis. Unreiner Wortschluss
im 3. Fusse dieser Septenare und Octonare ist nicht regelwidrig, wie in
Amph. 194 Regique Thebanö' Greoni. Rud. 318 Tortis mipeTciliis con-
tracta. Hec. 250 Nunc video in ülarüm potestate. Eun. 1035 Inventor
inceptör perfector. Eun. 379 Quo trudis? ^evculert^ iam tu me, allein
ziemlich selten, besonders bei Terenz. Der Grund dieser Erscheinung ist
mir noch nicht klar. Vielleicht liegt er in einer zweiten Caesur; die
lange Reihe ron 4^/2 Füssen findet sich nicht immer, aber sehr oft durch
eine zweite Caesur vor der 3. Hebung gegliedert.
Während Ritschi den Bau des jambischen Octonars für imregel-
mässig erklärte, erhellt aus diesen Darlegungen, dass der Bau des jam-
bischen Septenars und Octonars sich in gleicher Weise den Gesetzen der
altlateinischen Dipodien- und Caesurenbildung fügt.
Die Caesuren des trochäischen Septenars.
Im trochäischen Septenar, welchen Plautus sehr gern, Terenz minder
gern anwendet (Plautus hat 8700, Terenz etwa 1200), tritt die Eigenart
der Römer zunächst in den Caesuren klar hervor. Die griechischen
Tragiker theilen die Langzeile stets nach dem vierten Trochäus: cü ßad^v^io-
rury ävdaoa | ne^aidiov vTicirrdTf]. Dieselbe Theilung haben die griechi-
schen imd lateinischen Lustspieldichter, aber nicht immer, sondern nur
meistens. In den Fällen nun, wo nicht jene regelmässige Theilung ein-
tritt, zeigt sich bei den Griechen völlige Freiheit, bei den Lateinern
ein strenges Gesetz. Von den 155 trochäischen Septenaren in den Vögeln
des Aristophanes, welche ich zum Beispiel wähle, sind 120 nach dem
4. Trochäus getheilt, 35 nicht. In diesen 35 Zeilen finden sich nun alle
möglichen Verbindungen der Silben des 4. und 5. Fusses; nemlich 273
ßaßai xa \ log ye. 1115 wg v \ judiv og, 282 aU' ov \ rog fiiv. 1079
onivovq naj \ kel xaS^. 279 xaretkrj \ (pioc, rtg, 297 ixeivoa | / J'f. 361
7i()oo I (^ov Xaßwr, 294 oQag u | aov ^vveikextai. 1071 &riiue()(jc /Lid | Xiar^
inayayoQsvBrai, 374 X(fV^^ \ 1^^^ didd'S^biav. 367 ctJ ndv \ tü)v xdxioxa.
307 v(nv OL I i^oi xex^vcnoiv, 1076 aTioxrei | yrj rdXavroy, 291 17 X6 | yco-
oig, 306 xa\ r()e \ xovoi. 794 ri/g yv | vaixog. 372 (^€V(i r] | xovaiv,
10*
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76
799 €l&' %7in I aifxos. 785 ov(P ri \ diw, 1117 toig oq \ yim. 791 ig
^01 I fiariov, 355 (pi>yo} Sva \ rrjyog, 383 x^^^^ ^'^ \ 1«^'^- 1080 xiylag
(hi I xrvai. 1101 ßovko | fisoS^a. 1113 Tipi^o | ptSra^. 788 ^pi | arriaey.
798 Tii^rt I i'aia. 1086 afilAiy | (p&eyreg. 1108 xa;?iL€' | xpovai, 1114 /ceil-
;f6t; I 6a^€. 286 7i()üaexrik | Xovaiv. 1106* cTiiil«^' | xpovai, 299 nrjvikoif/
€ I xfirijt Jf. 1110 olx/a^ € I Qeipofxey. Alle denkbaren Combinationen
finden sich hier: die Hebung des 5. Trochäus bildet bald den Schluss
eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes, bald folgen ihr noch eine, seltener
natürlich, weil dann mindestens viersilbige Wörter nöthig sind, zwei oder
mehr zu demselben Worte gehörige Silben J)
Welche Caesur die altlateinischen Dichter im trochäischen Septenar
beobachtet haben, darüber handelt am ausführlichsten Ritschi (Proleg. 274):
1) legitima caesura post quartum trochaeum^ 2) vicaria post quartam arsim,
cui pleriunque accedit post quintam thesim caesura podica 'üt rem patriam
et glöriam maiorum foedarim meum\ 3) post quintam arsim, adventiciam
plerumque habens podicam caesuram post tertiam arsim. Diese 3. Art,
zu deren Annahme Ritschi durch den Vers Trin. 604 'Quoi homini de-
spöndit. Lysiteli Philtonis filio' verführt wurde, beruht nur auf einem
Irrthum Ritschis, den er selbst schon anzudeuten scheint in der Note
zum Trin. 661 (2. Ausg.) 'non satis recte de hoc genere universo statui
Proleg. 149. 247.' 275\
Die zweite der oben genannten Caesuren, die nach der 4. Hebung,
ist wohl angenommen worden, indem man Reisigs Irrthum bei den La-
teinern nachahmte. Diese Caesur wird von den Metrikern allgemein
anerkannt: allein auch diese Caesur existirt nicht. Eine Caesur besteht
doch nicht blos darin, dass an der betreflFenden Stelle ein Wort aufhört,
sondern sie erfordert auch eine bestimmte Bildung der vorangehenden
Silben. Die Gesetze für diese Bildimg der Caesur sind nicht die nem-
lichen, aber ähnliche, wie für die Bildung des Zeilenschlusses. Bei
1) Ich habe die Stellen ausgeschi-ieben, da man auch hier wiederum bei den griechischen
Komikern Gesetzmässigkeit finden wollte. Reisig (Coniect. in Aristophanem 1816 p. 127) und
Andere nach ihm wollten neben der regelmässigen Caesur nach der 4. Senkung noch die Caesur
nach der 4. Hebung als regelmässige nachweisen; allein die Fülle der übrigen Ausnahmen (die
natürlich in vielsilbige Wörter fallen) beweist, dass, wenn einmal die gewöhnliche Caesur nach
der 4. Senkung aufgegeben war, überhaupt keine Regel mehr galt.
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trochäischer Caesur ist gestattet, dass die letzte Senkung eine Länge sei,
dass die vorangehende Hebung aufgelöst werde, auch dass verschieden-
artige Elision vor oder nach der Senkung vorkomme; gemieden ist,
wie oben (S. 50) bemerkt, der Fall, dass die Senkung ein einzelnes ein-
silbiges Wort und die vorangehende Hebung Schlusssilbe eines längeren
Wortes sei; verboten aber ist, dass die Senkung durch zwei Kürzen ge-
bildet werde. Strenger ist die jambische Caesur gebaut. In den jambi-
schen Septenaren und Octonaren darf die 4. Hebung durch ein einzelnes
einsilbiges Wort, auch mit vorangehender oder folgender Elision gebildet
werden, sie darf sogar, wie der Zeilenschluss, durch eine kurze Silbe
mit folgendem Hiatus ausgedrückt werden. Allein weder darf die
4. Senkung durch zwei Kürzen oder eine Länge, noch darf die 4. Hebung
durch zwei Kürzen gebildet werden.^)
Unten habe ich die sämmtlichen Verse zusammengestellt, in welchen
die 4. Senkung und 5. Hebung sicher ein Wort bildet, also nicht die
regelmässige Caesur nach der 4. Senkung stattfindet. Von diesen haben
allerdings weitaus die meisten nach der 4. Hebung Wortende (aus einem
nachher darzulegenden Grunde), also scheinbar die oft angenommene
Caesur. Wenn nun die 4. Hebung Wortende bildet, so muss dieses nach
dem Dipodiengesetze jambisch sein, z. B. Trin. 364 Eö non multa quäe
nevolt eveniunt, nisi fictor malust. Wenn dagegen die 4. Hebung durch
ein selbständiges Wort gebildet wird, dann ist sehr oft die 3. Senkung
durch eine Länge gefüllt oder die 4. Hebung aufgelöst, z.B. Trin. 1148
conmentust. Quin conlaüdo. Trin. 853 condüxit, übi conduxit. Aul. 644
fiet nisi fatere: im ersteren Fall kann also von einer jambischen, im
letzteren kann überhaupt von irgend einer Caesur nach der 4. Hebung
nicht die Rede sein. Da aber die Zahl solcher Verse sehr gross ist, so
ergibt sich, dass in den trochäischen Septenaren eine regelmässige Neben-
cäsur nach der 4. Hebung sich nicht nachweisen lässt.
Damit ein sicheres ürtheil möglich wird, stelle ich hier die sichern
Fälle zusammen, in welchen bei Plautus und Terenz die 4. Senkung mit
1) Auch vor der jambischen Caesur der kretischen und bacchischen Tetrameter (vgl. spätrr)
darf weder die Hebung aufgelöst noch die Senkung durch eine Länge oder zwei Kürzen geftillt
werden.
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der 5. Hebung ein Wort bildet und der 4. Senkung nicht Elision voran-
geht, also die sämmtlichen Fälle, in denen die regelmässige Caesur nach
der 4. Senkung sicher nicht eingehalten ist. Dieselben sind bei Plautus:
Amph. 267 moresque hüius habere. 286 veni huc invenies. 297
est: nunc propterea. 338 eri perierunt. 616 rairä. sed vidistin. 655
anio: praesertim. 860 Naucrate id cognato (cognato id codd). 962 iam
vos redistis. 971 potest paräta. (513 lectus übi cubuisti?) Dann 356
horunc servüs suin (sum servus die Ausgaben); femer 269 suo sibi
malitia a. 605 nescioquid est mali mala öbiectum. 707 salutare. In-
vitabis. 973 diligentem ut. 1117 nimis formidolosum. Asin. 145
fame mansuetem. 233 perii: est relicuom. 255 vetus versütum. 372
imitabor Sauream caveto (Sauream imitabor cav. codd) 378 scio patiere.
Aulul. 589 sententia servire. 644 fiet, nisi fatere. 180 magister
quem dividere argentum. Bacch. 461 mterest aetatis. Capt. 306
insueram nunc alterius. 326 lucrum lutulentos. 962 nam m rubörem.
1032 suppositio nee argenti. 343 iusserls mandata ita üt 804 dorn!
prohibete a. 316 filium tuum, tarn pater me. 580 ipse neque praeter
se umquam ei. (1007 Attat sciö, cur te patrem ädsimules esse et me
filium, esse ädsimules Bentley). Gas. 295 sortiendo sörs. Cure.
342 novisse. Quid? lenonem. (554 aegrota, si lubet, per me aetatem).
604 soleo: nam propter eas. (537 non edepol nunc ego te mediocri
macto infortünio codd,^ n. ed. ego nunc med. macto te inf. edd.) Epid.
69 iussit. eo venturust. 239 exaudibam nee sermonis. 618 Quippe ego
quoi libertas. (626?) 673 lUe quidem Volcani iratist filius. (546?).
Menaechmi 641 potes celäre. 825 Menaechme, sätis iocatus. (827?)
1086 igitur hüc concede. Merc. 216 dicebam, mihi credebat. 923
patri vehementer. 619 carnufex quandoquidem occepisti. Miles
208 incoctum nön expromet. 604 resciverint inimici. (783 facetiarum
<^cör^ corpusque). 986 illiust, quae hinc egreditur. (193 confirmita-
teni). 223 Interclude inimicis commeätum, tibi muni viam codd.. (int.
commeatum inimicis Bitschi). 966 Nüpta et vidua esse eadem. Quia
adulescens nuptast cum sene. Most. 306 gaudeänt perpetuo. 310
sodalis, qui hüc incedit. 376 exsurge: pater advenit. 830 quidem ut
conivent. 831 quidque mägis contemplor. 984 Herculi conterere.
812 inridere ne videare et gestire. Persa 656 libera eris actutum.
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Poen. 856 male mihi est. Memoradmn. 888 Giddenemem nutricem
eärum (cod. A). 496 araanti, qui quicqmd agit properat. 545
respondere. Rud. 423 lUud quidem subaquilmn. 646 audeat violare^
1049 sistara: ne timete. 574 da mihi vestimenti aliquid. 660 pedi-
bus hüc itidem quasi occisäm. 1119 dicere, eam senex, te. 1103 si
parum intellexti. Stichus 568 m pyelum: ibi fovebo. 759 proinde
ut consuetus. Trin. 364 nevolt eveniunt. 370 prohibeas accipere. 656
gloriäm maiorum. 853 conduxit, übi conduxit. 1147 Megaronides con-
munis. 1148 conmentust. Quin conlaudo. (675 facis incendio mcen-
des). 845 Seleuciä Macedonia Asia. 646 honorem: tu fecisti ut. 338
malitiäst tolerare ei egestatem. 1049 quippe eorum ex ingenio ingenium.
1145 posset intellegere.
Hiezu kommen bei Plautus die scherzhaften Verse Capt. 285 Quid
erat ei nomen. Thensaürochrysonicochrysides und 633 Füitne huic pater
Thensaürochrysonicochrysides. Dazu Amph. 344 Ain vero. Aio enim
vero. Verberö. Mentiris nunciam (iam fehlt in den codd.). Trin. 604
Quoi homini despöndit Lysiteli Philtonis filio.
Bei Terenz findet in folgenden Versen sicher die Caesur nicht nach
der 4. Senkung statt:
Andr. 358 vidisse mihi molestum. 364 neminem matronam. 377
iniuriüs videatur. 896 fateor si id peccarest. 907 msolens. Evenit^
326 nunc te per amicitiam et. Eun. 1061 salvete tu fortasse. 1068
aüdiamus. Tu concede. 704 virginem vitiatam esse. Age. 762
prospicere quam hünc ulcisci accepta. Heaut. 599 meretrix. Ita
videtur. 883 Chremes cessare. Ehem (Em?), Menedeme. 961 feci,
tibi prospexi et. 963 habere neque consulere in. 1041 fallaciäs adducere
ante. Phormio 199 Huius patrem vidisse. 535 quod hie si pote
fuisset. 551 asportabitiir terrarum. 863 pallio: resupmat. 1037 prius
i. 3 5 t
quam huic respöndes. 1045 videro: eins iudicio. 881 missus sum te
üt requirerem atque. 1038 trigmta per fallaciam ab illoc. 559 red-
dam. 0 lepidum. Auf er te hinc. 1042 quo ore illum obiurgabis.
Hecyra 220 mirum, et ni id fecisset. 370 illis fors optulerat. 379
miseritümst. profecto hoc. 234 detrimenti. Adelph. 627 credant:
tot concurrunt. 972 Credo : utinam hoc perpetuom. 591 sorbiläns pau-
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latim huna 633 ubi pultare hasce occipio. 967 psaltria häc emunda
hie. 983 optume. 0 pater mi.
Dazu kommen: Phorm. 327 Quöd me censes hömines iam dever-
berasse usque ad necem und Ad. 700 Quid? iam uxorem. Jam. Jam?
Jäm quantum potest (potes codd,), Di me pater.
Diese Zusammenstellung spricht selbst: in 87 Versen des Plautus
und 33 Versen des Terenz findet sich keine Caesur nach der 4., aber
eine feste Caesur nach der fünften Senkung. Diese Caesur ist regelmässig
gebildet, indem die Senkung niemals durch 2 Kürzen und nur sehr
selten durch betonten Wortschluss mit einem einsilbigen Wort gebildet
ist (pater mi, senex te etc. Amph. 605. Capt. 316. Cure. 554? 537?
Rud. 1119. Adelph. 983; servus sum Amph. 356. aufer te hinc Phorm.
559. praeter se Capt. 580. Capt. 1007? itidem quasi öcc. Rud. 660;
propter eas Cure. 604. quidquid agit Poen. 496); am Ende des fünften
Fusses findet ziemlich oft Elision statt, allein selten harte (Epid. 673
Voleani irätist füius; Aul. 180. Merc. 619; Poen. 888; Irin. 338? 1049.
Eun. 762). Ohne Caesur nach der 4. oder 5. Senkimg wären also bei
Plautus 4, bei Terenz 2 Verse. Von den 4 Versen des Plautus sind
Capt. 285 imd 633 durch das scherzhaft gebildete überlange Wort völlig,
Trin. 604 durch die beiden Eigennamen einigermassen entschuldigt. Die
eine, nicht zu entschuldigende Ausnahme Amph. 344 ist unsicher; wenn die
Ergänzimg des Schlusses richtig ist, dann lässt sich vielleicht durch
Einschiebung von o helfen: Verbero. (oy mentiris nunc <^iam^.^) Diebei-
den Ausnahmen bei Terenz scheinen unanfechtbar.
In weitaus den meisten der oben gesammelten Stellen tritt nach
der 4. Hebung Wortende ein, dem ein drei- oder mehrsilbiges Wort
folgt, wie habere, invenies, perierunt. Das ist natürlich, denn wenn auch
noch die 4. Hebimg oder gar die 3. Senkung in das eine Wort fallen
sollten, mussten sehr lange Wörter stehen. Diese sind aber selten, darum
auch jene Fälle: Amph. 707 mritabis; ähnlich 973; Cas. 295. Poen. 545.
Rud. 1103. Trin. 1145. Amph. 1117 formidolosum. Phorm. 1042
obiurgäbis. Hec. 234 detrimenti.
1) Trin. 329 *D^ meo, nam quod tuümst meiimst; omn^ meum aut^m tuumst' ist schon
durch die Elision in 'meum est' entschuldigt.
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81
Für Plautus und Terenz ergibt sich also aus den obigen Versen
die Regel: der trochäische Septenar hat in der Regel Caesur nach der
vierten Senkung; wird diese Caesur nicht eingehalten, was aber sehr
viel seltener geschieht als bei den griechischen Komikern, so tritt nicht
wie bei jenen völlige Freiheit oder Willkür ein, sondern dann ist bei
den altlateinischen Dichtern nur eine andere Caesur, nach der fünften
Senkung, gesetzmässig.
Die Elision in der Caesur bedarf auch hier besonderer Be-
handlung. Wie in den Senaren, so sind auch in den trochäischen Sep-
tenaren Caesurschlüsse, wie fortunam hanc oder fortunae imperät, nicht
selten. Dagegen die genauere Untersuchung der Schlüsse, wie expectatum
amicae, in denen nur durch Annahme der harten Elision (vgl. S. 23 u. 61)
die regelmässige Caesur gewahrt würde, ergibt auffallende Resultate.^) Ich
notirte in Plautus etwa 204, in Terenz 61 trochäische Septenare, deren
4. Senkung durch einen Schlussvokal und einen anlautenden Vokal ge-
bildet wird. Bei Plautus bildet dann in 13 Fällen die 5. Senkung und 6.
Hebung ein Wort, wie in Aul. 642 intemperiae insäniäeque (Amph. [319].
Capt. 491. eist. I, 1, 88. Cure. 556. Epid. 551. Mil. 440. [1208]. 1359.
Pseud. 1312. Stich. 76. Irin. 367) und in dem sehr harten Verse Cist. II,
1, 41 iamdudum omnem meäm sententiam; bei Terenz in 7 Fällen
(Ht. 955. Hec. 401. 407. 763. Ad. 684. 705 und Eun. 1092 quin me om-
nes amarent.^) In diesen Fällen muss die regelmässige Caesur nach der
4. Senkung mit harter Elision angenommen werden. In etwa 1 8 Versen
des Plautus und 5 des Terenz (auch Andr. 820) hat man die Wahl harte
Elision nach der 4. oder nach der 5. Senkung anzunehmen, wie z. B.
Aul. 588 molestiaeque imperium erile; Mil. 1360 Jäm non posssum:
amisi omnem lubidinem; in diesen Fällen wird man eher die gewöhnliche
als die ungewöhnliche Caesur mit harter Elision annehmen. In den
übrigen 173 Versen des Plautus und 49 des Terenz tritt nach der
1) Ritschi Proleg. p.274 bemerkt hierüber *Non in numemm (septenariorum caesuram post
quartam arsim habentium) ea exempla veniunt, cum in quarta thesi desinens vocabulum elisione
ultimam syllabam amittit, quae si non elideretur, nihil ad legitimae caesurae elegantiam deesset.
Er nimmt also stets Caesur nach der 4. Senkung an.
2) Trin. 982 Charmid^m dedisse aurüm tibi. Scriptum quidem scheint einfacher mit Hiatus
vor 'aurum* erklärt werden zu können: dedfsse | aürum tibi.
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss, XVII. Bd. I. Abth. 1 1
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82
5. Senkung entweder glattes "Wortende oder eine der gewöhnlichen Eli-
sionen ein, und zwar steht glattes Wortende in 125 Versen des Plautus
und 32 des Terenz z. B. futurum accmgar, servitutem imperiis, didici.
Indoctus. Dazu gehören die 5 Verse des Plautus Amph. 326 iumentum
ön6randus, As. 893. Capt. 827. Merc. 978. Stich. 550. In folgenden zwölf
Versen des Plautus und Terenz, deren 5. Senkung durch ein einsilbiges
Wort nach betontem Wortschluss gebildet ist, 'Amph. 303 factum heri
quod. As. 900 cupio. Amat homo hie. Rud. 752 ergo uter sit. Truc.
300 perire apud nos (cod. A). Adelph. 681 promerentem ames dum.
Mil. 1334 capita inter se; 1433 amplexari inter se. Stich. 727 amare
inter se. Trin. 699 adfinitatem inter nos. Amph. 447 certe idera sum.
(Cist. II, 2, 31 düxero mihi umquam quam?). Phorm. 559 lepidum.
Aufer te hinc,^ kann man schwanken, ob man Caesur nach der 4. Senk-
ung mit harter Elision oder Caesur nach der 5. Senkung mit harter
Bildung des Caesurschlusses annehmen soll. In den übrigen 37 Versen
des Plautus und 16 des Terenz fallt die 5. Senkung in Elision und zwar
in 28 bei Plautus und 7 bei Terenz nach Art von redibo actutum id
und in 9 Fällen bei Plautus imd 9 bei Terenz nach Art von lavi. Ac-
cubuisti. Eüge.
Von den 204 Versen des Plautus und Terenz haben also 13 und 7
entschieden Caesur nach der 4. Senkung mit harter Elision, 29 und 6
entweder nach der 4. oder 5. Senkung entweder mit harter Elision oder
harter Bildung des Caesurschlusses, die übrigen 162 und 48 haben ent-
weder Caesur nach der 4. Senkung mit harter Elision oder die regelmässig
gebildete Caesur nach der 5. Senkung. Wenn man nun bedenkt, wie oft
sonst die 5. Senkung durch ein zweisilbiges Wort gebildet ist und wie
viel öfter die 5. Senkung und 6. Hebung in einem Worte stehen z. B,
in den wenigen Zeilen Amph. 275 — 280 5 Mal: 275 neque vergiliae,
277 gere patri, 278 das datam, 279 me vidisse, 280 quam pependi, so
wird man zugeben, dass diese merkwürdige üeberzahl der Verse, in
welchen nach der 5. Senkung Caesur eintritt, einen Grund haben muss.
Derselbe kann nur sein, dass die altlateinischen Dichter die harte Elision
sehr mieden und dass in jenen 162 Versen des Plautus und 48 des
Terenz nicht die mit harter Elision verbundene Caesur nach der vierten
Senkung, sondern einzig und allein die regelrechte Caesur nach der
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83
5. Senkung anzunehmen ist. Das Ergebniss dieser Untersuchung ist dem-
nachy dass die altlateinischen Dichter auch in dem trochäischen Septenar
die harte Elision nur selten angewendet haben. ^)
Bildung der Caesar Im troehäischen Septenar.
lieber die Bildung der trochäischen Caesur nach der 5. Senkung
ist schon im vorigen Abschnitte bemerkt, dass dieselbe nur selten durch
ein einzelnes einsilbiges Wort mit vorhergehendem betonten Wortschluss
gebildet wird. Auch bei der gewöhnlichen Caesur nach der 4. Senkung
ist fast nur der Fall zu untersuchen, dass die 4. Hebung betonten Wort-
schluss bildet (hier des Dipodiengesetzes halber rein jambischen) und die
4. Senkung durch ein einzelnes Wort gebildet wird. Dieses einzelne
Wort besteht nur selten aus zwei Kürzen: in den ungeföhr 1400 Versen
des Stichus, Mercator und Trinummus zählte ich (die Verse mit mihi
und neque nicht gerechnet) etwa 19 Fälle. In 13 tritt nach der
5. Senkung Caesur ein: Stich. 547 filiam bene quicum, 612 foras. Apud
frätrem; Merc. 202 est tibi credere id, 456 rogo. Prius tu emis quam,
917 est. Cur. Quia non est, Trin. (316 aegritudinem, pater, parerem),
366 expetit: sed hie ädmodum ädol., 715 es bene quo agis. Stich. 74
novi ego nostros. 93 sedete: ego sedero in. 337 teuere. Ita c61eri. Merc.
984 aetatem aliam aliud; Trin. 1061 inperes. Pol ego emi atque. In
diesen Versen ist die Caesur nach der 5. Senkung gewollt. Schwierig
sind die Fälle, in denen die 4. Senkung durch ein Wort von zwei Kürzen
gebildet ist, aber die Caesur nach der 5. Senkung nicht sich findet. In
jenen 1400 trochäischen Septenaren fand ich folgende: Merc. 368 istuc
quid est tibi quod commütatüst color, 999 eventurum üt tibi gratiam;
Trin. 630 facis. Quid id est. Amico, 888 alterum quasi vesculum; dann
Stich. 89 advorsum homini öccupemus, 760 cantionem aliquam occipitö.
In den ersten vier Fällen bleibt nur die Annahme übrig, dass die Caesur
nach den zwei Kürzen der 4. Senkung falle (vgl. S. 63 Note).
Viel häufiger ist die 4. Senkung durch ein einzelnes einsübif/es Wort
1) Von den 50 trochäischen Septenaren des Publilius sind 5 unsicher (A 33. F 80. N 16.
0 13. 15.), 37 haben Caesur nach der 4., 8 nach der 5. Senkung (in torm^nto H 9; vgl. Q 53.
S 23. H 10. M 52. V 34; cönvenfre D 23 und das unsichere cüstodfre M 18).
11»
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84 .
gebildet. Dann tritt in der bedeutenden Mehrzahl der Fälle die richtig
gebildete Caesur nach der 5. Senkung ein, so Trin. 321 poenitet quam
pröbus Sit, 956 Calliclem quoi rem aibat (vgl. 322. 700, 708. 861. 913.
929. 1039. 1057. 1062. 1083. 1141. 1143. 1162). Caesur nach der
5. Senkung ist nicht möglich in Trin. 333 quid igitur. Per cömitatem
(vgl. 661 simul me pigöt parum. 703 proterritum te meäque avar.),
unwahrscheinlich in 1017 non pudet te? tribusne te poteriis oder 1064
obnöxius sum: sin secus est. Unter den 1000 trochäischen Septenaren
des Araphitruo und der Asinaria finden sich etwas mehr Verse, in denen
vor der Caesur ein einzelnes einsilbiges Wort steht: Amph. 294 denuo
volt palliüm, 308 expedit se nön feret, 366 male tuo cönpositis, 393
licet mihi libere, 630 diligens ut qui imperes, 765 obsecro te. Nimis
demiror; (vgl. 592. 751.) Asin. 232 abis quod volo loqui, 241 simillumae
sunt iänuae; (vgl. 529? 208).
Das Resultat dieser Untersuchungen ist also: die trochäischen Sep-
tenare haben die gesetzmässige Caesur entweder nach der 4. oder nach
der 5. Caesur, die erstere gewöhnlich, die letztere selten. Von den fast
10000 trochäischen Septenaren des Plautus und Terenz haben nur etwa
vier keine dieser beiden Caesuren. Diese trochäische Caesur ist nur selten
durch betonten Wortschluss mit folgendem einsilbigen Worte gebildet.
Da die griechischen Tragiker stets Caesur nach der 4. Senkung, dagegen
die griechischen Komiker etwa in jedem 5. Verse gar keine Caesur be-
obachten, so kann jene strenge Regel der altlateinischen Dichter nur auf
den Mann zurückgeführt werden, welcher zuerst die trochäischen Sep-
tenare der Griechen in lateinischer Sprache nachahmte.
Betonte Wortschlfisse im trochäischen Septenar.
Die Zulassung von jambischen oder spondeischen und anapästischen
Wörtern und Wortschlüssen mit dem Versaccent auf der Endsilbe ist
bestimmt durch die Gesetze über die Dipodien, über den Ort und die
Art der Caesur und die Bildung des jambischen Zeilenschlusses. Die
hier zu behandelnden Thatsachen sind zum grössten Theil zusammen-
gestellt in der Dissertation Heinr. Köhlers (de verborum accentus cum
numerorum rationibus in trochaicis septenariis Plautinis consociatione,
Halle 1877, 84 pag. Vgl. A. Lorenz in Bursians Jahresbericht XIV, 1878,
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85
S. 13 — 19), ich sage 'zum grössten Theile', weil Köhler die Wortschlüsse,
in denen der Wortaccent ihm mit dem Versaccent zusammenzufallen
schien, also die jambischen, nicht notirt hat; er gibt also z. B. an: wann
der Uebergang vom 3. zum 4. Fusse durch Wörter wie placet me ge-
bildet wird, aber nicht wann durch Schlüsse wie poenitet quam, pärietem
sunt. Die (von ihm vollständig verzeichneten) spondeischen Wörter und
Wortschlüsse einerseits und die anapästischen anderseits, die bei Köhler
geschieden sind, habe ich addirt, da sie für meine Untersuchungen den
gleichen Werth haben.
Jambische Wörter finden sich bei Plautus im üebergange vom
1. zum 2. Trochäus 770, 2/3 350, 3/4 162, 4/5 18, 5/6 516, 6/7 15;
spondeische Wörter und Wortschlüsse im 1/2 Trochäus 390,
2/a 513, 3/4 22, 4/5 9, 5/6 93, 6/7 2148; anapästische Wörter
und Wortschlüsse im 1/2 Trochäus 432, 2/3 260, 3/4 18, 4/5 2,
5/6 87, 6/7 720.
Das altlateinische Dipodiengesetz verlangt, dass im Uebergang vom
1. zum 2. Fusse der Dipodie nur reiner jambischer Wortschluss stehe,
also soll die 2., 4. und 6. Hebung nur die Schlusssilbe von jambischen,
nicht spondeischen oder anapästischen Wörtern und Wortschlüssen bilden.
Dass dieses Gesetz im Üebergange vom 1. zum 2. Trochäus prinzipiell
nicht beachtet wird, ist schon oben (S. 43) nachgewiesen und mit der
Freiheit, welche der erste Fuss in allen Zeilenarten geniesst, ausreichend
entschuldigt. Dagegen sind im Üebergange vom 3. zum 4. und vom 5.
zum 6. Trochäus von Plautus und Terentius die unreinen spondeischen
und anapästischen Wortschlüsse prinzipiell vermieden. Der Grund für
die hie und da vorkommenden Ausnahmen ist oben (S. 44) nachgewiesen.
Da in weitaus den meisten Fällen nach der 4. Senkung Caesur einge-
halten ist, es aber gemieden wird, in die Caesur ein einzelnes einsilbiges
Wort und vor ihr betonten Wortschluss zu setzen, die 4. Hebung also
überhaupt sehr viel seltener betonten Wortschluss bildet, als die 6., so
sind auch die Ausnahmen im Uebergang vom 3. zum 4. Trochäus viel
seltener ^) als im Üebergange vom 5. zum 6. Im Üebergange vom 5.
1) Köhler S. 20 — 22, 25, 23 u. 24. Die Zahl der anapästischen Wortschlüsse ist noch ge-
ringer als Köhler sie angibt; denn in allen Fällen, wie 4d alias res, findet, wie in pärietem sunt,
nur jambischer, nicht anapästischer Wortschluss statt.
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86
zum 6. Trochäus sind, wie im 4. Fusse des jambischen Senars, unreine
Wortschlüsse meistens nur dann zugelassen, wenn nach denselben ein
vier- oder mehrsilbiges Wort den Zeilenschluss bildet, z. B. Trin. 648
\irtuti praepöneres, 1128 consului fideliter. Wenn die 4. Senkung und
5. Hebung ein Wort bilden, so bildet bei den Griechen die 5. Hebung
sehr oft jambischen, spondeischen oder anapästischen Wortschluss. Da
bei den Lateinern dann stets Caesur nach der 5. Senkung eintritt, so
würde durch Wortschluss in der 5. Hebung regelwidrige Bildung der
trochäischen Caesur eintreten; desshalb bildet die 5. Hebung äusserst
selten jambischen, spondeischen oder anapästischen Wortschluss (Köhler
S. 62, 67 und 69).
Da der jambische Zeilenschluss nur äusserst selten durch ein ein-
silbiges Wort gebildet wird, so muss, wenn die vorletzte Hebung Wort-
schluss bildet, den letzten Fuss ein jambisches Wort einnehmen. Da
aber am Schlüsse zwei gleiche Wortschlüsse zu monoton klingen, so darf
die 7. Hebung nur unreinen, nicht reinen Wortschluss bilden (S. 40).
Demnach haben Plautus und Terenz die unreinen, spondeischen und
anapästischen, Wortschlüsse gemieden im Uebergange vom 3/4, 4/5, 5/6
Fusse, unbedenklich zugelassen im Uebergange von 1/2, 2/3, 6/7 Fusse, die
reinen jambischen gemieden im Uebergange vom 4/5 und 6/7 Fusse, un-
bedenklich zugelassen im Uebergange vom 12, 2/3, 3/4 und 5/6 Fusse. ^)
Ueber einige lyrische Zeilenarten des Plaatas.
Ich habe bis hierher nur die Gesetze der gewöhnlichen 4 Dialog-
verse untersucht, da nur in ihnen eine besondere Festhaltung des Wort-
accentes behauptet worden war. Es ist aber natürlich, dass der Dichter
die Mittel, durch welche er dem einen Theil seiner Verse den nöthigen
Wohlklang zu verleihen strebt, in dem anderen Theile nicht aufgibt.
Ein flüchtiger Blick auf die gebräuchlicheren unter den übrigen Zeilen-
arten wird zeigen, dass Plautus hier kein anderer ist als in den Dialog-
1) In den 50 trochäischen Senaren des Publilius sind die jambischen und besonders vor
jambischem Zeilenschluss die spondeischen und anapästischen Wortschlüsse häufig, wie in I 24
In mdlis sperare b^ne nisi innocins nemo solet: dagegen findet sich ausser im Zeilenschluss nur
äin unreiner Wortschluss: H 6 H^bet in adversis auxilia quin in secundis cömmodat.
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87
versen. Einen guten Schritt zur reineren Krkenntniss in diesen sehr
schwierigen Dingen scheint mir Andreas Spengel in seinen Reform-
vorschlägen zur Metrik der lyrischen Versarten bei Plautua (Berlin 1882)
gethan zu haben. Ich achte besonders auf die Einhaltung bestimmter
Caesuren, die Bildung der Caesur- und der Zeilenschliisse* die Gliederung
in Dipodien und die Verwendung der betonten WortschlüSBe.
Trochäische Octonare.
Es ist natürlich, dass die hier vorkommenden Trochäen sich den
Gesetzen der trochäischen Septenare fügen. Die von Spengel S. 135 — 153
zusammengestellten, durch häufigere einsilbige kurze Senkungen ge-
sicherten trochäischen Octonare beobachten jene Gesetze. Sie
haben fast alle Caesur nach dem 4. Trochäus; der trochäische Zeilen-
schluss wird selten — seltener als in den janibiscben Septenaren — durch
ein einzelnes einsilbiges Wort (dem dann rein jambischer Wortschluss
vorangeht) oder durch zwei einsilbige Wörter gebildet Ist die 4. Senk-
ung durch ein einsilbiges Wort gebildet, so findet meistens nach der
5. Senkung die regelmässig gebildete Caesur statt. Im Uebergange vom
1. zum 2. Trochäus ist unreiner, spondeischer oder anapästischer Wort-
schluss häufig, wie im trochäischen Septenar; im Uebergang vom 3. zum
4. Trochäus findet er sich bei Plautus und Terenz nicht; ebenso im
Uebergang vom 5. zum 6. Trochäus nur bei Terenz Hec. 289 factae
essent; bei Plautus findet er sich Capt. 929 ad portum; Gas. V^ 1, 5
novom nuptum; Epid. 77 te cupio; (Men. 594 quam lUum uUuui); Vers,
202 hoc puero; Stich. 276 laetitia. An dieser Stellej im Anfange der
3. Dipodie, sind ja auch im trochäischen Septenar manchmal Ausnahmen
zu finden. Von der Betonung zweier Kürzen im Wortschluss, wie Cor-
pora, lässt Spengel (S. 154) 5 Fälle bei Plautus zu. Bei Terenz finden
sich keine Beispiele und bei Plautus scheint mir theils der trochäische
Charakter der betreffenden Verse, theils die betreffenden Stellen zu un-
sicher, als dass diese Betonung von zwei sc hli essenden Kürzen, die in
den jambischen und trochäischen Zeilen nur selten im L Fusse gestattet
ist, gerade in den troch. Octonaren des Plautus zugelassen werden sollte.
Nun gibt es bei Plautus viele einzelne Verse und einige Reihen von
Versen, die keine durch eine einzelne Kürze gebildete Senkung haben.
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88
sondern, so zu sagen, spondeische Octonare bilden, in denen oft die erste,
oft die zweite Länge des Spondens in zwei Kürzen aufgelöst ist. Es
sind zwar trochäische Octonare ohne eine kurze Senkung möglich, wie
Aul. V, 1, 13 Ere divitias nimias. TJbinam. Quadrilibrem, inquam, aulam
aüri plenam, allein dass mehrere nacheinander folgen, ist unnatürlich.
Dann werden in diesen Versen häufig andere Gesetze der übrigen tro-
chäischen und jambischen Verse verletzt : die beiden Kürzen der Senkung
oder die erste sind durch Wortschluss gebildet, wie in ömnia nunc oder
mülta gerünt, oder die beiden Kürzen der Hebung fallen in Wortschluss,
wie in omnia nunc oder die 6. Hebung bildet spondeischen oder ana-
pästischen Wortschluss. Derartige spondeische Octonare hat man vielfach
ebenfalls als trochäische Octonare angesehen und behauptet, dass eben
für diese Zeilenart viele Freiheiten gestattet gewesen seien, die für die
andern trochäischen und jambischen Zeilenarten nicht gestattet waren. ^)
Diese Sonderstellung der trochäischen Octonare ist an und für sich un-
natürlich. Ein Hauptgrund gegen jene Behauptimg scheint mir der zu
sein, dass in den trochäischen Octonaren des Terenz jene Unregelmässig-
keiten sich so gut wie nicht finden, aber zahlreich in jenen sogenannten
trochäischen Octonaren des Plautus, Plautus aber im Versbau beträcht-
lich genauer ist als Terenz. Schon das beweist, dass jene Verse des
Plautus keine trochäischen Octonare sind.
Anapästiseher Dimeter und Tetrameter.
Die besprochenen falschen trochäischen Octonare erklären A. Spengel
und Andere für Anapäste. Wenn auch llitschl dies entschieden verwirft
<Opusc. 3 S. 145), so sind doch auch von ihm unzweifelhafte anapästische
Reihen anerkannt worden; so Miles 1011—1093 und Bacch. 1076 — 1103
Septenare und Octonare. Stich. 18 — 33 Dimeter. Bei den Griechen
finden sich meistens entweder Ketten von fortlaufenden Dimetern, in der
Regel abgeschlossen durch einen Paroemiacus zu 3^2 Anapästen, oder
Reihen von Septenaren, die aus je einem Dimeter und einem Paroemiacus
1) Ritschi Opusc. 4, 401 . . prosodische Freiheiten mit sehr grosser Masshaltung innerhalb
<les jambischen Senars und des trochäischen auch des jambischen Septenars, mit steigender Frei-
heit in allen Octonaren zumal den anapästischen. Vgl. dagegen oben S. 75.
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89
mit selten verletzter Caesur nach dem Dimeter bestehen. Der rythmische
Bau dreht sich insbesondere darum, in wie weit der Anapäst durch
andere Fasse ersetzt werden kann. Erstlich wird das Zusammentrefifen
von vier Kürzen vermieden; desshalb finden sich Proceleusmatici gar
nicht und das Zusammenstossen von daktylischem und reinem Anapäst
(= _i«^^-L.) nur sehr selten. Im Dimeter kann in jedem Fusse ein
Spondeus statt des Anapästes stehen; in zwei Kürzen aufgelöst findet
sich sehr oft die 1. und 3. Hebimg, fast nie die 4. Die 2. wird nicht
oft aufgelöst; fast stets so, dass auch die 1. Hebung aufgelöst ist, wie
Aesch. Agam. 62 Zevg noXvaroffog dfi(pl yvvaixog und 63 nolXa noXaiofiara
xal yvioßaiff}. Der 1. Fuss des Paroemiacus = dem 5. des Septenars
kann auch durch Spondeus oder Daktylus gefüllt werden. Der 2. Fuss
des Paroemiacus wird durch dep dritten bestimmt. Wie die Griechen
den 7. Fuss des jambischen Septenars, obwohl es der 1. Fuss einer jam-
bischen Dipodie ist, dennoch, weil es eben der letzte vollständige Fuss
der Zeile ist, stets rein bildeten, also die 7. Senkung nicht durch 1 Länge
oder 2 Kürzen ersetzten und die 7. Hebung nicht auflösten, so hielten
sie den 3. Fuss des Paroemiacus = dem 7. Fusse des anapästischen
Septenars sogar völlig rein, bildeten also dessen Senkung nur durch
2 Kürzen und lösten dessen Hebimg nicht auf. Da nun dieser Fuss nur
ein reiner Anapäst sein darf, so darf, damit nicht 4 Kürzen zusammen-
stossen, auch die Hebung des 2. Fusses des Paroemiacus = der des
6. Fusses des Septenars nicht aufgelöst werden.
In den anapästischen Versen desPlautus finden wir theils ähnliche
Gesetze, theils neue. Es finden sich Paroemiaci, Dimeter, Septenare imd die
aus der Verbindung von je 2 Dimetern entstandenen, den Griechen fremden
Octonare. Die Septenare und Octonare haben die regelmässige Cnesur
nach dem 4. Anapäst; die wenigen Ausnahmen (Spengel, Reform vor-
schlage S. 325) haben die Caesur in oder nach der Senkung des 5. Fusses.
Merkwürdig ist der überlegte Plan, der im Bau der Anapäste zu Tage
tritt. Die prosodischen Regeln der Anapäste sind von denen der Jamben
und Trochäen weit verschieden, wenn auch die Art und die Grenzen der
in den Anapästen gestatteten Freiheiten zum Theil noch strittig sind.
Gar nicht vergleichen lässt sich hiemit die unbedeutende prosodische
Eigenheit der griechischen Anapäste, wornach hier wie in den Daktylen
Abb. d. L OL d. k. Ak. d. Wiss. XVÜ. Bd. I. Abth. 12
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90
lange Vokale oder Diphthonge vor Vokalen verkürzt werden können z. B.
yjfvainv ovrog^ was in Jamben und Trochäen nicht die Regel ist. (Porson,
Praef. Hec. p. 58.)
Auch die rythmischen Regeln für den Bau der Anapäste sind weit
verschieden von jenen der Jamben und Trochäen. Gewöhnlich findet
man den Unterschied darin, dass jene strengen Regeln über die Bildung
und über die Verbindung von Senkung und Hebung, welche oben für
die Jamben und Trochäen nachgewiesen sind, in den Anapästen nicht
beobachtet worden seien. Es ist wahr, jede mögliche Bildung und Ver-
bindung der Senkung ist gestattet, nicht nur die in den Jamben und
Trochäen erlaubte, wie Stulti stolidi fatui fungi; Operam date dum mea
facta itero est; Patere ätque asta tibi ego hanc do operam; sondern
auch die dort verbotene, wie Quam mägis in pecforc meö foveö ; Aequom
es5e ^uto. Wenn die Hebung durch eine Länge gebildet ist, so mag sie
mit der vorausgehenden und folgenden Senkung sich verbinden oder
nicht, wie sie will; ist sie dagegen in zwei Kürzen aufgelöst, so treten
bestimmte Regeln ein. Das von den Griechen gemiedene Zusammentreffen
von vier Kürzen ist bei Plautus in den anapästischen Reihen nicht ge-
mieden; es ist sowohl Proceleusmaticus als das Zusammenstossen von
daktylischem und reinen! Anapäst gestattet, so animüle; honum habe dni-
mum und nullümst hoc stolidius säxum; ^\tis et hominem. Wenn ferner
die zwei Kürzen der Hebung Wortanfang oder Wortmitte bilden, oder
ein besonderes zweisilbiges Wort oder zwei einsilbige Wörter einnehmen
oder Schluss und Anfang von zwei längeren Wörtern bilden, in all diesen
Fällen kann durchaus die 1., 2., 3., 5., 6. und 7. Hebung der Dimeter
und Octonare, und die 1., 2., 5., 6., ja sogar die 3. bezw. 7. Hebung der
Paroemiaci und Septenare aufgelöst werden ; denn wie in den jambischen
Septenaren die Bildung des 7. Fusses dieselben Gesetze und Freiheiten
hat wie die des 2. und 6. Fusses (vgl. S. 50), so auch in den anapästi-
schen Septenaren. Also sind erlaubt: Omm'a me mala consectantur ; Ita
miles memoYdkt iweretricera; Reliceioiw id auri factum quod ego ei stultis-
sumus hömo promisissem; lUa omnia sed more iwodesto; buccones; ex-
crucior; te missast; me faciam; tuos digitos decorat; exörare ex te; huc
ad nos; sogar inlicere huc; scire puto me; abln hinc; itä sum.
Dagegen ist die Auflösung der Hebung in 2 Fällen untersagt:
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n
1) die Hebung, welche Zeilen- oder Caesurschluss bildet, also die 4. Heb-
ung des Diraeters und Octonars wie die 8. des Octonars flarf in keinem
Falle aufgelöst werden, ebensowenig als die Zeilen- odei* Caesurschlusa
bildenden Hebungen der jambischen, trochäischen, kretischen und bacchi-
schen Reihen. Desshalb hat Ritschi mit Recht Bacch. 1197 die Lesart
der Handschrift censes sumere umgestellt zu sumere censes (vgl. noch
Spengel Reformv. S. 326). Wenn 2) die beiden Kürzen der aufgelösten
Hebung die Schltisssilben eines längeren Wortes bilden, wie corpöra und
facilia, so darf die 1. und 3. Hebung der Dimeter, Septenare und Octo-
nare, die 5. und 7. Hebung der Octonare und die 5. Hebung der Sep-
tenare so aufgelöst werden; dagegen die 2. und 6. Hebung der Paroemiaci
und Dimeter, der Septenare und Octonare und die diesen Hebungen
gleichstehende 3. Hebung der Paroemiaci = der 7. Hebung der Septenare
dürfen nicht durch die zwei schliessenden Kürzen eines
längeren Wortes gebildet werden. Es finden sich die beiden
Schlusskürzen eines längeren Wortes als 1. Hebung in etwa 24 sicheren
und 7 minder sicheren Fällen; als 3. Hebung in 18 sicheren und 19 un-
sicheren Fällen; als 5. in 20 sicheren und 7 unsicheren und als T.Heb-
ung in 12 sichern, 10 unsicheren, also im Ganzen in 74 sicheren und
43 unsicheren Fällen. Dagegen sind nur etwa 7 Fälle durch die Hand-
schriften überliefert, in welchen die zwei Schlusskürzen eines Wortes die
2. oder 6. Hebung bilden: Cure. 140 Quae tuo guttüri sit mönumentunL
Pers. 781 Ita me Toxilus perfabricavit. Poen. V, 4, 14 per quem
vivimus vitalem aevom. Pseud. 177 multa huc ab ^xmiorihus conveniant
(multa I huc ab amatöribus conveniant?). Stich. 43 Et si lUi improM
sint ätque aliter; dann die schlimmen Dimeter Gas. III, 6, 20 num quid
6st ceterum quod moräe sit und Gurc. 127 in se merum avarzfer faucibus
plenis. Ausserdem finden sich bei A. Spengel, der die meisten Anapäste
annimmt, noch an etwa 26 (17 + 9) Stellen zwei Schlusskürzen als 2.
oder 6. Hebung; allein entweder ist in denselben die Lesart otler die
Abtheilung der Verse unsicher, oder (und desswegen ist die Zahl dieser
Stellen ziemlich gross) es ist überhaupt fraglich, ob wit^ dort Anapäste
vor ims haben.*) So zeigen die vier nahe bei einander stehenden, regel-
1) Von den SteHen, in welchen- in. regelmässiger Weise die 1., 3., 5., 7. Hebung duroh Kwei
12*
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92
widrigen Diineter bei Spengel,- Trin. 239 Blajidiloquentultis harpägo men-
dax. 240 Cuppes eUgans despöliator. 246 Et istoc si amplius^ vis dari
dabitür. 251 Nox datür ducitur familia tota, dass entweder hier über-
haupt keine Anapäste vorliegen oder dass Spengel den Text nicht richtig
construirt hat.^) Das ist klar: die Rolle, welche in den jambischen und
trocbäischen Reihen die auf der Endsilbe betonten spondeischen und ana-
pästischen Wörter und Wortschlüsse spielen, wird in den anapästischen
Reihen von den Hebung bildenden Schlusskürzen übernommen. Wie jene
Schiusakürzen ersetzt ist, scheinen folgende ziemlich sicher; Aul. 717 cred^re. 724 perdfdi. Bacch.
1092 perdftus sum. 1093 omnfa . . omnibus exit. 1094 Chrysilus me . . ChrylÄlus me. 1167 red-
ditis npbis. 1179 omnia. 1180 nemfnem det. 1181 victibus. 1183 Chrysälus. 1184 alt^rüm
tant. 1185 redditur. 1194 dmis^ris post. 1197 sum^re. Cos. 2, 2, 6 Murrina (2, 3, 1 omnfbus
reb.). 2y 2, 4 utier ömnibüs quod. 3, 6, 2 ilfco . . ih'co. Cure. 146 morfbus. Men. 853 stemfte.
358 plurumum. 361 animüle. Mü. 1030 denfque. 1076 vend^re. 1088 dicito. Pers. 173 litt^ras
sciret. 174 interlm tu. 181 lib^ra mea. 753 hostibus victis civfbus salvis. 757 dividäm praedam.
761 facilfa. 762 impröbus . . redddre. 763 Toxile. 766 omnfa . . mutda. 768 temp^ri . . temp^rl.
769 ponite. ' 780 pessümus. 784 Toxflus. 787 rediärit. 789 Dordälus. 790 Dorddle homo lepi-
dissüme salve. 845 Dordälus. Poen. V, 4, 2 vis^re; 6 AraWus. 14 Jupfter qui. 16 perdidl.
18 omnfa faci^t Juppfter faxö. Pseud. 177 mundra. 230 Pseudöle. 597 septdmäs. 598 Symbölum
me. 948 savfa. Rud, 221 pectöre. 222 perdidl. 223 omnfa . . omm'bus. 224 quaerdre . . aurf-
bus. 931 navfbus. 934 oppidiim magnum. Trin. 821 fluctibus. 829 parcdre. 835 turbinSs
venti. 837 scind^re. Truc, 1, 2, 15 referimus gratiam furibus nostris. Mehr oder minder un-
sicher scheinen die betonten beiden Wortkürzen in folgenden Stellen (ich zähle die sämmtlichen
von A. Spengel Keformv. angenommenen anapästischen Zeilen durch): im 1. Fusse von Pers. 777.
Rud. 933. Stich. 12. Trin. 250. 279. 28i». 298; im dritten Fusse von Bacch. 639. Pers. 181. Poen. 5,
4, 4; 8; 10. Pseud. 184. 603. 1323. Stich. 11. Trin. 239. 243. 249. 251. 277. 279. 283. 288. 297.
Truc. 2, 7. 8. im fünften Fusse von Bacch. 1151. 1159. Pseud. 236. 1131. Rud. 962. im sieben-
ten Fusse von Cas. 2, 2, 38. 2, 3, 1. Pers. 774. 775. Rud. 936. Trin. 336. Truc. 1, 2, 8; 16.
2, 7, 7; 44. Die unsicheren Stellen mit betonten Wortkürzen im Schluss der anapästischen Di-
podie, also im 2. oder 6. Fusse, sind bei Spengel folgende : Aul. 722 optülit famem. Cas. 2, 2,
34 omnia; 2, 2, 39 otium. 4, 4, 4 vestiat. Oist. 2, 1, 8 appätit raptat; 11 morfbus; 12 perdftÖ.
4, 2, 33 attfnet. Most. 861 expätunt. Pers. 779 miserrümus. Poen. 5, 4, 10 cetäris. 15 sospftem.
Pseud. 586 oppfdum. 947 pocüla. 1134 commöror. Rud. 926 conscius. Stich. 13 impröbi viri offi-
cio xxU. 45 Omnibus. Trin. 239. 240. 246. 281 siehe oben. 293 artfbus. 295 vivfto. Truc. 1, 2,
14 praedonfbus. 2, 7, 19 impdlit.
1) Ein Theil der obigen daktylischen und proceleusmatischen Wortschlüsse wird von Manchen
aus prosodischen Gründen nicht als solche anerkannt werden, indem dieselben (vgl. Christ Metrik § 286)
z. B. päntic^, symboldm betonen oder in Wörtern wie libSräs, neminem vor den Buchstaben 1 m
n r den Ausfall des kurzen Vokales annehmen. Es ist hier nicht der Platz zu prosodischen
üntersuchimgen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass jene Schlüsse wie pänticös und libSras
sich nur in den ungeraden Füssen, nicht aber im Schlüsse der Idpodien, geschweige im Schlüsse der
Zeilen oder Halbzeilen finden. Da sie sich also da nicht finden, wo Daktylen verboten sind, da-
gegen dort finden, wo Daktylen erlaubt sind, so bleibt der Schluss, dass sie als Daktylen und
nicht als überall erlaubte Anapäste and Spondeen behandelt wurden.
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Schlußßsilben von spondeischen und anapästischen Wörtern und Wort-
schlüssen nicht die 2. Hebung der jambischen und trochäischen Dipodie
und nicht die ebenso behandelte 7. Hebung des jambischen Septenars
bilden durften, so dürfen diese zwei Schlusskürzen nicht die 2. und
6. Hebung der verschiedenen anapästischen Verse und nicht die 3., re-
spektive 7. Hebung der anapästischen Paroemiaci und Septenare bilden.
Damit ist auch schon der Grund dieses Gesetzes gegeben: das Dipo-
diengesetz der anapästischen Zeilen. In den anapästischen
Versen gelten dem Plautus daktylische oder proceleusmatische Wörter und
Wortschlüsse als unrein; diese dürfen daher nicht die Zeilen und Caesur-
schlüsse, nicht die Schlüsse der Dipodien und nicht den wie Dipodienschluss
behandelten 3*, respektive 7. Fuss der Paroemiaci imd Septenare bilden.
Seneca hat über 1600 anapästische Dimeter. Dieselben haben
sämmtlich nach der 2. Hebung Wortschluss, so dass sie ebensogut als
Monometer angesehen werden können. Das mag Seneca so eingerichtet
haben nach dem Vorbild der Griechen, welche gern mit der 2. Hebung
ein Wort abschlössen. Ferner wird die 2. Hebung ebensowenig aufgelöst
als die 4. Das ist wohl weder eine Nachahmung der Griechen, die, wie
oben erwähnt, nicht gern die 2. Hebung auflösen, noch eine Weiterbild-
ung des altlateinischen Dipodiengesetzes, sondern die Folge der strengen
lateinischen Gesetze über die Bildung der Zeilen- und Caesurschlüsse, die
natürlich das Ende einer rythmischen Reihe nicht durch eine aufgelöste
Hebung bilden lassen.
Wenn wir auch erst anfangen, den Bau der plautinischen Anapäste
zu erkennen, so viel ist doch schon jetzt sicher, dass in ihrem Bau ein
ebenso bestimmter und ein ähnlich ausgeführter Plan herrscht, wie in
dem Bau der altlateinischen Jamben und Trochäen.
Daktylen bei Plaatns!
Jamben und Trochäen, Kretiker und Bacchien, endlich Anapäste
kommen anerkanntermassen in den lyrischen Theilen der plautinischen
Lustspiele ziemlich viele vor. Manche kleineren Stellen und einzelnen
Zeilen sind noch strittig. Diese zum Theil als Daktylen zu erklären, ist
so gut wie niemals versucht worden und überhaupt sprechen die Plautus-
forscher niemals von daktylischen Reihen. Rücksicht auf das griechische
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Vorbild kann das nicht bewirken. Denn zum Aufbau der griechischen
Cantica sind Daktylen, wenn auch in massigem Umfange, benätzt worden.
Dann ist es kaum denkbar, dass Plautus, welcher offenbar mannigfache
Rythmen liebte, einen der wichtigsten Versfüsse gar nicht benützt habe.
Wahrscheinlich hat bei Plautus desswegen Niemand an Daktylen
gedacht, weil an sehr vielen Stellen Daktylen mit aufgelöster Hebung an-
genommen werden müssten. Solche finden sich allerdings bei den Griechen
nicht; allein ich sehe nicht ein, welchen Anstoss sie bei den altlateini-
schen Dichtern geben könnten. Der Bau der beiden parallelen Füsse,
der Jamben und Trochäen, ist bei ihnen völlig ausgeglichen, und so auch
in der Senkung der Trochäen zwei Kürzen zugelassen, die bei den Griechen
verboten waren; in den Anapästen ist die Aufeinanderfolge von vier
Kürzen gestattet, die in den anapästischen Systemen und Septenaren der
Griechen verboten war. Wurde nun auch der Bau der beiden parallelen
Füsse, der Anapäste und Daktylen, ausgeglichen, so ergaben sich für den
Bau der Daktylen die Freiheiten der Anapäste, also freie Bildung und
Verbindung der Senkung, wie mültä timebunt, ömnia nunc, facillä, und
die Auflösung der Hebung. In den erhaltenen Hexametern aus den An-
nalen des EnniiAS nehmen manche Gelehrte einige aufgelöste Hebungen
an (vgl. Hermann doctrina metr. S. 347; Christ» Metrik § 183). Wenn
auch Ritschi (Opusc. 4 S. 107. 415) leugnet, dass Ennius, der Schöpfer
des kunstmässigen lateinischen Hexameters, solche Abweichung von dem
griechischen Vorbild sich gestattet habe, so nimmt er doch selbst in den
volksthümlichen Hexametern der Sortes solche Auflösimgen an, wie Post
quam cedderdni. Diese Freiheit im Bau des Hexameters erklärt sich am
einfachsten, wenn bereits die Dramatiker daktylische Reihen mit auf-
gelösten Hebungen kannten. Demnach liegt kein Grund vor, der a priori
die Anwendung von Daktylen und die Auflösung ihrer Hebungen bei
den altlateinischen Dramatikern unwahrscheinlich machte. Es käme
darauf an, Merkmale zu finden, wann solche Reihen von Füssen, deren
Senkung und Hebung sich metrisch gleich sind ("J~3^"_") und die jener
bestimmten Merkmale entbehren, welche besonders im Anfang und Schluss
der jambischen Senare, Septenare und Octonare und der trochäischen
Septenare gegeben sind, als Daktylen und wann sie als Anapäste zu
fassen sind. Wenn der obige Satz, dass die 2. Hebung der anapästischen
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Dipodie nicht durch die Schlusskürzen eines längeren Wortes gebildet
werden darf, richtig ist, so wäre dies ein solches Merkmal. Gelingt es
andere Merkmale der Anapäste zu finden, so wird die Unterscheidung
anapästiacher und daktylischer Reihen leichter werden.
Kretische und bacehische Tetrameter.
Von den lyrischen Zeilenarten des Plautus sind die gewöhnlichsten
die kretischen und bacchischen Tetrameter. W. Christ (Metrische Be-
merkungen zu den Cantica des Plautus, Sitzgs.-Ber. d. Münchener Akad.
1871 I p. 67) glaubt, diese bacchischen und kretischen Tetrameter des
Plautus nähern sich nur dem Begriff eines Verses; mir dagegen scheint
Plautus diese Zeilen von vier Kretici oder Bacchien als ebenso selbst-
ständige Zeilen behandelt zu haben, wie z. B. die jambischen Senare.
Denn ich finde hier dieselben festen Caesuren, wie in allen andern Zeilen-
arten, und dieselben freieren Gesetze für den Caesur- un(i den trochäi-
schen Zeilenschluss und die strengeren Gesetze für den jambischen Zeilen-
schluss.
Von dem kretischen Tetrameter bemerkt Spengel S. 35, er
lasse sich wie der jambische Octonar nicht selten in zwei Dimeter zer-
legen. Das ist viel zu wenig. Der kretische Tetrg,meter hat seine noth-
wendige und gesetzmässige Caesur in der Mitte der Zeile nach dem
zweiten Kretikus; diese ist durch harte Elision in sehr wenigen Fällen
verdunkelt (Asin. 128 öptime höcm, Cas. II, 2, 22 ancüluläm ingratiis,
Most. 106 fämiliä inmundus, 733 öppidö öccidimus); an ihre Stelle tritt
selten eine Hilfscaesur nach der 1. Hebung des dritten Kretikus (Amph.
223 Imperator, 229 terra clämorem utrimque, (Bacch. fr. 27 suävitüdo),
Cas. II, 2, 18 querelas, III, 5, 6 Cleostrata äbscede ab, Cure. 118 gradum
ergo, Epid. 174 extulisti, 175 sepülchrum, 323 per illam, 731 immo,
Pseud. 926 explicätam, Rud. 250 persequämur, 671 sacerdotem anum).
Nur ein Vers hat weder die regelmässige Caesur nach der 4. noch die
Hilfscaesur nach der 5. Hebung, nemlich Rud. 252 Hoc quod est id
necessariumst perpeti, doch dieser Vers ist nicht völlig sicher, da er der
letzte der Reihe ist und ihm andere Zeilenarten folgen.
Da also die 4. Hebung Caesurschluss, die 8. Zeilenschluss
bildet, so folgt daraus, dass dieselben nicht aufgelöst werden dürfen, und
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dass die ihnen vorangehende Senkung nur aus einer Kürze bestehen darf.
Im jambischen Caesurschluss darf, wie in den jambischen Septenaren und
Octonaren, ein einsilbiges Wort, auch mit Elision, oder ein zweisilbiges
Wort mit Elision stehen, im jambischen Zeilenschluss dieser kretischen
Verse ist, wie bei allen jambischen Zeilenschlüssen (vgl. oben S. 48), ein
zweisilbiges und besonders ein einsilbiges Wort mit vorangehender Elision
sehr gemieden. So finden sich in den 7 Kretici Cure. 99 — 107 folgende
5 Caesurschlüsse unguentum odös, stacte tu, naso odös, invergere in, ductim
sed häc; dagegen in den sämmtlichen kretischen Tetrametern (abgerech-
net die unsichem Reihen Capt. 206 — 213) nur folgende regelwidrigen
Zeilenschlüsse: Cure. 119 sicca sum, Epid. 322 necne sit, Men. 118 atque
ago, (Most. 114 magna pars?), Most. 741 isti ero, 722 fieri hie, 734 us-
que adhuc, 738 subducta erat Pseud. 261 actam agis, Rud. 201 sola sum,
241 ecce me, 270 ad hoc, 276 servesque nos, 664 atque opum, 670
nostro ero, Trin. 281 gnate mi, Truc. 4, 2, 13 quis est.
Der Umstand, dass die beiden schliessenden Kürzen eines längeren
Wortes hier nicht Hebung bilden dürfen, zeigt, dass die kretischen Zeilen
den jambischen und trochäischen verwandt sind. Aber ihre Gesetze sind
noch strenger. Die Senkung des 2. und 4. Kretikus steht, wie oben be-
merkt, im jambischen Caesur- und Zeilenschluss, darf also nur durch
eine Kürze gebildet werden und mit der folgenden Hebung nur jambi-
schen Wortschluss eingehen. Die Senkung des 1. und 3. Kreticus darf,
wie Spengel S. 21 ausführt, nicht durch zwei Kürzen gebildet werden,
(so dass also derartige Senkungen überhaupt von den kretischen Zeilen
ausgeschlossen sind), aber durch eine Länge; dies jedoch nur unter der
Bedingung, dass diese lange Senkung nicht mit der folgenden Hebung
betonten unreinen Wortschluss bildet. Erlaubt also sind Verse, wie
Dispörditi viri | dispörditi ordines.
Hostes crebri cadunt | nostri contra ingruimt.
Certö vöx muliebris | auris t^tigit meas.
Eine Ausnahme von dieser Regel (vgl. Spengel S. 128) scheint nur
sicher in Amph. 221 Nos nösträs mor^ nostro; denn dieselben gesetz-
widrigen Betonungen im 1. Fusse Bacch. fragm. 3 Fit pöiör und im
3. Fusse Epid. 177 vivöndö sind ganz unsicher.
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m
Da also im 1. und 3. Fusse des kretischen Tetrameters lange Senk-
ungen regelmässig stehen können, aber nicht im 2. und 4. Fusse^ so er-
gibt sich von selbst eine Gliederung in Dipodien.
Der bacchisehe Tetrameter.
Für den bacchischen Tetrameter nahm Studemund (de Canticis Plaut,
p. 33) die Caesur nach dem zweiten Bacchius an; allein so oft ist die
4. Hebung der Zeilen durch zwei Kürzen gebildet und so oft fehlt über-
haupt jeder Einschnitt nach derselben, dass von einer regelmässigen
Caesur nach dem zweiten Bacchius keine Rede sein kann.
Es ist hier ein ähnlicher Fall wie im jambischen Senar und trochäi-
schen Septenar: wie im Senar die Caesur bald nach der 3. bald nach
der 4. und im Septenar bald nach der 4. bald nach der 5- Senkung
fällt, so im bacchischen Tetrameter bald nach der 1. Hebung des 2.^ bald
nach der 1. Hebung des 3. Bacchius; wie im Senar oft sowohl der 3. als
der 4. Fuss getheilt ist, so bildet hier oft sowohl die 3. als die 5. Heb-
ung jambischen Wortschluss; z. B.:
At haud pol nitent sordidae ambae videntur.
Vix aegreque amatorculos invenimus.
Jovi disque ago gratiäs merito magnas.
Senex ipsus ante ostium eccum opperitur.
Nee fallaciam astutiorem uUus fecit.
Durch harte Elision ist diese Caesur verdunkelt in Cas. 3, 5, 29
Viro quae suo interminatur. Quid ergo. Ah; ebenso in Amph. 570 im-
probe etiam. Capt. 786 ad forum advenero. Cas. 3, .5, 41 minatur.
tibi infesta, 55 accedere. Exoret, 56 alio modo uUo. Men. 770 filia
umquam patrem accersit. Merc. 3o7 invitum domo extrusit, 360 Nequi-
quam abdidi abscondidi abstrusum habebam. Poen. I, 2, 9 Ex industria
ambae. In manchen dieser Zeilen kann man auch die folgende Caesur an
nehmen. Neben der regelmässigen jambischen (S. 77) Caesur nach der 3. oder
5. Hebung kommt nemlich selten eine andere in der Mitte der Zeile
nach dem zweiten Bacchius vor. So Poen. I, 2, 19; 11. Merc. 351:
Ornantur lavantur 1 tergentur poliuntur.
Poliri expoliri | pingi fingi et una.
Nunc si dico ut res est | atque illani mihi me.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 13
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Diese findet sich noch: Aul. 2, 2, 2 fidei | tuaique. 2, 2, 5 loquaces
nierito omnes. Capt. 226 agatur | docte et. Gas. 3, 5, 32 sub arcis
sub lectis. 5, 1, 4 reheuomst | plus risurum. Cist. 1, 1, 36 blandiuntur
clam si oecasio. Most. 88 volutavi | et diu; 93 videtur | veri. Poen. 1,
2, 15 negoti | quantum in; 21 fricando | scimus; 45 et celebrem et
venustatis. Pseud. 1265 odores | lemniscos. Rud. 261 exsequuntur | be-
nignamque. Truc. 2, 5, 10 videtis | ut omata. Durch Elision unsicher
ist Gas. 3, 5, 23 Tua ancilla hoc pacto exordiri coepit; beider Caesuren
entbehrt Rud. 262 Jubemus te salvere mater. Salvete; doch ist der Vers
der letzte der Reihe und so seine Theilung unsicher.
Wie in den jambischen und trochäischen Reihen, so ist auch in den
bacchischen verboten, dass die beiden kurzen Endsilben» eines längeren
Wortes eine Hebung bilden. Das lässt weitere Verwandtschaft erwarten.
Dieselbe tritt am deutlichsten hervor in der schwierigen Frage über die
Bildung der Senkungen. Gewöhnlich zählt man ab, wie viel reine Senk-
ungen in der Zeile vorkommen und hält die Zeilen ohne auch nur eine
reine Senkung für falsch, ein Verfahren, das nicht sehr wissenschaftlich
aussieht. Zunächst ist im allgemeinen zu bemerken, dass Plautus die
Senkung der Bacchien nicht häufig durch zwei Kürzen bildet und so gut
wie nie im 2. Fusse, sehr oft aber durch eine Länge; vgl. Spengel S. 273.
Diese langen Senkungen sind in allen vier Füssen unbedenklich zugelassen^
sobald sie nicht mit der folgenden Hebung Wortßchluss bilden, also
Induci ut putet matri anciUam emptam esse illam.
Neque eis ulla ornandi satis satietas est.
Dagegen gelten zunächst für die vierte Senkung dieselben Regeln
wie für den trochäischen Zeilenschluss der jambischen Septenare. Der
Schluss darf wohl durch ein einsilbiges Wort gebildet werden, allein dann
darf ihm nur jambischer Wortschluss vorangehen; so finden sich z. B.
Amph. 551 -571 die Zeilenschlüsse subsöquor te, quam Id ob rem, ftdea
sit, tüüs sum, (facta sunt hie), praedicäre id, tüüs sum, simül sit, Juppiter
te, föcis me. Wie es ferner unnatürlich wäre, den 4. Fuss des jambi-
schen Octonars spondeischen oder anapästischen Wortschluss bilden zu
lassen, auch wenn nach der folgenden Senkung die häufige Nebencaesur
einträte, z. B. vincunt nos | oder faciunt res , ebenso wäre es sehr hart,
die 3. Hebung, bei der gewöhnlich Caesur stattfindet, spondeischen Wort-
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schluss bilden zu lasse». Darum finden sich spondeische Wörter, welche
die Sßnkung und 1. Hebung des 2. Fusses einnehmen, so gut wie nicht;
vgl. Spengel S. 213; denn Pseud. 1334 (vgl. Spengel S. 408) Verum si
voltis ist wohl anders zu theilen; die einzigen sicheren Ausnahmen sind
Most. 121 Et fundamentum substruunt liberorum und 101 Aedes quom
extemplo sunt paratao expolitae. Dagegen bildet ein spondeisches Wort
etwa 25 Mal die Senkung und erste Hebung des ersten Bacchius z. B.
Perdat quisquis es. Te volo. At vos ego ambos. Im dritten Bacchius
sind dieselben seltener (vgl. Spengel S. 213): (Bacch. 1120 tanto. Cist. I,
1, 12 semper). Cure. 1, 2, 115 siccae. Most. 93 veri simile. Poen. 1,
2, 9 numquam; 11 pingi. 21 scimus. Truc. 2, 5, 4 quantum. Zwei-
silbige Senkungen sind, wie oben bemerkt, überhaupt selten. So ist es
natürlich, dass auch anapästische Wortschlüsse, deren betonte Schluss-
silbe die 1. Hebung des Bacchius bildet, selten sind. Solche finden sich
(vgl. Spengel S. 272) im ersten Fusse: Bacch. 1129 Vetulae sunt. (Gas.
4, 4, 8 Facies tu.) (Pers. 810 Peru perculit.) Trin. 225 Egomet; im
dritten Fusse ist theils die Lesart, theils die Umgebung der Verse un-
sicher: Aul. 2, 1, 15 loquerer. Gas. 3, 5, 53 adiit. Gist. 1, 1, 22 merito.
Cist 4, 2, 4 veniät; 15 praeteriit. Men. 765 litigiüm.
Das ist klar, dass in den bacchischen Tetrametern dasselbe Dipodien-
gesetz wie in den Jamben und Trochäen festgehalten werden kann: im
ersten Fusse jeder Dipodie, d. h. im 1. und 3. Bacchius kann die Senk-
ung mit der folgenden Hebung unreinen betonten Wortschluss bilden, im
2. Fusse jeder Dipodie, d. h. im 2. und 4. Bacchius nicht. ^)
Was die Bildung der Schlüsse betrifft, so ist, wie oben bemerkt, der
spondeische Zeilenschluss dem trochäischen Zeilenschluss (S. 50) völlig gleich
gebildet. Es darf oft ein einsilbiges Wort stehen, dann aber muss jam-
bischer Wortschluss vorangehen ; bildet die vorletzte Hebung nicht Wort-
schluss, so ist die Bildung sowohl dieser Hebung als der vorangehenden
1) Nicht häufig natürlich sind Verse, in denen jede Senkung in reinem Wortschluss steht,
wie Amph. 555. Aul. 2, 1, 9. Gas. 3, 5, 51. Most. 871
Facis ut tufs nuUa apüd te fidäs sit.
Tibf proxumdm me mihfque esse it^m te.
Hab^t sed duös quid duös alterö te.
Malüm quom impluit ceteris ne impluät mi.
1^* :
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100
Senkung freigegeben z. B. Merc. 349 videtur. 345 incerti certant. 348
consilium. 350 esse lllam. 354 asportet. Im jambischen Caesurschluss
steht meistens Wortende ; es dürfen hier aber auch einsilbige Wörter mit
oder ohne Elision stehen (S. 45), wie Acceptae bene et commode eximus
intus. Neque advorsa quoi plura smt sempiterna. Is rescivit et vidit et
perdidit me.
Die trochäischen Octonare, kretischen und bacchischen Tetrameter
des Plautus sind also, wie zu erwarten ist, durchaus selbständige Zeilen
und zeigen in Bezug auf Caesur, auf Bildung der Caesur und Zeilen-
schlüsse und auf Betonung der Endsilben theils dieselben, theils noch
strengere Gesetze wie die Dialogzeilen.
Tereiiz.
Terenz hat in seinen Lustspielen fast allein jambische imd trochäische
Zeilen verwendet. Nur in der Andria und in den Adelphi hat er wenige
Zeilen in anderen Füssen zu dichten gewagt. Andria 635 — 638 und
Ad. 610 — 616 sind in freieren Rythmen gedichtet, dagegen enthält Andr.
481 — 484 vier bacchische und 626—634 neun kretische Tetrameter.
Die ersteren sind vollkommen regelmässig gebaut:
Adhuc Archyhs, quae adsolent quaeque oportet
Signa esse ad salutem, omnia huic esse video.
Nunc primum fac ista ut lavet: post deinde
Quod iussi ei dan bibere et quantum imperavi.
So regelmässig diese bacchischen, ebenso unregelmässig sind die
kretischen Tetrameter gebaut, die in den Handschriften lauten:
(Hocinest credibile aut memorabile,)
626 Tanta vecordia innäta cuiquam ut siet,
üt malis gaudeant atque ex incommodis
Alterius sua ut comparent commoda? Ah
Idnest verum? immo id est genus hominum pessumum, in
630 Denegando modo quis pudor paulum adest:
Post ubi tempust promissa iam perfici.
Tum coacti necessario se aperiunt:
Et timent et tamen res premit denegare
Ibi tum eorum inpudentissuma oratiost.
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101
Diese Theilung der Handschriften nmss unrichtig sein. Denn wenn
auch der jambische Zeilenschluss ^Ah' bei Terenz öfter vorkommt, hie
und da auch der harte paulum adest, so ist der Schluss 'pessLimuiifij in*
oder gar die Elision des schliessenden e in 'denegare' unmöglich. Der
Vers 629 ist verdorben, von den 8 übrigen haben 3 entschieden weder
die regelmässige noch die Hilfscaesur, im Vers 626 müsste man harte
Elision in der Caesur annehmen. Eine fortlaufende Kette von 32 Kretici
ohne Caesur und Zeilenabschnitte anzunehmen, ist ein Auskunftsmittel,
das man bei altlateinischen Dichtem nur im B'alle der äussersten Noth
anwenden darf. Theilen wir dagegen diese Kretici in Hexameter, so
fallen alle diese Schwierigkeiten hinweg:
Tanta vecordia innäta cuiquam ut siet, üt malis gaudeant
Atque ex incommodis alterius sua ut cömparent commoda? Ah.
Idnest verum? immo id hominümst genus pessumum in denegando modo
Quis pudor paulum adest: pöst ubi est tempus promissa iam perfici,
Tum coacti necessario se aperiunt: et timent et tamen
Res premit denegare: ibi tum eorum inpudentissuma oratiost:
Es ist wahr, kretische Hexameter kommen in Reihen sonst gewiss
nicht vor; Spengel (S. 242) bestreitet sogar, dass einzelne vorkommen.
Aber gerade so steht es mit den bacchischen Hexametern: ob einzelne vor-
kommen, ist bestritten; allein Niemand zweifelt mehr im Amph. 633 ff.
eine längere Reihe von solchen anzunehmen.
Die Fragmente der übrigen altlateinischen Dramatiker sind zwar
spärlich ; allein sie geben genügende Beweise, dass dieselben an lyrischen
Zeilenarten nicht so arm waren wie Terenz, wenn auch kaum einer sich
zu der reichen Mannigfaltigkeit des Plautus mag erhoben haben. Wenn
wir aber sehen, dass in den Zeilen des Dialogs bei allen altlateinischen
Dichtern die gleichen strengen Grundgesetze galten, so ist es natürlich^
dass es ebenso stand in den lyrischen Partien.
Uebereinstimniung ton Wort- und Tersaecenten.
Nachdem so die metrischen Gesetze für den Bau der altlateinischen
jambischen und trochäischen Zeilen dargelegt sind, ist noch zu erwägen,
warum hier die Wortaccente mit den Versaccenten überhaupt oder an
bestimmten Stellen der Zeilen ziemlich oft zusammenfallen, jene That-
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102
eachen, zu deren Erklärung zuerst Bentley in der altlateinischen Dicht-
ung ein Stück Accentdichtung finden wollte, das den Griechen gänzlich
fehlt. Mn allgemeiner wichtiger Grund ist der, dass im Lateinischen der
Versaccent stets, der Wortaccent oft an die lange Silbe gebunden ist, so
dass beide oft zusammenfallen müssen. Ein anderer allgemeiner Grund
ist der, dass die vorletzte von zwei schliessenden Kürzen, wie nie von
dem Wortaccent, so auch nie von dem Versaccent getroffen wird. Diese
Regel, dass die beiden letzten Kürzen eines mehrsilbigen Wortes nicht
als Hebung verwendet werden, ist nachgebildet der andern, wornach sie
nicht als Senkung stehen sollen. Was nun das Zusammenfallen des Vers-
und Wortaccentes an bestimmten Versstellen betrifft, so ist zunächst die
Stelle vor der Caesur zu betrachten. Die jambische Gaesur im 4. Fusse
der jambischen Septenare und Octonare ist sehr oft durch ein jambisches
Wort gebildet, dem im 3. Fusse oft spondeische oder anapästische Wörter
oder Wortschlüsse vorangehen, wie in rimam timet. consiliüm putat. Vor
der jambischen Caesur wird also sehr oft der Wortaccent verletzt. Da
die sehr häufige trochäische Caesur im 3. und 4. Fusse des Senars und
nach dem 4. Fusse des trochäischen Septenars, sowie die minder häufige,
im 5. Fusse des jambischen Octonars und Septenars und nach dem
5. Fusse des trochäischen Septenars, wie oben nachgewiesen, nur selten
so gebildet wurde, dass auf einen betonten Wortschluss ein einsilbiges
Wort als Senkung folgt, so steht vor dieser Caesur fast stets ein zwei-
oder mehrsilbiges Wort mit langer Silbe oder zwei kurzen Silben vor
der Senkung, wie natürae, veniat, consillum. Diese vom Versaccent ge-
troffene Silbe muss aber nach den Betonungsgesetzen der lateinischen
Sprache stets auch den Wortaccent haben. Folglich ist vor der sehr
häufigen trochäischen Caesur das Zusammenfallen von Wort- und Vers-
accent unvermeidlich.^)
Zum Andern ist die Stelle unmittelbar nach diesen Caesuren zu be-
trachten. Nach der jambischen Caesur der jambischen Septenare und
Octonare folgt im 5. Fusse jambischer Anfang. Dieser ist oft durch
1) Die Verletzung des Wortaccentes war möglich bei trochäischen Schlüssen in griechischer
Sprache; da kommt sie aber auch Tor; vgl. Lucilius (28, 4 ed. L. Müller): Non äderit «(»/a/V
hominem et arot/fiotg simul.
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jambische, spondeische oder anapästische Wörter gebildet wie in ^operas
araneörum' und 'liceät deö minitarier ; unmittelbar nach der jambischen
Caesur ist also die Verletzung des Wortaccentes häufig. Nach den tro-
chäischen Caesuren folgt in den Senaren mit Caesur im 4. und in den
trochäischen Septenaren mit der selteneren Caesur nach dem 5. Fusse ein
Stück zu 2^2 Trochäen, in den Senaren mit der Caesur im 3. Fusse, in
den trochäischen Septenaren mit der Caesur nach dem 4. Fusse und in
den jambischen Octonaren (und Septenaren) mit der Caesur im 5. Fusse
folgt ein Stück zu 3 V2 (3) Trochäen. Das Schlussstück zu 2 ^/2 Trochäen
darf nicht mit zwei jambischen Wörtern schliessen, wie 'nön amät meüm*
oder 'accipit meüm', dagegen schliesst es sehr oft mit "^quöd multis placet*.
*periturÜ8 bonus'. 'consiliüm refert' ; folglich wird bei diesem Schlussstück
unmittelbar nach der trochäischen Caesur der Wortaccent meistens ver-
letzt. Viel häufiger ist das Schlussstück zu 3 72 Trochäen. Da bringt
es nun das Dipodiengesetz mit sich, dass im Uebergang vom 1. zum
2. Trochäus kein spondeischer oder anapästischer, wohl aber jambischer
Wortschluss stehen darf; Anfänge, wie nön multos, se simulät, fortunäm,
äccipiünt sind regelwidrig und selten, nön amänt, excipit, faciliüs erlaubt
und nicht selten; also ist hier nach der trochäischen Caesur Verletzung
des Wortaccentes bei jambischem Wortschlusse richtig imd häufig.
Aeusserst gewöhnlich aber ist der Anfang wie multos oder animos oder nön
fert, so z. B. ^4sse cum tutüs velis\ ^animus öculis imperat'. 'cito fit male
dictum omnium*; in diesen sehr häufigen Fällen mitss der Wortaccent
mit dem Versaccent zusammenfallen.
Vor und nach den jambischen Caesuren widersprechen sich also Wort-
und Versaccent oft; vor den trochäischen Caesuren fallen sie fast stet»
zusammen ; nach den trochäischen Caesuren fallen sie meistens zusammen.
Die üebereinstimmung von Wort- und Versaccent ist demnach äusserst
mangelhaft und bietet nicht den geringsten soliden Grund für die Be-
hauptung, dass die älteste lateinische Volksdichtung nur den Wortaccent
beobachtet habe und dass dann nach dem Eindringen der quantitirenden
griechischen Dichtungsart bei den Römern eine Verschmelzung beider
vor sich gegangen sei. Die theil weise Üebereinstimmung beider Accente
in den lateinischen Versen erklärt sich auf natürliche Weise, einerseits
aus dem Betonungsgesetze der lateinischen Sprache überhaupt, anderer-
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104
seits aus den Gesetzen, welche von demjenigen, der die jambischen und
trochäischen Zeilenarten der griechischen Lustspiele zuerst mit Glück
nachahmte, in Nachahmung der griechischen metrischen Gesetze für die
lateinischen Verse aufgestellt wurden.
Wer die hiebei sich ergebende, unvermeidliche häufige üeberein-
Stimmung von Wort- imd Versaccent durchaus als Absicht und Kunst
sich ausdeuten will, mag sich dieses Vergnügen machen; mit derselben
Sicherheit kann er auch behaupten, dass die lateinische Prosa durchaus
rythmisch sei, d. h. aus Jamben und Anapästen oder Trochäen und Dak-
tylen bestehe. Denn da kein Wort auf der letzten Silbe betont wird,
80 können, abgesehen von den schweren einsilbigen Wörtern, nie 2 be-
tonte Silben zusammenstossen; wer also sein Vergnügen daran hätte, die
Prosa als rythmische Jamben und Anapäste oder Trochäen und Dakty-
len zu lesen z. B. ömnes homines qui sese stüdent praestare ceteris ani-
mälibus, summa öpe niti decet, ne vitam silentio tränseant veluti pecora
quae natura pröna ätque ventri oboedientia finxit, und darin Absicht
und Kunst zu finden: dem könnte man nur jene schweren einsilbigen
Wörter, also weit weniger Verstösse entgegenhalten, als dem, welcher in
den jambischen und trochäischen Versen Festhaltung des Wortaccentes
finden will. Allein wie jener wohlklingende Fluss der Prosa nur unver-
meidliche Folge der Betonungsgesetze der lateinischen Wörter ist, so ist
jenes häufige Zusammenfallen der Wortaccente mit den Versaccenten nur
eine unvermeidliche Folge einiger von den Gesetzen, welche den Bau
der altlateinischen jambischen und trochäischen Reihen beherrschen.
Demnach haben die quantitirenden Dichter der Lateiner zu allen Zeiten
üebereinstimmung der Wortaccente mit den Versaccenten weder gesucht
noch gemieden, sondern sich einfach gar nicht darum gekümmert.
Ursprung des Versbaues in den altlateinischen Jamben und Trochäen.
Ich habe oben oft gesprochen von dem Ordner der altlateinischen
Jamben und Trochäen: ob mit Recht oder Unrecht, mag man nach fol-
genden Erwägungen entscheiden. Insbesondere 2 Fragen sind zu unter-
suchen, 1) ob die Neuerungen, die sich in den oben dargestellten Gesetzen
finden, etwa herübergenommen sind aus der alten Dichtung, welche die
Lateiner gehabt haben, ehe sie die Griechen nachahmten, 2) ob jene Ge-
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105
setze, sowohl die den Griechen nachgeahmten als die neuen, alle auf
^en Mann, den oft genannten Ordner, zurückzuführen sind, oder
ob das eine Gesetz von diesem, das andere von jenem altlateinischen
Dichter ersonnen und den Schulregeln hinzugefügt worden ist.^)
Nachahmung der Griechen war nicht Schande, sondern Ruhm für
die altlateinischen Dichter. Die Lustspieldichter nennen ihre griechischen
Vorlagen; die Oertlichkeiten, die Eigennamen, ja manche griechischen For-
meln haben sie mit dem Inhalte herübergenommen. So haben sie auch
alle Versfüsse und alle Zeilenarten von den Griechen herübergenommen,
und damit feine Gesetze für ihren Bau. Betonungen wie ömnia nunc
und mülta timent würden sie in den Jamben und Trochäen nicht ver-
meiden, wenn nicht die Griechen sie hier vermieden hätten. Anderseits
aber haben sie eine Anzahl von Gesetzen für den Bau der Jamben und
Trochäen, welche die Griechen nicht haben. Woher stammen diese? Man
leitet sie gewöhnlich ab aus den Gesetzen der lateinischen Volksdicht-
ungen jener Zeiten, wo die Lateiner noch nicht daran dachten, die
Griechen nachzuahmen.^ Das hilft nicht weit; denn da wir von den
Dichtungsformen jener Zeit so gut wie Nichts wissen, so soll Dunkel
durch noch dickeres Dunkel erleuchtet werden. Betrachten wir die ein-
zelnen Gesetze. Das altlateinische Dipodiengesetz, welches verbietet die
kritischen Senkimgen der jambischen imd trochäischen Dipodie in un-
reinen Wortschluss zu stellen, ist offenbar nur ein Ersatz für das
griechische Dipodiengesetz, das freilich von den griechischen Komikern
so stark verletzt wurde, dass dessen Aufgeben bei einem Nachahmer
mindestens erklärlich ist. Diese Neuerungen stammen also von dem
Nachahmer der Griechen. Das alflateinische Dipodiengesetz beruht ganz
auf der Beachtung der betonten Wortschlüsse. Aus dieser aber ist her-
vorgegangen auch das Verbot von 2 gleichklingenden reinen jambischen
1) Denn ich halte es fOr unnöthig gegen die zu sprechen, welche auch hier bewusste Kunst
leugnen und das Festhalten der oben dargelegten Gesetze nur als unbewusste Folge des Formen-
geföhls und des Gehörs aller altlateinischen Dichter ansehen wollen.
2) Vgl« Philol. Anzeiger 188.3 n^ 9 u. 10 S. 430: Die älteste römische Poesie ist quanti-
tirend gewesen; es folgt dies mit Sicherheit schon daraus, dass das Drama die griechischen Metra
nicht wie etwas völlig Fremdes sklarisch nachahmte, sondern prosodische Eigenthümlichkeiten
hineintrug, die nur der heimischen quantitirenden Poesie entnommen sein können.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. I. Abth. 14
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W ortechlüssen, wie capüt meüm, iin jambischen Zeilenschluss und das all-
gemeine Verbot von 2 betonten schliessenden Kurzen^ wie omnia. Für
das letztere war ein Vorbild gegeben durch das Verbot, zwei schbessende
Kürzen in die Senkung zu stellen; aber für die andern Fälle bleibt die
Frage, warum richtete der Erfinder des altlateinischen Dipodiengesetzes
seine Aufmerksamkeit gerade auf die betonten Wortschlüsse. Einen Ein-
fluss der urlateinischen Dichtungsgesetze anzunehmen, dazu sehe ich nicht
nur keinen zwingenden, sondern nicht einmal irgend einen Grund. Ander-
seits ist das Gewicht einer Silbe, die zugleich Wortschluss bildet und
vom Versaccent getroffen wird, ein so schweres, dass schon dieses aus-
reichend erklärt, warum ein Mann, der fremde Formen einer noch un-
gelenken Sprache anpassen wollte, darauf verfiel gerade diese betonten
Wortschlüsse besondern Regeln zu unterwerfen. Die Caesuren waren bei
den Griechen ein Stück der Schullehre; das zeigt ihre strenge Beobacht-
ung bei den Tragikern. Wenn die altlateinischen Dichter nicht nur
strenger sind als die nachlässigen Komiker, sondern auch strenger als
die Tragiker der Griechen, und wenn sie einige neuen Caesuren eingeführt
haben, so bleibt dies eben doch nur Nachahmung. Gleiches ist auch zu
sagen von der Bildung des Caesur- und des Zeilenschlusses. Im Zeilen-
schluss wurde vor einem einsilbigen Wort Elision vermieden, weil reine
Bildung des letzten Fusses ein Gesetz der Griechen ist. Im Zeilen- und
Caesurschluss haben die Griechen selbst wenigstens schwere einsilbige Wörter
gemieden. So war Veranlassung gegeben zu der weitergehenden Regel
der Lateiner, welche überhaupt in den jambischen Zeilenschluss sehr
selten, in den trochäischen Caesurschluss selten ein einsilbiges Wort setzen.
Demnach sind die Neuerungen in dem Bau der altlateinischen Jamben
und Trochäen veranlasst durch Gesetze der griechischen Dichter. Nur
die Weiterentwicklung oder Verschärfung jeher Regeln ist Eigenthum
der römischen Dichtung.
Die zweite Frage ist, ob diese Neuerungen auf einen Mann zurück-
zuführen sind, etwa den, dessen Versuch die griechischen dramatischen
Formen nachzuahmen zuerst Anerkennung gefunden hat, oder ob von
verschiedenen lateinischen Dichtern erst nach und nach die einzelnen
Neuerungen eingeführt und beliebt gemacht wurden. Dabei vergesse man
nicht dass möglichste Nachahmung der Griechen der Ruhm der römi-
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sehen Künstler und Dichter anfänglich war und nachher stets oiehr
wurde. Wären nun lateinische Lustspiele vorhanden gewesen, in welchen
die Freiheiten oder die Gesetze des griechischen Versbaues festgehalten
waren, wem hätte es einfallen können, dieselben wieder aufzugeben und
andere Gesetze aufzustellen? Wenn z. B. das Dipodi engesetz der griechi-
schen Tragiker oder das nachlässige der griechischen Komiker bereits
angewendet und diu'chgeführt war, wie hätte Jemand auf den Einfall
kommen können, das altlateinische auszusinnen? Dagegen erklärt sich
dieses leicht bei dem, welcher zuerst den Widersprüchen der griecbiachen
Tragiker und Komiker sich gegenüber fand und eine Wahl treffen musste.
Ebenso steht es mit den Betonungen wie omnia und den zwei betonten
jambischen Wortschlüssen im Zeilenschluss. Hatten die Römer einmal
Dichtungen gehört, in welchen diese Freiheiten angewendet waren, so
hatte es keinen Sinn mehr, sie zu verbieten. Zudem wurzeln diese Re-
geln in demselben Boden wie das altlateinische DipodiengesetZj in der
besondem Beachtung der betonten Wortschlüsse. Sind aber diese wichtigen
und kühnen Neuerungen auf den Mann zurückzuführen, dessen lateinische
Jamben und Trochäen zuerst durchschlugen, so ist es natürlich auch die
blossen Verschärfungen der griechischen Regeln, die Festhaltung bestimm-
ter Caesuren und die Vermeidung einsilbiger Wörter im jambischen Zeilen-
schluss, auf eben denselben zurückzuführen. In einzelnen Dingen mögen
einzelne Dichter ihre Liebhabereien gehabt haben und darin Nachahmer
gefunden haben, wie wir das oben an der bei Plautus und Terenz ver-
schiedenen Caesur des jambischen Octonars gesehen haben; aber die Haupt-
regeln des altlateinischen Versbaus, welche Plautus Terenz und die Reste
der übrigen Dichter zeigen, scheinen mit Sicherheit auf den Mann zurück-
geführt werden zu müssen, der zuerst mit dem Beifall seiner ZeitgeuoBsen
lateinische Jamben und Trochäen dichtete und bei diesem Bchwierigen
Werk gezwungen war, den schwankenden griechischen Kunstgesetzen
gegenüber sich die seinigen festzusetzen.
Schluss.
Man nennt gewöhnlich diese Versgesetze der altlateinischen Jamben
imd Trochäen roh und zügellos. Ich kann nicht finden, weshalb. Die
einzige scheinbare Zügellosigkeit , die Zulassung von 1 Länge oder von
14'
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ooQie
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2 Kürzen in jegliche Senkung der Jamben und Trochäen, ist zur Hälfte
durch die grichischen Komiker schon gegeben imd von den Lateinern
durch die Regeln über betonten Wortschluss an den kritischen Stellen
der Dipodien wieder in Gesetzmässigkeit verwandelt; über die Elisionen zu
urtheilen ist schwierig, da wir auch über die Schönheit oder Unschönheit
der griechischen Elisionen noch nicht genügend urtheilen können. Aber
in allem Uebrigen haben die Lateiner entweder die nemlichen, oft feinen
Gesetze wie die Griechen oder noch strengere Gesetze als die griechischen
Komiker, ja zum Theil strengere als die griechischen Tragiker.
Die Gesammtzahl dieser Gesetze entspricht dem Wesen des lateinischen
Stammes: sie sind verständig und einfach. So ist es auch erklärlich, dass
der Versuch Beifall fand und die dort angewendeten Regeln die Schul-
regeln wurden. Wie wir trotz aller möglichen ausländischen Muster von
Dichtimgsformen doch von den Grundgesetzen, welche Opitz geschaffen
hat, uns nicht haben losmachen können, so blieben auch die Neuerungen,
welche in der altlateinischen Dichtung sich finden, fast alle unerschüttert,
ja die Ausnahmen, welche in Hinsicht auf die zahlreichen entgegenstehenden
Fälle bei den Griechen in der altlateimschen Dichtung noch hie und da
gestattet waren, verschwinden später mehr und mehr. Selbst den'eifrigsten
Nachahmern der Griechen gelang es später nicht mehr, zur Freiheit oder
Gesetzlosigkeit der Griechen zurückzukehren und z. B. animus zu betonen
oder Verse ohne die bestimmten Cäsuren zu dichten oder Gäsurschlüsse
wie iLia&elv (fei oder Zeilenschlüsse, wie cäpüt meum oder alnv/i^ta naZj
bei den Römern einzubürgern. Durch Wiedereinführung des Dipodien-
gesetzes der griechischen Tragiker geriethen die späteren Puristen in
eine Klemme, indem sie die Beweglichkeit des komischen Trimeters auf-
gaben und doch wegen der Beibehaltung von Anapästen imd wegen der
besonderen Behandlung des 5. Fusses den Charakter des tragischen Tri-
meters nicht wiedergaben, so dass sie nur eine neue Gattung, den spät-
lateinischen Senar, schufen.
Dagegen hat der Mann, welcher im Bau der Jamben und Trochäen
die geschilderten Neuerungen machte, die lateinischen Dichter auf den
Weg geführt, auf dem sie eigenen Ruhm erwarben. Er hat weit mehr
als seine griechischen Vorbilder auf die Verbindungen geachtet, welche
Senkung und Hebung miteinander eingehen, sowohl im Innern der Zeile,
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als insbesondere im Caesur- und Zeilenschluss. Er hat damit nicht nur
den spätem Dichtem die Regeln für den Bau jambischer und trochäiscber
Zeilen geschaffen, sondern einen Grundsatz aufgestellt, den gewiss einst
jeder Römer schon in der Schule gelernt hat, dass Jedermann, der
griechische Versmasse nachahmen wolle, gar manche Dinge sorgfältig
behandeln müsse, an welche die griechischen Dichter noch nicht gedacht
hätten, insbesondere die Bildung der Caesur und des Zeilenschlusses, die
Elisionen und Aehnliches. So wird begreiflich, wie die feinem Regeln
aufkommen konnten, welche seit Virgil und Ovid den lateinischen Hexa-
meter beherrschen, wie Horaz dazu kam, in den Odenmassen, die er zuerst
in lateinischer Sprache nachahmte, bestimmte Regeln aufzustellen, welche
die Griechen nicht gekannt hatten. Besonders die sorgfältigen Unter-
suchungen Lucian Müllers haben gezeigt, welch ausserordentliche Sorgfalt
die späteren lateinischen Dichter auf den wohlklingenden Bau der Vers-
zeilen verwendet haben. Haben die Griechen auch weit Grösseres geleistet^
indem sie die wimderbare Mannigfaltigkeit ihrer Dichtungsformen schufen,
so haben die Lateiner immerhin einiges Lob verdient, indem sie die
nachgeahmten Zeilenarten im Einzelnen sorgfältiger und wohlklingender
ausbauten. Auf diesen Weg aber hat die lateinischen Dichter der Mann
gewiesen, der zuerst die einfachen jambischen und trochäischen Zeilen
der griechischen Dramatiker in lateinischer Sprache nachgeahmt hat.
Damit das Ende dieser Untersuchung zum Anfang zurückkehre, so
sei hervorgehoben, dass, wie vor Augustin kein lateinisches Gedicht sich
findet, das nur nach dem Wortaccent gebaut ist, so auch keines sich
findet, bei dessen Bau neben der Quantität auch noch der Accent der
Silben mehr oder minder berücksichtigt wäre. Der Ursprung der ryth-
mischen Dichtung der Lateiner bleibt also noch immer ein RäthseL
Die Lösimg dieses Räthsels wird in einer andern Abhandlung versucht
werden.
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410
Nachtrag zur Note auf S- 66 — 68.
Geschiebte des grieehlscheii nnd lateinischen Trimeters
in den späteren Zeiten.
Lykophrons Alexandra, die Gedichte der Anthologie, die von Eaibel zusammen-
gestellten Inschriften, die Nachahmungen bei CatuU, in den Priapeia und in den Cata-
lecta Vergiliana, zeigen den streng gebauten, lyrischen Trimeter der Alexandriner ; nur
bei Philipp Thessal. finden sich Freiheiten (oben S. 67), die an die Richtung der damaligen
römischen Poesie erinnern. Für die nächsten Jahrhunderte fehlen mir Beispiele. Die
etwa 38 Dimeter, Trimeter, Choliamben, katalektischen Trimeter und Tetrameter des
Diogenes Laertius (II, 58. 120. IV, 27. 55. V, 79. VU, 164. 176. 184) haben regel-
mässige Caesuren, keine Anapaeste und nur 5 aufgelöste Hebungen, folgen also dem Ge-
setze des lyrischen Trimeters.
Dass in Verbindung mit dem ithyphallischen Verse der komische Trimeter bei
Festgesängen gebraucht wurde (Athen. XH^ p. 622 und besonders VI p. 253), be-
fremdet nicht; auffallend ist die andere — oben übersehene — Verwendung des
komischeu Trimeters zu lehrhaften, wissenschaftlichen Darstellungen, worauf Meineke
Com. Hist crit. p. IX-XV hinwies. Zwar die philosophischen» Trimeter des Epicharmus
stammen wohl nur aus Komödien ; die von Meineke dem Aristo Chius zugeschriebenen
Fragmente sind unsicher und die dem Krantor zugeschriebenen Trimeter haben keine
entschiedene komische Färbung, da der Anapaest im 4. Fusse bei Stob. 97, 6 (pQovifjLOvg
unsicher ist. Dagegen sind die Verse des Kleanthes (vgl. C. Wachsmuth commentatio II.
de Zenone Cit. et Cleanthe Assio, Götting. Index 1. 1874/75 p. 7) entschieden komische
Trimeter; freilich sind mehrere Fragmente sicher Stücke eines Gedichtes in Dialog-
form. Zur trockensten wissenschaftlichen Darstellung wurde der komische Trimeter
verwendet von ApoUodor von Athen in seiner grossen Chronographie (Fragmente bei
Gellius 17, 4, Diog. Laert. 8, 74., Roeper im Philol. Anz. II p. 24 und Gomperz
Jen. Literaturz. 1875 p. 604) und in der Geographie, welche von Strabo (14, 5, 22
6 di IdftoXkoduiQog %al xuQoyQaq^iav i^idwxev iv xco/u£x<p /uer^ yrjg nBqiodov ini-
yqaipag) dem ApoUodor, von Diels (Rh. Mus. 1876 S. 10) einem kurz nachher leben-
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den Griechen zugeschrieben wird. Etwa aus dem 1. Jahrhundert vor oder nach
Christus stammen die etwa 970 komischen Trimeter der Periegese des Shymnus Chius
und die 150 des Dioftysius^ dann die etwa 1600 des Mediciners Servilius Damokrates
(vgl. S. 67), welche Galen (ed. Kühn vol. XII. XIII. XIV) in den Büchern neQi aw-
-d^eoBtog qxxQfiaxwv und ntQi dvTidorwv einzusetzen pflegte, weil so die Lehren über-
haupt, insbesondere aber die wichtigen Zahlen sicherer dem Gedächtniss eingeprägt
würden. Die komischen Trimeter des Apollodor, Skymnus und Dionysius sind fein
gebaut (vgl. Meineke's Ausgabe S. 44 und 66); um so unglaublicher sind für diese
Zeit die schlechten Trimeter bei Servilius Damokrates (z. B. Spondeen im 2. und
4. Fusse), welche sich sogar in der Ausgabe Bussemakers finden.
Zu solchen wissenschaftlichen Gedichten wurde gerade der komische Trimeter
wahrscheinlich desswegen gewählt, weil er den Eigennamen und technischen Aus-
drücken leichter Unterkimft bot, mit minderer Mühe zu bauen war und der gewöhn-
lichen Rede sich mehr anschmiegte als der tragische oder der lyrische Trimeter. Das
deutet auch Skymnus an, indem er seine Geographie beginnt: Tlarnov dvayyiaiotaxov
ij %(i)fjn^dia . . xov%' exsi, to xat ßqaxkog ixaata xai fpQcc^eiv aaq>wq, und dann nach
einer Inhaltsangabe der Chronographie des Apollodor bemerkt: Merq^) de ravrrjv
exTi&evai TtQoeiXero^ T<^ %iji}(jii%i^ de xr^q aaq)rp^eiag xciQiVy Ev^vrjfxovevrov iaofdevrpf
oikwg OQwv. Hieraus möchte man schliessen, dass schon Apollodor die Anwendung
des komischen Trimeters zu rechtfertigen suchte, und dass die räthselhafte Bemerkung
des Suidas ^!^7toXl6dwQog riQ^e nqwTOV tüv TQaytdfißwv hieraus ihren Ursprung hat.
Aus dem 2. und 3. Jahrhundert nach Christus fehlen mir Beispiele jambischer
Dichtungen; Babrius behandle ich bei den Lateinern. Die aus dem 4., 5. und
6. Jahrh. oben (S. 67) angeführten Beispiele des Gregor Naz., Palladas, Paulus Silent.
und Agathias zeigen, dass aus dem wissenschaftlichen Gedicht der komische Trimeter
in die anderen Dichtungsgattungen eingedrungen war. Wie im Hexameter im 5., so
muss hier im 6. Jahrhundert ein Rückschlag erfolgt sein.
Das späte Scholion zu Hephaestion (Script, metr. ed. Westphal I p. 151, Hoerschel-
mann, Scholia Hephaest. altera, Dorpat. 1882 p. 18) scheidet: To lafißixdv (jterqov
diaiQelrai elg ovo. to (jiev ydq avTOv naXelrai tgayinov ve xcri nw^ixov, <^ xcri rtSv
naXaiüv ol rtoXlot ixQi^oavto . , to de ^sqov tov la^ßixov fiäQog xaXeirai xa&aQOv
TB xal TQiineTQOv, Tovx^f öi oXiyoi twv dq^aiuv ixQriaavTO. Mag auch das Schwinden
der prosodischen Kenntnisse zur Vermeidung der Auflösungen und Anapäste getrieben
haben, ^) so haben doch die Byzantiner mit Bewusstsein den alten dramatischen Tri-
meter aufgegeben und den lyrischen eingeführt. Denselben finden wir ziemlich rein
zuerst bei Georg Pisides; z. B. in den 252 Versen der 1. Acroasis der Expeditio
Persica kommen 2 aufgelöste Hebungen, 3 Anapäste im 2. und 2 im 4. Fusse vor,
1) Die ebenso frühe als merkwürdige Missachtung der Prosodie bei Methodius Pat. hat wohl
andere Gründe.
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aber in den 541 Versen des Bellum Avaricum nur 1 aufgelöste Hebung und 1 Ana-
päst (im 2. Pusse). Noch reiner sind die christlichen Gedichte der Anthologie, die
freilich meistens schon den Accent auf der 11. Silbe haben. In diesen Zwöl&ilbem
wurde später die Prosodie bisweilen auf das greulichste missachtet, wie in den Versen
des Pseudokallisthenes, wobei freilich hie und da falsche Theorien mitgespielt haben
mögen. So ist jener dorische Trimeter mit Längen auch in der 2., 4. und 6. Senk-
ung (vgl. Tzetzes in Cramer Anecd. graeca 3 p. 308 und Hart de Tzetzarum no-
mine etc. p. 72) nicht nur mit Absicht von Tzetzes vor seinen Hesiodscholien ange-
wendet, sondern vielleicht von manchem andern Dichter, wie von den Medicinem bei
Ideler Physici et Medici U p. 328—352.
Der spätlateinische Senar.
Die spätere Geschichte des lateinischen jambischen Senars ist von der des
griechischen weit verschieden. Den altlateinischen Senar finden wir abgesehen von
Phaedrus und den S. 66 erwähnten Gedichten bei Antonius Musa, Precatio terrae
und Precatio herbarum, nur bei Apuleius und Ausonius verwendet. Die 24 Senare
des Apuleius l^vexof^evog ex Menandro (Bährens Poet. min. IV p. 104) haben 20
aufgelöste Hebungen (auch Venus imd fäcit), 3 Anapäste im 1., je 1 im 4. und 5. Fusse,
7 Spondeen im 2. und 10 im 4. Fusse, wobei nur der eine Anapäst im 4. Fusse regel-
widrigen betonten Wortschluss bildet. Die 8 Senare in der Apologia cap. 6 haben
6 aufgelöste Hebungen, 1 Anapäst im 1., 4 Spondeen im 2. Fusse. Ausonius hat
in seinem Ludus VH Sapientium (212 Senare) ebenfalls den altlateinischen Versbau
angewendet, was Raehse (de re metrica Ausonii) nicht einmal gemerkt hat. Er hat
56 aufgelöste Hebungen, davon 16 in zweisilbigen Wörtern und V. 223 agere im
1. Fuss, 3 Anapäste im 1., 5 im 5. Fusse. Im 2. Fuss stehen 5 Anapäste und 15
Spondeen, im 4. Fusse 6 Anapäste und 48 Spondeen. Regelwidrigen betonten Wort-
schluss (im 2. oder 4. Fusse) bildet wiederum kein Spondeus (denn 118 ministrorüm
ist nur Conjektur), dagegen 1 Anapäst (209) im 2. und 3 im 4. Fuss. Dazu kommen
die falsch gebildeten Anapäste: a) V. 80 nömmÄ s^rta und 108 fan^ris fpsum (beide
Conjekturen) und b) 132 manendo Solonem, 133 paücä diu, 138 yvw&i aeavzov und
212 ab£r? mol&tus. 10 Verse haben jambische Wortschlüsse im 5. Fuss, 12 Verse
die Caesur sicher im 4. Fusse, V. 177 keine Caesur. Altlateinisch ist vielleicht auch
der Bau von Auson's trochäischen Septenaren.
In allen übrigen Dichtungen ist der spätlateinische Senar angewendet,
welcher, aus dem lyrischen Trimeter der Alexandriner hervorgegangen, durch selbständige
Aenderungen bei Horaz und noch mehr bei Seneca als eine von dem tragischen,
komischen, wie lyrischen Trimeter der Griechen und von dem altlateinischen Senar
verschiedene, eigene Art auftritt. Das Hauptmerkmal ist, dass die 2. Senkung jeder
Dipodie nur durch 1 Kürze gebildet wird, eine Regel, die nur bei Avien, Auson,
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113
Paulinus und Capella verletzt wird, hauptsächlich in Eigennt^en und Fremdwörtern.
Im übrigen dreht sich die Geschichte des spät-lateinischen Senars hauptsachlich um
die aufgelösten Hebungen, die Anapäste, die Caesur, die Bildung des vorletzten Fusses
und des Zeilenschlusses. Die meisten Punkte hat Lucian Müller in dem Buche de re
metrica behandelt, doch wird die folgende Darstellung ihren Nutzen haben. Ich be-
handle dabei auch die übrigen jambischen Zeilen und (mit Ausnahme des Terentianus
Maurus) auch die trochäischen Septenare. Zu bemerken ist, dass die jambischen Senare
stets mehr Anapäste imd aufgelöste Hebungen bieten als die übrigen jambischen imd
trochäischen Zeilenarten.
Die aufgelösten Hebungen sind bei Seneca weitaus am häufigsten; im
Laufe des 5. Jahrhunderts verschwinden sie fast ganz. Ein einzelnes jgweisilbiges
Wort nehmen sie bis Terentianus nicht selten eiu; später finden sich nur sehr wenige
der Art bei Paulinus und in den Trochäen des Ausonius (viele natürlich in den alt-
lateinischen Senaren des Aiisonius). Die fünfte Hebung ist nur 5 Mal bei Seneca und
1 Mal bei Prudentius aufgelöst, abgesehen von den sogleich zu erwähnenden Fällen.
Die Betonung qualia im 1. Fusse nennt Zechmeister (Wiener Studien I p. 140) eine
abscheuliche und nicht einmal bei Plautus, geschweige denn bei Paulinus von Nola
mögliche, mit unrecht (vgl. S. 36); denn sie findet sich bei Seneca, Petron, Terentian,
Avien. Auson, Paulin, Prudentius und Capella. Wie diese harten Betonungen im
1. Fuase, so dürfen auch die im 5. Fusse bei Avien (stadfa. tenüe), Paulin (deposfta)
und Capella (decipula) zugelassen werden, da ja auch diese beiden Füsse allein den
Anapäst statt des Jambus zulassen. Der Proceleusmaticus findet sich nur bei Teren-
tianus 2 Mal im 1. Fusse.
Anapaeste finden sich bei Seneca und Petron sehr viele, im 5. Fusse mehr als
im 1 . , einige sogar im 3. Fusse. Dies Yerhältniss änderte sich bald. Im dritten
Fusse findet sich nur noch 1 An. bei Terentianus ; (mit Flodoard rechne ich natürlich
nicht mehr). Der Anapäst im vorletzten Fusse wurde immer seltener; dagegen der
Anapäst im 1. Fusse war zu allen Zeiten ziemlich beliebt.
Die Caesur im 3. oder 4. Fusse fehlt sehr selten bei Horaz, Terentianus,
Avien, Paulinus, Prudentius; in der Caesur findet harte Elision sich oft bei Avien,
selten bei Horaz, Auson, Paulin; Hiatus ist in der Caesur nicht selten bei Capella.
Einsilbige Wörter vor der Caesur im 3. Fusse sind selten, noch viel seltener vor der
Caesur im 4. Fusse (bei Terentian und Prudentius). Die sichere Caesur im vierten
Fusse^ d. h. mit vorangehendem drei- oder mehrsilbigen Worte, ist im Anfange ziemlich
häufig; später verschwindet sie fast gänzlich (vgl. besonders Avien). Dass in den
Choliamben Caesur im 4. Fuss seltener sich findet, scheint natürlich; aber sonderbar
ist doch, wie selten (10 -f- 6 Mal) Martial dieselbe hier anwendet; denn dass die
sämmtlichen 6 Zeilen von I, 77 die Caesur im 4. Fusse haben, bezeugt gerade, wie
auffallend sie war.
Im vorletzten Fusse haben Seneca und Petron die Regel des altlateinischen
Senars bis dahin übertrieben, dass sie in die vorletzte Senkung überhaupt keine Kürze
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wis8. XVU. Bd. I. Abth. 15
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114
setzten; (vgl. oben Seite 41). Aber ihre Nachfolger lassen alle eine Kürze in der
vorletzten Senkung unbedenklich zu, dagegen kommt der betonte Wortschluss wieder
in Frage. Die einen, wie Terentian und Avien, lassen ihn unbedenklich zu, die meisten
aber meiden ihn, ähnlich wie die altlateinischen Dichter und wie Horaz in den Dimetem.
Zu bemerken ist jedoch, dass in den spätesten Zeiten sich im leteten Fusse auffallend
wenige zweisilbige Wörter finden, wohl eine Einwirkimg der rythmischen Poesie, die
ja im jambischen Zeilenschluss keine zweisilbige^ Worter brauchen kann. Die 5. Senk-
ung der Choliamben ist 1 Kürze; nur bei Babrius und Boetius einige Male 1 Länge.
Die letzte Hebung wird zu allen Zeiten selten durch ein einsilbiges Wort
gebildet, üeber Horaz und Seneca siehe oben Seite 48. Ausser est finden sich bei
Terentian fit. hie, bei Avien sunt, se, bei Auson sunt. hoc. ut. (et), bei Paulin et,
bei Prudentius nur in den Dimetem je 1 sunt. est. sit, bei Capeila es.
Die lateinischen Jambendichter der späteren Zeit.
Die jambischen Verse des CatuU, der Priapeia und Catalecta Yirgiliana
gehen theilweise noch über den strengen Bau der Alexandriner hinaus durch die Ver-
meidung von aufgelösten Hebungen (bei CatuU nur 22, 19. 37, 5. 59, 3. Priap. 51, 18.
58, 4. Catal. 13 (5), 13. 36. 40) und von Anapästen, noch mehr durch die rein jambischen
Reihen, von denen uns kein griechisches Beispiel überliefert ist. Horaz hat in seinen
Epoden wieder einige Freiheiten gewagt, mehr Auflösungen und einige Anapäste
(2,35. 65; 2,35. 5,79. 11, 23), sonderbar gehäuft in Ep. 2, 35. 5,15. 17,12; offenbar
meidet er einigermassen den jambischen Wortschluss im vorletzten Fusse; (vgl. femer
oben S. 41. 48. 54. 55. 59. 65.).
Der Senar, wie er bei Seneca und Petron (§ 89) auftritt, ist eine Mischung
des griechischen Senars (Kürzen in der 2. und 4. Senkung) mit altlateinischen Elementen.
So sind sehr viele Hebungen aufgelöst, doch nur selten im 5. Fusse (in 5 Versen des
Seneca), nicht selten fallen sie in zweisilbige Wörter, z. B. Phaedra 196 quöque, 232
genus, 272 läbor, 483 magis, 601 locus, 685 ego, 845 quöque, (1067 mihi), 1111
modo, 1180 St^ga; Petron 18 metus. Im 1. Fusse kommen Betonungen vor, wie
die des Petron: 6 robora, 24 altaque, 31 undaque. Die 5. Senkung ist so gut wie
nie durch 1 Kürze gebildet (vgl. S. 41), geschweige dass der vorletzte Fuss jambischen
Wortschluss bilde; (Vgl. noch S. 48. 54. 55. 60). Für Seneca konnte ich nur Hoche,
die Metra des Trag. Sen., benützen. Dieselbe Häufung der aufgelösten Hebungen
und Anapäste zeigt sich beiPersius, Martial und dem nach römischer Weise
dichtenden Babrius. Auffallend ist bei Martial, dass so ausserordentlich wenig Choliam-
ben die Caesur im 4. Fusse haben: von den 790 nur 10 ([3, 93, 20]. IV, 37, 4. 61,
14. V, 14, 8. 37, 13. 24. VI, 74, 4. VIII, 44, 3. XH, 13, 2. 32, 11), und die sämmtUchen
6 Zeilen von I 77 (vgl. Rossignol, Fragments d. Choliambographes p. 24): während
Babrius gerade durch die grosse Zahl dieser Caesuren (z. B. 15 unter 111) auffällt;
dann hat B. im 5. Fuss (selten) einen Spondeus, im 6. Fuss fast stets Paroxytonon.
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115
Für das 2. und 3. Jahrhundert fehlen mehr Beispiele; die 17 Dimeter bei Oellius
19, 11 lehren wenig. Terentianus Maurus, der wohl noch in das 3. Jahrhundert
fallt, hat ziemlich rauhen Versbau; in V. 1613 und 2308 steckt der 3. und 4. Fuss
in dem Wort trisyllabis; in V. 1587. 1670. 1688. 1716. 2247 büdet der 3. Fuss
jambischen oder spondeischen Wortschluss und fehlt auch im 4. Fusse die Caesur;
noch schlinuner klingt Y. 2243 Aristophanis ingens micat soUertia, und schlecht ist
die Caesur im 4. Fusse 2268 carmen per ömne; Zeilenschluss bildet fit 1678 u. 2425,
hie 2361 und oft est. Anapäste stehen wenige im 5. Fusse, dagegen 1 im 3. Fusse
Y. 2384 quia prima und 2 Proceleusmatici im 1. Fusse: 2226 quia stolida und 2357
is erit anapaestus; am jambischen Wortschluss im 5. Fusse nahm er keinen Anstoss.
ImPervigilium Yeneris stehen sehr wenige aufgelöste Hebungen und Anapäste;
der 1 jambische Wortschluss im vorletzten Fuss 89 venft meüm ist imsicher. Dagegen
ist der jambische Wortschluss im vorletzten Fusse bei Tiberianus (Bährens Poet. min.
III p. 264) sicher. Die 46 Senare und 25 Choliamben bei Julius Yalerius Res
Alexandri M. habe ich nicht benützen wollen; es wäre sehr zu wünschen, dass wenigstens
diese Stücke mit genügender Yergleichung der Handschrifben neu edirt würden.
Der Yersbau des Avien ist ziemlich rauh; er vermeidet es zwar (hierin ist er
fQr uns der Erste) eine aufgelöste Hebung durch ein zweisilbiges Wort zu bilden,
allein er hat im 1. Fusse die Betonungen 122 Adfcit et, 368 Agere car., 553 Popülus
ag., 601 Gapita iug., und im 5. Fusse 313 per stadfa modo und 335 Locös utrosque
inter fluit tenüe fretum (L. Müller freilich ändert 313 und betont 335 tenue). Auf-
fallender Weise fand ich kein sicheres Beispiel für Caesur im 4. Fusse; dagegen ist
häufig harte Elision im 3. Fusse, wie wir sie eben in 335 sahen, (besonders hart
in 373); in Y. 130. 167. 186 fehlt die Caesur. Jambischer Wortschluss im 5. Fasse
ist unbedenklich zugelassen und der Zeilenschluss in 8 Yersen durch est ohne Elision,
in 5 durch sunt, in 2 durch se gebildet. Dem Eigennamen zu Liebe scheint Y. 655
ein Anapäst im 2. Fusse gewagt zu sein.
Ausonius meidet ebenfalls schon die Anapäste im 5. u. die Caesur im 4. Fusse;
auffallender sind die Spondeen im 2. Fusse der jambischen Dipodie; so im 2. Fusse
des Senars: Prof. 16, 13 Et Epirote, im 4.: Epist. 21, 23 salvSre und 39 crucian/f,
dann in den Dimetem: Epist. 16, 22 ÄugtistU 75 Ausonit«« women, 74 apolo^os ew.,
Ephem. Parecb. 10 Bei divfnae, 17 Maies^a^ wnius dei. Cento 4, 2 lasciva Paule;
dann der Anapäst im 2. Fusse des Dimeters Epist. 16, 81 Fandi Titidmis; (falsch
gebildet wäre der Anapäst Ephem. Par. 20 Et cogitatio nüminis); auch der Dimeter
Epist. 16, 87 Silvios Julis miscuit zeigt, dass insbesondere der Eigennamen wegen die
strengsten Yersregeln gebrochen wurden. Am auffallendsten ist der Bau seiner 22
trochäischen Septenare, wo nicht nur 1 Mal (Prof. 12,7) die Caesur in harte Elision
fällt, sondern nicht weniger als 11 Mal das Dipodiengesetz verletzt ist. Da zu alt-
lateinischem Yersbau (worauf freilich auch die aufgelösten Hebungen lege und tibi
deuten) durchaus kein Anlass vorlag, anderseits Auson nicht die 3., sondern nur die 1.
und 5. Senkung, also den Anfang jeder Halbzeile regelwidrig gebildet hat,* so ist das
15*
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116
vielleicht eine bewusste AenderuDg des Auson selbst. Sonst ist zu bemerken der 1. Fuss
Epifsp*. 114, 28 Yenfat in und die Schlüsse est, sunt, hoc, ut, denen wohl in Epist.
16, 14 et beizurechnen ist, damit nicht im nächsten Verse ^Et mellifluentem Nestora'
ein Anapäst im 2. Fusse steht. (Vgl. T. Raehse, de re metrica Ausonii, Rostocker
Diss. von 1868, und Schenkls Index metricus.)
Der Text des Paulin us von Nola ist in Migne's Abdruck leider noch sehr
entstellt. Senare ohneCaesur finden sich Poema 7, 3; 24, 659. 895; harte Elision in
der Caesur Poema 10, 65. 11, 67. 24, 917. Harte Betonimgen im 1. Fusse comfbus
Poema 24, 883 und qualia 24, 329 und wohl zu halten ist auch die gleiche Betonung
im 5. Fuss P. 10, 75 vel mage deposita sibi (dagegen Zechmeister I p. 140). Auf-
fällig sind bei Paulinus die unreinen Senkungen im 2. Fusse der Dipodie. Manche
derselben hat Zechmeister (Wiener Studien I p. 139 folg. II, 310) beseitigt; allein er
selbst hat im 4. Fusse der Senare 2 Anapäste gelassen 24, 413 nee lapide ärtus und
617 m6rt<7?cans, denen wohl 10, 24 nön ope sed und 10, 75 vel mage deposfta zuzu-
zählen sind, dann 24,319 Caligfs tarnen iste im 2. Fuss (dagegen Zechmeister I p. 140
und II, 310); der Proceleusmaticus in 24, 407 Parvö breve per iter aere conductum
sedet ist vielleicht durch Umstellung zu entfernen Breve pärvo per iter. Wenn dann
auch der Dimeter 24, 820 Sic mixtus ut non mix^w^ sit unmöglich ist, so ist doch
der andere Dimeter 24, 364 Cui Cen/Mmce/las nomen est und die 18 Spondeen im
4. Fusse des Senars bei Zechmeister I p. 144 unbestreitbar. Den Zeilenschluss bildet
Paulinus in 3 Versen durch et (10, 37. 24, 167. 492). Ein zweisilbiges Wort füllt
die aufgelöste Hebung in 24, 221. (427). 657.
Prudentius hat seine Jamben sorgfältig gebaut. Doch ist noch ein grosser
Unterschied zwischen der langen Erzählung über Bomanus (Perist. X; 1140 Senare) und
den übrigen jambischen und trochäischen Zeilen. Denn während in jener Erzählung
ziemlich viele Anapäste, manche Auflösungen (im 5. Fusse 667 fiUole ait und im
1. Fuss die harten Betonungen 675 genera, 791 und 841 talfa, 788 novit animator,
1004 quaerit alienus), manche Caesuren im 4. Fusse (darunter die schlechten 809 in-
belU fama ac und 842 iendebdt sub) und einige caesurlosen Verse (12; 17. 108. 921)
vorkommen, so stehen in den übrigen jambischen und trochäischen Zeilen weniger
Anapäste, fast gar keine Auflösungen (nur in den Dimetern Cath. 12, 141 Sic stulta
PÄdraonis mali und Perist 2, 83 Et sununa piet&s creditur; dann in den trochäischen
Septenaren Cath. 9, 40. 103 und Perist. 1 , 72) und stets die Caesur im 3. Fusse.
Vor der sicheren Caesur im 3. Fusse steht nie ein einzelnes einsilbiges Wort.
Von Ambrosius sicher verfasst sind die vier Hymnen 'Dens creator omnium\
'Aeterne rerum conditor*. *Veni redemptor gentium*. *Jam surgit hora tertia' (nach
Joh. Kayser, Beiträge z. Gesch. u. Erkl. d. ältesten Kirchenhymnen. 2. Aufl. 1881).
Diese 120 Dimeter sind sehr streng gebaut; (5 Elisionen im Ganzen). Sowohl die
beiden Anapäste finden sich in einer Strophe (*Veni redemptor 4, 2. 3) als die beiden
jambischen Wortschlüsse im vorletzten Fuss fJam surgit* 8, 2. 4). Von den übrigen
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117
von Aurelian vor a. 555 genannten Hymnen sind nur 2 ähnlich rein : *Ter hora trina
volvitur' 24 Dimeter und *Hic est dies verus dei' 40 Dimeter.
Martianus Capella (vgl. F. 0. Stange, de re metrica M. C. Leipzig Dissert.
1882 p. 20 — 31) hat mehrere auflFallende Eigenthtimlichkeiten. Unter den wenigen
aufgelösten Hebungen findet sich § 997 (Eyssenhardt) Satüra im 1. Tind § 423 deci-
pfUa im 5. Fuss. Die Caesur findet sich stets im 3. Fusse, doch 10 Mal mit Hiatus.
Während Capella sonst nur selten wie Paulinus im 2. oder 4. Fusse Spondeus sich
erlaubt (im 4. Fuss: § 120 fructüs aethram? § 914 fescennlna; im 2. Fusse: § 423
sorftas; 704 Intricänte. voluptas fnquit. üt credatur), so sind diese Fehler in den
27 Zeilen von § 997 — 1000 so gehäuft, dass man wohl an System Wechsel denken muss.
Bei Sidonius (epist. 14), Luxorius und Asmenius (Bährens Poet. min. IV
p. 387. 400. 152) sind nur die Anapäste im 1. Fusse geblieben, alle Auflösungen,
Anapäste im 5. Fusse und Gaesuren im 4. Fusse geschwunden; freilich bekennt Sidonius
^metrum diu infrequentatum durius texitur. Dagegen Boetius folgte in seiner C!onso-
latio Philos. einem freieren Muster.
Nach dem zufallig benützten Dichter oder Grammatiker richten sich die wenigen
Dichter, welche im Mittelalter Jamben fabricirt haben. So Flodard Rem. (um
950, Migne Patrol. 135), der in seinem Gedichte De triumphis Christi viele Senare
hat. In den 150 Versen de tr. Chr. Antiochiae I cap. 7 — 11 finden sich z. B. 10 Verse
mit Caesur im 4. Fusse, 2 ohne Caesur, 3 mit der schlechten Caesur im 4. Fusse, wie
trusos in fmis; dann 13 Anapäste im 1., 1 im 5. und bei Eigennamen 2 bis 3 im
3. Fusse; Auflösungen nur 2 (equüleo und sibi); im Zeilenschluss von nur 8 Versen
ein zweisilbiges Wort, dem in einem Verse ein jambischer Wortschluss vorangeht.
In den 70 Versen de Triumph, apud Italiam XIH cap. 26 — 30 finden sich 10 Anapäste
im 1., 1 im 5. Fusse und 1 aufgelöste Hebung; 8 Verse haben die Caesur im
4. Fusse, 1 V. keine; 8 Verse schliessen mit einem zweisilbigen Wort, dem in 2
jambischer Wortschluss vorangeht.
Dagegen hat Hermann von Reichenau a. 1044 — 1046 (ed. Dümmler in Zeit-
schrift f. deutsch. Alterthum 13 (1865) p. 385—434) in 1162 Dimetem keine Auf-
lösung, 34 Anapäste im ersten, aber keinen im 3. Fusse; 26 jamb. Wortschlüsse im
3. Fusse; Elisionen ziemlich viele; im Zeilenschluss nur vis, sis und sit. Durch die
grossartigen Schöpfungen der rythmischen lateinischen Dichter seiner Zeit Hess Metellus
in Tegemsee a. 1167 sich verführen, in seinen Quirinalia (ed. Canisius-Basnage III, 2)
die Strophenarten des Horaz'und ähnliche nachzuahmen. In den gewöhnlichen Tri-
metem hat er keine Anapäste und keine Auflösungen, aber in seinem Metrum jambicum
Archilochium S. 166 und 169 versucht er diese Freiheiten anzuwenden, doch in
schrecklicher Weise z. B. übi dum populf frequentia se densans premit. Von Caesuren
war in seinem metrischen Handbuch nicht die Rede, also finden sich auch keine in
seinen Senaren.
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1
— \J w
1
5
SJ w
8
5
\j —
8
\j —
3VH-2Va
rein jambiBcbe Senare
Senare
Chol Jamben
jambische Septenare
51
4
126
13
1
0 1
\
0
0
0
0
0
0
0
0
1
nur ^ — j
3(-^)
12
0
8
(4+31/2)
Priapeiü
rein jambiiche Senare
Clioliamben
66
81
0
2
•
0
0
0
nur ^ —
14
0
Catalecta Virg
rein jambische Senare
Senare
Dimeter
Choliamben
40
20
20
18
0
1
2
0
0
0
0
0
0
0
0
1
0
nur ^ —
11
3
2
Eoraz Epoden
rein jumbieche Senare
Senare
Dimeter
33
278
226
0
22 +(4)
3+(l) ,
0
2
0
0
0
1 17
3
1
17
16, 8 Caes. mit harter Elision
1, 19 u. 11, 15 ohne Caesur
Sentca Trag5<Ui?n
Senare
8611
3640
1319
1846
1 0
oft
84 An. im 8. Fuss; 5. Senk.
stets lang
Tttrenim
Senare
Choliamben
65
8
33+(l)
1
10
1
17
0 ^
nur^-
6
1
1 An. im 8. Fuss; 5. Senk.
steU lang
TerMm Prolog
Choliamben
14
2
3
1
i ~
nur^ —
0
Martial
Senare
Dimeter
Choliftuiben in ilen ersten
28
28
110
5
i 8
25 +(4)
5
3
7
4
1
1
j
0
0
,nur^A
3
0
5. Senkung in 2 V. kurs
8. Senknng in 1 V. kurx
Caesur sehr selten im 4. F.
BahriuB Fab. 5ü.95
Choliamben
111
9+a)
6
—
auch
5
1
15
in 1200 Chol, etwa 250 Auf-
lösungen
Tertniianm Mauvits
Benare
Choliamben
3Va Jamben
300
21
30
25 + (8)
2-|-(l)
0
25
2
0
2
0
20
nur^i
nur ^ —
14
1
1 An. im 8. F. ; 2 Proceleusm.
im I .F.: 6 Sen. ohne Caes.
*J In der K Rubrik sind gezählt die Verse, in der 2. die Auflösungen, wobei die, welche ein
zweisilbig-es Wort einnehmen, in ( ) stehen; in der 3. die Anapäste im 1. Fuss; in der 4. die Ana-
piLBte und in der 6. die jambischen Wortschlüsse im vorletzten Fuss der Senare und Dimeter; in der
6, die Caeöuren im 4. Fuss der Senare.
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119
! (: J
---\ al 3 3V2+2V3
Pervigüium Veneris
trochäische Septenare 83
Tiberianus
trochäische Septenare 20
Ävien
Senare 700
Äusanius (ausser Ludus)
Senare 205
Dimeter ' 346
Choliamben 13
trochäische Septenare 22
Paulinus
Senare 754
Dimeter 522
Prudentius
^ De Romano. Senare 1140
Senare (sonst) 432
Dimeter 1723
5^/2 Jamben 51
3V2 Jamben 152
trochäische Septenare 234
Ambrosius, 4 Hymnen
Dimeter 124
Martianus Capeila
Senare 154
Dimeter 28
Sidonius
Senare 55
Boetius
Senare 16
Dimeter 39
Choliamben 25
Luax)riu8
Senare 16
Äsmeniits 1
Senare , 25
88
29
12
1
3 +(2)
94+(3)
16
38
0
2
0
0
3
101
24
26
4
112
57
82
16
77
0
11
72
38
4
14
1?
44
5
3
7
5
13
nur ^ —
(4+3V2)
(4-1-31/2)
0
(4+3V2)
12
13
0
(2V2+3)
(4+31/2)
2 —
0 —
20 0
0
0
auch
8 Anap. im 2/3, 1 im &" ?^
3 V. ohne Caesur, viele mit
harter Elision
i_l Mal; _±2 Mal
J. 6 Mal ; v^ v^ i 1 Mal
1 V. mit harter Elisioci
Dipodie oft Torletst
8 V. ohne Caes., 8 mit harter
Elision; _± H Mal;
vy w_4 4 Mal
4 ohne Caesur
5. Senkung stets kurz, ohne
Caes. Epil. 8
8. Senkung stets kurf
1 An. im 6/7 Fnss
10 V. mit Hiatus in Caeaiir«
_i_ u. _4_ oft in §
3 3 Mal
1907 ^lOOU
nur 8 xweisilbige Schlfttse
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120
Weil der Jambus nicht nur mit dem Spondeus, sondern auch mit dem Tribrachys,
Daktylus, Anapäst und Proceleusmatikus vertauscht werden kann, ist er ein viel sen-
siblerer Fuss als der Daktylus und bieten die jambischen Zeilen der wissenschaftlichen
Beobachtung viel mehr Merkmale als die daktylischen. Leider sind aus der späteren
Zeit wenige jambische Dichtungen erhalten. Von den griechischen Dichtem um Christi
Zeit wird in lyrischen Gedichten der von dreisilbigen Füssen fast freie lyrische, in
trockenen lehrhaften Gedichten der vielgestaltige komische Trimeter angewendet; im
4. bis in das ö. Jahrhundert herrschen für die verschiedenartigsten Stoffe nur komische
Trimeter; im 6. Jahrhundert konmit in allen Dichtungsgattungen der von dreisilbigen
Füssen freie zwölfsilbige Trimeter zur dauernden Herrschaft. Das übertreue Abbild
des lyrischen Trimeters der Alexandriner, welches Catull und Zeitgenossen von ihm zeigen,
findet sich bei Horaz und insbesondere bei Seneca durch eine Reihe von Zuthaten zu
dem von jeder Art der griechischen Trimeter verschiedenen, eigenartigen späÜcUeinischen
Senar umgestaltet, welcher im Laufe seiner Entwicklung, die er, von dem griechischen
Trimeter nicht weiter beeinfiusst, selbständig bis in das 6. Jahrh. durchmachte, zu einer
Reihe von 6 Jamben wurde, von welchen regelmässig der 1., 3. und 5. durch einen
Spondeus imd der 1. durch einen Anapäst ersetzt werden konnte, wobei stets der
3. Fuss durch Caesur zerlegt wurde. Aus dieser Zeile entwickelte sich der vom 6. bis
10. Jahrhunderte häufig angewendete rythmische Senar, der aus 5 + 7 Silben besteht,
von denen die 4. und 12. (also 4., 10. und 12.) den Wortaccent haben.
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Homer oder Homeirideu
von
W. Ohr ist.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wmä XVU. Bd. I. Abth.
16
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Homer oder Homeriden.
Wie viele Tinte ist nicht schon geflossen, wie viele Kräfte sind nicht
schon aufgewendet worden zur Lösung des grossen Problems der homeri-
schen Frage, und wie wenig ist die Sache vom Fleck gerückt, wie weit
sind wir noch entfernt von dem Ziele, von der allgemeinen Verständi-
gung auf Grund zwingender wissenschaftlicher Beweisführung? Ich selbst
habe es geflissentlich bisher in meinen Homerarbeiten vermieden^ den
Kern der Frage zu berühren; ich habe wohl Wege zur Lösung derselben
zu ebnen gesucht, habe auch hie und da die Frage selbst gestreift, aber
einer eigentlichen Besprechung derselben bin ich bisher immer mit einer
heiligen Scheu aus dem Wege gegangen. Doch jetzt, wo ich im Be-
griffe stehe, in einer Ausgabe der Ilias meine Untersuchungen zusammen-
zufassen und abzuschliessen, gilt es auch diesem obersten und schwierigsten
Problem offen in die Augen zu sehen. Wohlan denn, so wagen wir es
in dieser Abhandlung, gewissermassen einem Supplement der Prolegomena
unserer Ausgabe, auf das erstrebte Ziel direkt loszusteuern und die ebenso
hart bedrängte, wie gut verteidigte Feste endgültig zu nehmen!
*) Die Abhandlung wurde, was ich um Missdeutungen zu yermeiden ausdrücklich hier be-
merken will, bereis vor mehr als Jahresfrist der Akademie vorgelegt und erhielt vor dem Drucke
nur noch einzelne Zusätze.
16*
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124
Die Toralexandrinisclie Phase der homerischen Frage.
Die homerische Frage spielte schon eine Rolle in den Anfängen
wissenschaftlicher Kritik, in dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrech-
nung, in den Zeiten des Herodot und der Sophisten. Noch Pindar hatte
anstandslos die Aithiopis^) und die Kyprien^ dem Homer beigelegt, und
schon kurze Zeit nach dem Verfall der alten epischen Poesie hatte der
Elegiker Kallinos nach dem Zeugnisse des Pausanias IX, 9, 5 den Homer
für den Dichter der Thebais, und der Jambograph Archilochos nach
Eustratios, im Commentar zu Aristoteles eth. Nicom. VI, 7 für den Verfasser
des Margites ausgegeben. Sodann hatte selbst ein so klarer Kopf wie
Thukydides kein Bedenken getragen, in seinem Geschichtswerk III, 104 die
Hymnen, wenigstens den Hymnus auf den delischen Apollo, dem alten Homer
beizulegen. Ausser jenem Hymnus, der Aithiopis und kyklischen Thebais,
waren aber auch die Epigonoi^ und alle Werke des epischen Cyklus, die
Kvn^iay 'IXiag /uixffa, Noaroi etc. dem Homer zugeschrieben worden. Denn
um von den naiyria, die auch noch Suidas dem Homer beilegt, ganz ab-
zusehen, sagt vom epischen Cyklus ausdrücklich der gutunterrichtete Pro-
klos: ol a^xaloi xai top xvxXor dracpigovair dg ^Üutjgoy,^) und führen
auf das Gleiche die Fabeln der unter dem falschen Namen des Herodot
laufenden Lebensbeschreibung Homers. Denn wenn dort Homer bei
Thestorides in Phokäa die kleine Ilias, bei Chios in Bolissos die Kerkopes
1) Siehe Pindar Isthm. II, 5; die Worte des Dichters «U* "OfAtigos tot xixifAaxfy können
selbstverständlich nur auf den unmittelbar zuvor erwähnten, sich selbst entleibenden Aias bezogen
werden ; der unsinnige Zweifel des Commentators Chrysippos (s. Schol. zu V. 63), ob Aias oder
Odysseus gemeint sei, rührt eben davon her, dass der Grammatiker von dem Streit um die Waffen
des Achilleus in der Ilias gar nichts und in der Odyssee nur eine kurze Andeutung (Od. X 544
bis 547) fand, üebrigens stund die Stelle, auf die sich Pindar bezog, nach den Schollen zu V. 58
in der Aithiopis, nicht, wie man nach des Proklos Inhaltsangabe erwarten sollte, in der kleinen Ilias.
2) Siehe Aelian's Var. bist. IX 5 und vergleiche Welcker, Ep. Cykl. II 97 u. 138 und
Lübbert, Ind. lect. Bonn. 1881/82 p. 14.
3) Siehe Herodot IV^ 32; die Echtheit der Stelle bezweifelt ohne überzeugende Gründe Wolf,
proleg. c. 85 adn. 19; hingegen wollte Grote, history of Greece II 173 auch die "OfAriQ^ia intj des
Herodot V 67 auf die Thebais und die Epigonoi beziehen, gewiss mit Unrecht.
4) Unter jenen Alten scheint sich auch Aischylos befunden zu haben, wenn er nach Athe-
jiaios VUl p. 347 E seine Tragödien tefiaxfi ttSy '0/äijqov f4eyäXtüy dtinyaty nannte, da er zu den
meisten seiner Stücke den Stoff nicht der Ilias und Odyssee, sondern dem epischen Cyklus ent-
nahm; vgl. Welcker, Trilogie S. 484.
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125
und die Batrachomyomachia schrieb, und wenn die Tradition bei Strabo
p. 638 und Proklos, epic. graec. fragm. p. 15 u. 60, den Homer dem
KreophyloB aus Samos das Gedicht ülxotliag alwag zum Lohne für die
gastliche Aufnahme, und dem Stasinos die KvTjQia als Mitgift seiner
Tochter schenken Hess, so ist damit in mythischer Umhüllung angedeutet,
dass in alter Zeit auch mit diesen Dichtungen, den Kyprien, der Ein-
nahme von Oichalia, der kleinen Ilias, der Name Homers in Verbindung
gebracht worden war.
Jene Vorstellungen nun aber von einer die ganze ältere epische
Poesie umfassenden Thätigkeit Homers waren bereits vor der Zeit der
alexandrinischen Grammatiker geschwunden , ^) und den Grund hievon
müssen wir in der bald nach den Perserkriegen erwachenden Kritik der
Sophisten und Historiker suchen. So hat schon Herodot, der sonst so
leichtgläubige Autor, an der bekannten Stelle II 117, die zu verdächtigen
kein genügender Grund vorliegt, die Kyprien unter Berufung auf Ilias
Z 289 — 292 dem Homer abgesprochen,^ und kennt nicht bloss Plato
nur die Ilias und Odyssee als Werke des Homer, sondern stellt auch
Aristoteles in der Poetik c. 23 mit aller Bestimmtheit den Homer den
Verfassern der Kyprien und der kleinen Ilias gegenüber, wiewohl merk-
würdiger Weise auch er, poet. c. 4 u. eth. Nie. VI 7, noch den Margites
und die Paignia (rä roiavra poet. c. 4, vgl. Bergk, Gr. Lit. S. 775 An-
merkung 87) dem Homer beilegt.^) Die hier geübte Kritik war eine
1) Gut macht Mahaffy in seiner history of claasical greek literature auf die Analogie der
Psalmen Davids aufmerksam, von denen viele auBgesprochener Massen von anderen Dichtern
herrühren.
2) Herodot II 117: »attx ravt« de rd ^rtea [xai t66e to /w^iW] ovx ^xtara aXXd (uaXurra
^^Xotf ÖTi ovx 'OfAviQov ttt KvTfQia infd ictiv, dXX aXkov ity6s\ iy (Aiy yuQ roTs KvTtQiotai etgtirai
oJf XQiTttlos ix Indgitig * AXf^ay^Qos dnixtro «V ro "Huoy aytoy 'EXiy^y fvaU re ityfvfiari XQI^fifÄfyog
xat S-aXatTtTin Xtig, iy 6i */Aia<Ji Xiyfi aJf enXdCero ayuty avrijy. Das Urteil Herodots hat Plato
überzeugt, der in dem Euthyphro p. 12 A zwei Verse der Kyprien so anführt, dass er zwar
keinen bestimmten Verfasser nennt, aber mit ojro? 6 7ro4i;ri;V gewiss nicht den Dichterheros Homer,
sondern einen anderen unbekannten Verfasser bezeichnen wollte.
3) Nitzsch de historia Homeri I 107 stellt die Sache auf den Kopf, wenn er meint, in der
älteren Zeit sei dem Homer nur die Ilias und Odyssee zugeschrieben worden, und erst in der
späteren, als man die Fabel über das Vaterland und Leben des Dichters aufgebracht, habe man
auch seinen Namen mit mehreren Werken verknüpft. Schon seit dem 7. Jahrhundert hat man,
wenn auch nicht allgemein, Homer als Gesamtnamen für die Dichter der älteren Epen ausgegeben.
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126
durchschlagende, so dass sich ihr die Alexandriner und Grammatiker un-
bedingt anschlössen und nur über den Namen der eigentlichen Verfasser
hie und da einen Streit erhoben. Leider können wir aber bei dem
Mangel an ausgiebigen Zeugnissen den Gang der ablehnenden Kritik
nicht verfolgen, so dass wir namentlich darüber im Ungewissen sind, ob
Yon vornherein neben dem Homer in den Kreisen der Besserunterrichteten
andere Namen genannt waren, oder ob erst später auf Grund irgend-
welcher Combinationen Lesches, Stasinos, Arktinos, Kynaithos, Kreophylos,
Thestorides an die Stelle des Homer getreten sind. Jedenfalls war, wenn
auch zwei Ueberlieferungen, was doch immer das wahrscheinlichste ist,
schon seit Alters nebeneinander herliefen, zur Schlichtung der zwiespäl-
tigen Ueberlieferung die innere Kritik hinzugekommen, die sich, wie wir
aus Herodot und Aristoteles sehen, auf Spuren widersprechender An-
schauung und auf Verschiedenheit der poetischen Kunst stützte. Wir
könnten unsererseits noch die Nachahmung homerischer Motive, den
jüngeren Charakter der Sprache namentlich in Bezug auf das Digamma,
und die entwickeltere Stufe der Mythenbildung hinzufügen. Doch wie
sollten wir uns noch bemühen aus den winzigen Fragmenten, die uns
der Zufall erhalten hat, den Beweis der Unechtheit zu führen, nachdem
das Altertum, das noch die ganzen Gedichte vor sich hatte und keines-
wegs in der litterarischen Kritik eine übergrosse Kühnheit zeigte, so ein-
stimmig dem ablehnenden Urteile beigetreten ist?
Die Chorizonten.
So hat also die homerische Frage ihr erstes Stadium glücklich und
resultatvoll durchlaufen. Aber gleich auf der zweiten Stufe sollte es zu
Zwiespalt kommen und sollte die Feinheit der divinatorischen Kritik an
der Macht der Ueberlieferung und an der Autorität der Schule scheitern,
wenigstens vorerst nicht zur durchschlagenden Geltung kommen. Zwei
Gramatiker, Xenon und Hellanikos, die schon von den Alten unter dem
Namen oi xtügi^oyieg zusammengefasst wurden, sprachen dem Homer die
Odyssee ab oder nahmen für IliaB und Odyssee verschiedene Verfasser an.
Die Gründe, welche sie für ihre Meinung geltend machten, sind uns in
den Entgegnungen Aristarchs erhalten und neuerdings eingehend von
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127
Geppert, Ursprung der homerischen Gesänge (Bd. I S. 1 — 62) besprochen
worden^). Sie sind danach im wesentlichen folgende:
1. In der Ilias 2 382 ist Charis die Frau des Hephaistos, in der
Odysee f^ 267 Aphrodite; als Buhle eben dieser Aphrodite erscheint an
der bezeichneten Stelle der' Odyssee Ares, während derselbe in der Ilias
£359 und * 416 als Bruder derselben eingeführt wird.
2. In der Dias A 692 hat Nestor 11 Brüder, in der Odyssee Ä 286
nur 2, wenigstens nur 2 von derselben Mutter Chloris.
3. Die Ilias ß 905 schildert uns Hebe als jungfräuliche Dienerin
der Götter, weiss also noch nichts von dem in der Nekyia A 634 aufge-
zeichneten Zuge der dorischen Heraklessage, wonach Herakles von Zeus
die Hebe zur Frau erhielt.
4. In demselben Gesang der Odyssee A 634 treflfen wir das Haupt
der Gorgo im Hades, in der Ilias ß 741 trägt es die Kriegsgöttin Athene
auf ihVera Schilde.
5. In der Odyssee ;^ 21 ist Aiolos Herr der Winde (rainirjg dyijucür),
in dessen Behausung sie eingeschlossen sind, dem Winke ihres Gebieters
unterthan; die Ilias V^ 200 ff. weiss von jenem Herrscher der Winde
noch nichts. Die Windgötter sind ganz selbständig {avie^ovaioi schol.
V^ 229) und finden sich im Hause eines ihrer Genossen, Zephyros, zu-
sammen.
6. In der Odyssee J 259 ist Helena ein leichtsinniges Weib, das
gerne, wenn auch durch Aphrodite verführt, dem schönen Paris folgte,
die Ilias ß 356 = B 590 spricht von den Seufzern der gewaltsam ge-
raubten Helena (Elirrjg 6()/Lii^fiara xat azoraxovc,)^.
7. Die Odyssee lässt ihre Helden Fische essen cJ 368 f und fi 330;
in der Ilias essen die Helden nie Fische, erhält sogar der Fisch das Epi-
theton ieQog ix^s H 407 3).
1) Aus den Schollen zu r277 und E 741 ersehen wir, daas schon Aristoteles Einwendungen,
welche gegen die Einheit der beiden Dichtungen erhoben wurden, besprochen und gelöst hatte.
2) Wie wenig dieser Einwand begründet ist, hat gut Buttmann, Lexilogus II 5 nach-
gewiesen; statt 6(}fAnfJtaT€t schlägt jetzt Herwerden &^tiyijfittT€t vor.
3) Dieses ist weitaus der schwächste aller Beweise, dem obendrei^ von G. Curtius in
Kuhn*8 Ztschr. III 154 ff. durch eine andere Deutung von Uq6c = kräftig zappelnd, die Grund-
lage entzogen ist.
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128
8) In der Ilias B 649 heisst Kreta hundertstädtisch (Ärp^Tj;i/€;carou7roJtiy),
in der Odyssee r 174 hat Kreta nur 90 Städte (vgl. Rohde Rhein. Mus.
35, 430 f.)
9) Die Ilias und Odyssee unterscheiden sich von einander durch eine
Reihe von Eigentümlichkeiten in der Sprache, wie dass die Ilias nQonaQoi&e
nur in lokaler Bedeutung gebraucht (s. schol. AT 47 6), dass o/LLilog in der
Ilias das Schlachtgetümmel, in der Odyssee eine friedliche Versammlung
von Menschen bedeutet (s. schol. K 338), dass die Figur der Analepsis
häufig in der Ilias, nur einmal a 23 in der Odyssee gebraucht ist (s. schol.
M 96), dass die Odyssee mehrere in der Ilias noch nicht vorkommende
Ausdrücke des gewöhnlichen Lebens, wie Ivxyog r 34 und x^^^^^ r 28,
aufweist.
Schwerlich waren dieses alle Momente, welche die Chorizonten vor-
brachten. In Bezug auf die Anschauungen vermisst man namentlich
eine Erwähnung davon, dass in der Odyssee Hermes der durchgängige
Gött^rbote ist, während in der Ilias die Iris diesen Dienst versieht und
sich nur in dem letzten Gesang der Ilias mit Hermes in die Aufgabe
teilt ^), dass Poseidon erst in der Odyssee den Dreizack als Beherrscher
des Meeres führt, dass "OXvfxnog in der Ilias noch immer den Grund-
begriff des Berges durchblicken lässt, aber in der Odyssee ^42 — 7 ganz
losgelöst von seiner ursprünglichen Bedeutung den mythischen Göttersitz
bezeichnet^, dass das messenische Pherai in der Ilias / 151 dem Aga-
memnon dienstbar ist, in der Odyssee y 488 hingegen zur Herrschaft
1) Eingehend handelt darüber Jacob, Entstehung der Ilias und Odyssee S. 71 ff. Welche
von den beiden Anschauungen wirklich die ältere ist, wird man schwer ermitteln können; wahr-
scheinlich haben wir hier, wie sO vielfach in der Mythologie, nur die abweichenden Anschauungen
verschiedener Stämme oder Dichterkreise. Iris versah eben als Repräsentantin des Regenbogens
jenen Dienst, Hermes hingegen in seiner ursprünglichen Eigenschaft als Begengott. Die Bedeutung
der ganzen Beobachtung von der Verschiedenheit der Götterboten in Ilias und Odyssee suchte Bern-
hard Thiersch, Zeitalter und Vaterland des Homer S. 311 ff. abzuschwächen, da auch Eris und
Athene von Zeus in der Ilias zur Ueberbringung von Botschaften abgeschickt werden.
2) Vergleiche hierüber Lehrs, de stud. Arist.^ p. 164 ff. Ob aber doch nicht die Verse f 42— 47
eine jüngere Interpolation sind, wie neuerdings auch Nauck annimmt? Dafür scheint nämlich zu
sprechen, dass auch noch in der Odyssee x 307. o 43. v 73. w 351 der lauf die Bergnatur des
Olymp bezügliche Ausdruck fiax^Sg *'OXvfinof vorkommt und dass Hesiod in der Theogonie y. 42.
62. 113. 118. 391. 794. 842 ganz deutlich den Begriff des Berges festhält. Freilich lebte Hesiod
ftuf dem !Fe'»tlaTid nahe dem Berge Olymp, der Dichter der Odyssee in Kleinasien im fernen Jonien,
m da;as hier frQber wie dort eine Verdunkelung der ursprünglichen Bedeutung eintreten konnte.
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129
des Diokles gehört, dass Pylos in der Ilias A 671 — 761 eine Stadt in
Triphylien, in der Odyssee das bekannte messenische Pylos bezeichnet^).
Weit mehr hätte aber noch in Bezug auf die Abweichungen des
Sprachgebrauchs von den Alt^n bemerkt werden können; so hat z. B.,
um von dem Gebrauche einzelner Wörter, wie S^fir^i^ 8 644, Afir/;; a 328,
vnoSrifia o 369. a 361, agrog g 343. a 120, oairi n 423, XQW^y ^^9^'
(pgior, jLiogipri ganz abzusehen, die Ilias immer die volle Form i^drig, die
Odyssee nur die kontrahierte iS^g, die Ilias nur das Medium npofiai,
die Odyssee auch das Aktiv ngio, fipdet sich nur in der Odyssee der in-
transitive Gebrauch von iVi {X 239. ^ 130. ß 295. u 293. 401) und
ifißallfiv (i 489. x 129), gebraucht erst die Odyssee den Optativ in der
indirekten Rede (rj 17. t 89. ;f 110. o 423. g 368 x 464), und gibt dem
instrumentalen ^ta^ dessen Gebrauch in der Ilias noch zweifelhaft ist, eine
ziemlich ausgedehnte Anwendung & 82. 520. k 276. 282. 437. v 121.
r 154. 523)^. Endlich sind auch in Bezug auf die Verschiedenheiten
des Stils die neueren Chorizonten mehr ins Einzelne eingegangen und
haben z. B. nicht zu bemerken unterlassen, wie arm die Odyssee mit
ihren 37 Gleichnissen dem reichen Schmuck der Ilias mit ihren 203
Gleichnissen gegenüber steht.
Indes waren schon die erwiesener Massen von den alten Chorizonten
vorgebrachten Argumente wichtig genug, um den Glauben an den gleichen
1) Das wird zwar nicht allgemein anerkannt« ist aber unbestreitbar and gut begründet von
Nitzscb, Beiträge zur Geschichte der epischen Poesie S. 161. Sonstige geographische Verschieden-
heiten betreffen Dodona, das B 750 und n 233 nach Thessalien, wenn auch irrtümlich, S 327
r 296 nach Epirus in die Nähe des Thesproterlandes verlegt wird , und die Stadt *f la' H 135,
die ofiTenbar mit dem *f«ri der Odyssee o 297 identisch ist. Ausserdem vergleiche über die ver-
schiedene Beschaffenheit der Lyra in tp 408 und / 186 W. Müller, Homerische Vorschule S. 191
und Mahaffy, Ursprung der homerischen Gedichte, übersetzt von Imelmann S. 2 f.
2) Ueber diesen Punkt handelt einer meiner Zuhörer Ansems in seiner eben erschie-
nenen Dissertation über den Gebrauch der Präposition ^t« bei Homer; über dieses ^i« sowie über
nQog c. dat. in npog rorroif 'dazu* x 68, ftjtiy/ c. gen. bei fivSfofiai ^151, nva c. gen. in ß 416.
I 177. o 284 gibt gute Beobachtungen Monro, Homeric grammar, s. Index Iliad and Odyssey,
differences. Viele weitere Diskrepanzen des Sprachgebrauchs hat Geppert, Ursprung der ho-
merischen Gesänge, zusammengestellt, freilich ohne gehörig zu beachten, welche Beweiskraft seinen
einzelnen Observationen innewohne; einige Hauptwörter bespricht G. Hermann, de emendandi rat.
gramm. gr. p. 38, Payne-Knight in den Proleg. seiner Ausgabe c. 43 — 7 und Bergk in seiner
griechischen Literaturgeschichte S. 731. Ein paar wichtige Punkte werde ich selbst weiter unten
bei Besprechung des jüngeren Ursprungs der Odyssee zur Sprache bringen.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVIT. Bd. I. Abth. 17
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130
Verfasser der Ilias und Odyssee wenigstens wankend zu machen. Aber auf
Aristarch wirkten mächtiger die Eindrücke der Gleichheit in Sprache und
poetischer Kunst, die Uebereinstimmungen in den allgemeinen Vorstellungen
von der Götter- und Heroen weit, endlich die trotz einzelner Unterschiede
doch deutlich hervortretende Gleichheit des gesaraten Kulturzustandes,
so dass ihm die kleinen Abweichungen zurücktraten und einer anderen
Erklärung oder Beseitigung zu bedürfen schienen. Den Unterschied im
ganzen Ton wird er mit Longin .Tfpi vipovg c. 9 so erklärt haben,
dass er die kriegerische reckenhafte Kraft der Ilias mit der Jugendzeit,
die Vorliebt* der Odyssee für Schilderungen von Reiseabenteuern und
idyllischen Zuständen des privaten Lebens mit der erfahrenen Ruhe des
Greisenalters in Verbindung brachte. Mit jenen schwerer zu beseitigenden
Widersprüchen der Sprache und Sache aber fand er sich so ab, dass er
einzelne durch scliarfere Interpretation der betreffenden Stellen zurück-
wies, andere durch den Nachweis der Unechtheit des letzten Teiles der
Nekyia und tles 24, Gesanges der Odyssee^) entkräftete, andere endlich als
irrelevant bezeichnete, denen eine so weittragende Beweiskraft nicht inne-
wohne^). Es fallen damit allerdings die oben unter 3. 4. 7. 8,
vielleicht auch die unter 2. 6. 9 aufgeführten Argumente; aber die gegen
1 und 5 erhobenen Einwände (s. schol. -T 382. * 416. W 229) sind
vtillig nichtig, gar nicht der Argumente zu gedenken, die noch die
neuere Kritik hinzugefügt hat. Widerlegt hat also Aristarch die Chori-
zonten keineswegs, so beachtenswert uns auch das Urteil eines Mannes
ist, der noch aus eigener voller Lektüre den Abstand der kyklischen Dichter
von den dem Homer beigelegten Werken ermessen konnte. Aber so
gross war das Ansehen des Aristarch und so gering die selbständige
Forscherkraft der Nachfolger, dass diejenigen, welche sich noch mit
einer solchen Frage abgaben, dem Hohne der Spötter verfielen, wie man
1) Damuf beziehen sich die Schollen zu X 362. ^ 71. H 335. Dass aber Aristarch und
Aristoph anett mit ^ 296 die Odyssee schlössen, darüber haben wir das Zeugnis des Eustathius z.
d. S, und iinderer Schollen and Handschriften, gesammelt von Spohn, de extrema Odjsseae
parte p, 2.
'i) Vergleiche das Scholion zu iV 365. Im wesentlichen hat sich unter den Neueren zu
AristarchM Ansicht Otfr. Müller G riech. Lit. I 104—7 bekannt, der höchstens nur zugeben will,
dm^ der Dichter der Iliae die Ausführung des Planes der Odyssee irgend einem eingeweihten
Scbüler liberlasaen hab«.
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aus Seneca de brev. vitae c. 13 und Lukian ntQi dXrj&ovg iajoQiai; II 20
sieht. Erst unsere Zeit ist wieder dem Scharfsinn jener Chorizonten ge-
rechter geworden, so dass auch solche, die sonst mit Wolf nicht gehen
wollten, wie Madvig, Nitzsch sich für Verschiedenheit der Verfasser von
Ilias und Odyssee erklärten und nur Otfr. Müller und Beruh. Thiersch
unter Berufung auf B 260 und J 353 ein weites Auseinanderfallen der
Ilias und Odyssee bestritten^). Von Eindruck wird aber auch für
die Zweifelnden das Urteil eines Kritikers der Neuzeit sein, den wir kühn
dem Aristarch des Altertums gegenüber stellen, das des grossen G. Hermann,
der in der Praefatio ad Od. p. VII diesen Punkt als extra omnem dubi-
tationem positum bezeichnete. Eines möchte ich noch hinzufügen aus
Grote, hist. of Greece II 269, dass zur Zeit, wo die Dichter auf münd-
liche Fortpflanzung angewiesen waren, die Dichtung zweier Epen von
dem Umfang der Ilias und Odyssee jedenfalls die Kraft eines Einzigen
überschritt. Auch die Produktivität hat ihre Schranken, sie ist ver-
schieden je nach den Anforderungen, die Verfasser und Publikum an
die Feile (lima) stellen, und je nach den äusseren Umständen, welche
die Produktivität hervorrufen oder lähmen, begünstigen oder hemmen.
Fr. Aug. Wolf und die Liedertheorie.
Ist so schon auf ihrer zweiten Stufe die homerische Frage auf
Widerstand und Anstände gestossen, welche die Wahrheit eine Zeit lang
ganz zurückdrängten, und auch jetzt noch nicht zur allgemeinen An-
erkennung kommen Hessen, so ist sie auf ihrer dritten Stufe so viel-
seitigen Schwierigkeiten begegnet, dass sie jeden Schritt vorwärts mühsam
erkämpfen musste und sich immer noch von ihrem Ziele weit entfernt
sieht Diese dritte Stufe datiert natürlich von Fr. A. Wolf, der in
seinen weltberühmten Prolegomena ad Homer um v, J. 1795 den Satz
durchfocht, dass auch jedes der beiden grossen Epen Ilias und Odyssee
nicht das Werk eines einzigen Dichters, sondern mehrerer Sänger sei,
und dass die Zusammenfügung der alten Gesänge zu einem einheitlichen
Ganzen erst viele Jahrhunderte später von unbedeutenden Geistern^ im
1) Bern. Thiersch, Zeitalter und Vaterland des Homer 1H32 S. 327: eodem tempore, quo
Ilias orta sit, etiam carmina de Telemachi factis componi et celebrari coepta esse.
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wesentlichen von den Redaktoren des Pisistratus vollzogen worden sei ^).
Die Vordersätze, auf die Wolf seine kühne Hypothese aufbaute, waren
zum Teil nicht neu; schon die Alten und insbesondere Aristarch ^) hatten
dem Homer den Gebrauch der Schrift abgesprochen, und Zweifel an der
Einheit der llias waren, wie man jetzt bequem bei Fr ie dl ander. Die
Homerische Kritik S. 6 und Volk mann, Geschichte und Kritik der
Wolf sehen Prolegomena Kap. 1 nachlesen kann, schon in den Köpfen
mancher Gelehrten vor Wolf aufgedämmert. Aber erst Wolf hat die
Zweifel in streng wissenschaftlicher Methode begründet und zu jenem
grosaartigen Sclihisssatz zusammengefasst , der den zweitausendjährigen
Glauben an die Persönlichkeit des grössten Dichters aller Zeiten er-
schütterte und wie kein zweiter die Geister mächtig erregte. Aber mehr
Zweifel weckend und zu weiterer Forschung anregend als dauernd über-
zeugend imd bekehrend wirkten die Prolegomena Wolfs. Das zeigte sich
in der ganzen Literatur, die sich an jenes epochemachende Werk an-
schloss ; das zeigte sich insbesondere auch in den Eindrücken, die dasselbe
auf die hervorragendsten Geister der Zeit und die stimmberechtigsten
Kritiker machte. Gleich Goethe brachte unter dem frischen Eindruck
des bahnbrechenden Buches ein 'Hoch der Gesundheit des Mannes, der
endlich vom Namen Honieros kühn uns befreiend uns auch ruft in die
vollere Bahn', wollte aber später seinen Homer 'lieber als Ganzes denken,
als Ganzes freudig ihn einpfiaden\ Und der grösste Philologe unseres
Jahrhunderts G. Hermann stimmte zwar dem Geiste und dem Resultate
der Prolegomena im grossen Ganzen bei, verlangte aber, um das Rätsel
der Einheit des aus verschiedenen Gesängen zusammengefügten Werkes
erklärlich zu finden, bestimmter als Wolf einen einheitlichen Kern, an
den sich die jüngeren Erweiterungen anschliessen konnten. Und im
1) HauptHteUen i^ind prol. c. ^1: Homerum Don universorum quasi corponim snornm opi-
ficem PH^^eT üiid hane arteni et s'ructiiram posterioribua saeculis inditam; neque enim id repente
fortujto fäütutu^ Terum coniuncU in hoc planum aetatüm hominumque studia, und]c. 33: coUecta
a PifliBtrato, non recoUecta c^a^IliIla et adflcitam artem compositionia, non critico studio revocatam.
2} Arietarch setzte tn dk^em Sinne kritiEche Zeichen in seiner Ausgabe, worüber man
jetzt Lehrd nachaehe, de Ariat. «tud.^ p. 95. Dagegen sucht Volkmann, Nachträge zur Geschichte
und Kritik der Wolfschen Prolegomena, Progr. von Jauer 1878 zu erweisen, dass vor und nach
AristJirch der. Glaube an die bis in die graueste Vorzeit reichende Schreibkunst allgemein ver-
breitet war.
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133
Ausland hat, um von Payne Knight und Madvig ganz zu schweigen , der
grosse Historiker Englands, G. Grote, in seiner Geschichte Griechenlands
bei aller Anerkennung von Wolfs glänzendem Scharfsinn es doch für
eine Ungereimtheit erklärt, ein Werk mit faktisch bestehender Einheit
aus Atomen von nicht auf einander berechneten Liedern entstanden sein
zu lassen ^) Und in der philologischen Fachliteratur gar gab es der
Widersacher fast nicht weniger als der Verteidiger, so dass sogar der
Verfasser der Geschichte der Wolfschen Prolegomena, Volkmann, mit
Sack und Pack in das Lager der Antiwolfianer überging. Das ist nun
freilich noch kein Beweis gegen Wolf; denn jede neue Lehre wird an-
fangs mit dem Widerstand der alten Ueberlieferung zu kämpfen haben
und an Querköpfen, denen man vergeblich die Wahrheit predigt j hat es
zu keiner Zeit gefehlt und fehlt es am wenigsten in der unsrigen. Aber
hier handelt es sich doch nicht um eine Frage der Politik oder 'gar
Religion, in der nur zu gewöhnlich Vorurteil und Willensschwäche den
Blick für das Wahre trüben, und finden wir unter den Widei^achern
Männer von unbefangenem Urteil und klarem Verstand, wie Otfr< Müller,
Madvig, Bergk, Lehrs, Kammer^), deren ablehnende Haltung jedem Ver-
ständigen ein Mahnzeichen zur wiederholten Erwägung sein muas. Ja^
um es gerade herauszusagen, Wolf selbst hat den Zweifel an der Festig-
1) Madvigs scharfes Urteil in der Vorrede von Nutzhorns übertrieben gepriesenem
Buche, Entstehnngsweise der Homerischen Gedichte p. VlI lautet: 'Die homerische Kritik wurde
von F. A. Wolf in den berühmten als Ferment und als Zerstörung einer gar zu naiven Tradition
berech "^n und wichtigen, jedoch weder Erscheinungen und Thatsachen klar und übersichtlich
darlegenden, noch in der Prüfung konsequent fortschreitenden, noch zum Abschlufci gebrachteti
Prolegomena in ein falsches Geleise geführt.* Die schwachen Punkte in der Wolfschen H^potheßo
trifft mit richtigem Urteil Payne-Knight in den Prolegomena seiner Ausgabe cap. 9. Die
Hauptstelle in Grote history of Greece steht II 232: the idea that the poem as we read it grew
out of atomes not originally designed for the places which they now occupy, involves üb in new
and inextricable difficulties, when we seeke to elucidate either the mode of coalescense or the
degree of existing unity.
2) Madvigs Urteil ist in dem oben Anm. 1 citierten Vorwort von Nutzhorns Unter-
suchungen über die Entstehungsweise der homerischen Gedichte enthalten. Otf. Müller txnd Bergk
haben ihre^Anschauungen, auf die wir noch ötiber zurückkommen werden, in ihren Grie*hiiichea
Literaturgeschichten ausgesprochen. Lehrs gewichtige Urteile hat man jetzt in willkommenster
Weise zusammen in Kammers Buch, Die Einheit der Odyssee, S. 765 — 793. Kammer seU/st äuauert
sich S. 403 mit feinem Verst&ndnis also: »Hermann und Voss gegenüber muss ich betonen, dtuts
die beiden Epen von Haus aus nach einem umfassenden Plane angelegt waren, nur so erklärt aicli
der von Abschnitt zu Abschnitt ununterbrochene Fortgang und der behagliche Ton der Erzlblung/
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134
keit seiner Ueberzeugung hervorgerufen und verschuldet. Einmal nämlich
spricht sich derselbe nicht mit klarer Konsequenz über seine Vorstellung
vom Ursprung der homerischen Gedichte aus; denn während er an der
oben citierten Stelle der Prolegomena gewissermassen als Vater der Lieder-
theorie auftritt, arbeitet er in der Praefatio II, p. XII sqq. den Anhängern
der Interpolationstheorie vor, indem er den grösseren Teil der Ilias und
den Kern der Fabel dem Homer selbst und nur die Weiterführung und
Ausschmückung den jüngeren Homeriden zuschreibt. Sodann hatte er
zu wiederholten Malen bemerkt, dass seine Beweise zur Ergänzung und
zum Abschluss noch einer detaillierten Untersuchung der Verschieden-
heiten in Stil und Sprache und der klaffenden Fugen zwischen den ein-
zelnen Liedern bedürfen^); aber trotzdem er nach der Herausgabe der
Prolegomena noch 29 Jahre gelebt hat, ist von den in Aussicht gestellten
Einzeluntersuchimgen nichts an das Licht getreten. Kann man da einem
den Verdacht ^verwehren, dass Wolf selbst an seiner Hypothese irre ge-
worden sei, dass sich ihm wenigstens die Ueberzeugung aufgedrängt habe,
es werde eine Untersuchung der Gedichte im Einzelnen nicht das Resultat
ergeben, welches er allein für das richtige hielt? In der That hat Wolf
von der homerischen Frage fast nur die äussere Seite berührt, und die
hier erreichten Erfolge müssen wir daher noch näher besprechen, ehe
wir auf die weitere Entwicklung des aufgeworfenen Problems übergehen.
Den Hauptangelpunkt der Wölfischen Theorie bildet die Frage nach
der schriftlichen Aufzeichnung der Homerischen Gedichte. Wolf leugnet
den Gebrauch der Schrift durch Homer, indem er die epischen Lieder
bis herab auf Pisistratus mündlich durch Aöden und Rhapsoden fort-
gepflanzt werden lässt und stützt darauf den Schlusssatz, dass mit dem
Mangel der schriftlichen Aufzeichnung auch die Dichtung so grosser
1) Siehe Prolegomena c. 27. 30. 31 und die Stellen aus Wolfs Briefen an Heyne bei Volk-
mann, Geschichte der Wolfschen Prolegomena S. 95. Von ganz besonderem Interesse aber ist
die Stelle in der praef. 11 p. 21 : Nunc quoque usu evenit mihi nonnunquam, quod non dubito
eventurum item aliis esse, ut quoties abducto ab historicis argumentis animo redeo ad continentem
Homeri lectionem et interpretationem . . . quoties animadverto ac reputo mecum quam in Uni-
versum aestimanti unus hie carminibus insit color aut certe quam egregie carmini utrique suus
color constet, quam apte ubique tempora rebus, res temporibus, aliquot loci adeo sibi alludentes
congruant et constent, quam denique aequabiliter in primariis personis eadem lineamenta ser-
ventur et ingeniorum et animorum: vix mihi quisquam irasci et succensere gravius potent quam
ipse facio mihi.
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135
zusammenhängender Epen falle, proL c. 26: tarn magnorum et perpetua
Serie deductorum operum formam a nuUo poeta nee designari animo
nee elaborari potuisse sine artificioso adminiculo memoriae. Den Vordersatz
hatten, wie wir oben sahen, bereits die Alten und unter ihnen Aristarch
aufgestellt, aber es fiel ihnen nicht ein, daraus jenen weitgehenden Schluss
zu ziehen; dazu war in ihrer Zeit die Kraft des Gedächtnisses und die
Zahl derjenigen, die anstandslos einzelne Gesänge hersagten und den
ganzen Homer auswendig wussten , noch zu gross ^). Aber auch der
Vordersatz ward in unserer Zeit im Gegensatz zu Wolf bestritten, am
eingehendsten von G. W. Nitzsch in dem ersten Teil seiner historia
Homeri, und da schon Archilochos fr. 88 der axvvfitvri axvralrj ge-
dachte, Palamedes als Erfinder der Schrift in den Kyprien eine Rolle
spielte, endlich die vorpisistrateischen Bleitafeln der *'£pya des Hesiod
gut bezeugt sind (s. Pausanias IX 31, 4), so ist schwer einzusehen, warum
denn gerade die Aufzeichnung der Gesänge Homers bis auf Pisistratus
habe warten müssen. Demnach nehmen denn auch selbst zu Wolf hin-
neigende Forscher, wie Grote, Ritschi und Lehrs*) unbedenklich an^
dass schon mit der Mitte des 7. Jahrhunderts die Fixierung des Homer,
wenigstens einzelner Gesänge und der Liederanf&nge begonnen habe, und
dürfen unbedingt die Worte des Dichters Z 168 Tio^fsv ^ o yt miaara
Xvy()d, ygaiffag ir nivaxi nrvTCKp &vfxo<p&6{}a nolXd dahin gedeutet werden^
dass bereits zu Homer eine dunkle Kunde vom Gebrauche der Schrift
und von brieflichen Mitteilungen gedrungen war. Aber von da zu der
Abfassung umfangreicher Bücher ist noch ein weiter Weg und gar
alle Wahrscheinlichkeitsgründe, insbesondere auch die Gestalt des Textes,
das spurlose Verschwinden des Digammas und die Einführung falscher
Zerdehnungen, wie oov Idinv (potog sprechen gegen Nitzsch's von Volkmann
S. 181 flf. wiederholte und mit lächerlichen Gründen gestützte Behauptung,
1) Siehe Xenophon, sympos. III 6 und Yg\, Lehn de Arist.* p. 439.
2) Grote, hist. 11 200, Lehrs, de Arist.^ p. 442, Ritschi opusc. I 60 und in dessen
Leben II 27 Dagegen halt an der Ansicht Wolfs unbedingt fest Niese, Die Entwiükelung der
homerischen Poesie S. 8, und Senge busch, diss. Hom. II 38. Zu den oben im Texte angeftthrten
Zeugnissen über Anwendung der Schrift im 7. Jahrhundert fiige man noch die Angabe des Gert.
Hom. et Hes. p. 826 ed. Göttl. Aber den Hymnus auf den Delisthen Apoll: *J^hot ypof^nyr/f r«
fnii fcV ^iixtüfia dyiSrptay iv j^ jfjf *AQxi(u6o^ Uq^ und die doch wohl schon in den Kjprien
vorgetragene Mythe von einem Briefe, den Odysseus zum Verderben des Palamedes ach rieb, in
Hygin fab. 105.
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136
dass Homer selbst die Schrift gebraucht und seine Dichtungen eigen-
händig niedergeschrieben habe. Freilich hat sich auch neuerdings Bergk
in seiner griechischen Literaturgeschichte S. 530 jener Behauptung an-
geschlossen, aber auch ein scharfsinniger Kritiker kann manchmal fehl-
gchiessen, namentlich wenn er so sehr wie Bergk das Paradoxe liebt
Keineswegs kann aber aus den paar Schriftzeichen, welche Schi ie mann
auf troischer Töpferwaare (Ilios, Nr. 1519. 1524.) fand und deren Schrift-
charakter obeT]drein Milchhöfer, Allg. Ztg. 1883 Beil. Nr. 355 anzweifelt,
auf eine weite Verbreitung der Schrift in der Zeit Trojas und Homers
geschlossen werden.
Der zweite Punkt, auf den sich Wolf vornehmlich stützte, betrifift
die dem Vortrag epischer Dichtungen in der Zeit Homers gesetzten
Schranken, Wolf weist darauf hin, dass Homer wie von den Agonen
musischer Künstler j so auch von einem mehrere Tage hintereinander
fortgesetzten Vortrage epischer Dichtungen noch nichts weiss, dass er
immer nur erzählt von kleinen Liedern, wie vom hölzernen Pferd (9- 492
bis 520), vom Streite des Odysseus und Achilleus (9^ 73 — 82), vom Abzug
der Achäer von Troja (a 326), vom Liebesabenteuer des Ares und der
Aphrodite (^ 266 — 366), wie sie leicht beim Mahle von Sängern oder
in Mussestunden von den Helden selbst zur Phorminx gesungen werden
konnten. Daraus zieht er nun proL c. 26, indem er in jenen in die
heroische Zeit zurück verlegten Schilderungen nur Abbilder der Ver-
hältnisse seiner Zeit sieht, folgenden Schluss: si Homero lectores longorum
poematum deerantj plane non assequor, quid tandem eum impellere
potuisset in consilium et cogitationem tam longorum et continuo partium
nexu consertorum carminum. Auch hier wird man, wie namentlich
W G 1 c k e r , Ep* Cyclus I 3 1 6 ff. in dem Abschnitt über den Vortrag der
homerischen Gedichte gethan hat^ den Vordersatz zugeben können, aber
die Berechtigung zu der daraus gezogenen Folgerung leugnen dürfen,
zumal Homer selbst durch die Wendung (palvB ^* doidriy h'v&sv ikwr,
wg Ol fihi' hmnfkiiw^ bttI vriwr ßdvTfg ansTiXeov klar angedeutet hat, dass
wenn die Sänger auch nur ein einzelnes kleines Lied zum Vortrage
wählten, dasselbe doch aus dem Zusammenhang eines grösseren Gedichtes
genommen sein konnte. Ausserdem beweist die Schilderung Homers im
L Gesänge der Hias V. 601 ff.
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137
wg TOTf uhv THß/mar rjuaQ ^g Tj^kior ytaTaüvvra
(iairvvT\ ovdf t& &vu()g H^futro (^airog ilarjg^
ov fnr (foQfiiyyog 7j&(}txaXkfogj i]y f/* yinollior^
Movndiov ^\ al ä^iiior' äu^ißouBvai iml ^caXfi^
dass man selbst den Vortrag grössörer Epen durch mehrere sich gegenseitig
ablösende Sänger für die homerische Zeit nicht absolut in Abrede stellen
darf. Denn in den Olymp übertrugen die Zeitgenossen Homers und die
Griechen aller ^Zeiten die Vorgänge ihrer Umgebung und der mensch-
lichen Wirklichkeit, und an einer Stelle, Ilias IX 189 — 191 läßst Homer
ja auch auf Erden, im Zelte des Achilleus, zwei Heldensänger. Achilleus
und Patroklos, sich in dem Vortrag epischer Lieder einander ablösen.
So werden wir denn zugeben müssen, dass Wolf zwar den Glauben
an die Dichtung so grosser Epen, wie Ilias und Oyssee, durch einen
Dichter stark erschüttert hat, dass er aber in seinen Schlussfolgerungen
aus gut begründeten Prämissen entschieden zu weit gegangen ist und
Sätze als unanfechtbare Wahrheiten aufgestellt hat, die in das Gebiet der
(fo^a nicht der bniar/iuri gehören, von denen es, wie Friedländer sagt,
thatsächliche Beweise weder für noch wider gibt. Auf der anderen Seite
wird auch ein vorsichtiger und ängstlicher Forscher aus den von Wolf
klargelegten Verhältnissen folgern müssen, dass wenn nun einmal zu
Homers Zeit sich nur Gelegenheit zum Vortrag kleinerer Lieder bot und
diese selbst nur mündlich fortgepflanzt wurden, sich so grosse Epen, wie
Ilias und Odyssee, nur dadurch erhalten konnten, dass der Dichter einen
Kreis von Jüngern und begabten Sängern um sich sammelte, die ilnn
seine Lieder ablauschten, dieselben in weitere Kreise trugen und auf die
Nachwelt verpflanzten. Dann kommen wir aber notwendig zur Annahme
einer Sängerschule und einer aus Verwandten, Schülern oder Freunden
zusammengesetzten Homeridenzunft. Die Glieder dieser Innung aber zu
blossen Rhapsoden herabzudrücken, dazu hat man nicht die geringste
Berechtigung; vielmehr entspricht es weit mehr den Verhältnissen einer
schöpferischen Zeit und eines reichbegabten Volksstammes, dass die Jünger
dem Meister auch die Kunst des Dichtens ablernten und an der episoden-
artigen Erweiterung der ihnen zur Fortpflanzung übergebenen Werke mit
fortgewoben haben.
Aber doch nicht ausschliesslich war Wolf bei den äusseren Momenten
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 18
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138
der homerischen Frage stehen geblieben und noch weniger haben sich seine
Anhänger auf diesen engen Kreis der Untersuchung beschränkt. Von
der Ilias hatte schon der Meister, proleg. c. 31 bemerkt: in Universum
idem sonus est omnibus libris, idem habitus sententiarum , orationis,
numerorum; quare necesse erit excutiatur aliquando accuratissime, quae
insolentia sit in vocabulis et locutionibus et qualis, quid diversum et
disparis coloris in sententiis etc. Er selbst zwar hat diese Untersuchungen,
deren Notwendigkeit er betonte, nicht angestellt; aber andere sind in
seine Stelle eingetreten, so G. Hermann, der in seinem Buche de
emendandi ratione gramm. gr. und in seiner Ausgabe der Orphica über
den Sprachgebrauch einiger Wortformen und gewisse Eigentümlichkeiten
der Metrik mehrere treffliche, nur nicht erschöpfende Beobachtungen
machte, und viele andere jüngere Gelehrte, welche sich die Aufhellung
hieher gehöriger Punkte zur speciellen Aufgabe machten, wie C. Hoff-
mann in den Quaestiones Homericae, Friedländer in den zwei ho-
merischen Wörterverzeichnissen, Giseke in den homerischen Forschungen
und den Untersuchungen über den Unterschied im Gebrauche der Prä-
positionen, Lehrs in dem Aufsatz über die Caesura hephthemimeres,
Harte 1 in den homerischen Studien, und ich selbst in meiner in den
Stzb. d. b. Ak. v. J. 1879 veröffentlichten Abhandlung über die Inter-
polationen bei Homer. Das Hauptaugenmerk war dabei auf den Gebrauch
des Digammas, die Zusammenziehung ehemals getrennter Vokale, den Bau
des Hexameters und die Eigentümlichkeiten in der Phraseologie und im
Gebrauch der ana^ Uyofxeva gerichtet. Die Resultate der Untersuchungen
waren zum grössten Teil negativer Art und entsprachen durchaus nicht
dem, was Wolf von ihnen erwartet hatte. Bei einigen der Forscher, nament-
lich bei Hoflfmann zerbröckelte die Ilias und selbst ihre einzelnen Rha-
psodien in kleine Teilchen, so dass selbst die Wolfianer und Lachmannianer
eine solche Atomistik perhorrescierten und vor der Auffassung der Ilias
als eines buntzusammengesetzten Mosaikwerkes warnten. Bei andern
führten die Zusammenstellungen geradezu zum Bekenntnis der Unmög-
lichkeit auf diesem Wege die Hypothese Wolfs von einer Mehrzahl von
Dichtern und einer Arbeit mehrerer Jahrhunderte zu erweisen. Es er-
gaben sich nämlich keine grossen, massig wirkenden Unterschiede, und
bei den kleinen Differenzen kann zu leicht der Zufall mit im Spiele sein.
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139
als dass ein besonnener Kritiker grosse Schlüsse auf sie bauen dürfte.
So stellte sich heraus, dass in allen Gesängen Homers — von Inter-
polationen kleineren Umfangs sehe ich hier ab — das Digamraa noch
seine Kraft ausübte und dass in Bezug auf die Festigkeit dieses bei Kal-
linos und Archilochos schon fast ganz hinfällig gewordenen Lautes kaum
ein erheblicher Unterschied zwischen den als alt und den als jung an-
genommenen Gesängen, wie etwa der ^AyauHiyoyo^ aQiöJkia und der *^'£;^7opo^
IvTifay dem Nostos des Odysseus und der Telemachie besteht. Damit
schwinden aber auch fast alle Unterschiede, die man in Bezug auf die
Häufigkeit des Hiatus und der Silben Verlängerung vermutet hat, und
bleiben nur kleine Divergenzen in Bezug auf die Cäsuren und Versformen,
die gleichfalls keinen entschiedenen Ausschlag für das Alter der ein-
zelnen Gesänge bieten. Ferner erwies Friedländer, dass an dem Schatz
der cf/ral tlQi]uiya alle Gesänge in nicht stark abweichendem Verhältnis
participieren und dass die Wörter und Formen, welche man als hesio-
deisch (wie jtiaxi^oovyr] £1 30, jiio(}(pri 9 70. a 367, riuu9eoi; M 23, loyoi^
U 393 a 56) und jungjonisch (n^foßaror Z 124. W 550, X>n^ti I 258,
Goifiri 0 412, äxurj K 173, (to^a K 324. a 344) bezeichnen könnte, nicht
zahlreich genug sind, um innerhalb der Ilias und Odyssee einer Scheidung
zwischen älterem und jüngerem Epos als sicherer Ausgangspunkt dienen zu
können, zumal noch hier und da, wie bei ueraSv -4 156, und t/yi^ca ;f 198
sich der Verdacht eines Textverderbnisses aufdrängt. Denn bei den Formen
der Wörter, namentlich den aufgelösten und kontrahierten, hat man es
geradezu als feststehenden Grundsatz erkannt, dass nur jene Stellen als
beweiskräftig gelten dürfen, in denen die überlieferte Form auch durch^
das Metrum geschützt ist, während an allen anderen die gerade über-
lieferte Form ebenso gut von den Grammatikern und Rhapsoden als vom
Dichter selbst herrühren kann. Dass aber überhaupt ein Schluss auf
Verschiedenheit des Dichters aus Verschiedenheit der Form bei Homer
äusserst bedenklich ist, muss jedem daraus offenbar werden, dass in
Partien, welche offenbar von demselben Dichter herrühren und in con-
tinuo gedichtet sind, sich verschiedene Formen nebeneinander finden, wie
2;a()ni^^üya M 292 u. Sagntidovrog M 379, ßtiiriy V 685 u. ßarriv
V llOr m^^f ^ 49 u. t(}€ie K 51, hnokrai B 380 u. iooBirai B 393,
iTitaX/iuyog // 15 u. ijidX/utyog H 260, ouoaat JT 271 u, ojuoasr Z 280
18*
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140
UyHaog x 241 u. ^yJybkeaßg x 247, xoksolo A 194 u. xovi.t6y A 22Q,
7}l(favaxü) K 478. 502 u. TiUfauo^iu K 202, i/t^aroj; 0 300 u. vdari
* 258, arluQiivoi il 598 u. örld^t* J 460. Unter solchen Umständen
haben selbst Männer, welche sonst auf dem Standpunkte Wolfs stehen,
vor verführerischen Schlüssen aus sprachlichen Eigentümlichkeiten abge-
raten, wie Naber in seinen Quaestiones Homericae p. 50 und Lachmann
in einem Brief an Lehrs bei Fried länder, Kritik p. VII ^).
Doch so rasch wollen wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten;
denn einmal lässt sich auch mit einem stumpfen Messer etwas ausrichten,
und lassen sich nicht bloss an der Hand des homerischen Sprachgebrauchs
kleinere Interpolationen mit Sicherheit ausscheiden, sondern gebe ich
auch die Hoffnung nicht auf, dass wenn einmal vermittels anderer Er-
kennungszeichen vei^chiedene Partien der Ilias und Odyssee geschieden
sind, sich auch verläasigere Merkmale älterer und jüngerer Diktion auf-
finden lassen. Dann haben aber auch, was weit wichtiger ist, die sprach-
lichen und metrischen Untersuchungen schon jetzt ein grosses Resultat
geliefert, nur aber nicht zu Gunsten der Wolfschen Hypothese, sondern
zum geraden Gegenteil. Denn für jeden Unbefangenen muss es jetzt
feststehen, dass die Ilias und Odyssee auch nicht einmal in ihrer Zu-
sammenfügung ein Werk des Pisistratus sind — sonst müssten sich
grössere Partien finden, welche das sprachliche Gepräge des 6. Jahr-
hunderts trügen — und dass höchstens einige kleine Partien, aber kein
einziger ganzer Gesang, auch nicht der Schiffskatalog oder die letzte
Rhapsodie der Odyssee nach Archilochos und Kallinos, oder nach der
Mitte des 7. Jahrhunderts entstanden ist. Das geht unwidersprechlich
daraus hervor, dass auch noch in dem Schiffskatalog und in der Tele-
nuicliie das Di gamma fast durchweg und nicht bloss an gewissen Vers-
stellen und in bestimniten Wortverbindungen seine Kraft bewahrt hat,
dass hingegen bei Archilochos nur vor ul fr. 28 u. 95 und äya^roc: fr. 1
ein Hiatus steht, hingegen von oJroj; fr. 3. 5. 79, e{)yoy fr. 4. 38. 87,
liaro^ fr. 9. 65, äva^rn^ fr. 10. 77. 79, ülxo^ fr. 68. 96, r^^iv fr. 76 sich
l) Die g»ifi£« Stelle de« gitmaen Kritiker» ist sehr leäenswert, namentlich für die sUtistischen
Philologen «n^jerer Tage, die mit dem Zilhlen der Formen und Wörter wunder was zu leisten
^Jau}>en«
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141
keine Spur mehr der labialen Spirans findet ^). Denn wenn man auch
einen Teil dieser Erscheinung auf Rechnung des Dialektunterschiedes
von Chios und Ephesos und der Forterbung alter Sprachformen in den
Rhapsodenschulen bringen will, so reicht dieses doch keineswegs aus,
um den bedeutenden Unterschied im Gebrauch des Digammas zu erklären,
zumal im 7. Jahrhundert selbst bei den äolischen Dichtern Alkaios und
Sappho ioog tldog tötiv e(jyor f^nr^g schon nicht mehr die volle Kraft
des anlautenden Digammas bewahrten. Urteilsfähige Leute sollten also
endlich aufhören, grossen Männern die Fabel vom Pisistratus als Schöpfer
der Ilias imd Odyssee nachzubeten.
Mit der sprachlichen Form hängt der Stil und die Kunst der Dar-
stellung eng zusammen. Auch sie sind in die Besprechung der homerischen
Frage vielfach hereingezogen worden; man hat auf die Figur der Ana-
diplosis in den letzten Büchern der Ilias F371. X 127. V' 641, auf die
Häufigkeit und Schönheit der Gleichnisse in den Büchern B E ^ M und
ihre verhältnismässige Seltenheit in der Gesandtschaft, in den letzten
Büchern der Ilias und in der ganzen Odyssee hingewiesen^), man hat
einzelne Partien, wie die Bovlrj y€(}6yra)y im 2. Buch, den Kampf des
Aineias und Achilleus im 20., sowie das ganze 7. und 8. Buch der Ilias
als Centonen bezeichnet, man hat in den letzten 6 Büchern der Ilias ein
auffälliges Nachlassen der poetischen Kraft finden wollen^). Ich bestreite
1) Siehe darüber Fick in Bezzenbergers Beitr. VII 141 und jetzt in seiner homerischen
Odyssee p. 8, dem ich aber aus naheliegenden Gründen, die ich in meiner , Ausgabe entwickelt
habe, nicht beigetreten bin, wenn er daraus eine äolische Grundform * der ältesten Gesänge der
Ilias ableiten zu dürfen glaubte. Wie sehr aber in dem nachhomerischen Epos das Digamma
zurücktrat, lehrt Sayce, Sprache der homerischen Gedichte, nach dem sich verhält beobachtetes
und vernachlässigtes Digamma in Hesiod wie 3V2:1, in dem Hymnus auf Hermes wie 1 : IV»»
in Empedokles wie 1 : 3, in der Batrachomyomachia wie 1 : 6.
2) Wie vorsichtig man sein muss, aus der geringen Zahl der Gleichnisse auf verschiedene^
minder begabte Verfasser zu schliessen, dazu mahnt hauptsächlich der Mangel der Gleichnisse in
dem Fundament der Ilias, dem unübertroffenen 1. Gesang. Nicht aus mangelnder Begabung hat
hier der Dichter den Schmuck der Gleichnisse weggelassen, sondern weil Gleichnisse nicht in eine
Einleitung passen, wie treffend Nutzhom S. 140 bemerkt hat.
3) So Wolf prol. c. 31: quoties in continenti lectione ad VI postremas rhapsodias Iliadis
deveni, numquam non in iis talia quaedam sensi, quae, uisi illae tarn mature cum ceteris coa-
luissent, quovis pignore contendam dudum ab eruditis detecta et animadversa fuisse, immo multa
eins generis, ut cum nunc 'Oaijpixwrrtr« habeantur, si tantummodo in hymnis legerentur, ipsa sola
eo8 suspicionibus roS-fittg adspersura essent.
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142
natürlich nicht die Berechtigung derartiger Beobachtungen und verzichte
noch weniger selbst auf den Appell an das ästhetische Urteil in evidenten
Fällen, aber eine so verwickelte Frage wie die homerische mit Gründen
des Stiles und mit Berufung auf das Schönheitsgefühl entscheiden zu
wollen* ist äusserst bedenklich» Schilderungen von Kampf esscenen laden
mehr zu Gleichnissen ein als Erzählungen von Gesandtschaften und Reise-
erlebnissen; jeder Dichter — und Homer wird keine Ausnahme von den
Naturgesetzen gebildet haben — hat seine guten und seine schlechten
Stunden, und die ästhetischen Urteile nicht bloss von oberflächlichen
Dilettanten, sondern auch von feinen Kennern weichen nur zu häufig
von einander ab, Köchly war mit seinem Ausspruch von zusammen-
gestoppelten Versen sehr rasch bei der Hand, Wolf, wie wir sahen, und
mit ihm Lachmann und Köchly haben über die 6 letzten Bücher der
Ilias ein sehr abfälliges Urteil gefallt, aber Schiller pries in überschwäng-
lichen Ausdrücken das 23. Buch ^), Otfr. Müller sagte von der Scene
der Zusammenkunft des Achilleus und Priamos im letzten Gesänge, dass
sie mit keiner andern in der ganzen alten Poesie verglichen werden
könne ^)j und das 22. Buch mit der ergreifenden Schilderung von Hektor,
der erst wie ein edles Wild dreimal um die Mauern von Achilleus ge-
hetzt wird und den dann^ an den Wagen des Siegers gebunden, die
jammernden Eltern von dem Thurme der Stadt aus zu den Schiffen
der Achäer schleifen sehen, setze ich kühn jedem auch der gepriesensten
Gesänge der Ilias an die Seite. In anderen Dingen freilich werden
alle übereinstimmen, wie dass die Götterschlacht im 21. Gesang weit
hinter ihrem Original im 5. zurücksteht, dass das 19. und 20. Buch
viele matte und langweilige Partien haben, dass in dem 13. Buche die
Handlung einen allzu langsamen Fortgang nimmt, dass der aufzählende
Charakter des Kataloges mit seinen fünfzeiligen Strophen nicht zur lebens-
vollen Frische des übrigen Epos stimmt, dass viele Verse und Gleichnisse
an der zweiten Stelle minder zutreffend wiederholt sind. Aber alle diese
Dinge sind mehr wichtig, um den früheren oder späteren Ursprung ein-
1) Siehe Lebrs de Ari»t^ p- 4;id.
2) Otf. Müller, Geflchichte der gricchiBchen Literatur I, 84; über die abweichenden Be-
urteilungen elnzeber Bücher Überhaupt vergleiche Mahaffj S. 18 f und Nutzhom S. 251.
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143
zelner Partien zu erweisen, als dass sie für die Annahme verschiedener
Verfasser des eigentlichen Stockes der Ilias ein entscheidendes Gewicht
in die Wagschale werfen könnten. Jedenfalls dürfte dem Verlauf der
homerischen Frage kein günstiges Horoskop gestellt werden, wenn sie
sich auf ästhetische Urteile, dem Tummelplatz der subjektiven Mei-
nungen, stützen oder dieselben gar zum Ausgangspunkt nehmen wollte.
Den Ausgangspunkt müssen vielmehr die Untersuchungen über den in-
neren Zusammenhang der Teile der Ilias xmß Odyssee, über die Fugen,
Risse, Widersprüche in den beiden Dichtungen bilden, und an ihnen hat
sich auch thatsächlich die weitere Entwicklung der homerischen Frage
seit Wolf fortgesponnen, zu deren Beleuchtung wir nun übergehen wollen.
Die homerische Frage seit Wolf.
Gradlinig ist die homerische Frage nach Wolf nicht verlaufen, viel-
mehr führte Wolfs Kühnheit wieder zu einer rückläufigen Bewegung,
indem sie die Classe der Unitarier hervorrief, als deren Fahnenträger
von Köchly^) mit Recht G. W. Nitzsch bezeichnet wurde, an dessen Werke,
Meletemata de historia Homeri, 1830 und Sagenpoesie der Griechen, 1852,
sich die Arbeiten von Bäumlein ^), Nutzhorn, Volkmann, Kiene, Gerlach ^)
u. a. anschlössen. Man würde unbillig sein, wollte man jenen Unitariern
alles Verdienst für die richtige Erkenntnis Homers absprechen. Sie haben
die Kehrseite des Bildes hervorgehoben, indem sie den Blick auf die
Gleichheit in der Charakterzeichnung der Hauptpersonen*), die Ueber-
einstimmungen in der Chronologie und Sage % die Conformität in Versbau
1) Köchly in seiner prächtigen dissertatio III de Iliadis carminibus, jetzt in dessen Opus-
cnla philologica I 49 sqq.
2) Bftumlein, commentatio de Homero eiusque carminibus, 1847, praefatio der Tauchnitzer
Iliasausgabe, Philol. XI 405—30 etc.
3) Nutzhorn Entstehungsweise der homerischen Gedichte, 1869, Volkmann Geschichte
und Kritik der Wolf sehen Prolegomena, 1874, Kiene die Komposition der Ilias des Homer, 1864,
Leop. Gerlach, Einheit der Ilias im Philol. XXX. Gegen den Kern von Wolf*s Hypothese
sind auch die einschlägigen Abschnitte in Otfr. Müller's Griech. Literatur^schichte und Mure 's
history of the litterature of ancient Greece gerichtet.
4) So Herakles durchweg gedacht als /juf y^^^i raJ>' T^fcuixc?^ ngoyeriar^gos (vgl. O 638 u.
(p 21), so die Vorstellungen von Laomedons Söhnen gleichmässig festgehalten in Y 237, O 419
526. 576, Z 28 u. a.
5) So steht, um nur einiges hervorzuheben, ngwpvyity Z 502. H 309. A 340. X 107. / 325 im
Sinne von tntxipvytir, ist im Gegensatz zum späteren Sprachgebrauch iKyiofAai Txw yBo/nai 6vta
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144
und Sprache ^), die Aehnlichkeit in der Kunst der symmetrischen An-
lage und episodischen Eindichtung lenkten. Sie haben ferner eindring-
licher auf die gegenseitigen Rückbeziehungen, die ausgesprochenen wie
die versteckten*), aufmerksam gemacht und die Spuren eines einheit-
lichen Planes nachzuweisen gesucht Aber der Zusammenklang der
Teile der Ilias und die Gleichheit der Sprache und des Stiles war auch
Wolf nicht verborgen geblieben; sagte er doch geradezu 'in Universum
idem sonus est omnibus libris, idem habitus sententiarum orationis nu-
merorum* und 'testis est poeta ipse h. e. carmina, in quibus tanta con-
spicitur unitas et simplicitas argumenti et dispositionis, ut de re quam
quaerimus pro auctore suo responsum dare videantur . Aber Wolf liess
sich durch jene zutageliegenden Einheitszeichen nicht tauschen über die
offenbaren Widersprüche innerhalb der beiden grossen Dichtungen, über
die vielen unvermittelten Uebergänge, über die mangelnde Harmonie der
Teile, kurz über die mannigfachen, von mir in den Paragraphen 23 — 36
meiner Prolegomena besprochenen Mängel in der Durchführung desjenigen
Planes, der von dem Dichter selbst in dem Proömium ausgesprochen zu
sein schien. Wolf war ausserdem ein zu klarer und unbefangener Kopf,
über 100 Mal in Rias und Odyssee mit dem reinen Accusativ verbunden, ist durchweg /dnorvoof
nach der 2. statt fingrvg nach der 3. Decl. gebraucht, findet sich gleichmässig in Ilias und Odyssee
der später erloschene Oonjunctiv mit kurzem Themavokal u. a.
1) Für die symmetrische Anlage verweise ich insbesondere auf den Parallelismus der Re-
tardierung der Handlung um 12 Tage im ersten und letzten Gesang (^ 425 u. i2 31), des Scenen-
wechsels im Eingang und am Schlüsse der Patrokleia (/I 1 u. ^ 1), der Ueberlegenheit der Achäer
in r—H und der der Troer in ^ — O, der Flucht der Achäer in B 343 — 345 und der der Troer in
0 1 — 3, des Grabenüberganges von Seite der Troer in M 84 und von Seiten der Achäer in vi 47,
der Verdrossenheit des Aeneas über Hektor in N 459 und der der AchäerfÜrsten über Agamemnon
in iV 114, des Verbotes des GGtterfürsten sich an dem Kampfe der Menschen zu beteiligen in O
1 ff. und der Aufforderung desselben an dem Kampfe teilzunehmen in Y' 1 ff. Ebenso zeigt sich
die Kunst der episodischen Einlage unter Benützung eines zeitlichen Zwischenraumes in der Haupt-
handlung in gleicher Weise in der Teichoskopie r 121 — 244, im Waffen tausch des Diomedes und
Glaukos Z 119—236, im Kampfe der Wagenlenker des Patroklos P 426—542, in der Fahrt nach
Chryse ^ 430-487, ii^der Absendung des Patroklos A 596—848 und O 390— 40o.
2) Von diesen Rückbeziehungen hebe ich besonders hervor /7 61 auf / 650, M 336. S 521.
O 469 auf e 328, 0 5 auf O 605, 0 110 auf >' 518. Andere stehen im 4. Kapitel meiner Pro-
legomena. aber überall gilt es hier erst zu untersuchen, ob die betreffenden Verse echt oder unter-
geschoben sind. Denn schon der Umstand, dass Homer sonst dem cyklusartigen Charakter seiner
Gesänge entsprechend Rückbeziehungen meidet, muss gegen die Echtheit der betreffenden Stellen
von vornherein einnehmen.
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145
um in der Ilias und Odyssee die Verkörperung grosser sittlicher Ideen
zu finden, welche theologische Weisheit in die einfachen Produkte ech-
tester Volks- und Naturpoesie hineingehaimselt hat^). Endlich haben
Wolf, Bemhardy und andere, welche von einer homerischen Sängerschule
sprachen, nicht so gering von dem Talente der Jünger gedacht, dass sie
ihnen die Fähigkeit absprachen, sich in den Geist der alten homerischen
Dichtung hineinzuleben und das Werk des Meisters in dessen Geiste
weiterzuführen, wie dieses ja auch geschichtlich bezeugt ist von den
Vollendern unserer grossen Dome, welche die Entwürfe der ersten Meister
nicht einfach ausführten, sondern zum Teil auch ausschmückten und er-
weiterten. Mit blossen Lobreden auf die glückliche Einfügung der Pres-
beia oder den herrlichen Abschluss der Ihas durch die Leichenspiele
und die Lösung Hektors ist noch nicht viel gethan, da eine solche Kunst
auch den Homeriden, den Jüngern des Meisters, zugetraut werden kann.
Um die Einheit des Verfassers zu erweisen, müssen erst die Widersprüche
und die Abweichungen der Sprache beseitigt werden, die jener Annahme
entgegenstehen. Ich halte mich daher bei jenen Einheitsaposteln hier
nicht länger auf, zumal ich unten noch Gelegenheit haben werde auf
einige ihrer Sätze zurückzukommen, und die einsichtsvollsten unter ihnen,
insbesondere Nitzsch in seinem postumen Werk, Beiträge zur Geschichte
der epischen Poesie, durch Annahme grösserer Interpolationen ein gutes
Stück den Wolfianern entgegengekommen sind.
Den Gedanken Wolfs hat am konsequentesten und scharfsinnigsten
K. Lachmann in seinen Betrachtungen über Homers Ilias, 1837 — 41,
weitergeführt. Er hat vor allem die innere Seite der Frage, die Wolf
beiseite gelassen hatte, von der aber allein eine endgiltige Lösung des
Problems erhofft werden konnte, scharf ins Auge gefasst und durch sorg-
1) Eine sittlich relif^öae Idee suchten in der Ilias und Odyssee besonders Nitzsch und
Bäum lein; auch Ritschl, Alex. Bibl. p. 70 (Opusc. I, 60) nimmt für seine zweite Periode der
Entwicklung des homerischen Epos eine sittliche Idee an, und mein Freund Carriere führt in
dem Werke, die Kunst im Zusammenhang der Culturentwicklung I 50, den Gedanken einer sitt-
lichen Grundlage des homerischen Epos so schön durch, dass man fast wünschen möchte, dass er
auch wahr sei. Mit Recht hingegen hat sich gegen diese ganze Auffassung Nutzhorn S. 260
ausgesprochen, da sie der einfachen Natur des naiven Volksepos widerspricht. Eher wird man
in den homerischen Epen einen historischen Kern, und mit Osk. Meyer, Quaest. Homer. 1847,
selbst auch einen mythologischen Hintergrund suchen dürfen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak d.Wiss. XVH. Bd. I. Abth. 19
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146
fältige Analyse der Ilias unter Vergleichung ähnlicher Erscheinungen des
deutschen, altfranzösischen und altspanischen Epos 1 5 alte Lieder heraus-
gelöst, die ursprünglich selbständige Schöpfungen verschiedener Dichter
gewesen sein sollen und die erst ein späterer Ordner benützt habe, um
aus ihnen zusammen mit den letzten Rhapsodien -2* — S2 unsere heutige
Ilias, die Ilias des Pisistratus zu schaffen. Jene 15 Lieder hat dann der
geistvollste Anhänger Lachmanns, Arnim Köchly, auch gesondert, und
zwar scholaruin in usum, herausgegeben in seinen Iliadis carmina XVI,
Lipsiae 1861, indem er seiner kleinen Ilias das stolze Motto vorsetzte
vrinioi uviih laaaiv oatp nltov rjuiav navxog. Er ist dabei fast durchweg
in die Fus&tapfen Lachmanns eingetreten und hat den 15 'Liedern seines
grossen Vorgängers nur noch den letzten Gesang, die ^'Exroffog Xvr^a, als
gleichfalls altes Lied hinzugefügt. Die Begründung seiner Ansichten
unter schneidiger Bekämpfung der Gegner der Liedertheorie entwickelte
Köchly in seinen klassischen dissertationes de Iliadis carminibus, de Odys-
seae carminibusj die jetzt in den 1. Band seiner Opuscula philologica
aufgenommen sind und in denen Lachmanns Theorie auch auf die Odyssee
ausgedelmt ist. Ueberhaupt aber hat der divinatörische Scharfsinn
Lacht iianns einen wahren Bann über nah- und fernstehende Geister aus-
geübt, so dass sich eine ganze Literatur an die Betrachtungen anschloss
und der von dem grossen Forscher betretene Fusspfad zur wahren Heer-
strassG erweitert wurde. Im weiteren Verlauf der Besprechung ward
dann die I^iedertheorie auch auf die Gesänge 2 — X, die noch Lachmann
in einem Zug hatte gedichtet sein lassen, ausgedehnt, zuerst von Ad.
Holm in seiner Abhandlung, ad C. Lachmanni exemplar de aliquot
Iliadis carminum compositione p. 20 und dann eingehender von Mor.
Schmidt in seinen scharfsinnigen Meletemata Homerica 1878 u. 1879.
Homer selbst aber, dem schon von Lachmann Fleisch und Knochen ge-
nommen waren, verflüchtete sich unter den Händen seiner Nachfolger voll-
ständig zu einem Phantom, dem vom Zusammenfügen der Name gegeben
sei, so dass sich andere noch ein Verdienst um den guten alten Homer
erwerben konnten, indem sie ihn wenigstens noch als 'Gesell', als 'Reprä-
sentant einer Dichtergenossenschaft' gelten Hessen ').
J } So ö. Uurtiu8, de nomine Homeri; über die andere zuerst von Holtzmann aufgestellte und
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147
Würdigen wir unbefangen Lachmanns Betrachtungen und die Schriften
seiner Anhänger ^), so räumen wir gerne ein, dass durch den glänzenden
Scharfsinn des einzigen Mannes die Risse in der Erzählung, die ursprüng-
lichen Grenzen der einzelnen Gesänge, der lockere Zusammenhang ein-
zelner Teile, der jüngere Ursprung des Mauerbaus, der Gesandtschaft,
der Absendung des Patroklos an Nestor, der Leichenspiele, der Hoplo-
poiie mit Sicherheit aufgedeckt und für alle Zeiten festgestellt sind.
Aber gegen den Hauptsatz seiner Liedertheorie von der ursprünglichen
Selbständigkeit der alten Lieder bleiben die gegen Wolf erhobenen Be-
denken in ihrer ganzen Ausdehnung fortbestehen. Auch mit den kleinen
Modificationen, wie sie insbesondere Schömann in seiner ausgezeich-
neten Abhandlung de reticentia Homeri, 185:^ aufgestellt hat^), werden
die Haupteinwände nicht gehoben. Homer, den die Homeriden als ihr
Haupt verehrten, braucht nicht der Verfasser der ganzen Ilias und Odyssee
gewesen zu sein, aber er muss etwas mehr gewesen sein als der blosse
Zusammenordner alter Lieder; er kann auch nicht einfach alte Volks-
lieder in sein neues Werk herübergenommen haben, ein Dichtergenius,
wie den Homer die Tradition aller Zeiten auffasste, war kein blosser
Compilator und Ordner, er hat, wenn er auch ältere Lieder benützte,
durch Vergleichung mit dem indischen Vjäsa gestützte Deutmig des Namens siehe jeztDüntzer,
Die homerischen Fragen S. 13 — 33.
1) Ausser Haupts Zusiltzen zu Lachmanns Betrachtungen, zu denen jetzt noch die be-
treffenden, aber wenig relevanten Abschnitte in Haupts Leben von Beiger treten, erwähne ich
Köchlys klassische Dissertationen, Wold. Ribbecks gehaltvolle Aufsitze im Philologus,
Fleckeisens Jahrbüchern und Rhein. Museum, und die zahlreichen Abhandlungen des betriebsamsten
Lachmannianers Benicken, dessen soeben erschienenen und vom Verfasser gütigst mir verehrten
'Studien und Forschungen auf dem Gebiete der homerischen Gedichte und ihrer Literatur', zwar
zunächst nur das 12. u. 13. Lied zum Gegenstand haben, aber fast alle Seiten der Liedertheorie
vom Standpunkt Lachmanns aus beleuchten. Die Anschauung Lachmanns auf die Spitze treibend^
spricht dieser Gelehrte neuerdings geradezu ans jedes Lied habe seinen eigenen Verfasser'.
2) Ausser Schömann verdienen noch hervorgehoben zu werden die in dem Geiste von Wolf-
Lachmann geschriebenen Werke von Jacob, Entstehung der Dias und der Odyssee, 1856, Lauer,
Geschichte der homerischen Poesie, 1851, Gau er, Urform einiger Rhapsodien der Ilias, 1850.
Auch Ritschi, dessen Unterscheidung von 6 Perioden in der Entwicklung der homerischen
Poesie (s. Opusc. I. 59) überhaupt nicht viel bedeuten will, geht mir nicht weit genug, wenn er
im Einklang mit Bernhardy, Griech. Lit. P, 130, die zweite seiner 6 Perioden folgendermassen
beschreibt: Aus einer reichen Fülle epischer Einzellieder wählt der hervorragende Geist Homers
eine Anzahl, verschmilzt sie mit eigenen und verknüpft sie kunstgemäss zu einem Ganzen*. Ein
blosses Auswählen alter Einzellieder mag sich für einen handwerksmässigen Bänkelsänger schicken,
passt aber nicht zur Grösse des Vaters der griechischen Poesie.
19*
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148
wie dieses nachweislich die Verfasser der kleinen Ilias und der Nostoi
gethan haben ^); dieselben umgegossen und mit seinem Geiste beseelt.
Von dieser uralten Vorstellung des Dichters Homer dürfen wir nicht ab-
gehen, wenn uns nicht dazu die Beschaffenheit der erhaltenen Werke
und der Verlauf der griechischen Poesie geradezu nötigen. Diese aber,
weitentfemt die Liedertheorie zu unterstützen, führen uns umgekehrt
ganz deutlich auf einen Dichter, der einen grossartigen Plan zu einem
grossen Epos im Geiste entworfen hatte und diesem Plane die einzelnen
Lieder, denen er nur wegen des oben besprochenen praktischen Bedürf-
nisses eine möglichst in sich abgeschlossene Gestalt gab, als Glieder eines
grösseren Ganzen unterordnete. Denn ein grosser einheitlicher Gedanke
zieht sich ganz unverkennbar durch alle Gesänge der Ilias durch, ein
solcher wird aber zu allen Zeiten nur durch eine grosse Persönlichkeit
ins Leben gerufen, nicht vom Volke erzeugt noch erst hintendrein in
fertige Lieder hineingetragen. Einen solchen Dichter von grossem Schnitt
und kühner Conception setzt aber auch der ganze weitere Verlauf der
griechischen Poesie voraus. Nur einem Homer, der nicht alte Lieder
zusammengereiht, sondern ein grosses eigenes Werk geschaffen hatte,
konnte sich eine Sängerschule, und konnten sich die Dichter des epischen
Kyklos, Arktinos, Lesches, Stasinos anreihen.
Den Gegensatz zur Liedertheorie, die getrennte Lieder an den Anfang
und die Zusammenordnung der ursprünglich selbständigen Lieder zu
einem grossen Epos an den Schluss setzt, bildet jene Auffassung, welche
von einer kleineren ilias als ursprünglichem Kern ausgeht und aus dem-
selben durch Erweiterung, Zudichtung, Interpolation allmählich die jetzige
Ilias entstanden sein lässt. Es hatte diesen Gedanken, wie bereits oben
angedeutet, schon Wolf (Kleine Schriften I, 211) ausgesprochen: certum
est tum in Iliade tum in Odyssea orsam telam et deducta aliquatenus
fila esse a vate, qui primus ad canendum accesserat. Aber deutlich aus-
1) So hat z. B. der Dichter der kleinen Ilias die Erzählung der Odyssee 6 240—258. 271
bis 289. X 508-537, und der der Nostoi die Erzählung der Odyssee y 130—200. 254—312. 6 351
bis 386 benützt, wie ich in meinem Aufsatz, Noch eine Art von Interpolationen bei Homeros,
in Jahrb. f. Phil. 1881 S. 434 flf. nachgewiesen habe. Aehnlich hat Panyasis des Kreophylos
0«/«X/ftf uXu^ci^ und Pisander eine ältere Herakleis ausgenutzt, worüber man sehe Kinkel, epic.
poet. fragm. p. 249 u. 254.
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149
gesprochen und zu Faden geschlagen hat ihn erst G. Hermann in seiner
klassischen Abhandlung de interpolationibus Homeri a. 1832 (jetzt im
5. Band der Opusc), die ich als das Vernünftigste und Besterwogene
bezeichne, was je über die homerische Frage geschrieben worden ist. S. 70
ist die Quintessenz dieser Auffassung zusammengefasst in den Worten:
dissipari dubitationes et solvi ita, ut conciliari cum Wolfii placitis possint,
si statuamus multo antiquiore tempore, quam visum sit Herodoto II 53,
ac potius, ut Cicero dixit de senect. c. 15, multis ante Hesiodum seculis
Homerum duo non magni ambitus carmina de ira Achillis Ulixisque
reditu composuisse, quae deinceps a multis cantata paullatimque aucta
atque expolita Homeri nomen ad posteros ut poetae vetustissimi propa-
gaverint Aber wo haben wir jenen Kern zu suchen? Ist er unter-
gegangen unter der Fülle der Erweiterungen, so verliert jene ganze
Hypothese für uns ihren Wert; ist er aber in der erweiterten Ilias er-
halten geblieben, dann zeige man ihn uns! Darauf hat Hermann keine
Antwort gegeben weder in jener Abhandlung noch in dem Aufsatz über
Homer und Sappho (Opusc. V, 79 sqq.), wo er zwar Homerica Ante-
homerica und Posthomerica in unserem Homer unterscheidet, aber doch
keine Sonderung im Einzelnen vorzunehmen unternimmt. So blieb erst
den Nachfolgern der Versuch vorbehalten, jenen Kern aus unserer Ilias
herauszuschälen; aber sobald man diesen Versuch zu machen begann,
zeigte es sich, dass man es mit dem 'non magnus ambitus' nicht so
genau nehmen darf, dass mit anderen Worten selbst die ältesten Partien
der Ilias, um von der Odyssee ganz zu schweigen, auf eine längere Ex-
position von mehreren Gesängen, nicht auf eine so kurze Zusammen-
fassung wie die Meleagrossage in II. IX 529 — 599 angelegt sind.
Darauf sind alle hinausgekommen, welche die alte Ilias oder Odyssee
aufzufinden suchten, Voss ^), Grote, Friedländer, L. Kayser, Geppert, Bern.
Thiersch, Bergk, Naber, Kirchhoff, Kammer, Niese, Heimreich, ja ich möchte
fast sagen, alle Homerforscher mit Ausnahme der eingefleischten Lach-
niannianer. Denn auch mehr nach links stehende Unitarier wie Nitzsch,
1) J. H. Voss, Antisymb. II 234 fiP. nahm eine ursprüngliche Ilias von 6—8 Rhapsodien an,
mengte aber Abenteuerliches hinzu, indem er sie nach Thessalien, statt nach Kleinasien versetzte,
während heutzutag wohl darüber Uebereinstimmung herrscht, dass höchstens die Anfänge der
hexametrischen Poesie und zwar die sakralen von den Aeoliern und Thessaliem nach den Kolonien
Kleinusiens mitgenommen worden waren.
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150
Düntzer, Minckwitz, Virchow und mehr nach rechts stehende Wolfianer,
wie Schömann, Bernhardy, Hiecke, La-Roche, G. Curtius, Bonitz stimmen
darin überein, dass die trotz aller Mängel wunderbare Einheit der Ilias
und Odyssee ohne einen festen einheitlichen Kern undenkbar ist; die
meisten erkennen auch offen an, dass alle oder doch fast alle Gesänge
der Ilias nicht erst nachträglich von irgend einem Anordner an die ihnen
heute zugewiesene Stelle gesetzt, sondern von vornherein von ihren Ur-
hebern für die betreffende Stelle bestimmt worden sind. Auseinander
gehen sie nur in Bezug auf die Grösse jener alten Ilias und ihrer Stellung
zum Mythus oder zur Volkspoesie. Es ist schwer, unter diesen Vari-
ationen bestimmte Kategorien zu unterscheiden; doch will ich den Ver-
such wagen, freilich ohne alle Nuancierungen erschöpfen oder überhaupt
mehr als einige Grundlinien geben zu wollen.
Am wenigsten entfernen sich von der Ueberlieferung die Vertreter
der Interpolationstheorie, welche annehmen, dass lUas und Odyssee von
einem Dichter nach einem bestimmten Plane gedichtet seien und dass
jene alten einheitlichen Werke bloss im Laufe der Zeit, von Homer bis
Pisistratus, eine Reihe massiger Zusätze und Zudichtungen erfahren haben.
Im wesentlichen war dieses die Ansicht von Nitzsch, wie sie uns aus
seiner Sagenpoesie und seinen Beiträgen zur Geschichte der epischen
Poesie entgegentritt Denn er nimmt hier keinen Anstand die Herakles-
episode T 95 — 133, die Erzählung des Nestor A 664 — 762, einen grossen
Teil der Nekyia l 565 — 627, ja die ganze Doloneia als späte Zusätze
zu verwerfen und auch sonst starke Verwirrungen durch jüngere Inter-
polationen anzunehmen. In ähnlicher Gedankensphäre bewegt sich auch
mein Freund Jak. La-Roche, über die Entstehung der homerischen
Gedichte (Ztechr. f östr. Gymn. 1863 S. 161 — 202), nur dass er in der
Annahme von Zudichtungen erheblich weiter geht. Im Grund genommen
war dieses aber auch schon der Standpunkt von Zenodot, Aristophanes
und Aristai'ch, von denen z. B. der erstere den Schild des Achill
2 483 — 608 verwarf, Aristarch das letzte Buch der Odyssee, den Schluss
der Nekyia und ausserdem mehrere Hunderte von Versen der Ilias und
Odyssee als unecht nachwies^). Man kann nicht leugnen, dass die Aus-
1) Geppert, Ursprung der homerischen Gedichte I 51 zählt 851 Verse in der Dias und
315 in der Odyssee, welche die alten Grammatiker athetierten.
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Scheidung einzelner Verse das leichteste Mittel, die lenissima mediciiia
ist, über die Schwierigkeiten hinwegzukommen, und dass die Annahme
erheblicher Zusätze namentlich für uns, die wir eine jahrhundertlange
mündliche Ueberlieferung annehmen, an und für sich ohne jegliches
Bedenken ist Aber bedenklich wird das Mittel, wenn, wie in dem
8. Gesang der Ilias oder dem 13. der Odyssee ein Vers über dem andern
der Interpolationstheorie zum Opfer fallt und man gar keinen Grund
absehen kann, der einen Nachdichter zum Zusatz jener vielen Dutzende
von Versen habe verleiten können. Namentlich ist der eigentliche Inter-
polationsfanatiker Düntzer mit den Klammern so rasch und so oft
hintereinander bei der Hand, dass man sich viel leichter zur Annahme
der späteren Zudichtung eines ganzen Gesangs als zur Billigung jener
massenhaften Interpolationen verstehen wird. -Ausserdem lassen sich mit
der blossen Ausscheidung einzelner Verse und Versgruppen die grössten
Anstände nicht beseitigen, es bleibt die verwirrte Chronologie der Odyssee,
die Zusammenhäufung der massenhaften Ereignisse der Bücher y/ 84 — ^
/7 777 auf die paar Stunden des Nachmittags, die Vernachlässigung der
Gesandtschaft in dem Eingang der Patrokleia, die sich widersprechenden
Anschauungen vom Laufe des Skamander und der Lage Trojas in den
verschiedenen Partien der Ilias, die Vermengung der Lykier des Pan-
daros und des Sarpedon und vieles andere der Art. Also mit <ler An-
nahme kleiner Interpolationen ist uns nicht ausreichend gedient, so wenig
wir auch in einzelnen Fällen auf besagtes Auskunftsmittel verzichten wollen.
Mit der Verwerfung des ganzen 10. Gesanges der Ilias ist eigentlich
schon Nitzsch aus dem Kreis der Interpolationstheorie herausgetreten.
Denn wiewohl G. Hermann und andere nach ihm das Wort Interpolation
auch von der Zudichtung ganzer Gesänge gebrauchten, so versteht man
doch in der Regel unter Interpolation nur die Zufügung einzelner Verse
und Sätze, nicht die ganzer Bücher, und wird man auch in der Dar-
stellung der homerischen Frage gut thun, die Einfügung einzelner Verse
und Verspartien (Interpolation), von der Zudichtung ganzer Lieder und
Liederkomplexe (Erweiterung der alten Ilias) zu scheiden. Die Aus-
scheidung nun solcher später eingedichteten Lieder bildet das eigentliche
Tummelfeld der höheren homerischen Kritik seit Lachmann, in der man
von der Verwerfung einzelner Gesänge, wie der beiden letzten Bücher
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152
der Hoplopoiie, der Presbeia bis zur Ausscheidung ganzer Gruppen von
Gesängen gegangen ist. Zugrunde liegt diesem ganzen Verfahren die
gewiss richtige Anschauung, dass die Ilias und Odyssee keine eng ge-
schlossenen Einheiten in dem Sinne dramatischer Dichtungen oder auch
nur moderner Epen, wie der Gerusalemme liberata und der Messiade,
bilden, sondern vielmehr aus Cyklen von Liedern bestehen, welche in
freier Folge ohne ängstliche Rückbeziehung einen Grundgedanken durch-
führen, der wie ein roter Faden durch das Ganze hindurchgeht und dem
Dichter von vornherein vorschwebte, dessen Ausführung im Detail aber
sich erst im Laufe der Zeit ergab und von mehreren Dichtern vollzogen
werden konnte. Wie z. B. der Streit zwischen Achill und Agamemnon
das Gruödthema der Ilias bildet, das nirgends ganz verkannt ist, da auch
in den Gesängen, in welchen der Entschluss des Zeus den Achill zu
rächen, ganz vergessen zu sein scheint, in den Büchern li — H Achill
sich weder an den Beratungen noch an den Kämpfen beteiligt. Ist so
aber auch die Grundsituation überall beibehalten und hatte gewiss der
Dichter des 1. Gesanges gleich im Anfang den Plan, auch die Conse-
quenzen des Streites, die Niederlage der Achäer in Folge des Fernbleibens
des Achill zu besingen, so fragt es sich doch, wie weit der Dichter von
vornherein seinen Plan im einzelnen durchgedacht und dann selbst auch
ausgeführt hat. So wird z. B. jedermann geneigt sein, die Aussendung
des Patroklos noch in den ursprünglichen Plan hineinzuziehen und die-
selbe bereits im ersten Gesang ^307 durch Erwähnung des Menoitiaden
angedeutet zu sehen, leicht aber zweifeln, ob Homer auch schon Hektors
Abschied, den Mauerkampf, die. üeberlistung des Zeus, die Lösung
Hektors, die Waffenschmiedung, die Leichenspiele, die Gesandtschaft, oder
auch nur Achill's Rache in seinem Plane gehabt und selbst im Laufe
der Ausarbeitung hinzugedichtet hat.
Es verträgt sich aber auch die Theorie von einem nach und nach
erweiterten Lydercyklus recht gut mit der weiteren Annahme, dass inner-
halb jenes Cyklus wieder einzelne Lieder enger zur Einheit eines kleineren
Liederkomplexes zusammenzufassen sind. Lag es doch in der Natur der
Sache, dass die Kunst nicht vom Einzellied gleich zu so umfassenden
Werken, wie die Ilias ist, überging, sondern zuerst mehrere Lieder zu
einem kleineren Complexe zusammenzuweben begann. Ganz deutlich
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treten uns aber solche Liedercomplexe in der Odyssee entgegen, wo sich
ganz offenbar die 4 ersten Gesänge zu einer Teleniachie zusamraenschliessen,
und die Erzählung von den Irrfahrten des Odysseus ein eigenes Ganze
bildet, 80 zwar dass die Odyssee weit eher, was in der Hauptsache
übereinstimmend Düntzer (Jahrb. f. Phil. 64), 126, Hennings^), Kirchhoff
und Fick annehmen, aus mehreren Epyllien, dem Nostos, dem Freiermord,
der Telemachie, als aus einzelnen Liedern zusammengesetzt zu sein scheint.
Aber auch in der Rias, wiewohl hier die offenbar ältere Form von Ein-
zelliedern, mehr zur Geltung kommt, lassen sich leicht mehrere grössere
Gruppen unterscheiden. Schon der Name Patrokleia führt uns auf eine
engere Zusammenschliessung des 16., 17. und der ersten Hälfte des 18. Ge-
sanges, woraus sich ein geschlossenes Epyllion von über 1900 Versen
ergibt. Sodann hat schon Lachniann, Betr. S. 80 sich dahin ausge-
sprochen, dass die 5 Bücher -5* — X aus einem Stücke seien und so in
allem übereinstimmten, dass sie deutlich einen einzigen Dichter verriethen.
Aber noch viel mehr stimmen mit einander überein und folgen in ge-
schlossener Reihe auf einander die Bücher ^ ^ M N S ü. Endlich hat
Grote^) richtig gesehen, dass die Bücher B — H^ oder, wie Düntzer vorzogt,
r — H^ ein besonderes Epyllion bilden, in dem die Erzählung der Kriegs-
thaten mit einem Zweikampf eröffnet und mit einem Zweikampf ge-
schlossen wird.
Selbstverständlich aber ist es für die Anhänger jener Lehre von
einer in einem Cyklus von Liedern sich abschliessenden Einheit, dass
1) Hennings in dem scharfsinnigen methodischen Aufsatz über die Telemachie in Jahrb.
d. Phil. Suppl. m, besonders S. 143 u. 205.
2) Grote, history of Greece t II in dem vortrefflichen Abschnitt Homeric poems, der in
Deutschland durch Friedländers Büchlein, die homerische Kritik von Wolf bis Grote, 1853,
zur allgemeinen Geltung gekommen ist.
3) Düntzer, das dritte bis siebente Buch der Ilias als selbständiges Gedicht, in seinen
gesammelten Homerischen Abhandlungen. Die Ansicht desselben ist am präcisten ausgesprochen
S. 241: 'wir nehmen weder die Zusammensetzung aus einzelnen umlaufenden Liedern an, noch
glauben wir die ursprüngliche Einheit der beiden grossen Gedichte aufrecht erhalten zu können,
sondern sind der Ansicht, diese seien aus einigen grösseren Gedichten und einzelnen kleinen
Liedern gebildet, die wir wieder herzustellen suchten, so weit es bei den durch die Zusammen-
ordnung nötig gewordenen Umgestaltungen und den Veränderungen möglich ist, die sie in der
üeberlieferung der Rhapsoden erlitten haben. Schon Nitzsch, Sagenpoesie S. 273 sprach den
allgemeinen Gedanken aus, dass Homer innerlich eng verbundene Gruppen von Liedern allmählich
gedichtet habe.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. I. Abth. 20
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154 .
wenii auch verschiedene Dichter die einzelnen Partien dichteten, doch
dieselben von einander Kenntnis nahmen in der Art, dass die jüngeren
unter ihnen ihre neuen Lieder von vornherein zur Einreihung in den
bereits bestehenden Cyklus an einer genau bezeichneten Stelle bestimmten.
Damit aber unterscheidet sich vornehmlich diese Klasse von Homerikern
von den Wolfianern und Lachmannianern, welche eine Wechselbeziehung
der einzelnen Lieder nicht anerkennen wollten und die Zusammenordnung
derselben erst einem späteren Redactor zuschrieben. Am beredtesten aber
hat jenen Gedanken, dass der Autor jedes späteren Gesanges Beziehungen
zu den älteren Gesängen gesucht und für sein neues Lied eine bestimmte
Stelle in dem Liedercyklus ins Auge gefasst habe, neuerdings Beruh.
Niese in seinem Buche, Die Entwicklung der homerischen Poesie, 1882,
ausgeführt^). Und wie dieser Gedanke zunächst in den Untersuchungen
über die Composition der Ilias zur Geltung kam, so haben sich auch in
den Analysen der Odyssee die neueren Forscher^ auf einen ähnlichen
Standpunkt gestellt, wenn sie von einem jüngeren in den alten hineinge-
dichteten Nostos oder von einer Fortsetzung der alten Odyssee, das ist eben
jenes alten Nostos durch die Dichtung vom Freiermord reden. Selbst die
vier aetates, welche Naber in seinen scharfsinnigen Quaestiones Homericae
unter Anlehnung an die Lehre von den geologischen Schichten annimmt,
sind von ihrem Urheber so gemeint, dass die folgende Periode immer
an die vorausgehende anknüpft und auf derselben aufgebaut ist. Freilich
machte sich auch bei den Vertretern dieser Richtung mehr oder minder
der Einfluss Lachmanns geltend, indem namentlich Hennings die ein-
zelnen Epopöen, welche später die Odyssee bildeten, ursprünglich eine
selbständige Stellung einnehmen Hess, so dass bei ihrer Zusammenordnung
bedeutende umfangreiche Zusätze notwendig gewesen seien. Dabei hat
aber jener Gelehrte, wenn er erst um die solonische Zeit die einzelnen
homerischen Epopöen durch Ausfüllung der Lücken, Einschaltung von
Zwischengliedern und Ausscheidung des Widersprechenden zur Einheit ver-
bunden werden lässt, es unterlassen nachzuweisen, dass die vielen Hunderte,
1) Aehnliche Gesichtspunkte hat schon zuvor Kammer in seinen trefflichen Abhandlungen
Zur homerischen Frage, namentlich I 81 ausgesprochen.
2) Kirchhoff, die homerische Odyssee, 2. Bearb. 1879, dem fast durchweg Fick in seiner
homerischen Odyssee, 1883 folgt, und Kammer, Die Einheit der Odyssee. 1873.
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155
ja Tausende von Versei), die er erst später hinzugefügt sein lässt, in ihrem
sprachlichen Gepräge eine der langen zeitlichen Kluft entsprechende Ver-
schiedenheit tragen. Aug. Fick aber, der allemeuestens in seinem Buche,
die homerische Odyssee in der ursprünglichen Sprachform wiederherge-
stellt, Göttingen 1883, diesen Punkt nachzuholen suchte, hat wesentliche
sprachliche Unterschiede zwischen dem Gros des alten Epos und den
jungen Verbindungsgliedern wohl aufgestellt, aber keineswegs mit ge-
nügender Sicherheit erwiesen. Hingegen haben andere und so auch ich
jüngere, von fremder Hand herrührende Verbindungsglieder nur in sehr be-
grenztem Umfange aufzuspüren vermocht, so dass es der kritischen Unter-
suchung in jedem einzelnen Fall überlassen bleiben muss, zu prüfen, ob
erst ein späterer Diaskeuast verbindende Verse hinzugedichtet, oder ob
schon von vornherein der Dichter einer erweiternden Partie dieselbe nicht
bloss zur Einlage an einer festen Stelle bestimmt, sondern auch für die
passende Eingliederung derselben durch Dichtung von Verbindungs-
versen gesorgt hat^). Endlich will auch der Diaskeuast Bergks^ nichts
1) Von Bedeutung in dieser Frage ist, dass sich gerade am Schlüsse oder yor dem Anfang
der alten. Iliaslieder, wie ich sie in meiner Ausgabe hergestellt habe, ganz offenbare Interpolationen
finden, wie z. B. zweifellos die Verbindungs- oder Abschliessungsverse £ 356 — 368 (schon von den
Alten angezweifelt), P 400—423 (404—425 fehlten bei Zenodot), O 367—414 (fast von allen
Neueren angezweifelt), iV 345 — 360 (hängen mit einer alten Teilung des allzu langen Gesanges
JV in der Praxis der Rhapsoden zusammen) nicht vom alten Dichter der Ilias herrühren. Auch
der Eingang des 2. Gesanges oder der 'AyoQu, wie des 9. Gesanges oder der Presbeia, scheinen,
wie ich in meiner Ausgabe auch äusserlich andeutete, erst später zu den alten Liedern hinzuge-
dichtet zu sein und zwar offenbar zu dem Zweck einen engeren Zusammenhang der einzelnen
Lieder herzustellen. Aber der Dichter der Doloneia, der Leichenspiele, der Hoplopoiie, des zweiten
Schlachttages (6 — K), der Absendung des Patroklos an Nestor und wahrscheinlich auch der Tele-
machie haben schon selbst dafür gesorgt, dass ihre Zusätze sich gut in die schon fertigen Gedichte
einfügten, haben mit anderen Worten auch die einleitenden und schliessenden Verse, wie z. B.
B 313—482, M 1 — 2 selbst verfasst. Von besonderem Interesse ist es dabei zu beobachten, dass
der Nachdichter nicht bloss für die passende Einfügung seiner Einlage sorgte, sondern zugleich
auch an anderen Stellen grössere oder kleinere Partien einfügte, welche auf den neuen Zusatz
Bezug nahmen. So gehen aller Wahrscheinlichkeit nach alle Stellen der Odyssee, welche von
dem Seher Theoklymenos handeln, wiewohl sie weit auseinander liegen (o 221—286. o 508 — 549.
Q 52—56. ^ 61 — 166. t; 345 — 383), auf denselben Homeriden zurück, und hat der Dichter des
2. Teiles des 11. Gesanges von der Absendung des Patroklos an Nestor (A 596 — 848) zugleich
auch die damit zusammenhängenden -Partien S 1 — 152 und O 390 — 414 gedichtet, wie wir ein
ähnliches Verfahren im Kleinen an der Eindichtung der Phönixepisode in die alte Presbeia be-
obachten können.
2) Bergk, Griechische Literaturgeschichte 1872.
20*
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156
anderes^) bedeuten, als dass die jüngeren Partien von vornherein be-
stimmt waren sich an die älteren an bestimmter Stelle anzuschliessen,
und dass dieselben nicht erst hintendrein von Pisistratus zusammenge-
ordnet und eingegliedert wurden?
War so allmählich durch die Lehre von Liedercyklen, deren Glieder
locker an einander gereiht waren und leicht noch andere die Kette er-
weiternde Glieder zwischen sich nehmen konnten, ein Boden der Verstän-
digung gewonnen, so war doch damit die homerische Frage noch lange
nicht abgeschlossen. Denn nun galt es erst, den alten Kern aufzufinden
und die späteren Zudichtungen im einzelnen nachzuweisen; das gab sich
schon in der Odyssee nicht so einfach, rief aber namentlich in der Ilias die
grössten Widersprüche hervor. Denn auf dem Boden jener Erweiterungs-
theorie erwuchsen die üppigsten Schösslinge des subjektiven Beliebens:
ein Gesang nach dem andern erlag dem Verdammungsurteil, selbst die
ältesten Gesänge, wie die ä(}iOTsia ^Ayafiijjivoyos und die ägiOTeia Jio-
firidov^ wurden angefochten^, sogar von den engst zusammenhängenden
Partien, wie von dem ersten und zweiten Teil des ersten Gesangs {A 1
bis 305 u, ^ 318 bis fin.) imd von der dritten und vierten Rhapsodie
scheute man sich nicht die zweite lieber einem späten Nachdichter als
demselben Dichter zuzuschreiben. Dazu kam denn noch die Lehre von
der Ueberarbeitung älterer Partien und des Ersatzes eines älteren Lied-
anfangs oder Liedschlusses durch jüngere Umdichtung, die überall der
soliden Forschung den Boden unter den Füssen wegzuziehen drohte^).
Xamentlich hat Bergk mit seinem Allerweltsdiaskeuasten das schlechte
Beispiel subjektiver Willkür gegeben, von der er sicher bald zurückge-
kommen wäre, wenn er statt eine Literaturgeschichte zu schreiben, einen
1) Naber, Quaestiones Homericae. 1877.
2) Die Echtheit der Ueberlieferung des Gesaaages A wird verdächtigt von Geppert, der
Schluss des Gesanges E für eine Nachbildung des Buches 0 erklärt von L. Kayser, die schönsten
Partien des ersten Gesanges einem Interpolator zugewiesen von Heim reich.
3) Auch mit der Annahme von Lücken hat man zu operieren versucht; aber diese Hypothese
entbehrt von vornherein der Wahrscheinlichkeit und hat auch bis jetzt zu keinen irgendwie über-
zeugenden Besul taten geführt. Noch weniger freilich will mir der Versuch Lud. Jeeps ge-
fallen, der in seinen unlängst erschienenen und mir freundlichst vom Verfasser zugeschickten Quaes-
tiones Fridericianae die Schwierigkeiten des ersten Gesanges durch Umstellung (A 317. 430 — 487.
818 — 429. 493) heilen wollte, wogegen unbedingt schon das Präsens nifjinovütv V. 390 spricht.
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157
Text seines Homer zu bearbeiten und in ihm seiner Lehre von der lieber-
arbeitung einen festumrissenen Ausdruck zu geben versucht hätte. Wie
in Folge dieses leichtfertigen Subjektivismus das Trümmerfeld der ho-
merischen Kritik aussieht, kann man am besten aus dem Anhange Hentzes,
des getreuen Referenten der verschiedenen Meinungen, sehen, bei dem
dann aber auch schliesslich alles fraglich wird und das Heraklitische
navxa ^el von neuem auflebt. Nüchterne Männer ziehen unter solchen
Umständen sich lieber auf den Standpunkt eines allgemeinen Skepticismus
zurück, wie der grosse niederländische Philologe Cobet, wenn er in
seinen Miscellanea critica, die im übrigen für die Kritik des homerischen
Textes so vortreffliches bieten, sagt p. 402 : 'quo saepius carmina Jonica,
quae Homeri nomine feruntur, relego et diligenter omnia considero, eo
magis magisque mihi confirmatur sententia eorum, qui haec non unius
doidov carmina esse arbitrantur, sed a compluribus cantoribus neque
aetatis eiusdem neque patriae elg Ttjy avTr/y vnod^BOiv olim composita et
cantata fuisse, deinde in unum collecta et ordine disposita, ut elg er
aü)juaTioy coalescerent* und dann weiter p. 403 *plura non addo, quia
talia omnia sentiri possunt, sed demonstrari non possunt et nolo videri
ultra Lycurgi aetatem indagando procedere velle' ^) Soll die homerische
Frage nicht das Schicksal der Frage der Echtheit Ciceronischer Reden,
Plautinischer Komödien, Horazischer Oden teilen, das ist schliesslich in
Sand verlaufen, so bedarf es eines grösseren Respektes vor der üeber-
lieferung, sicherer Kennzeichen des Alten und Jungen, besonneneren
Urteils über die Tragweite der vorgebrachten oder vorzubringenden
Beweise. Es ist etwas schönes um den Satz des geistreichen Emperius ^) :
'Homeri carminum qualis fuerit antiquissima forma quaeritur et quaeretur
quousque philologia erit inter aequales^ aber man will mit der Unter-
suchung doch auch etwas vorwärts bringen und wenn auch nur schritt-
weise aus dem Zweifeln und dem Meinen zum Wissen kommen. Das
war mein Ziel in meiner lliasausgabe und dem sollen auch die folgenden
Kapitel gelten.
1) Aehnlich zweifelnd äussert sich auch M. Haupt in der Rede auf Lachmann: 'neque
enim sperare licet umquam futurum esse, ut in his antiquissimis carminibus omnia liquida ex-
plicentur. Vgl. Beiger Mor. Haupt. S. 136 ff.
2) Emperius im Rhein-Museum N. F. I 447.
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158
Cbronologrle der homerischen Gedichte.
Um über die Autorschaft der homerischen Gedichte ins Reine zu
kommen, ist es vor allem notwendig zu ermitteln, in welcher Reihen-
folge dieselben gedichtet wurden. Denn das wird auch der eingefleisch-
teste Unitarier zugeben, dass wenn der SchiflFskatalogim 2. Buche steht,
derselbe nicht nun auch vom Dichter an zweiter Stelle gedichtet zu sein
braucht, oder dass, wenn die Doloneia an 10. Stelle steht und auch von
vornherein für diese Stelle vom Dichter bestimmt war, dieselbe doch
erst nach dem Mauerkampf, der Patrokleia und dem Tode Hektors, die
mehr den Kern der Handlung der Ilias berühren, entworfen sein kann.
Auch wird es jeder, der einmal ein grösseres Werk geschaffen hat oder
nur der Arbeit eines anderen nachgegangen ist, natürlich finden, dass
der Dichter, wenn er hintendrein an vorderer Stelle einen neuen Gesang
einlegte, alsdann sich in den schon fertigen Partien Aenderungen und
Zusätze erlaubte, welche den später eingefügten Gesang mit den anderen
Teilen der Dichtung in engere Verbindung brachten. Man nehme nur
an, es liesse sich erweisen, dass Homer oder ein Homeride erst später
auf den Gedanken kam, eine Gesandtschaft an den erzürnten Achill
schicken zu lassen, musste er dann nicht nachträglich in dem Eingang
der Patrokleia auf die hartnäckige Weigerung des Helden Rücksicht
nehmen und die ganze Verööhnungsscene zwischen Achill und Agamemnon
anders gestalten? Jedermann sieht aber, wie uns ein ganz anderer
Einblick in die Werkstätte Homers und die Entstehung der grössten
Dichtwerke aller Zeiten vergönnt wird, wenn wir in der That nachzu-
weisen vermögen, dass der eine Gesang vor oder nach dem andern ge-
dichtet ist. Von selbst wird sich dann auch unsere Anschauung von
dem Verhältnis der einzelnen Lieder zu einander modificieren und Mrird
der Freiheit der Hypothesen und Vermutungen eine heilsame Schranke
gezogen werden.
Aber ehe wir das Lob des Werkes singen, ziemt es sich zuerst zu
fragen, ob und wie denn dasselbe zu Stande gebracht werden könne.
Denn gar viele Fäden, die ich in Aussicht auf lohnenden Gewinn zu
schlingen versuchte, sind mir im Laufe der Arbeit gerissen. Namentlich
kann man mit einfacher Zusammenstellung von Rückbeziehungen in dieser
Untersuchung am wenigsten vorwärts kommen, da gerade diejenigen
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159
Stellen, welche eine deutliche Rückbeziehung auf einen früheren Gesang
enthalten, am meisten den Verdacht späteren Interpolation wachrufen.
So beziehen sich z. B. ganz offenbar die Verse /7 61 ff.
7] rot e(pi]V y€
ov nfflv firiyi&iu.öy xaranavae/Lcsy dkk^ on(xi av 8r\
vfjac, ifiäg dcpixrirai. avTrj re nrokefiog rs
auf die Rede des Achill in der Gesandtschaft / 650
ov yäg nglv nolifioio jue^rjao/iai aifiaroBVTog,
tiqLv y vior ügidfioto daicpQovog^ "^'Exroga dlov,
MvQfiiSayiov ini rs xliaiag xat yfjag ixiad-ai.
Aber in demselben 16. Gesang zeigen nicht minder deutlich die Worte
des Achill V. 72 tolxol xbv cpevyovreg iyavkovg Jikrjaeiar rexviov^ bX fxoi
xQBViüv ^AyafiBfivo}v irpita bISbLti, dass der Verfasser derselben noch nichts
von einem Ausgleichsversuch des Agamemnon und von der Bittgesandt-
schaft an Achill wusste. Es folgt daraus, dass wenn das Verbura Bcprfi/
der ersten Stelle sich doch auf die Presbeia bezieht, die betreffenden Verse
/7 60 — 63 erst später in die alte Patrokleia eingesetzt sein müssen.
An anderen Stellen ist es geradezu unmöglich mit Sicherheit zu
entscheiden; welche von den beiden sich scheinbar aufeinander beziehenden
Versen den anderen zum Ausgangspunkt gedient haben. So rühmt sich
Menelaos P 24 dem Euphorbos, dem Sohne des Panthoos, gegenüber
ovÖb fif.y ovdk ßit] ^YnBQtivoQog innodafxoto
fig Tjßrjg änovriS-^ ora /ll^ ävaro xai fi^ vnBfiBtvBy
xai fi^ B(paj^ Bv Javaolaiv BXayx^^'^^^ nokB/LnöTTjy.
Da nun der Tod des Hyperenor durch Menelaos .T 516 erzählt ist, so
möchte man schliessen, dass die letztere Stelle vor der ersten und des
weiteren die 17. Rhapsodie vor der 14. gedichtet sei. Aber dieser Schluss
wird wieder dadurch zweifelhaft, dass die Stelle im 14. Gesang
*ATQBi^T]g ^ ap' btibiS^ ^YnBfff^voQa noifiira kadiy
ovra xard landgrjy, ^la d^ bvtbqu x^^^ äffvoOBV
dfioHjag^ ywx^ ^b xai? ovTafiByTjv (otbiItjv
Boaur^ inBiyofiBVT], rov Ob axorog oaaa xdXvxffav
durchaus nichts von einer Prahlrede des Hyperenor enthält und bei der
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160
eiligen Flucht der Troer auch kaum zu einer solchen Platz war, so dass
sogar umgekehrt vermutet werden kann, es habe sich die Stelle in P
ursprünglich auf eine andere in der Ilias nicht erwähnte Scene des troi-
schen Krieges bezogen und es habe erst .hintendrein der Dichter von J',
von der Rede des Menelaos in P ausgehend, den Tod des Hyperenor in die
Ilias hineingezogen.
Trügerisch und schwankend erweisen sich nur zu oft auch die An-
zeichen jüngeren Ursprungs, welche die Sprache zu bieten scheint. Glaubt
man z. B. in der ungewöhnlichen Länge der vorletzten Silbe von diSovai
12 425 ein Zeichen des jüngeren Ursprungs der Lösung Hektörs gefunden
zu haben, so stellt sich dem bei näherer Umschau die Länge des v von
^evyyvfiev in der alten Patrokleia /7 145 entgegen; und glaubt man
die Contraction von Tififjg =z rijui^eii; l 605 und rififjrra = Tiixtievra
-2" 475 für das junge Alter der Hoplopoiie und der Rede des Phönix
in der Gesandtschaft verwerten zu können, so hält einem ein Homer-
kundiger die kontrahierte Form kiorevyra = Iwraevra in der alten Teicho-
machie M 283 entgegen und die ganze Beobachtung verliert damit an
Bedeutung wenigstens an zwingender Beweiskraft.
So grosser Umsicht und Unbefangenheit es aber auch zur Fest-
setzung der Chronologie der homerischen Lieder bedarf, an der Lösung
der Aufgabe, wenigstens ihrer hauptsächlichsten Punkte braucht man
deshalb noch nicht zu verzweifeln. Einmal gibt in vielen Fällen die
Gesamtsituation eines Gesanges eine ganz bestimmte Antwort. Wenn
z. B. in M — -2" weder Agamemnon noch Diomedes noch Odysseus in den
schweren Kämpfen um die Mauer und die Schiffe irgend eine Rolle
spielt, so ist dieses ein sicheres Zeichen, dass alle diese Gesänge nach yi,
wo jene drei Helden verwundet wurden, gedichtet sind, und wenn bei
dem Freiermord der heimgekehrte Odysseus von Eumaios und Philoitios
unterstützt wird und an dem Tage der Vergeltung v 162 Eumaios unter
der Bezeichnung ^L^e avßiorrig als eine längst bekannte Persönlichkeit
eingeführt wird, so setzt dieses voraus, dass die Gesänge v § n () gedichtet
oder wenigstens im allgemeinen entworfen waren, ehe die Gesänge vom
Freiermord (p x entstanden.
Auch die Rückbeziehungen behalten in unserer Frage ihre hohe
Bedeutung, wenn auch bei der grossen Anzahl von Interpolationen
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161
oder später eingelegten Versen hier mehr wie sonst äusserste Vorsicht
not thut. So nötigen uns die Worte des Priamus X 46
yMl yap vvv 3vo naids yivxaova xal UoXvftwQov
ov Svvafiai Idhiv Tffiowy elg äarv dkiyrwy
und die ebenso passende als ungesuchte Gegenüberstellung jener beiden
Söhne und des Hektor, des Halters der Stadt (X 52 — 55), zur Annahme,
dass die Ma/r] naganordfiiogy * 1 — 227, und die betreffende Partie des
20. Gesanges, F407 — 418 oder F 381— 494, vor dem Lied von Hektors
Tod gedichtet sei. Ferner l^sen sich die Worte (••) 177 rrimoi di apa
Jij rdSs Tsix^a fitixayovoyro dßkrjxQ^ ov^eySacopa aus dem 8. Gesang nicht
herausnehmen, ohne dass das halbe Gebäude mit zusammen stürzt; es
bleibt also dabei, dass der 2. Teil des 7. Gesanges oder H 313 — 482,
80 sehr derselbe auch das abfällige Urteil Fäsis (siehe zu H 324) ver-
dienen mag, vor dem 8. Gesang und somit vor fast einem Viertel der
Verse der Ilias gedichtet worden ist. Des weitern versteht einer die
Geheimnisse der Kunst und der poetischen Scjiöpfung schlecht, der da
meint in den Versen M 336 ff. 4* ^ iy6ri& AtavTs dvio nQlifiov
dxo^TO} ioTaotag TevxQoy xe yeoy xhaiti&sy loyxa iyyv9^€v sei so ohne
weiters das Wiederauftreten des Teukros erwähnt und nicht auf die Ver-
wundung desselben und die Zerschmetterung der Sehne seines Bogens
im 8. Gesang (VIII, 328) Rücksicht genommen, so dass für den Ver-
ständigen nur die Alternative übrig bleibt, entweder sind jene Verse
interpoliert, oder die Bücher Af bis 0 sind erst nach dem Buche 0
gedichtet. Keine ernste Berücksichtigung verdienen aber in dieser ganzen
Untersuchung jene Spiegelfechter, die bei den offenbarsten Rückbeziehungen
auf frühere Gesänge, wie bei der Erwähnung des durch Zeus vereitelten
Vertrages in H 69 'ogxia fiev KifoyLdrig vipil^vyog ovx hüeaaey' statt
an den erhaltenen Gesang der Ilias, hier die 4. Rhapsodie, zu denken,
lieber eine Beziehung auf irgend welches Sonderlied, von dem kein
Mensch etwas weiss, anzunehmen die Kühnheit haben.
Auf der entgegengesetzten Seite lässt sich annehmen, dass die meisten
Stellen und Partien, welche in handgreiflicher Weise eine spätere Scene
anmelden und motivieren, erst später gedichtet sind als diejenigen, auf
welche sie vorbereiten. Es widerspricht nämlich von vornherein ganz
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVÜ. Bd. I. Abth. 21
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162
dem oben geschilderten Charakter der homerischen Poesie mid insbe-
sondere dem oft geradezu unvermittelten Uebergang zu einem neuen
Gesang, dass der Dichter seinen Plan bis ins einzelnste ausgedacht mit
sich herumgetragen und weit auseinander liegende Scenen schon im
voraus mit der Kunst eines Sophokles oder Shakespeare vorbereitet
haben soll. Es sprechen aber auch gegen eine solche Annahme die Ver-
hältnisse und die äusseren Anzeichen der betreffenden Partien und Ge-
sänge. So dient z. B. der Mauerbau im zweiten Teile des 7. Buches und
insbesondere der Groll des Poseidon über die Vernachlässigung der Götter,
// 445 — 465, ganz offenbar zur Vorausmotivierung des später im 12. Ge-
sang erzählten Kampfes um die Mauern und der dort, M 13 — 33, be-
richteten Zerstörung der Mauer durch Apollo und Poseidon. Während
aber im 12. Gesang alles glatt verläuft und die spätere Zerstörung der
in Homers Zeiten nicht mehr sichtbaren Mauer ganz passend dem Gotte
des Landes, Apollo, und dem Gotte des Wassers, Poseidon, zugeschrieben
wird, häuft sich in jenem Teile des 7. Buches eine Unzukömmlichkeit
auf die andere, die Erbauung eines ausgedehnten Werkes in einem Tage,
die Befestigung des Lagers im 10. Jahre des Krieges nach einem sieg-
reichen Schlachttag, die feindselige Gesinnung des Poseidon gegen seine
eigenen Schützlinge die Achäer u. a. Ich schliesse daraus, dass der 2. Teil
des 7. Buches erst später, vielleicht von einem ganz anderen Dichter
eingelegt wurde, um auf den Mauerkampf vorzubereiten und die Mauer,
welche der geniale Dichter des 12. Gesanges mit der Kraft der Phantasie
hervorgezaubert hatte, nun auch wirklich vor unseren Augen entstehen
zu lassen. Ebenso erregt es Verwundern, dass schon in E 674 f.
icpd^ifwy Jiog vlbv dnoxTCtiLuy o^u x^^^V
der Leser auf den Tod des Sarpedon durch Patroklos im 16. Gesang
vorbereitet wird. Aber die ganze Kampfesscene des Sarpedon und Tlepo-
lemos, E 627 — 698, gehört, wie fast alle anerkennen, nicht zum alten
Kern der Ilias, welcher die Lykier überhaupt nicht kannte und noch
weniger von dem Herakliden Tlepolemos und der Beteiligung der Rho-
dier am Kampfe gegen Troja etwas wusste, und ist entweder erst nach
dem 16. Buche und dessen Sarpedonscene (/7 419 — 697) oder gleichzeitig
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163
mit der letzteren entstanden ^). Ebenso sind in der Odyssee die Verse
n 281 — 298, welche die im 19. Gesang geschilderte BeiseiteschaflFung der
WaflFen einleiten sollen, mit Recht schon von Zenodot als spätere Ein-
schiebung athetiert worden. Die Einschiebung verrät sich hier deutlich
durch die abgeschmackte Wiederholung desselben Formelverses n 281
u. 71 299 äiXo Sb xoi bqblo av cT bvI (pQBo] ßaÜBo afiotv, und es ist also
auch hier die Motivierung oder Einleitung der Handlung jünger als die
Handlung selbst
Die eigentlichen Bausteine aber unserer ganzen Lehre von der Chro-
nologie der homerischen Gesänge bilden die Nachahmungen sowohl ein-
zelner Verse als auch ganzer Scenen. Die letzteren anzuführen und zu
besprechen wäre bei dem grösseren Interesse, das jedermann in höherem
Grade den grossen Umrissen als den kleinen Strichen entgegenbringt,
lohnender und vielleicht auch überzeugender. Und leicht wird man ja
auch darin übereinstimmen, dass von den Partien, die ohnehin an zweiter
Stelle stehen, die rohe Götterschlacht in 4> 383 — 525 dem grossartigen
Götterkampf des 5. Gesanges, der breite, fast ins Komische verzerrte
Zusammenstoss des AchiUeus und Aineias in F86 — 352 der wundervoll
anziehenden Scene vom Zusammentreffen des Diomedes und Glaukos im
6. Gesang nachgebildet ist. Auch dass das Göttergespräch vor dem
Kampfe des Sarpedon und Patroklos {IT 431 — 461) eine Nachahmung
vom Göttergespräch vor dem Tode Hektors {X 166 — 187) ist, hat man
allgemein Lachmann geglaubt, wiewohl die nachgeahmte Stelle in der
Ordnung der Bücher den späteren Platz einnimmt. Aber ob die Ver-
sammlung der Troer in O 489 — 542 die in 2 243 — 311 zum Vorbild
gehabt habe, oder ob das gerade Gegenteil anzunehmen sei, darüber
wird man schwer mit sich so ins Reine kommen, dass man aus der bloss
ästhetischen Abwägung der beiden Stellen einen sicheren Schluss auf die
chronologische Folge der betreffenden Bücher abzuleiten wagen wird.
Jedenfalls viel sicherer und leichter zu erkennen sind die Nachahmungen
1) Auch die Stelle M 118—7, die auf N 384 — 393 vorbereitet, ist vielleicht erst später ein-
gefügt worden ; doch stehen beide Stellen nicht so weit auseinander und hängt überdies die Frage
der Echtheit jener Verse mit der anderen verwickelten Frage von dem Verhältnis der Bücher
M und N zusammen.
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164
einzelner Verse und selbst Versteile, wenn auch hier eine Schwalbe noch
keinen Sommer macht und es wenn auch nicht zu den Wahrscheinlich-
keitenj so doch nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, dass einmal dem
Dichter bei Wiederholung eines früher für einen anderen Fall gedichteten
Verses der zweite Wurf besser geglückt ist. Aber um bei solchen Ver-
gleichen das Richtige zu sehen, bedarf es hier so gut wie in der Kunst
einer besonderen Schärfung des Auges und gilt es nicht bloss auf den
Zusaomienhang scharf den Blick zu richten, sondern auch das Kleinste
in Sprache und Ausdruck nicht zu übersehen. Ich gehe hier nicht mehr
auf Einzelnes ein, da ich in meinen Prolegomena auf Grund meiner
früheren Abhandlung über die Wiederholungen ähnlicher und gleicher
Verse in der Ilias (Stzb. d. b. Ak. 1880 S. 221—272) die einzelnen
Stellen j die sicheren wie die in Frage gestellten, verzeichnet habe und in
Ergänzung dazu ein Preisträger unserer Universität Dr. Sittl die Wieder-
holungen in der Odyssee behandelt und neuerdings Gemoll im Hermes
XVIII 34 — 96 die gemeinsamen Verse der Ilias und Odyssee sorgfältig
untersucht hat. Ich bemerke nur nochmals, dass mein ganzer Versuch die
homerische Frage zu lösen wesentlich auf diesem Fundamente beruht und
dass die Versuche Kayser's, Lachmann's, Geppert's, Naber's hauptsächhch
daran gescheitert sind, dass sie diesem Punkte nicht die notwendige
Aufmerksamkeit in erschöpfender Weise zugewendet haben.
Ausserdem habe ich nun aber auch die Sprache und selbst die Er-
lahmung der poetischen Kraft zur Bestimmung der Abfassungszeit der
homerischen Dicli taugen herangezogen, aber natürlich mit der oben be-
gründeten Vorsicht und Rückhaltung und wesentlich nur mit dem Re-
sultate, dass wohl einzelne Interpolationen Spuren entschieden jüngerer
Sprachbildung an sich tragen ^) und sich auch zwischen Ilias und Odyssee
ein wenn auch kleiner Unterschied in der Sprachentwicklung nachweisen
lässt, dass sich aber die Hauptpartien der Ilias nach Anzeichen älterer
oder jüngerer Sprachbildung nicht mit Sicherheit scheiden lassen. Die
Resultate meiner Untersuchungen für die Ilias habe ich in meinen Pro-
legomena p. 55 — 78 und in den ergänzenden Epilegomena zusammen-
gestellt; hier will ich, indem ich zugleich über die Ilias hinausgehe, nur
die Hauptpunkte hervorheben.
1) Vergleiche meine Prolegomena § 18.
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Yerhältnis der Ilias zar Odyssee.
Die Odyssee ist jünger als die Rias, nur einige Interpolationen der
Ilias, wie die Erweiterungen des Schiffskatalogs und der Leichenspiele
{V 798 — 897), sind jünger wie die Odyssee, und einige nicht zum Kern
der Ilias gehörige Gesänge, wie die Doloneia und Hoplopoiia, sind un-
gefähr gleichzeitig mit ihr. Die Wahrheit des ersten Teils der aufge-
stellten Sätze wird durch die Nachahmungen ausser Zweifel gesetzt. Von
besonderem Interesse dabei ist es, dass selbst Stellen der Doloneia (AT 243
= a 65, A: 158 = o 45), des Schlusses der 7. Rhapsodie {H 421—3
= S 433—4) und des Schiffskatalogs {B 581 = J 1) dem Dichter der
Odyssee, oder wenigstens der jüngsten Partie derselben, der Telemachie,
zum Vorbilde gedient haben ^). Von diesen Stellen muss man ausgehen.
Denn steht bei ihnen die Nachahmung fest, so kann ohnehin keine Rede
davon sein, dass, wie noch L. Kayser öfters annahm, Verse der Odyssee
in Rhapsodien und Versen, welche zum Grundstock der Ilias gehören,
nachgeahmt worden seien. Dass auf der anderen Seite die Doloneia zur
gleichen Zeit mit der Odyssee, vielleicht sogar von demselben Dichter
geschaffen sei, macht nicht bloss die grosse üebereinstimmung in Ton und
Sprache wahrscheinlich, sondern erhellt auch bestimmt daraus, dass auf
der einen Seite AT 212 nach * 264, AT 214 nach n 122, K 265 nach v 161^),
und auf der andern Seite a 65 u. o 45 nach K 243 u. 158 gedichtet
sind. Aehnlich ist die Stellung der Hoplopoiie, in der die Verse -2*487 — 9
aus € 273 — 5, und -2" 501 aus y 344, vielleicht auch -2 510 aus y 150
herübergenommen sind. Von sonstigen Versen der Ilias, welche Versen
der Odyssee nachgebildet sind, gehören B 629 = o 254 und B 774 =
p 168 zu den interpolierten Stellen des Schiffskataloges; von dem Verse
T 83 = n 12. ip 133 ist es mindestens zweifelhaft, ob er als ein alter
Bestandteil der Rede des Odysseus in dem allerdings jungen Gesänge
1) Dass Gemoll mit Unrecht auch in dem interpolierten Vers T 333 das Original zu Od.
n 225 u. T 526 fand, habe ich inzwischen in dem Aufsatz, Zur Chronologie des altgriechischen
Epos, Stzb.*1884 S. 5 nachgewiesen.
2) Auch die Stelle K 455—7 scheint dem Dichter von Od. / 328 — 9 zum Vorbild gedient
zu haben. Doch möchte ich lieber den ttberflOssigen Vers / 329 streichen, womit dann der
Beweis einer Nachahmung wegfiele.
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166
oder vielmehr als ein späterer Zusatz anzusehen ist. Am meisten Zweifel
erregt der letzte Gesaug der Ilias, da zwar auf der einen Seite /? 318.
<y 113. 0 147 — 50, i' 364 nach £2 92. 507. 283—6. 382 gedichtet
sind, auch n 26. 33. 3G9 u. 359 nicht nach ß 433. 5 118 ti 72 u. ;i 393
gedichtet zo sein brauchen, aber der Vers £2 647 (= rj 339. rJ 300) ai
t)"" laar tx uByd^oio ddog fisra /«paiv ixovaai offenbar besser in die
Odyssee passt. wo nur von den Dienerinnen des Hauses die Rede ist, als
in die Iliaa, wo der kriegerischen Umgebung entsprechend in dem voraus-
gehenden Verse II 643 neben den dfuma auch die ira^oi genannt sind.
Aber hier gut, was ich oben bemerkt, dass eine Schwalbe noch keinen
Sommer macht, und jiaudere ich bei der grossen Zahl entgegenstehender
Momente der einen Stelle, zumal ja doch auch an ihr die Nachahmung
nicht 90 ganz evident ist, so viel zuzuschreiben, dass ich ihretwegen die
Lösung Hektors nach dem Gesänge i? oder gar S der Odyssee setzte ! ^)
Die aus den Nachahmungen geschöpften Nachweise des jüngeren
Ursprungs der Odysseo bestätigen nur dasjenige, was sich dem vorurteils-
freien Leser schon als allgemeiner Eindruck aus der Lektüre der Ilias
und Odyssee aufdrängt. Denn während uns "die Ilias die Griechen noch
im harten Kampf mit den Barbaren um den Besitz des Bodens vorführt,
entrollt uns die Odyssee Bilder des friedlichen Genusses und lebhaften
Seeverkehrs, wie sie erst nach Jahrzehnten gesicherten Besitzes denkbar
sind '^). Zutreffend ist auch die feine Bemerkung Niese's Entwickelung
der homerischen Poesie S. 44, dass während sonst der Dichter der Odyssee
geflissentlich jede Gelegenheit sucht die Thaten des Odysseus, auch wenn
sie nicht in den Rahmen der Fabel fallen, zu erwähnen und zu preisen,
er keiner der Ruhtnesthaten des Odysseus gedenkt; die in der Ilias,
1) Bezpicbnend Rlr flis nahe Berührung der jüngsten Gesänge der Hias mit der Odyssee
i.«!t auch das, da^s in der Dolr»neia der kluge Odysseus die Hauptperson spielt und in Rektors
Lösung neben Irifi» der (fötterljötin der Rias, auch dem Götterboten der Odyssee, Hermes, eine
EoUe augewiesen ui^ ä\vm endlich das Hauptepitheton des Odysseus in der Odyssee noXvt'kag auch
Bcbon in den jüngeren Getsängen der Rias 0 97. / 676. K 248. (cf. xXr^fjuuy 'oSvaevs ^' 231. 498)
V^ 72^. 778 Torkümnit. Ueber das Ziel schiesst durch unechte Verse verfühi*t Peppmüller in
seinem Comuieutar de« 24. Biiuhes der Rias hinaus, wenn er jenes Buch nach Vollendung der
Odjaaee, wenigstens ibrer holten Teile (p. LXXXR) und selbst nach Hesiod gedichtet sein lässt.
2) Freilich haben nicht idle sich durch diese Verhältnisse in ihrem Urteil bestimmen lassen;
siehe Seneca, de brev. vitae l-H und Lucian, Ver. bist. R 20, femer Bergk Griech. Lit. S. 728
Anm. 1 und Fnedländer Hom. Kritik S. 71.
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167
namentlich im 2., 3., 10., 11. Buch erzählt sind, offenbar, weil er die-
selben als bereits bekannt und genügend gepriesen voraussetzte und ihm
das cramben recoquere widerstrebte.
Auch die Sprache der Odyssee, wenngleich sie sich nicht wesentlich
von der der Rias unterscheidet und im grossen Ganzen derselben Epoche
angehört, zeigt doch vielfach ein entschieden jüngeres Gepräge, auf das
ich wiederholt im 2. Buch meiner Prolegomena zu sprechen gekommen
bin. Ich will hier nur einige Hauptpunkte verzeichnen.
Die Kraft des Digammas besteht in der Odyssee bei den meisten
Wörtern, namentlich bei dem Pronomen pers. der 3. Person, ferner bei
foWa pava'^ dpeivog ungeschwächt fort; aber während der Annahme eines
Digamma von olvog nur 4 Stellen in der Ilias {H 467 — 472. / 224.
-2* 545) oder, wenn man ein wenig Freiheit' der Conjecturalkritik ein-
räumt, nur die eine Stelle -2" 545 widerstrebt ^), ist in der Odyssee das
Digamma von olvoi^ 21 Mal vernachlässigt und meistens so, dass an ein
Wegemendieren nicht zu denken ist. Aehnlich steht es auch mit dem
Digamma von fiövg^ i^d^o/uai, enog, nur dass bei dem letzten Worte
durch die Wiederkehr des Formel verses (poyvriaaa^ msa niaifoevra nQo-
arivda das Verhältnis etwas mehr zu Ungunsten der Ilias verrückt ist.
Die Vereinigung zweier Vokale durch Contraction oder Synizese
liebt die Odyssee so wenig wie die Ilias; doch ist die Odyssee auf dem
Wege der Vereinigung etwas weiter vorgeschritten, so dass z. B die Ilias
nur die volle Form i'ieirig, die Odyssee auch die contrahierte i'^g kennt
und dass sich nur in der Odyssee, wenn auch zum grossen Teil erst in
jüngeren Partien die Formen rihog & 271 (sonst ^fAio;;), xoilog x 385
(sonst xoClog)^ 'E(ffifjg f54. i9^ 334. ^435. cd l (sonst ^EQ/ieiüg)^), €U)g
ß 148. « 123. [386. p 358] r 530, rscog [o 231]. (o 162 (sonst elog u.
reiog), &€(f€vg ^118, yivevg o 535, d^dfißevg co 394, 'O^vasvg co 398, (sonst
1) Ich habe dabei allerdings, wozu man aber auch vollständig berechtigt ist, die Eigen-
namen Olytv's und Oiyofiaog aus dem Spiel gelassen.
2) Fick lässt die contrahierte Form 'Egfitjc in der älteren Odyssee nicht passieren, und
allerdings stehen ^ 334 u. (u 1 in jungen Partien, ist ^ 54 überflüssig und schon von den Alten
verdächtigt und lässt sich ^ 435 einfach emendieren. Auch das einsilbige itas suchte Fick und
schon vor ihm Nauck ganz wegzuemeadieren, aber mit wenig Glück ; hingegen lässt sich dasselbe
an der einzigen Stelle der nias P 727 sicher auf Grund der Handschriften entfernen.
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168
Wvafjog, yevsog etc.) ^) ßdkji | 86, (p^iofiey n 383. w 437, (cf. i 168.
T 122. a 334.) ß 358. y 218, ßsßiöaa v 14, tb&v(5ti t 331 finden.
Einige aus falscher Analogie entstandene Formen finden sich nur
in der Odyssee, wie ijriy r 283. i// 316. ai 343, txavrriog x 4:93,' yeloos
» 343 u. 344 2) fiaxeovfisvov l 403. w 113, ^1^0^701 v 358. (o 314,
^lov ;f 146. 274. 446. tp 370. co 501 % ovSor = üfJov q 196.
Mehrere altertümliche, später verschwundene Wörter finden sich nur
noch in der Hias, wie (p^ =: log B 144. Z 499, xvvri = ov E 485,
Z 262. M 237. 77 64. T 10. 12 465, /paiau«?!/ 19 Mal, ;ca^€To 15 Mal,
(T^iog 43 Mal, iavog 9 Mal, i^eßerrog 8 Mal, ayo<; 15 Mal, wozu noch
log = elg und ^re = (og kommen, deren Gebrauch in der Odyssee
gegenüber der Ilias auf sehr enge Grenzen reduciert ist. Umgekehrt
stehen nur in der Odyssee mehrere später weit verbreitete Wörter und
Formen, wie fioQipri = eldog i9 170. A 367, ßaora^ü) k 594. (p 405,
wg = TiQog p 218, Xvxvog r 34, ägrog p 343. o 120, f]fie(}og o 162, XifW^
14 Mal, CO rdkay a 327. t 68, (pogoiri i 320, viov ;f 238, wozu noch der
häufige Gebrauch von Abstrakten auf iri kommt, wie drayyMit] r 73,
6a if] n 423, ^eviri o) 286, l^eqnjQir] ?y 119 und besonders alri&Biri, von did
c. acc. in instrumentalem Sinne & 82. 520. X 276. 282. 437. v 121.
r 154. 523, von ovyexa in dem Sinne von ort e 216. v 309. o 42.
71 330. 379, die Anwendung des Optativ in der indirekten Rede, wie
Tj 17. 189. X 110. o 423. p 368. r 464, die Construction von fierd mit
dem Genetiv i 320. ti 140*).
1) In der Ilias findet sich allerdings auch d^ififvc 0 368, Sä^fvg P 573, ogev^ r 10, aber
das letztere ist nur Variante, das erstere ist durch den prosodischen Charakter des Wortes dgifieog
entschuldigt (s. Proleg. § 103) und das mittlere in S'^äaeog zu bessern; vgl. Proleg. p. 180. Dass
auch bei nalg die Contraction in der Odyssee vorgeschritten, hat an der Hand älterer Unter-
suchungen neuerdings 6«nicken, Studien u. Foi^ch. S. 1290 ff. erwiesen.
2) Freilich in einer interpolierten Stelle; die Formen auf wf statt os an den anderen
Stellen beruhen auf falscher Ueberlieferung, wie schon Bentley erkannte.
3) Nauck, Bull. 17, 214 bessert ?*« oder ^taay statt flu>y, und allerdings ist fjttt in
X 309. 6 427. 433. 572 durch den Vers gesichert und kann der Hiatus aViJ«« «V (x 146 u. 274) zur
Not durch den Einschnitt nach dem 4. Fuss entschuldigt werden.
4) Die gleiche Construction findet sich auch 2 Mal in der Ilias N 700. 0 458, aber der
erste Vers ist interpoliert, und in dem zweiten hat das den Späteren geläufige ^f^oiy das ursprüng-
liche T^f^iy verdrängt. Hierher gehört auch die Beobachtung von Ph. Weber in Schanz Beiträgen
zur historischen Syntax der gr. Spr. Bd. H 5 S. 14 u. 223, dass sich in der Odyssee bereits
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i
169
Wichtig ist dabei für das Verhältnis der Odyssee zu den jüngsten
Partien der Ilias, dass im jüngeren Charakter der Sprache sich vielfach
beide begegnen. So z. B. stellen sich nebeneinander die kontrahierten
Formen rififjg Tiutjyra rsxyfjoaai xaiQovoaecoy in / 605. -2*475 u, *; 107,
110, yovg in 12 354 u. x 240, xa()i]Ti in 0 75 u. ^ 230. tp 157, luvai]
in Z 7 u. ^ 210. 216. 219, rcoy = ramy in K 253 u. ^ 64; so findet
sich ferner der Gebrauch des jungen Wortes loyog für f.iv9^og oder hnog
an einer der jüngsten Stellen der Ilias O 393 und zugleich in der Tele-
machie a 56, ebenso von dklog in K 466 u. v 333, do^a in Ä^ 324 a.
iL 344, vnrcooyTsg in S2 344 u. t 48. iv 4, roladeoi in K 462 u- ß 47.
165. x 268. V 258. (p 93, dydaaw mit dem Genetiv in AT 33 u, Ä 276
(Vgl. EUendt Drei liom. Abh. II 38), die figura etymologica ßovltiv
ßovleveiy in / 74. K 147. 327. 415. i2 652 u. ^ 61, %« Bif^dZ^a^m
in n 733 u. v 72. / 422, xxBQsa xreQei^eiy in /2 38 u. a 291. j' 285 *)■
Zuletzt gehe ich aber noch einen Schritt weiter und behaupte, dem
Verfasser der Odyssee waren nicht bloss die Gesänge der alten Ilias
bekannt, er hörte sie auch bereits in der Ordnung, wie sie durch Pisi-
stratus auf uns gekommen sind. Ich schliesse dieses aus merkwürdigen
Uebereinstimmungen in der Disposition der beiden Gedichte. Schon das
Proömium der Odyssee ist eine unverkennbare Nachahmung des Pro-
ömiums der Ilias; da aber niemand mehr nach dem herrlichen Aufsatz
von Lehrs über das Proömium der Odyssee in Arist.^ p. 420 — 430 daran
zweifeln wird, dass beide Proömien nicht für ein einzelnes Lied, sondern
für das ganze Gedicht, hier von Odysseus Irrfahrten und Heimkehr, dort
vom Zorne des Achilleus mit seinen tragischen Konsequenzen, bestimmt
7 Beispiele des onatg finale finden, während die Ilias nur mit einem einzigen Beispiel, * 547, ver-
treten ist, und dass in der Odyssee bereits die instrumentale Partikel l'yn aus der Be^ieutunif
'wo* zu der wohin' (cf 821. f 55. r 20) vorgeschritten ist.
1) Andere mit dem jüngeren Charakter der Sprache nicht zusammenhängende Beruh ninjErs-
punkte bilden die gleichen Phrasen und Verse iroiua tftivxnrat 3 53. t^ 384, aXf^S-nttv urtttiXt^of
ü 407. V 297. (> 108. 122. n 226. (f 212. / 420, x«/i«r^ dStixortf tiSe xal rTtry K 98. m± 399.
471 und fA 281, vCxta 6i' nijiß^oalny K 41. 142. 297. 399. £i 363 und i 404. o 8, ^tol o'i ^^OXtfiaoy
ixoioi Sl 427. V299 (£404) und ( 240. S 331. ^ 337. | 394. a 180, iinifin ngos fiaxQor "ölv^Ttoy
a 468. 694. und « 307. o 43, nf^og 6' figiyiyfw ifdyn ^o6o6dxtvXog ritoc ü 788. J All u- 18 Mal
in Od. Direkt zu der uns hier berührenden Frage gehört die abgeschwächte Bedeutung^ ron
ßttcik^ig = Grundherr, Baron 2 556. Y 84 und « 394. ^ 41. 390. tu 179, Xaoi = Leute 2 497. 502.
519. ß 13. y 155. X 676. y 156. g 390 (s. Geppert, Urspr. II 163), noirtyvtiy = besorgen Ü 475.
y 430, 6ai<pgußy = verständig n 325. o 314. 356 (s. Buttmann, Lexil. I 201).
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 22
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170
sind, so muss auch bereits der Dichter der Odyssee die Gesänge der
Ilias oder doch wenigstens die hauptsächlichsten derselben als einheit-
liches Ganze vorgefunden haben. Doch mehr! die 2. Rhapsodie der
Ilias führt uns die Versammlung der Achäer, die 2. der Odyssee die der
Ithakesier vor; die 6. der Odyssee das Zusammentreffen der Nausikaa
und des Odysseus, die 6. der Ilias den Abschied von Hektor und Andro-
mache ; der Schluss der Ilias bringt uns die friedlichen Scenen der Ver-
söhnung und der Bestattung der beiden Haupthelden Patroklos und
Hektor, der letzte Gesang der Odyssee erzählt die Aussöhnung zwischen
Odysseus und den Angehörigen der Freier und führt ims die Seelen der
Erschlagenen im Schattenreich vor; dem versöhnenden Abschluss geht
in der Ilias unmittelbar voraus die Vernichtung der Troer und die Er-
schlagung Hektors durch den wiedererstandenen Achill, in der Odyssee
schildern die Bücher (p u. x den Mord der Freier durch den aus den
Lumpen und Lappen urkräftig wieder erstandenen Odysseus. Ist das
alles zufällige üebereinstimmung ? gewiss nicht; aber ich wage auch zu
behaupten, indem ich einen Gedanken von Otfr. Müller, Griech. Lit. 1101
weiter verfolge, dass die Zudichtung der Telemachie in der Odyssee mit
der Stellung der Gesänge /i — H in der Ilias sich berühre. Denn offenbar
dienen beide Partien a — J und R — J dazu, uns eine Exposition der
Verhältnisse zu geben, in der Odyssee von dem Unwesen der Freier im
Hause des Odysseus, von dem aufwachenden Mannesmut des Telemachos
und der bedrängten Treue der Penelope, in der Ilias von der Stimmung
der Achäer, der Grösse der beiden Heere, der begonnenen Reue der
Helena und dem Charakter ihrer beiden Männer, der Veranlasser des
Krieges, Paris und Menelaos. Zugleich retardieren beide Partien den
im Proömium ausgesprochenen Plan der Gesamtdichtung, nur dass dieses
in der Ilias mit Geschick, wenn auch nicht ohne Anstoss so geordnet
ist, dass wir am 2. Schlachttag zu jenen Scenen gewissern^assen zurück-
kehren, welche die Verwirklichung der ßovk^ Jios ausführen, während
der minder erfindungsreiche Dichter der Telemachie nichts besseres zu
thun wusste, als das ursprünglich für den Anfang des 5. Gesanges be-
stimmte Proömium dem ersten Gesang vorzusetzen und dann im Beginne
des 5. Gesanges eine ungeschickte zweite Auflage der Götterversammlung
zu bieten.
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171
Eine andere bedeutungsvolle Uebereinstimmung im Ausbau der llias
und Odyssee zeigt sich in der Aehnlichkeit der Erweiterungen des alten
Grundstocks der Dichtungen; da haben wir in der llias die Einlage der
Phönixrolle in die alte Presbeia (/ 168. 169. 432—622. 658—668,
690 — 2), in der Odyssee die der Theoklymenosepisode in die Telemachie
und den Freiermord (o 221—286. 508—549. p 52—56. 61— 166,
V 345 — 383); in der llias die Erweiterung der Schilderung von der
Waffenfabrikation des Achill -2" 590 — 608, in der Odyssee die Weiter-
führung der Beschreibung von den Gärten des Alkinoos tj 103 — 131;
in der llias T 91 — 136 sowohl als in der Odyssee (p 15 — 41 die Ein-
flechtung eines Herkulesmythus; in der llias V^ 798 — 897 die Zufügung
weiterer Karapfesspiele, in der Odyssee die Einlage von Wettspielen in
& 83—520; endlich in der llias {X 482 u. X 508, iV^ 114 u. iV^ 116.
T 90 u. r 137) und in der Odyssee (rj 184 u. // 228, * 83 u. ^ 521,
I 171 u. § 185, n 281 u. n 299, r 1 u. r 51) die gleiche Manier
nach Einlage einer Interpolation wieder zu demselben Vers oder Versanfang
zurückzukehren, und somit selbst den Weg zur Entlarvung der Inter-
polation zu zeigen. Erwägt man dieses alles und nimmt die grossen
Uebereinstimmungen hinzu, die, wie wir oben ausgeführt, zwischen der
Odyssee und den jüngsten Partien der llias bestehen, so wird man in
der Tradition, dass llias und Odyssee von demselben Dichter Homer
herrühren, etwas mehr als eine Altweiberfabel finden.
Die Telemachie eine spätere Eindichtnng.
Dass die Telemachie vom Dichter der Odyssee nicht von vornherein
in den Plan seiner Dichtung gezogen war, davon ist uns bekanntlich
in der Störung der Chronologie ein sicheres, besonders von Hennings ')
scharfsinnig verwertetes Anzeichen erhalten. Der Aufenthalt des Tele-
machos in Sparta berechnet sich, wiewohl derselbe (T 594 — 9 die Ein-
ladung des Menelaos noch 11 oder 12 Tage bei ihm zu bleiben ent-
schieden ausgeschlagen hatte, nichts destoweniger in Folge der zwischen
(T und o geschobenen Partien der alten Odyssee auf 31 Tage. Das ist
1) Hennings, über die Telemachie, ihre ursprüngliche Form und ihre späteren Vi?riln-
derungen, in Jahrb. f. Phil. Suppl. III. S. 198.
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172
ein Widersinn, den weder Lehrs und Kammer zu entkräften noch Bergk
durch vage Vermutungen wegzuemendieren vermochte^) und der sich nur
auf die besagte Weise erklären lässt, womit ich aber durchaus nicht
gesagt haben will, dass die Telemachie je ein Epos für sich gebildet
habe. Umgekehrt haben wir bestimmte Beweise, dass der Dichter jener
Gesänge a — d u. o 1 — 300, die wir der Bequemlichkeit halber unter
dem Namen Telemachie zusammenfassen, die eigentliche Odyssee gekannt
und schon deshalb auch seine neuen Gesänge zur Einlage in die alte
Odyssee bestimmt habe. Dass ihm der Nostos oder die Irrfahrten des
Odysseus bekannt waren, geht ohne weiteres aus /? 19 hervor, wo der
alte Aigyptios in der Volksversammlung zu Ithaka den Tod seines Sohnes
Antiphos durch den wilden Kyklopen erwähnt. Dass er aber auch schon
die in den Nostos eingeschobene Nekyia vor sich hatte, erhellt aus den
mit Unrecht verdächtigten Versen a 188 — 193 vom Leben des Laertes,
welche aus der Nekyia l 187 — 196 herübergenommen sind. Dass er
endlich auch schon die Gesänge von der Rückkehr des Helden und dem
Freiermord kannte, schliessen wir aus folgenden Nachahmungen von
Stellen jener Gesänge 2): v 405 Vorbild für o 39, ^ 6 Vorbild für a 426,
'§ 235 Vorbild für y 288, 'i 188—90 = n 57—9 Vorbild für a 171—3,
p 592 Vorbild für a 157 u. d 70, r 138—156 Vorbild für ß 93 — 110,
(f 350—3 Vorbild für « 356—9, / 331 Vorbild für a 154. Bedenken
können nur die Verse a 238—41 = | 367—71 und ß 310 = (p 289
erregen, die an der ersten Stelle mehr am Platze zu sein scheinen.
Aber die Verse I 368 — 71 sind eine lästige Interpolation, wie Kammer,
Einheit S. 561 richtig erkannt und nachgewiesen hat, und (p 289 ovx
dyanqg o fSxriXog vne(}(pidloiai fied^ fifilv daivvam braucht nicht not-
wendig eine Nachbildung von /? 310 ov nwg sariy vnf^cpidkoioi fieS^
Vjuly Saivva&ai x' dxiovxa xal €U(p{)aiyBa9'ai hxtjkoy zu sein, zumal an
letzterer Stelle das Digamma von sxrikog vernachlässigt ist, an ersterer nicht.
1) Siehe Kammer, Einheit der Odyssee S. 233 f., Lehrs Arist. p. 424, Bergk, Griech.
Lit. 658.
2) Siehe darüber Düntzer, Bedeutung der Wiederholungen für die homeriiche Kritik, in
hom. Abhdl. S. 464 ff., Sittl, die Wiederholungen in der Odyssee S. 82 ff. Dass die Verse a
171 — 3 u. a 356 — 9 an der späteren Stelle besser passen, haben bereits die alten Grammatiker,
speciell Aristarch, angemerkt.
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173
Auf das Gleiche führen auch die oben S. 165 besprochenen Nach-
ahmungen der Ilias, indem die Doloneia auf der einen Seite die alte
Odyssee nachahmt (AT 212 nach i 264 K 214 nach tt 122 = a 245,
AT 265 nach fl61 = ip 197), und auf der anderen der Telemachie
zum Vorbild diente (a 65 nach K 243, o 45 nach AT 158 ')•
Gegenüber diesen aus den Nachahmungen geschöpften Beweisen fallen
die übrigen Anzeichen jüngeren Ursprungs der Telemachie weniger ins
Gewicht; doch will ich nicht versäumen zur Ergänzung des Gesagten
die hauptsächlichsten anzuführen. Bekanntlich "ist nach Thukydides im
Eingang seines Geschichts Werkes der Name 'Elldg, der ursprünglich, wie
noch 77 595 u. B 683. / 395. X 496, eine Landschaft in Thessalien,
nächst Phthia bezeichnete, erst allmählich zur Bezeichnung von ganz
Griechenland im Gegensatz zum Lande der Barbaren herangewachsen.
Diese allgemeine Bedeutung liegt bereits dem Namen /TayeXlriyeg zu
Gnmde, der sich in der jungen Erweiterung des Schiffskataloges Ä 530
und bei Hesiod in einer wahrscheinlich gleichfalls erst später zugefügten
Stelle der "£pya 528 findet. Eine Mittelstellung behauptet die Rede des
Phönix, indem hier 'Elldg I 447 u. 478, wenn man diese Verse mit
AT 266 in Verbindung bringen darf, in einem weiteren, auch Böotien
mitumfassenden Sinne genommen ist 2), und die Telemachie mit ihrem
öfter wiederholten Versausgang (a 344. J 726. 816. o 80) xa»' "EXka^a
xai fieaoy "A^fyog^ da hier "^EXXag zusammen mit '!^()yog ganz Griechenland,
also für sich Nord- und Mittelgriechenland bezeichnet.
Sodann hat die Telemachie allein die harten Synizesen nkiwy a 183,
(pilelv o 74:, viug o 248, die nach falscher Analogie gebildeten Con-
junctive iuH{)iTaL a 41, oTQvyofiey «85, das späte, vielleicht aber weg-
zuemendierende oWag a 337, und den Gebrauch mehrerer noch nicht
in den anderen Gesängen des Homer, ganz gewöhnlich aber in der
1) So lösen sich die Controversen über das Verhältnis der Doloneia zur Odyssee, welche in
neuerer Zeit so viel Staub aufgewirbelt haben.
2) Siebe Gl ad s tone, Homerische Studien, frei bearbeitet von Schuster S. 43. Uebrigens
gibt es auch noch zwei andere Wege der Erklärung von K 266 u. / 447, dass man nämlich ent-
weder beide Stellen verschiedenen Verfassern zuweist, oder annimmt, dass das 'EA^wV, welches
K 266 als Sitz des Amyntor angegeben wird, von der im Schiffskatalog B 500 erwähnten böo-
tischen Stadt ^EX«uy verschieden war, und dass es neben dem böotischen Eleon eine gleichnamige
Stadt im alten Thessalischen Stammsitz der Böoter gab.
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174
jüngeren Sprache vorkommenden Wörter, wie l'Jiog y 82. (f 314, *Hlvaiov
nidior d 5()3j iiQoßaaig = n^oßara ß 7 b, SifiBg d 644, iunoQog = Pas-
sagier ß 319, u) 300^). Das Digamma findet sich zwar meistens noch
gewahrt und hat namentlich bei dem Pronomen der 3. Person noch seine
volle Kraft, aber der Charakter conventioneller Vererbung alter Ver-
bindungen, wie xara äaxv ß 11 xarä oixovg a 375, oaaa ioixs a 278
kjil m.ih^ov ili^dv a 422, ToJf eine a 169 zeigt sich doch darin, dass
daneben dieselben Wörter sehr oft ohne Digamma gebraucht sind, wie
dnf a 10, 37. 91. ß 331. y 427. o 28. 682, olxog ß 52. 154. d 596.
o 21, und der Hiatus überhaupt eine grössere (s. z. B. a 60. 134. 207.
212. 225. 263), nicht mehr durch das Digamma entschuldigte Ausdehnung
genommen hat
Aber wenn auch die Telemachie junger ist als die alte Odyssee und
erst später in dieselbe hineingedichtet wurde, so ist doch damit noch
nicht ausgemacht, dass dieselbe von einem verschiedenen Dichter herrühre.
Dafür bedarf es erst neuer Beweise ; an diesen gebricht es aber auch nicht.
Schon der chronologische Anstoss, von dem ich oben ausgegangen
bin, ist mir zu gross, als dass ich die beiden Teile, durch deren Zu-
sammenfügung derselbe entstanden ist, dem gleichen Dichter zuweisen
möchte. Der geniale Dichter der Odyssee, der so kunstvoll die früheren
Abenteuer seines Helden in die Schilderung seines Aufenthaltes im Phä-
akenland einzuweben verstanden hat, würde wohl auch hier Mittel ge-
funden haben, um die spätere Erweiterung des Planes mit der ursprüng-
lichen Anlage in Einklang zu bringen. Ganz und gar aber verrät sich
das Ungeschick des Nachdichters, der das Werk seines grösseren Vor-
gängers wohl zu erweitern, aber nicht umzugiessen verstand, an der
Stelle, wo die alte und neue Fassung der Begegnung des Odysseus und
Telemachoa im Gehöfte des Eumaios zusammenstösst n 22 — 9
xai (i' öloipvQOfieyog snea TiTBifOBvxa nQoarivda (sc. Evjxaiogy
1) Ueber die^e und andere sprachliche Eigentümlichkeiten der Telemachie siehe Düntzer,
HomeriBche Fragen 8. 153 f. und Lauth, Homer und Aegypten S. 5. Sachlich wichtig ist die
ganz verschiedene Voratellung, die sich der Dichter der Telemachie n 374 und der Dichter der
Verse C 113 u. t 579 von der Grösse der yt/ij, eines Flächenmasses, gemacht hat, worüber man
Hui lach, Metrologie^ S. 41 f. nachsehe.
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175
aiX äyB vvy fi'afid^f, (piXov rexog, bq>(}a ae Suu(5
TBQipoiLiat bUjoqoiov vbov äXkoD-Bv BViiov Boyra.
ov jiiBV yoLQ rt S-aiV dyQov BTifQX^^^ ^^^^ roju^ag,
äX'Jj iniiirifiBVBig' üg yaQ vi rot Bva(fB S-vuip
«rcTpcSi/ fiyt]aTT^(}ü)v iaoQay diätjlop ouiXoy,
Es war eben in der alten Fassung Telemach als seltener Besuch zum
Eumaios aufs Land gekommen, in der Telemachie hingegen bei seiner
Kückkehr von Pylos auf dem Wege zur Stadt bei Eumaios eingekehrt;
aber der neue Dichter oder der jüngere Redactor liess aus dem alten
Epos die drei Verse 27 — 29 unberührt stehen, wiewohl sie nach dem
vorausgehenden riov äXloS-By Bvdov Boyra keinen guten Sinn mehr gaben.
So ungelenk arbeitet kein einigeswegs geschickter Dichter, geschweige
denn ein Homer ^).
Noch an einer aijdern Stelle zeigt sich das gleiche Ungeschick des
Nachdichters in der Verarbeitung des alten Liederstoffes, ich meine in
ß 89—110
Tjdri ycLQ T{)irov iarly hog^ rdxa J' bIoi rBTa(JToy,
i§ ov drtfjßBi S-v/Lidy ivt azriS-BaaBy ^;<aic5r.
ndvxag UBy ^' bItibi xal VTtiax^'^ai ayJpJ ixdoTip
dyyBXiag nQoiBiaa' yoog di oi äXka iJ.Byoiv^,
fj (fi doXov Tovd^ äXXoy ivl (pQBol jXBQuri^fi^By ....
üg TQiBTBg luv bXtik^b doXip xal btibiS-bv *Axotiovg'
dXV oTB TBTQaroy r^XS-BV hog xat im^XvS^ov u)Qai,
xal roTB dri xig bbitib yvvaixdiy, ^ odcpa jj^Bi.
Hier haben wir nebeneinander den reinsten Widerspruch: das eine Mal
stehen wir erst im 3. Jahre der Freiung, und das andere Mal hören
wir bereits von dem 4. Jahre, in dem Penelope ihre List gegenüber den
Freiem aufzugeben genötigt wurde. Zwar sind die beiden wider-
sprechenden Partien von dem Dichter so unterschieden, dass er die zweite
1) Kirchhoff schreibt bloss die beiden Halbverse snti «jT/*© ytji nvXoySe \mdyioy aXXo^ty
iyioy soyra und V. 131 xai ix flvXov fAijAov^a mit kleinen Buchstaben, ohne anzugeben, wie
denn in der alten Fassung die Verse 24 u. 26 gelautet haben sollen. Mit dieser bequemen Manier
ist uns nichts gedient. Auch Hennings genügt hier nicht, der S. 222 einfach die Verse 23. 24.
30—39. 130—153 ausscheidet.
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176
mit dolor xoyS^ äiloy als eine neue List bezeichnet; aber das ist eitel
Blendwerk, da keine List vorausgeht und thatsächlich auch die Sage nur
von der einen List der in der Nacht wieder aufgelösten Fäden des
Kleides weiss. Die ganze Verwirrung kommt aber einfach davon her,
dass der Dichter der Telemachie zwei sich nicht ganz entsprechende
Stellen der alten Odyssee v 377 — 82 und t 138 — 156 herübergenommen
und in kopfloser Weise mit 17 dt dolor rord^ ällor irl (pQeoi fiBQjxriQi^er
verbunden hat. Der Widerspruch stand so allerdings schon in der alten
Odyssee, aber was dort nicht auffiel und kaum bemerkt wurde, da die
beiden Stellen durch mehrere Tausende von Versen getrennt waren ^),
das wurde unerträglich dadurch, dass die widersprechenden Stellen un-
mittelbar nebeneinander gerückt wurden. Von demselben Dichter kann
eine solche Verkehrtheit unmöglich herrühren. Indes ist zuzugeben, dass
zur Not auch auf eine andere Weise geholfen werden kann, nämlich
durcll Ausscheidung der Verse 93 — 110, wie thatsächlich Kirchhoff und
nach ihm Nauck vorgeschlagen haben.
Dazu kommen schliesslich noch zwei Abweichungen oder Missver-
ständnisse, die auf verschiedene Verfasser hinweisen.
Die Insel Ithaka wird bekanntlich durch einen schmalen Isthmus
in 2 Teile geteilt, in deren jedem sich ein hohes Gebirg bis zur Höhe
von 670 und 807 Meter erhebt. Das höhere Gebirg der nördlichen Hälfte
der Insel, an dessen nordwestlicher Abdachung sich die Hauptstadt der
Insel befand und Homer sich die Stadt des Odysseus gelegen dachte^,
heisst in dem Schiffskatalog /^ 632 und in der alten Odyssee 1 22. r 351
NriQiTog irroaiifvllog. In der Telemachie hingegen heisst / 81 Ithaka
vjiori^iog und lässt Mentes a 186, ehe er zur Stadt ging, sein Schiff
1) Man könnte auch daran denken, den Widerspruch durch Conjectur su entfernen, da aich
r 377 oT 6fi xttgafTfg fiiyaQor xaxa xoi^yiovaw statt of 6^ tot tgUt^g lesen Hesse ; aber das über-
lieferte tgUtfi scheint gerade durch ß 89 geschützt zu werden. Weniger störend, aber doch auch
bemerkenswert ist die verschiedene Stellung, welche Eurjkleia als to/m/ij in der Telemachie ß 347
et n 152 und in der alten Odyssee (cf. q 495. r 96 ^ 154) einnimmt, worüber S p o h n , de extrema
Odysseae parte p. 6 gehandelt hat
2) Ich bin nämlich keineswegs der Ansicht Hercher's, dass der Dichter der Odyssee gar
keine Kenntnis von Ithaka hatte; es müssen in diesem Punkte sehr die verschiedenen Teile der
Odyssee unterschieden werden. In Kürze bemerke ich hier nur, dass der Dichter der Telemachie
sehr gute, auf Autopsie beruhende Kenntnis der Insel gehabt zu haben scheint.
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177
zurück iv Ufjiivi ^PeiO^()(p vno Nrjiq) vXiqtvTi. Ist nun etwa mit dem Nriio^
ein anderer Gipfel des Gebirges gemeint, so dass der Ntj^irog den süd-
licheren Gipfel von Anoi, der Ni^tog den nördlicheren von Oxoi be-
zeichnet? Gewiss nicht,' da der Dichter immer nur von einem bewal-
deten Berg der Insel spricht; weit wahrscheinlicher dünkt mir daher,
dass der ältere Dichter den Berg Neritos, der Dichter der Telemachie
hingegen Neios nennen hörte.
Die andere Abweichung betrifft einen sprachlichen Punkt. In dem
14. Gesang der Odyssee V. 104, wo von den grossen Herden des Odysseus
die Rede ist, lesen wir int J^ dvigsg ioS-Xot oQOviai^ das heisst doch nichts
anderes als 'edle Männer fahrten die Aufsicht, waren iniovQoi der Herden ;
derselbe Halbvers kehrt y 471. wo von dem grossen Miahle im Hause
des Nestor erzählt wird, in folgender Umgebung wieder
daivvvd^ el^ofisvoi, eni (V drsQeg ia&Xol 6(}ovrü
olvov BVoivoxoevvTsg iyl X9^^^^^^^ dinaaai.
Da kann doch ml ogovro nicht bedeuten 'hielten die Aufsicht', sondern
muss von dem Dichter im Gegensatz zu i^ojueyoi als Plural von iuqto
gefasst worden sein im Sinne von 'erhoben sich*. Mit diesem Nachweis
des Missverständnisses einer nachgeahmten Stelle muss die Sache als ent-
schieden gelten und verlohnt es sich kaum mehr anderen kleineren Dis-
krepanzen nachzugehen. Wohl aber verdient es noch Beachtung, dass
das kyklische Epos Nostoi einerseits in der Telemachie benützt wird,
und anderseits schon den Nostos des Odysseus voraussetzt, wie ich in
dem Aufsatz, Zur Chronologie des altgriechischen Epos, Stzb. d. b. Akd.
-1864 S. 32 — 34 nachgewiesen habe.
Ich habe nur die eine Telemachie auf die Verschiedenheit des
Autors hin untersucht; ob nun alle übrigen Teile der Odyssee von
einem Dichter herrühren, oder ob man nicht auch für den alten Nostos
auf der einen Seite, und die Nekyia und den jüngeren Nostos auf der
anderen, für den Freiermord und den Schluss der Odyssee verschiedene
Dichter annehmen müsse, und ob etwa die Dichter jener jüngeren Partien
mit dem Verfasser der Telemachie identisch seien, das mögen andere
prüfen: mir genügt es, für die Odyssee die Notwendigkeit der Annahme
von mindestens zwei Dichtern erwiesen zu haben.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak d.Wiss. XVn. Bd. I. Abth 23
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178
Die Teile der Ilias.
Drei grössere Liedergruppen unserer Ilias, . die Bücher M — O 591
incl., //313 — fC incl, B — H^ incl. stunden nicht in dem ursprünglichen
Plan des Dichters und sind erst später zur alten Ilias hinzugekommen.
Die drei Sätze sind im wesentlichen schon teils von Lachmann und
Köchly, teils von Grote, Friedländer und Düntzer erkannt und nur in
etwas verschiedener Form aufgestellt worden. Leicht und sicher ist der
erste und zweite zu beweisen. Im Eingang des 16. Gesangs, wo Patroklos
bittend dem Achill naht, erzählt er die Niederlage der Achäer in oflfener
Schlacht und die Verwundung der vier Fürsten Agamemnon, Diomedes,
Odysseus, Eurypylos, erwähnt aber nichts von der Erstürmung der Mauer
und vom Kampfe um die Schiflfe, wiewohl sich hierin doch die grössere
Not der Achäer gezeigt hatte. Das ist nur möglich, wenn damals, als
die Patrokleia gedichtet wurde, die Bücher M — O noch nicht bestanden
und die darin erzählten Dinge auch noch gar nicht vom Dichter in den
Plan seines Werkes gezogen waren. Damit steht im Zusammenhang,
dass in unserer Ilias weit mehr Ereignisse in die paar Stunden zwischen
Mittag yi 84 und Nachmittag fT 777 ^ fallen, als je ein vernünftiger
Dichter beim Entwürfe seines Planes in die kurze Zeit von 11 bis 4 Uhr
zusammengedrängt hätte. Das konnte nur dadurch kommen, dass die
Erstürmung der Mauer, der Kampf bei den Schiffen, die Einschläferung
des Zeus, die Verwundung Hektors, die Heilung des Helden imd das
emeuete Anstürmen der Troer im ursprünglichen Entwürfe keinen Platz
hatten und erst später zwischen yi und U eingelegt wurden.
Der zweite Satz von dem späteren Ursprung der Gruppe H'^ — K
lässt sich noch leichter erweisen und ist bereits so sehr anerkannt, dass
Köchly in seiner Ausgabe der kleinen Ilias diese Gesänge ganz und
gar aus dem Kreis der alten Iliaslieder ausgeschieden hat. Von der
Doloneia haben wir das bestimmte Zeugnis des Eustathius und des Victori-
anischen Scholiasten, dass dieselbe nicht einmal im Altertum allgemein
unter die Gesänge der Ilias recipiert worden war. Die Presbeia wird
in der alten Ilias und speciell in TT 72 völlig ignoriert, so dass dieselbe
erst später eingelegt' oder zum Zwecke der Einlage an dieser Stelle
gedichtet sein muss; das Buch 0 aber, das mit dem 2. Teil von H enge
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179
zusammenhängt, enthält so oflfenbare Nachahmmigen von Stellen späterer
Gesänge, dass kein urteilsfähiger Mensch daran denken kann, dasselbe
der alten ursprünglichen llias zuzuweisen. Namentlich liegt es auf der
Hand, dass die Stelle von dem Wägen der Todeslose der beiden Völker,
der Achäer und Troer, 0 68 — 74, eine Nachahmung und eine wenig
geschickte Nachahmung des Wagens der Todeslose der beiden Helden
Hektor und Achill unmittelbar vor dem grausen Falle Hektors, X 209
bis 213, ist, und dass somit die Kalos jud/^rj oder das Buch 0 erst nach
dem Gesänge von Hektors Tod oder nach dem Buche X gedichtet sein
kann. Zu den bezeichneten Anzeichen vom jüngeren Ursprung der Ge-
sänge unserer Gruppe stimmt nun auch die Störung, welche durch Ein-
lage dieser Gruppe in den Plan der llias und in den Fortgang der
Handlung gebracht wurde. Der frohe Kampfesmut des 11. Gesanges
war nach dem glücklichen Ausgange des ersten Schlachttages /' — H oder
auch beim Beginne des ganzen Kampfes wohl am Platze, nimmermehr
aber nach der schmählichen Niederlage des 8. Gesanges und der trotzigen
Zurückweisung der Anerbietungen des Agamemnon durch Achill in der
Presbeia. Es ist wahr, dass durch den guten Erfolg des kühnen nächt-
lichen Handstreiches der Doloneia der üebergang zur kampfesmutigen,
fast siegesgewissen Stimmung im Beginne des 11. Gesanges etwas besser
vermittelt wird, aber bei unbefangener Betrachtung wird man nicht
verkennen, dass dieses nur eine Notbrücke ist, kein in dem ursprüng-
lichen Plane gelegenes Bindeglied.
Am schwersten hält der Beweis für den späteren Ursprung der
ersten Gruppe B — N^, zumal gerade dieser Teil der llias wegen des
liederartigen Charakters und der einfachen, fast naiven Natürlichkeit den
Eindruck hohen Alters macht. Auch giebt die Vergleichung der dieser
Gruppe und dem 11. Buche gemeinsamen Verse, so gross auch ihre Zahl
ist, keinen festen verlässigen Beweis an die Hand, so dass wir uns fast
mit dem Zugeständnis begnügen müssen, dass die Vergleichung der ge-
meinsamen Stellen auch nicht für die umgekehrte Annahme von der
Priorität der Gesänge B — H ^ gegenüber den Gesängen y/ FI mit Erfolg
verwertet werden kann. Auf der anderen Seite aber spricht für das höhere
Alter von y1 die grössere Einfachheit der Verhältnisse, die sich nament-
lich darin kund gibt, dass die Bundesgenossen der Troer bei dem Auszug
23*
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180
und bei der Aufzählung der Heerführer A 56 — 60 ganz zurücktreten,
während im 2. Gesang in der berühmten Stelle /i 123 — 133 die Bundes-
genossen schon das Gros der troischen Heeresmacht bilden. Auch wird
man zugeben, dass die troische Sage in ihrer alten Einfachheit weit mehr
dazu führte, den Ruhmesthaten des Agamemnon, des gefeierten Ober-
königs, als denen des Diomedes, des zwar tapferen, aber doch immer
untergeordneten Fürsten einen eigenen Heldengesang zu widmen. Am
schwersten aber fällt immer für unsere Aufstellung die unbestreitbare
Thatsache ins Gewicht, dass einerseits jene Gruppe B — H die Eifc-
zweiung von Agamemnon und Achill oder den 1. Gesang zur Voraus-
setzung und zum Hintergrund hat, und dass anderseits der durch jene
Entzweiung hervorgerufene und mit dem ganzen Plan der Ilias innigst
zusammenhängende Entöchluss des Zeus den Achill zu ehren und den
Agamemnon zu demütigen durch die Einlage jener Gruppe ungebührlich
lange verzögert wird. Zu solch einer Retardierung konnte sich der
Dichter wohl nachträglich verstehen, nachdem sein Gedicht ins Grosse
ausgewachsen war und auch solch eine Retardierung von 5 Gesängen
gestattete; schwerlich aber hat dieselbe von vornherein im Plane des
Dichters gelegen. Wenn aber dann trotzdem jene später eingelegten
Gesänge das Gepräge hoher Altertümlichkeit zeigen, namentlich in dem
kleineren Umfang vieler ihrer Lieder, wie des Zweikampfs von Menelaos
und Paris, der Teichoskopie, der Epipolesis gegenüber den schon mehr
ins Grosse angelegten Gesängen des 1. 11. u. 16. Buches, so dürfte
dieses damit zusammenhängen, dass der Dichter bei jener Einlage mehrere
Einzellieder der älteren Epoche des Heldengesanges mit in sein neues
grosses Werk hereingezogen hat.
So haben wir also zunächst 3 Gruppen von Liedern, welche sich
an den alten Kern des Epos vom Zorne des Achill angeschlossen
haben Aber in diesem Epos selbst scheiden sich bestimmt 2 Teile,
ein älterer, welcher die Leiden schildert, die in Folge des Streites
zwischen Agamemnon und Achill nach Zeus Willen über die Achäer
kamen, und ein jüngerer, welcher von der Rache handelt, welche Achill,
nachdem ihn Patroklos Fall zur Aussöhnung mit Agamemnon bewogen
hatte, an den Troern und an Hektor nahm. Jedem drängt sich dabei
die Aehnlichkeit mit den beiden Bestandteilen des Nibelungenliedes auf,
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181
nur dass in diesem der zweite Teil von Krimhilds Rache nicht so eng
mit dem ersten verknüpft ist. Aber man kann doch auch in der Ilias
zweifeln, ob der zweite Teil von vornherein im Plane des Dichters lag
und ob derselbe nicht ursprünglich mit der äussersten Bedrängnis, welche
Patroklos Tod über die Achäer brachte, oder mit anderen Worten mit
-2* 242 sein Gedicht schliessen wollte. Wenigstens ist an jener Stelle
alles erfüllt, was der Sänger in dem Proömium versprochen hatte: tausend
Leiden sind über die Achäer gekommen {fiv(}i^ ^Axcciolg aly^a S^fjxer),
viele Helden sind hinabgegangen in den Hades, der Wille des Zeus, der
den beleidigten Achill zu rächen versprochen hatte, ist erfüllt {Jwg S^
sreXetero ßovkrj) ^). Jedenfalls ist der zweite Teil der Ilias jünger nicht
bloss als der alte Kern (1. 2. 18. 25. 27. Lied meiner Ausgabe), sondern
auch als die erste (3. 5. 6. 7. 8. 9.) und wahrscheinlich auch als die
zweite (20 — 24. 10. 11. 12.) Erweiterungsgruppe. Das letztere schliesse
ich schon aus manchen ungeschickten Nachahmungen von Stellen des
ersten Teils der Ilias, wie Y 414—5 nach J 132 — 3, Y 445—8 nach
E 436 — 9, 0 53 — 8 nach y/ 403, mehr noch daraus, dass der zweite
Teil die Beraubung des Leichnams des Patroklos durch Hektor und
die Schmiedung neuer Waffen für Achill durch den Gott Hephaistos
voraussetzt, diese beiden Voraussetzungen aber nicht in den alten Liedern
der Ilias. sondern in deren Erweiterungen, namentlich in P 1 — 261 u.
-2" 35 — 150 gegeben sind. Dieser zweite Teil der Ilias hat nun aber
in ganz ähnlicher Weise wie der erste mannigfache Erweiterungen er-
fahren, etwas was Wolf und Lachmann nicht beachtet hatten, von den
nachfolgenden Kritikern aber, namentlich von Kammer und Mor. Schmidt
mit Evidenz nachgewiesen ist. .
In Bezug auf das chronologische Verhältnis dieses 2. Teiles der
Ilias zu der erweiternden Gruppe M — O des 1. Teiles bin ich somit
etwas von meiner früheren, in den Prolegomenis meiner Ausgabe auf-
stellten Meinung abgewichen. Noch in einem zweiten Punkte habe ich
1) Die Scheidung dieser beiden Teile habe ich in dem Texte meiner Iliasausgabe durch-
geführt, indem ich für den alten Kern des ersten Teiles stehende, für den des zweiten liegende
Schrift wählte. Hingegen war mir in den vor dem Text gedruckten Prolegomenis das richtige
Verhältnis noch nicht klar geworden, so dass ich weniger passend beide Teile in die eine Kate-
gorie der alten Ilias zusammenfasste.
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182
mich inzwischen entschlossen, dem • Gewiclite der meiner früheren Auf-
stellung entgegenstehenden Gründe nachzugeben. Es stehen nämlich, wie
ich auch bereits in meiner Ausgabe zugegeben habe, 3 Verse oder Vers-
teile, welche das 5. Buch mit jener Gruppe IM — (J gemeinsam hat, iE 791
= N 107, E 827 = I 342, E 706 = M 140, im 5. Buche minder
passend als in den entsprechenden Büchern M N S. Der Beweiskraft
jener 3 Stellen möchte ich mich, so sehr damit auch meine Zirkel ge-
stört zu werden drohen, nicht länger entziehen, und demnach für den
2. Teil des 5. Buches nicht mehr die Priorität vor den Büchern M — O
in Anspruch nehmen. Nun hängt aber der zweite Teil jenes Buches so
sehr mit dem ersten zusammen, dass beide hintereinander entstanden
sind und der »Dichter schon gleich im Anfang, als er den Ares von der
Athene zur Seite führen Hess {E 29 — 36), den Zusammenstoss der beiden
Götter im zweiten Teile vor Augen hatte. Es stellt sich demnach die
chronologische Folge der 40 von mir hergestellten Lieder der Ilias in
folgender Weise ^):
A. Aelteste, locker aneinandergereihte Lieder vom Streite des Achill
und Agamemnon und seinen verhängnisvollen Folgen für die Achäer:
1. 2. 18. 25* 27*. 28. 29*.
B. Alte von mir in meiner Ausgabe gleichfalls noch durch grosse,
stehende Lettern ausgezeichnete Gruppe von Liedern, bestimmt zwischen
den Liedern 2 und 18 der alten Ilias eingeschalten zu werden:
3*. 5. 6. 7. 8.
C. Weitere zusammenhängende, durch die Hereinziehung der Lykier
des Sarpedon und der Lagermaueni gekennzeichnete Gruppen von Liedern,
durch liegende Schrift von ^ u. ß in meiner Ausgabe imterschieden:
20. 21. 22*. 23.
9. 10.
11. 12. 13.
24. 26.
1) In dem Verzeichnis habe ich mit einem beigesetzten Stern die älteren, mit zwei Sternen
die jüngeren, in meiner Ausgabe durch den Druck unterschiedenen Partien der betreffenden Lieder
bezeichnet.
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183
D. Fortsetzung der alten Ilias, von der Rache des Achill, durch
liegende Schrift von dem anfänglichen Kerne und dem ersten Teile
unterschieden:
29**. 30. 32*. 33. 35. 37. 38.
E. Beruhigender Abschluss der Ilias durch Bestattung der Haupthelden :
[38] u. 40.
F. Jüngere, durch kleine Schrift von mir unterschiedene Erweiterung
des ersten Teiles der Ilias:
14. 15. 16*. 19*.
G. des zweiten Teiles der Ilias:
22** 34. 36.
H. Episodenartige Zusätze einzelner Gesänge:
17. 31* 39*
4*
J. Interpolationen oder kleinere Einschiebungen in die verscliiedenen
Gesänge der Ilias, von mir mit kleinen liegenden Lettern gekennzeichnet,
insbesondere:
4**. 16** 19** 31**. 39**. 40**.
Die Ilias eine Schöpfung mehrerer Dichter.
Die Frage, ob Homer oder Homeriden, ist am meisten dadurch
verwirrt worden, dass kleine Unebenheiten der Darstellung und Ab-
weichungen von der uns geläufigen Form einheitlicher Epen gleich zu
Beweisen für verschiedene Verfasser aufgebauscht wurden mit Umgehung
leichterer und einfacherer Erklärungsweisen ^). Wenn z. B. in einzelnen
Liedern auf die vorausgehenden Ereignisse wenig oder nicht in dem von
uns erwarteten Umfange Bezug genommen wird, so erklärt sich dieses
vollauf aus der selbständigen Stellung, die der Dichter den einzelnen
Gesängen gab und geben musste, wenn er dieselben getrennt von den
andern als Einzellieder bei einem Gastmahl oder einer Festversammlung
1) Dass die Ansicht von der relativen Selbständigkeit der einzelnen Lieder wohl von der
Frage nach der Zahl der Verfasser zu trennen sei, ist besonders von dem Recensenten der Lach-
mann'schen Betrachtungen in den Blättern für literarische Unterhaltung vom Jahre 1884 Nr. 126
hervorgehoben worden, wie man in der trefflichen Orientierung über den Stand der homerischen
Frage von G. Curtius in Ztschr. f. östr. Gymn. V. (a. 1854) S. 100 ff. nachlesen kann.
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184
vortragen wollte^). Unter solchen Umständen reicht es selbst zur Be-
gründung verschiedener Verfasser nicht aus, wenn Sarpedon am ersten
Schlachttage in £ 660 ff. schwer verwundet wird und am überfolgenden
Tage in /Vf u. 77 wieder mit ungebrochener Kraft am Kampfe sich be-
teihgt, oder Deiphobos, nachdem er am 2. Tage Pf 527 — 539 am Arm
verwundet worden war. am 3. Tage seinem Bruder Hektor in der Todes-
stunde beizustehen scheint (X 227 ff.) Denn da jene Gesänge nicht un-
mittelbar hintereinander vorgetragen wurden, so mochte der Dichter es
seinen Zuhörern überlassen, sich inzwischen die Helden wieder geheilt
zu denken. Hatte er doch geflissentlich durch Ausdrücke, wie ndyfP vno
firivi&fjiov (IJ 202) i]/j.aTt t(5 crre ((-) 475. O 76) tiot' «ti' Alveiav akourjy
{(') 108, § 30) und ähnliche (s. Proleg. § 30) dafür Sorge getragen, dass
sich die Hörer die Ereignisse der einzelnen Schlachttage möglichst weit
auseinandergerückt denken konnten-). Femer darf es bei der leichten
Aneinanderreihung der einzelnen Gesänge des grossen Epos keinen An-
stand erregen, wenn nicht alle Teile der Handlung gleich ausführlich
behandelt sind und einzelne Gesänge, wie die liyajLts/urovog d^iorsia und
Jiog andxri mitten im Culminationspunkt der Handlung abbrechen {O 366
u. ^ 595), so dass z. B. das Zurückweichen der Achäer hinter die
schützenden Mauern, das zwischen dem 11. und 12. Buch stattgefunden
1) Treffend spricht hierüber G. Lange, Die poetische Einheit der Iliade» 1826 S. 17: *Der
rhapsodische Vortrag bewirkte, dass von den einzelnen Gliedern jedes, wodurch das folgende schon
vorbereitet wird, selbständig zu sein scheint und somit alle einzelnen Glieder selbständige Epopöen
sein könnten, wenn sie nicht wieder auf eine wahrhaft epische Weise mit dem grossen Ganzen
in der schönsten Harmonie stünden' und weiter unten S. 21 : 'ich kann nicht begreifen, wie un-
helleniscli und deswegen ungerecht unsere Kritik verfahren konnte, indem sie an eine nach ganz
anderen Gesetzen schaffende Zeit Forderungen machte, welche kaum irgend einer der sorgfältigsten
neueren Dichter genügend erfüllt*. Es verdienen aber diese Bemerkungen Lange's um so mehr
Beachtung, als durch jenes Buch sich Goethe zur Palinodie *Homer wieder Homer bestimmen Hess,
was ich oben S. 12 zugleich mit dem Buche Mich. Bernays, Goethes Briefe an Fr. A. Wolf.
1868, hätte erwähnen sollen. In der lichtvollen Einleitung jenes Buches S. 83 hatte seinerzeit
der Verfasser die Umkehr Göthes auf Schubarths klägliches Buch *Ideen über Homer und sein
Zeitalter, 1821 zurückgeführt; dass aber vielmehr das bedeutendere, Göthe selbst gewidmete Buch
von Lange, die Palinodie, wenn man sie so nennen darf, veranlasste, darüber hat mich inzwischen
mein verehrter College und Freund selbst aufgeklärt, ist aber auch schon von G. Curtius an der
a. St. S. 5 bemerkt worden.
2) Beachtenswert ist, dass sich jene Ausdrücke gerade in den späteren Schichten finden,
wahrscheinlich, weil so der Diaskeuast am ehesten die einzelnen Lieder der Cyklen zu einem eng
geschlossenen grossen Epos zusammenfassen zu können hoffte.
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185
haben muss, nicht geschildert, sondern im Eingang des Mauerkampfes
als bereits vollzogen vorausgesetzt wird. So darf es denn auch nicht
übermässig befremden, wenn in meiner alten Ilias wir vom Kampf in
der Ebene (^ ^ unmittelbar in den Kampf vor den Schiflfen (0 592 ff.)
versetzt werden und die langweilige Aussöhnungsscene keine ausführliche
Darlegung gefunden hat.
Auch ohne die Entschuldigung der relativ selbständigen Stellung der
Einzellieder im alten Epos erklärt es sich aus der Freiheit dichterischer
Schöpfungen überhaupt, wenn die Aufstellung der Achäer in der Epi-
polesis oder die Fünfteilung der Troer im Beginne des Mauerkampfes
nicht genau im weiteren Verlauf des Kampfes gewahrt wird ^). Solche
Dinge schafft der Dichter, der ja keine Generalstabskarte entwirft, mit
dem Spiel der freien Phantasie und lässt sie wieder fallen, wenn er sie
für seine dichterischen Zwecke nicht mehr bedarf 2). Nur in den Haupt-
linien und in den feststehenden Umrissen des Landschaftsbildes wird man
billiger Weise Consequenz und Uebereinstimmung erwarten. Noch weniger
darf man sofort auf zwei verschiedene Dichter schliessen, wenn der Klage
des Priamos und der Hekabe um den geschleiften Sohn am Schlüsse der
22. Rhapsodie noch ein zweiter Threnos an der Bahre des Hektor in
dem letzten Gesänge folgt. Ein so dankbarer Stoff hätte leicht auch
den Dichter eines modernen Epos bewogen, das gleiche Motiv in ver-
änderter Form nochmals vorzubringen.
Nehmen wir nun noch ferner an, dass sich Homer eines langen
reichen Lebens erfreut und die Gesänge der Ilias nicht in rascher Folge
hintereinander, sondern in langen Zwischenräumen gedichtet habe —
und diese Annahme setzt ja durchaus nichts unmögliches oder nur un-
wahrscheinliches voraus — so erledigt sich eine weitere Reihe von
Unebenheiten imd Anständen, welche die Wolfianer für die Liedertheorie
und gegen die 'Ammenfabel' von dem einen Dichter Homer in das Feld
geführt haben. So mochte der Dichter nicht von vornherein den Fluss-
1) An der Aufdeckung »olcher strategischen Widersprüche, die man allerdings in der Schil-
derung eines Historikers oder Militärs nicht übersehen dürfte, hat besonders Wold. Bibbeck
seinen Scharfsinn versucht und in Benicken einen gläubigen Anhänger gefunden.
2) Etwas Richtiges ist so selbst an dem Überschwenglichen Preisse der poetischen Freiheit
von L. V. Sybel, üeber Schliemanns Troja, S. 8: Jedem Auftritt gehört seine Coulisse; die
Coulisse wird eingesetzt nach Bedarf und nach dem Gebrauch zurückgezogen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 24
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kämpf, den Wolf und Lachmann aus dem Kreis der alten Lieder aus-
schlössen, in den Plan seiner Dichtung gezogen haben. Aber warum
konnte er nicht im Fortgang der Arbeit, um mehr Abwechselung in das
Einerlei der Kampfesscenen zu bringen, auf den Gedanken kommen, vor
dem Falle Hektors die fliehenden Troer, von Achill verfolgt, in den
Strudeln des angeschwollenen Flusses umkommen zu lassen? Doch den
Flusskampf hat überhaupt nur capricenhafte Aesthetik dem Homer ab-
gesprochen; begründeter ist der Anstoss, den das Fehlen der Lagermauer
in dem einen, das Vorhandensein derselben in dem anderen Teile der
Ilias erregt hat; aber die Möglichkeit muss doch auch hier offen gehalten
werden, dass derselbe Dichter, der anfangs das achäische Lager gar nicht
oder nur durch einen Graben befestigt dachte, später, um die glänzenden
Schilderungen des 12. und 13. Gesanges einzuführen, das Schiffslager mit
Mauern und Thürmen umgürtet sein Hess. Auch das ist leicht denkbar,
dass derselbe Dichter Homer, nachdem er als fahrender Sänger mehr
Land und Leute gesehen und an den Höfen der Fürsten mehr Abstam-
mungssagen kennen gelernt hatte, noch weitere Könige und Helden in
sein Lied vom Zorne des Achill einflocht. Ob man dahin auch die süd-
lichen Lykier mit ihren Führern Sarpedon und Glaukos rechnen darf?
Das ist eine schwerer zu entscheidende Frage: Diese südlichen Lykier
am Xanthos kamen nämlich in Collision mit den nördlichen Lykiern
am Aisepos, deren Führer Pandaros schon in der alten Sage vom tro-
janischen Kriege eine vielbesungene Rolle gespielt hatte, so dass nun
namentlich in das 5. Buch der Ilias durch Verbindung der beiden Lykier
eine störende Unklarheit kam. Indess wenn ich die unübertroffene
Schönheit des 6. und 12. Buches von Hektors Abschied und vom Kampf
um die Mauer, in welche die Lykierfürsten Glaukos und Sarpedon unlöslich
verflochten sind, mir vor Augen führe und wenn ich die Geschicklichkeit
erwäge, mit der immerhin im 5. Gesang die neuen Lykier neben den
alten eingeführt sind, so hält es mir doch sehr schwer die Partien, in
denen Sarpedon und Glaukos eine Rolle spielen, dem Homer abzusprechen
und die Möglichkeit zu bestreiten, dass auch diese Helden noch von
demselben Dichter in das Nationalepos verwoben wurden ^).
1) Auch noch bei anderen Helden ist es bestreitbar, ob sie noch von demselben Dichter in
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187
Endlich kann auf solche Weise zur Not auch der kleine, neuerdings
von Benicken, Studien S. 204 ff. allzusehr aufgebauschte Widerspruch
zwischen A 193 f. u. 0 232 — 5 und die anstössige Häufung der zahl-
reichen Schlachtengemälde auf die paai» Stunden des 3. Schlachtentages
erklärt werden. Denn durch die Fortspinnung des Fadens und die Ein-
lage immer neuer Episodien konnte es leicht kommen, dass dem Dichter
unter der Hand das ursprüngliche Gleichgewicht der Teile seines Planes
gestört oder, wie in Folge der Eindichtung des VysiQog im 2. Gesang,
der ursprüngliche Verlauf der Handlung durchkreuzt wurde, ohne dass
er es der Mühe wert erachtete, nun das ganze Gewebe wieder aufzulösen
und durch mühsame Umdichtung und Neuordnung den von seinen
Hörern kaum bemerkten Fehler zu entfernen. Denn auf der anderen
Seite lassen es die natürlichen Verhältnisse für geratener erscheinen,
den Bau der Ilias lieber von demselben Meister als von verschiedenen
Architekten ausgeführt und erweitert sein zu lassen, sintemal ein begabter
Dichter eher Neues und Selbständiges schafft, als Werke anderer fort-
führt und überdies die Natur, wie Minckwitz, Vorschule zu Homer S. 308
treffend sagt, nicht leicht viele gleich erste Genies auf einmal oder kurz
hintereinander hervorzubringen pflegt. Insbesondere erwartet man, dass
ehe die Interpolationslust der Homeriden ihre Verzierungen, Erker und
Thürmchen anbrachte, ein grosser, in den Hauptumrissen bereits fertiger
Bau vorhanden war. Einen solchen Kern, an den sich die jüngeren
Zusätze anschliessen konnten, wird man aber kaum in einer aus bloss
drei bis vier Gesängen bestehenden Epopöe zu finden im Stande sein;
der alte Homer, der dem ganzen Gedichte den Namen gab, wird viel-
mehr mindestens auch die Hälfte der Verse unserer heutigen Ilias ge-
dichtet haben.
Man wird aus dem Vorausgehenden sehen, dass ich den Anschau-
ungen der Unitarier sehr zugänglich bin und denselben vielleicht sogar
über Gebühr entgegen komme. Aber ich halte es für geboten, in dieser
verwickelten Frage strenge zwischen blossen Hypothesen und zwingenden
Beweisen zu scheiden und nicht blossen Einfällen zulieb den Ruhm des
die Ilias verflochten worden seien. Namentlich erregen gerechte Bedenken die beiden Teilnehmer
an den Leichenspielen Eumelos und Epeios; vgl. Proleg. § 21.
24*
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grössten Dichtergenies zu schmälern. Weitaus aber das Meiste, was man
gegen die Einheit der Ilias vorgebracht hat, gehört in das Bereich der
Täuschungen und der blossen Möglichkeiten. Zur Annahme mehrerer
Verfasser werden uns nur zwingen grelle Widersprüche in hervorragenden
Dingen, grobe Missverständnisse der eigenen Worte, unvereinbare Ver-
schiedenheiten im Sprachgebrauch. Wollen wir sehen, ob es auch solche
Anstösse gibt und ob sich dieselben auf keine andere Weise wegräumen
lassen !
Sachliche Widersprüche der Ilias.
Pylaimenes, der König der Paphlagonier, erscheint iV 658 — 9 wieder
unter den Lebenden, die Leiche seines Sohnes begleitend, trotzdem er
/t) 576 bereits durch Menelaos, gegen den dann in iVder Sohn die Waffen
kehrt, zusammen mit seinem Wagenlenker gefallen war. Das ist ein
greller Widerspruch, der sich weder mit dem oberflächlichen Gerede von
Gerlach im Philol. 33, 23 beschönigen, noch mit irgend einem Kunst-
stück weginterpretieren lässt. Denn von einer Homonymität, zu der man
leicht bei einem miles gregarius seine Zuflucht nehmen könnte, kann
hier keine Rede sein, da Pylaimenes an beiden Stellen ausdrücklich als
König der Paphlagonier bezeichnet ist. Eben dieser Umstand lässt aber
auch die Lesart des Zenodot Kvlaifievia zu £576 als leere Ausflucht
irgend eines sophistischen Grammatikers erscheinen, da es sicher nur
einen König der Paphlagonier gab. Endlich lässt sich bei der sonstigen
Bedeutung von iXsly (vgl. E 37. 541. J 457. IJ 306. O 328) und bei
der Gefährlichkeit einer Verwundung am Schlüsselbein {xara x'Krßda) auch
nicht daran denken, dass Pylaimenes am ersten Schlachttage bloss ver-
wundet und inzwischen geradeso wie der ebenfalls im 5. Gesang ver-
wundete Sarpedon wieder geheilt worden sei. Wenigstens müsste man,
wenn man zu dieser bereits in den Scholien aufgestellten Entschuldigung
{sUrrp/ ov Tidvrwg drellav) seine Zuflucht nehmen wollte, auch die für
die Einheit der Ilias gleich bedenkliche Consequenz ziehen, dass der
Dichter von iV die Bedeutung von ikely in E missverstanden habe. Also
der Widerspruch zwischen den beiden Stellen besteht und lässt sich in
keiner Weise wegdisputieren oder entschuldigen. Aber wir gewinnen auch
nicht viel, wenn wir für beide Stellen verschiedene Dichter annehmen,
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ausser wir dürfen zugleich annehmen, dass keiner von dem anderen etwas
wusste, und dass keiner sein Lied zu dem des andern in Beziehung
setzen wollte. Nun ist aber offenbar, dass der 5. Gesang so gut wie der
13. dazu bestimmt war ein Glied in dem Cyklus der Lieder vom Zorne
des Achill zu bilden; denn in beiden glänzt Achill, und gewiss nicht
zufällig, durch seine Abwesenheit, und dass überdies der 13. Gesang
auf der Voraussetzung des 11. und 12. beruht, bedarf keines weiteren
Nachweises. Eher könnte man die Vermutung wagen, dass der Dichter
von N seinen Gesang nicht mit dem Buche E oder richtiger mit den
Büchern B — H zu einem Cyklus von Gesängen vereinigt sehen wollte;
denn auch ohne jene Partie Hess sich die Mfjvig Idxii-^og recht gut durch
Aneinanderreihung der Gesänge A A M N etc. darstellen. Ansprechender
und einfacher aber erscheint mir auch jetzt noch die von mir an einem
andern Orte ausgesprochene Vermutung, dass entweder die betreffende
Partie des 5. Gesanges E 508 — 593, oder die strittigen Verse N 656 — 9
oder beide zusammen jüngere Interpolationen sind. Damit wäre dann
freilich die Verschiedenheit der Verfasser von N 658 — 559 und E zu-
gegeben, aber für die Liedertheorie nichts oder nicht viel gewonnen^).
Ein ^x^^^^^ IT€(fifiri^eog vlog d(fxog 4^(joxri(joy fällt 0 515 durch Rektors
Hand; von ihm lebt ein Doppelgänger, ein ^x^Siog ueyaS-vjtiov ^lipixov
vibg <Pü)xria)v ö;^' ä^fiaxog^ Herrscher von Panopeus, wieder auf in P 306,
wobei es schwerlich Zufall ist, dass derselbe gleichfalls durch Hektor
fällt ^. Der Anstoss ist ein weit geringerer als bei Pylaimenes, da die
beiden Schedioi durch die verschiedenen Väter ausdrücklich yon einander
1) Mit Streichung der Verse N 658—9 halfen sich bereite die Alten und insbesondere
Aristarch, nur dass dieser den Zusatz machte £< ^^ /Äiyotfy ol axixoi oSroi^ yoriiioy ofjuavvfjiiay elyat.
Die verschiedenen Weisen, auf die alte und neue Kritiker sich mit den Versen abgefunden haben,
hat eingehend Benicken in Z. f. ö. G. XX Vm (a. 1877) 881—896 und neuerdings in den Studien
und Forschungen p. CXV besprochen, indem er als Lachmannianer die Schwierigkeit mit der
Annahme von verschiedenen Dichtem für erledigt hielt, als ob nicht auch vom Standpunkt der
Liedertheorie zu fragen wäre, ob denn nicht auch jene Homeriden ihre Lieder gegenseitig gekannt
hatten und in eine gewisse Beziehung zu einander gesetzt wissen wollten. Allemeuestens hat K.
Frey, Jahrb. f. cl. Phil. 1883 S. 723 den Widerspruch zu entschuldigen gesucht durch einen
ähnlichen im Rolandslied XXX, wo der Herzog Othon kurz nachdem er unter den Gefallenen
aufgezählt war, wieder unter den Lebenden gedacht wird. Aber Homer sicher ist sonst nicht so
vergesslich.
2) Anstoss an diesen doppelten Schedioi hat zuerst Spohn in seinem Buche de agro
Troiano genommen.
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unterschieden werden. Aber störend ist es doch, dass man sich entweder
beide zugleich als Heerführer der Phokeer denken müsste, etwas, was
zwar sprachlich möglich wäre ^), aber doch mit dem Schiflfekatalog ß 5 1 8,
wo nur 1 Führer angeführt ist, in Widerspruch stünde, oder dass man
dem zweiten Schedios, wiewohl er ^mxfiwv oyj ä^iaros heisst, eine unter-
geordnete Stellung zuwiese, was hinwiederum wenig zu den Sitten des
heroischen Zeitalters stimmen würde, wo der tüchtigste auch der erste
zu sein pflegt. Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass in den Stam-
messagen der Phokäer Kleinasiens zwei Schedioi umliefen, und dass der
Dichter der ersten oder zweiten Stelle sich des Gegensatzes wohl be-
wusst war. Aber konnte nicht derselbe Dichter, wenn später besser
unterrichtet, auch die zweite Gestalt der Sage in seinem Epos be-
rühren, gewissermassen, wie später Stesichoros, eine Palinodie singen?
Man kann das je nach seinem Gefühl verneinen oder bejahen, einen
zwingenden Beweis für die Liedertheorie daraus aber nicht entnehmen ^).
Auffällig ist ausserdem erschienen, dass /7 694 ein Adrestos unter
den von Patroklos haufenweis Getöteten erscheint, nachdem Z 37 — 65
bereits ausführlich und drastisch der Tod eines Adrestos geschildert
worden war, und dass ebenso zweimal der Tod eines Troers Peisandros
(^ 122 und N 601) und eines Troers Thoon (vi 422 und N 545) ge-
meldet wird. Aber so beachtenswert auch die Sache ist, so möchte ich
doch hier bei untergeordneten Persönlichkeiten die Ausrede der Namens-
gleichheit nicht für ausgeschlossen halten und würde nur dann der Sache
eine Bedeutung beilegen, wenn auch noch andere Momente für die Ver-
schiedenheit der Verfasser von 77 und Z, wie von N und yi sprächen.
Wie bei der Pylaimenesstelle so lässt sich auch in dem 16. Gesang
der grobe Widerspruch zwischen 77 793—804. 815. 846 und P 122— 6.
1) So heisst "06iog E 39 «(»/oV ^^Xi^aiytuy^ wiewohl er im Schiffskatalog neben Epistrophos
als Führer der Halizonen aufgeführt wird, und wird O 337 "laaog ^9X^f USti^aiior, O 519 ^i2rof
dQX^^ Entiwy genannt, wiewohl doch Menestbeus der eigentliche Führer der Athener und Meges
der der Epeier war, zum Beweise dafür, dass bei Homer d^x^^ <Ptuxiiuty nicht bloss 'der Führer,
sondern auch 'ein Führer der Phoker' bedeuten konnte.
2) Thatsächlich sind in meiner Ausgabe die beiden Verse O 515 und P 306 mit verschiedenen
Lettern gedruckt, aber es waren andere Motive, die mich zur Sonderung der betreffenden Partien^
in denen jene Verse vorkommen, bewogen haben. Ebenso stehen die Verse Z 421 f. und P 575,
die sich widersprechen, wenn man nicht einen Doppelgänger Herlußy annehmen will, bei mir in
Partien, welche ich aus anderen Gründen mit verschiedenen Lettern drucken Hess.
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186—210. 450. 472. 693. -2* 188. X 323 durch Ausscheidung einiger
Verse leicht heben, ohne dass man zu der Annahme mehrerer Dichter,
wozu man sich begreiflicher Weise erst in letzter Linie entschliesst, ge-
nötigt wird. Der Widerspruch liegt allerdings oflfen zutag und lässt
sich mit keinerlei Kunststücken der Interpretation wegdeuten. Im 1 6. Ge-
sang zieht Apollo selbst dem sterbenden Patroklos den Helm und den
Schild ab und zerbricht ihm den langen Speer in der Hand; an den be-
zeichneten Stellen des folgenden Gesanges nimmt Hektor dem Patroklos
die Waflfen ab und legt sie dann selber an. Nun hat allerdings Naber,
Quaest. hom. p. 188 u. 195 wahrscheinlich zu machen gesucht, dass der
letzte Zug erst durch einen Nachdichter in die Ilias gekommen sei; aber
der Verfasser der fraglichen Verse im 16. Gesang, namentlich von 77 799
t6t€ ^i Zevg ''ExTO(}i ^(oxiy fi xecpalfj (po()6€ir setzt deutlich voraus, dass
Hektor später die Waffen des Hektor anlege. Mit der Annahme von
der späten Zu*dichtung jenes Zugs der Patroklossage kommt man also
nicht weit; aber ohne Bedenken lassen sich die Verse 77793 — 804. 815
u. 846 als junge Interpolation eines ausschmückenden Dichters ausscheiden,
und selbst Lachmann, Betr. 74, hat hier die Annahme einer Interpolation
für wahrscheinlicher gehalten als die Hypothese, dass mit dem 17. Buch
eine jüngere, nicht genau ihrem Vorbilde folgende Fortsetzung beginne.
Auch aus dem Widerspruch, der zwischen den Versen P 545 — 6
und P 592 — 6 besteht, indem an der ersten Stelle Zeus schon seinen
Sinn geändert haben soll (J17 yäg voog h^anBi* avzov)^ an der zweiten
aber derselbe Gott zornig in Nacht den Ida hüllt und die Achäer in
Furcht jagt (yixrjv ^e Tgoieaai didov i(p6ßriaa (P ^Axcniovg)^ möchte ich
kein Argument für Verschiedenheit des Verfassers jener beiden Partien
ableiten. Jedenfalls ist es eine lenior medicina die beiden Verse P 545
bis 546 allein als späte Interpolation auszuscheiden. Der Fortgang der
Handlimg erleidet damit nicht die geringste Unterbrechung und wir
treffen auch sonst {S 181 — 186. -2" 356—368. 0 28—40) Spuren von
einem Interpolator, der eine häufigere Erwähnung des Eingreifens der
Götter und insbesondere der Abhängigkeit der übrigen Götter vom Vater
Zeus in der alten Ilias vermisste *).
1) Damit fällt ein Hauptgrund weg die Scene P 423 — 592 der alten Ilias abzusprechen, so
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Auch in /T 395 ff. ist die Unklarheit, ja Yerworrenheit in der ganzen
SituatioD leicht damit zu beheben, dass man den entbehrlichen Vers 397
VTjuir xal nozauov xal relxBog viprilolo als späte Interpolation aus-
scheidet. Hingegen läest sich nicht mit der Ausscheidung von ein paar
Yersen der Widerspruch beseitigen, der zwischen A 590 ff. und ^395 ff.
bezüglich des Grundes der Lahmheit des Hephaiatos besteht Die Ver-
schiedenheit des Mythus an beiden Stellen beruht wohl auf Verschieden-
heit des Verfassers der lioplopoiie und der alten Ilias.
Gleichfalls mit der Annahme einer Interpolation oder der Aus-
scheidung der Verse // 334—5 suchte Aristarch den Widerspruch zu
entfernen, dass hier die Asche der Toten mit nach Hause geuoujmen,
an den anderen Stellen in troischer Erde bestattet wird. Aber die Verse
geben sonst keinen Anstoss und die lokale Bestimmung JvrB^oy dTiai^t)
i'ftör passt so sehr zur Sache, dass es geratener scheint nicht bloss die
2 Veree^ sondern die ganze Partie einem andern Autor zuzuschreiben.
Einen Hauptbeweis für die spätere Zusammenfügung älterer, von
verschiedenen Dichtern herrührender und nicht auf einander berechneter
Lieder hat man in dem ^ Verse O 653 daaiTiol (T iyu^ovto rec5r Tjfffi
iP m^fS^or äxQnt rij^g zu finden geglaubt, da danach erst jetzt die Achäer
der Schiffe ansichtig würden^ wiewohl schon 200 Verse zuvor. O 415 ff.,
von ihnen erzählt worden sei. wie sie von den Schiffen herab die an-
stürmenden Troer abgewehrt hätten '). Ich habe in meinen Prolegomena
p. 41 ausgeführt, dass diese Bemäckelung auf der falschen Verbindung
der Phrase ^latoJioi iyfvoi'iu mit n^ mna yti^mtiat beruhe. Zwar haben
schon die Alten, wie man aus der Glosse des Suidas hlmn^or avitnyunuLi*H
ersieht, beide Phrasen mit einander in Verbindung gebracht und liegt
daj*s ich iiuHi in meiner Ausgabe Bedenkrn trug» dem Urteile Kfltihlj's, Nabcr'iä und nndorer bei-
«utreten. Denn der Vera P 551 iJff 17 Jto^^v^i^ y%^El^ nvi^aea^a It uvj^v dvfjti^ 'A^ixi^r tSvo^
mit «einer einlachen Construction war seweifelsobne Vorbild für die Verse S 161 f., n^t 6£ oi xarti
^vfA^^ ätilüZf^ fpatytro ßovXi^^ iXS^tjf nf "Idr^M ^v it^vtfaatfy {dtTvvttäti Bentlej) I" «(Jrij*', in denen
entweder dan Dij^amiiin von € vemneblassigt ist, oder die H3ji:e der Conatruction, wenn raun die
Conjectur Bentley'a anninimf, Änstoss erreget, so dasn man jedcnfalla unsere Scene für älter ul«
die Jtö^ anüTti halten musi*. Für die Unjprünglichlceit derselben fipricht aber auch aelir der Um-
stand, dass dan Eingreifen des Menelaoe in dem Sebluesdrania der PatroVleia ftm besten durch
die aufibrdemde Anrede des Phönix in jener Scene, P 553 ff. motiviert wird.
1) Siebe Lach mann, ßetrticbt *S. 07 und Hentae im Änhanjf zur Stelle.
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in der That ihre Verbindung ausserordentlich nahe, aber der Dichter
unseres Verses fand, wie man aus den nachfolgenden Worten ti&qI (V h'n/hH^m^
äx(fai v^eg ganz deutlich sieht, in dem Adjektiv ^laamogy gleichgültig ob
mit Recht oder Unrecht, den Begriff ^innerhalb der Lucken zwischen
den Schiffen* oder ^Biau) ondjy riuy r€(Sy\ und damit reduciert sich der
grelle Widerspruch unsere^ Verses mit der vorausgegangenen Schilderung
auf ein Minimum, das zum zwingenden Beweis der Dichterverschiedenheit
nicht mehr ausreicht.
Auch ohne Aufstellung einer anderen Wortbedeutung lässt sich der
Versuch zurückweisen, aus den Worten des Achilleus y/ 609 vvr mw
TiBQi yovyar^ Bfia arr^oeaS-ai l4xctiovg Xiaao^ivovg einen Beweis dafür zu
construieren, dass der Dichter dieses Verses die Gesandtschaft nicht ge-
kannt, der 9. Gesang also eine späte Zuthat eines jüngeren Dichters sei.
Allerdings zeigt sich Achilleus in diesen Versen trotziger und hartnäckif^er,
als man nach seinen letzten, schon etwas zur Versöhnung umschlagenden
Worten in der Presbeia / 644 — 655 erwarten sollte. Aber immerhin
konnte der Trotz und Zorn wieder heftiger aufwallen, und kann aus
jenem Vers ein Beweis gegen die Einheit der Dichtung so wenig geführt
werden, dass ein feiner Homerkenner, Kammer ^), gerade umgekehrt Ragt :
'Der Achilles des elften Gesanges ist nur denkbar nach dem vorausge-
gangenen neunten Gesang, ohne ihn bleibt sein Verhalten völlig un-
verständlich/
Ganz und gar kein Gewicht für unsere Frage ist dem Worte /^/^o>
in T 141 /i^/^oi; ivi xkiaiijair vninxsro iflog X)(^vaaevg und 7^195 ;f^/^ör
imBarrijuey beizumessen. Lachmann, Betr. 88, wollte bekanntlich daraus
schliessen, dass der Dichter jener Verse von der Folge der Handlungen
der Ilias eine ganz andere Vorstellung hatte und nach der Verwundung
der drei Helden Agamemnon, Diomedes und Odysseus sich die Gesandtschaft
an Achill gesetzt dachte. Aber dann wären wir zu dem Schlüsse genötigt,
dass der Autor jener Verse unsere Presbeia oder den erhaltenen 9. Gesang
der Ilias nicht gekannt habe. Denn so querköpfig dürfen wir uns doch
auch den geringsten der Homeriden nicht denken, dass er für die Situation
unserer Presbeia die Verwundung des als Gesandten an den Achill ab-
1) Kammer, Zur homerischen Frage III, Programm von Lyck 1><83 S. 10.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. WisH. XVIT. Bd. I. Abth. 25
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4.
I
194
geschickten Odysseus als vorausgegangen angenommen habe. Dass es aber
ausser unserer Presbeia noch ein anderes, älteres Lied von der Gesandt-
schaft gegeben habe, das ist eine ganz luftige, unter die spanischen Dörfer
zu verweisende Hypothese und hilft uns jedenfalls in dem vorliegenden FaUe
nicht weiter, da der Dichter von T sicher keine andere Presbeia als die
unsere gekannt hat; stimmt doch alles, was er 'von dem Sprecher jener
Gesandtschaft und von den Versprechungen des Agamemnon erwähnt, haar-
klein mit dem überein, was wir in unserem 9. Buch der Ilias lesen. Statt
also einen so gewagten Schluss zu ziehen, muss vielmehr eine besonnene
Kritik nach einer solchen Deutung von xd^i^og suchen, die sich mit den
Verhältnissen unserer Ilias verträgt; die lässt sich aber einfach dadurch
gewinnen, dass wir die Nacht, die dem gestrigen Tage vorausging, im
Gegensatz zu der nächstvorangegangenen als die gestrige Nacht be-
zeichnet denken.
Mit jenem /l^/^4' also ist gar nichts für die Liedertheorie anzu-
fangen; ebensowenig mit der üngenauigkeit in der Rede des Zeus 0 475
ijfiari T(p ot' äv dl f.iby im n()ViLLyrjai ua)(^ü}vrai axhivu iv alvaidjfp 7i«pi
Uarffoxkoio nBoovTog. Denn an einen Dichter darf man nicht den Mass-
stab gelehrten Kleinkrams legen, ein Homer brauchte sich ängstliche
Genauigkeit in Nebendingen um so weniger aufzuerlegen, als er sicher sein
konnte, dass keiner seiner mit Begeisterung lauschenden Zuhörer solche
Unebenheiten bemerken würde.
Mehr Bedeutung hat der Umstand, dass die Verwundung des Sar-
pedon im 5. und des Teukros im 8. Gesang in den Kämpfen des fol-
genden und nachfolgenden Tages ignoriert wird; aber ich habe schon
oben S. 184 angedeutet, dass bei der relativen Selbständigkeit der ein-
zelnen Gesänge ein Schluss auf Verschiedenheit der Verfasser oder auch
nur auf ehemaligen Ausschluss der betreffenden Gesänge aus dem engeren
Cyklus der Menislieder aus derartigen Dingen nicht gewagt werden darf.
Endlich kann auch der Widerspruch zwischen * 86 und F 92,
indem nach der ersten Stelle der Lelegerkönig Altes noch lebt und
herrscht, nach der zweiten sein Gebiet bereits von Achill erobert ist,
nicht mit Erfolg zum Beweise verschiedener Verfasser verwertet werden,
da diejenigen, welche die Aeneasepisode oder das Buch Y noch dem
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Homer zuschreiben wollen, in dem Verse * 86 '^dlrBO) og ABXfysaai
(pilöJiToU^oiGiv (ivaöau einfach das Präsens avaaaei in das Imperfekt
äyaaatr verändern können.
Sprachliche Terschiedenhelten in der Ilias.
Homer gebraucht schon häufig statt des Dual den Plural, aber nicht
umgekehrt weder in der Ilias noch in der Odyssee den Dual für den
PluraL Eine Ausnahme von der Regel macht die Presbeia, in der
wiederholt (/ 182. 183. 192. 196. 197. 198) der Dual von den 3 Ge-
sandten, Odysseus, Äias und Phönix gebraucht ist. Die Stellen, an denen
sonst der Dual für den Plural gebraucht scheint, A 567. J 407. E 487.
Ö 74, 186. 191. 405. T205, lassen alle eine annehmbare Erklärung zu,
indem die Mehreren in 2 Paare oder 2 Abteilungen zerfallen. Eine
solche Erklärung schliesst aber in der Presbeia die Dreizahl der Ge-
sandten aus. Mit Recht haben also Bergk und andere in dem falschen
Gebrauch des Dual ein sicheres Anzeichen gefunden, dass die alte Pres-
beia dem herrschenden Brauche gemäss nur 2 Gesandten, Odysseus und
Aias gekannt habe, und dass die Verse, welche von Phönix, dem dritten
Gesandten, handeln, insbesondere die lange Rede / 432 — 622, erst von .
einem späteren Dichter hinzugefügt worden seien. Die Annahme wird
auch noch dadurch unterstützt, dass der Vers / 223 revo^ Atag 4>oivixi,
vmiGi dt tyiot; Wvaofvg eine geradezu komische Situation schafft, und dass
man von vornherein nicht begreift, wie denn Phönix nach der Entzweiung
des Achill und Agamemnon im Lager des Agamemnon hatte zurück-
bleiben können ; hier haben wir also festen Boden unter den Füssen und
können mit Zuversicht für die verschiedenen Partien des 9. Gesanges oder
die Gruppen F u. J (S. 183) zwei Verfasser annehmen.
Die 2. und 3. Person des Dual der historischen Zeiten war im Alt-
griechischen unterschieden, wie man aus der gleichen Unterscheidung im
Sanskrit bestimmt weiss. Der Unterschied ist bei Homer in der Regel
gewahrt, verwischt ist er nach attischer Weise in BneiyBxov AT 361, Siio-
AtTQP K 364, iiiv/^fjor iV^ 346, kacpvoasToy -2*583, und in den Varianten
»oii^Timta&oy N 30 L /7 218, i(pLxeo&ov N %l^, 'UböS^ov 0 456, nhsa&w
V 506. Die letzteren Stellen sind ohne Beweiskraft, da einesteils eine
andere Lesart daneben existiert und anderteils die alte Form sad^rjv
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ohne Schwierigkeit hergestellt werden kann. Anders steht es mit der
aktiven Endung &top an den vier voranstehenden Stellen, da an denselben
die überlieferte Form durch das Metrom gesichert ist. Wir müssen also
wohl für die Doloneia, die Hoplopoiie und die Interpolation A' 345 — 360
einen andern Verfasser als für die alte Ilias und Odyssee annehmen.
Ganz verschiedene Bedeutung hat dieselbe Phrase M 125
und / 234
ayJjGtn^^ all' iv vijval iulaiynniv ntofiüS^m.
An der ersten Stelle, mit der \I 106 übereinstimmt^ bedeuten die Worte
die Troer glaubten, dass die Achäer nicht mehr standhalten, sondern
sich fiiehend in die Schiffe oder in das Schiffslager stürzen würden', an
der zweiten hingegen 'die Troer gedachten nicht mehr sich zurückhalten
zu lassen, sondern den weichenden Achäern nachdrängend sich auf die
Schiffe zu stürzen*. Denn die Gesetze der Grammatik dulden nicht an
der Stelle des 9. Gesanges iiitm oder *Ax^iov^ als Subjekt zu o/ria^aB-ai
zu nehmen; das müsste nach den feststehenden Regeln der griechischen
Sprache lauten qv<P hi ifaah' i/wcft,' 0'/j\m(i&ai ii}X iv vrivaly niatmd^m.
Nicht so ganz sicher steht die Bedeutung der Phrase au der dritten
Stelle P G37
di Jiov iifVff hifiHQVtti; d3etjj[mT\ ov<P fri ipaair (sc» Mv^mäw^g)
o;f/;fF*fT&\ dliJ iy rrivai ufkaiytimv j^tanaß-at.
Denn hier kann an und für sich fiiyth; und /j^P^^ ebensogut Subjekt
als Objekt zu fj/ijfim£^ai sein und verstattet auch eher die Sprache aus
dem vorausgeilenden tTfiy u^oajvi^g zu den Infinitiven a/Jpm&ai und
maim&m ein Subjekt wie xnvg iJtv^a ioyrctg zu ergänzen. Sehen wir
deshalb von der dritten Stelle als einer zweifelhaften ganz ab, so fragt
es sich nun, ob es überhaupt denkbar ist, dass derselbe Dichter der
gleichen Phrase zwei sich geradezu widersprechende Bedeutungen gegeben
habe. Vom zweiten Teil derselben dürfte man das zur Not zugeben,
da das neutrale Wort tii,7mAai*>«i 'hineinfallen, darauflosstürzen* mit
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)
I
197
gleicheui RecM von den Fliehenden, wie von den Verfolgenden gesagt
werden konnte. Auch stehen in der That der Mehrzahl der Stellen,
wo pf}vmv iuTisaely von den Fliehenden gebraucht ist (^ 311. 823.
Z 8'2 *9. ßl75) einige andere gegenüber, wie N 742 (interpoliert)
und ^/ 297 y wo nur an die eindringenden auf die Schiffe oder die
Reihen der Gegner einstürmenden Feinde gedacht werden kann. Aber
ganz unglaublich ist es, dass derselbe Dichter in der gleichen Verbindung
— denn das fallt besonders ins Gewicht — ax^oeo&ai das eine Mal
im Sinne von 'standhalten, Widerstand leisten^ das andere Mal in dem
entgegengesetzten von 'sich zurückhalten, vom weiteren Vordringen ab-
stehen gebraucht habe ^). Ich erkenne also in der verschiedenen Be-
deutung der Phrase an den beiden Stellen einen Beweis, dass der Ver-
fasser von / und M oder der Gruppe C und F verschieden war. Wollte
aber wirklich der Dichter der Presbeia nach Analogie der Stelle P 637
ZQ oxHOhiu'^ai als Subjekt fifiäg ergänzt wissen, so muss er erst recht
vom Dichter der beiden anderen Stellen verschieden gewesen sein;
denn dann sprachen jene hellenisch, er barbarisch.
Eine ähnliche Bewandtnis hat es mit der doppelten Bedeutung von
nr^fpava^fif'^f^ai in der Beschreibung der Aegis E 739 alyiSa daivfiv rjv
jTf^i UH' ndi'Trj fpoßog iarsipdrcorai und in der Beschreibung des Schildes
des Agamemnon*^ 36 t/J (sc. äaniSi) int /uev logya) ßXoavQäjut; iare-
tfdytDTf}, (hivoy SfQxofxivri, neQl (Ja Jnuoi; rs 4>6ßog re. An der ersten
Stelle nämlich soll oflfenbar gesagt sein, dass der Phobos wie eine Ein-
fassung das Rund des Schildes ringsum begrenzte, an der zweiten hin-
gegen, dasa die Gorgo auf der Mitte des Schildes oder dem Schildbuckel
in getriebener Arbeit wie eine Bekränzimg des Schildschmuckes sich erhob^.
1) Es amd allerdings die beiden Bedeutungen von exofxui nachweisbar, aber doch nur in
verschiedener Umgebung. Denn #'/۩ heisst 'halte stand* in dem Verse aU.' i^fo XQaitQtof, oxQwe
Ji Xaoy anatfTtt U 501 u. P 659, und cx^o heisst *halte ein, lass ab' in der Aufforderung der
Here an HephaiÄtos 0 379 "H(pniati ax^o ziKvop, sowie in den Wendungen eV ^ivt^ ax^io eyxof
H 246, >* 272, if^x^^** <putyij P 696. W 397. Meistens aber ist ^Z^/^"^ in der zweiten Bedeutung
mit einem Genetiv verbunden, wie saxoyro fJtdxns ^ 84 und f^iy^of axn^fo^ai P 504.
2) Franke erklärt die 2. Stelle: *das Bild der Gorgo ging im Kreise umher, d. h. es
Mllte die gan^e Rundung des Schildes'; aber wo sollen dann die beiden andern Figuren, Deimos
und Phobofl angebracht gewesen sein?
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198
Die erste Bedeutung ist leicht verstandlich und stimmt auch mit dem
sonstigen Gebrauch des Wortes aTeq>av6Bad'ai bei Homer, wie 0 153.
-£■ 485. ^ 195, überein; aber die zweite ist so verschwommen und
imklar, dass man sie schwer demselben Dichter, der eben noch so
klar und anschaulich gesprochen hatte, zuschreiben wird. Aber hier
ziehe ich nicht den gleichen Schluss wie oben; denn da die beiden Verse
des 1 1 . Gesanges, wie schon Jacob, Entstehung der Ilias und Odyssee
S. 242 dargethan hat. auch sonst begründeten Anstoss erregen, indem
man sich gar nicht vorstellen kann, wie denn neben den 21 Buckeln
die Figuren der Gorgo, des Deimos und Phobos angebracht gewesen
sein golleuj so scheide ich lieber diiB Verse A 36 — 7 als Interpolation
eines ausschmückenden Nachdichters aus ^).
Bei den letztbehandelten Stellen könnte man ebensogut wie von
verschiedenem Sprachgebrauch auch von ungeschickter Nachahmung
sprechen. In dieser Beziehung begegnen nun zahlreiche Stellen, wo die
gleiche Phrase das eine Mal sachgemäss und zutreffend, das andere Mal
ungeschickt und anstössig angewendet ist. Aber hier thut ganz besondere
Vorsicht not, ehe man sich zum Schlüsse auf verschiedene Verfasser
fortreissen lässt. Vor allem ist an vielen derartigen Stellen der An-
stoss einfach durch Athetese zu entfernen, in der an den meisten schon
Aristarch und die Alexandriner vorangegangen sind. Sodann ist es
doch auch sehr leicht möglich, dass demselben Dichter die gleiche
Wendung bei einem zweiten Fall minder gut glückte, so dass es oft
schwer zu enstscheiden ist, ob wir einen sich unglücklich wiederholenden
Dichter oder einen tölpelhaften Nachdichter vor uns haben. Ich habe
1) Zu dem gleichen AuHkunftsmittel der Athetese griff Aristarch, indem er die Verse «ß 20 — 1
tili TiS-ytiora 7ii(), ntgi 6^ aiyiSa nayra xdXvnrey
^iiVfTitfi, i'yn /uif fAiv dnoS^vq>oi k'kxvataiuty
■wegen der unhomeriaclieu Bodeutung von tKiyig verwarf; und allerdings bezeichnet das Wort sonst
bei Homer eine "W'affe und speziell einen Schild, während in der fraglichen Stelle der Lösung
Hektar« nur an ein um den Körper gewickeltes Fell gedacht werden kann. Das war nun freilich
auüht wie man jetzt allgemein anerkennt, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, aber der alte
Ffomer biit trots;dera dieselbe nicht gekannt. Man könnte also darin leicht ein Anzeichen des
verschiedenen Ursprungs des letzten Gesanges erblicken. Mich macht nur an diesem Schluss die
AV^ahrnehmung irr, dnss nach in der jungen Götterschlacht 4» 400, verglichen mit P 43, tayig einen
Schild bezeTchneti,
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199
in diesem Punkte schon viele Erfahrungen an mir selbst und an anderen
gemacht und weiss, wie oft schliesslich die Entscheidung von dem Urteil
abhängt, das wir aus anderen Gründen über die betreflfende Stelle gefasst
haben. So trete iöh z. B. mit Zuversicht dem Urteil des Aristoteles
poet. 25 bei, dass der Eingang der Doloneia eine ganz schlechte und
unwahre Kopie der ersten Verse des zweiten Gesanges ist und finde
darin nur noch weiter die Ueberlieferung bestätigt, dass die Doloneia
nicht ursprünglich zu den Gesängen der Ilias zählte. Auf der anderen
Seite finde auch ich in Y 445 — 8
dll^ oT€ ^fj t6 TSTaffTor iniaavTo daifioyi laos,
deivä (P oiLtoxkriaag snea nteQoarra 7i()oarjv^a
eine sehr ungeschickte Kopie von E 436 — 9
Tfflg fitv kmiT^ enoQOVOB xaza^czdiutyai fxeysaivtüy,
TQlg de ol iaTV(pi'u'§B (paeiytjy aamiP ^AnoXlxDy.
äXÜ OTB dri To TBxaQzoy ineaavro dai^oyi laog,
deiyd tP ouoxlriaag 7iQooi(pri ixaeQyog jinoiXiay,
entschliesse mich aber doch schwer zum Schlüsse auf Verschiedenheit
des Verfassers^). Freilich ist dieses nicht die einzige Stelle des zweiten
Teiles der Ilias, die nach dieser Richtung Anstoss erregt ; auch die Verse
Y 414 f., Y 495 flf., * 53 f., £1 222 fügen sich an den Originalstellen
J 132 f., A 534 ff., A 403 f., AT 99, B 81 weit besser in den Zusammen-
hang, so dass derjenige, welcher für die Gruppe D einen verschiedenen
Verfasser als für ABC annehmen will, sich nicht ohne Grund auf diese
Stellen wird stützen können^.
1) Mit Ausscheidung des Verses 447, den schon die Alten beanstandeten, ist in unserer
Frage nichts gethan, da dann die Ungeschicklichkeit der Nachahmung noch grösser wird.
2) Eine besondere Gedankenlosigkeit zeigt sich V 413 ff. in der Wiederholung der gleichen
Wendung:
xoy flaXf fABaaoy nxoyu 7io6agxijf 6io^ W/*XXf i/f,
y£xtt napataaoytof, o^* i*uaTfi()os o^iiff
j^Qvaetot avv^xov xai dinXoof riytfto d'tü(}^^.
Denn während in der Originalst^Ie J 132 alles in bester Ordnung Ut, da dort Menelaos von
vom verwundet wird, haben wir in V, wo Polydoros am Rücken getroffen wird, einen reinen
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200
Heteroklita und verschiedene Formen der gleichen Namen:
"Ahcifiog T 392. i2 474. 574 u. 'AhcifiiiJiov IJ 197. P 467,
Xifofnc, B 858 u. X(f6,uiog P 218. 494,
efjßai X 479 u. Orißri A 366. Z 397,
0pi5oc? B 592 u. OQvoBOoa y/ 711,
MvxtivT] ^ 52 . . . u. Mvxfjyai J 376 . . .
«op/a^ E 524, O 171. T 358 u. Bo(f^g I b. V 195.
TQixri, r 202 u. re/;^;??? B 729,
-S'/tJai/fj; ?F 743 u, 2:t(J6vioi Z 289. .^ 84 u. 618.
Wer voreilig im Schliessen ist, möchte hier leicht Anzeichen verschie-
dener Verfasser finden; den Vorsichtigen hält die Beobachtung zurück,
dass auch innerhalb desselben Liedes die Formen -Sapj77?(Toj/o<; und -Sap-
nriSovTog, flajQoxlov und /TarQoxkfjüg wechseln. Nur da wo zur Varietät
des Namens auch noch dio Verschiedenheit der Quantität wie bei JSMreg
V 743, oder der Vorstellung von der Lage des Ortes tritt, ist ein
kühnerer Schluss erlaubt. Das letztere ist aber der Fall bei der Stadt
Phere, dem Sitze des Diokles. Diese Stadt heisst . E 543 4>rj(}i^ und wird
dort mit dem Flusse Alpheios, dem Grossvater des Diokles, in Verbindung
gebracht, woraus man entnehmen darf, dass der Dichter sie bei seiner
mangelhaften Kenntnis des griechischen Festlandes an dem Alpheios in
Arkadien oder Elis gelegen dachte. In / 151 = / 293, sowie in der
Odyssee y 488. o 186 finden wir hingegen den Plural 4>f]()al, und sehen
die Stadt dahin verlegt, wo wir sie in historischer Zeit wiederfinden, an
das Meer zuunterst von Pylos. Die Dichter von E und von / oder
wenigstens die jener beiden Stellen müssen also verschieden gewesen sein.
Vielleicht ist auch noch an einer anderen Stelle mit der Ver-
schiedenheit der grammatischen Determination eine Verschiedenheit der
sachlichen Auffassung verknüpft. In den Versen A 305 f.
wg bnoze vicpea 'Qfipvffog arvcfski^n
d^yenräo voroio ßaß-fifi KaiXant Tvnnur
Unverstand. Indes kann hier, wie ich in meiner Ausgabe gethan, damit geholfen werden, dass
man die Worte «** i'w/rrjpof ox^tg /(n;rT«io# avvfxoy als irrige Interpolation aasscheidet. Auch
die anstössigen Averse am Schlüsse des 20. Gesanges, T 49.0 — 503, sind schon von Früheren und
so auch von mir als int^^rpoliert bezeichnet worden. ,
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201
verbinden nämlich die Herausgeber, offenbar unter dem Eindruck der
Anschauung einer einheitlichen Ilias, d(fyeaTäo voroio mit vicpea. Aber
nimmt man auf die anderen Stellen keine Rücksicht und folgt lediglich
dem sprachUchen Gefühl und der natürlichen Wortstellung, so wird man
weit eher ^^cpvffog mit dem Genetiv varoio verbinden. Dann ist ^e(pv()os
als nomen appellativum im Sinne von ^^Sturmwind^ gefasst und noch nicht
als nomen proprium zur Bezeichnung des Sturmwindes Pfar' iSoxi^y, des
WestwindeSj genommen. Dann tritt aber unsere Stelle in schwer zu
vereinbarenden Gegensatz zu denen, wo ^i(pv()og nicht blos spezielle Be-
deutung angenommen hat, sondern auch schon anderen Winden entgegen-
gestellt wird, insbesondere zu <i^ 334 Zsqyuffow xat dffyearäo Nozoio S^vekXa,
sodann zu / 5. ?F 195. 208. t 332. Doch scheint es mir geratener, der
Stelle durch die in schlechten Handschriften gebotene Umstellung v&(pea
ZtifvfjQ^ aufzuhelfen, und dann eine doppelte Bedeutung von L^ecpvQns ab-
zulehnen*
Sprachliche und sachliche Missverständnisse der Ilias.
Missverständliche Formen bilden eine besondere Klasse sprachlicher
Anstände^ denen mit Recht von den Forschern ein erhöhtes Gewicht bei-
gelegt wird. Sie würden unbedingt Verfasserverschiedenheit beweisen,
wenn man bei Homer absolute sprachliche Vollkommenheit voraussetzen
dürfte. Da aber auch Homer von menschlichen Schwächen nicht frei
zu sprechen ist, so bleibt es in vielen Fällen doch sehr zweifelhaft, ob
die Stelle oder die Partie mit ihrer sprachwidrigen Form nicht zuletzt
doch noch von Homer herrühren könne ^). Ich stelle zunächst einige
leichtere Fälle zusammen.
Der Aorist dlro lautet im Conjunctiv regelmässig alexai. Diese
Form findet sich auch bei Homer A 192 u. 207. Dagegen haben wir
1) Nafcörlich ist die Emendation der Stelle immer der leichtere Weg, und rate ich so dem,
der die Formen dXiiaaSai^ ä(pvaffdufyof, vnat^n (<P 126) beanstandet, uXe^SjLn^ym u. «(fvand/Lnyoc
zn schreiben und sich durch eine gelungene Verbesserung von * 126 einen besseren Lorbeer zu
holen als durch Einfallen in den Chorus der Liedertheoretiker. Auch O 645 «V tt<sni6og ät^rvyi
Titilti) möchte ich lieber die Variante <?Är« mit entschuldbarem Hiatus billigen oder durch Con-
jectur aftvy dvdXto herstellen, als eine missvei-ständliche Auffassung von BnaXio als augmentierter
Aorist annehmen.
Abb. d. L Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVIL Bd. L Abth. 26
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202
* 536 äüdux ya^f tn) ovlog fivrj(ß *x; zil^og akfjrai einen falsch ge-
bildeten Conjunctiv äktifai, der obendrein, da kurz zuvor im Vers 534
avzäij insi ^ ig rir/o^ ayanrivamatv alt y reg vorauggeht, auf einer Ver-
wechselung der Wörter ifalrj und alro zu beruhen scheint* Der gerade
umgekehrte Fall liegt M 42 vor, wo sich der falsche Conjunctiv ai^^ip^zm
statt des sprach richtigen tn^iipritm eingeschlichen hat
gtibIq In dem Vers Ä' 285 anüo fiioi, mg qtb nar^l äfj^ innm Tv9it
Sim erregt in doppelter Beziehung Anstoss, einmal, weil die Endung der
2. Person des Imperativs boo m^ nicht fio lautete, sodann weil ianofiTpf
aus a^as7i6fif]p entstanden zu sein scheint und demnach das anlautende i
auch in den Nebemnodis beibehalten musste. Der aswelte Anstoes ist nicht
stichhaltig, da sich überall bei Homer die Formen onho&m anouBvoi;
durch andere Wortteiluug herstellen lassen j so dass wahrscheinlich auch
im Indikativ Homer i(r7jr\ut}v und nicht ianofiTjy sprach. Aber das falsche
ew zu gebrauchen Hess sich der Dichter der Doloneia durch die Ana-
logie von alSetü 11 503. i 269 verführen, das selbst indes richtig aus
aldmto gebildet war.
ioi statt m steht ausser in der Telemachie fJ 38 nur in JV 495 und
ie statt y nur 1 171 i2 134. Der erste Vers A^495 ist mit Recht von
Fried länder und Nauck als spurius notiert worden, die beiden anderen
Verse der Ilias gehören zu den entschieden jüngsten Partien des Gedichtes.
In der That scheint hier eine falsche, kaum dem echten Homer zuzu-
trauende Analogiebildung vorzuliegen, indem der Nach dichter das t von
m als euphonischen Vorschlag fasste, während es bekanntlich gerade so
wie in aio und i^io^ aus üh-io und ifiF-io, thematischer Vokal ist.
TBolo statt Tta in f-/ 37 ing firi Jiapr&i; bkuivrai udvana^iivoio rmXo
igt eine Missgeburt, entstanden aus der Confundierung des Pronomen
peröonale mit dem Pronomen possessiv um, die allerdings auch in dem
lateinischen mei, nostri und im deutschen Genetiv 'meiner, unser' des
Personalpronomens vorliegt, von der sich aber bei Homer sonst nirgends
eine Spur tindet.
Uu] statt tot nach der Analogie von tirj und IbIti findet sich nur
in dem auch aus anderen Gründen als Machwerk eines stümperhaften
Nachdichters anerkannten 19. Gesang 7' 209 n^Av Ö' ov jiaig ar ifioi
yi ipiXuv xiizä Xatum^ uiri.
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203
x()dTfn(pt K 156, gebildet nach der falschen Analogie von arij&ia^i
ÖQsacpi, in denen eo zum Thema gehört, nicht Genetivendung ist.
a^Bod-er ungebräuchlicher Aor. pass. von eXofiai 0 74, oder wenn
man die Lesart h^ia&riv vorzieht, unstatthafter Gebrauch des Dual
vnviuovTB^ £1 344, sowie in der Odyssee f 48 u. ü> 4, statt imroovjfi;
falschlich gebildet nach der nicht zutreflfenden Analogie von lii^Aümi'Tfri;
und fißu)ovrBg. Die falsche Bildung hat indes ihre Entschuldigung an der
Versnot da vTiyoovTsg — ^ nicht in den daktylischen Hexameter am
bringen war.
''/kiogj regelmässig bei Homer B^emininum, ist als Neutrum nach
späterem Sprachgebrauch behandelt in der Verbindung Tiiov aluv 0 71.
Damit fällt aber nicht der ganze Gesang, sondern ist nur ein weiteres
sprachliches Motiv für die Unechtheit der Stelle 0 63 — 77 gewonnen.
JagSavitoveg // 414 u. 0 154 ist eine falsche Bildung statt des
sonst üblichen Jagdavoi, Die Bildung ist falsch, weil sie die Abstaniniung
der Dardaner von einem Ahnherrn Ja{}davog voraussetzt. Ein solcher
findet sich nun allerdings auch in der jungen Aeneasepisode J' 215 an-
genommen; aber der alte, den älteren Gesängen der Ilias allein geläufige
Namen des Volkes JagSaroi weiss oflfenbar von einem solchen Ahn*
herrn nichts.
trig in dem Vers A7 208
(pvXonii^og jueya BQyov, erjg tu 7i()iy y h{faao^B
ist eine entschieden falsche Bildung für rig. Veranlasst ist dieselbe durch
die Form des Masculinums oov; aber Homer selbst hat, wie zuerst
Buttmann Griech. Gramm. I 299 nachgewiesen hat, nie ooi> gebraucht^
dasselbe ist erst durch eine missverständliche Aenderung des ursprüng-
lichen Halbverses oo xUog ov nm oktTrai in den Text gekommen. Aber
so gewiss auch trjg falsch gebildet ist und nicht vom alten Homer her-
rühren kann, so wenig ist doch damit ein Beweis für verschiedene Ver-
fasser der Bücher fi und /7 geliefert. Vielmehr kann jener Vers zugleich
mit den Versen 77 200 — 210 noch recht gut zu dem Verzeichnis der
Schiffe der Myrmidonen (77 168 — 199) gezogen werden, das erwt später
in die alte Ilias eingelegt wurde.
Die überlieferte Lesart in /' 3
t]vTf ne{) xXayyt] yf()ayü}r ntUi ovffavm^i tiqo
20*
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204
beruht auf einem alten Irrtum; 7?po, das nur den Genetiv bei sich hat,
konnte unter keiner Bedingung mit einem den lokativen Dativ ver-
tretenen Adverbium auf d^i verbunden werden. Der treffliche Ahrens
hat in einem berühmten Aufsatz des Rheinischen Museums II, 166 ff. den
eingerosteten Fehler dadurch beseitigt, dass er das einzig in den Zu-
sammenhang passende Adverbium ngci herstellte. In den sachlichen
Zusammenhang der Stelle passt dasselbe vortrefflich, da der Vers
mit seinem rückbezüglichen oQa eine vorausgehende Erwähnung des
Morgens (ji^jcü und i)tQiai) fast geradezu erheischt. Die falsche Lesart
ovQayod-i TiQo, die in allen unseren Handschriften ohne Variante steht,
stammt aber nicht erst aus der Zeit der Abschreiber oder des Pisi-
stratus, sie schwebte bereits den Nachahmern vor, wenn sie 0 561.
K 12. N 349. .^ 581
TQioo)v xaiovTVDV nvQa (paivero ^/lioß-i ngo'
ß-av/iiaQey nvQO. noXkd, rä xaUio ^/lioß-i n()(r
rid-eXe laoy uleod-ai *Ax(xuxoy ^IXiod-i tiqo'
fi T£j; TOL xal JiTjög äniipd-iTo UXio&i tiqo
nach dem falschen ovQayo&i /ipo oder nach dem gleichfalls verderbten
r)ü)&i n{}6 A 50') ein ^Ihod-i n^fo bildeten, in dem nun nicht mehr
durch blosse Aenderung von tiqo in ^pco das Richtige hergestellt werden
kann. Freilich hat auch dieses U'uo&t tjqo Ahrens durch die Aenderung
^lUoo 7i()6 in Einklang mit der Grammatik zu setzen gesucht, aber das
heisst, fürchte ich, nicht die Abschreiber, sondern den Dichter selbst
korrigieren. Rührt aber die Phrase 'Ihod-i tiqo von dem Verfasser jener
Verse selbst her, so folgt daraus, dass jene Verse und somit die Gruppe F
und die interpolierte Stelle in A^345 — 360 von einen anderen Dichter als
die Gruppe B oder A B C D herrührt.
Der Dichter der Hoplopoiie lässt, nachdem er zuvor verschiedene
Metalle, Erz, Zinn, Gold, Silber, in den Schmelzofen gethan, den Schild
aus 5 Lagen mit buntem Zierwerk bestehen -2* 481 f.
1) Auch in jenem riw^i ngo A 50. iT 36. f 469 ist zweifellos tiqö in n^tä zu bessern, zweifel-
haft ist es mir nur, ob nicht auch noch ijw^/ in nw^fv zu korrigieren ist.
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205
TifVTB (T ap' avjüv eaay oaAfog nrv/jg' ama^ ii^ avrt^
Er dachte sich dabei offenbar, auch wenn die Detailbeschreibung der
Kunstwerke nicht von ihm selbst herrühren sollte, das Golcl und Silber
zu jenen üaitJala noXla verwendet, zumal er auch nur 4 Metalle nennt^
aber von 5 Schildlagen spricht. Anders dachte sich die Sache der Dichter
der Verse Y 270 — 2
JifFTf JiTi/ag ijkaae xvXXtmoSiojy^
- rag Svo y^ahcua^^ dvo (5" er()W}i xaaair t^ow^
P r^y ^^ ulav /jivafrjv' rji (** w^^^o fiiLktvuv e)^/Oi,\
Das ist doch ein oflfenbares, grelles Missverständnis, hervorgerufen
durch den Vers ou ^fi§i adxog' xQ'^^^ Y^^9 hi^vKa>t(^ Juupa xf-tolo. Ich
halte es daher für ausgemacht, dass jene Verse nicht von dem
Dichter der Hoplopoiie herrühren können. Aber daraus kann man noch
nicht auf verschiedene Verfasser der Hoplopoiie und der Aeneasepisode
Bchliessen, da sich einfacher mit Ausscheidung der Verse V 2G9 — 272
helfen lässt*)
Ich spiele den letzten und Haupttrumpf aus: im Eingang der Maxt}
Tia^ßanordiLiiag 4> 1 — 7 heisst es
^Xk^ 07 B J17 noffor l^ov iVQQthog Jiorafxoio
^ayß-üv divri€%'xog, ov d&m^arog rixtro %ev^j
tr&a {^lartifj^ag jovg fihv nt^iovSs tJtioxi}'
ngog naliy^ t) 7i€() ^Axociol fizvQoiiwot fpoßhovtu
fjfiati^ T(p 7i(}0ie(}(p, 0T6 ju^aiy^To (paiJtfiog 'Exiiu^'
TfJ ^* oV y'i n^ox^ovTO n^pv^orBg* ^uiahg Jt
€<r nmaßby hlXsvvro ßa&iJQ^fmv c(Qyv(}Offlrf]v,
Man erklärt die Stelle gewöhnlich soj dass man einen Teil der von
links kommenden Troer über die Furt hindurch auf das jenseitige Ufer
nach der Stadt gelangen lässt, während die anderen oberhalb od^r unter-
halb der Furt in den Fluss hineingedrängt worden seien. Man läset sich
1) Kiene, die KompoMitioB der Ilias S. 241. nljnmt auch daniti keinen Anatoaet aber wer
«ich erlaubt, ohne d&üa irgend eine Handhabe Toni Dichter gejjeben sei, drei Metall a^en aich
decken, 7Mei »i«h verengtem %u lassen, wird mit allen Hchwiengkeiten leicht fertig werden-
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206 ^
zu dieser Noterklärung verleiten, \veil unten * 245 Achill, um die
fliehenden Troer zu verfolgen, auf das andere Ufer übersetzt Aber von
einem oberhalb oder unterhalb ist nicht ein Sterbenswörtchen im Text«
zu lesen, und Lykaon müaste geradezu allen Verstand verloren gehabt
haben, wenn er statt aus dem Flusse in der Richtung der Stadt ost-
wärts zu fliehen, westwärts auf dem linken Flussufer dem Achill in die
Arme gelaufen wäre. Nein, so widersinnig kann Homer die Dinge nicht ge-
schildert haben. Denken wir uns aber einmal alles nach dem Verse * 227
äi^ ilTimv T^iüeaoty inwnvro ämpovi (ooc; weg, so kommen die Troer, indem
sie auf dem rechten Ufer, wo sich der Dichter von ./ 498 a fi 355 das
Lager der Achaer zugleich und die Stadt des Priamos daclite, vor dem
grimmen Achill fliehend zur Furt des Skamander und teilen sich hier
so, dass die einen auf demselben Ufer weiter der Stadt zu fliehen, die
andern sich in den reissenden Fluss zur Rechten drängen lassen. Das
gibt eine einfache und klare Vorstellung, die wir ohne Zaudern dem
alten Dichter des Flusskampfes beilegen ilürfen. Die Verwirrung kam
dann erst durch <len Fortsetzer in unsere Uias, indem derselbe von der
falschen Ansicht ausging, dass der Skamander zwischen dem Lager uml
der Stadt fliesse, so dass er dann naturgemäss auch den Achill erst von
dem einen Ufer des Flusses auf das andere übersetzen liess.*)
Zu den drei bis jetzt erörterten Klassen von Beweisen kämen nun
in vierter Linie noch jene, welche auf die Störungen im Plane der Ilia?;
und die Dissonanzen zwischen den einzelnen Teilen basieren. Aber so
anziehend auch an und für sich die Besprechung dieses Punktes wäre, so
Hesse sich doch von derselben kaum ein Druck auf die Meinungen der
Gegner erwarten* Es gehen eben die Anschauungen der Leute über das-
jenige, was man dem Dichter in dieser Beziehung nachsehen dürfe und
1) Dieweti Hauptpunkt, die vergeh iecJene Vorfiti?lliiTig von dem Laufe cle«? Bkiiniaßfier im Ver-
hältnb zu «lern Lager und der Stiidt, hu he ich zuerst entdeckt und eingehend besrp pochen in der
Abhandlunjf, Die Hvichlichen Widersprüche der Uiiia, in Sitzuogftbericht der b. Akad. 1881, Öd. H
S. 130 ff,, und finde keinen Grund ir|,jeud etflran ^egenHber dem wohlfeilen 8keptifi«mus toji
Hercher, Die homerische Ebene fon Troja* und Wold. Ribl»eck, Rhein. Mus XXXV. ßl4
zurÜckzuneJimen. Nur so viel sei hier nodi zur Sache bemerkt, da^a die mit dem Eingang de^
2L Buche« übereinstimmenden Verae der Jto^ ämliii E 4ii3— 4 nicht mit gleicher Sicherheit fQr
die Annahme verschiedener Verfasser verwertet werden können, da hier der Dichter den Hektur
nur ohne Not zur Hechten abbiegen, nicht eine volle Verkehrtheit thun lii^'^t.
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207
müsse, zu weit auseinander. Ich selbst bin ini Hinblick auf die Ent-
stehungsweise des alten Epos von der Rigorosität der Liedertheoretiker
weit entfernt, habe aber doch auch nicht den guten, alles verdauenden
Magen der ünitarier. So stimme ich, um wenigstens einen Punkt zu
erwähnen, unbedingt Kammer bei, wenn er in dem zweiten Hefte seiner
Studien zur homerischen Frage behauptet, dass die ganz verschiedene
Zeichnung des Achill in der matten Aeneasepisode Y 79 — 352 nicht
von demselben Dichter herrühren könne, der in den übrigen Partien
der Dias den Achill so grossartig gezeichnet hatte, wie er nach dem
Tode seines Freundes Patroklos gleich einem alles niederwerfenden er-
barmungslosen Dämon auf die Troer sich stürtzte.
Fassen wir schliesslich die besprochenen Momente zusammen, so
gehen daraus zwei Sätze mit Sicherheit hervor, erstens dass eine nicht
unerhebliche Anzahl von Versen und Verspartien erst in späterer Zeit
von unverständigen, die Verse des Homer zum Teil missverstehenden
Homeriden oder Rhapsoden hinzugefügt wurde, zweitens dass die von
mir in meiner Ausgabe kleingedruckten Gesänge, oder die Gruppen F G
H I einen anderen Dichter zum Verfasser haben als die alte Ilias oder
die Gruppen A B C D.
Reichen wir nun etwa, wenn wir die kleineren Interpolationen oder
die Gruppe I ganz bei Seite lassen, mit zwei Dichtern aus? Das nicht, da
nichts uns nötigt für sämtliche Partien der Gruppen F G H den gleichen
Verfasser anzunehmen, es vielmehr von vornherein weit wahrscheinlicher
ist, dass von den episodenartigen Zusätzen der eine von diesem, der andere
von jenem Homeriden zugefügt worden sei. Wer wollte z. ß. auch dem
trockenen phantasielosen Schiffskatalog denselben Verfasser geben wie der
lebhaften gehobenen Schilderung von den Leichenspielen des Patroklos?
Aber auch von den in Ton und Sprache sich näherstehenden Partien rühren
mehrere nachgewiesener Massen von verschiedenen Verfassern her, wie
die Phönixepisode von einem anderen Dichter gedichtet ist als der Kern
des 9. Buches, und die Doloneia sich nicht bloss nicht an den Schluss des
vorausgehenden Buches anschliesst, sondern auch mehrere sprachliche Be-
sonderheiten hat. Wir nehmen also als drittes Resultat unserer Unter-
suchung an, dass die kleingedruckten Partien unserer Ausgabe oder die
Gesänge der Gruppen F G H nicht alle von dem gleichen Autor herrühren.
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208
Aber wie steht es nun mit der ersten Hauptpartie oder mit den
Gruppen A B C D E? Können wir diese alle ein und demselben Dichter,
oder mit anderen Worten dem einen Vater Homeros beilegen? Vieles
spricht dafür, nicht am mindesten die gleiche Höhe der Kunstvollendung
von Liedern einer jeden dieser vier Gruppen, Auch kann man nach dem
Gesagten über die erhobenen Einwände hinwegkommen^ wenn man sich teils
lieber zur Athetese einzelner widerstrebender Verse als zur Ausscheidung
ganzer Lieder versteht, teils dem Dichter eine grössere Freiheit in der An-
einanderreihung der einzelnen Lieder und in der nachträglichen Erweiterung
des miäprimglichen Planes zugesteht Aber auf der anderen Seite wird die
Vermengung der beiden Lykier und die willkürliche Abbeugmig voni ge-
raden Wege zur Furt des S kam ander in Z 433 f. und ^ 1 f . den Gegnern
der Einheit eine gewichtige Handhabe bieteUy und wird überdies der Ver-
teidiger des zweiten Teiles der Ilias oder der Gruppe D keinen leichten
Stand gegenüber denjenigen haben, welche einzelne unleugbare Schwächen
dieser Partie betonen. Insbesondere aber können, und ich fürchte mit
Erfolg, beim letzten Gesang, oder der Partie E. die groiiisen Ueberein*
Stimmungen mit Versen der Odyssee und junger Einlagen der Ilias, sowie
die zwei drei sprai' blichen Miss Verständnisse gegen die Annahme aus-
gebeutet werden^ dass der Schluss der Ili^ noch vom Dichter des alten
Kernes derselben herrühre. Doch über diese Punkte wird wohl die fort-
gesetzte Forschung der Zukunft noch sicherere Aufschlüsse bringen- vorerst
wird es immerhin ein Gewinn meiner Arbeit seinj die homerische Frage
über den Standpunkt der Lach mannischen Lieder theorie und die vage
Unbestimmtheit der Wol fischen Hypothese erhoben zu haben.
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tm
N a c h t r ä g: e.
Nachträglich stiess ich bei der Lektüre von Wilaiii ö w itz' Buch
über Antigonoa von Karystos, Philol Untersuchungen IV^ 166, auf die
Bemerkung, daes dem Verfasser des Wunderbuches, Antigouos, Homer noch
der Dichter der Thebais und des Herrn eshymnos ist. Der scharfsinnige
Forscher hatte hier zweifelsohne von des Antigonoa iaroi}im¥ na^ad'/t^iny
avvaymyr^ die Absätze 7 und 25 im Auge. An der ersteren Stelle wird
Homer, der hier, wie noch zweimal in dem Büchlein, kurzweg omnrßrji; heiset^
als Verfasser des Hymnus auf Hermes V. 51 aufgeführt-; an der zweiten
wird ihm der Vers novXvnodogy co j^zvov, üy^mv er ar/iif^mt &vfioy zolaiv
B(pa(jiioi^Hy beigelegt, der, wie bereits Welker Ep, CycL II 346 erkannt,
in neuerer Zeit aber weder Kinkel noch Keller bemerkt hat, aus der
kyklischen Thebais, und zwar aus dem ersten Gesang oder der ^Aiufta^^m
i^elaoia ig &^ßag stammt. Die Saclie hat für unseren Gegenstand^ ins-
besondere für das auf S. 124 — 6 Bemerkte insofern eine Bedeutung, als
man daraus sieht, dass erst Aristarch den Namen Homer bestimmt auf
die zwei Werke, Ilias und Odyssee beschränkte, und dass noch ein
Menschenalter vor ihm ein hervorragender Pergamener die Hymnen und
die Thebais dem Homer zuzuschreiben kein Bedenken trug. Ich füge
daran noch die Beobachtung, dass wenn nun auch noch Properzi wie
Welcker Ep, Cycl. I 188 aus eleg. I, 7, 1 ff. und III, 33, 45 mit Recht
entnahm, dem Homer die Thebais zuschrieb, und Suidas oder Hesychiua
von Müet geradeso wie Pseudoherodot unter den Schriften Homers
i^^ipid{j€at ji tijy B§ei,aaiav ttjv ig Or^ßag icat rovg vuvovg rovg ig S-Eovg
jj€7ioiri^in^ovg aufführt, man darin einen Fingerzeig zur Auffindung der
Quelle der Literaturkenntnisse jener Männer erhält. Und zwar dürfte
es nach dem, was wir in neuerer Zeit über die Lehrmeister der Römer
in der Grammatik und den Ursprung des literarischen Kanon erfahnm
haben, nicht befremden, wenn der römische Elegiker Properz in seinen
Angaben über Homers Werke mit dem Pergamener Antigonos zusammen-
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. n
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210
stimmt. Für den Artikel Suidas weiss ich vorerst nicht mit gleicher
Bestimmtheit eine pergamenische Quelle anzugeben; ob nicht Artemon
aus Klazomenai, dessen ßiog \)fi^Qov citiert wird, dem Kreise der Perga-
mener angehörte?
Auch erst in den letzten Wochen kam ich dazu, zu meiner Schande
sei es gestanden, die Abhandlung Robert's Bild und Lied im 5. Heft
der Philologischen Untersuchungen zu lesen, die sich vielfach mit den
Dingen berührt, die ich in meinem Aufsatz, Zur Chronologie des alt-
griechischen Epos, Stzgsb. d. Akad. 1884 S. 1 ff., behandelt habe. Ich
erwähne dieses indes nicht, um die dort vorgetragenen Resultate meiner
Untersuchungen zurückzunehmen oder zu modificieren; wohl aber sehe
ich voraus, dass meine Darlegungen keinen Glauben in den Kreisen zu
erhoffen haben, die sich über die literarischen Ueberlieferungen der
jüngeren Grammatiker als Legenden und lediglich aus Compendien und
Hypotheseis geschöpfte Afterweisheit leichten Fusses hinwegsetzen. Aber
was bleibt uns noch von sicherem Boden, wenn man den Lesches, den
Sohn des Aischylinos aus der Stadt Pyrrha auf Lesbos, für ein aus den
in der Ifoxv erzählten Fabeln abstrahiertes Gebilde des Lokalpatriotismus
(S. 227) erklärt, wenn man aus Dionysios arch. I 69, wo der Aithiopis
auch nicht einmal andeutungsweise gedacht ist, sich Schlüsse über den
wirklichen, von den Grammatikern verstümmelten Inhalt der Aithiopis
des Arktinos erlaubt (S. 223), wenn die Uebereinstimmungen der Odyssee
mit den Nostoi auf Amalgamierung des Auszugs der Nostoi und der er-
haltenen Erzählung der Odyssee zurückgeführt werden (S. 247)? Behaupten
freilich lässt sich dieses alles; aber bevor die Ueberlieferung nicht durch
strenge Beweisführung widerlegt wird, verbleibe ich bei den Funda-
menten unserer Wissenschaft und überlasse andern den Glauben an ihre
Phantasien.
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Die römischen Grenzlager
m
Passau, Künzing, Wischelburg und Straubing.
Von
F. Ohlenschlager.
(Mit einer Tatel.)
Abb. d. I. Cl. d. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. I. Abth. 28
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Wenn trotz einer ziemlich umfangreichen Literatur über die römischen
Anlagen in Bi^rem Herr Oberst v. Cohausen, der Altmeister in der Kunde
römischer Befestigungen in Deutschland, gelegentlich der Anthropologen-
versammlung in Trier ^) die Aeusserung thun konnte, „auf der ganzen Länge
des rätischen Limes sind bis jetzt keine Castelle nachgewiesen, wie sie
der rheinische in grosser Regelmässigkeit aufweist. Die Namen der wahr-
scheinlichen castra stativa und anderer der Form nach für römische An-
lagen gehaltenen Orte gehören Plätzen an, welche 2V2, 4 bis 12 und
13 km hinter dem Limes liegen, also nicht zur unmittelbaren Besatzung
des Limes gedient haben können", so musste mir dies den Gedanken auf-
drängen, dass die Arbeiten der bayerischen Forscher auf diesem Gebiete
nach aussen nicht genügend bekannt seien und die gelegentlichen in der
Tagesliteratur eingestreuten Erklärungsversuche römischer Oertlichkeiten
überzeugten mich, dass auch im Lande selbst, sogar unzweifelhafte Er-
gebnisse der neueren und zum Teil auch der älteren Forschung noch
gänzlich übersehen werden.
Es scheint mir deshalb notwendig, zunächst alles, was über die Haupt-
plätze der römischen Provinz, d. h. die grösseren Lagerstellen an der
Grenze bis jetzt sich feststellen Hess, mit Uebergehung der durch neuere
Funde endgiltig beseitigten Streitpunkte kurz zusammenzufassen und damit
die Lokalforscher der Mühe zu überheben, dass sie sich durch eine ziemlich
zerstreute oder auch schwer erreichbare Literatur durcharbeiten müssen.
1) Correspondenzblatt f. Anthropologie 1883. S. 12^<. Spalte 1.
2s^
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214
Ueberdies sind im Laufe der Jahre einzelne Berichte und Pläne in
meine Hände gekommen, die zum Teil unvollständig, zum Teil gar nicht
bekannt sind und doch zur Klärung und Erklärung der Oertlichkeiten
nicht wenig beitragen. Ich gerate dabei zunächst auf ein Gebiet, welches
ich nicht wie einen grossen Teil der römischen bayerischen Provinz aus
längerer eigener Anschauung kenne, doch würde ich durch blossen Augen-
schein auch bei längerem Aufenthalt nicht zu viel anderen Ergebnissen
gekommen sein, denn nur die Aufgrabung kann uns diesen neuen Stoff
liefern und wird es auch sicher thun und gerade solchen Untereuchungen
vorzuarbeiten und bei einzelnen an den verschiedenen geschichtlich wich-
tigen Plätzen wohnenden Liebhabern die Lust zur Durchforschung der-
selben zu erwecken, ist einer der vornehmsten Zwecke vorliegender
Arbeit. Ermutigend wirkt dabei in erster Linie das Beispiel des Herrn
Kreisrichter Conrady in Miltenberg, welchem wir die Aufdeckung des
römischen Lagers daselbst verdanken und der nun um dessen Zweck
und Zusammenhang mit den übrigen Römerspuren der Umgegend zu
erklären auf Grund von Berechnungen, alten Sagen und der wenigen
bekannt gewordenen Mauerreste im Boden, von Walldürn angefangen bis
zum Miltenberger Lager den Zug des Grenzwalls durch Aufgrabung von
etwa 20 Wachhäusern feststellte und neuerdings auch von den Lagern
zu Wörth, Trennfurt und Obernburg die Grundmauern aufzufinden wusste,
obwohl diese an der Oberfläche auch nicht im Geringsten mehr sicht-
bar waren.
Ferner der Vorgang des Herrn Pfarrer Schreiner in Eining, dessen
erfolgreichen Thätigkeit im Ausgraben wir die Feststellung der römischen
Station Abusina verdanken, sowie des Herrn Hauptmann Wimmer, welcher
die römische Besatzung von Straubing und römische Bauten daselbst er-
mittelte.
Die Feststellung auch nur eines einzelnen Punktes hat in der Regel
schon den praktischen Erfolg, dass auch die Auffindung der benachbarten
Punkte erleichtert und ermöglicht wird; so ist neuerdings durch Heri'n
Dr. Eidam in Gunzenhausen ein Teil der Mauer des römischen Lagers
von Theilenhofen aufgedeckt worden und die in Folge dessen auf meinen
Vorschlag erfolgte Untersuchung des Kastenfeldes bei Gnotsheim hat be-
reits auch dort das Vorhandensein einer Lagermauer ergeben.
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215
Nur durch solche Untersuchungen lassen sich die sehr dürftig
fliessenden Quellen aus dem Altertum ergänzen und die Lösung der
Widersprüche anbahnen, welche zwischen den einzelnen Ueberiieferungen
vorbanden sind und die zu end- und ergebnisslosen Federkriegen führen
und geführt haben, bis man durch zufällige oder beaböichtigte Funde
neue und unangreifbare Gründe ins Treffen fähren konnte.
Bis jetzt hatte man sich fast überall und auch in unserem Laude
damit begnügt zufällig aufgefundenes weiter zu untersuchen und auch das
geschah nur in wenigen Fällen aus Mangel eines Landesconflervatoriuuis;
allein selbst, wenn man alle zufälligen Funde verfolgt hätte, würde tües
zwar unser Wissen bedeutend bereichert, unsere Saniuilungen bedeutend
vermehrt haben, aber zu einem abgerundeten, befriedigenden Wissen wären
wir auch dann nicht gekommen. Es genügt nicht, dass wir die Funde
an uns herantreten lassen, wir müssen vielmehr dieselben in ihrer Ver-
borgenheit aufsuchen, sie zwingen ans Tageslicht zu treten und uns über
ihre Zeit zu belehren. Der Mangel eines derartit^en Vorgehens hat denn
auch die Folge gehabt, dass wir über manche Strecken bis lieute noch
nichts besseres wissen als vor 50 Jahren, ja dass manche der damaligen
Errungenschaften ganz der Vergessenheit anheimgefallen sind,
Oeötatten Sie mir also, dass ich den Versucli mache, die Aufmerk-
samkeit auf einzelne höchst wichtige Punkte zu lenken , dtimit so in
deren Bewohnern oder Nachbarn vielleicht die Neigung erwacht diese
Plätze zu untersuchen und dadurch der Forschung neue Quellen xu er-
echlieseen und neuen Stoff zuzuführen.
Batavis und Boiodurum. ^}
Nirgends stellen sich der Bestimmung alter Oertlichkeiten so grosse
Schwierigkeiten entgegen als an denjenigen Plätzen, wo eine fortdauernde
1) Bataviä schreibt die Notitia. Batiibis appeUabatur op]jidum, — öppidum Batabinunn
Engippiuä in der vita S. Severini. Der Lokativ (?) Batavis wurde alöo in noiiiiiLati vis eher Weise ak
Ortenumf?n gebraucht, während der Nominativ ursprünglich der Volksnaiüe Bat^avi gewesen zu sein
Beheint; wäre Caatm zu ergänzen, so würde wahrscheinlich Castni BfttüTina ku lesen sein, denn
diese Form des At^jektivs wird von Eugippius, der die gebräuchliche Form noch recht ^ut gehört
haben konnte, ständig angewendet.
In der Notitia dignitatum erscheint Batavis ohne Castra depictii; auch ßoioduruni ijst mit
einer solelien Ahildung nicht bedacht.
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216
Besiedelung die alten Spuren oft bis zur Unkenntlichkeit verwischte, wie
z. B. in Augsburg, Regensburg und Passau und gleichzeitig die jetzige
Ueberbauung eine gewünschte Untersuchung entweder ganz unmöglich
macht oder nur an ganz kleinen unzusammenhängenden Plätzen und da
oft nur in weit auseinander liegenden Zeiten gestattet, derart, dass die
Erinnerung an die früheren Ergebnisse ganz erloschen oder bis zur Un-
kenntlichkeit entstellt ist.
Wo dann noch der Zeiten Not und Bedrängnis, Brand, Eroberungen,
Wasserfluten u. dgl. mehrmals grosse Verheerungen anrichteten, und bei
Wiederherstellung der Kirchen und Wohnstätten ohne Schonung alles
vorhandene Baumaterial benützt werden musste, um möglichst rasch den
Schaden wieder gut zu machen, da finden sich solche Reste alter Mauern
und Grundbauten nur in so geringer Ausdehnung, dass eine deutliche
Darstellung des ältesten Zustand es fast unmöglich scheint.
Am schwersten werden diese Uebelstände empfunden an denjenigea
Orten, wo die natürliche Lage und Beschaffenheit den alten, wie den
neuen Wohnstätten nur einen beschränkten, schwer überschreitbaren Kaum
zuwies und jeder Neubau den Untergang älterer Bauwerke mit Not-
wendigkeit voraussetzt.
Diese Schwierigkeiten zeigen sich alle in vollem Masse, wenn es sich
darum handelt, Stelle und Umfang der römischen Befestigungen und Wohn-
stätten in und bei Passau nachzuweisen^), aber gerade deswegen dürfte es
angezeigt sein, die jetzt vorliegenden Nachrichten über dieselben zusamiiien-
zustellen, um sie dann als die Grundlage für weitere Untersuchungen zu
benützen.
Die Stelle, wo der rasche Inn seine grünen Wellen mit der Donau ver-
einigt, während von Norden her die dunkeln Wasser der Hz dem mäch-
tigen Strome zueilen, scheint sich im Laufe der letzten zwei Jahrtausende in
ihren Umrissen nur wenig verändert zu haben und die kräftigen Fel&massen,
welche die Ufer bilden, haben mit wenig anderem Aussehen wohl schon
zur Römerzeit sich im Flusse gespiegelt. Die malerisch schöne Lage
der Landzunge, auf welcher das heutige Passau erbaut ist^)j gleich ge-
1) Siehe Erhard Dr. Kleine Beiträge z. älteren Gesch. Topog^r. vi. J^tutiritik d. 8tadt PasRaiv
in den Verhandl. d. hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. IV (1855) S. *^Q.
2) Waither in seiner topischen Geographie von Bayern 8ap:t Seit« 12-^: ,Passuu findet in
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•217
eignet zu raschem Verkehr auf den drei Flüssen, wie zu einem sicherBii
schwer angreifbaren Zufluchtsort, hat sicher schon in sehr früher Zeit
Ansiedler hiehergelockt und manches Fundstück deutet auf vorrömische
Bewohner^), ja selbst der Name Boiodurum^ schoiu welchen die Römer
für ihre am rechten Innufer gelegene Befestigung beibehielten, ijelehrt
uus, dass eine mit diesem Namen versehene Ansiedelung von ihnen bereite
vorgefunden wurde.
Schwerlich blieb der wichtige Uebergang über den Inn, welcher einen
Teil der grossen Donaugrenzstrasse bildete, lange Zeit von den Uöniern
unbesetzt und ebenso sicher dürfen wir annehmen^ dass die beiden
Enden des Flussüberganges sofort von ihnen befestigt und standig be-
wacht wurden.
Gleichwohl erscheint auf der ältesten Urkunde über diese Gegend,
in welcher man das Vorkommen beider Orte ei warten sollte, nämlich
in der Tabula Peutingeriana, nur das Castellum Boiodurum^)^ nicht aber
Batavis, ebenso nennt das Itinerarium Antonini auf der Strecke von
Deutschland nur eine Stadt ihres Gleichen, welche die drei Plü<ijäü und den Thafkefisel mitten im
Gebirgsdurchbruche und die Bergfeste mit ihr gemein bat: Pasaa.« i^t nämlich d^vs Don !iu-Cob lenz,
(Confluens wie das rheinische). Wer die „ewigen* Städte in DeutschLtad kennen vr'iii^ darf nur die
Peutingeriana nachschlagen ; jene Römer haben die Punkte ausersebön, aie, deren Niwiie noch nacli
sswei Jahrtausenden ihrer Niederlage in unserer Geschichte, in unserer Tüpographie fortberricht.*
1) Drei Kelte von Bronze, in Passau auf der Donauseite ^»ei Anlage einer Wii^t^erleitüng
gefunden, befinden sich in der Sammlung des historischen Vereinte för NiGderbayern tai LajidaLtut
(siehe Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem V. (1856) S. 297 n, *itU), ebenso eine schöngcritfeltf?
Schwertspitze und ein Hohlkeit von Bronze, gefunden bei Kanal iaieranR' der Stadt Passau 1857.
(a. a. 0. S. 297 n. 299.)
2) Boiodurum = Boii (nicht Boiorum) castellum (wegen durum s. T^^n^A. Grammatica Celticii
1853 p. 30; 1871 n. 24.), wie Epomanduodürum = Epomandiii <ii4ellüm ( Gltkk, \in\. AnK*
München 1854 Sp, 63. Note 98). Augustodürura = Augusti ca,4k'lhnii. iKrhiird. Ö. 144.)
3) BoioSovQoy schreibt Ptolemaeus 2, 12, 2; Boiodoro das hin. Ant/m. p. 249 {nach dem Cod.
Escor., die übrigen Handschr. haben Boiodoro od. Bolodero) Boiotloro die Nnlit, clignit. p. 1<X>^
Boiotro Eugippius c. 22. 3(i. statio Boiod (urensis) eine Inschrift im V. J. L. 111- 5121 und endlich
Boiiduru die Inschrift des drei Meilen unterhalb Piissau gefundeniMi Müüea^tein^ (C. J. L. III. 5755)
aus d. Zeit des Caracalla (M. Aurellius Antoninus pius Felix Ang, Purtli, maxlm. Brit. max. al«o
aus den Jahren nach dem Tode seines Vaters 211—217).
Wenn auch die Tabula Peutingeriana im Original und mich iV^jardin« Ay>:giibe giiui deut-
lich die Lesart Castellum Solodurum aufweist, so fallt diese, bei der unzweilelb;iftt?n Ijleit.ldii^it der
Oertlichkeit und der ziemlich späten Abschrift der Tabula, gegenliJur deii anderen C'eb erlief t^rungen,
namentlich aber gegenüber den oben erwähnten Inschriften nicht m^ U^vwicht. 1 V^L Braunmülkr,
Bemerkungen gegen die neuen Petrensia in den Verhandl. d. hif^toi'. V'cr* t Nif^dm-iiiLyerit Bd, XV IL
S. 377 und: Seefried, die neuen Gegner von Jovisani und Petreunibu;^ e^fendi» lld, XVlll. S, 4^^5.1
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218
Vindobona nach Brigantia nur Boiodorum, nicht BatÄvis, das auch bei
Ptolemaeus nicht vorkommt und zuerst in die Notitia utriusque imperii
finden wir neben Boiodurum, wo ein tribunus einer ungenannten Cohorte
seinen Sitz hatte ^) auch den tribunus cohortis novae Batavorum.^) Sollte
Jemand annehmen wollen, der Tribun von Batavis sei derselbe mit dem
von Boiodurum, so verweisen wir darauf, dass der Tribun von Boiodurum
unter dem dux Pannoniae primae et Norici ripensis stand, während der
Tribim von Batavis dem dux Raetiae primae et secundae untergeben war.^)
Seither war man nun geneigt aus dem Nichtvorhandensein des
Namens im Itinerarium und in der tabula Peutingeriana zu schliessen, es
habe zur Zeit der Herstellung dieser beiden Quellen das Lager zwischen
Inn und Donau an der Stelle des heutigen Passau noch nicht bestanden
und die castra Batava seien erst nach dieser Zeit also im fünften Jahr-
hundert angelegt worden. Allein wenn wir die Natur der beiden ge-
nannten Quellen ins Auge fassen, wird uns dieser Schluss hinfällig oder
wenigstens nicht sicher begründet erscheinen. Beide Quellen sind nämlich
Verzeichnisse der Haltstellen für die im Staatsdienst reisenden Offiziere
oder Beamten und für diese genügte es, wie heute bei den Haltestellen
der Eisenbahnen, von zwei dicht beisammenliegenden Ortschaften nur
eine genannt zu haben"*).
Für das frühere Vorhandensein eines Lagers am linken Innufer,
Boiodurum gegenüber, spricht dagegen die Lage und die Notwendigkeit
den Innübergang an beiden Enden zu decken, und dann, wenn auch in
weniger dringlicher Weise, der Umstand, dass die Cohorte, nach welcher
Passau seinen Namen erhielt, die neunte Batavische, bereits im Regens-
1) Notitia dignit. occident. ed. Böcking p. 100.
2) Ebenda p. 102.
3) H. Kiepert (Lehrbuch d. alten. Geographie (1878) S. :^67. Anm. 1.) macht bei Erwähnung
von Boiodurum und Castra Batava folgende Bemerkung : ,Die beiden Orte sind bekanntlich durch
den Inn (Aenus) angeblichen Grenzfluss Rätiens und Noricums getrennt, was nicht so wörtlich zu
verstehen sein kann, dass schon die Vorstadt Boiodurum einer andern Provinz, der norischen, an-
gehört hätte.* Diese Vermutung wird meiner Ansicht nach wenigstens für die Zeit der Notitia
entschieden dadurch widerlegt, dass die Besatzung von Passau unter dem dux Raetiae primae et
secundae ötand, der Tribun der Cohorte zu Boiodurum' aber zu den Truppen des dux Pannoniae
primae et Norici ripensis gehörte, eine Angabe, mit welcher die Annahme, dass beide Lager zu
einer Provinz (Raetia) gehört hätten, sich nicht vereinen lässt.
4) Auch der Meilenstein C. J. L. TU hlhb. gibt nur Boiodurum, nicht Batavis als Strassen-
endpunkt an.
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219
burger Militärdiplom ^) vom Jahre 166 einen Bestandteil des räti^chen
Heeres bildet.
Unter den vorliegenden Verhältnissen haben wir es also siclier mit
zwei daselbst liegenden, unter verschiedener Führung stehenden AIj
teilungen zu thun und dürfen also auch nach römischer Sitte zwei ver-
schiedene Lager erwarten, denn selbst wenn zwei unter verschiedenem
CJommando stehende Truppenkörper neben einander lagen, wurden die
Lager getrennt, nicht innerhalb desselben Walles geschlagen, wie wir dies
an den in kurzer Entfernung von einander liegenden Legionslagern von
Deisenhofen noch heute sehen, und namentlich an den beiden Lagern
von Irnsing und Eining (Abusina), welche die Bestimmung hatten, den
Uebergang der Grenzstrasse über die Donau zu decken.
Wollen wir nun nach den Ueberresten jener langdauernden Besetzung
suchen, so ist es wichtig, genau den Platz zu kennen, an welchem die
römischen Lager sich befanden, weil nur in denselben oder deren nächster
Nähe die anzustellenden Untersuchungen uns Inschriften, gestempelte
Ziegel a. dergl. als willkommene und untrügliche Geschichtsquellen zu
liefern versprechen. Diese Stellen sind nun bis jetzt systematisch noch
nicht gesucht worden, sondern man hielt die von der sogenannten Uönier-
wehr eingeschlossene Altstadt für die Stelle des Castrunis der Bataver^
und die heutige Innstadt für das Lager von Boiodorum.
Wenn nun auch zugegeben werden muss, dass damit ini allgemeinen
das richtige getroffen ist, so war andrerseits der Umstand, dass man sich
damit begnügte, vielleicht mit Schuld daran, dass bis aul" den heutigen
Tag so wenig römische Fundstücke aus Passau vorhanden und bekannt
sind, und dass man versäumte Nachforschungen anzustellen^ um an die
rechten Fundplätze zu kommen und nach der Stelle des eigentlichen
römischen Lagers, (der Kasernen, wenn ich so sagen darf, nicht bloes der
in deren Umgebung entstandenen Niederlassung) zu suchen. Wir wollen
daher in folgendem versuchen, nachzuweisen, dass trotz des jetzigen
Mangels an äusseren Kennzeichen die Möglichkeit, diese Plätze genau
festzustellen, noch nicht ganz verschwunden ist.
1) Ohlenschlajjrer, Das römische Militärdiplom von Regensburg in den SitÄtmgHber. d. Akad.
phil.-histor. Ol. 1874. S. 143 f.
Abb. d. I. Cl. d. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. I. Abth. $^
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J
220
Sehen wir zunächst, was bis jetzt, wo auf die Trennung zwischen
dem Lager und der zugehörigen Niederlassung kein Gewicht gelegt
wurde, über die Lage der beiden Orte mitgeteilt ist.
Die Geschichte von Bayern, herausgegeben von der Akademie der
Wissenschaften zu München 1785. Bd. L S. 12 sagt:
„Beim Zusammenflusse der Donau und des Inns kamen die Bojer
herüber. Hier erbauten sie eine Stadt, welche sie die Inn- oder
bayerische Wasserstadt (Boiodurum) nannten, imd von da aus ver-
breiteten sie sich durch Vindelizien und Norikum bis nach Ober-
pannonien, und zogen südwärts nach dem Lande auf und über den
Gebirgen, welches Rhätien hiess. Und bauten Flecken und Städte an
den Ufern der Flüsse und auf den Hügeln, deren Namen noch heut-
zutage auf „Dunum" oder „Durum" oder „Bona" endigen."
Buchner, Geschichte von Bayern Bd. I. S. 51. sagt:
„Die wichtige Stelle bei der Mündung des Inns wurde durch
zwei Castra vertheidigt, Batava und Bojodurum. Jenes an der Stelle,
wo die heutige Stadt Passau steht, ward gegen das Ende des 4. Jahr-
hunderts erbaut und zur Bewachung der neunten (neuen?) Batavischen
Gehörte anvertraut; diesem gegenüber am rechten Ufer gelegen, war
ein altes, wohlbefestigtes Bergschloss von den Bojern angelegt zur
Zeit, wo sie an dieser Stelle zum erstenmale über die Donau in ihr
bis auf unsre Tage noch immer glücklich erhaltenes Vaterland ein-
rückten (8 Jahre v. Chr.); auch hier lag ein Tribun mit seiner
Cohorte in Besatzung."
Präsident v. Mulzer setzt dann in den Niederbayer. Verhandlgn. 1
(1846) S. 29 noch hinzu: „Buchner denkt sich unter Bojodurum anfangs
ein Bergschloss, woran er jedoch die Idee von Castra knüpft, während
Zschokke (der bayerischen Gesch. 1. Band. Aarau 1813 S. 20.) das alter-
tümliche Bojodurum tief im Thale drei zusammentretender Flüsse zwischen
Strom und Fels liegend (Innstadt des heutigen Passau) beschreibt." —
Seite 30. fährt er dann fort: „War auch in den ersten Jahrzehnten der
neuen Zeitrechnung Boiodurum nur ein Castell auf der Höhe oberhalb
der St. Severinskirche, oder wenn man solches dem Ausflusse des Inns
noch näher setzen will, auf dem jetzigen Hammerberge, so ist solches
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221
wahi'scheinlich bei der Ausdehnung der römischen Befeetigung^wrerke nicht
isolirtas Caatell geblieben, sondern entweder mit grösseren Befestigungs-
werken auf der Seite Noricums oder mit Castra batava verbunden worden, "
„Nachgrabungen auf diesen genannten Höhen würden
vielleicht jetzt noch auf Entdeckungen führen,"
„Wenn nun das Alter von Boiodurum bis zum Ende der alten Zeit-
rechnung hinaufsteigt — so ist dies allerdings das älteste Werk aus der
Röinerzeit im Ünterdonaukreise, dessen Lage mit Wahrscheinlichkeit be-
stimmt werden kann. Zur Bestimmung des Punktes jedoch,
wo das älteste Castellum Boiodurum gestanden hat, fehlen
die Spuren*"
Gerade der letzte Satz ist es, welcher vielleicht weitere Nachfor-
schungen verhinderte und wir wollen sehen, ob der völlige Mangel an
Spuren, der zu Mulzer's Zeiten 1846 vorhanden war, auch jetzt den ge-
steigerten Hilfsmitteln gegenüber besteht.
Betrachten wir zunächst die Stelle des Innübergangs, so werden wir
zugestehen müssen, dass dieselbe zu keiner Zeit beträchtlich anders
gewesen sein kann als heutigen Tages und aus der Lage der Brücke
können wir auch auf die Lage der zu ihrer Deckung dienenden Castelle
schliesBen^ deren eines, das westliche, oberhalb der Brücke zwischen Inn
und Donau, das andere unterhalb der Brücke am rechten Inn- oder
Donauufer so angelegt sein müsste, dass von demselben aus die Brücke
und deren Zngang, die Donaustrasse, beherrscht und geschlossen werden
konnte.
Noch lange nach Mulzer's Zeit war man fast übeiMÜ der irrigen
Meinung, dass die Römer für ihre Lager die Höhen hätten suchen niüssenj
und Niemand hätte in der Ebene dicht am Fluss eine Lagerstelle ver-
mutet, am wenigsten aber dann, wenn eine benachbarte Höhe eine
scheinbar weit günstigere Stätte bot.
Allein die ausgedehnten Funde neuerer Zeit haben in der Regel
daa Gegenteil als Thatbestand ergeben, indem die Lager von Miltenberg,
Pföring, Künzing u. a. in der Ebene sich vorfanden j häufig nur so
weit von benachbarten Flüssen entfernt, dass sie gerade beim Hoch-
wasser noch zugänglich blieben und wie das Lager von Miltenberg
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I!
222
und Enns-Lorcli (Lauriacum) *) in unmittelbarer Nähe von beherrschen-
den Höhen,
Es war den Römern ofienbar mehr daran gelegen, dase die Trupi>en
leicht und schnell Jiacli und von dem Lager gelangen konnten, als diese
selbst vnr jedem Angriff an einem schwer zugänglichen Platze gänzlich
sicher xu stellen, wodui'ch aber, falls die Truppen in der Naclibarschaft
verwendet werden mussten^ an Sclinelligkeit der Bewegung etw^a eine
halbe Stunde oder eine Stunde eingebüsst worden wäre. Wir werden
deshalb nicht notwendiger Weise, wie man früher that, das Lager auf
der Höhe suchen, sondern am Fusse derselben, aber auch von der jeden-
falls mit Wachen versehenen Höhe nicht weiter entfernt, als dass im
äussersten Falle die Höhe noch als Stützpunkt für das Lager mit benutzt
werden konnte, und daas es dem Feind schwer möglich war sich zwischen
Höhe und Lager einzudrängen. Ein solcher Punkt ist aber hart an der
Dnnaustrasse bei der sogenannten Rosenau, da wo die im Jahre 1160
gegründete, jetzt zu Wohnungen eingerichtete St Egidiuskirche steht,
„Dort wurden ums Jahr 1840 im Garten des ärarialischeu Baustadels
unweit des Leprosenhauses ein Stück Mosaik, ein Bruchstück einer
Urne aus roter Siegelerde, ein T h r ä n e n f 1 ä s c h e n und ein Schmink-
tö))fchen, welches noch etwas rote Schminke enthielt ausgegraben.
Ferner hat man in der Nähe der ehemaligen uralten St Egidiuskirche
römische Münzen gefunden und ist bei Ausgrabungen an mehreren
Stellen in einer Tiefe von (> — 8 Fnas auf ein steinernes Strassen-
pflaster gestossen**)*^
Ganz in der Nähe wurden dann im Jahre 186r> wieder Stücke von
römischen Töpfen aus terra sigillata ausgegraben und von Herrn Dr. Alex,
Erhard der Sannnlung des historischen Vereins zu Laridshut übergeben,^)
Auf einem mit diesen Fundstiicken dem historischen Verein überschickten
niatte bezeichnet der um Passau's üei^chiehte hochverdiente, leider ver-
storbene l)r, Erhar'd eine Stelle unmittelbar südlich bei der ehemaligen
Ij Gäigberger .Tqj^., Laiiritwjum imd »eine römischen Aiterthümer, in dem Bericht über da»
Mtweutü t'nincisco-Carolinum 1846. 8. mit ^ Tafeln,
21 Erhard Dr. Alexand.. Gesch. d, Studi Pusmu IL Bd, (1864) ^. 12^.
II) Verband]. cL hif^ton Wi?r. f. Niederbayern Bd. XV. TIKTO) S. 2^ n. 5i77.
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223
St Egidiuskirche als eine „wallartige, in der Mitte vertiefte, viereckige
Erhöhung" und dort müssen sich, wie ich sicher glaube die Reste den
Lagers von Boiodurum im Boden finden. Dieser Glaube wirt! auch
durch eine Stelle der Monumenta boica^) bestärkt, nach welcher der l*lat/.,
wo die Egidiuskirche gegründet wurde, früher Biburch hiess. Der Name
„Biburg" findet sich nämlich in gleicher Weise zur Bezeichnung einer
römischen Lagerstelle verwendet bei dem Limes-Castell zwischen Pföriug
und Forchheim und neben dem Ausdruck „Biber" öfter zur Bezeicljnung
uralter Befestigungen^); ich erinnere hier nur an das römische Castell
zu Niederbiber.
Nachgrabungen an dieser Stelle oder auch nur Untersuchungen mit
(lern Erdbohrer würden darüber bald Gewissheit verschaffen und die dort.
wie in allen Grenzlagern, sicher vorhandenen Ziegelstempel würdt?u uns
über die bis jetzt unbekannte und auch in der Notitia verschwiegene Be-
satzung jenes Lagers belehren, denn die wenigen sonstigen Ueberl)lBib8elj
welche die Innstadt aufzuweisen hat, bestehen nur aus einem röniisclien
Grabsteine eines gewissen Faustinianus ^), der schon zu Aventins Zeit in
1) Monum. ßoica XX VIII. t. 2. p. 115. n. XV u. XVI: fundum cuiusdam capelU- super
ripam eni fluminis in loco, qui Biburch in vulgo vocatur, secus pataviam super reliqnlHi^ beati
Egidü in cuius honore eadem basilica a duobus fratribus nostris constructa est.
2) Schon F. X. Mayer macht in den Verhandl. d. bist. Ver. f. Oberpfalz Bd. LS. 117 ituf-
merksam, ,das8 eine Menge Ortschaften, wo man Spuren von dagewesenen Lagerplätzen und Ver-
schanzungen antriflPt, diesen Namen fuhren", setzt aber ganz unbegründet hinzu, Biburg odtr Biber
bedeute in der keltischen Sprache einen Lagerplatz. Als Beleg für das Zusammentreffen de^
Namens Biberg mit (meist römischen) Schanzen mögen folgende Beispiele dienen: Apiaii, Tojiü-
graphie von Bayern S. 69, 6 erwähnt: Theining pag. templ. Vestigium antiqu. nominatum. Aul'
. der Biburch (SW. X. 3, eine der Schanzen bei Deining. Ohlenschl.). — Bei Mendorf 1 Öt. ^^ü<^l.
des Limes liegt Biber mit 4 eckiger Schanze. NO. XXXV, 1. — Nach einem handschrittlichrn
Üiplomatarium von Niedermünster ist in der Gegend der Ringschanze zwischen Post^srtiil uml
Abbach ein Gehölz mit Namen Biber in alten Urkunden verzeichnet (Schuegruf in den Yorlviindl.
d. bist. Ver. f. Oberpfalz X. S. 189. Anm.). — Bei Biberg NO. IX. 52. ist eine römische Bcfestigiin^r
nach Lamprecht, Karte des Matichgaus. — Nach den Katastern und Aufiiahmen finde ieli ntK'h i
NO. II. 12. Biberg heisst die 4 eckige römische Schanze bei Forstinding. — NO. VII. lo. Biberg'
bei Walpertskirchen mit einem Schanzfeld in der Nähe. — NO. XXV. 16. Biberg mit virrei-ki^^er
Schanze. — NO. XXXL 27. Römerschanze im Biburger Holz bei Biburg. — NO. XXXIIL ^S. Diia
Feld, worin die römische Schanze südlich von Lohe liegt, heisst Biberfeld. — NO. XXX VI. SJlJ,
liegt eine römische Schanze im Hubinger Bibergarten. — SO. I. 34. Biburg (Bibing) mit dem
Reste einer viereckigen Schanze Va St. westlich von Margarcthenberg a. d. Alz. — SO. XX. ib
findet sich eine Biber bei Brannenburg.
3) Die Inschrift ist veröffentlicht bei J. v. Hefner, Das römische Bayern (3. Aufl.J n. 2\}6.
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224
der fit. Severinskirche zu Passau links vom nördlichen Eingange sich
befand, auch heute noch dort als Weihwassergefass dient und die Id-
schrift trägt:
D M
B' Ar S T I N I
A N 0 • ^E C T
ILLY R . VIL
I N G E N V S
FIL ET FELIX
> • SC . EX • VIK
EIVS . B • M ■ P • P
Derselbe, aus dichtem Kalkstein, ist 120 cm hoch, die Schriftfläche
44 cm breit, die Inschrift sehr gut erhalten und mit Auflösung der Ab-
kürzungen folgendermassen au lesen: D(is) M(anibu8} t austiniano vect(igalis)
Illyr(ici) vil(ico) Ingenus fil(iu8) et Felix (contra) sc (riptor) exvik(ariü)
eius b(ene) m(erenti) p(atri) p(atrono). Zu Boioduruni befand sich
nämlJch ein Zollamt des Illyrischen Zolles (statio vectigalis lUyrici).
denn Noricum ripense war nach der Notitia dignitatum ed. Böcking
S. 10* eine der sechs Provinzen von lUyricum. Hier war Faustintanns
Zollbeamter (vilicus, Einnehmer) und Felix sein Gegensclireiber (Con-
troleur) und gewesener Stellvertreter. Diese Statio Boiodurensis wird
uns ausdrücklich bezeugt durch eine zu Hrastnik in Kärnten gefundene,
jetzt zu Lfiibach im Museum befindliche Inschrift (C. I. L. III. 5121).
D I M
EVTYCHES
IVLIOR
C • P • P SEK > SCR
STATIONIS • BOIOD/
EX VIK BENIGNI VIL
STAT • ATRANTIN
ARAMCVM SIGNO
LVNAE *
EX VOTO POSVIT
P-R-S-TCLA-SENILL
L^ooli ni^^ht ^iiz völlig richtig erklärt, dann im C J. L. III. o691 ; a^g^bildet bpi Heirier h.. a. 0.
IVr. IV- Fi^'. IT, und mit den übrigen römischen Denkmälern von Pa«aau in den Verhandlungen
d*'j^ bUtor. Vereins f. Niederbayem. Bd. I Hft. I. Taf. II. III.
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225
deren Wortlaut unverkürzt folgender ist: D(eo) i(nvicto) M(ithrae)
Eutyches Julior(uni) c(onductorum) p(ortori) p(ublici?) 8er(vu8 contra)
scr(iptor) stationis Boiod(uren8is) ex vik(ario) Benign! vil(ici) 8tat(ioni8)
Atrant(inae) aram cum signo Lunae ex voto po8uit p(rocuratore) r(ationuni)
8(ummarum) T. Cla(udio) Senill(o?). Morainsen nimmt mit grosser Wahr-
scheinlichkeit an, dass dieser Altar von Eutyches. der zum Gegenschreiber
nach Boiodurum befördert worden war, vor seinem Abgang von seiner
früheren Stelle (der Statio Atrantina, jetzt Trojana bei St. Oswald) gesetzt
worden sei.
Dann ein Denkstein, welcher in einer Gartenmauer vor der Innstadt
in Passau eingemauert war und dann von Bischof Heinrich herauB-
genommen und im Domkreuzgang aufbewahrt wurde.
Derselbe zeigt in halberhabener Arbeit drei Brustbilder, dem Costüme
nach alle von Männern und darunter eine Anzahl im Zusammenhang
unleserlicher Buchstaben, und endlich ein steinernes mörserartiges GefäsK.
oben mit 4 Masken verziert, welches in der Egidienkirche aufgestellt
war und sich jetzt in der Sammlung des historischen Vereins zu Landshut
befindet. Man hielt dasselbe früher für unbestritten römisch, während
es mir eher den Eindruck eines alten Taufsteins machen wollte.
Der Name Boiodurum ebenso wie das Boitro des Eugippius aber hat
sich, wenn auch entstellt, bis auf den heutigen Tag erhalten, denn der
Beiderbach, welcher das an die Innstadt südwestlich angrenzende Thal^
Beiderwiese genannt, durchfliesst, kommt 1144 unter den Namen rivulus
Patera vor*), die jetzige Beiderwiese wird im Jahre 1253 Boytra, dann
1431 in der peytra, in späteren Urkunden in der peuten genannt, ebenso
das Severinsthor Peichterthor und noch 1499 d ie Lederergasse
Peichtergasse.*^)
Nicht viel besser steht es mit den römischen Resten in dem gegen-
überliegenden Passau. Nur eine einzige Inschrift ist uns hier erhalten,
die im Hause n. 238 am Stein weg in Passau eingemauert war, sich jetzt
in der städtischen Sammlung befindet und folgender Massen lautet:
1) MoD. Boic. IV. p. 312.
2) Erhard, Gesch. v. Passau. II. S. 19^.
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226
D M
IVL . PRIMITIVO
VETEKANO • VI
XIT . A . LX . MEMO
R . EIIVS . TITVLE
NIA . IVSTINA . C
ONIVNX FC
Auch diese Inschrift gibt uns über die Geschichte von Passau nicht
den geringsten Aufschluss und bekräftigt nur durch ihre Anwesenheit
das auch sonst genügend überlieferte Vorhandensein einer römischen An-
siedehnig an der Stelle des heutigen PaBsau, als deren bedeutendster Rest
die jetzt sogenannte Römerwehr angesehen wird,
Von dieser gibt uns Dr. Erhard*) folgende Beschreibung:
Die Römerwehr.
„Wer sich vom Neumarkte oder Graben durch das Thor bei der
Pfarrkirche zu St. Paul in die innere Stadt begibt, wird rechts eine hohe
Mauer bemerken, welche über alle Häuser emporragt und schon durch
üire äussere Gestalt ihr hohes Altertum beurkundet. Schon in den ältesten
Urkunden wird ihrer erwähnt und eine uralte Tradition schreibt ihre
Erbauung den Römern zu. Dafür sprechen auch ihre kolossalen Dimen-
sionen, ihre feste, noch vielen künftigen Jahrhunderten trotzende Bauart
und die vielen daselbst gefundenen römischen Altertümer.
Diese noch gut erhaltene Mauer bildet einen Teil des römischen,
von der batavischen Cohorte besetzten Castells, welches hier von den
Römern zur Verteidigung der Grenze ihres Reiches angelegt wurde.
Die Zeit ihrer ersten Erbauung ist unbekannt, fällt aber jedenfalls in
die ersten 4 Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung. Megiserus be-
hauptet, sie sei unter Philippus Arabs von 246 — 253 erbaut worden.
Nach der alten Reimchronik, welche vor mehr als 200 Jahren ge-
schrieben wurde, soll an der Stelle des Paulusbogens im Jahre 305 das
Stadtthor gewesen sein.
1} Erhard in den Verhandl. des hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. IV. (1855) Hft. 2. S. 5^» un«!
fsiflt jflmi'h in der Gesch. von Passau II. S. 89 f.
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Als das Castell um das Jahr 477 von den wilden Thüringern mit
stürmender Hand erobert und nebst den Wohnungen der Colonisten der Zer-
störung preisgegeben wurde, trotzte sie allein der feindlichen Verheerung.
Bischof Erchenfried von Lorch, welcher sich am Ende des 6. Jahr-
hunderts vor den Einfallen der Hunnivaren nach Passau flüchtete, xmd
dort viele Jahre lang aufhielt, soll die beschädigte Römerwehr und die
zerstörten Häuser der Einwohner restaurirt haben. ^)
Unter Bischof Otgar von Lorch, seinem Nachfolger (von 624 — 639),
welcher sich ebenfalls öfters in Passau aufhielt, kömmt urkundlich eine
Kirche des hl. Stephan unterhalb der alten Stadtmauer zu Passau vor.^)
Sie schützte die Stadt gegen die verheerenden Streifzüge der Ung9.rn im
10. Jahrhunderte, konnte aber der Belagerung und Erstürmung durch
Herzog Heinrich von Bayern um das Jahr 975 nicht widerstehen, wobei
über 100 Bürger ihr Leben verloren haben sollen.
In einer Urkunde Bischof Berthol d's vom Jahre 1252 wird die an
den Domplatz grenzende westliche Stadtmauer Dwer, die Wehr, ge-
nannt und dabei ausdrücklich bemerkt, dass sie schon von jeher so
genannt wurde.
Der passauische Bürger Friedrich der Chamerer schenkte im Jahre
1360 sein Haus, „gelegen im Nev^nmareht, niden in der lantstrazz
bei der Wermawer und den Garten dabei zenaeehst der Wer-
mawer" dem St. Johannisspitale am Rindermarkte.
Bischof Leonhard Hess im Jahre 1432 die Fleischhackerhütten „an
dem Rindermarehte unter der Wermawer" abbrechen, um mm
mehr Raum für die Strasse zu gewinnen. Der noch gegenwärtig be-
stehende ansehnliche Rest der Römerwehr hat eine Länge von beinahe
400 Schritten und erstreckt sich in der Richtung von Norden nach
Süden vom ehemaligen Kirchhofe der Stadtpfarrkirche bis zum Hause
Nr. 5. auf dem Domplatze. Die Mauer ist ungemein fest, durchaus von
Granitsteinen erbaut, hat eine Dicke von 8 bis 12 und eine Höhe 40 bis
50 Schuhen. Gegen Osten begrenzt sie ein sich sanft abdachender Erd-
wall, auf welchem uralte Linden wachsen, welche schon im 16. Jahr-
1) Wigul. Hund metrop. Salisburg. I. 193.
2) Monum. Boic. XXVIII. n. 2. pag. 35.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XVH. Bd. I. Abth. 30
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228
hundert urkundlich genannt werden; nach Westen gegen den Neumarkt
fällt sie steil ab. Die an ihren Fuss angebaute Mauer scheint neueren
Ursprungs zu sein.
Von den angrenzenden Gärten der ehemaligen Domherrnhöfe ist sie
durch einen freien Platz getrennt, welcher mit Obstbäumen bepflanzt ist.
Sie war früher viel höher als jetzt und mit Zinnen versehen, welche auf
einer Abbildung der Stadt Passau vom Jahre 1576 noch vollkommen
erhalten erscheinen. Gegenwärtig sind nur noch wenige Spuren der-
selben sichtbar.
Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass die Römerwehr vor
vielen Jahrhunderten einen viel grösseren Raum einnahm, als gegenwärtig.
Warum sollte der Hügel, auf welchem der grösste Teil der Altstadt liegt
und welcher gegen Nord und Süd gegen beide Ströme ziemlich steil ab^
fällt, nicht auch durch eine starke Mauer gegen feindliche Angriffe ge-
schützt gewesen sein? Viele Schriftsteller haben daher mit Recht ange-
nommen, dass sie zur Ilömerzeit und vielleicht, noch später die ganze
Stadt umgeben habe und erst später bei der allmähligen Vergrösserung
der Stadt, um Raum zum Bauen zu gewinnen, nach und nach bis auf
den gegenwärtigen Ueberrest demolirt worden sei. Es ist höchst wahr-
scheinlich, dass sie noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts sich bis zur
Domkirche erstreckte. Denn als Bischof Conrad gemäss vorliegender
Urkunde vom 30. April 1155 aus 3 Höfen und einem Garten den Dom-
platz bildete, schenkte er den Kanonikern den ganzen Grund, welcher
innerhalb der Mauer lag, die sich von der Ostseite des Domes längs der
Nord- und Südseite desselben bis zur westlichen Stadtmauer erstreckten.
Auf der schon öfter erwähnten ältesten Abbildung der Stadt vom Jahre
1493 sieht man an der Stelle, welche heutzutage das Theater und den
Redoutensaal einnehmen, noch ein grosses Stück der Römerwehr, welches
sich bis zur alten bischöflichen Residenz erstreckt und einen Ausläufer
bis zum Innstrome herabsendet.
Es ist daher gar nicht unwahrscheinlich, dass die ganze Häuser-
reihe auf der Südseite des Domplatzes und der nördlichen des Steinweges
vom Paulusbogen bis zur Pfaffengasse und vielleicht noch weiter hinein
auf römischen Grundmauern stehen."
Wenn durch die oben gegebene Schilderung auch keine völlige Ge-
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229
wissheit über die römische Abkunft der Römerwehr erbracht ist, so ist
dieselbe durch die frühe Erwähnung doch sehr wahrscheinUch ; sehr
fraglich erscheint mir dagegen Erhards Behauptung, „diese noch gut
erhaltene Mauer bildete einen Teil des römischen von der batavischen
Cohortß besetzten Castells u. s. w., sowie die Aufstellung Mulzers: „Das
alte Batavis, der Sitz des Tribuns und einer Cohorte, lässt sich erst in
der Gegend der Stadt entdecken, wo die Jesuitenstrasse anfängt. In
diesem Teile der Stadt bis zur Landspitze hin finden sich bei Nach-
grabungen die Spuren des römischen Ursprungs."')
Betrachten wir zunächst, ehe wir der Frage über den Platz des
römischen Lagers der Cohors IX. Batavorum'^) nahe treten, welche Funde
sonst noch in Passau gemacht worden sind.
Der älteste erwähnte Fund ist derjenige, welcher unter der Re-
gierung des Fürstbischofs und Cardinais Joseph Dominikus Grafen von
Lamberg (1723 — 1761) beim Graben eines Eiskellers auf der Römerwehr
gemacht wurde.^) Bei dieser Arbeit fand man viele römische Götter-
bilder, Abbildungen von verschiedenen Thieren, Lampen, Löffel, Leuchter
und andere Hausgeräte, alles von Bronze; ferner die Büste eines römischen
Imperators von Marmor^), einen kleinen metallenen Opferaltar mit ver-
schiedenen Opferwerkzeugen, Münzen, Waffen u. s. w.^).
1) Verhandlungen des histor. Vereins f. Niederbayern. Bd. 1. H. I. S. 35.
2) Dass Cohors nona, nicht nova ßatavorum, zu lesen sei, ist auf Grund des Regensburger
Militärdiploms durch Herrn Pfarrer Dahlem nachgewiesen worden. Ohlenschlager, Die römischen
Truppen im rechtsrheinischen Bayern. Programm d. k. Max.-Gymn. in München 1884. S. 66.
3) Erhard, Gesch. v. Passau. II. S. 28; vgl. Verhandl. des histor. Vereins f. Niederbayern.
I. H. 1. S. 38.
4) Der Zufall brachte die Büste, nachdem sie als Privateigentum mancherlei Schicksal
gehabt, in v. Mulzers Hände; dieselbe wird jetzt in der Sammlung des bist. Vereins zu Landshut
aufbewahrt und v. Mulzer bemerkt dazu: „Die Büste ist aus einem einförbigen grauen marmor-
artigen Steine gearbeitet, war früher in zwei Stücke gebrochen und ist ziemlich gut wieder zu-
sammengesetzt. Sie ist eine Arbeit aus guter Zeit, die zu irgend einer Verzierung im alten
Batavia gedient haben mag. Aussser dieser Büste ist von Kunstsachen aus der Bömerzeit nach
vierjährigen Bemühungen in Passau von mir nichts aufgefunden worden. Mehrere römische siK
beme und kupferne Münzen, welche man teils in der Römerwehr, teils in anderen Gegenden der
Stadt zu verschiedenen Zeiten gefunden hat, waren übrigens das Resultat aller Aufforderungen
um Nachforschungen. Der königl. Ingenieur Hofstetter, welcher durch eine lange Dienstzeit in
Passau ausgebreitete und verlässige Kenntnisse dieses Platzes hat, versichert, dass bei den
vielen Nachgrabungen im oberen Teile der Römerwehr, wo jetzt die Wasser-
30*
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230
„Als im Jahre 1824 von dem k. Regierangsgebäude angefangen
durch den Hofplatz und die Jesuitengasse eine Wasserleitung nach der
Bräuerei des Jakob Härtl geführt wurde, hat man bei Einlegung der
Deichen in der Tiefe von etwa 3 ^Fass obigen Platz und Gasse durch-
graben und dabei vom Regierungsgebäude Haus-Nr. iy2 an der Zenger-
gasse dem Dom südlich gegenüber bis zum Anfang der Jesuitengasse
Haus-Nr. 155 lehmartige Erde ausgegraben. Von der Mitte des besagten
Hauses angefangen, wurde längs der ganzen Jesuitengasse bis zum Hause
Nr. 144 einschliesslich, namentlich aber innerhalb der Strecke von Nr. 147
bis Nr. 155 ausgegraben: Verwesene Kohlen, Aschen und schwarze Erde,
worunter sich verschiedene Gegenstände von metallenen Geschmeiden und
einigen Münzen, jedoch sehr verdorben imd kaum kennbar befanden.
In der Strecke von Nr. 144 — 146 wurden bei obiger Erdnrt mehrere
Trümmer von gebrannten feinem rotem Thon an einer Seite glatt, an
der andern mit Figuren geziert, von der Form einer Urne gefunden."
Ueber diese Fundstücke, welche Ingenieur Hofstetter dem Bierbrauer
Härtl übergeben hatte, wusste letzterer schon 1846 keine Auskunft mehr
zu geben. ^) Ferner wurden 1848 bei der Ausgrabung des Fundaments
zu einem neuen Mautgebäude am Fischmarkt in einer Tiefe von 20 Schuh
leitunKen durchlaufen, seit zwanzig Jahren nichts von römischen AltertQmern
gefunden worden sei*. Verhandl. d. bist. Vereins f. Niederbayem Bd. I. H. I (1846) S. 39.
Die Münzen sind zum Teil verzeichnet in den Verhandl. d. hist. Ver. im Unterdonaukreise Bd. I.
(einzigen) Hft. 3 (1835) S. 10—21.
5) Lenz glaubt, «dass diese Büste mit allen im fQrstlichen Archive zu Passau verwahrten
Altertümern unter der Regierung des Kardinals t'irmian von Passau weggebracht worden, sowie
allerdings richtig sein mag, dass die Armut' an römischen Altertümern in Passau zum Teile
dem Umstand zuzuschreiben ist, dass der fürstbischöfliche Stuhl und das Domkapitel daselbst
früher grösstenteils mit Adeligen aus Oesterreich und Böhmen besetzt waren, in welche L&nder
auch ihr Nachlass mit manchen Altertumsschätzen stetshin ausgewandert ist.* Siehe VerhandL d.
hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. I. Hft. I. (1846) S. 39. Nach Erhard, Gesch. v. Passau II. (1864)
S. 28. Hess Fürstbischof Joseph Maria Graf v. Thun alle diese, sowie auch die unter seinen
Vorgängern gefundenen römischen Altertümer sammeln und in einem eigenen Antiquarium in
der bischöflichen Residenz aufbewahren, welches bei der Säkularisation des Fürstbistums Passau
1803 nach München gebracht wurde, und daselbst aus 212 Nummern bestehend, unter dem Namen
Thun*8che «Sammlung* einen wertvollen Bestandteil des k. Antiquariums (jetzt zum Teil National-
museums, 0hl.) bildet.
1) Bericht des Ingenieurs Hofstetter, Passau 14. Novbr. 1829, im hist. Vereine in Landshut
bei Mulzers Zeichnungen, von Mulzer in den Verhandl. des hist. Vereins f. Niederbayem. Bd. I.
Hft. I. (1846) S. 36.
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mehrere Silber- und Kupfermünzen, ein altdeutsches (?) Schwert und
mehrere Schlüssel von ungewöhnlicher Form gefunden^), welche deutliche
Spuren der Einwirkung eines Brandes an sich trugen.
Ausser diesen werden von Kleinfunden nur noch einige Penaten er-
wähnt, die bei einer Ausgrabung in einem Hause von St. Nikola bei
Passau zum Vorschein kamen.^)
Keiner der bisherigen Funde lässt voraussetzen, dass man auf die
Stelle des römischen Lagers gestossen sei, zu dessen Umfassung in der
Regel lange Mauern angelegt wurden und in dessen Innern die Ziegel
mit den Stempeln der Abteilimgen nicht gefehlt haben werden. Wohl
hat hinter der Mauer, welche schon seit langer Zeit Römerwehr genannt
wird, zur römischen Zeit eine Ansiedelung gelegen, aber das römische
Lager war höchst wahrscheinlich nicht innerhalb dieses Raumes, sondern
vor demselben im Bereich des heutigen St. Nikola oder der Gegend des
jetzigen Exercierplatzes und Neumarkts.
Zwar heisst der Teil von Passau, welcher östlich der Römerwehr
liegt, die Altstadt, und dieser Name deutet an vielen Plätzen die Stelle
des früheren Römerlagers an, z. B. bei Miltenberg, Rückingen u, a» 0.,
allein die Lage auf der völlig isoHerten, damals wahrscheinlich noch durch
einen Donauarm abgeschnittenen Landzunge wäre nach Analogie der
übrigen bekannten römischen Lager eine ungewöhnliche, da die Römer in
der besseren Zeit sich niemals hinter hohe feste Mauern verkrochen, denn
auch damals schon galt der Grundsatz, dass eine Armee, die sich ver-
steckt, schon so gut wie besiegt sei, und selbst in der spätesten Zeit
erwarteten die römischen Truppen den Feind nicht hinter den Mauern,
sondern zogen ihm vor dieselben entgegen, wie wir dies aus der Stelle
bei Eugippius, vita Severini Cap. XXVII schliessen dürfen:
Eodem tempore mansores oppidi Quintanensis creberrimis Alaraan-
norum incursionibus iam defessi, sedes proprias relinquentes, in Batabis
oppidum migraverunt; sed non latuit eosdem barbaros confugium prae-
dictorum. Qua causa plus inflammati sunt, credentesj tjuod duorum po-
1) Verhandl. d. hiator. Verein» f. Niederbayern. IV. Bd. 1855 S. 50 und Erhard a. a. 0.
IL S. 31. A. 9.
2) a. a. 0. Bd. IL Hft. 4. S. 34. n. 188.
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232
pulos oppidorum uno impetu praedarentur. Sed beatus Severinus orationi
fortius iucumbens llonaanos exemplis salutaribus multipliciter hortAbatur,
praenuntians hostes quidem praesentes dei auxilio superandos, sed post
victoriam eos, qui coatempnerent eius monita perituros. Igitur Romani
omnes sancti viri praedictione firinati, spe promissae victoriae adversus
Alamannos instruxerunt aciem, non tarn materialibus armis, quam sancti
viri orationibus praemuniti. Qua congressione victis ac fugientibus Ala-
mannis, vir dei ita victores alloquitur. u. s. w.
Ein weiterer Grund, das Lager der Bataver westlich der Römerwehr
zu suchen, besteht in der frühen Erwähnung einer Kirche, wahrscheinlich
an der Stelle des jetzigen Domes St. Stephan. Als der hl. Severin, ein-
geladen von den Bewohnern des oppidum Batabis, dorthin kam, fand er
schon zwei Kirchen mit Priestern und den Gottesdienst in schönster Blüte;
die eine dieser Kirchen stand in Passau selbst, die andere jenseits des
Innstroms im Orte Boitro, dem alten Boiodurum, wo noch heute die den
Namen des Heiligen tragende Pfarrkirche steht, und wo er für sich und
einige Mönche ein kleines Kloster erbaute.^)
Die Errichtung einer Kirche innerhalb eines römischen Lagerplatzes
war aber auch in so später Zeit ungewöhnlich, wenn nicht völlig un-
möglich, weil aus demselben alles fern gehalten wurde, was nicht unmit-
telbar zu militärischen Zwecken notwendig schien und wenn wir uns
die Kirche ausserhalb des Lagerraumes, und die Lagerstelle trotzdem in
der jetzigen Altstadt denken wollen, so bleibt neben der Kirche kaum
ein Platz übrig, der für Anlage eines solchen genügend gewesen wäre,
denn das Lager einer Milliarcohorte, und eine solche war die batavische,
bedurfte, wie uns die Lager von Pfünz und Pföring belehren, mindestens
eines Platzes von 300 Schritt Länge und 220 Schritt Breite, ein Raum,
der sich nur an der breitesten Stelle der Altstadt findet und selbst da
kaum den nötigen Vorraum zum Kämpfen bot.
Wir können also Dr. Erhard nicht beistimmen, wenn er (IL S. 29.)
„den höchsten Punkt der Stadt als die Stelle bezeichnet, welche das be-
1) Siehe Erhard, Gesch. v. Passau. Bd. I. S. 18 u. Anm. 35. und Eugippius, vita s. Severini
C. XIX. C. XXn. und Huber A., Gesch. d. Einführung u. Verbreitung des Christentums in Südost-
deutschland. Bd. I. S. 401.
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233
festigte Lager Castra batava und höchst wahrscheinlich — wie aus En-
gippius zu entnehmen ist, auch eine für die christliche Einwohnerschaft
erbaute Pfarrkirche einnahmen", sondern es scheint notwendigj wenn wir
die erwünschte Gewissheit über die Besatzung und Lage des Castells
haben wollen, ausserhalb der Altstadt im Neumarkte und am Fasse der
Höhen des Spitzberges nach den Spuren des Lagers zu suchen.
Ehe ich Passau selbst gesehen hatte, war ich geneigt, ^len heutigen
kleinen Exerzierplatz bei der Kaserne mit Bestimmtheit als den Platz
des römischen Lagers anzusehen. Seit ich aber in diesem Herbste die
Stätte selbst besichtigt, sind mir darüber einige Zweifel aufgestiegen.
Zwar wäre die Lage des Exerzierplatzes zu einem römischen Lager sehr
geeignet, allein dieser Platz wurde beim Eisenbahnbau in seiner ganzen
Breite durchgraben, ohne dass ein Fund von Mauern u. dgl. gemacht
worden wäre; auch sah ich selbst, als auf diesem Platze im September
dieses Jahres die Vorbereitungen zum landwirtschaftlichen Feste das Ein-
schlagen einer grossen Anzahl Stangen und Pfähle nötig machten, dass an
diesem Platze der Lehm, welcher den Boden dort von Anbeginn bedeck te^
noch fast unberührt unter der Rasendecke liegt.
Auch bei der Anlage des Bahnhofes sei man, wie mir versichert
wurde, auf keine römischen Ueberreste gestossen.
So bliebe also nur der Platz des heutigen Neuniarkt als ehemalige
Lagerstelle übrig, doch sind bis jetzt keine Funde dort gemacht, welche
diese Annahme bestätigen oder einen Fingerzeig für weitere Untersuch-
ungen abgeben könnten. Möglicherweise Hessen sich auch hier in den
Kellern der Häuser ähnlich wie in Regensburg noch Teile der alten
Römischen Mauern als Grundmauern benützt, wieder auffinden, wenn man
der Mühe des Suchens sich unterziehen wollte. Jedenfalls sollten Ver-
suche vorgenommen werden, die alte Lagerstelle aufzufinden und nament-
hch jede Gelegenheit bei Tiefbau, Rohrlegungen u. dgL eingriffen werden,
um mit verhältnismässig geringem Kostenaufwand den nicht überbauten
Stadtboden in der Tiefe zu untersuchen.
Dass alle, auch die kleinsten Fundstücke, Topfscherben, Backsteine
und Bronzebruchstücke an einem sonst so fundarmen Platze beachtet
werden müssen, bedarf keines besonderen Nachweises, und das im Anfang
begriffene städtische Museum wäre die geeignetste Stelle, wo solche Alter-
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234
tiimer aufbewahrt werden und zugleich die Besucher belehren könnten,
auf welche Gegenstände etwa bei vorkommenden Bauten u. dgl. ein
Augenmerk zu richten sei. Dass der jetzige Mangel an Funden nicht
vom Nachsuchen abschrecken darf, wird am deutlichsten durch die Funde
von Künzing und Straubing gelehrt, wo bis vor kurzem ebenfalls keine
römischen Funde bekannt waren.
Quintanis.
Sobald wir Boiodurum verlassen haben, setzen sich dem Weiter-
gehen sofort neue Schwierigkeiten ernstlicher Art entgegen. Die beiden
Quellen, in welchen die rätischen Ortschaften mit ihren Entfernungen
verzeichnet sind, weichen erheblich von einander ab und bieten folgende
Angaben:
Tabula
Peutingeriana : Itinerarium Antoninianum :
castellum Boiodurum i
Boiodoro
xvm
p. rensibus?
XXIIII
Quintianis
XXXII
1
Sorvioduro
XX
XXVIII
Augustis
XXIIII
Regino
Regino
Der erste der beiden Strassenzüge zeigt eine Gesammtsumme von 78,
der zweite eine solche von 68 milia passuum.
Nehmen wir nun zunächst an, wie man das bis jetzt zu thun gewohnt
war, Regino sei Regensburg, und die beiden als Endpunkt genannten
Regino bezeichneten die gleiche Oertlichkeit, so ist die im Itinerar ange-
gebene Gesammtentfernung von Boiodurum nach Regino entschieden zu
kurz angegeben, denn dieselbe beträgt in der Luftlinie etwas über 15
geographische Meilen, also schon mindestens 75 milia passuum. Zieht
man aber die nötigen seitlichen Abweichungen, sowie die namentlich
gegen Osten zu vorhandenen bedeutenden Hebungen und Senkungen
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235
des Weges in Betracht, so wird auch der üeberschuss von 3 iiiilia pas-
Buum, welchen die längere Gesammtstrecke aufweist, knapp ausreichen,
um diesen Anforderungen gerecht zu werden, und es ist deshalb für die
eine Strecke sicher, für die andere mit Wahrscheinlichkeit eine Aenderung
der Entfernungen vorzunehmen.
In welcher Weise diese Aenderung vorgenommen werden inuss, lässt
sich bei aller Achtung vor den von Braunmüller und Seefried *) gemachten
Versuchen durchaus nicht ermitteln, ehe wir durch weitere Funde sichei-
gestellt haben, ob es sich um zwei verschiedene Strassenzügej oder
nur um verschiedene Stationen derselben Strasse handelt, und zu diesem
Beweis reichen unsere jetzigen Hilfsmittel noch nicht aus; doch kann ich
nicht unterlassen, hier aufmerksam zu machen, dass die zwischen Regino
und Boiodurum angelegten Stationen gegenüber den Donau aufwärts und
abwärts liegenden die ungewöhnlich grossen Abstände von 18 — 32 milia
passuum aufweisen, während auf der ganzen übrigen Strecke von V^indo-
bona bis Aquileia 3 milia passuum den geringsten und 23 den grössten
Abstand bildet, so dass recht gut zwischen je zwei der hier genaimten
Stationen noch eine Zwischenstation angebracht werden könnte
Ich will aber die Zahl der Vermutungen hier nicht noch um eine
weitere vorläufig unfruchtbare vermehren, sondern mich dem im Itinerar
genannten Quintianis zuwenden, weil dieses, wie ich glaube, jet/>t sicher
bestimmt ist.
Ausser in dem Itinerar begegnen wir diesem Namen noch bei Eu-
gippius, vita Severini c. 1 5. Quintanis appellabatur secundarum m u n i -
cipium Raetiarum super ripam Danubii situm huic ex alia parte
parvus fluvius, Quintana^) nomine, propinquabat Is. crebra inundatione
Danubii superfluentis excrescens nonnuUa castelli spatia, quia in pla-
num fundatum erat occupabat, ecclesiam etiam loci eiuy mansores
1) BraunmüHer^ Der Nattemberg I. m den Verhandlgn. d. hist. Vereins f* Niederbayeni.
Bd. XVII (1872) S. 38 ff. Nachträge zu Natternberg I. und namentlich genauere Nachforac hangen
Ober unsere Römerstrassen , ebenda S. 300. Bemerkungen gegen die neuen Fetren^^ia auf den
Höhen von Pleinting, ebenda S. 370 f. Seefried J. N., Das municipium Jovis ara m den Ver-
handlungen d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. XVIl. (1872) S. 220 f. Die neuen Gegner you
Jovisara und Petrensibus, ebend XVIII. S. 429 f.
2) Einige geringere Handschriften haben Businca nomine.
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 81
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extra uiuros ex lignis habuere constructaui, — C, 27. eodem tempore
mansores oppidi QuintanenBis creberrimis Alainannorutn incursionibus
jaui defessi, sedeB proprias reliiiquentes in Batabis oppiduiii inigraverunt
Nach der Notitia hatte zu Quintanis, welches auch unter den castris
depictis erscheintj der praefectus alae primae Flaviae Raetonim seinen
Aufenthalt*
Da die im Itinerar angegebene Entfernung von Boiodurum aus mit
24 röniischen Meilen, gleich 9% Stunden, so ziemlich auf Künzing passt
da zudem die Lage in der Nähe der Donau und an einem Flüsscheü
(Quintana) ebenfalls vorhanden ist und überdies der heutige Name Kunzing
mit dem alten Namen Quintanis viel Aehnlichkeit hat, so wurde schon
ziemlich früh Kiinzing für den im Itinerar genannten Ort gehalten, wie-
wohl es auch nicht an Stimmen fehlte, welche Osterhofen, Pleinting
und andere benachbarte Plätze dafür ausgaben.*) Denn ziemlich lange
Zeit waren von Kiinzing gar keine römischen Funde bekannt, so schreibt
l) Schon Ayentin im zweiten Buche deiner Chronik o* 49 (p. 701*) verlegt QuiutAna niich
Kintzen und Philipp Apian (t ir>8yi spricht sich im Anschlnws an At entin folgend erroa^^n dvi^:
Langen Kyntzn p. iJuinUen, vulgo KynUen p.. tempU Eoque loeo Quintianam RomÄoorum
coJonmm extitisse, retnfitft et peranfciqua numismutii Kümanaj aurea, argen tea, aerea quoque
plnrinift ibi inventa teatantur. Supra hunc pagnm rivus scaturit» Kintzenpach dii:tuiä ; \ä per
patentem campara delatus, e re^fione Tici HoHcirchen in Danabi um labitmr. Ibidem in loco pal ns tri
sal*iam ebullire aqiiam, accolae aftirmant. Apian, Topographie von Bayern im Bd. XX XIX. de«
Oberbiijer. Archiv, S. 2^j1., vgl. S, 352,t4, wo derselbe Bach ^uintiana« rivui genannt wird.
Henner und nach Beinern Beispiel Manaert ((Tengraphie der Griechen und Eönier. Bd IH.
S. 699 J nimmt Ost-erhofen an,
Böcking, Notitia dignitat. occident. p. 7bSJ i\, nennt ausser den voratebenden noch andere
Korejcher. deren Angaben aber meitt sich an eine der vorgenannten Vermutungen an:ichli eisten mi(f
auf denselben beruhen.
Buchner Andreas, Dokumente zur Geschichte von Bayern, H. 45. n, 99 ; und Reisen auf der
Tenfelsmaueri IlL S. *> — 9, versetzt Quintianis merkwürdiger Weise nach Wischelburg. Er sagt
an der erwtang^ihrten Stelle: ,Quintianiä im Itin. XX. M. P. von Aiij^fUsstis und XX II 11. M. P. von
Bojoduro, heutzutage WiacheUmrg an der Donan 4 — 5 Stunden unterhalb Straubing/ Die Ent-
fernung Ton Wifichelburg nach Pas.iati (Innutadt) betrügt aber minderten lb^l2 Poststunden =
.59 rflmiache Meilen. Da Büchners Miissangabe falach i^t, auf dieser allein aber seine Vermutung
hieruhti ao ist auch diese selbst unhaltbar. Ebenso scheint auch Erhai*d, Kriegägeschichte von
Bayern S. lA'i, durch Büchners Vorgang üo der Angabe verleitet worden sein: ^Qnintanis
Knnaing — noch gegenwartig sind mehrere Bauemböfe ^Wiacbelburg* von den Bewohnern ge-
nannt, aber nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen OrtacbafTt Wischelburg, oberhalb in einer
gut erhaltenen römiöchen Schanze nahe dem Strome eingebaut." Höfe d^a Namen?^ Wi.ichelburg
»sind in der Nähe von Künzing überhaupt nicht vorhanden.
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im Jahre 1829 v. Mulzer: „In Künzing, als ein Hauptort innerhalb der
Castra Quintana von den Geschichtsforschern bezeichnet, ist jede Spur
von römischen Altertümern verschwunden."*)
Auch Westenrieder (1788) sowie Buchner und Pütter (1819 und
1820), welche die Gegend von Künzing selbst durchsucht haben, be-
richten gleichfalls, dass hier nicht die geringste Spur vom Aufenthalt der
Römer übrig geblieben sei.
Und noch 1874 konnte Spanfehlner^) schreiben: „Von Schanzen findet
man in Künzig selbst keine Spur."
Doch wird schon von Westenrieder eine bedeutende Münzsammlung
der dortigen Pfarrer erwähnt, über deren späteres Schicksal Mulzer nichts
erfragen konnte.^)
Eine römische Inschrift aber, als deren Fundort noch J. v. Hefner^)
Künzing bezeichnet: CES . || lARSE VIX || ANN . L . P . IVL || SVCCESSA /
CON II IVGI . B . M . gehört nach Karansebes (in limine claustri Sebesiensis)
1) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayern. Bd. I. Hft. 1 (1846) S. 50.
2) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. XVÜ. S. 204.
3) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. I. Hft. l. S. 51. Präsident v. Mulzer
legte im Jahre 1830 ein Tagebuch an mit der Aufschrift: Ueber geschichtliche Forschungpn und
Erhaltung der Altertümer und Kunstdenkmäler 1880 fol. 87 Seiten, 1831 mehrere lose Blatter (lui
histor. Verein in Landshut), dem der grösste Teil des im obengenannten Bande gedruckten eot-
nommen ist. Er föhrt an der erwähnten Stelle fort:
, Westenrieder in seinen Beiträgen zur vaterländischen Historie, München 1788, Bd. l, S. 60.
giebt schon ein Resultat seiner Nachforschungen^ woi*au8 zu ersehen ist, dass bereits im Jahre lT6ij
keine Altertumsreste mehr bei Künzing vorhanden waren.
Professor Buchner und Professor Kaspar Pütter, welche in der Münchener allgemeinen
Literaturzeitung (Jahrg. 1819, S. 80. 88. 112. 120, dann Jahrg. 1820 S. 831 ihre Nachforme huuijen
über Castra quintana bekannt machten und die Gegend von Künzing selbst durchsucht haben,
sAgen gleichfalls, dass hier nicht die geringste Spur von dem Aufenthalte der Römer Übrig ge-
blieben sei. Das Nämliche bestätigen die amtlichen Berichte des Landgerichts Vilshofen.
Da jedoch die Sage immer noch eines Römerbades in den Wiesen bei Künzing erwfihnte.
80 wiederholte ich im verflossenen Sommer die Nachforschungen an Oit und Stelle, welche aber
zum nemlichen Resultate führten, dass von römischen Altertümern keine Spur sichtbar in^h Die
Vernehmung der ältesten Leute in Künzing gab nur die Bestätigung der früheren Behüuptung.
dass bei dem Umgraben der Felder manchmal alte Münzen gefunden worden waren, sowie ich
denn auch einige römische Münzen aus dieser Gegend erhalten habe.
Wohin die von Westenrieder am angezeigten Orte angegebenen bedeutenden Münzensamm-
lungen der genannten Pfarrer gekommen seien, konnte durchaus nicht erfragt werden, jedoch lat
höchst wahrscheinlich, dass solche sich in der königlichen Münzsammlung zu München befinden^*
4) Das römische Bayern in seinen Schrift- und Bildmalen. 3. Aufl. S. 222. n. 271.
31*
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238
und ist nur durch einen Irrtum von Lazius in seinen commentarii ed. 1598.
p. 1060 nach „Kuntzingen supra Pataviam" versetzt worden.*)
Ferner liegt bei den von Mulzer in den Jahren 1829 — 30 gesam-
melten Zeichnungen von allerlei historisch wichtigen Gegenständen^ ein
von dem Ingenieur Feigele gefertigter Plan von Künzing, worin er einen
4 Fuss breiten geraden Strich durch des Ammerbauers Acker bezeichnet,
auf welchem das Getreide allezeit schlechter steht und vermuten lässt,
dass eine Mauer in der Tiefe sei. „Vielleicht, bemerkt Feigele, war hier
das Kastell, wenigstens ist dort noch ein Graben, auch habe man beim
Ackern in den Kaltenbach-Aeckern alte Eisenstangen und andere lieber-
bleibsel gefunden."
Gleichzeitig mit Mulzer bemühte sich auch v. Mussinan^) um die
.römischen Altertümer des Unterdonaukreises und erhielt durch Emeram
1) Corpus Inscript. Latinarura. tom. III. n. 1-554.
2) Dieselben befinden sich in 2 Mappen im historischen Verein zu Landshut.
3) Joseph Ritter y. Mussinan, Direktor des Appellationsgerichtes für den Isarkreis ; Mitglied
der k. Akademie der Wissenschaften, früher Justizrat in Straubing, schrieb im Jahre 1830 eine
Abhandlung: Die römischen Alterthümer in und um Straubing. Fol. 51 Blätter mit 28 Zeichnungen.
Ein Inhaltsverzeichnis dieser Abhandlung hatte ich im Kreisarchiy Landshut kennen gelernt,
einen Auszug davon im VI. Bande von Starks handschriftlichem Nachlass im historischen Verein
för Oberbayern gefunden und suchte mehrere Jahre lang nach der Urschrift, bis sie im Jahre
1880 in der Registratur des k. Ministeriums des Aeussem zum Vorschein kam und von dort
an die k. Hof- und Staatsbibliothek fibergeben wurde, wo sie jetzt als Cod. germ. Mon. 5380
sich befindet.
Die Zeichnungen sind nicht mehr dabei, auch bis jetzt von mir nirgends angetroifen worden,
doch konnte ich aus den verschiedenen Andeutungen über dieselben folgendes fast vollständige
Verzeichnis der Abbildungen zusammenstellen:
Nr. 1. Karte, Römerstrassen.
Nr. 2. Schnattinger Schanze. (Schneidinger Schanze? Ohlenschlager.)
Nr. 3. 4. Unbekannt.
Nr. 5. 6. 7. Schanzen von Oberau, Zeitldom und Rinkham.
Nr. 8. Perkham.
Nr. 9. Säule zu Mitterast.
Nr. 10. 11. 12. 13. Grundriss, Aufriss und perspektivische Zeichnung von Wischelburg.
Nr. 14. Grundriss von Eünzen.
Nr. 15. Grundriss von Langenkünzen.
Nr. 16. Grundriss von Niederkünzen.
Nr. 17. Münzen, zu Künzen gefunden.
Nr. 18. Zeichnung einer hölzernen Tafel mit den Worten: Hie olim civitas Quintiana
nuncupata renovierit. 1717. P.
Nr. 19^ Untersuchung des Sulzbrunnens zu Künzen.
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Spielhofer, ehemaligen Prior in Niederaltaich , der die Gegend genau
kannte, brieflich eine Reihe von Nachrichten, die hier im Auszuge folgen
sollen :
„An diesem Orte, schreibt Spielhofer, haben die Hirten und Acker-
leute Münzen, Ringe mit Edelsteinen gefasst gefunden, aber leider sind
dieselben immer nur in die Hände der Goldarbeiter oder Gürtler ge-
kommen. Ich selbst fand vor mehreren Jahren zu Künzen einen Grab-
stein, auf den man noch lesen konnte
Miles leg. dec : IL**
Das Uebrige war schon zerstört. Gerne hätte ich diesen Stein mit ins
Kloster genommen, allein feindselige Hände raubten mir den aufgefun-
denen Stein. Der verstorbene Dechant Klopfer übergab Herrn v. Stuben-
rauch eine Menge hier gefundener Münzen. Meine hier gesammelten
Münzen wurden bei unserer Auflösung alle nach München geschleppt^
imd was ich seitdem sammelte, überschicke ich Ihnen (Mussinan) hiermit.
Es sind neunzehn Stück, von denen nur zwei von Silber."
In einem zweiten Schreiben teilte Spielhofer ferner mit ; „ Eine gute
Viertelstunde von Künzing, zu Lamburg, findet sich noch der römische
Begräbnisort (bustum), der von den dortigen Ackersleuten noch immer
unkultivirt gelassen wird.*) Dass die Heerstrasse von Passau über Pfarr-
kirchen und Plainting nach Künzen geführt habe, stütze ich darauf.
Wäre sie von Vilshofen nach Künzen angelegt gewesen, so würde man
sicher bei Anlegung der neuen Landstrasse Spuren der alten Römer-
strasse entdeckt haben, welches aber nicht der Fall war."
Nr. 20. Profil, Zeichnung und
Nr. 21. 22. Perspektivische Zeichnung von Oberpöring.
Nr. 23. Bogenberg.
Nr. 24. Boioaria aetate Bomana.
Nr. 25. Beilage dazu.
Nr. 26. Stein von Straubing mit Inschrift.
Nr. 27. Verzierte Bruchstücke römischer Geschirre von Atzelburg.
Nr. 28. Schanze bei Tunzenberg und Grabhügel bei Heiling.
Der Verlust von einigen dieser Zeichnungen, namentUch n. 17 und 27 ist sehr zu beklagen»
und es würde mich freuen, wenn diese Zeilen etwas zu deren Auffindung beitragen würden.
1) An einer andern Stelle von Mussinans Abhandlung f. 46 sagt Spielhofer dagegen: »Süd-
lich von Lamburg zeigen sich mehrere zerstreute Hügel, welche ich eher für den Begräbniaort der
Deutschen halten mOchte.'
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240
Die erste entscheidende Entdeckung aber wurde erst im Jahre 1830
gemacht, indem Herr Kreisbaurat v. Pigenot auf die Mitteilung des Försters
Donat hin, dass in dem Holzgarten des Grafen von Preysing-Moos an der
Chaussee zu Brück ^) Grundmauern von ungeheurer Dicke unter der Erd-
schicht sich befänden^, daselbst eine Ausgrabung vornahm und die Grund-
maaem eines röm lachen Gebäudes bioslegte, dessen Grundriss, soweit er
aufgedeckt wurde, nach einer Handzeichnung v. Pigenot's und deren Ver-
öffentlichung in den Verhandlungen des historischen Vereins für Nieder-
bayem hier folgen soll.
Der erste Teil v. Pigenot's Ausgrabungsbericht wurde nie veröflFent-
licht und deshalb war der im I. Bande der Verhandlungen des historischen
Vereins für Niederbayem enthaltene zweite Teil nicht recht verständlich.
Der erste Teil, dessen Original jetzt im Kreisarchiv zu Landshut auf-
bewahrt wird, möge deshalb hier seinen Platz finden:
„Der 4 — 5 Fuss unterdem angrenzenden Terrain ausgegrabene Raum
beträgt in seiner Länge 78 Fuss und in seiner grössten Breite 31 Fuss. Die
mit A bezeichneten Grundmauern haben eine Breite von 3 — 4 Fuss und eine
Tiefe von 4 Fuss, bestehen aus Bruchsteinen von Granit und das Binde-
mittel aus gutem Kalkmörtel mit klein zerschlagenen Stücken von Back-
steinen vermengt. Die mit B bezeichneten Mauern aber bestehen aus
Ziegelsteinen und zum Teil auch aus solchen Platten. Die Mauerdicke be-
1) Dajs Dorf Brui'k ist westlich an Künzing, ohne Zwischenraum angebaut.
2) Verhandi. <1. histor. Ver. f. Niederbajern. Bd. I. Hft. IL (1847) S. 2.
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trägt 3 Fu88, deren Höhe aber nur mehr am Tage 1 y2 Fuss, Die einzelnen
kleinen Mauerteile bei C und D bestehen erstere blos aus Ziegelsteinen,
letztere aus Bruchsteinen mit kleinen Ziegelplättchen begränzt ; inwieweit
diese einzelnen Mauerteile mit dem Ganzen zusammenhängen, lässt sich
nicht bestimmen.
Die Flächen E bestehen blos aus fester Erde, die Räume F aber
sind Estrichböden von rötlicher Farbe, jedoch ist es auffallendj dasSj wie
sich an einigen Stellen durch Aufgrabung überzeugt wurde, Vs Fues unter
diesen Böden wieder ein Grundpflaster von Ziegelplatten, und so ab-
wechselnd bis zu 2 Fuss 8 Zoll Tiefe befindet, von den ausgegrabenen
Platten haben einige 22 Zoll; sie bestehen, und zwar besonders jene,
welche eine rötlicht gelbe Farbe haben, aus sehr feinem gebranntem Thon.
Die kleinen mit G bezeichneten Vierecke sind 8 Zoll im Gevierte und
mit Lehm aufeinander befestigte Ziegelplatten, wo bei den meisten nur
mehr drei, bei einigen aber noch deren sieben aufeinander lagen^ und
sohin kleine Peiler formiren, welche in der bezeichneten Richtung im
Durchschnitt 10 Zoll auseinander stehen.
H ist wieder eine Bruchsteinmauer von 2 Fuss Höhe, welche aber, mit
5 — 7 Zoll breiten Kanälen durchschnitten ist.
An bemerkenswerten Gegenständen wurde Nichts aufgefunden, doch
fand sich in dem Zwischenraum J E eine bedeutende MasBe Asche und
Kohlen, welche sich auch an mehreren Stellen untermengt mit der den
Estrich bedeckenden Erde, vorzüglich aber zwischen den kleinen Pfeilern G
vorfand, in welchen auch mehrere Wärmerröhren ausgegraben wurden,
die sich auch in der Nähe der kleinen Mauer bei C zeigten; auch fand
man mehrere Stücke von einzölligen gemodelten Ziegeltrünimern*
Das Ganze zeigt, dass eine gewaltsame Zerstörung stattfand, indem
mehrere Ziegelplatten und Steine in ganz schiefer Richtung sich unter
dem Schutte befanden, und auch die ungleiche Höhe der stehengeblie-
benen Mauern nicht eine ruhige Abtragung derselben vermuten lässt-
Am 24. Mai 1831 wurde die Ausgrabung fortgesetzt und Pigenot
berichtet darüber: „Die mit 0 bezeichnete Grundmauer, 3 Schuh in der
Breite, scheint die Fortsetzung der schon früher mit D bezeichneten zu
sein, und so würden die Flächen P für sich Quadrate bilden und jedes
Gemach somit von dem andern getrennt erscheinen.
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Auf der Stelle P hört der geschlagene Estrich auf, und bei einer
Tiefe von l*/a Schuh fängt eine Bruchsteinmauer an, deren Breite oder
Tiefe noch nicht bestimmt werden kann; selbe ist mit den mit H be-
zeichneten Mauern in Verbindung.
Bei Q^) hat benannte Mauer die Höhe des Estriches, dacht sich aber
links und rechts auf Vs Fuss ab.
Die Mauern H gehen noch immer fort, bei R liegen Ziegelplatten
von 1 Fuss im Quadrat 5 — 6 Zoll auseinander auf diesen und in
Waaßlehm versetzt.
Die Fläche S wurde bis zur Höhe der mit G bezeichneten Pfeiler
abgetragen, übrigens keine Spur von einer Plattenbedeckung gefunden.
Bei der Ausgrabung wurde nichts Bemerkenswertes gefunden.*'
Durch Auffindung dieser Grundmauern war der Haupteinwand be-
seitigt^ welchen mau früher gegen die Gleichstellung von Künzing mit
Quintana vorgebracht hatte, dass sich näinlich dort noch keine römischen
Bauüberreste gefunden hätten. Trotzdem waren seit dem Jahre 1831
keine weiteren Nachforschungen gemacht worden, bis im Jahre 1874
Herr Job, Mich, Schtnid, damals Cooperator in Künzing, jetzt Expositus
zu Frohnstetten, an der Südseite des Ortes in den zum Ammerhofe ge-
hörigen Feldern nur wenig unter der Erde verborgen auch die Um-
fassungsmauer des ehemaligen Lagers auffand imd darüber im XIX. Band
der Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern berichtete.*)
In nebenstehendem Plan zeigt A die Stelle, . wo das vorher be-
schriebene Gebäude ausgegraben wurde; B die Stelle, wo der Volkssage
nach das in der vita S. Severini erwähnte Kirchlein stand ; C das römische
Lager, dessen Beschreibung mit Schmid's eigenen Worten folgen soll:
„Das Castell selbst, sowie es jetzt noch in den unter der Erde be-
findlichen, ununterbrochen fortlaufenden Grundmauern erkenntlich ist,
bildet ein längliches Viereck, dessen 4 Enden indessen nicht rechtwinklig,
sondei'n in einer Halbrundung zulaufen. Die beiden (östliche und west-
1) Diemr Buchstabe fehlt in der Originalzeichnung.
2} Noch Erhard, Krlegjij^e&chichte von Bayern 1870, schrieb S. 14S: Die vielen Verschanz-
un^en {^s sind drei. Der Verf.h welche Apian hier noch angezeigt, hat seitdem die Donau ver-
fehl ung^n.
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liehe) Langseiten sind jede 566 Fuss = 165,20 m lang^), die beiden
(nördliche und südliche) Querseiten, jede 483 Fuss = 140,96 m breit,
zusammen also 2098 Fuss = 612 m im Umfang haltend.
Kiinzing
M- 1: 5000
Die Grimdmauer ist nicht überall gleich breit; im allgemeinen hat
sie eine Breite von 5 — 7 Fuss. Das Material besteht meist aus kleinen
Bruchsteinen von Gneis, vermischt mit Kalk und Kieselsteinen; häufig
ist noch die römische Gussmauer zu finden; die äussere aus grösseren
Stücken bestandene Umkleidung (Stirnmauer) fehlt; diese Steine scheinen
gleich Anfangs bei der ersten Umgestaltung des Bodens ausgegraben und
zu den Bauten verwendet worden zu sein. Dort, wo das nordöstliche
1) Auf dem zur Abhandlung jjehörigen Plan gibt Herr Expositus Schmid als Länge des
Castells 156 m, als dessen Breite 135 m an (als Umfang demnach 582 m), und dieselben Masse
teilte mir auch Herr Bahngeometer Maier mit, wesshalb ich diese für die genaueren halte.
Abb. d. I. Gl. d. Ak. d. Wiss. X\TI. Bd. I. Abth. 32
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Eck des Castells zu suchen ist, wurden noch vor 25 Jahren, so sagte
mir ein beim Baue selbst beschäftigt gewesener Maurer, so grosse Steine
zum Wiederaufbau des abgebrannten Ammerhofes ausgegraben, dass
mehrere Mann dieselben nicht heben konnten. Die Pfarrkirche und die
Friedhofmauer weisen dieselben Steine (Gneis und Glimmer) auf und
stammen sicher von der Mauer des niedergerissenen Castells.
Die Mauer liegt meistens nur 1 Fuss tief unter dem Boden und
reicht 3 — 4 Fuss tief hinab, genau bis dahin, wo die feste Lehmschichte
beginnt; tiefer hinein geht die Grundmauer an keiner Stelle. Aussen
an der Mauer ringsherum war ein breiter Graben, welcher noch jetzt
in der auf allen Seiten wahrnehmbaren tieferen Bodeneinsenkung er-
kennbar ist, aber allmählich eingeebnet wurde.
Das Castell wird von der von Vilshofen nach Osterhofen führenden
Staatsstrasse in der Richtung von Osten nach Westen durchschnitten;
diese Strasse wurde aber erst vor ungefähr 100 Jahren von der Kapelle
in Künzing angefangen, durch Brück führend, neu gebaut (vgl. den Plan) ;
die alte Strasse führt durch das Dorf (die jetzige Dorfstrasse).
Mitten durch das Castell, in der Richtung von Norden nach Süden,
führt ein Fussweg von Künzing nach Girching, der das Ammerfeld in
zwei Teile trennt. Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass dieser Weg schon
von jeher bestand und wohl durch die nördliche und südliche porta des
Castells entstanden ist. Innerhalb der Mauern des Castells sind in heissen
Sommern noch andere Mauerspuren sichtbar, so namentlich auf der Ost-
seite, fast inmitten derselben, eine in das Feld sich hineinziehende Spur
von 75 Fuss Länge und 30 Fuss Breite.
Römische Münzen wurden in Künzing in Menge gefunden, doch von
den Landleuten, welche dieselben nicht kannten oder für wertlos hielten,
häufig wieder verworfen oder verschleudert."
Herr Expositus Schmid teilte dem historischen Vereine für Nieder-
bayern ein Verzeichnis der in seine Hände gekommenen 27 Münzen mit^
(es waren 17 aus Kupfer, 9 aus Silber und eine silberplattirte), welche sich
auf die einzelnen Kaiser folgender massen verteilen: Nero 2, Traianus 1,
Hadrianus 4, Antoninus Pius 2, Faustina d. ältere 1, M. Aurelius 1 (Silber)^
Septimius Severus 2 (Silber), Caracalla 2 (1 plattirte), Alexander Severus 5
(Silber), Constantius H. 3 (Kupfer), 6 waren unkenntlich.
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245
Ueber frühere Münzfunde zu Künzing geben uns die Verhandlungen
des historischen Vereins für Niederbayern einige, wenn auch spärliche
Nachrichten, So wird Bd. I. Hft. 2. S. 1. eine Goldmünze erwähnt, aber
nicht beschrieben, und die Jahresberichte melden als Zugang zu den
Sammlungen: 1 Vespasianus, 1 Traianus, 2 Hadrianus, 2 L. Verus,
1 S. Severus, 1 Caracalla, 1 Diocletian, 1 ConstantinJ)
Ausser den Münzen fand Herr Expositus Schmid, wie er mir brief-
lich mitteilte, mancherlei Gefasstrümmer, meist aus terra sigillata, glatt
oder mit dem Eierstab und andern Verzierungen, auch mit Pflanzen-,
Tier-, Menschen- und Göttergestalten versehen, gut lesbare Töpferstempel,
nur 3 S 33 ATI . lOLLIM . ITIVSFEC f und einige eingeritzte Namen und
Buchstaben. Ferner einen Schlüsselgriff von Bronze, Schlüssel von Eisen,
Nadeln von Bronze und Elisen, Ringe, mehrere Lanzenspitzen, Nägel,
eine (vielleicht neuere) Sphinx von Bronze, auch einige Bruchstücke vbn
starkem Glas, dann Dachziegel, Fussbodenziegel, leider aber keine mit
Legionsstempeln.
Der Mangel der Militärstempel erklärt sich wohl daraus, dass nur
die aus Bruchsteinen gebauten Umfassungsmauern, nicht aber Backstein-
mauern aufgegraben wurden, in denen natürlich allein die gestempelten
Ziegel vorkommen können. Dass diese Grundmauer wirklich einem
römischen Grenzlager angehört hat und nicht etwa die Umfassung eines
grossen Anwesens ist, erhellt aus den Ausmassen, welche eine Länge von
165 (resp. 156 m) und eine Breite von 140 (resp. 135 m) ergaben, also
fast genau dieselben Masse, welche das Castell zu Wiesbaden zeigt, und
deshalb können wir diesen Platz auch jetzt schon, noch ehe die mili-
tärischen Stempel gefunden sind, als das Lager der ala I flavia Rae-
torum betrachten.
Der Name Quintanis oder Quintianis kommt nirgends in der No-
minativendung vor, sondern. auch da, wo man den Nominativ erwarten
sollte, ähnlich wie Batavis, im Ablativ, wie dies auch mit deutschen
Namen häufig der Fall ist (Z'eresingen), auch findet er sich nirgends in
1) Verhandl. d. bist. Vereins f. Niederbayern. Bd. II. Hft. 4. S. 38 f. n. 8, 11, 13, 17, 24,
33, 43, 59, 70, ferner S. 59 f. n. 4. 39, 51. Dieselben Münzen nocbmals aufgezählt im Bd. XII.
S. 24 f. n. 612, 616, 618, 622, 629, 636, 643, 664, 675.
32*
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einer Zusammensetzung mit castra, wie es die meisten Schriftsteller ge-
brauchen; wollte man nach Analogie des italischen gleichnamigen Ortes
und einiger andern vindelikischen Orte, z. B. ad Novas verfahren, so
hätte man im Nominativ Quintanae zu lesen, denn der italische Ort heisst
ad Quintanas, offenbar mit Auslassung von mansiones; allein mir scheint,
hier haben wir eine Namensbildung, die wie Castra Regina, ihren Ur-
sprung dem vorbeifliessenden Gewässer verdankte.^)
Denn wenn wir auch von dem Flussnamen Quintana bei Eugippius
absehen, weil die Lesart nicht sicher steht, so gibt uns der noch be-
stehende Name des Flüsschens Kinze ein Recht, an diese Ableitung zu
glauben, die auch von Mussinan als Quelle für den Namen des jetzigen
Dörfchens Künzing mit Recht annahm.^
Dieser Bach hat seinen Ursprung in der Nähe des Damenstiftes
Osterhofen, südlich in den Feldern. Die Hälfte des Wassers treibt, ab-
geleitet nahe dem Dorfe Brück, eine Mühle, fliesst dann am Dorfe Künzen
nördlich vorbei und ergiesst sich eine Viertelstunde davon in die Donau.
Dieser keltische (?) Flussname findet sich noch öfter in Deutschland ;
ich erinnere hier an die badische Kinzig, die hessische Kinzig oder Kinz
und unsere schwäbische Günz.^)
1) Schon Welser, Rerura boicanim lib. III. (p. 90 der Ausg. v. 1682) sagt über Regens bürg:
Regen fluvius id loci manet (sie), in castrorum nomen adoptatus, caiusmodi ad Quintana Quin-
tanica etiam amnis fuit.
W. V. Christ: Das römische Milit^diplom von Weissenburg S. 442. dachte bei der Ableitung des
Namens an die via Quintana eines dort befindlichen. Lagers, andere an eine Besatzung durch eine
Cohors Quinta z. B. Bracaraugustanorum. Härtl, der Quincingau in den Verhandl. d. histor. Ver.
f. Niederbayem. Bd. 3. Hft. 1. S. 53. wollte den Namen herleiten von einer „dort stationirten
legio Quintana oder legio Quintanorum* !
2) Mussinan Jos. v., Die römischen Altertümer in und um Straubing. Handschrift Cod.
germ. Mon. 5380 fol. 31 f. Vgl. auch Klämpfl, Jos., Der ehemalige Schweinach- und Quinzingau.
n. S. 10. Anm.
Den Nachrichten Apians, Aventins u. a. gegenüber macht Hr. Expositus Schmid die auffallende
Bemerkung: .Dieser Bach bildet sich oberhalb Künzing aus zwei Armen, von denen der eine von
Brück („kalter Bach* genannt), der andere von Langenkünzing herfliesst. Er wird niemals anders
als ,0h* genannt. Einen Bach oder Fluss mit Namen „Künzig*, wovon Aventin, Härtl und selbst
noch Spanfehlner fabeln, gibt es hier nicht.* Ich bin nicht im Stande, hier diesen Zwiespalt zu
lösen, bin aber Apian und Klämpfl, sowie Eisenmann gefolgt, weil dieselben unabhängig von ein-
ander mitteilen, dass der Bach Einzig heisse.
3) In der Erwartung, vielleicht irgendwo einen Nachweis zu finden über die Bedeutung des
Namens, dessen Stamm nach Förstemann noch unerklärt ist, habe ich nach ähnlich lautenden
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Seefried hat deswegen, weil Eugippius und die Notitia Quintanis
lesen, dagegen im Itinerar Quintianis sich findet, einen Unterschied
zwischen beiden angenommen; wir können aber diese Annahme über-
gehen, weil sie auf der irrigen Ansicht beruht, dass die Entfernung
von Boiodurum bis Kunzing nur XX mil. pass. betrage, während die-
selbe auf genauen geometrischen Karten im grossen Massstabe etwa
33,7 km beträgt, also nahezu 23 mil. pass., die sich durch Zurechnung
der zahlreichen Hebungen und Senkungen des Weges zwischen Passau
und Pleinting leicht auf 24 mil.. pass. und darüber erhöhen, also dieselbe
Entfernung, welche im Itinerar für Boiodurum-Quintianis angegeben ist. ^)
Wisehelburg.
Nehmen wir die heutige Richtung der Landstrasse von Künzing nach
Straubing als die wahrscheinliche Richtung der Römerstrasse an, so ge-
langen wir mit 58 km von Boiodurum aus nach Westen zum Ortsver-
bindungsweg zwischen Lohe und Gänsdorf (Altenbuch), wo sich der Rest
einer Schanze befindet,* die der Gestalt nach zu den römischen Weg-
schanzen gehört, obwohl sie nach einer Tradition erst im Jahre 1740
soll aufgeworfen sein und sich die Bauern mit deren Zerstörung bereits
1819 beschäftigten. 2) Doch ist von dortigen Funden nichts bekannt ge-
worden, während man beim Bau des Schulhauses in Lohe auf unter-
Fluss- und Ortsnamen gesucht. Obwohl ich dabei nicht an das gewünschte Ziel gekommen bin»
soUen doch die gesammelten Namen, die sich noch vermehren liessen, hier Platz finden: die Günz
ist ein Nebenfluss der Donau, Gonsbach ein Weiler bei Regensburg, Ginsbach eine Ortschaft in
Oesterreich ob der Enns, Künzbach im Würtemb. Jaxtkreis und bei Pähl am Ammersee, Kinzen-
bach ein Dorf in Preussen, Kinzach eine Mühle bei Hall in Tirol, Kinsach (Kymbsach) ein Fluss
der bei Lennach in die Donau geht. Bei Apian in oberbayer. Archiv Bd. XXXIX. S. 343. 344.
Kinsau ein Dorf im Landger. Schongau, Kinzelbach, Bach und Weiler bei Erding, Einzig, ein Neben-
fluss des Mains, ein Nebenfluss der Mümling im Odenwalde und ein Nebenfluss des Rheines, dann
ein Dorf in Luxemburg und endlich Kinzen ein Weiler bei Sterzing in Tirol und eine Einöde im
Landger. Mühldorf.
Unter den französischen und englischen Orts- und Flussnamen habe ich bis jetzt vergeblich
nach einer ähnlich lautenden Form mich umgesehen, wesshalb mir die Annahme keltischer Her-
kunft fflr den Namen immerhin bedenklich erscheint.
1) Niederb. Verhandl. Bd. XIX. S. 42.
2) Andreas Buchner in der Münchener allgem. Literaturzeitung 1819. S. 104.
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irdische Gewölbe stiess^) und bei einem Bauern ein Stein mit 15 unge-
forniten Menschengesichtern war, welcher der Sage nach als Gefass beim
Götzendienste gebraucht wurde.^
Etwa eine halbe Stunde von dieser Wegschanze nach Norden, etwa
10 Minuten von Lohe entfernt, liegt eine gewaltige Schanze, welche bis
jetzt noch sehr wenig bekannt und noch gar nicht untersucht ist, die
Wisclielburg.
Schon Aventin erwähnt dieselbe in seinen Annales ^) mit den Worten:
„Agger portae moenia integra sunt intus villae cubant incolae Wischel-
burg appellant, referunt ponte marmoreo ibi Danubii ripas conjunctas
fuisse fornicumque bases adhuc conspici cum aqua plus solito brevior est."
Und in seiner Chronik*) erzählt er: „zwischen Pogen und Meten ist auch
ain römisch Reichtat und Besezung gewesen P i s o n i u m genant, wie dan
des auch zeugnus geben die alten brief zu Meten im closter; haisst der
g^main man nun Wischelburg, der aufgeworfen graben und das tor sten
noch ligt ein dorf darin: Etlich sagen es hab alda ain mer melstainene
pruck iiber die Thonau gehabt und so das wässer etwan ganz ciain sei
sech man noch die gruntvest der schwipogen. " ^)
Apian spricht sich ähnlich aus und erwähnt noch eines tiefen Brun-
nens daselbst.^) Nach ihm hat zunächst wieder Büchner*^) über die Wischel-
burg geschrieben, die er sonderbarer Weise für Quintana der Römer hielt,
unter der Angabe, sie sei XXIV mil. pass. von Boiodurum entfernt, ob-
wohl diese Strecke thatsächlich fast 44 römische Meilen beträgt
Auch für die Wischelburg hat uns Mussinan unter den frühern
Forschern in seiner schon mehrerwähnten Handschrift^) das brauchbarste
tmd reichhaltigste überliefert. Hören wir ihn selbst:
„Die an einigen Stellen 54 Fuss hohen Wälle zwischen welchen das
1) Bemerkungen über Altertümer etc. im Landgericht Straubing; handschriftl. Bericht im
topogr, Bureau von M. Lori, Camerallandgeometer.
2) Verhandl. des hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. I. Hft. 2. S. 168.
3J Annal. lib. II. C. V. n. 21.
4) Chronik, Buch II. Cap. 49.
5) Aventin, Chronik, Buch Tl. Cap. 49. (S. 701.)
6) Apian, Topograpie von Bayern im XXXIX. Bd. d. Oberbayer. Arch. S. 227.
7) Buchner, Reise auf der Teufelsmauer. III. S. 7.
8) Mussinan J. v., Die römischen Altertümer in und um Straubing, cod. germ. mon. 5380. f. 27 f.
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Dörfchen liegt, sind noch im guten Zustande. Besonders zeichnen sich
die Stellen an der Nordost- und Südwestseite aus. Der Wall an der
Donauseite beträgt in der Länge beiläufig 450 Schritte und ist in der
Mitte von einem Wege durchbrochen, der vom Dorfe zur Donau führt,
wo noch einige Fischerhütten stehen. — An der Westseite macht der
Wall verschiedene Krümmungen, indem jener an der Donauseite in gerader
Richtung fortläuft und windet sich zuletzt südöstlich, bis er mit einem
anderen — welcher das Dorf auf der Ost- und Südseite einschliesst —
in einem s])itzigen Winkel endet.
Jeder Wall hat in der Mitte seiner Höhe eine kleine Abstufung,
wie eine Verschanzung, die gleichsam mitten an dem Walle einen Graben
bildet "^
Bei einem leider nur zu kurzen Besuche, den ich diesem weithin sicht-
bjiren und eindrucksvollen Befestigungswerke in diesem Herbste abstatten
konnte, fand ich im Ganzen Mussinans Schilderung zutreffend. Da seine
iieiclmungen verloren sind, so gebe ich hier die Aufnahme, welche im
Jahre 185f> Herr Lieutenant Hey berger für das topographische Bureau
anfertigte, nebst vier Profilen, die von Herrn Bauamtmann Ponzelin
herrühren.
Im Ganzen lässt sich die Verschanzung als ein Viereck bezeichnen,
dessen eine nordwestliche Seite stark nach Aussen gebogen ist.
Die längste, die Donauseite nach NO hat auf dem Wallkamme ge-
messen etwa 270 m (925 Fuss = 370 Schritt). Die gekrümmte NW-
Seite misst in der Sehne etwa 195m (c. 670 Fuss = 270 Schritt). Die
SW-Seite. die ebenfalls leicht nach aussen gekrümmt ist, etwa 225 m
(c. 7S0 Fuss = 310 Schritten.)^) Die SO-Seite hat jetzt noch 195 m, war
aber frülier länger und ist bei Anlage von Gebäuden und neuerdings
beim Bau dt;r gerade durchgeführten Strasse nach Stephansposching ab-
gegraben worden. Von der SO-Seite an fehlt der Wall etwa 60 m lang
bis zu der tlurch die Schanze führenden Strasse.
An der Stelle, wo der Wall abgegraben ist und wo er im gi'össten
Teil seines Durchschnittes vor Augen liegt sah ich, dass derselbe nur
11 V^rl; iiuch Braunmuller's jfute Beschreibung in den Verhandl. d. bist. Vereins f. Nieder-
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aus Lehmerde mit Kies gemischt, ohne Mauerkern bestand, und auch
an den übrigen Stellen, längs der SW-Seite, wo der Wall durch Anlage
von Sandgruben leider zerstört wird, Hess sich kein Mauerrest wahr-
nehmen.
Die Schanze ist nicht von Menschenhand aufgeworfen, sondern sie
bildet das westliche Ende einer niedrigen Hochebene, von welcher sie
durch einen 6 — 10 m tiefen sehr breiten Graben abgetrennt wurde.
Die übrigen Seiten der Schanze sind durch den natürlichen Abhang
gebildet, der nur künstlich abgeschürft und geglättet und mit einer
Mittelstufe (Berme) versehen wurde, um das Abrutschen der oberen Erd-
teile zu verhüten. Die Schanze wird gleichlaufend mit ihrer SO-Syite
von einem breiten Fahrweg durchschnitten, der dieselbe in zwei ungleich
grosse Teile zerlegt und an dessen Rande die Häuser des Dorfes steheiL
Der nicht von Haus und Hof in Anspruch genommene Innenraum dei^
Schanze ist als Garten und Feld angebaut. Die Brustwehr der Schanze
hat nur nach SO, wo der künstliche Graben ist, eine beträchtliche Höhe
bis etwa 5 m; an den übrigen Seiten ist dieselbe kaum 1 m hoch oder
ganz unsichtbar geworden.
Die Höhe des Walles von dessen Fuss bis zur Krone ist sehr be-
trächtlich, an den Seiten mit natürlichem Abhang 12 — 14 m hoch, an
der Seite des künstlichen Grabens 6 — 10 m hoch. Die Böschungen sind
80 steil, dass man an den meisten Stellen dieselben nur mit Mühe be-
steigen kann, an ein erfolgreiches Berennen derselben aber in voller
Rüstung mit Schild und Lanze kaum zu denken ist.
Mussinan, der recht wohl wusste, von welcher Wichtigkeit häufig
örtliche Sagen selbst in ihrer Entstellung durch die stets umgestaltende
mündliche üeberlieferung für die späteren Forscher werden können, hat
auch diese Ergebnisse seines Fleisses aufgezeichnet und mitgeteilt.
„Die Bewohner des Dorfes Wischelburg", berichtet er^), erzählen
verschiedenes von diesem Orte, dabei immer sich auf ein Buch berufend,
welches die Schicksale dieses Ortes enthalte."
„Die schon achtzigjährige Wirtin von Irlbach erzählte mir, sie habe
in dem erwähnten Buche das Lesen gelernt und es auf Ansuchen ihrem
1) Mu88inan a. a. 0. f. 27 f.
Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 33
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damaligen Gutsherrn, Freiherrn v. Leoprechting, gegeben, dem es 1780
beim grossen Brande in Straubing zu Grunde ging." ^)
„Einige Dorfbewohner sagen, es sei früher eine bedeutende Stadt
gewesen, die den Namen Pisonium führte und so gross war, dass das
V4 Stunde von Wischelburg südöstUch liegende Dorf Lohe mitten in der-
selben gestanden habe.^ Diese Stadt sei von den Hunnen zerstört worden,
und als sie hierauf zum Teil wieder aufgebaut und Rosenbusch ^) genannt
wurde, wieder neuerdings von einem Grafen zerstört worden, und so sei
denn endlich das Dorf Wischelburg entstanden."
„Ausser dem Dorfe Lohe war der Marktplatz gewesen, auch befindet
sich in dieser Gegend ein Acker unter dem Namen „alter Markt" (Markt-
platz)*) und von diesem östlich ein anderer, wo die Gerichtsstätte ge-
standen, unter der Benennung Galgenacker. Die Bewohner von Wischel-
burg finden an jenem Orte, wo sie nur immer in die Erde graben,
Bruchsteine, Trümmer alter Gefässe, auch Eisen und Knochen
von ungewöhnlicher Grösse."
„Dem Wirte daselbst fiel erst vor ein Paar Jahren ein Bündel läng-
licher Eisenbleche nach der Gestalt der Eisenschuppen eines Harnisches
in die Hände, die er unbeachtet wegwarf."
„Der Benefiiziat von Irlbach fand vor 15 Jahren zu Wischelburg
eine römische Silbermünze von beträchtlicher Schwere, ebenso ein Bauer
vor einem Jahre eine andere von gelbem Erze in der Grösse eines Zwölfers.
Beide gingen wieder verloren." Nur eine bei Wischelburg gefundene
Silbermünze des Geta ist näher bekannt, dieselbe befindet sich in der
Sammig. des hist. Ver. zu Landshut. ^) Auch Graf Hundt sprach einmal
1) Dürfen wir aus den Angaben der Dortbewohner schliessen, so scheint dieses Buch Aventins
Chronik gewesen zu sein, worauf namentlich die Angabe des Namens Pisonium hinweist.
2) Andr. Buchner in der allgemeinen Münchener Litei*atur-Zeitung 1819 S. 96. setzt hinzu :
,und die Einwohner so reich, dass einst einer mit goldener Pflugschar die Erde brach.*
3) Auch an einer späteren Stelle äussert sich Mussinan nochmals ausdrücklich und gewiss nicht
ohne triftige Veranlassung: „Wischelburg ist hier bei den ältesten Menschen unter dem Namen
Rosenburg bekannt.* Jetzt scheint dieser Name verschollen und selbst der beste Kenner der dor-
tigen Gegend, der geschichtskundige Abt von Metten, P. Benedikt Braunmüller, konnte mir darüber
keinen Aufschluss geben.
4) Der alte Markt ist das Feld unmittelbar südlich von der SOecke der Wischelburg.
5) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayern Bd. IL Hft. 4 S. 41. n. 27 (= Bd. XII. S. 24.
n. 631). Vorders. GETA CAESAR PONT(ifex) COS. Rucks. FELICITAS AVGVsti Weibl. Figur
mit Schlangenstab und Füllhorn.
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„über Auffindung mehrerer Römermünzen in der Wischelburg* doch ist
dieser Vortrag nicht gedruckt worden." ^)
Herr Steigenberg, ehemaliger Pfarrherr von Stephansposching, will
im Kloster Metten erzählen gehört haben, es hätten sich schon vor dem
bairischen Kriege in den Jahren 1740 — 1741 zu Wischelburg einige
Spuren von altem Gemäuer und Gewölbe vorgefunden, die Ortsbewohner
hätten nämlich den Schutt hinweggeräumt und den öden Platz dann
bebaut, wobei sie Inschriften ausgegraben, welche sie beim Aufbauen der
Backöfen in dieselben vermauert oder aus Unwissenheit zu allerlei Sachen
verbraucht haben. ^
Jetzt ist, mit Ausnahme eines angeblich römischen Schlüssels, kein
Fundstück aus Wischelburg in einer öffentlichen oder Privatsammlung
und was etwa in Stephansposching oder Metten gesammelt worden war,
ging dort durch die Schweden, welche 1632 alles verbrannten, zu Grunde
oder wurde bei Gelegenheit der Säcularisation verschleudert. In Folge
dieses Mangels an Fundstücken sind wir nun leider auch nicht im Stande
die Erbauer und Benutzer der Wischelburg zu bestimmen; man hat
zwar seither ihre Entstehung ohne weiteres den Römern zugeschrieben,
allein es sind bis jetzt keine Anzeichen vorhanden, welche zu dieser
Annahme zwingen; denn die seither beliebte Behauptung, dass nur die
Römer ein solches Werk hätten ausführen können, reicht als Beweis für
römische Herkunft nichj) aus, seitdem wir grosse und wohlangelegte
Werke kennen gelernt haben, die nicht von den Römern herstammen
können.
Auch die wenigen römischen Münzen liefern keine ausreichende Be-
gründung, unbestreitbar ist nur, dass die Römer auch die Gegend der
Wischelburg in ihrer Gewalt hatten.
Die Gestalt der Schanze gibt keinen Anhaltspunkt, da sie keine
geraden Seitenlinien hat und sich der Bodengestalt anschliesst, und ist
1) Jahresber. d. bist. Ver. f. Oberbayern XXVIII. (1865) S. 41. XII.
2) Mussinan a. a. 0. Dagegen versicherte mir Abt Braunmüller: ^Mauern sind weder in
diesen Wällen der Wischelburg, noch in den benachbarten Wällen gefunden worden. Ich habe
selbst darnach gesucht, es sind nur Erdwälle, in denen sich hie und da ein Granit st ein be-
findet, sowie auch wieder Holzstöckchen. Ueberhaupt ist mir da altes Mauerwerk nicht bekannt
geworden.**
33*
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überdies an Flächenraum weit grösser als die sonst bekannten römischen
Lager von Pföring, Pfünz u. s. w., wenn sie auch hinter Regensburg und
Augsburg an Grösse zurücksteht. Auch der Umstand, dass Heyberger
auf dem Aufnahmsblatt des topographischen Bureau's zwischen Wischel-
burg und Irlbach die Worte einschrieb „Römischer Leichenacker", was
er gewiss nicht gethan hätte, wenn er nicht selbst dort entsprechende
Funde gemacht oder von solchen gehört hätte, ist nicht beweisend für
unsere Frage weil man zur Zeit der Aufnahme (1856) noch jeden alten
Fund, jeden Grabhügel u. s. w. mit dem Beiwort römisch zu bezeichnen
pflegte. Mein Wunsch, über die Gräber etwas zu erfahren, ist bis jetzt
unerfüllt geblieben. Dieselben stehen aber vielleicht im Zusammenhang
mit einem Schädelknochen und einer Pfeilspitze, die einst von Irlbach
aus an den historischen Verein in Landshut eingeliefert wurden.^) Der
angezeigte Platz selbst, östlich von Irlbach, wo die Wege nach Lohe und
Wischelburg auseinandergehen, wäre für Reihengräber sehr geeignet.
Wir werden also den Beweis, dass Wischelburg ein römisches Lager war,
noch zu erwarten haben und auch hier wird der Spaten allein die ent-
scheidenden Funde liefern können.
Schon im frühen Mittelalter, um 950, hatte Perahtold, filius Arnulfi
in Wisciliburg dem Kloster Metten eine proprietas gegeben mit Land
und Leuten; da aber Bertholds Schenkungen durch seine Aechtung un-
giltig geworden waren, so wurden dieselben 976 durch Kaiser Otto regali
potentia ans Kloster zurückgegeben^) und daraus ist \^ohl zu schliessen,
dass Wischelburg wahrscheinlich Staatsgut war, also aus dem römischen
Staatsgute in das bajuvarische und fränkische übergegangen war.^)
Die Quelle des von Aventin gebrauchten Namens Pisonium ist un-
bekannt, wahrscheinlich aber ist derselbe wie so manche andere Namen
von Aventin selbst geschaffen und dem benachbarten Posching entlehnt.
Auch der Name Wischelburg ist noch nicht überzeugend erklärt, denn
die Ableitung aus Castra Visellii (oder gar Vitellii) bietet mir zu wenig
Wahrscheinlichkeit dem Umstand gegenüber, dass noch eine Anzahl anderer
1) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayern. Bd. IL Hft. 4. (1852) S. 24. n. 56.
2) Mon. Boica. XL 439.
3) Braunmüller, im XVIL Bd. d. VerhandL d. bist. Ver. f. Niederbayern. S. 44. A. 1.
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Ortschaften ähnlichen Namen tragen z. B. Wisselsing bei Osterhofen,
Wisseisberg im Landgericht Vilsbiburg, Wieselburg (Zwieselburg) Ortschaft
in Oestreich u. d. Enns und in der Wieselburger Gespannschaft (Mosony)
in Ungarn. Nicht mit Unrecht erinnert Braunmüller an den Namen
Viscellis, der auf der tabula Peutingeriana zwischen Ovilia und Viruno
zu finden ist, zur Zeit aber ebenfalls noch der Deutung entbehrt.^)
Straubing. Sorviodurum ?
Gehen wir von Wischelburg etwas mehr als 1 0 römische Meilen, etwas
über 2 deutscheMeilen nach Westen, so erreichen wir Straubing.
Diese Stadt wurde schon ziemlich lange mit dem Servioduro der
Tabula Peutingeriana in Verbindung gebracht, wegen der daselbst an-
gegebenen Entfernung von XXVIII römischen = öVs deutschen Meilen
von Regino (Regensburg), eine Entfernung, die mit den 11 Poststunden
der jetzigen Landstrasse fast völlig gleich ist^J, und weil auch die auf 50
römische Meilen angegebene Entfernimg zwischen Sorviodurum und Boio-
durum (Innstadt bei Passau) mit den 21 Poststunden der jetzigen Land-
strasse nahezu übereinstimmt.^)
Diese Vermutung entbehrte aber bis vor zwei Jahren der Bestäti-
gung durch Funde von römischen Bauresten innerhalb des Stadtgebietes.
1) a. a. 0. S. 42. A. 1.
2) Schon Cellarius, Notitia orbis antiqui 1731 tom. I. p. 419: Sorviodurum in tabula XXVIII.
ab Regino, quod intervallum ducit ad nobilem urbem Straubingam.
'S) Aventin, welcher die Tabula Peutinger. noch nicht kannte, schuf aus der östlich der Strau-
binger Altstadt liegenden Azelburg die Castra Acilia, s. Aventin Chronik, Buch II. c. 49 (p. 700.) :
,Bei Straubing, da die Ala in die Thonau feit, so noch, in der alten stat haist, ist auch ain alte
römische reichstat gewesen, mit namen Augusta Acilia, war in unser Sprach Azelburg, alda auch
noch ain herrenheusl und schlos den Namen behelt/
Dieser Name Castra Acilia aber entbehrt jeder urkundlichen Begründung und erscheint
zudem ein zweitesmal bei Aventin, Chronik Bd. II. c. 49 (p. 687) als Name fttr die Altenburg bei
Neuburg a/D. : „Oberhalb Neuburg an der Thonau sein auch zwai alte zerprochene burgstal ist das
erst gnant von den Römern Galeodunum oder Callatinum (das ander Atilia) nent jetzt der gemain
man Calladin oder Eejserburg und Altenburg.*
Braunmüller glaubt Serviodurum in Haindling suchen zu müssen. Verhandl. d. histor. Ver.
f. Niederbayem. XVII. (1872) S. 35.
Man vergleiche auch Schuegraf, Urkundliche Nachrichten über Straubing und Atzlburg in
den erwähnten Verhandlungen. Bd. VIII. (1862) S. 277 f. und Burger, Ueber die Azlburg (Castra
Acilia) bei Straubing, ebenda Bd. IV (1855) Hft. 1. S. 59—64.
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Zwar hatte schon Buchner mitgeteilt^) ein Gärtner in der Altstadt
Straubing nordlich vom Kloster Azelburg habe ihn in seinen 1813 er-
bauten Keller gefuhrt und ihm dort die starke, dicke, aus gehauenem
Granit verfertigte Grundmauer des ehemaligen Castells gezeigt, allein für
die römische Herkunft dieser Mauer wusste und brachte er keinen Beweis.
Auch war im Garten des Elisabethiner-Nonnenklosters zu Azelburg,
als man bei Erbauung eines Waschhauses nach Sand grub, eine Urne
gefunden worden, die auf einem Steine stand und in welcher sich Gebeine
und eine Lampe befanden. Die Urne war aus grauem Thon imd hatte
dreiHandhaben, durch die sich ebensoviele Schlangen wanden, dazwischen,
nahe -den Handhaben, bemerkte man hinaufkriechende Frösche. Die Urne
wurde von dem Arbeiter leider zerschlagen, die Gebeine zerstreut. Die
Lampe war sehr gut erhalten, aus rotem Thon und trug am Boden das
Wort „Fortis."^ Man hatte hier also unzweifelhaft ein römisches Grab
gefunden und auch römische Münzen kamen nicht allzu selten dort und
im Bereiche der Stadt zum Vorschein.^)
Eine weit reichere Ausbeute an Fundgegenständen aber lieferte das
östlich von der Stadt liegende, von dieser durch das Alatflüsschen ge-
trennte und nach Hofstetten zu sich erstreckende Osterfeld, welches un-
mittelbar östlich an die Azelburg stösst. Bei einer ganzen Anzahl der
bei Straubing gefundenen Münzen wird ausdrücklich das Osterfeld als
Fundort genannt und ebenso sicher gehört hieher ein grosser Teil, deren
Fundstelle „bei Straubing" gewesen ist. Diese Münzen reichen von Kaiser
Otho bis auf Gratianus 378, während eine Münze nicht mit Sicherheit
dem Kaiser Justinus zugeschrieben wird.*)
1) Dokumente zu Buchners Geschichte von Bayern. I. S. 45. n. 98 b.
2) Mussinan, Ritter, Joh. v., Die römischen Altertümer in und um StrauJbing. Cod. lat. mon.
5380. fol. 17 f.
3) Nur eine Silbermünze wird bestimmt mit dem Fundort bei Azelburg bezeichnet: Av (L.
Sept. Sev. Pe)rt Aug. Imp. II. Der bärtige, lorbeerbekränzte Kopf nach rechts. Rev.P . M Tr . P . IL —
Cos. n. P.P. Stehende kriegerische Gestalt, rechts die Lanze, links den Schild. Verhandl. des
bist. Ver. v. Niederbayern. Bd. IV. Hft. 2. S. 23. n. 27.1 Im Garten der barmherzigen Brüder in
der Altstadt fand sich eine Bronzemünze des Kaisern Trajan, die im J. 1880 in die städtische
Sanünlung zu Straubing kam. Av. IMP . CAESAR TRAIANVS, Kopf nach rechts. Rev. Opfernde
Gestalt, (Wimmer Ed., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 91. n. 73.) Doch mögen
noch eine Anzahl hier gefundener unter den bei Straubing gefundenen versteckt sein.
4) Verhandl. d. histor. Vereins f. Niederbayem. Bd. II. Hft. 4. S. 74. n. 127.
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Ausser den Münzen wurden auf dem Osterfelde eine grosse Anzahl
von Gefassbruchstticken gefunden mit und ohne Verzierung mit Figuren von
Menschen, Thieren, Bäumchen, Blättern und sonstigen Ornamenten, dann
Räucherschalen, Lampen, Urnen, Töpfe, Becher, Mischkrüge, Reibschüsseln
und Spinnwirtel, aus samischer Erde, mit schwarzem lackartigem Ueber-
zug, aus rotem oder gelbem Thone, sowie aus grauer graphitreicher Erde
und aus Glas; ferner Ziegelplatten, worunter einige mit Militärstempeln,
Ziegel mit Rand, Fussbodenplatten, Hypokaustenziegel, bemalte Gesims-
stücke, Mörtelbrocken, Bruchstücke von Kalkschiefer, die als Dachplatten
gedient hatten, dabei Messerklingen von Eisen, Nägel, Ringe und sonstiges
Eisenwerk, Nadeln von Eisen und Bronze und Stücke von Bronzever-
zierungen ^). Diese Fundstücke im Einzelnen zu betrachten, würde zu
weit führen, nur die Namen der Töpfer, welche auf den Gefässen sich
finden, sollen unten in einer Anmerkung Platz finden. 2) Die Hauptfund-
stelle auf dem Osterfelde ist ein Platz an der sogenannten Kling zwischen
der Altstadt Straubing und Hofstetten in der Nähe der Pilmosmühle, wo
in einer Kiesgrube, die im Jahre 1879 wieder in Benützung genommen
wurde, eine etwa 1 m starke, weithinreichende Schicht von aufgefahrenem
Brandschutt sich zeigt. Schon Mussinan und Lori hatten dort Funde
gemacht, von denen aber nur ein Teil sich in der Landshuter Sammlung
befindet.
Grundmauerreste finden sich nicht darunter und fast der erste Blick
lehrt uns, dass die Gefassreste u. s. w. nicht an der Stelle liegen, wo sie
zuerst als unbrauchbar weggeworfen wurden, sondern, dass wir es mit
Brandschuttmassen zu thun haben, die an anderer Stelle weggefahren
und hier abgelagert sind.
1) Die l^indstücke sind einzeln genannt in den Verhandl. d. hist. Vereins f. Niederbayern.
Bd. IL Hfl. 4. S. 28. n. 45 — 61 und Wimmer Ed., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing
S. 88. 124. 208. 413. 418. Einige der gefundenen Gefässbruchstücke sind nach einer von Herrn
Pfarrer Dahlem gütigst mitgeteilten Zeichnung auf der beigegebenen Tafel abgebildet.
2) Die bis jetzt aufgefundenen Töpferstempel, welche Herr Hauptmann Wimmer in den
Sammelblättem z. Gesch. d. Stadt Straubing n. 23. S. 89. n. 104. S. 413 und n. 156. S. 623 f. mit-
teilte, sind folgende: APRIO (Ofßcina); A. ILLIVS; CASSIVS F; CESORINVS F; CIÄN u± CIANl
od. CIAM; CINTVGNATV(S); COCILL . M; DAMINI. M; fELIOIS MAN; FIDIILIS F: FTf .M;
GERMANI; lANNV; lANVS; MAIANVS FE; MAMMI; MARCELLVS F; MATERNI ; MERCA ;
MERC; MONTANVS; SECVNDINVS SENAS; SILVINVS F; VAIEN(?)j VENICARVS; VERVS
(R und V verbunden) vERVS . V . F . F; VTEVOS F; . . . DVS; . . DIANI; . . VLTIO F.
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Goi
258
Diese Schiattmassen liessen nun mit Sicherheit eine grosse Anzahl
von Gebäuden in der Nähe voraussetzen und mussten die Hoffnungen
und den Eifer des Forschers lebhaft anregen
Auch war bereits im Jahre 1812 in der Nähe von St. Nikola^) auf
dem Osterfelde der Bürger Andre Krieger beim Pflügen auf einen Stein
mit Inschrift gestossen, den der Landgeometer v. Lori herausnehmen
und aufs Rathaus bringen Hess; unter demselben fanden sich einige rauhe
Steine, Ziegeltrümmer, Mörtel u. s. w., die zuerst den Glauben erweckten,
man werde auf die Grundmauern eines Gebäudes stossen, was sich aber
bei weiterer Nachgrabung nicht bestätigte.*)
Der Stein war das Bruchstück eines Altars aus dichtem, weissem
Kalkstein auf 2 Seiten mit Inschrift versehen; die beiden Inschriftseiten
waren etwas über 23 Zoll, die inschriftlosen 18 Zoll breit, der Stein
2 Fuss 1 Zoll hoch. Auf beiden Seiten waren 2 Zoll breite Lisenen. Die
Verzierung des Deckels bestand aus einer Kranz- und Riemleiste und einem
Stäbchen. Die hintere Seite hatte die nämliche Ansicht. Auf der einen
Nebenseite war eine Füllung jedoch ohne Inschrift eingehauen, die andere
hingegen ganz flach.^) Die Inschriften waren nur noch zum Teil erhalten
und lauteten:
Erste Seite. Zweite Seite.
LICHEN IIIIDVSAPK
)S AL VE L E S L E L I A
^NVETE N 0 C 0 SQ VI
ICAMA BVSPR^^^
Der Stein selbst wurde im Jahre 1819 wieder mit andern Bruch-
stücken zur Ausfüllung in das nördliche Widerlager der Donaubrücke
geworfen, so dass bei dem Mangel einer genauen Abschrift auch die Er-
gänzung der nicht zahlreichen fehlenden Buchstaben sehr erschwert wird.
Eine Abschrift des Steines bei Stark, Handschr. VI. fol. 468 gibt von
der ersten Seite nur die drei ersten Zeilen. Von der zweiten deutlich
1 ) Straubinger Wochenblatt 1824. S. 182.
2) Siehe Bericht Lori's in Stark's Nachläse. Bd. VI. f. 468. (Handschr. im histor. Ver. f.
Oberbayem.)
3) Zaohokke, Miszellen für die neueste Weltkunde. 1812. S. 331.
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259
das halbe 0 und SALVTE, von der dritten NVETE, vor dein N noch den
Rest eines 0 P oier R; von der zweiten Seite ist Zeile 2. LELIA (nicht
wie bei Lori AELIA) gegeben.
Die auch von Hefner benützte Zeichnung im historischen Verein zu
Landshut gibt auf der ersten Seite Zeile 2 : sALVE mit Auslassung des T
und Zeile 3 NETE mit Auslassung des V im Ganzen auch nur die drei
ersten Zeilen; dagegen zeigt Seite II in der 4. Zeile die Buchstaben BVS
PR'^T-^, welche Mommsen im C. J. L. III 5973 zu PRAest (vielleicht
besser PREST) meiner Ansicht nach richtig ergänzt.^) Stichaner( — n — )
bei Zschokke, Miscellen für die neueste Weltkunde 1812. S. 331. gibt II.
Zeile 2. LAELIA und I. Zeile 3. PNVETE, auch hat er zu Seite I die
vierte Zeile IC mit dem Zusätze: „die weiteren drei Buchstaben scheinen ein
AM und A gewesen zu sein. Wie schon gesagt, fehlen jeder dieser Zeilen
zwei Buchstaben am Anfange." Versuchen wir die letzte bis jetzt un-
erklärte Zeile zu ergänzen. Die vorletzte Zeile, welche mit VETE
(rani, der Plural, weil kein Eigenname vorausgeht) endigt, lässt in der
folgenden Zeile den Namen einer Heeresabteilung vermuten und mit
Ergänzung von COH würde sich die letzte Zeile zu COHICAMA gestalten,
eine Lesung, bei welcher sich uns die Cohors I Canathenorum unwill-
kürlich aufdrängt. Die Abänderung des M in N ist eine sehr gering-
fügige, zumal da die Buchstaben der 4. Zeile nicht sicher und deutlich
erkennbar überliefert sind.
Das Consulat des (M. Pontius) Laelianus fallt in das Jahr 163 n. Chr.
Die Inschrift lautete also wahrscheinlich, wenn wir in jede Zeile
8 Buchstaben setzen:
I . 0 • M . 1 1 1 1 D V S A P R
DOLICHEN LESLELIA
PROSALVE NOCOSQVI
IMPNVETE BVSPREST
COMIC AN A
d. h. Jovi optimo maximo Dolicheno pro salute imperatoris nostri veterani
cohortis primae Canathenorum. III. idus apriles (11. April) Leliß^no consule
(163 p, Ch.) quibus praeest
1) Heftier J., Das römische Bayern. S. 248. n. CCCXV wollte Quintus Vibius praefectusV lesen.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. • 34
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260
Die fünfte Zeile mit dem Namen des Präfekten war durch den Bruch
des Steines unkenntlich geworden oder stand ausserhalb des Inschriftfeldes
im Gesimse.
Das Datum des 11. April bietet, auch wenn man die übrigen
Dolichenusinschriften zu Rate zieht, keine geschichtlichen Ergebnisse,
dagegen möge es gestattet sein, zu erwähnen, dass der Aushebebezirk
der Canathener (Canatha, die östlichste unter den zur Dekapolis ge-
hörigen Städten der Peraea) nur wenige Stunden südlich von Heliopolis am
Libanon lag, wo Kaiser Antoninus dem Sonnengotte unter Jupiters Namen
einen prachtvollen Tempel errichtet hatte ^), und ein Hauptplatz des
Dolichenuskultus war, den gerade die Canathener vielleicht an die Donau
gebracht hatten.
Zur Heranziehung des Namens der Canathener, bei Erklärung der
vorliegenden Inschrift, berechtigt uns aber nicht blos die Gewissheit,
dass gegen Ende des zweiten Jahrhunderts deren Cohorte in Rätien
lag^), sondern auch die wichtige Thatsache, dass mehrere Stempel dieser
Abteilung auf dem Osterfelde gefunden wurden, denn im J. 1879 grub
Herr Hauptmann Wimmer ^) an der Kling am Schanzelwege 3 Ziegel-
stücke aus mit dem Stempel:
OH ION
d. i. Cohors I. Canathenorum (die Länge der Buchstaben beträgt 3 cm,
die Breite des vertieften Grundes 3,5 cm) und im J. 1882^) fand er im
Brandschutte ebendaselbst ein Randziegelstück mit dem Stempel:
. . NAT i
den wir unbedenklich derselben Cohorte zuteilen können.
An der nämlichen Stelle lagen auch noch Stempel der Legio tertia
Italica
LEGmITAL
1) Seidl, üeber den Dolichenuskult, in den Sitzungsber. d. philos.-histor. Classe der kaiserl.
Akad. d. Wiss. in Wien. Bd. XII. (1854) S. 44.
2) 0hlen8chlager , Die römischen Truppen im rechtsrheinischen Bayern, Programm des
k. Maximilians-Gymnasium in München 1884. S. 54.
3) Wimmer E., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 88.
4) Ebenda S. 208.
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261
(Höhe der Buchstaben 1,2 cm, Länge des vertieften Stempelgrundes 7,7 cm,
Breite desselben 1,7 cm^); nicht blos ein Beweis dafür, dass Teile dieser
Legion auch hier sich aufgehalten haben 2), sondern auch, dass der Brand-
schutt in der Kling erst nach 170, dem Stiftungsjahr der Legio tertia
Italica dort abgelagert sein kann.
Nicht minder erfreulich war die Auffindung des Stempels einer
Cohors Raetorum im J. 1879, weil man zwar aus dem Weissenburger
und Regensburger Diplom wusste, dass die I. und IL Cohorte der Räter
im J. 107 und 166 n. Chr. dem rätischen Heer angehörten, ihre Stand-
orte aber nicht bekannt waren. Auch der erste Stempelfund gab darüber
noch keinen Aufschluss, weil ihm die Zahlbezeichnung der Cohorte fehlte,
und erst vier Jahre später, im J. 1883, erschienen endlich bei der Azel-
burg vollständige Stempel der Abteilung und zwar der Cohors IL Raetorum :
N frü ATT-r '/
h.
HRAET
i\
In einem Garten des nordöstlich der Azelburg gelegenen Hauses
Nr. 789 wurde schon im Herbste 1882 ein massiver roter Betonboden
gefunden, etwa 2 m unter der jetzigen Erdoberfläche samt ansehnlichen
Resten von Grundmauern, die Brandspuren zeigten. Das Haus Nr. 789
ist höchst wahrscheinlich das in „Buchners Dokumentep zur Geschichte
von Bayern" I. S. 45 n. 98b gemeinte, dies dürfte die aus massiven
Kalksteinen (nicht Granit, wie Buchner meinte) gebildete Kellermauer
beweisen, welche Buchner für römische Befestigungsüberreste hielt. ^)
Im November 1883 erbot sich dann der Besitzer des Hauses, Hr. Gärtner
Söldner, bei Anlage einer Grube zur Ueberwinterung der Früchte un-
mittelbar neben dem erwähnten Betonboden mit Sorgfalt so tief zu
graben, bis der Anschluss an die genannte Grundmauer wieder gefunden
wäre. Nach Wegräumung vielen Brandschuttes trat in einer Tiefe von
etwa 2 m eine von der Thür des Gärtnerhauses 17 Schritt südlich ge-
1) Wimmer E., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 413.
2) Die übrigen bis jetzt bekannten Stempelfundstellen der leg. III. Ital. sind : Regensburg^
Abbach, Alkofen, Eining, Westheim b. Augsburg, Liezheim. Siehe Ohlenschlager, Die römischen
Truppen. S. 31.
3) Wimmer, Sammelblätter. S. 208.
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legene, von Südwestsüd nach Ostnordost laufende 110 cm dicke Mauer von
Kalkt uff steinen zu Tage. Sie ist durch eine etwa 6 cm dicke, senkrecht
aufgeführte rote Betonschicht von dem etwas tiefer gelegenen Beton-
boden getrennt.
Unter den im Mörtel äusserst fest gebetteten Kalktuffsteinen fand
sich längs der senkrecht aufgeführten Betonschicht und zum Teil als
deren Grundlage verwendet, eine. Reihe von grossen Ziegeln mit Militär-
Stempel u. Sechs derselben wurden sorgfältig herausgestemmt. Dieselben
haben eine Länge von 33 — 36 cm, eine Breite von 17 — 18 cm, die Dicke
beträgt 3 cm. Parallel zur Langseite ist auf jedem Ziegel einmal der
oben erwähnte Stempel 3 — 5 mm tief eingedrückt. Der Stempel ist 1 7 cm
lang, 5 cm breit. Die Buchstaben sind 3 cm lang, 1 cm breit und nicht
ganz 3 mui dick.
Dieser Fund ist von höchster Wichtigkeit für die Frühgeschichte
von Straubing. Wir erfahren dadurch nicht blos den Garnisonsort der
Cohors Becunda Raetorum, sondern wir haben damit den ersten festen
Punkt gewonnen, von wo aus nach den übrigen Resten römischer Bauten,
namentlich aber nach der Stelle des römischen Lagers mit Erfolg ge-
fahndet werden kami.
Denn das gefundene Gebäude war wegen der Verwendung gestem-
pelter Militärziegel wahrscheinlich ein Militärgebäude imd sicher nicht
sehr weit von dem römischen Lager entfernt.
Ob dasselbe aber bei St. Peter in der sogenannten Altstadt gelegen,
wie manche vermuten, am linken Ufer der Alat, oder rechts derselben
östlich von der Azelburg, im Osterfelde, lässt sich noch nicht mit Sicher-
heit sagen. ^J
Für die Altstadt und zwar den Winkel bei St. Peter spricht die
günstige Lage mit den sturmfreien Ufern der Alat und Donau, ferner
die Auffindung einer Unzahl von Urnen, Gefässen mit Kohlen und
Menschenknochenresten, welche beim Bau des neuen Schulhauses in der
Altstadt im J. 1875 zwischen der Heer- und Donaustrasse 500 — 600 m
südwestlich von der Kirche St. Peter ausgegraben wurden; (diese Be-
gräbnistätte lag etwa 1 y2 m tief), und endlich der Name der Altstadt
1) Wimmer E., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 419.
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selbst, mit welchem in mehreren Fällen die Oertlichkeiten genannt wur-
den, wo römische Lagerstellen sich befanden. \)
Die Annahme, dass das Lager auf dem rechten Alatufer bei der
Azelburg gewesen sei, welche auch Hauptmann Wimmer jetzt für wahr-
scheinlich hält, stützt sich zunächst auf die Funde in der Kling am
Schanzelweg, auf die obenerwähnten Gmindmauerfunde und dann auf eine
alte Sage, dass die Stadt viel grösser gewesen sei und sich bis gegen
den Hofstetter Hof erstreckt haben soll; auch sollen beim Hofstetter Hof
beim Ackern mehrmals Spuren von Mauern sich gezeigt haben, in deren
Nähe ein dumpfer Widerhall gehört wurde, als wenn Gewölbe unter der
Erde wären. ^)
Auf Grund der Bodenbeschaffenheit spricht Hr. Hauptmann Winimer
die Vermutung aus, dass in der Kling, dem ziemlich hohen und steilen
Abhang des Osterfeldes gegen die Donau die nördliche, in dem etwa
410 Schritte von der Ostfront der Azelburg entfernten, etwa 280 Schritte
langen, meist über 2 m betragenden Terrainfalle, der sich sodann etwa
210 Schritte in einem Kreisbogen südwärts zieht, die östliche und süd-
liche Begrenzung des Lagers zu suchen seien. Dieser Terrainfall fülirt
überdies den auf eine Befestigung deutenden Namen Burzelgiaben (d. i.
Burgstallgraben), und wurde, wie mir Hr. Hauptmann Wimmer mündlich
mitteilte, „sittlichkeitshalber" eingeworfen.^)
Die Westgränze dürfte parallel zur Ostfront der Azelburg gedacht
werden und das entdeckte römische Gebäude mit den Ziegeln der zweiten
rätischen Gehörte entweder zum Lager selbst gehört, oder keinen sehr
grossen Abstand von dessen Westgränze gehabt haben.*)
1) Altatatt heisst die durch Altertümer ausgezeichnete Gegend bei Weisaenburg. wn diese
Stadt ehemals gestanden haben soll, und die bedeutenden Trümmer einer römischen Niederlasäimg
bei Rottweil liegen auf der sogenannten Altstatt. Julius Leichtlen, Forschungen im Gebiete der
Geschichte, Altertums- und öchriftenkunde Deutschlands. Erste Folge 1818. S. 109. Die Stelle,
wo im J. 1876 das römische Lager bei Miltenberg aufgefunden wurde, hiess seit undenklichen
Zeiten die Altstatt, obwohl dort seit Jahrhunderten keine Gebäudespur mehr zu sehen war» und
auch zu Rückingen bei Hanau ttihrte das Feld, in welchem das römische Castell lag, ^mi undenk-
licher Zeit den Namen „ Alteburg. "* (Siehe das Römerkastell und das Todtenfeld id der Kinj-äg-
niederung bei Rückingen. 1873. S. 4.) Ebenso heisst bei Rottenburg a. N. der Pliitz^ wo daa
Römerkastell liegt ,auf der Altstadt."* (Allgemeine Zeitung 1884. n. 288. S. 4247.1
2) Straubinger Wochenblatt 1820. S. 108.
3) Vgl. auch Straubinger Wochenblatt 1820. S. 110.
4) Wimmer, Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 41V).
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Einstweilen müssen wir uns mit der neuen und wertvollen Er-
kenntnis begnügen, dass bei Straubing sicher römische Gebäude und
Gräber vorhanden sind, und dass die Legio tertia Italica, die Cohors L
Canathenorum und die Cohors IL Raetorum hier ihren Aufenthalt hatten.
Eine systematische Aufgrabung, vielleicht nach vorausgehender Unter-
suchung mit dem Bohrer würde hier sicher zum Ziele führen, und wenn
diese Zeilen etwas beitragen können, eine solche Untersuchung herbei-
zuführen und zu fördern, so ist die darauf verwendete Mühe reichlich
belohnt.
Zum Schlüsse aber fühle ich mich verpflichtet, allen denen, welche
an der Förderung vorliegender Arbeit lebhaften Anteil nahmen, bestens
zu danken, besonders aber den Herren Pfarrer Dahlem in Regensburg,
Abt Braunmüller in Metten, Bahngeometer Maier in Landshut, Haupt-
mann Wimmer in Straubing und Expositus Schmid in Frohnstetten für
Mitteilung von Material, Herrn Prof. Ernst Fischer in München für Unter-
stützung mit Rat und That bei Anfertigung der nötigen Zeichnungen.
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Anfang und Ursprung
der lateinischen und griechischen
rj^thmischen Dichtung.
Von
Wilhelm Meyer
aus Spey«r.
Abh. d. [. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XVII. Bd. II. Abth. 85
DigitLij-^VÖ'^IOgle
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Die Anfänge der lateinischen rytlimisclien Dichtung.
Bei der Darstellung der Formen der lateinischen Rythmen des Mittel-
alters (in den Sitzungsberichten unserer Akademie, philos.-philol. Gl. 1882
S. 1 — 192) habe ich über den Ursprung derselben fast nicht gesprochen.
Diese Lücke, welche Gaston Paris mir vorgehalten hat (Revue critique
1882, 11. Sept.), hatte ich mit Absicht gelassen. Denn ich fühlte zwar,
dass die gangbaren Ansichten darüber falsch seien; allein auf die Frage,
wie kamen die Lateiner dazu die Verse nach dem Wortaccent zu bauen,
fand ich keine mich befriedigende Antwort; darum schwieg ich damals.
Jetzt glaube ich die Antwort gefunden zu haben.
Die Thatsachen, dass bei Commodian um 250 n. Chr. die Quantität
stark missachtet ist, dass aus dem 1. Jahrhundert vor Christus bis zum
3. Jahrhundert n. Chr. einige von Soldaten oder von gewöhnlichen Leuten
gesungene trochäische Septenare sich erhalten haben, in welchen der
Wortaccent meistens mit dem Versaccent zusammen fällt, bis endlich mit
Augustins Psalmus contra partem Donati das erste Gedicht auftritt, in
welchem die Quantität gar nicht, aber der Wortaccent ziemlich beob-
achtet ist, wurden gewöhnlich so erklärt: während früher bei der Aus-
sprache der lateinischen Wörter auf 2 Dinge in gleichem Grade Rück-
sicht genommen wurde, 1) ob die Silbe lang oder kurz zu sprechen sei,
2) ob die Silbe mit starkem oder schwachem Ton zu belegeij sei, habe
die Menge von Barbaren im römischen Reiche im Anfange der Kaiser-
zeit eine Verschlechterung der lateinischen Aussprache in der Richtung
bewirkt, dass man sich nichts mehr darum gekümmert habe, ob die
Silbe lang oder kurz, sondern nur darum, ob sie mit starkem oder mit
85»
Diäitfeärfby V3'00QIC
268
schwachem Tone zu sprechen sei; dann habe man im Verse an die Stelle
der vom Versaccent getroffenen langen Silben die mit starkem Wortaccent
gesprochenen Silben gerückt und an Stelle der nicht vom Versaccent ge-
troffenen langen oder kurzen die mit schwachem Wortaccent gesprochenen
und habe so die Zeilenarten der alten quantitirenden Dichtung nach-
gebildet. Gaston Paris (Lettre ä M. Leon Gautier sur la Versification
Latine rhythmique, 1866 p. 23) schildert zunächst jene gewöhnliche
Ansicht 'Donc, pour eux aussi, la versification rhythmique est une de-
formation de la versification metrique: la quantite s'effagant peu ä peu,
a Tepoque de la decadence. et son affaiblissement rendant Paccentuation
de plus en plus marquee, on imagina de faire des vers oü on calquait
les vers metriques en substituant des accentuees aux longues (dans les
temps forts), et ce fut gräce ä ces essais que la versification nouvelle
prit conscience d'elle-meme, et, se degageant de ces imitations serviles,
finit par se creer ses propres lois/ Dieser Ansicht stellt G. Paris seine
eigene mit folgenden Worten entgegen: Pour moi, je pense au contraire
que la versification rhythmique est d'origine toute populaire, qu'elle n'a
d^autre source qu'elle meme, qu'elle a existe de tout temps chez les
Romains, qu'elle ne doit rien ä la metrique, et qu'elle est avec eile
precisement dans le meme rapport que la langue populaire, le sermo
pleheim^ avec la langue litteraire de Rome. Toutes deux ont eu la
meme destinee: la langue lettree et la versification metrique, mortes
reellement avec l'empire, ont conserve chez les savants une vie artificielle
qui dure encore; la langue populaire et la versification rhythmique ont
continue ä vivre, et se sont developpees et ramifiees dans les langages
et dans les poesies des nations romanes. La versification populaire
notamment, meprisee et obscure au temps de la grandeur romaine, con-
servee ä peine en quelques fragments par des ecrivains amateurs d'anec-
dotes qui ont sacrifie la dignite ä la curiosite, acquit avec le christia-
nisme un domaine immense et une inspiration nouvelle, et produisit
bientot avec une richesse inouie de quoi porter pendant dix siecles toute
la poesie de plusieurs grands peuples: c'est veritablement le grain de
seneve de la parabole, vile semence, dedaigneusement jetee en terre, qui
devient un arbre aux mille branches, verdoyant et touffu, sur lequel
chantent les oiseaux du ciel. G. Paris' These ist unstreitig sehr bequem.
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269
Diese verschiedenen Ansichten über den Ursprung der rythmischen
Dichtungsform der Lateiner sind durchaus ungenügend. Mit der An-
nahme von G. Paris, dieselbe sei die ursprüngliche Form der lateinischen
Volkspoesio gewesen, steht in Verbindung die Annahme von Bentley,
Ritschi und von Anderen, in dem Bau der so ausserordentlich häufigen
altlateinischen jambischen Senare und Sept^nare und der trochäischen
Septenare oder im Schlüsse der '^Hexameter Virgils und seiner Nachfolger
sei neben dem herrschenden Gesetze der Quantität doch in gewissem
Grade auch der Wortaccent berücksichtigt. Diese letztere Annahme
glaube ich in der Abhandlung über die Beobachtung des Wortaccents
in der altlateinischen Poesie (cf. 1883, Abb. 17. Bd., 1. Abth.) genügend
widerlegt zu haben. Die Annahme von G. Paris entbehrt zunächst völlig
jeden Beweises; denn vor der Kaiserzeit findet sich auch nicht das kleinste
Bruchstück, welches nach dem Accent und nicht nach der Quantität der
Silben gebaut wäre. Das ist ein sehr gewichtiger Grund gegen G. Paris.
Plautus hatte offenbar Freude an den mannigfaltigsten Versarten, und es wäre
fast imbegreiflich, wenn er die gangbare Dichtungsform des niedrigen Volkes
nicht nachgeahmt hätte. Das, was für G. Paris spricht, das Gefühl des
modernen Menschen, der sich kaum vorstellen kann, wie ungebildete Menschen
ihre Dichtungen anders als nach dem gewöhnlichen Wortaccent betonen
konnten, wiegt wenig gegenüber dem gänzlichen Mangel an Beweisen
Doch lassen wir den Unterschied zwischen G. Paris und den übrigen
Gelehrten bei Seite: die verschiedenen Ansichten vereinigen sich darin,
dass im Laufe der Kaiserzeit eine Art der Dichtung zur Herrschaft kam,
in welcher an Stelle der vom Versaccent getroffenen langen Silben die
vom Wortaccent getroffenen traten. Diese Regel ist ausserordentlich ein-
fach und die jambischen wie die trochäischen Zeilenarten der quanti-
tirenden Poesie lassen sich so auf das leichteste nachbilden. Allein in
den Gedichten selbst stossen wir auf höchst befremdende Erscheinungen.
Erstlich sind jene bis zum üeberdruss oft citirten wenigen Verse bei Sueton
nur nach der Quantität gebaut. Drei derselben (Sueton. Caesar cap. 49
milites illud vulgatissimum pronuntiaverunt):
Gällias Caesar subegit, Nicomedes Caesarem:
ecce Caesar nunc triumphat qui subegit Gallias,
Nicomedes non triunlphat, qui subegit Caesarem.
Digitfzecf by
gle
270
sind reine spätlateinische trochäische Septenare mit nur einer Kurze
in der 1. Senkung jeder Dipodie. Die andern (bei Sueton Caes. cap.
51 und 80):
U'rbani, servate uxores, moechum calvum addücimus;
aürum in Gallia eflfutuisti, hie sumpsisti raütuum.
Gällos Caesar in triumphum dücit, idem in cüriam;
Gälli bracas deposuerunt, latum clavum sümpserunt.
Brutus quia reges eiecit, cönsul primus fäctus est:
Hfc, quia consules eiecit, rex postremo factus est.
sowie die Senare im Augustus des Sueton (cap. 70)
Pater ärgentarius, ego Corinthidrius.
Postquäm bis classe victus naves perdidit,
aliquändo ut vincat, lüdit assidue aleam.
sind zwar ausdrücklich als durchaus volksthümliche Spottverse bezeichnet
(Caes. 51 'disticho iactato a militibus per triumphum*. 80 *üla vulgo
canebantur. 'subscripsere quidam statuae Caesaris'. Aug. 70 'ad statuam
adscriptum est*. *epigramma vulgatum est*), allein es sind ganz regel-
rechte altlateinische quantitirende Verse mit 1 oder 2 Kärzen oder 1
Länge in jeder beliebigen Senkung, mit häufigen Elisionen, ja sogar mit
aufgelösten Hebungen. Dass die meisten derselben trochäische Septenare
sind, kann nicht auffallen, da ja Plautus selbst ebenso viele trochäische
Septenare als jambische Senare hat, d. h. von beiden je über 8000.
Dass der Wortaccent oft (nicht immer) mit dem Versaccent zusammen-
fällt, ist die unvermeidliche Folge der einförmigen Betonungsgesetze der
lateinischen Sprache. So finden sich auch unter den Spruchversen des
Publilius Syrus, der ebenfalls zu Caesars Zeit lebte, eine Reihe von troch.
Septenaren, in denen die Wort- und Versaccente zusammenfallen; so U 32.
F 22. I 22. C 6. 41. F 19. 20. M 71. N 5. 9. 0 4. P 30. Q 61.
S. 23. 48. U 34:
U'bi peccatum cito corrigitur fäma sölet ignoscere.
Feminae natüram regere desperare est ötium.
Tracündiäm qui vincit hostem süperat mäximum.
Bei Publilius wird aber Niemand Stücke accentuirter Volksdichtung
Hinnehmen wollen.
Ebenfalls kurz nach Caesars Zeit entstanden, aber ebenfalls reine,
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271
quantitirand gebaute altlateinische troch. Septenare sind die Spottverse
(SchoL Juven. 5, 3 a populo dicta):
'Aliud scriptum habet Sarmentus, aliud populus voluerat.
digna dignis: sie Sarmentus habeat crassas cömpedes.
rüstici ne nihil agatis, äliquis Sarmentum älliget.
Abgesehen von dem reinen troch. Septenar (Sueton Calig. cap» 6):
'Salva Roma, salva patria, sälvus est Germanicus'
bleiben also nur die auf Kaiser Aurelian gedichteten Verse (cantilena)
bei Vopiscus cap. 6 u. 7:
Mille mille mille mille mille decoUavimus.
ünus homo mille mille mille decoUävimus.
mille mille mille mille vivat, qui mille occidit.
tantum vini nemo habet, quäntum fudit sanguinis.
Mille Sarmatas mille Francos semel et semel occidimus
mille mille mille mille mille Persas quaerimus.
Diese Verse sind zunächst unsicher, da die schief gedruckten Wörter
in den Handschriften fehlen; so sehr femer die eine Zeile 'tantum vini
nemo habet quantum fudit sanguinis' den Gesetzen der accentuirenden
Poesie entspricht, so wenig die andere 'mille Sarmatas mille Francos
semel et semel occidimus*. Die bisher besprochenen Verse ergeben also
keine Stützen für die gangbaren Ansichten über die Entstehung der
accentuirenden Poesie.
Commodian (um 250) hatte schon vor jenen Liedern auf Aurelian
seine Hexameter gebaut. Im Anfang der Zeile und nach der Caesur hat
er die Quantität der Silben, aber ebenso sehr auch den Accent derselben
durchaus vernachlässigt; im Caesurschluss und im ZeilenschlusB beob-
achtet er Regeln, aber nicht die dgs Accentes, sondern nur die der
Quantität; z. B.
ostendit quae pötörat quoniam deum nemo quaeröbat.
iam paene medlötas annorum sex milibus Ibat.
pete et dabo tibi et habebis gentes heredes.
ut exaltaretur sola sempiterna maiestas.
sit licet descriptum non sit nobis cura de lUis.
in scelere coöpit versari gens omnis humäna.
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272
Wie war ein solcher Versbau möglich, wenn dem Commodian eine
Dichtungsform vor Augen stand^ in welcher die quantitatslangen, vom
Versaccent getroffenen Silben einfach durch die vom Wortaccent ge-
troffenen ersetzt wurden?
Betrachten wir nun diejenigen Dichtungen, in welchen die Quantität
völlig missachtet und der Wortaccent beachtet ist, so müssen zu-
nächst diejenigen trochäischen Zeilen ausgeschieden werden, in welchen
nach jeder Dipodie Wortschluss eintritt. Da es nemlich vermieden wurde,
<len Schluss durch ein einsilbiges Wort zu bilden, so müssen hier die
Wortaccente 2 Trochäen bilden; z. B. dpparebit repentina; für obscura
velut nocte; ite dicit rex ad dextros. Aber in denjenigen trochäischen
Zeilen, welche nicht nach jeder Dipodie Wortende haben und in allen
scheinbar jambischen Zeilen tritt jene sonderbare Erscheinung auf, welche
ich an anderer Stelle (Rythmen S. 54. 55) hervorgehoben habe: sobald
man die lateinischen Wörter nach ihrem Accente spricht, hat nur der
Zeilenschluss den gleichen jambischen oder trochäischen Tonfall, dagegen
die Silben vor dem Schlüsse haben jeden beliebigen oder vielmehr jeden
möglichen Tonfall. So stehen sogleich in dem ältesten lateinischen ryth-
mischen Gedichte, dem Psalm des Augustin, Zeilen mit dem verschieden-
sten Tonfall nebeneinander: Bonus auditor fortässe quaerit qui ruperunt
rete Homines mültum superbi qui iüstos se dicunt esse Ut peius
committant scelus quam commiserunt et ante. Bonos in väsa misörunt
reliquos mdlos in mare. In dem von Aurelian um 550 erwähnten und
von Beda als Muster eines rythmischen Gedichtes citirten Hymnus 'Rex
aeterne' finden sich die Zeilen Rerum creätor ömnium. Cui tüae imägini.
Vültum dedisti similem. Nöstrae videns vestigia. Wie in diesen ausser-
ordentlich zahlreichen Gedichten, so ist auch in den seltenen rythmischen
Hexametern keine Rede von einer Nachbildung des metrischen Tonfalls:
Cur flüctuas animä | moerörum quassata procellis.
nee casus honoris | sed ruinas änimae plöra.
'Ego näta düos | patres habere dinöscor
me pater ignitus | ut nascar creat urendo.
Im Halbzeilen- und Zeilenschluss ist der Wortaccent stets richtig;
nur Dichter, welche der quantitirenden Dichtungsweise sehr gewohnt
waren, haben (äusserst selten) im Schluss der accentuirten Zeilen ein
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273
Wort nach der Quantität betont, z. B. exitiüm und cor piüm gereimt
(vgl. Rythmen S. 118), und in (nicht vielen) Gedichten der rohesten Art
ist auch im Zeilenschluss nicht auf die Gleichheit der Accente geachtet
(vgl. Rythmen S. 51); so lautet in der Berner Handschrift no. 611 (saec. 8/9
fol. 80) die erste von 19 Strophen:
'Agius atque igneus Spiritus sanctissimus
antequara fieret mündus pätri aequälis filius
trinum refiilgens ünicus omoüsyon kyrius.
Das sind aber nur einzelne Ausartungen; im Allgemeinen steht die
Regel fest: im Halbzeilen- und Zeilenschluss wird Gleichheit des Tonfalles
beobachtet, vor demselben aber nicht. Einen Ausweg allerdings haben
unsere Gelehrten gefunden: die sogenannte schwebende Betonung. Sie
nehmen ein metrisches Schema und setzen nun in den rythmischen Zeilen
die Accente ebenso wie in den quantitirenden, also z. B.
ostendit quae poterat quoniam deum nemo quaerebat
in scelere coepit versari gens omnis humäna.
Bonus aüditör fortasse. Reliquos malös in märe.
Cui tuae imagini. Vultüm dedisti similem.
Cur fluctuäs animä moerörum quassäta procellis.
'Ego näta duös patres habere dinoscor.
So brachte man der lieben Theorie halber ein Ding fertig, wie jenes
Messer ohne Klinge, an dem der Griff fehlt: nach dem Wortaccent ge-
baute Verse, in welchen der Wortaccent nicht beachtet wird (vgL meine
Rythmen S. 56)^). Ob man es wohl wagen wird, diese Theorie auch in
die griechischen Rythmen einzuführen und also Zeilen, wie VJüJi/ o ßkinioy
1) Ernst Voigt ist noch weiter gegangen. Er hat in der deutschen Literaturzeitung (1883,
17. März) meine Ausgabe des Ludus de Antichristo recensirend von den 4 Schemata, welche
ich für die 300 Dreizehnsilber und die 38 Elfsilber aufgestellt habe, nur 2 anerkannt, nemlich
-' w sj J- sj -L- för die sechssilbigen und -'- ^ -i- w -^ w -^ für die siebensilbigen Halb-
zeilen. Da mir nun 170 von jenen 300 Versen sich in dieses Schema nicht zu fQgen schienen,
fing ich bei Voigt an; seiner Güte verdanke ich die Antwort, dass er durchaus nicht jene 170
Zeilen für falsch erkläre, sondern dieselben nur nach seiner Art l>etone, also z. B. Quös volünt
infmicf. Venerünt gentds dei (so V. 131 nach Voigts Coiyectur). Ülciscatür manüs. Qua fruentür
mecüm. Römani iüdicis. Süb forma väritäs. D^cendit da caelfs. jßxcelläns est in armfs. Die
Meisten werden mir verzeihen, wenn ich diese nagelneue und noch nicht begründete Betonungs-
weise der lateinischen Wörter nicht weiter bekämpfe. Ich werde hier auch keine Rücksicht nehmen
auf die wissenschaftlich begründeten Theorien von Hadley (in Curtius Studien 5 S. 409), von
Hilberg (Das Prinzip der Silbenwägung 1879 S. 273) und von Haussen (Rhein. Mus. 37, 1882,
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. II. Abth. 36
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274
ndyra und M^yalvvo) aov owtcq und 'AL&(]p r^y xe(paki^y fiov^ alle in
gleicher Weise zu betonen?
Nein, das Wesen, die Kraft und die Schönheit aller accentuirenden
Dichtung besteht darin, dass in derselben die Wörter ebenso betont
werden, wie in der täglichen Rede der Menschen. Dann aber muss für
die gesammte lateinische rjthmische Dichtung von ihrem frühesten An-
fange an die Regel anerkannt werden, dass in den sich entsprechenden
Zeilen sich entsprechender Tonfall nicht beobachtet wird, dass also auch
in den rythmischen Versen der Tonfall der metrischen Vorbilder, seien
dieselben nun Hexameter oder Trochaeen oder Jamben, nicht festgehalten
ist Daraus folgt, dass das Grundgesetz der lateinischen Rythmik mit
der gewöhnlichen Ansicht, wornach an Stelle der vom Versaccent ge-
troffenen langen Silben die vom Wortaccent getroffenen Silben getreten
seien, durchaus in Widerspruch steht.
Die rythmische Dichtung der Griechen ist zuerst von Pitra
und W. Christ in den Kreis der wissenschaftlichen Untersuchung einge-
führt worden. Wie ist dieselbe entstanden? Von einer ursprünglichen
Existenz derselben als Dichtungsform des ungebildeten griechischen Volkes
kann keine Rede sein, da auch nicht die geringste Spur sich davon fand.
Auch die andere Hypothese, mit der Ausbreitung der griechischen Sprache
über fremde Völker sei in der Aussprache nicht mehr die Länge oder
Kürze der einzelnen Silben, sondern nur noch die stärkere oder schwächere
Betonung derselben beachtet worden und sei so die Dichtungsform ent-
standen, in welcher nur die vom Wortaccent getroffenen Silben an Stelle
der vom Versaccent getroffenen langen traten, auch diese Hypothese
lässt sich bei den Griechen nicht festhalten.^) Denn jene Verderbniss der
Aussprache begann schon unter den Nachfolgern Alexander des Grossen;
die Spuren der neuen Dichtungsform sind abet sehr viel später. Babrius^
S. 252) über die Betonung der griechischen Wörter. Hadly meint, die griechischen Accente
hätten nur hohen und tiefen Ton, nicht starken, bezeichnet; dazwischen habe es einen nicht be-
zeichneten mittelhohen Ton gegeben, der z. B. in <rai^«r« cörpora auf ßn und po fiel ; H i 1 b e r g
folgt Hadleys Spur und meint, in früheren Zeiten (d. h. vor dem Aufkommen der Accentpoesie)
seien die griechischen Wörter wie die lateinischen betont worden, d. h. nie auf der letzten Silbe,
stets auf der vorletzten langen, in drei und mehrsilbigen nie auf der vorletzten kurzen; Haussen
endlich stellt die Regel auf: ist die Ultima lang, so hat die Ultima den Ictus (den verstärkten
Wortaccent), ist die Ultima kurz, so hat die Paönultima den Ictus.
1) Vgl. meine Abhandlung *zur Geschichte des alexandrinischen und lateinischen Hexameters'.
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275
wohl im Ende des 2. Jahrhunderts, setzt zwar stets auf die vorletzte Silbe
seiner Verse Paroxytonon, aber sonst sind seine Verse nach den fein
beobachteten Gesetzen der Quantität gebaut. Methodius um 312 n. Chr.,
welcher nur den quantitirenden Versbau kennt, hat zwar die Gesetze der
Quantität in einer für seine Zeit unglaublichen Weise missachtet, allein
von einer Rücksicht auf den Accent der Silben ist bei ihm keine Spur.
Erst Gregor von Nazianz hat 125 Zeilen gedichtet ohne jegliche Rück-
sicht auf die Quantität und mit dem festen Gesetze, dass die vorletzte
Silbe den Wortton hat. Nun wäre der Zufall fast unbegreiflich, dass
erst gegen das Ende des 4. Jahrhunderts und bei Griechen und Römern
gleichzeitig in Folge der verderbten Aussprache ein so merkwürdiges
Ereigniss, wie der Uebergang der quantitirenden zur accentuirenden
Dichtungsform es ist, sich vollzogen habe. Dass ferner auch bei den
Griechen nicht die accentuirten Silben an Stelle der vom Versaccent
getroffenen langen Silben getreten sind, das wird später gezeigt werden.
Demnach ist 1) durch Nichts wahrscheinlich zu machen, dass bei
den Griechen oder bei den Römern die rythmische Dichtungsform ur-
sprünglich sei, aber in den Zeiten vor Christus nur noch vom gemeinen
Mann angewandt worden wäre; ja diese Annahme ist fast mit Gewissheit
als falsch zu erklären, da in den so vielartigen und zahlreichen Resten
der alten Literatur sich von Dichtungen jener Art auch nicht der kleinste
Rest mit Sicherheit nachweisen lässt. Es ist 2) in hohem Grade un-
wahrscheinlich, dass dadurch, dass die Aussprache verschlechtert war
und nicht mehr die Länge oder Kürze, sondern nur die starke oder
schwache Betonung der Silben beachtet wurde, im Laufe der Kaiserzeit
im Versbau die stark betonten Silben an Stelle der vom Versaccent ge-
troffenen langen und die schwach betonten Silben an Stelle der vom Vers-
accent nicht getroffenen langen oder kurzen gesetzt worden seien. Denn
nach diesem einfachen, für uns Deutsche zuletzt von Opitz wieder entdeckten,
Gesetze wäre die Nachbildung der jambischen und trochäischen Zeilen
sehr leicht gewesen. Allein da in den frühesten rythmischen Dichtungen
der Griechen und Römer kein bestimmter jambischer oder trochäischer
Tonfall festgehalten ist, so erhellt, dass die Dichter jenes einfachen Ge-
setzes sich nicht bewusst waren. Widerspricht diese eine EigenthümJich-
keit der rythmischen Dichtung geradezu den gewöhnlichen Ansichten
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276
vom Ursprung derselben, so haben andererseits die alten und die ältesten
lateinischen Rythraen eine Reihe von Eigenthümlichkeiten geraeinsam,
deren Ursprung sich nach jenen Ansichten nicht erklären lässt Da ich
den Bau der Fünfzehnsilber, der Achtsilber und der seit 1100 unter-
gegangenen Zwölfsilber mit jambischem Schlüsse und anderer Zeilenartan
schon früher ausführlich dargelegt habe (Rythmen S. 45 — 109), will ich
hier einige seltnere Arten als Beispiel behandeln.
Verschiedene rythmische Hexameter.
Nicht weit verbreitet und früh untergegangen sind die rythmischen
Nachbildungen des Hexameters (vgl. Rythmen S. 190 — 192). Eine An-
zahl von Grabinschriften longobardischer Fürsten und hoher Geistlichen
aus den Jahren 700 — 750 ist in Versen der Art geschrieben:
Si meritis iacentum | piis laus datur sepulchri
hie tumulus laudandus j manetque (quem?) funere tanto
inclitus confessor | dei Damianus beavit
civiumque (qui) lumen [ extitit et gloria vatum. Oder:
Hie Sacra beati j membra Cumiani solvuntur
cuius coelum penetrans | anima cum angelis gaudet.
Diese Verse, an den Hauptstätten der damaligen Schulbildung ver-
fasst, hätten den Todten und den Dichtern nur Spott und Schande
eingetragen, wenn sie quantitirende Hexameter sein sollten; sie können
nur das sein, als was eine Handschrift des 9. Jahrhunderts die Grab-
schrift des Damian durch den Zusatz RITHM . bezeichnet , nemlich
nach dem Wortaccent betonte Nachbildungen des quantitirenden Hexa-
meters. Deren Auftreten erregt keine Verwunderung; denn es herrschte
damals Freude an der rythmischen Dichtung und die geschicktesten
Dichter machten bald rythmische bald quantitirende Verse.
Die Dichter der rythmischen Hexameter geriethen allerdings in be-
sondere Schwierigkeiten. Denn das Grundprinzip der rythmischen Dichtung
verlangt Gleichheit der Silbenzahl in allen sich entsprechenden Zeilen
und Halbzeilen: der Bau des Hexameters verlangt Ungleichheit Der
Tonfall des Hexameters Hess sich nicht nachbilden; denn lauter reine
Daktylen durften nicht genommen werden und Spondeen können in der
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277
lateinischen Rythmik fast nicht gebildet worden; und selbst, wenn sie
die Nachbildung des Tonfalls auf den Schluss der Zeile und der Halb-
zeile beschränkten, kamen sie nicht durch. Denn die männliche Caesur
wie 'arma virumque cano' oder Italiam fatö kann in der rythmischen
Poesie nicht nachgebildet werden, da jedes lateinische Wort den Haupt-
accent auf der vorletzten oder drittletzten Silbe hat, nie auf der letzten
oder viertletzten. So ist es nicht zu verwundern, dass fast jeder dieser
Dichter seine besonderen Eigenthümlichkeiten hat, je nachdem er mehr
die Silbenzahl oder den Tonfall oder, wie einige, gar noch die Quantität
im Auge behielt.
(Silbenzahl.) Die longobardischen Inschriften haben vor der
Caesur nie bloss 5 Silben, sondern meistens 6 oder 7, selten 8; nach
der Caesur meistens 8 oder 9, selten 7 Silben. So beträgt die Gesammt-
zahl der Silben meistens 15, selten 14 oder 16 und sehr selten 13
oder 17.
Was den Tonfall betrifft, sind zunächst die Schlüsse zu betrachten.
Der Zeilenschluss liess sich leicht nachbilden, und so haben die letzten
5 Silben aller rythmischen Hexameter den Tonfall -^ « « -^ « ; einsilbige
Schlusswörter sind natürlich auch hier gemieden. In der Mitte liess sich
Xiur der seltene weibliche, nicht der regelrechte männliche Caesurschluss
nachbilden; dess wegen gehen hier die Gedichte am weitesten auseinander;
die einen schliessen mit -^ w mültos, die andern mit -^ w ^ hömines,
die meisten wechseln mit beiden Arten. In den Stücken vor diesen
Schlüssen wird der Tonfall des Hexameters nicht mehr nachgeahmt, z. B.
inclitüs confessor | dei Dämianus beavit
sümpsit säcerdötiüm | et verba mystica plebi.
In grege dominico | pdscens oviculas Christi.
Hie Sacra beäti { membra Cümiäni solvuntur.
Nur scheuten manche Dichter in diesen Stücken (durchaus nicht im
5. Fuss) die Verwendung dessen, was ich rein daktylischen Schluss ge-
nannt habe (Rythmen S. 123 — 128), d. h. der Wörter die mit 2 unbe-
tonten Silben schliessen. Im Gedicht auf den heil. Cumian vom Jahre
736 ist im 4. Fuss überhaupt der daktylische Tonfall vermieden, indem
von den 16 Zeilen (abgesehen von dem unsichern 8.) 3 mit ^ -^ s^ ut felix
modo credatur, die andern 12 mit -^ w - w membra Cümmni solvuntur
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278
beginnen. In den meisten Gedichten geht dem 5. Fasse wohl eine be-
tonte und 2 unbetonte Silben voran, allein dieselben sind stets auf zwei
Wörter vertheilt, wie päscens oviculas Christi und nur einmal bilden sie
Wortschluss, in gubemrfcWa tenuit regni.
Im Schlüsse der rythmischen Hexameter ist, wie bemerkt, der Ton-
fall des 5. und 6. Fusses nachgebildet, wie 'datur sepülchri . münere
data . nimium plüres . pläcidae mänus\ In manchen Gedichten wird hier
eine sonderbare Art von Quantität beobachtet. Denn während die
Hebungen des 5. und 6. Fusses unbedenklich mit Kürzen gefüllt werden,
wie tenuit aüdax . bellica dücem, sind die Senkungen des 5. Fusses zwar
durch Naturlängen, aber nicht durch Positionslängen gebildet, also wohl
moribus prudentiä poUens, praestantissimö nato, allein nicht 'dätür se-
pülchri' 'nimiom plures*. Von den longobardischen Inschriften haben
nur die kleinen auf Ansprand von 712 und auf Audoald von 718 diese
halbe Quantität im 5. Fusse beobachtet; allein später werden sich
andere Beispiele bieten*).
Der Versbau der sechszeillgen Räthsel (Beilage No. III).
Mone, Riese und E. Schenkl erkannten nicht den Bau dieser Zeilen.
Es sind, wie M. Haupt kurz sie bezeichnete, rythmische Hexameter. In
Hinsicht auf die Silbenzahl hat der Dichter die Nachbildung des
quantitirenden Hexameters fast ganz aufgegeben und dem Gesetz der
rythmischen Dichtung gehorcht: Seine Zeilen haben durchaus gleich viele
1) Dass diese besondere Art von Metrik weiter verbreitet war, zeigen die Gedichte Albars
(um 850), auf die L. Traube mich aufmerksam machte. Albar rühmt seine Verse als heroische oder
ipetrische, nicht rythmische; allein er meidet es nur, die Kürzen des Daktylus durch Positions-
oder Consonantenlängen zu füllen, föllt sie aber oft genug durch Vokallängen; z. B.
Et pedibus metricis rithmi contemnite monstra
Que segnis harrans floxus sie rancide sannas
Devio mugitu pangit ut cantica turpet
Ecclesiae, plevis quae semper fulgida claret.
Er schreibt ofb in stärkster Keimprosa. Das kann er aus der früheren lateinischen Literatur
geerbt haben; er kann es aber auch direkt aus dem Arabischen gelernt haben; denn in einer
merkwürdigen Stelle (im Indiculus lumin. bei Migne 121, 556) spricht er davon, wie ungeschickt
die Christen Lateinisch schrieben, wie geschickt sie dagegen die Reimkünste (finales clausula»
unius Htterae coartatione decorent: Tiradenreim V) der Araber nachmachten.
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279
Silben, 6 in der 1., 8 in der 2. Halbzeile. Wo mehr Silben zu stehen
scheinen, werden 2 Vokale zusammengezogen; so in dem Stücke zu
6 Silben 28, 3 exiguos conläpsa, und in den Stücken zu 8 Silben: 14, 5
sie creant ülii nepotes. 19, 3 gladio divellor a ventre. 25, 3 fa^ies et
nomina multa. 32, 3 si non absorbuero matrem. 45, 5 miros eflScio
sapores. 52, 3 concrescunt hlii latebris. 57, 2 longa per atria ingiens.
60, 5 faciem sed cuncti mirantur.
Was die Hauptsache, die Betonung betrifft, so ist der Dichter
hierin sehr peinlich. Die Schlüsse sind streng und regelmässig gebildet.
Im Zeilenschluss haben die letzten 5 Silben stets den Tonfall -^ w yj -^k,;
imCaesurschluss hat der Dichter, wie ich schon Rythmen S. 1 9 2 be-
merkt hatte, für nur einen festen Schluss, den trochäischen ^), sich ent-
schieden. Bücheier und Brandt haben das nicht beachtet; denn die
Schlüsse 19, 3 dum nascor gladio. 54, 6 nam stantes minimum. (59, 5
imber nix glacies. Brandt S. 104) sind nur ihre irrigen Vermuthungen.
22, 3 ist die von Brandt angenommene Lesart der Handschrift B modicos
operans cibos egena requiro (vom Schafe) nur ein recht ungeschickter
Schreibfehler für das richtige oberrans der andern Handschriften.
Vor diesen gebundenen Schlüssen ist der Tonfall frei gegeben, jedoch
nur unter gewissen Bedingungen. Der Anfang der 1. Halbzeilen hat in
der Regel den Tonfall -i- w -^, wie ego nata duos; tertia me mater; et
in nüUo patris. Aber in 55 Versen unter den 372 ist der Ton auf die
2. Silbe gerückt und zwar so, dass in etwa 26 Versen ein ein- und ein
zweisilbiges Wort den Anfang bildet, wie me päter ignitus, in etwa 22
ein viersilbiges florigeras fero. dissimilem sibi, nur in 6 ein ein- und
ein dreisilbiges 11, 2 dum iäceo multos (vgl. 1, 4. 31, 4. 35, 4, 57, 4.
59, 1). Dagegen sind unmittelbar im Anfange der ersten wie der zweiten
Halbzeile die dreisilbigen Wörter merkwürdigen Regeln unterworfen.
Im Anfange der 1. Halbzeile ist ein dreisilbiges in der Mitte betontes
Wort, wie surrecta, verboten, im Anfange der zweiten Halbzeile sind nur
diese gestattet und die dreisilbigen daktylischen Wörter, wie ömnia, ver-
1) Ich weise nicht, ob nicht hieraus entwickelt ist die im Grossen und Ganzen mir unver-
ständliche These von Seb. Dehner (Hadriani Reliquiae, Bonner Dissert. 1883 These no. 7) : Sumuia
hexametri yul^ris lex est non depravatio heroici hexametri sed commixtio rythmi dactjlici Cpoeiie-
riore hemistichio) cum rythmo trochaico (priore hemistichio) simul accedente verborum accentti.
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280
boten. Denn im Anfange der 1. Halbzeile von 14, 2 und 15, 4 ist, wie
öfter, zu betonen annis que peractis; nüUum que de ramis; der Vers
7, 3 implettis invisis domus sed vacua rebus ist mir überhaupt unver-
ständlich; in 16, 6 acetum eructant exta (reclusa) saporem wird, da auch
das Metrum dagegen ist. Niemand mit Brandt acetum = acidum nehmen,
sondern acidum corrigiren. So bleibt nur 33, 3 extremos ad brumae me
prima confero menses, wo zu stellen ist ad extremos brumae.
Im Anfange der 2. Halbzeile sind nur 2 Silben frei; diese haben
bald den Tonfall ^ -^, bald '- ^: ut ndscar creat urendo; älter qui mörte
finitur; der letztere Tonfall scheint sogar beliebter; denn ich sehe keinen
andern Grund für die häufigen sonderbaren Stellungen:
4, 4 plures fero libens, | meo dum stabulo versor.
5, 4 vestibus exutam | turpi me modo relinquunt.
11, 1 mortua maiorem | vivens quam porto laborem.
20, 5 milia me quaerunt, | dies sed invenit una.
Dagegen dreisilbige Wörter mit eben diesem daktylischen Tonfall
sind an dieser Stelle verboten: Also ist 27, 3 die Lesart der Handschrift
L vestibus sub meis [ non queo cernere solem (non quero A V) der von
B nequeo unbedingt vorzuziehen. Nur in den Versen
6, 6 et amica libens | öscula pörrigo cunctis
28, 2 qua repleta parva | vülera magna produco.
38, 6 et aestivo rursus | ignibus trädo coquendos.
hat der Dichter sich Ausnahmen gestattet, die kaum angetastet werden
dürfen, wenn auch die interpolirte Handschrift F 28, 2 produco vellera
magna und 38, 6 den quantitirenden Hexameter 'rursus et aestivo co-
quendos ignibus apto* bietet.
Höchst merkwürdig ist die Berücksichtigung der Quantität im 5.
und 6. Fusse.^) Die fünfte Hebung ist frei gegeben, also findet sich
auch cr^at urendo. conc/pio prolem. Dagegen für die sechste Hebung
hat der Dichter quantitätslange Silben gesucht. Bei den dreisilbigen
1) Brandt (8. 105j drückt sich 80 aus: In quinto et sexto pede legitimi hexametri valet
memoria, cuius modo procul habeas iustam syllabarum quantitatem, illi semper referunt speciem.
sed ne illa quidem plane neglecta: paenultima enim versus syllaba semper sive natura sive
positione longa exceptis bis locia . . . en Toces dissylabas, quales maxime inclinare solebant ad
eam licentiam.
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Schlusswörtern (vier- oder mehrsilbige kommen auch bei diesem Dichter
nicht vor) versteht sich das von selbst; denn wenn sie den Wortaccent
auf der vorletzten Silbe haben^ muss dieselbe auch von Natur lang sein ;
allein auch unter den 234 zweisilbigen Schlusswörtern finden sich nur
folgende mit kurzer vorletzter Silbe: 4, 1 locis. 7, 2 vetor. 9, 1 ego.
9, 6 loco. 10, 6 valet. 15, 5 edit. 16, 5 caro. 42, 4 cupit. 49, 4 vias.
59, 0 nocent. 61, 1 locis, während im Schluss der ersten Halbzeile unter
270 zweisilbigen Wörtern 105 mit kurzer vorletzter Silbe stehen. In
den Senkungen des fünften Fusses wird die oben (S. 278) bezeichnete
halbe Quantität beobachtet: es stehen hier naturlange, aber nicht positions-
lange Silben ; so sind ganz gewöhnlich die Fälle, wie morte ftnitur. cuncti
requirunt. visu mirantur; dagegen die Ausnahmen sind sehr selten: in
5, 6 ist die Lesart von B per anguZos versant (statt angula der übrigen
Handschriften) wohl nur Correctur eines ängstlichen Grammatikers; 27. 2
haben statt des columna virdisco von B die andern Handschriften c. viresco
und 14, 6, ist statt dolons salutem sicher dolori zu lesen. Dagegen
müssen, so leicht sie auch zum Theil zu ändern wären, wohl unangetastet
bleiben die Ausnahmen in 5, 5 pro bonis mala r^rfduntur; 23, 1 generat
mater; 26, 6 produco cordis saporem; mafer figuram; (48, 1 gerens
figuras); 61, 6 mxmquam videbit.
Der Hiatus^) wird von diesem Dichter fast gänzlich gemieden
(auch 9, 1 ist wohl aevo Heva statt Eva zu schreiben); doch dürfen die
wenigen überlieferten Fälle (47, 4 vocem non profero uUam; 61, 2 sine
radice immenses. 61, 4 viae ego) nur desshalb nicht geändert werden.
Diese Gesetze vermochte ich im Bau dieser Zeilen zu erkennen.
Gruppirt sind dieselben so, dass immer zwei zusammengehören und
nach jedem 2. wie 4. Verse völliger Sinneschluss stattfindet, welcher
stets durch einen Punkt bezeichnet werden kann. Durch dieses Paar-
gesetz allein schon werden manche Versumstellungen widerlegt, die
früher versucht worden sind. Ich habe die rythmischen Hexameter
longobardische genannt (Rythmen S. 190), weil ich sie nur in lom-
bardischen Inschriften von 700 — 750 n. Chr. fand. Wie später gezeigt
1) D. h. schliessender Vokal vor anfangendem; denn schliessendea m vor Vokalanfang wird
von keinem rythm. Dichter vermieden.
Abb. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 37
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282
wird, weist der Inhalt dieser Räthsel ebenfalls in die Lombardei und
passt die Sprache gut in das 8. Jahrhundert; in diese Zeit passt auch
der Versbau, dessen hervorstechendste Merkmale die Gleichheit der Silben-
zahl, die Betonung des Schlusses der 1. Halbzeile, die Behandlung der
dreisilbigen Wörter im Anfang beider Halbzeilen, die Beachtung der
Quantität in der 5. Senkung und in d^r 6. Hebung und endlich das
Paargesetz der Zeilen sind.
Versbau der Exhortatio poenitendi (Beilage No. IV).
Einfpich sind die Gesetze dieser rythmischen Hexameter, welche auch
Haussen (de arte metrica Commodiani) erkannt hat. Die Langzeile zer-
fällt in zwei ungleiche Halbzeilen. Die erste zählt entweder 6 oder 7,
die zweite entweder 8 oder 9 Silben. Wenn die erste Halbzeile 6 Silben
zählt, so hat sie trochäischen, wenn 7, jambischen Schluss, also immo
puniendo oder mens confusa taediis. Die letzten 5 Silben der zweiten
Halbzeile bilden den Tonfall des Hexameterschlusses ^ ^ w — w nach,
also lüce percurris. Vor diesen Schlüssen ist der Tonfall frei gegeben
ohne weitere Feinheiten; also neben ^immo pümendo' auch \ihiecit te
mundus^, neben mens confusa taediis^ auch ^cur flücfuas anima*; dann
neben Htinera devia carpens* oder ^quae impie gesserat diem' auch ^sensus
tui cöUige gressus', aber neben ^subdücta lüce percurrunt' nur 'cörde di-
vülsa propellas*, während ein rein daktylisches Wort, wie in 'dominus
poenam minatur*, auch in diesem Gedicht nicht den Anfang der 2. Halb-
zeile bildet.
Hiatus ist wenig gemieden; 8 Mal findet er sich zwischen den
Halbzeilen, 16 Mal innerhalb derselben. Die Quantität der Silben ist
nirgends beachtet, auch nicht im 5. oder 6. Fusse. Die üngebundenheit,
mit welcher dieser Dichter arbeitete, zeigt sich auch in der Gruppirung
der Verse. Denn unbestreitbar herrscht die Regel, dass immer 2 Verse
zusammengehören und nach jedem Paare Sinnespause stattfindet. Dass
dieses Fanrgesetz so oft verletzt ist (V. 28. 88. 102.. 129. 142. 153. 158.
161), möchte ich nicht der Unsicherheit des Textes zuschreiben, so gross
diese auch noch ist, sondern der Üngebundenheit des Dichters. Die
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Bemerkungen über das Gedicht selbst werden ergeben, das Nichts da-
gegen spricht, auch dieses Gedicht in die Zeit der longobardischen In-
schriften zu setzen.
Lamentum poenitentiae (Beilage No. IV).
Der Bau rythmischer Hexameter war eine Verirrung, da dieselben
dem Hauptgesetz der rythmischen Dichtung, der Gleichheit der Silben-
zahl, zu sehr widerstreben. In den zahlreichen rythmischen Gedichten
der alten Zeit galten die strengen Gesetze, die ich an anderm Orte
(Rythmen S. 45 — 64) dargelegt habe. Als Beispiel derselben sei hier
kurz das 'Lamentum poenitentiae' besprochen, die Fortsetzung der
Exhortatio poenitendi (Beilage No. IV).
Diese 330 Zeilen haben stets 15 Silben, die in 2 Halbzeilen, zu 8
und zu 7, sich scheiden. Die 1. Halbzeile hat stet« trochäischen, die 2.
jambischen Schluss. Vor diesen regelmässig betonten Schlüssen ist, dem
Wesen der lateinischen Sprache gemäss, der Tonfall meistens trochäisch,
allein er wird auch oft genug gewechselt, und zwar in allen möglichen
Spielarten ohne Vermeidung daktylischer Wörter oder Wortschlüsse. So
finden sich in der 1. Halbzeile neben den (218) regelmässig betonten
Fällen, wie pülso rögans tota die, die Variationen: accipite dicens illis
(39 V.), peccävi tibi peccavi (10 V.), hdbeain münere tuo (63 V.); in der
2. Halbzeile findet sich neben den (241) regelmässig betonten Fällen,
wie vocem fletus elevans, in 89 Versen die einzige mögliche Variation,
wie liquesco formidine. Hiatus ist auch hier wenig gemieden; er steht
zwischen den beiden Halbzeilen 1 5 Mal, innerhalb einer Halbzeile 2 1 Mal.
Diese fünfzehnsilbigen Zeilen sind, wie oft, in Strophen von je 3 Zeilen
gruppirt und diese Strophen haben die fortlaufenden Buchstaben des
Alphabets als Initialen, hier mit der seltenen Häufung, dass mit A
60 Strophen, mit B 7, mit C bis L je 2, mit M 3, mit N 7, mit 0
bis R je 2 und mit S bis Z je eine Strophe beginnen.
Die alten rythmischen Gedichte in lateinischer Sprache haben also
in den sich entsprechenden Zeilen und Halbzeilen gleich viel Silben und
gleich betonte Schlüsse; vor diesen Schlüssen ist der Tonfall frei, d. h.
die Silben werden nur gezählt. Die Zeilen sind meistens zu Strophen
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gruppirt; die Initialen bilden oft das Alphabet oder bestimmte Wörter;
die Zeilenschlüsse sind oft durch allerdings unvollkommenen Reim ge-
bunden.
Augustins Psalm oontra partem Donati.
Von diesem ältesten Denkmal der lateinischen rythmischen Dichtung
(vgl. meine Rythmen S. 89) sagt Augustin (Retractationes I, 20) selbst:
Psalmus contra partem Donati; liber unus. Volens etiam causam Dona-
tistarum ad ipsius humillimi- vulgi et omnino imperitorum atque idio-
tarum notitiam pervenire et eorum quantum fieri posset per nos in-
haerere memoriae, Psalmum qui eis cantaretur, per latinas litteras feci
(a. 393/394), sed usque ad V litteram. tales autem abecedarios appellant.
tres vero ultimas (d. h. die nicht lateinischen X Y Z) omisi; sed pro eis
novissimum quasi epilogum adiunxi, tanquam eos mater alloqueretur
Ecclesia. Hypopsalma etiam quod responderetur et prooemium causae
quod nihilominus cantaretur, non sunt in ordine litterarum: earum quippe
ordo incipit post prooemium. ideo autem non aliquo carminis genere id
fieri volui, ne me necessitas metrica ad aliqua verba quae vulgo minus
sunt usitata compelleret. iste psalmus sie incipit: Omnts qui gaudetia de
pace modo verum iudicate, quod eins hypopsalma est.
Wegen der besonderen Wichtigkeit dieses Psalmes ist ein möglichst
sicherer Text zu wünschen. Die Benedictiner hatten ihn herausgegeben
'denuo recognitum ad antiquiores editiones Joannis Amerbachii, Des.
Erasmi ac Lovaniensium theologorum et ad variantes lectiones veterum
codicum Belgicorum Cambronensis ac Endoviensis'. Du Meril, Poesies
popul. a. 1843 p. 12Q, druckte ihn aus der Benedictinerausgabe ab, doch
mit Fehlern (so fehlen in Strophe D nach der 5. Zeile Cum Carthagineni
venissent episcopum ordinäre die 2 Zeilen: Invenerunt Caecilianum | iam
ordinatum in sua sede | Irati sunt quia ipsi | non potuerunt ordinäre)
und mit eigenen, meist unwahrscheinlichen Aenderungen. Ich hätte gern
einen möglichst nach Handschriften gereinigten Text dieser Abhandlung
beigegeben, allein trotz alles Suchens gelang es mir nicht eine Hand-
sclirift dieses Psalmes zu finden; in den Catalogen der grossen Biblio-
tlieken fand ich Nichts und spezielles Suchen in den Bibliotheken von
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Briissel, Paris, Vatican und Montecassino hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Es wäre also dringend zu wünschen, dass wo auch nur immer eine
Handschrift dieses Stückes gefunden wird, dieselbe besonderer Aufmerk-
samkeit gewürdigt werde.
Die Bestimmung der Silbenzahl macht hier besondere Schwierig-
keiteo. Die durch den Reim e kenntlichen Langzeilen zerfallen stets in
2 Halbzeilen. Liest man dieselben wie die übrigen rythmischen Zeilen,
so ergeben sich neben der Mehrzahl zu 8 Silben eine grosse Zahl zu 1>
und eine kleine zu 10 oder gar zu 11 oder nur zu 7 Silben. Den rich-
tigen Weg zeigt die Bildung der Schlüsse. Dieselben sind fast in allen
Zeilen trochäisch; in einigen neunsilbigen finden sich Schlüsse, wie datum
est; in etwa 22 neunsilbigen Zeilen finden sich die Schlüsse hödie, veniat,
nescio, sententiae, iudicio etc., d. h. ein (unbetontes) i mit einem andern
VokaL Dagegen findet sich kein Schluss, wie efficit.') Hieraus erhellt,
dass Augustin sich 2 Freiheiten gestattet hat: 1) Vocalverschmelzung,
2) Elision. Durch Anwendung dieser beiden Freiheiten werden erstens
alle Schlüsse trochäisch, dann von jenen Halbzeilen, die 9, 10 oder
11 Silben zählen, sehr viele achtsilbig. Wir müssen, um das zu er-
reichen, etwa 120 Elisionen annehmen, von denen 4 Mal je 2 in einer
Halbzeile stehen, wie B 10 factum altare contra altare, und etwa 22
mit Vocalverschmelzung in demselben Verse, wie E 9 inde alios infa-
maverunt. H 5 sed haec tam iniusta petitio. F 8 fieri altare contra
altare, Vokalverschmelzung ist, um achtsilbige Halbzeilen zu ge-
winnen, in etwa 90 Fällen anzunehmen. In etwa 13 Fällen ist e oder u
(F 8 videamus, N 4 gaudeamus, 0 12 palea, S 4 ideo, C 7 suis, D 7
potuerunt, epil. 19 suum; vgl. I 6. L 9. M 9), in allen übrigen Fällen i mit
einem folgenden Vocal zu verschmelzen. Besonders gehäuft sind diese
Verschmelzungen in L 9 habeat paleas area vestra, M 9 et postea
moriatur inde. 22 fallen, wie oben erwähnt, in den Zeilenschluss, wie
0 4 misit in'messem operarios, R 4 vobis communicant hodie, T 1 talis
si quis ad te veniat. In 19 Fällen finden sich in derselben Halbzeile
noch 1 oder 2 Elisionen, wie I 6 ut quod postea iudicatum est. H 8
ll Uenn B 11 spem ponimt in liomine, R 6 Legite quomodo adu/(en ^ puniantur in sancta
ksf^, Epil, 12 Jussit me apostolus sind wohl verdorben.
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Caecilianum cum illo audire. epil. 17 missuri essent dona ecclesiae;
die contrahirten Vocale fallen durch Elision weg in H 11 hie petitio
illa probatur und S 6 quia ipsam formam habet sarmentum. Zwei Ver-
schmelzungen in derselben Halbzeile finden sich M 7 quia scriptum est
reconde gladiuni.
Durch die Annahme der Vocalverschmelzung und der Elision wird
so eine grosse Zahl von neun-, zehn- und elfsilbigen Halbzeilen zu acht-
silbigen. Anderseits gibt es eine Anzahl achtsilbiger Halbzeilen, welche
nur dann achtsilbig bleiben, wenn wir Vocalverschmelzung oder Elision
nicht annehmen. So etwa 22 Verse, wie A 2 voluit nos praemonere,
A 11 quando retia ruperunt, D 9 impii fures superbi. Dieser Fall ist
minder auffallend, da ja auch in den altlateinischen Versen mens tuus
bald ein- bald zweisilbig ist. Auffallender ist dass, um den achtsilbigen
Vers nicht zu einem siebensilbigen zu machen, in etwa 11 Zeilen die
EHsion nicht angenommen werden darf; so D 5 episcopum ordinäre,
D 7 irati sunt quia ipsi, K 9 quare ergo consensistis; vgl. G 8. M 11.
Q 2. R 10. 11. S 6. T. 8. Epil. 3.^)
Wenn wir aber auch All' dieses thun zu Gunsten der achtsilbigen
Halbzeilen, dass wir, um 9, 10 und 11 silbige Zeilen zu vermeiden, Eli-
sionen und Vokalverschmelzungen annehmen, und wiederum, um 7 silbige
zu vermeiden, Elision und Vokalverscbmelzung nicht annehmen, selbst
dann kommen wir mit der gangbaren Ansicht nicht durch, dass Augustin
achtsilbige Halbzeilen verfasst habe. Das zeigen die Halbzeilen, die sicher
9 oder 7 Silben haben: Die Repetitio: Omnes qui gaudetis de pace (9).
B 3 Sic fecerunt scissuram (7). B 11 spem ponunt in homine (7, wohl
falsch). E 1 Ecce quam bonum et quam iucundum (9 = Psalm. 132, 1).
E 10 Per illos caeteri erraverunt (9). F 2 Non iudices sederunt (7, con-
sederunt Erasmics). G 12 cum totum vellent perturbare (9). I 2 Quod
postea fecit (6, sicher falsch). I 5 Quid curritis ad schisma (7). I 9 Et
nunc et vos totum nescitis (9). M 2 Vel legem regis referebat (9).
N 5 Si qui mali sunt in ecclesia (9). 0 6 ecclesias impleuerunt caste (9).
1) Zu betonen scheint, um einsilbigen Schluss zu vermeiden : 0 3 Quod illos tamquam aream
suam und Epil. 4 Et dicunt: o filii mßi. P 1 Pone in corde areas duas ut possis quod dico in
corde videre ist wohl zu ändern Pone areas duas ut possis quod dico in corde videre.
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P 2 Gerte et priores habebant sanctos (9). Q 3 Habet enim domini ex-
enapluin (9). Q 10 Ut quando non possunt excludi (9). R 6 Legite
quomodo adulteri (9, wohl falsch). T 12 Et tarnen Christianum talem
audes rebaptizare (8 + 7 oder 7 -f- 8)- Epil. 2 potestis et considerare (9).
12 Jussit me apostolus | pro regibus mundi orare (6 oder 7 -f- 8, wohl
falsch). 14 Si filii estis, quid invidetis, | quia auditae sunt preces meae?
(9 + 8). 29 Cantamus vobis, fratres, | pacem si vultis audire (7 + 8).
Das sind etwa 14 Halbzeilen zu 9 und 7 zu 7 Silben, wo man Zeilen
zu 8 Silben nicht herstellen kann, wenn man nicht zu solchen Mitteln,
wie considrare, greifen will. Demnach bleibt der Schluss, dass, obgleich
viele scheinbar neun-, zehn- oder elfsilbige Zeilen durch Annahme von
Elisionen und zum Theil sehr harten Vokalverschmelzungen, und ziemlich
viele siebensilbige durch Annahme von Hiatus oder Nichtannahme von
Vokalverschmelzung sich als achtsilbige erklären lassen, dennoch neben
der grossen üeberzahl der achtsilbigen Halbzeilen manche neunsilbige und
einige siebensilbige von Augustin selbst zugelassen sind.
Die Anwendung der Elision ist bei Augustin nicht auffallend, da ja
die Dichter seiner Zeit sie noch häufig anwendeten. Sehr auffallend ist
aber die übergrosse Anwendung der Vokalverschmelzungen. Da dieselben
in dieser Fülle und Härte selbst bei den altlateinischen Dichtern auf-
fallend wären, aber bei dem seltenen Gebrauche der Vokalschmelzung
bei den spätlateinischen Dichtern sich durchaus nicht erklären lassen, so
muss ein anderes Beispiel vorliegen, das Augustin nachahmte. Ver-
gleichen wir den Gebrauch des Augustin mit den Rythmen der älteren
Zeit, so glaube ich (Rythmen S. 51 u. 83) nachgewiesen zu haben, dass
Elision sich in denselben nicht beweisen lässt; dagegen ist Vokal Ver-
schmelzung noch in der Karolingerzeit häufig (vgl. Rythmen S. 50/51);
nicht selten wird die regelmässige Silbenzahl überschritten (ebenda S. 50. 60),
hie und da vielleicht nicht erreicht (ebenda S. 60/61).
In Rücksicht auf den Tonfall ist zunächst der Schluss der Halb-
zeilen zu betrachten. Wie oben bemerkt, steht fast immer der Accent auf
der vorletzten Silbe; die 22 Schlüsse wie veniat iudicio stehen in neun-
oder mehrsilbigen Zeilen, sind also mit Verschmelzung der beiden letzten
Vocale zu einer Silbe zu lesen, so dass hier ebenfalls trochäischer Schluss
entsteht. Die drei Schlüsse homine, adulteri und apostolus (B 11. R 6.
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Epil. 12) stehen in sieben- oder neunsilbigen Halbzeilen, sind also wohl
falsch überliefert; L 4 Quibus si et nos non credimus, | erit rixa sine
fine ist wohl credemus zu schreiben. Vor dem trochäischen Schluss ist
der Tonfall völlig frei und, da die zahlreichen in Elision oder Vokalver-
fichmelzung stehenden Silben doch auch noch gehört werden mussten, muss
die Melodie, nach der diese Langzeilen gesungen wurden, ziemlich dehn-
bar gewesen sein. Von Beobachtung der Quantität ist auch im Schlüsse
keine Rede, höchstens dass die zweisDbigen Schluss Wörter mit langer
vorletzter Silbe bedeutend zahlreicher sind als die mit kurzer (mare oft,
ßcelusj reuSj erat, mali, vetet, habet, vocant, cruce, vale, erant, fide,
datum, dare, bonum, viros, vide, mei).
Was die Gruppirung betriflft, so bilden je 2 Halbzeilen eine Lang-
Äeüe, deren Schluss mit dem der andern Langzeilen reimt. Der Anfang
des Gedichtes fehlt uns (prooemium causae, quod nihilominus canta-
retur); wir haben ausser der Refrainzeile noch 266 Zeilen, die zusammen-
gestellt sind in 20 Strophen zu 236 Zeilen und einen Epilog zu 30 Zeilen.
Von jenen 20 Strophen bestehen 18 aus 12, 2 (C und Q) aus 10 Zeilen,
die Initialen dieser Strophen werden durch die Buchstaben A bis V ge-
bildet (Abecedarius). Innerhalb dieser grossen Strophen vermochte ich
keine weitere regelmässige Gruppirung der Zeilen zu erkennen.
Fast die merkwürdigste Eigenthümlichkeit dieses Gedichtes ist der
Reim: alle 267 Langzeilen endigen auf e (oder ae), ohne Rücksicht ob
dasselbe lang oder kurz ist.
Der Versbau Commodians.
Gennadius (De scriptoribus ecclesiasticis um das Jahr 500) schreibt:
Commodianus dum inter saeculares literas etiam nostras legit, occasionem
accepit fidei. factus itaque Christianus et volens aliquid studiorum muneris
offerre Christo, suae salutis auctori, scripsit mediocri sermone quasi versu
libruni adversus paganos . . vili satis et crasso ut ita dixerim sensu.
Wir haben von Commodian etwa 2000 Zeilen. Das eine Tausend, die
Iftstructiones, eine Sammlung kleinerer Gedichte, nach Dombarts Unter-
suchungen (Hilgenfelds Zeitschrift f. wissenschaftl. Theologie 22, S. 36)
kurz nach 250 veröffentlicht, ist seit zwei Jahrhunderten (a. 1649)
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bekannt, das andere Tausend, ein etwa 249 n. Chr. entstandenes zu-
sammenhängendes Gedicht, worin die Hauptlehren der Christen dargelegt
und die Lehren der Juden und Heiden widerlegt werden, wurde von
Cardinal Pitra gefunden und im 1. Bande seines Spicilegium Solesmense
1852 mit dem Titel Carmen apologeücum zum ersten Male veröffentlicht.
Da der Text der Instructiones sehr schlecht, dagegen der des Carmen
apologeticum besser überliefert ist, und ich durch die besondere Güte
des künftigen Herausgebers, des Herrn Dr. Bernhard Dombart, die neue
Vergleichung der einzigen Handschrift im Midlehill benützen durfte, so
entschloss ich mich, dieser Untersuchung über Commodians Versbau nur
das Carmen Apol. (Vers 1 — 1020) zu Grund zu legen. Für die Erklärung
dieses Gedichtes ist Besonderes geleistet in Roensch's Ausgabe (ZeitBchrift
für historische Theologie 1872, 163 — 302), für den Text in der Ausgabe
von E. Ludwig (Teubner, 1877), welche ich citire. Die meisten Einzel-
heiten des Versbau's hat Friedr. Haussen, de arte metrica Commodiani,
(Strassburger Dissert. 1881 = Dissertationes philol. Argentor. V p. 1 — 90)
richtig erkannt; es sind aber nach meiner Ansicht nicht nur manche Eiu-
zelheiten nachzutragen, sondern auch die Thatsachen selbst anders zu
erklären als sie von Haussen erklärt sind.^)
Die Zeilen Commodians zählen 13 bis 17 Silben, sind also eine
Nachahmung des Hexameters; die wenigen Zeilen, welche weniger oder
mehr Silben enthalten, sind falsch; so 231. 479 (circumveniamus iusto
si qui nobis gravis esse videtur). 504. 643 (post XXXVIII annis para-
lyticum surgere iussit). 960; oder 123. 421 (0 mala progenies. subdola
fronte). 802 (ecce ianua pulsat et cogitur esse). In der weiteren Nach-
ahmung des Hexameters ist nur dessen Hauptform mit Caesur nach
der 3. Hebung festgehalten und darnach die Langzeile in zwei Htdbzeilen
getheilt. Die erst« Kurzzeile zählt, entweder, den Hexameter mit einer
Länge in der 2. Senkung (-1-^=^-' ^), nachbildend, 5 (selten) oder
6 Silben mit vorletzter langer Silbe, wie Mactabant iustos. Nunc exai-
1) Im Jahresber. d. class. Alterthumsk. XI, 1883, S. 451 bemerkt Hanssen 'Fraglich er-
scheint mir nur, wie weit die in der Natur defi Vulgärlateins begründeten Regeln durch UntUhig*
keit des Dichters gestört worden sind. In der taktischen Durchfuhrung der Gesetze mit Hilfe
der Textkritik mag ich zu weit gegangen sein .
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 38
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tabor. Quis potent unum. Errabam ignarus, oder, den Hexameter mit
2 Kürzen in der 2. Senkung nachbildend (j-^^ -l. s. w — ), 6 oder (häufiger)
7 Silben mit vorletzter kurzer Silbe, wie Induxerat eos. Plus eram quam
päl6a. Cui summus divitias. Et rüdes edöc6o. In der Halbzeile nach
der Caesur kommt es auf die 3. und 4. Senkung an; je nachdem beide
mit Längen, oder die eine mit einer Länge, die andere mit 2 Kürzen,
oder beide mit je 2 Kürzen gefüllt sind, — - — , — ^ w ^ oder w w — -,
w w -i- w w , zählt auch das Nachbild bei Commodian 8, 9 oder 10 Silbeo.
Wäre schon in rein quantitirenden Hexametern diese stete Beobachtung
der nemlichen Caesur auffallend, so hat Commodian die Theilung der
Langzeile in 2 Kurzzeilen dadurch noch schärfer markirt, dass er die
letzte Silbe der 1. Kurzzeile, obwohl sie eine Hebung repräsentirt, wie
Zeilenschluss behandelt, d. h. ihre Quantität nicht beachtet; z. B. 5 Plus
eram quam paleä | levior quasi centum adessent, 6 in humeris capitä |
sie praeceps quocunque ferebar. 652 Tunc iussit implerö | hydrias ve-
locius aqua, 653 quod prius gustavit | et sie ministrari praecepit
In der Prosodie hat Commodian Manches gemeinsam mit andern
quantitirenden oder rythmischen Dichtern, Manches ist ihm eigen. Ge-
meinsam ist z. B., dass in vielen Eigennamen die Quantität nicht mehr
beachtet wird und in den semitischen die letzte Silbe betont werden
kann; eigen ist ihm der Gebrauch von aqua und quöque mit vorletzter
langer Silbe (Haussen S. 39); deus steht im V. 398 400 488 663 787
954 984 am Schlüsse der ersten Halbzeile so, dass die vorletzte Silbe
lang sein müsste ; wenn nun auch &e6^ bei den Griechen und deus bei den
spätem lateinischen Rythmikern öfters die Freiheiten eines Eigennamens
geniesst, so ist dieses doch bei Commodian nicht wahrscheinlich, da sich
deus so im 6. Fusse nicht findet; desshalb ist an all diesen Stellen an-
zunehmen, dass die Abschreiber ds und diis verwechselt haben (vgl.
Haussen S. XX), was ja noch Pitra passirt ist, z. B. in 696 737 774 954.
Hiatus ist durchaus gestattet, was schon Versschlüsse, wie Nomine
adsit. humilem adsit. cura de illis. fallacia hostis, zeigen. Elision
kommt nur selten bei est vor, was Versschlüsse wie ^Causa resecta est.
Victus a summo est' zeigen. Auch Vokalverschmelzung kann, wenn
nöthig, angenommen werden, was Versschlüsse, wie ^proflüvio sanäta est
filii Judaei* beweisen. Die rythmischen Schulgesetze für den Bau
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des Hexameters (vgl. meine Abhandlung über die Beobachtung des Wort-
accents S. 9) hat Commodian gut gekannt und besonders im Schlüsse des
Hexameters genau beobachtet Im Zeilenschluss hat er nie 1 einsilbiges
Wort und nur in 131 ardua res est (und 124 quaerere fas est) 2 ein-
silbige; nur 4 Verse schUessen mit einem viersilbigen, 8 mit einem
fünfsilbigen Worte. So stehen im Zeilenschlusse 490 zweisilbige und
500 dreisilbige Wörter. Die 5. Hebung wird nicht durch die Endsilbe
eines Wortes gebildet; denn 971 'hyranos per iter deo cantant' hat die
Handschrift 'hymnos pariterque decantant*; 320 'morimur stirpis eins omnes
Idem' ist mit der Handschrift in 'morimur sie et omnes idemque* zu
ändern; in 737 'dominum, quem gentes adorabunt* ist entweder orabunt
(vgl. Instr. 1, 41, 14 Christus, quem semper oratis) oder gentes quem
adorabunt zu schreiben und in 66 recolligit se sub antro hat man schon
sese gebessert; so sind regelmässig die 22 Schlüsse, wie vox mea tantum.
et pedes ipsi. (pax vobis inquit 550. 556), und die einzelnen 422 qui
nie negarent. 608 si quis evitet.
In Rücksicht der Quantität ist die Hauptfrage, ob Commodian
dieselbe genau gekannt hat. Das beweisen die zweisilbigen Wörter im
Zeilenschluss. Unter den 65 zweisilbigen Schlusswörtem der Exhortatio
poenitendi (vgl. S. 282) finden sich putes. roga. dies. dei. deus. viros.
cadunt. bono. erit. Student, pigent. amat. pius: ganz anders steht es mit
den 490 zweisilbigen Schlusswörtern des Carmen apologeticum. In V. 16
Nil sibi proponunt | cognoscere; more ferino 17 quaerunt quod rapiant '
aut quorum sanguinem bibant hat die Handschrift das metrisch noth-
wendige sanguine, also ist quorum sanguine vi van t zu schreiben. V. 754
Indisciplinati j clementiam dei refugant^ 755 Strenui sectantes | quasi sola
vita sit, istam (Strenia und ipsa cod.) ist wohl zu schreiben: Indiscipli-
nati I clementiam dei refutant, Terrena sectantes | quasi sola vita sit ipsa.
V. 22 quod promptius edunt ist gänzlich unsicher. So bleiben nur die
2 Verse: 547 Et quia de tumulis | resurgeret tertio die und 390 Sed,
quia sunt semper | spreti, quod cruenti fuerunt, 391 contra suum do-
minum I rebellant dicere magum (magnum cod. magum dicentes Ludw.).
Da Commodian, der doch sonst die Quantität der Silben so gründlich
missachtet, unter 490 Fällen nur 2 Mal sie vernachlässigt hat, so
ergibt sich, dass er die Quantitätsgesetze sehr wohl gekannt hat und,
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dass da, wo er dieselbeti missachtete, er dies mit voller Absicht ge-
than hat.
Im Schlüsse der 1. Halbzeile ist die letzte, der 3. Hebung ent-
sprechende, Silbe dem Zeilenschluss gleich behandelt, d. h. nach Belieben
lang oder kurz; dagegen in der vorletzten, der Senkung des 2. Fusses
entsprechenden, Silbe ist die Quantität beobachtet. Nach dem, was vorher
(S. 290) bemerkt ist, kann also diese Halbzeile aus 5 oder 6 Silben mit
vorletzter Länge und 6 oder 7 Silben mit vorletzter Kürze bestehen;
aber Halbzeilen zu 5 Silben mit vorletzter Kürze oder zu 7 Silben mit
vorletzter Länge sind ebenso regelwidrig, als quantitirende Hexameter-
anfänge mit '- s. -- oder — w w - w — -- unmöglich sind. Fünfsilbige
Halbzeilen mit vorletzter Kürze kommen keine vor, doch, wenigstens in
den Aut^gaben, manche siebensilbige mit vorletzter Länge. Die meisten
derselben sind leicht zu beseitigen oder durchaus unsicher: so ist V. 78
nee accepit eusdem nur schlechte Conjektur. 80 Qui monetur aut ille:
monet codex. 277 Nee pater esset dictus: est cod. 209 agonia immittit:
agoniam mittit cod. 257 Inventum est ut ipse: ventum cod. 915 Vix
tarnen Invenitur | illi retributio digna: codex adinvenit, was wohl nach
dem V* 913 Nee se adinveniunt verschrieben ist statt Vix tamen ad-
veniet i, r. d.; vgl. 919 Et merces adveniet (advenient cod.) meritis
partita locorum. 172 Nemo deum sciebat: seibat Haussen, vgl. 46
Et nemo seibat codex. 303 Aut si perseveraveris horrescis ipse vivendo:
wohl Aut si persenueris. Nur in 2 Versen spricht Nichts als der Vers-
bau gegen den Wortlaut: 447 Et in libro psalmorum | de domini morte
claiiiatur und 785 Quo tempore nos ipsos | spero iam in litore portans.
Aber auch wenn Commodian sich diese 2 Ausnahmen gestattet haben
sollte, wird durch die sämmtlichen übrigen Verse die Regel genügend
gesichert, dass Commodian nur die männliche Caesur nach der 3. Hebung
nachgeahmt hat, also erste Halbzeilen zu 5 Silben mit vorletzter Kürze
und zu 7 Silben mit vorletzter Länge vermieden hat.
Wenn die vorletzte Silbe der 1. Halbzeile kurz ist, so müsste eigent-
lich auch die drittletzte Silbe kurz sein, da auch quantitirende Anfönge,
wie ™ - — « oder - w ^ _:_ _ ^ -i-, unmöglich sind. Doch hat Com-
modian sowohl am Schluss der ersten, wie der zweiten Halbzeile ein
merkwürdiges Gesetz beobachtet. Während nemlich in den vorletzten
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Silben beider Halbzeilen die Quantität streng beobachtet ist, hat Com-
modian in der drittletzten Silbe der ersten und in der dritt- und viert-
letzten Silbe der zweiten Halbzeile die Quantität nur halb beachtet. Es
sind hier von Natur lange Silben unbedenklich zugelassen, dagegen po-
sitionslange Silben fast gänzlich gemieden, eine Art Prosodie, die wir
oben schon (S. 278) beobachtet gesehen haben (vgl. Haussen p. 48 und
unten bei der Geschichte des Reims über Pseudo-Cyprian de resurrectione)*
Durch Position lange Silben sind aus der drittletzten Silbe der ersten
und aus der dritt- und viertletzten Silbe der zweiten Halbzeile von
Haussen durch künstliche Mittel beseitigt worden (S. 54 — 68), durch
Wegfall von schliessendem s, m, n, durch Vokal Verschmelzungen, durch
Ausfall von Vokalen; jedoch Hess er selbst S. 53 einige Ausnahmen zu.
Gehen wir jedoch die Verse im Carmen apol. durch, die in Ludwigs
Ausgabe in den Senkungen des 5. Fusses positionslange Silben haben, so
brauchen wir jene künstlichen Mittel Hanssens nicht; die Verse sind fast
alle entweder unsicher überliefert oder schlecht geändert und nur in
sehr wenigen Versen muss man zugeben, dass Commodian sich die Aus-
nahme einer positionslangen Silbe gestattet hat. So ist die Lesart der
Handschriften V. 47 Sed deus ut vidit hominum nimis ut pectora clausa
in Sed deus ut vidit | hominum nimis pectora clausa zu bessern. V. 52
Sed multos adhibuit testes qui illud declamant: qui de illo declamant
codex. 164 sed altera clades accessit: adhesit codex. 206 Quid foria
egredimur | adulteri pompam sequentes: pompa sequentes codex richtig»
245 und 246 sind von Haussen berichtigt: Praedictum fuerat | illis ab
Esaia (Esaiam cod.) propheta Et Danihelo | similiter perdere (pendere
cod.) terram. 338 sed erat Deus curans pro nobis: cura corf., caro Pitra.
^389 sie erit et falsum de illo: falsa cod., erunt? 391 Contra suum do-
minum [ rebellant magum dicentes: dicere magnum cod.^ dicere magum
oder magnum Pitra. 407 Ut parvulus lactans ' sine pugna praedas teneret.
intre* cod , iniret Pitra. 415 Et in vestimentis | meis, dixit, sorteni
miserunt: sortemque codex; que steht bei Commodian öfter, wo es kaum
zu erklären ist. 417 Fuerunt et tenebrae | factae tribus horis ad sextam:
a 1. Hand, ad Correctur im Codex, a sexta Roensch. 479 Hat die Hand-
schrift Circumveniamus iusto si qui nobis gravis esse videtur, also vier
Silben zu viel; vielleicht Circumveniamus; | nobis gravis esse videtur.
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294
507 Cum iustum tarn clari et insigni reges bearunt: cum isti tarn
clari et insigni reges eorum codex. 591 Uli ferunt laudes | et illi
victoriam damnis: ille und victoria codex j vielleicht: et ille victoria
damna, jene tragen durch den Sieg Ruhm und dieser Schaden davon.
688 iterum tricesimam quaerit: tricesima querit codex. 696 Unum quaere
dominum | qui quaerit hostiam nuUam: ostia nulla codex. 702 Semper
homicidae | manibusque semper cruentis : semper manibusque ruentis codex,
794 Cedet dolor omnis | a corpore, cedet et vulnus: vulgus codex, ulcus
Püra. 856 Suscitatque solo | immortales factos de morte: facti codex,
suscitanturque Haussen. 877 Scrutanturque diu | exsecratas victimas
ducunt: scrutaturque . . exsecratos victima codex 901 Inmites et agiles [
qui nesciant ullum dolorem: uUi dolore codex, velli dolore? 984 Ex*
orant deum | pro mortuis ut resurgant: uti codex. An all diesen Stellen
sprechen schon andere Gründe gegen Zulassung einer positionslangen
Silbe in den Senkungen des 5. Fusses. Anders steht es mit folgenden
Stellen: 11 misero vacillanti tandem adluxit. 33 quid profuit lucem vidisse.
94 Qui pater et filius | dicitur et Spiritus sanctus, 184 Tempore par-
tito i miseratus est tandem ablato. 264 gentes sperabunt in ipsum,
343 IJon erit acceptum | mihi sacrificium vestrum. 445 fili prophetae
ascendo. 647 Et quatuör milia | iterum de VIT refecit. Wenn sich
auch 264 leicht durch Umstellung heilen liesse, so wird man doch an-
nehmen müssen, dass Commodian das Gesetz, welches er in 1000 Vei^sen
beobachtete, in etwa 6 Versen verletzte.
Auch in der drittletzten Silbe der ersten Halbzeile ist die Regel
einige Male verletzt. Nicht zu rechnen sind Eigennamen, wie 287 Ex-
urget in Israel. 341 Hoc Malachiel canit 620 Et canem ut Simoni;
wohl aber 437 Propter vos nomen meum | blasphematur in gentibus in-
quit. 444 Nee dabis sanctum tuum | interitum quoque videre. 634 Et
ventis inperat \ placidum ut redderet aequor. 853 Et pereunt ibi | ho-
mines Septem milia plena. 889 Et si quis occurrerit | illi mactabitur ense>
Hier wären nur V. 634 und 853 leicht durch Umstellung regelrecht zu
machen. Doch scheint vielmehr Commodian selbst seine Regel, dass in
den Senkimgen des 5. und in der 1. Senkung des 2. Fusses keine positions-
lange Silbe stehen solle, in einzelnen, allerdings sehr seltenen, Fällen nicht
festgehalten zu haben. '
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295
Dagegen hat Comtnodian an den bezeichneten Stellen von Natur
lange Vokale und Diphthonge zugelassen und zwar in den Senkungen des
5. Fusses oft, seltener in der 1. Senkung des 2. Fusses; so in häufigen
Zeilenschlüssen, wie iüos iratus, iustw cvadunt, datas a summo, universa
quae dixit,, angelis ipsis, disciplinae caelestis, nesciebamus. In der dritt-
letzten Silbe der 1. Halbzeilen wird erstens ein schliessender Vokal mehr-
silbiger Wörter kurz gebraucht, nemlich a in 104 (in primitiva sua).
566. 709. 925. 939, e in 597 (et, si prave gerat), ae in 281 (quid quod
prophe^oö canunt) und in 664, i in 290 (manifestan eum). 107. 344.
441. 448. 576. 857. 895. 900, o in 115 (inde pugiUo suo). 323. 379.
818. 998; einmal os in 923 ad seducendos eos. Dann stehen hier statt
Kürzen die einsilbigen Wörter: 224 et patitur quo modo, 254 quando
et quo duce; 338 hie homo iam non erat; 389 quod provenit de eis.
(727 dividuntur quae bona); vielleicht auch 756 sie recedunt a deo, wo
die Handschrift redunt hat; (vgl. 214 a lege dei recedebat). Endlich
stehen hier statt Kürzen die drittletzten Silben der Wörter: filius 94.
516. 647, milia 647, cogitant 495, nomine 296. 378, finitimae 891.
Haussen hat nun (S. 48) für diese halbe Prosodie die Regel auf-
gestellt, alle von Natur langen Vokale, welche nicht vom Wortaccent
getroffen werden, gelten als kurz. Dieses Gesetz wäre für den lieber-
gang von der quantitirenden Dichtung zur accentuirten so wichtig, dass
man natürlich fragen muss, wie es mit den Gründen steht. Mit diesen
aber steht es schlecht Zunächst ist die Fassung der Regel, dass alle
vom Wortaccent nicht getroffenen langen Silben für kurz gelten, ent-
schieden unrichtig, wie wir unten bei Betrachtung derjenigen zweiten
Halbzeilen sehen werden, die aus 8 oder aus 10 Silben bestehen. Aber
selbst wenn die Regel so beschränkt würde, von den langen Silben
können diejenigen, welche vom Wortaccent nicht getroffen werden, als
lang, aber auch als kurz gebraucht werden, lässt sie sich bei Gommodian
nicht durchführen. Die Senkungen des 5. Fusses können hiebei Nichts
beweisen. Denn da seit Virgil und Ovid die 5. Hebung nicht durch
Wortende und die 6. Senkung nicht durch ein einsilbiges Wort gebildet
wurde, so fiel im 5. und 6. Fusse der quantitirenden Hexameter fast stets
der Wortaccent mit dem Versaccent zusammen. Diesen charakteristischen
Tonfall des 5. Fusses wollte Gommodian in seiner Nachbildung nicht zer-
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<
296
';- stören; desshalb sind Hexameter, welche in den Senkungen des 5. Fusses
eine lange und zugleich betonte Silbe haben, wie praebere laudes. augere
"' quaerunt. pax vobis inquit, bei ihm äusserst selten; fast immer stehen
auch bei ihm in diesen Senkungen Silben, die den Wortton nicht haben.
Dagegen kann die erste Senkung des 2. Fusses beweisen. Hier fanden
r wir oben statt einer Kürze gebraucht: in 22 Fällen Wortschluss bildende
lange Vokale, und in 1 Fall die lange Endung os. Diese Fälle stimmen
I zu Hanssens Regel. Dagegen lassen sich schon die kurz gebrauchten
fe Wörtchen quo, non, de, quae, a schwer nach derselben Regel erklären;
f entschieden widersprechen ihr die Wörter filius, railia, cogitant, noraine,
finitimae, von denen freilich Haussen die meisten durch Annahme von
filjus, milja, nomne wegerklärt. So wenig man aus dem Umstände, dass
von den als kurz gebrauchten langen Endsilben 22 mit einem Vokal und
nur 1 mit einem Consonanten schliesst, die Regel folgern dürfte, dass
nur die mit offenem Vokal schliessenden langen Endsilben kurz gebraucht
werden durften (vgl. den 5. Fuss), ebenso wenig, ja noch viel weniger
darf man daraus dass von diesen als kurz gebrauchten langen Silben
etwa 23 den Wortton nicht haben und mindestens 8 ihn haben, die
Folgerung Hanssens ziehen, die langen Silben, die der Wortaccent nicht
trifft, gelten dem Commodian alle oder doch wenigstens zum Theil
als kurz.
Die dargelegten Thatsachen erklären sich vielmehr auf eine andere
Weise. Die Bildung des Schlusses war Commodian die Hauptsache. Die
letzte Silbe der beiden Halbzeilen, in welche er sich die Langzeile des
Hexameters zerlegt, ist von ihm als Zeilenschluss behandelt und frei
gegeben. Dagegen ist ihm die Bildung der vorletzten Silbe die Haupt-
sache. Diese ist so gut wie immer quantitirend richtig gebildet. Was
dieser vorletzten Silbe unmittelbar vorangeht, wird verschieden behandelt.
In den ersten Halbzeilen, deren vorletzte Silbe lang ist also die ganze
Senkung des 2. Fusses repräsentirt, wird im Vorangehenden gar keine
Rücksicht auf Quantität mehr genommen. In jenen ersten Halbzeilen
aber, deren vorletzte Silbe kurz ist, also nur die 2. Senkung des 2. Fusses
repräsentirt, wird die dazu gehörige erste Senkung, also die drittletzte
Silbe, imd in den zweiten Halbzeilen werden die Senkungen des 5. Fusses,
also die dritt- und viertlezte Silbe nur noch mit der halben Strenge
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297
behandelt, wie die vorletzte Silbe. Für diesen halbstrengen Bau hat sich
Conimodian die merkwürdige Regel erfunden, dass die positionslangen
Silben nicht statt der kurzen stehen dürfen, wohl aber die von Natur,
d. h. durch den Vokal oder Diphthong langen. Diese merkwürdige
Regel, die wir schon oben (S. 278) in späteren Gedichten fanden, erinnert
an jene nur für das Auge berechnete Prosodie der Byzantiner, wornach
alle Silben mit a i v lang oder kurz, und allein b und o oder t] und w
nur kurz oder nur lang gebraucht wurden. Im Lateinischen hätte diese
Scheinprosodie in jenen Zeiten einen Sinn gehabt, wo die Diphthonge ae
und oe nur als e geschrieben wurden; bei Commodian aber muss sie einen
andern Grund gehabt haben.
Dieser Regel, wornach die Quantität der Silbe desto weniger be-
rücksichtigt wird, je mehr die Silbe vom Schluss entfernt ist, ent-
spricht es, dass in den Silben, welche den besprochenen vorangehen,
dieselbe fast gänzüch missachtet wird. Hanssen meint, in den ersten
Halbzeilen mit vorletzter Länge sei in allen der vorletzten, und in den
ersten Halbzeilen mit vorletzter Kürze sei in allen der drittletzten Silbe
vorangehenden Silben, also in den Silben, welche den 1. Fuss imd die
2. Hebung des Hexameters repräsentiren, die Quantität gänzlich miss-
achtet, ebenso in den Silben, welche der viertletzten Silbe der 2. Halb-
zeile vorangehen, also die Senkung des 3. Fusses, den 4. Fuss und die
5. Hebung repräsentiren. Das ist irrig. Betrachten wir zunächst die
fünfte Hebung, Dem obigen Gesetze, wornach in den Senkungen des
5. Fusses die Prosodie noch halb beobachtet wurde, entspricht es, dass
auch in der 5. Hebung die Länge des Hexameters einigermassen fest-
gehalten wurde. Unter den 1020 Versen finden sich nur 45, deren
5. Hebung durch eine Kürze gebildet ist (7 Mal Formen von deus, 5 Mal
von süus und mens, dann ödium. hümilis. dätus. düce. tüba. cruce. märi.
ibi. üti. ab. lües. genui. gemere. patitur. praepösuit. Oceani. sacrificia.
miseria. paenituit. vituperatur. prolöquia. proflüvio proficiet). Dann hat
Commodian auch im Anfange der beiden Halbzeilen offenbar die Quantität
des Hexameters in einigen Fällen nachzubilden gesucht. Die erste Halb-
zeile beginnt auffallend oft mit einem einsilbigen Wort; dann herrscht
keine Regel. Doch etwa 400 Verse beginnen mit mehrsilbigen Wörtern;
von diesen haben aber nur 27 die 1. Silbe kurz, wie Bonum. Venite.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. X Vü. Bd. U. Abth. 39
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298
Aperiunt Das kann nicht Zufall, sondern nur Nachbildung des quanti-
tirenden Hexameters sein.
Noch merkwürdigere Gesetze herrschen im Anfang der zweiten Hiüb-
zeile. Wenn dieselbe aus 9 Silben besteht, was in weitaus den meisten
Versen der Fall ist, so entspricht sie dem schwankenden metrischen Vor-
bild w W-' — , — w «-^vy oder — '- s. w, — w S.-V.. Diesem schwankenden
Vorbild gegenüber scheint Commodian jede Rücksicht auf Quantität auf-
gegeben zu haben. Dagegen die 2. Halbzeilen zu 8 und zu 10 Silben
können nur ein festes metrisches Vorbild haben. Commodians Carmen
Apologeticum hat im Ganzen etwa 160 zweite Halbzeilen zu 8 und etwa
140 zu 10 Silben. Nun haben von jenen 160 achtsilbigen Halbzeilen
144 die zweite Silbe lang, von diesen 140 zehnsilbigen 125 die zweite
Silbe kurz. Das kann kein Zufall sein, sondern fordert zu genauerer
Prüfung heraus. Von den achtsilbigen Halbzeilen, deren quantitirendea
Vorbild ist — '- — , A v^ ^ ..^^ beginnen bei Commodian etwa 92 mit drei
Längen, wie mollescunt sero gehenna. aut quorum sanguine vivant. ferrum
non pustula surget. qui non vult dicto parere, 21 mit einer Kürze und
2 Längen, wie honores addidit altos. probetur quis deo dignus, ut iW
credere possint, 26 mit zwei Längen und einer Kürze, wie snevire victus
a summo est. sed tota terra gemebat. tunc sie et ipsa maiestas, tnks
f/ocere deberent. Nur sehr wenige und fast lauter unsichere beginnen
mit o — v^ : 66 recolligit se (sese edd.) sub antro. 357 cum esset mvidus
hostis. 561 Extendit palmas; | ot (et oder ast edd.) ille tangere coepit.
879 statuta (statutaque?) tempora complet 907 Cumque (quo oder hoc?)
redeuntes | in urbe (urbem?) mente mutata.
Diesen 144 achtsilbigen Halbzeilen, in denen die 2. Silbe lang ißt,
stehen etwa 16 sichere gegenüber, deren 2. Silbe kurz ist; 92 niagnuui et
193 legem in. 274 lignum in. 716 illum ex. 987 (quondain adveDit).
145 tunc erit. 196 depretiatur (?). 435 unä (his una edd.) qui, 532 cre-
dimus dicto (ex dicto edd.). 567 multä, quae. 594 vox adornata. 697 Bür-
gere. 774 deus in terris. 858 sed magis intra. 911 eius adpareat
920 Victor in.
Stellen wir den zweiten Halbzeilen zu 8 Silben sogleich die zehn-
silbigen gegenüber, deren quantitirendes Vorbild ist^^ — wv,-i^v-w — ^j
so haben von 140 Zeilen der Art 125 die 2., der 2. Senkung des 3. Fusses
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299
entsprechende, Silbe kurz. Aber auch für die Silben, welche dieser voran-
gehen und folgen, zeigt sich eine Regel. Von den 125 Halbzeilen haben
84 die beiden ersten Silben kurz und die 3. lang (v. u — ), wie in cupidi
tota mente devoti. fuerat qui praedictus ab illis. quod aves sua tempora
norunt; in 31 steht statt der 1. Kürze eine Länge (— ^ *-), wiQ in unus
audit et excutit alter, viverent donec ipse veniret. sie erat modo credere
fas est tunc erit nee oblatio Christo. Dagegen sind die Fälle, in denen
statt der 4. Hebung eine Kürze steht, wenige und nur zum Theil sichere;
zuerst (w v/ i): 2 tulerit ab errore nefando. 152 diabuli detergeret
omnes = zabuli). 607 copria iudicatur ab ipsis. 834 quoniam illi cre-
dere nolunt; zweitens (- ^ .i): 40 fortia Pharaone decepto. 107 unica
(unici?) super angelos omnes. (327 suavia dei summi praecepta: suaviter
eod. richtig). 425 tangere librum Deuteronomum. 427 omnia supra dicta
rebelies. 801 septima persecutio nostra.
Diesen 125 Fällen stehen 15 gegenüber, in denen die 2. Silbe lang
ist imd zwar 1) (^ —±): 395 nee intellegant. 415 meis dixit. 927 pro-
phetae. 2) ( ~): 370 et praeter te. 454 ignorantibus. 484 a nobis.
495 ducti sunt. 535 pleni iam desperate. (940 non est sed neque).
438 blasphematur. 900 Chaldaei Babyloni. 3) (v — t): 341 propheta
qui. 369 tu es deus. 904 tres Caesares; 4) ( w): invisibilem esse
videndum.
Demnach hat Commodian die zweiten Halbzeilen zu 8 Silben so ge-
bildet, dass die 2. der 4. Hebung entsprechende, Silbe in der Regel eine
lange war, und auch die 1. und 3. Silbe, welche der 3. und 4. Senkung
entsprechen, meistens lang waren; dagegen die 2.. Halbzeilen zu 10 Silben
so, dass die 2. und 3. Silbe, welche der 2. Kürze des 3. und der Hebung
des 4. Fusses entsprechen, in der Regel durch eine Kürze und eine Länge
gebildet wurden und auch die erste der 1. Senkung des 3. Fusses ent-
sprechende Silbe, wenigstens meistens durch eine Kürze gefüllt wurde.
Allein diese Regeln sind nicht mit der Strenge festgehalten, wie die
andern, dass die 6. Hebung eine lange Silbe sein soll.
Zudem betragen die zweiten Halbzeilen zu 8 und 10 Silben, in
deren Anfang die Quantität einigermassen beachtet ist, nur 300. In den
über 700 zweiten Halbzeilen zu 9 Silben vermochte ich in den 4 ersten
Silben keine Rücksicht auf die Quantität zu erkennen; so wechseln alle
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300
Möglichkeiten, z. B. vel quaiiter singula fecit. prospidt ubiqxxe de coelo.
hortor ab errore recedant. fadet ut muta loquantur. herbas incantajido
malignas. conculcantur neque coluntur.
In der ersten Halbzeile ist, wie oben (S. 297) bemerkt, wenn ein
mehrsilbiges Wort den Zeilenanfang bildet, die 1. Hebung meistens durch
eine Länge nachgebildet; sonst ist auch hier vor dem Schlüsse die
Quantität der Silben völlig frei, wie in Ipse redit iterum. Sed olera
tantam. Agricola doctus. Cui summus divitias. Turbantur caelicolae.
Beobaehtung der Wortaeeente bei Commodian.
Commodian hat die Quantität der Silben an einigen Stellen des
Hexameters streng, an andern halb nachgebildet, etwa an ebenso vielen
aber gar nicht beachtet Vielleicht hat er das, was hier fehlt, auf andere
Weise ersetzt. Man nennt meistens die Hexameter des Commodian ryth-
niische und versteht darunter nach dem Wortaccent gebaute. Haussen
gibt als Resultat seiner Studien (S. 23): Magni est momenti apud
Commodianum accentus grammaticus, quamquam certis legibus
non tenetur nisi quibusdam in sedibus; ubi vero tenetur, haud quaquam
semper congruit cum ictu metrico, ita ut appareat neque accentus gram-
matici rationem successisse in locum rationis syllabarum quantitatis, ne-
que in accentus grammatici reverentia sola versum positum esse. Sehen
wir zu!
In der ersten Halhzeile sind die Versaccente in keiner Weise durch
die Wortaeeente nachgeahmt; ja, da diese Halbzeile fast ausnahmslos
durch ein mehrsilbiges, also auf der vorletzten oder drittletzten Silbe
vom Wortaccent getroffenes, Wort geschlossen wird, diese Silben aber
stets der Senkung des zweiten Fusses entsprechen, so stehen im Schlüsse
der 1. Halbzeile Vers- und Wortaccent stets in scharfem Gegensatz, also
Quis poterit unüm. Plus eram quam päleä. Aber auch abgesehen von
einer Nachahmung der Hexameterfüsse lässt sich in der 1. Halbzeile
nicht irgend eine regelmässige Setzung der Wortaeeente nachweisen, wie
wir sie z. B. in den Räthseln (vgl. S. 279) gefunden haben.
Gibt vielleicht die zweite Halbzeile eine accentuirte Nachahmung der
Hexameterfüsse? Haussen meint 'Accentus grammaticus in quarto pede
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301
congruit cum ictu metrico in eis versibus, qui inciduntur caesura bucolica*
z. B. quod imminet ante videte oder tradüntur vivi gehennae. Diese Regel
ist zum einen Theil nutzlos, zum andern Theil falsch. Denn da jedes
lateinische Wort auf der vorletzten oder drittletzten Silbe betont ist,
so muss, wenn vor der 5. Hebung Wortende eintritt, ein vorausgehendes
mehrsilbiges Wort selbstverständlich trochäischen oder daktylischen Schluss
haben; z. B. criminosis denique Marsus. nee süfßcit vox mea tantum.
aut quorum sanguine vivant. So weit sind diese Thatsachen keine Regel,
sondern nur Nothwendigkeit. Falsch aber ist die Regel, wenn vor der
bukolischen Caesur ein einsilbiges Wort steht oder zehnsilbige Halbzeilen
der Art sich finden: spätia»^ spe captus inani. ferrww non pustula surget.
dömin«i5 vitae nostrae repertor. tangere librum Deuteronomi (so betont
Haussen). Ebenso wenig ist eine andere Regel für die Wortaccente zu
erkennen für jene Fälle, wo vor der 5. Senkung kein Wortende eintritt.
In all den Theilen also, welche dem 5. Fusse vorangehen, hat Commodian
sich um den Wortaccent durchaus nichts gekümmert.
Anders steht es im fünften und sechsten Fusse. Hier hat, wie oben
(S. 290) bemerkt, Commodian die Schulregeln ^), welche seit Virgil und'
Ovid für den Bau des Hexameters galten, sorgfältig beobachtet: die
5. Hebung wird nicht durch Wortschluss, sondern höchstens durch ein-
silbige Wörter gebildet, und die 6. Senkung darf nicht durch ein ein-
zelnes einsilbiges Wort gefüllt sein. Die Folge dieser Regeln ist, dass
in dem 5. und 6. Fuss stets die Wortaccente mit den Versaccenten zu-
sammenfallen, abgesehen von den nicht seltenen Schlüssen, wie 6 dea
certe. aüt ubi flävo, wo der Wortaccent in den Senkungen verloren geht,
Schlüsse, deren sich bei Commodian 22 finden, wie vox mea tantmn.
quis deo dignus. et pedes ipsi. päx vobis inquit. Bei Virgil, Ovid und
ihren Nachfolgern war die Wirkung jener Regel über die Bildung der
5. Hebung und der 6. Senkung, in Folge deren im 5. und 6. Fusse die
Versaccente stets mit den Wortaccenten zusammenfielen, nicht beab-
sichtigt, sondern zufällig. Allein wie nach der Bemerkung von 0. Crusius
1) Wie diese Regeln über den Hexametersciüuss bei den Lateinern entstanden sind, ver-
suchte ich zu entwickeln in den Untersuchungen zur Geschichte des alexandrinischen und lateini-
schen Hexameters.
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302
Babrius darauf achtete, dass die lateinischen Choharaben stets den Wort-
accent auf der vorletzten Silbe hatten und darnach auch in seinen
griechischen Choliamben nur solche Wörter in den Schluss stellte, deren
vorletzte Silben den Wortaccent hatten, so hat auch Commodian stets
in die 5. Hebung eine Silbe gerückt, welche den Wortaccent hatte.
Wenn also auch die für die Senkungen des 5. Fusses geltende halbe
Quantität Schlüsse, wie raaturis aevo. humanae gentes, gestattet hätte,
so hat er sie vermieden, weil hiedui'ch in die 5. Hebung eine Silbe ohne
Wortaccent gerückt worden wäre und nur in 37 praebere laudes und
602 augere quaerunt scheint er sich solche Ausnahmen erlaubt zu haben.
Demnach findet sich bei Commodian nur die eine Rücksicht auf den
Wortaccent, dass er, wie die quantitirenden Dichter, in die 5. Hebung
stets eine Silbe rückte, welche den Wortaccent hatte, während es ihm
nahe lag, das nicht zu thun. Dies ist der einzige Fall, von dem man
sagen darf, dass Commodian sich um den Wortaccent mehr gekümmert
habe als Virgil oder Ovid. Aber desswegen dürfen seine Zeilen nicht
rythmische genannt werden, wenn dies den Sinn haben soll, dass in
ihnen die Wortaccente nach bestimmten Regeln gesetzt seien.
In Betreff der Aussprache denkt Haussen, wie wahrscheinlich die
Meisten, nur an die 6 Füsse des Hexameters; darnach betont er nicht
nur die Verse der Exhortatio poenitendi (oben S. 282), sondern auch die
Commodians. Also
Sed perseverantiä | tartari tormenta formida.
Jüdicem futurum | time perdentem iniquos.
Qul paenituisse | mala perpeträta probäntur.
Jäm paene medietas | annorüm sex milibus ibat.
Nön natus ante patrem moritür ibi neque dolores
Uno volo titulo | tangere librum Deüteronömum.
Diese geschmacklose Betonung darf man wieder unsern Theoretikern
überlassen; der Dichter der Exhortatio hat nicht daran gedacht, da er
sich überhaupt nicht um Quantität, sondern nur um Wortaccente küm-
merte, also auch nur nach diesen seine Zeilen gesprochen haben wollte.
Commodian hat sich allerdings nicht um den Wortaccent gekümmert.,
doch auch nur wenig um Quantität. Er hat sich die Langzeile in 2 Kurz-
zeilen zerlegt, wobei die wichtige 3. Hebung zu einer gleichgiltigen End-
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303
silbe wird; diese Kurzzeilen sind nur gegen den Schluss quantitirend ge-
baut; die vorangehenden Silben sind mit wenig Ausnahmen nur gezählt.
Spondeen oder Daktylen sind keine von Commodian gebaut; was be-
rechtigt also, solche zu sprechen?^) Die Silben können aber auch nicht
in gleichem Ton gesprochen werden; es bleibt also nur übrig, dass man
sie so spricht wie gewöhnlich, d. h. mit dem gewöhnlichen Wortaccent
Dann ist allerdings das, was von Quantität sich noch findet, fast nur
todter Zierrat; allein solche Erscheinungen sind besonders in Uebergangs-
Zeiten nicht selten. Läuft ja auch in der feinen arabischen Poesie und
nach W. Christ's Wahrnehmung in den Kanones des Johannes Damascenus
accentuirender und quantitirender Bau der Zeilen neben einander. In
diesem Sinne kann man mit Recht die Verse Commodians rythmische
nennen: sie sind nicht nach dem Wortaccent gebaut, aber sie wurden
nach dem Wortaccent und nicht nach dem Versaccent gesprochen.
Akrosticha, Reim- und Versgruppen bei Commodian.
In einem jeden Gedichte der Instructiones ohne Ausnahme bilden
die Anfangsbuchstaben der Zeilen Wörter oder Sätze, welche sich auf
den Inhalt des Gedichtes beziehen; das letzte gibt so den Namen des
Dichters wieder. Mit diesen Akrosticha steht in engem Zusammenhang,
dass in zwei Gedichten jede Zeile auf ein und denselben Vokal endet
(Instr. II, 8. 39). Diese Art des Reimes findet sich ebenso im Psalm des
Augustin. Gegenüber dem streng durchgeführten Gesetze der Akrosticha
1) Auch im Rhein. Mus. 38 (1883) p. 223 hält Haussen an der Betonung fest VincTte
mälignüm || püdicäe | femYnae Christi' oder *in dandü divYtYäs jl vesträs | ÖstendYt^ cunctäs' und
stellt die Regel auf Tor weiblichen Caesuren und weiblichem Versschluss wird Uebereinstimmung
von Accent und Versictus gesucht» vor männlichen Caesuren [und männlichem Versschluss] ist
Widerstreit von Accent und Versictus Gesetz*. Dies Gesetz ist allerdings unumstösslich. Denn da
— abgesehen von einsilbigen Wörtern, von denen natürlich auch Haussen absehen muss — kein
Wort der lateinischen Sprache mit einer betonten Silbe endigt, so kann Haussen sein Gesetz auf
die gesammte quantitirende Poesie der Lateiner, aber ebensogut auf die gesammte Prosa^ aus-
dehnen. Da kein Wort Oxytonon ist, so wird in jedem Worte, das den Quantitätsictus auf der
letzten Silbe hat, Widerstreit, in jedem Worte, das den Quantitätsictus auf der vorletzten Silbe
hat, Uebereinstimmung des Wortaccents und des Quantitätsictus sich linden. Diese Betonungs-
verhältnisse der lateinischen Wörter sind also pure Naturnothwendigkeit und keine mit Bewusst-
sein geschaifene Regel dieses oder jenes Dichters.
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304
in den Instructiones war mir die Ungebundenheit des Carmen Apolo-
geticutn auffallend. Endlich fand ich das Gesetz, welches Commodian
hier beobachtet hat. Es ist das Paargesetz, das ich dann auch in
den Räthseln und der Exhortatio durchgeführt fand (vgl. S. 281 u. 282).
Stets sind 2 Langzeilen durch den Sinn zu einem zusammengehörigen
Paar verbunden, nach welchem also eine stärkere Pause eintritt. Dieser
Parallelißinus ist dem ähnlich, den man früher in den Psalmen annahm:
Die beiden Zeilen können einen Satz, sie können zwei verschiedene Sätze
bilden, aber immer hängen sie enger unter sich, als mit den anstossenden
Paaren zusammen.
Für die Richtigkeit meiner Beobachtung hatte ich einen auffalligen
Beweis. Ich hatte 6 Stellen des Carmen apol. notirt, wo mir ein Vers
fehlte (nach 275. 387. 415. 561. 611. 645). Als ich dann Dombart um
Einsicht in die neue CoUation der Handschrift bat, siehe, da hatte Pitra
an 4 Stellen je einen Vers ausgelassen (nach 274. 279. 387. 611) und
an einer 5. einen Vers (412 steht nach 563) um volle 150 Verse ver-
Btallt,*) An der -6. Stelle wird Niemand zweifeln. Denn wenn es bei
der Schilderung der Wunder Christi heisst:
641 Mutum loqui fecit | et surdum audire praesertim
et caecum ex utero j natum, ut videret in auras.
Post XXXVIII annis | paralyticum surgere iussit,
quem admirarentur | grabatum in coUo ferentem.
645 Cuius vestimento | tacto profluvia sanat^ est.
Quinque panes fregit | hominum in milia quinque
et quatuor milia | iterum de Septem refecit.
80 ist sicher vor 645 ein Vers ausgefallen. Verstösse gegen das Paar-
gesetz, wie in 563
561 Extendit palmas; | at ille tangere coepit
et manum in latere, | fuerat quod lancea fixum,
Misit et exinde | prostravit sese precando:
tu deus et dominus | vere mens, contra quem ille:
Haec quia vidisti, | credidisti; sed illi felices
posteri qui credunt | audito nomine tantum.
1) Vgl. jetzt Dombart in Wiener Stzber. 1884 S. 793. Also haben die Abschreiber vom 3. bis
9. Jahrhundert 1 Vers ausgelassen, der des 19. Jahrhunderts 4.
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305
sind mir sonst nicht vorgekommen. Dagegen ist dieses Gesetz ein ebenso
wichtiges als erwünschtes Hilfsmittel zum Verständniss dieses schwierigen
Dichters. Es zeigt ohne Weiteres, dass die Umstellimg des Verses 115
Ubi facies aut etc. nach 118 falsch ist; ebenso die Umstellung von 490
morte. Movebant und 491 suspensa dicentes; ebenso die Flickversuche
in 537 — 540:
Si nobis obsistunt, | patet et resistere istos
Summo, qui voluit \ nobis bonus esse. Nee illud
Respiciunt servi | cervicosi setis erectis
Qui semper innocuos | cruciarunt, lege vetati,
wo vielmehr eine Lücke anzunehmen und mit der Handschrift zu
schreiben ist:
Si nobis obsistimt, | putant et resistere summo, ,
qui voluit nobis bonus esse **?
Nee illud respiciunt | cervicosi setis erectis
quod semper innocuos | cruciarunt lege vitata.
(rectis, quid, innouos codex).
An vielen Stellen ist der richtige Sinn nach diesem Gesetz durch
andere Interpunktion zu gewinnen. So V. 215 — 218:
Ad quos emundandos ' saepe deus misit alumnos,
ut illos corrigerent | depravatos denuo summo.
Excipere numquam j voluerunt dicta divina,
sed voluntate sua j servierunt semper inepti,
wo die Ausgaben 'depravatos. Denuo Summi excipere* verbinden. Dann 426
Uno volo titulo , tangere librum Deuteronomum:
in Caput eritis, | gentes; nam increduli retro.
Si respuunt certe | omnia supra dicta rebelies,
scite, quid opponunt, | cum res tam aperte dicatur.
*nam increduli retro respiciunt. Certe* haben die Ausgaben. Ebenso
scheinen, um nur einige der schwierigsten Fälle zu berühren, folgende
Stellen behandelt werden zu müssen: V. 523 u. 524
Infatuant stultos ' magis evanescere dictis,
quod crucifixus [erat], | cum sie oporteret eimdem.
infatuan und maius cod., erat fehlt. Dann V. 615 — 618
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 40
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306
Hie crudele nefas | imperat de unico nato,
ut probaret Abraham, j cui dixit 'parce' e caelo.
Angelus et deus est [ hominem totidemque se fecit
et, quicquid voluerit, ; faciet ut muta loquantur.
Dann V. 716 — 719 vom entarteten Sohn
Nee facit heredem | illum ex asse suorum,
quem (quae?), si prius poterit | consuraere, gaudet in illo.
Impium et saevum [ sobolem reisve tyrannum
nee obvium patitur | genitor, eoramotus ab illo.
717 in illum codex. 719 nee = ne obvium quidem. Dann V. 751
und 752 von den Kindern der Welt:
Dieentes adieiunt | 'Nihil est post funera nostra;
dum vivimus, hoc est^, | et incumbunt more suillo.
Dann 836 und 837
De qüibus quam multi | quoniam illi credere nolunt,
supplieat iratus | altissimum, ne pluat inde.
inde = exinde V. 885.
Dieses Paargesetz ist von Commodian aueh in einigen längeren Ge-
dichten der Instruetiones neben den Akrosticha beobachtet.
Die Dichtungsformen Commodians haben also im wesentlichen fol-
gende Eigenthümlichkeiten : Die Langzeilen der quantitirenden Poesie
sind, der in späten Zeiten streng beachteten Caesur entsprechend, in
Kurzzeilen zerlegt. Die sich entsprechenden Zeilen sind in der Weise
gleich gebildet, dass die Zeilenschlüsse die bestimmte gleiche Bildung
haben, dagegen in den vorangehenden Theilen fast kein Gesetz beob-
achtet wird ausser eine bestimmte Silbenzahl. Dann bilden bald die
Anfangsbuchstaben der Zeilen oder Strophen Akrosticha oder gar (Instr.
II, 8. 39) die Endvokale Reimketten, bald sind die Zeilen in regelmässige
Strophen gruppirt. Diese Hauptmerkmale von Commodians Dichtungs-
formen sind aber zugleich auch die Hauptmerkmale der ältesten ryth-
misehen Dichtungen in lateinischer Sprache.
Die Frage ist jetzt natürlich: woher hat Commodian diese Dicht-
ungsformen? Für die Akrosticha gibt es, wie später auszuführen, vor
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307
Commodians Zeit nur wenige lateinische Beispiele. Zu Strophen wurden
wohl die Verse gleichzeiliger lyrischer Gedichte gruppirt, in späterer
Zeit auch nach jedem Distichon regelmässig eine stärkere Sinnespause
geschaffen, allein in fortlaufenden hexametrischen Gedichten, wie das
Carmen Apolog. eines ist, ist eine solche Strophenform ohne Beispiel.
Die Spuren also, welche vor Commodian sich finden, sind so schwach,
dass ihnen gegenüber das breite, auffallige Auftreten der commodianischen
Dichtungsformen unerklärlich ist, zumal Commodian nicht etwa mit Vor-
liebe und Gelehrsamkeit die heidnischen Dichter studirte und nachahmte,
sondern sie verachtete.
Doch, auch von den Akrosticha und der Gruppirung in Strophen
abgesehen, bleiben die andern Dichtungsformen Commodians, deren Ur-
sprung aus der älteren lateinischen Dichtung nicht erklärt werden kann.
Vom Reim ist nirgends eine Spur; denn Wilh. Grimms Sammlungen be-
ruhen nur auf Selbsttäuschung. Der Zeilenbau des Commodian selbst
ist völlig ohne Beispiel. Accentuirende lateinische Gedichte mit Silben-
zählung aus älterer Zeit, die den Commodian zu diesem halbquantitirenden
Zeilenbau hätten verlocken können, gibt es keine. Woher also nahm
Commodian auch nur den Gedanken an solchen Versbau, woher die
Kühnheit, denselben zu wagen und in 2000 Zeilen durchzuführen?
40*
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Die Anfänge
der pythmischen Dichtung der GrriecheiL
In der Entwicklung der rythmischen Dichtung der Griechen treten
dieselben Stufen hervor wie in jeder Entwicklimg, zuerst Unklarheit und
Unbeholfenheit, dann Feinheit. Zwischen den Lateinern und den Griechen
herrscht in dieser Hinsicht im Anfang merkwürdiger Parallelismus.
Commodian und Methodius haben von den Gesetzen der Quantität nur
einige festgehalten, die meisten preisgegeben; daneben zählen sie haupt-
sächlich Silben. Augustin (im Psalm) und Gregor von Nazianz (in den
2 nachher zu besprechenden Gedichten) haben die Gesetze der Quantität
gänzlich aufgegeben; ihre rythmischen Dichtungsformen sind aber noch
sehr unbeholfen. Von Nachahmung bestimmter metrischer Füsse ist Nichts
bei ihnen zu merken. Allein von da an ist die Entwicklung der lateini-
schen Rjthmen weit verschieden von der Entwicklung der griechischen.
Die lateinische Rythmik vom 6. bis 11. Jahrhundert beschränkt sich,
abgesehen von den Sequenzen, fast durchaus auf die Nachahmung klassi-
scher Zeilenarten und bringt fast nur gleichzeilige Gedichte (Nachahm-
ungen der jambischen Senare, trochäischen Fünfzehnsilber, jambischen
Achtsilber u. s. w.) und die einfachsten Odenformen hervor. Dagegen
sind ffleicheeilige rythmische Gedichte bei den Griechen vor dem Jahre
1000 sehr selten; so die beiden Gedichte des Kaiser Leo und des Photius,
wohl Nachahmungen anakreontischer Zeilenarten. Nach dem Jahre 1000
kamen dann die sogenannten politischen Verse, wohl eine Nachahmung
des jambischen Septenars in Gebrauch und wurden bald das Alles be-
herrschende Versmass. Dagegen war vom 6. bis 11. Jahrhundert die
dichterische Kraft der Griechen besonders gerichtet auf die Dichtung
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309
von Hymnen, welche, ihrem Ursprung nach lyrisch, oft durch einge-
flochtene Gespräche sich dem Drama oder durch ausführliche Erzählung
dem Epos nähern. In ihrer feinen Ausführung, welche gewiss von der
hohen Kunstfertigkeit der spätgriechischen quantitirenden Dichter beein-
flusst war^), leuchtet von neuem der griechische Geist auf.
Der Hymnus des Methodius.
Ein merkwürdiges Denkmal der christlichen Poesie der Griechen ist
der Hynmus, welchen Methodius Martyr (f 311) in das 11. Buch seines
Symposiums eingefügt hat. Leider steht es mit dem Texte sehr schlecht.
Zuerst wurde die Schrift fast gleichzeitig herausgegeben von L. Allatius
(Rom 1656) und von P. Possinus (Paris 1657). Seitdem wurden keine
neuen Handschriften benützt weder von Alb. Jahn (Halle 1865) noch von
Christ (Anthol. S. 33), und auch ich suchte umsonst nach besseren Hand-
schriften. Die einzige pariser (Cgr. 946) endet nach einer gütigen Mit-
theilung von Delisle schon mit yctQ tri. nsifileinovtai (ed. Paris 1657
p. 131); die Handschriften in Rom, von denen mein Freund De Boor
mir Nachricht gab, sind alle jung und werthlos (Barb. IV, 9 saec. XVI
in 4^: B; Barb. IV, 45 saec. XVI in 4^ wohl aus Vatic. 1451 ab-
geschrieben; Vatican. graec. 1451 saec. XVI: V; Ottobon. 135, sehr jung:
0; Ottobon. 59 ist am Ende unvollständig). Eine bessere Grundlage des
Textes, als diese Handschriften und die darnach gemachten Ausgaben sie
bieten, wäre dringend zu wünschen.
Dem Hymnus schickt Methodius die Worte voran: Taina elnovaav
eipr^ xekevaai Jidaag^ draarfivai rfiv ^A^ferriv ^ 0eondT(ja xal ndaat; vnb r^r
ayvor avxc^ifiOTTKfioy vfiror nffsnorrwg dpajieiiitpai reo :>cv(ji(p' iSdif^Biv dt
xriv Qixlav xai n()ov(pr]yelaS'ai' log ovv dysarrjaay, r^y OtxXav jusoriv ^tv
rwy naQ&iyvjy icpri, ix deiiüy de rfjg !/4()€Tfjg azäaay xoofiioyg ipdXleiy, rag
(ff /iotndg iy xvxkq) xa&dne{} iy ;fopot' axTjiuari avordaag vnaxoveiy amf^.
Thekla singt also den Hymnus, in welchem bald Christus (der Bräutigam),
bald die Kirche (die Braut) gepriesen wird. Der Gesang besteht aus
1) Vgl. die BemerkuDgen über die vermeintlichen Vorläufer der rythmischen Dichtung der
Griechen in der Abhandlung zur Geschichte des griech. Hexameters.
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310
24 Strophen, deren Anfange von den 24 Buchstaben des Alphabetes ge-
bildet werden. Der Bau. der Zeilen war lange Zeit unbekannt: Pitra
erkannte nur, dass im Refrain jambischer Rythmus herrsche; doch schon
vor ihm hatten G. F. Rettig und A. Jahn gefimden, dass das Gedicht
nach der Quantität der Silben gemessen und in Jamben geschrieben sei,
zu deren Herstellung sie mit dem überlieferten Texte allerdings sehr ge-
waltsam umgingen; (vgl. S. 126 von Jahns Ausgabe). Christ folgte dem
Texte Jahns, leider ohne zu wissen, mit welch gewaltsamen Mitteln der-
selbe hergestellt war. Die Strophen bestehen meistens aus 50 Silben,
die sich in 3 Langzeilen zu 14 und 1 Kurzzeile zu 8 Silben gliedern.
In einigen Strophen stehen entschieden mehr Silben; so geht in A und M
der ersten Langzeile ein Stück von 8 Silben, in H und N ein Stück von
unsicherer Länge voran.
Schon die Zeilenart von 14 Silben = 7 Jamben ist sehr auffallend
(vgl. Christ, Metrik § 410). Ich finde etwas Aehnliches nur bei Gregor
von Nazianz in dem Gedicht eh iavroy (Sectio I, 30 Caillau II p. 870;
Migne vol. 37 p. 1290). Dieses Gedicht besteht aus 113 Langzeilen, wie
V/ noXXä noXXä yiyveTai uaxfjip ßi(p ß()OTolg.
^Eyd yap, ag ftuv ea^oy iy ieyfi noXei ndXag
Diese Zeilen Gregors zerfallen stets in 8 -f- 6 Silben. Im Dimeter
ist der Dipodie halber die 2. und 4. Senkung rein; vgl. 31 xo yyvjgifioy
S^äxifioy wg ra noXXa rvyx^^^^^- I^ der Tripodie ist des Zeilenschlusses
halber die 3. Senkung stets rein, desswegen aber die 2. gegen das
Dipodiengesetz hie und da lang; vgl. 56 ägiar^ ^(ffioofiiyoy ; 58; 60. Die
letzte Silbe des Dimeters wie der Tripodie ist frei; vgl. 13. 95. 103. 130.
177. 181. Aus der trefflichen Florentiner Handschrift (Plut. VII, 10; vgl.
meine Not^n zu den beiden Gedichten des Gregor), wohl der besten Hand-
schrift von Gregor's Gedichten, hat Herr Dr. A Herzog mir folgendes
Scholion zu diesem Gedicht mitgetheilt *7bi>ro tö fiirpor dSiaipoQoy iari
lajußixoy fiiyroi jvyx^^^^- '^^ fiivroi n(Junoy roy arixoy {rdry arix(oy?) dixa-
raXriXToy l/or* tüv de devxBQoy rQixajaXrixxoy fi^iafißoy. roy Je reXeureioy
(so) avXXaßrjy ecp^ ixatiQoig %6ig arixoig ddidcpoQoy Ti&riaiy^ eire lafißog etre
nvQifixiog. firiTig ovy fioyoanxicty rovto y^fdiipfi' OipdXXerai yap og jovto
noiTjoei^ Das soll wohl heissen: 'Dieses Versmass bildet gleiche Zeilen
und hat jambischen Tonfall. Der ersten Halbzeile fehlen 2, der zweiten
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311
3 Jamben zu einem richtigen Trimeter, so dass hier ein halber Trinieter
bleibt. Die letzte Silbe beider Halbzeilen ist frei. Schreiben soll man
das Gedicht in Langzeilen, nicht in Halbzeilen.'
Diesen Zeilen Gregors sind die Zeilen verwandt, in denen dei^ Hymnus
des Methodius geschrieben ist. Als Beispiel will ich 5 Strophen geben,
deren Text ich nach Kräften hergestellt habe.
'YnaxoTj. l4yy€vu} aoi scai Xaixnadag (paeacp6(fOvg scgaiovaa
vvfKpie vnavravo) aoi,
(»garova \ vnayuiytü aoi yvfitpU.'i)
'l4ycD&ey naQ&ivoi ßof^g
iye(jaiv€}C(jog rj^og ^XS-e yvfi(pi(p Xiywy
naaavdi* vnayiaytiy Xsvxalaiy iy aroXalg
xat kafindai 7T(j6g dyroXag. eyQaa&s ngly (p&dafi
jLioXely eiOü) &vgüiy äyaS.
'YnaTcoTj, l4yyeva} ooi xal Xajun. etc.
1 Borig om. ed. Ällatii. 3 Xfvxataiy B: Xsvxiaty VOAll. Po88. 4 iytoXaf O fpSttaji
B: ff&dcfi VOAll. Po88, Bei Jahn und Christ lautet die Strophe:
ayutSfr, naq&iyoi, ßo^f iyfgaiykXQog ^/of
fjX&^y yv/4<pi(fi naaavSi vnayiayfiy Xsvxaiciy {Xfvxaiat Tf) ^
xai Xa/Anaai ngos aytoXdf. fyQta&e ngiy <p&dafi /ÄoXeiy i
sttTttß ^vQüiy aya(, "
BgoTioy noXvareyaxroy bXßov ixipvymaa xai "
ßiov TffV(prjy tjdvy r' sgcora aaig vn dyxdXaig
l^ü)ri(p6(}0ig no&d) axmsa&ai xal ßXeneiy t6 aov
xdXXog diriyfxCg fiaxag.
^Ayy^vo) aoi xal Xa/in. etc.
2 tQVip^y nSvy t BQiata Meyer, rgv^ns ddoydg igutta VB et (rQo^tjf?) 0, t^v^^^ Ipiüra
Jahn, TQv^^s iQ*ma (xutQoy Christ. 2. 3. dyy, iofiq>, VO.
rdfiü)y Xinovaa &yriTd XexiQa xal ** dofioy
äya§y ^id a^ 7ioXvx9^(^oy ^X&oy daniXoig
iy eXfxaaiy onivg (p&dao) xdyo) naroXßiwy
&aXdfi(oy uoo) avy aoi fioXdy.
liyyevio aoi xal Xafin. etc.
Jahn und Christ.theilen ab: 1. rdgAtüy . . «V«^ (14 Silben), 2. Sin . . (V/4aaiy (16 S.), 3. o;»uif , ,
dakdiAmy (13 S.), 4. tXava avy aoi (AoUXy (aya^ add. Christ). €V/4aat codd.
''Yfiyoig, udxai(}a S^eoyvucpB, &aXafiri7i6Xoi
ai aal ye^ai^fouey ae yvy, a&ixre na{}&iye,
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■^
312
ixxlTjöia xiovoao}^e xvavoßoarQixB
^AyvBvuo aoi xal Xafin. etc.
1 yfdrvfitpf B Po88, 2 ai aal Meyer, ai ai VOB All, Poss.
Vakliov To xacröy äaua vvr x^9^ ^^ naQ&iviov
xa&iaravei 7i(j6g ovfjavovi;, ävaaaa, (pan; oItj,
iareiuufyog Xsvxolg x^fLvoiv xdXv^i xal (pXoyag
X^(f<fi OBkaöcpoQotg (peQiov.
liyrevo) aoi xal Xafin.
2 <püiq oAij Meyer aa<p£g öXfi codd. AU. Poss,, üatpaig oXoc Joikn, ^lugtpoQog (?) Christ
Wie in diesen Strophen, so finden sich im ganzen Gedichte unbe-
greifliche Verstösse gegen die anerkannten Gesetze der quantitirenden
Dichtung. Der ersten Zeile gehen, wie oben erwähnt, öfter kleinere
oder grössere Zeilenstücke voran; die Zeile von 14 Silben hat sehr oft
nicht die Caesar nach dem 4. Jambus. Dreisilbige Füsse sind vielleicht
anzunehmen in /' 4; T l; F 3, sonst werden die Silben der Zeilen ge-
zahlt. Hiatus und eine Länge in der 2. Senkung der Dipodie ist zwar
sehr selten, (denn Messungen, wie ßianog, l^iorjroxog sind wohl auf andere
Weise zu entschuldigen); allein die Hauptgesetze der Quantität sind stark
verletzt, indem die Hebung sehr oft nicht nur durch a v i^ sondern
sogar durch f und o gebildet wird; so AT 2 ov^viov eari TioiJia, M 3
lexxQa ßiaivjg, /' 2 (fia ae nolvxifvaov etc. Im Anfange des 4. Jahr-
hunderts kann ein so hervorragender Schriftsteller, wie Methodius, so
schwere Fehler gegen die Regeln der quantitirenden Poesie nicht aus
Unwissenheit zugelassen haben; er muss sich derselben bewusst gewesen
sein und muss sie aus einer bestimmten Ursache mit Absicht gesetzt
haben. Von irgend einer Rolle, die der Wortaccent in diesem Gedichte
spiele, ist durchaus Nichts zu merken. Ich finde für die aufiEallenden
Erscheinungen im Verbau des Methodius keine andere Erklärung als für
1) Ausserdem dürfte noch in folgenden Stücken der Text von Jahn und Christ zu bessern
sein: J 1. 2 Jolov^ 6paxoa^of [fkS-oy] in^vyovca ^i^iotc, Jfaxo^, ^€iUri}^A>iff. HXtjf^ 6f xai nt^i
^loya, K 2 tilge y«r^ mit All. A 1 ^iafin^c aor (tfor ro»» Pöss,, et tor AJl,) Sara^^
JßiX n^xrvnitr, M 1 Miy$€wor «^A©r nywtmc "Ö ««^rf^c 9ov ntuf, Xoyi, *luw^fp ayfi^to' |
r%'r^ y<r^ ai-t 6r tif aStöfiu Xixr^ ßtai'mf Et^Uf-y <fXoyüvfiirm so AB, Poss,
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313
die bei Commodian. Das stolze Bewussts^n, dass neben dem einheimischen
Prinzip der quantitirenden Dichtung die fremdsprachlichen Christen ein
ganz anderes, kräftiges Dichtungsprinzip besassen, führte zunächst zui^
Geringschätzung und zum theilweisen Aufgeben der Gesetze der quanti-
tirenden Poesie. Die Stücke, welche solche Dichter aus den Gesetzen
der quantitirenden Poesie festhielten oder welche sie im Hinblick auf
jene andere Dichtungsweise sich neu ersannen, waren natürlich bei den
verschiedenen Individuen verschieden. So werden die Formen des Com-
modian wie die des Methodius begreiflich.
Die beiden rythmisehen Gedichte des Gregor von Nazianz.
Die nächste Stufe in der Entwicklung der rythmisehen Poesie der
Griechen bilden die beiden Gedichte des Gregor von Nazianz (ge-
storben 389), welche gewöhnlich Exhortatio ad virginem und Hymnus
vespertinus betitelt werden; (siehe Anhang No. I). Was den Gregor
bewogen hat, neben der gewaltigen Masse von Trimetern, Hexametern,
Pentametern und mehreren jambischen und anakreontischen Zeilenarten
diese wenigen Verse ohne Beobachtung der Quantität zu dichten, darüber
gibt es weder eine Nachricht noch eine wahrscheinliche Vermuthung.
Ueber die Formen des Hymnus hat Santen zu Terentianus Maurus
S. 165 u. S. 185, über die beider Gedichte Christ Anthologie S. XIII — XV
gehandelt.
Meine abweichende Auffassung gründet sich auf die Beobachtung
folgender Thatsachen: Beide Gedichte lassen sich in Langzeilen abtheilen,
von welchen jede auf der vorletzten Silbe betont ist mit Ausnahme von
Exhortatio Vers 23 6()ei 2ivä und 34 fii] OT^kr] nayfjg aloi^: (den 1. Fall
entschuldigt der Eigenname, den 2. wohl das Citat); dann Hymnus V» 1
koye S-aov, 4 zo (pd)g, 13 aa()x6g. (und 24 nviVf^iari. 25 ^Auriv: Doch
sind solche Schlussformeln stets frei gebildet).
Von den 125 Langzeilen zählen 75 je 14, 43 je 15, 7 je 16
Silben. Jede Langzeile lässt sich, was schon die Handschriften an-
deuten, in 2 Halbzeilen zerlegen von je 7 oder 8, selten von 9 Silben;
die erste Halbzeile endet bald mit einer betonten, bald mit einer unbe-
tonten Silbe, die zweite hat, wie erwähnt, fast stets den Accent auf der
Abb. d. 1. t:Jl. d. k. Ak. d. Wias. XVII. Bd. IL Abtb. 41
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314
vorletzten Silbe, so dass sich folgende Verbindungen ergeben, 7 w -^ -|- 7 r
28 X in Exhortatio, 6 X im Hymnus; 7 - ^ + 7: 33 X in Exh., 8 X
im H.; 8 w + 7: 7 X in Exh., 2 X im H.; 8 - u + 7: 24 X in Exh.,
4 X im H. ; dann von den seltenern Arten : 7 ^ — -j- ^ • ^^ Exh. Vers 1 6.
55; H. 24; 7-^^+8: in Exh. V. 1. 43; H. 11; 7 w-^ + 9: im H. 12;
8 . +8: in Exh. 44. 54. 73; 9-^+7: in Exh. 9; H. 5. 7: also
im Ganzen 76 Verse zu 7 + 7. 37 zu 8 + 7, 3 zu 9 + 7 ; 6 zu 7 + 8,
3 S5U 8 + 8 Silben.
Die Quantität der Silben wird nirgends beachtet, der Accent, wie
erwähnt, nur in der vorletzten Silbe der Langzeilen; sonst fallen die
Äccente in allen möglichen Spielarten; ja ziemlich oft stossen schwere
Accente aufeinander, wie 49 ayyrir Träfet. 53 avxij.rj^äy ^cofirjr, 55 xalov
äy&og. 80 fiix^ä axent], Hymn. 5 (pcürt xriarjg und zwischen den Halb-
zeilen 40 7i()oaevxcit öax^va. 74 Trarr/p äXlog. Hymn. 17 iXacpffov vnvov.
Hiatus ist innerhalb der Halbzeilen selten: in Exh. 15 Tfj elxoru
55 T] aWiog. 66 o otpig, (72 xal indym). 94 rä ayia; zwischen den
Hiilbzeilen finden sich 5 (33. 43. 61. 77. 96); dagegen 21 zwischen An-
fang und Ende der Langzeilen. Im Hymnus findet sich Hiatus innerhalb
der Halbzeilen, abgesehen von dem formelhaften Schlüsse (V. 24 u. 25)
in 2 Tiysijua b§. 11 xmI Tjue()ay. 20 xoIttj evoeßalg; keiner zwischen den
Halbzeilen, aber 3 zwischen den Langzeilen.
Clirist hat schon hervorgehoben, dass nach jeder Langzeile eine
gewisse Sinnespause eintritt; es ist hinzuzufügen, dass in der Exhortatio
nach jeder 2. Langzeile eine starke Sinnespause eintritt, ebenso wie im
Carmen apologeticum des Commodian; im Hymnus dagegen scheint nach
jüder dritten Langzeile eine starke Pause stattzufinden. Auch Cosmas
citirt in seinen Erläuterungen zur Exhortatio jedesmal ein vollständiges
Vei^paar: 23 und 24; 33 und 34; 47 und 48; 81 und 82; 85 und 86.
Aus diesen Thatsachen ergibt sich, dass die beiden Gedichte in Lang-
zeilen von 14 — 16 Silben geschrieben sind, welche in 2 Halbzeilen zer-
fallen, deren erste aus 7 oder 8, selten aus 9 Silben besteht, während
die 2. meistens 7, selten 8 Silben zählt. Quantität und Tonfall ist durch-
aus frei gegeben, nur muss die vorletzte Silbe der 2. Halbzeile betont
sein. Fragen wir, ob hier eine Zeilenart der quantitirenden Dichtung
nachgeahmt ist, so könnte nur der Hexameter in Betracht kommen; der
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315
wechselnde Schluss der 1. Halbzeile würde die wechselnde männliche
oder weibliche Caesur im dritten Fuss, der Paroxytonon im Schluss der
Langzeile den schliessenden Spondeus oder Trochaeus des Hexameters
nachbilden. Dass die Silbenzahl der 1. Halbzeile nicht wie im quanti-
tirenden Hexameter auf 5 oder 6 herab, die der 2. nicht auf 9 oder 10
Silben hinaufsteigt und die Silbenzahl der ganzen Zeile nicht sich zwischen
13 und 17 bewegt, braucht nicht zu befremden, da ja die Errichtung
derartiger Schranken bei den rythmischen, d. h. Silben zählenden Dichtern
natürlich ist, und desshalb bei den lateinischen Dichtern von accentuirenden
Hexametern verschiedene Spielarten gefunden werden. Die Langzeilen
treten in der Exhortatio in Gruppen von 2, in dem Hymnus in Gruppen
von 3 Zeilen zusammen, ein Gesetz, das nur durch V. 16 des Hymnus
verletzt wird.^) Akrosticha oder Reime binden die Zeilen nicht. Demnach
ist in diesen beiden Gedichten Gregors die Quantität gänzlich missachtet ;
sie sind also der rythmischen Dichtung zuzurechnen und als deren älteste
Erzeugnisse anzusehen. Der Accent ist nur so weit beachtet, dass die
vorletzte Silbe der Langzeilen accentuirt ist, sonst sind durchaus keine
metrischen Füsse durch den Wortaccent nachgebildet, also auch hier ist
es Nichts mit jenem erdichteten üebergange der quantitir enden zur accen-
tuirenden Poesie, in welchem die accentuirten Silben an die Stelle der
vom Versictus getroffenen langen Silben getreten seien. In den Lang-
zeilen sind die Silben gezählt, die Langzeilen selbst zu bestimmten
Oruppen zusammengestellt. Von einem Akrostichon, wie bei Methodius,
ist hier keine Spur. 2)
1) Merkwürdig ist der (auch von Christ Anthol. S. 28 gedruckte) quantitirende vf^yog feV
Xgiatoy. Hier laufen 2 Regeln nebeneinander: 1) sind die Verse in Gruppen von je 8 zusammen-
gestellt, 2) wechseln die reinen jonischen Dimeter, wie 66g ayv/uyiiy 66g dfi6uv und die ge-
brochenen, wie 6i oy ayyiXkty ;|fo(></a, regelmässig mit einander ab in den Versen 1 — 7. 10 — 16.
IM — 51, so dass dies offenbar Absicht ist. V. 9 und 8 Hessen sich leicht imistellen, allein bei
V. 17 und 18 kann so nicht geholfen werden. Es ist eben hier wie im Hymnus vesp. eine Aus-
nahme von der gewöhnlichen Regel gemacht.
2) Durch diese Resultate wird das alte und seit Valckenaer viel benprochene Scholion der
besten Handschriften Gregors, 'ffV tovxt^ rw Xoyt^ toy IvQttxovaiov Zai^^oya (AifAitidi. olrog ya(ß
fidvog notfiTüiy Qv9-/ioig riai xai xtaXotg e/QijattTo fierpiXrjs dyaXoyiag xata<pgoyij(Tttg* nicht aufgeklärt.
Allein mir wenigstens ist es unmöglich, in den Bruchstücken des Sophron (zusammengestellt von
Botzon im Programm des städtischen Gymnasiums zu Marienburg 1867) bestimmte Lang- oder
41*
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d
316
lieber die gleiehzeiligen rythmisehen Gedichte der Griechen
und über den Takt Wechsel.
Obwohl die bis jetzt veröffentlichten aus gleichen Zeilen bestehenden
Gedichte nur wenige und dazu später gedichtet sind als die meisten der
nachher zu besprechenden Hymnen, so will ich sie dennoch schon jetzt
behandeln, da sich mit der Untersuchung derselben leichter die wichtige
Frage verknüpfen lässt, in wie weit in den rythmisehen Gedichten der
Griechen ein bestimmter Tonfall beobachtet ist.
Das 'Sla^aQioy xaravvxrixov jl^ovrog rov ßaoikecog, bei Matranga
(Anecdota graeca II p. 683) und Christ (Anthol. p. 48 vgl. S. XXVIII)
gedruckt, umfasst bei Matranga 189, bei Christ 150 Zeilen zu je 8 Silben,
deren vorletzte stets betont ist. Je 6 Zeilen bilden eine Gruppe; die
Anfangsbuchstaben der Gruppen werden durch die Buchstaben des Alpha-
betes gebildet. Der "V/tirot; ix tiqooujjiov /iaaiXaiov deanorov 4>u)tLov rov
Tiarpmp/oi; (bei Christ Anthol. p. 50; vgl. S. XXVIII und LXXXIX) zählt
100 Zeilen von je 7 Silben mit dem Accent auf der vorletzten Silbe;
je 4 Zeilen bilden eine Gruppe; die Anfangsbuchstaben der Gruppen sind
auch hier durch die Buchstaben des Alphabetes gebildet.
Sowohl die achtsilbigen Zeilen des Leo als die siebensilbigen des
Photius haben stets einen Accent auf der vorletzten Silbe. Wie steht
es nun mit den Accenten auf den 6 oder 5 vorangehenden Silben? Ist
hier ein bestimmter Tonfall beachtet oder nicht? In der lateinischen
Ilythmik haben wir von Anfang bis zu Ende die auffallende Erscheinung,
dass, wenn man die Wörter so betont wie gewöhnlich in der Prosa, in
den sich entsprechenden Zeilen zwar die Schlüsse ( ' « hömines —
selten fäctus est, noch viel seltener ältus mons, — oder ' « peccatori:
denn andere Schlüsse gibt es in der lateinischen Rythmik nicht) gleich
betont sind, dagegen die vorangehenden Silben sehr oft verschiedenen
Tonfall haben. Viele unserer Gelehrten helfen sich über die Schwierig-
Halbzeilen nach Art der gregorianischen zu entdecken; ebenso wenig irgend eine Beachtung der
Wortaccente. Das eine ist sicher, dass auch Sophron um die Quantität der Silben sich Nichts
gekümmert hat. Ausserdem mag in den Dialogen eine gewisse Gleichförmigkeit der Reden und
Gegenreden sich ergeben haben.
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317
keit hinweg durch die Theorie von der sogenannten schwebenden Be-
tonung, d. h. sie betonen die dastehenden Silben eben nach dem Schema,
ohne Rücksicht darauf, dass die gewöhnliche prosaische Betonung hiebei
gänzlich verletzt wird. Da aber ein wichtiges, ja vielleicht das wich-
tigste Merkmal aller rythmischen Poesie gerade darin besteht, dass die
Wörter hier ebenso betont werden wie im täglichen Leben, so habe ich
diese Annahme als unnatürlich zurückgewiesen; vgl. die lat. Rythmen
S. 56. Dagegen stellte ich die Theorie vom Taktwechsel auf, d. h. ich
behauptete, vor dem Schlüsse sei die Betonung der Silben frei gegeben,
unter der einen Bedingung, dass nicht 2 schwer betonte Silben auf
einander stossen dürfen. Nun ist freilich wahr, nach dem einförmigen
Betonungsgesetze der lateinischen Sprache können schwer betonte Silben
überhaupt nur dann zusammenstossen , wenn ein schweres einsilbiges
Wort vor betonten Wortanfang zu stehen kommt, wie ältus möns im-
minet, ein Fall, der sich nicht häufig gibt. Da nun die Dichter der
Blüthezeit der lateinischen Rythmik, d. h. des 12. und 13. Jahrhunderts,
diesen Fall theils gänzlich, theils ziemlich meiden, da sie anderseits ein
feines Bewusstsein der rythmischen Vorgänge zeigen, indem sie z. B. den
Taktwechsel bald überhaupt meiden, bald nur an bestimmten Stellen zu-
lassen, z. B. in der ersten Hälfte der Vagantenzeile, wie ut dicant cum
venerint, aber nicht in der 2., wie ängelörum chori, die meisten endlich
die beim Taktwechsel entstehenden 2 Kürzen nicht daktylischen Wort-
schluss bilden lassen, also wohl ut dicant cum venerint oder mons altus
incümbit gestatten, dagegen ut dngeli dicerent oder s.ng6lici chori ver-
meiden, so ist offenbar, dass sie sowohl des gesetzmässigen Tonfalles als
auch im Gegensatz dazu der Unregelmässigkeit des Taktwechsels sich
bewusst waren, und wenigstens wahrscheinlich, dass sie jene zusammen-
stossenden Hebungen mit Absicht mieden. Dagegen die Dichter lateini-
scher Rythmen vor dem 12. Jahrhundert zeigen wenig Sinn für feinere
rythmische Gesetze und jener Fall, dass ein schweres einsilbiges Wort vor
betontem Wortanfang steht, ist weniger gemieden. Wenn also Jemand
behaupten würde, in der ersten Periode der lateinischen Rythmik seien
vor dem Schlüsse die Silben nur gezählt worden, und meine Beobachtung,
dass in den lateinischen Rythmen fast nie zwei Hebungen zusammen-
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318
stossen, sei kein mit Absicht festgehaltenes Kunstgesetz, sondern nur eine
aus dem einförmigen Betonungsgesetz der lateinischen Sprache unver-
meidlich sich ergebende, allerdings sehr erfreuliche Thatsache, so wusste
ich kaum einen tüchtigen Grund dagegen vorzubringen.
Wie steht es in der griechischen Rythmik? Werden bestimmte Füsse
wie in der quantitirenden Dichtung streng festgehalten ? Auch hier lautet
die Antwort: nein. Christ (Anthol. p. LXXXVIII. LXXXIX u, XCVIir)
bemerkt hierüber: pedum divisionem spernebant . . haec erat praecipua
lex melodis christianis (graecis) proposita nee umquam violata, ut singula
cola uno saltem loco syllabam acutam haberent; neque pauci versiculi
in tropariis byzantinis occurrunt, quorum accentus uno exceptt) oninee
fluctuant . . modorum indoles in clausulis colorum maxime conspicua fit.
Die Thatsache steht fest, dass in der griechischen Rythmik nicht wie in
der quantitirenden bestimmte Füsse festgehalten sind.^) Demnach fällt
auch für das Gebiet der griechischen Literaturgeschichte jene Theorie,
wornach die rythmische Poesie sich auf dem einfachen Wege gebildet
habe, dass nur an die Stelle der vom Versictus getroffenen langen Silbe
die vom Wortaccent getroffene getreten sei. Die Frage bleibt nur^ ob
vor dem Zeilenschluss, wie bei Gregor, gänzliche Freiheit herrschte unri
nur Silben gezählt wurden, oder ob gewisse Schranken beobachtet wurden.
Diese Frage kann nur durch eine genaue Untersuchung der Gedichte
beantwortet werden. Dieselbe verspricht bei den griechischen Gedichten
schärfere Resultate als bei den lateinischen, da viele Wörter auf der
Endsilbe vollen Accent haben, so dass z. B. Hebungen, wie in aotpvi^
kfysi, leicht zusammenstossen können.
Vorher muss auf einige allgemeine Regeln hingewiesen werden. In
jedem drei- und mehrsilbigen Worte kann jede Silbe, welche durch 1
oder durch 2 unbetonte Silben von der Silbe, die den Hauptaccent hat,
getrennt ist, einen Nebenaccent bekommen; diese Regel gilt für die
lateinische und griechische Rythmik in gleicher Weise; für die deutsche
(wegen der Stammsilben) nur zum Theil: angelorum chöri; ool (Tolrtr
dvantjunu), höhere Gewalten. In den gleichzeiligen Gedichten, auch in
den einfachsten Strophenformen der Hymnen, steht an derselben Stelle
bald der volle Accent, bald der Nebenaccent So steht z. B. ipvxfj kaunpä
1) Mit der Theorie von der schwebenden Betonung auch alle griechischen Rythinen m das
Joch bestimmter Schemate zu zwängen, hat bis jetzt noch kein Gelehrter riskirt.
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i
319
(filoxake = darfga ^ei^aq ae Xa/xngoy =z vnsQJtQovaav xaXXoyaii^ = ttjv
xalXovriv Ti]v fxxqitov u. 8. f. In den künstlichen, für feinen Gesang be-
stimmten Hymnenstrophen wird dagegen fast stets ein Unterschied ge*
macht, ob die Silbe mit dem vollen oder mit dem Nebenaccent belegt
wird; doch ist dieser Punkt noch schärfer zu untersuchen. Desshalb
theilen die Griechen die Schlüsse sachlich ganz richtig ein in oxytone,
paroxytone und proparoxytone {loyiofiog, (agdiov, d^iXovaa)\ für die poli-
tischen Verse und ähnliche fällt freilich der Unterschied zwischen den
oxytonen und proparoxytonen weg und der Schluss &i^aav(jolg steht dem
Schlüsse ri&rixe gleich. Das Natürliche ist, dass bei jambisch-trochäischem
Tonfall volle und halbe Accente mit einander wechseln, da ja in allen
drei- und mehrsilbigen Wörtern dieselben ebenfalls abwechseln, dass da-
gegen bei anapaestisch- daktylischem Tonfall die Hebungen durch voll
accentuirte Silben gefüllt werden; so haben in dem nachher zu be-
sprechenden Gedichte des Romanos die 5 Jamben der 5. Zeile meisten&
die Accente ^ - w - « — w :- w — oi fiiv rtp ydftip ino^vffovraiy dagegen
die Anapaeste meistens volle Accente Tolg rov ßlov re(j7iroig Bvtfrtri'Qot'
Aoyiauip d-ecoQCJV rd yivofieya.
Sodann können, wie in der rythmischen Dichtung anderer Völker^
die Hilfs Wörter der Sprache (Pronomina, Conjunctionen, Präpo-
sitionen, Hilfszeitwörter) als unbetont behandelt werden; der griechischen
Rythmik ist eigen, dass diese Wörter als freies Material behandelt und
beliebig accentuirt werden können, z. B. auch tovtwv dia xara u, s. f
Ebenso können, wie in der lateinischen Rythmik, die Eigennamen,
besonders die fremder Völker, also vor allem die hebräischen, ferner in
wissenschaftlichen (medicinischen, grammatischen) Gedichten die be-
sprochenen Wörter und Wortformen ohne Rücksicht auf den Accent
gesetzt werden. Endlich kann in aller Rythmik bei jambisch -trochäi-
schem Tonfall von drei, aufeinanderfolgenden schwer betonten Silben die
mittlere die Stelle einer unbetonten vertreten, so 'Berg Thal Meer ; bei
anapästisch -daktylischem Tonfall ist es in der deutschen Rythmik nicht
sehr selten, dass ein einsilbiges oder ein zweisilbiges Wort mit einer
schwer betonten Silbe in den Senkungen steht, z. B.
Hört wie die Wachtel im Grünen schön schlägt.
Fliehet von einem in's andre grün Feld.
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320
In der lateinischen Rythmik kommt dieser Fall kaum vor, in der grie-
chischen selten. Die meisten Fälle fand ich in dem alten Grabgesang
des Romanos (Pitra Analecta I p. 44), den Pitra leider unglücklich edirt
hat, indem er die Lesarten der besten Handschriften A B (C) nicht in
den Text gesetzt hat, ja manche weggelassen zu haben scheint. Diese
durchaus anapästisch angelegte Strophe hat für die Zeilen 1 — 4 das
Schema v. w -^ « ^ .^ v. w -^ w ' z. B. roTg rov ßiov T€()Jiyolg ivrfreviQov,
Unter den vielen regelmässigen Zeilen finden sich auch folgende: 1) OvSl
eya ßgordiv svqov älvnov y. ''Iva di avyslwy sinio anavra &. '^Pvnov
ßiov xaXiog dnetpvyerB ly. Aeysi naXiv JiQog as' ov yag dvvaaai xß,
2) (Karsa&icoy avrov näaav vnag'^iv d), ^S2g elSwg rag y^aifag €/(ü
xavxVf^^ '^- (Ev^ov rov äfineXdiyog 6 xvgiog xy). 3) (rfp kvl yaQ dum
näoiy ecpTjOey /a). TV ovy o aXievg nixQog e/ua&ey /r. Udoi), äiXog
fiTj xafiv(JDy 7iga)r€V€i oov if)^. 4) (iXXov xa/uyoyrog äXXog evipQaiyexm S)
ricok^aor oov ra nayxa xai enov uoi la. /copav rip noyriQip urj
jia^fex^Tf X. Hoaoi s^co&ey i^txaicoß-rjaay xa. Das Schema der 6. Zeile
ist u Kj -^ yj Kj ^^ Kj -^ sj V w oder v;w--uu - ^ kj — v^oi dafür findet
sich T(}0(p7]g ;fap/y xai l^dlrjg xaracpifoyovai c nach den besten Hand-
schriften und IXrivxoy e&ei xa) nXovaioy rfi (p()oyi^a€i xt]. Das Schema
der 7. Zeile ist ^v— .»u — uw— v.w— ; dafür steht: i^ avriöv yap «l/i/.
xar firideig Isyu juoi. la. {älXog xd/nvei fxoxS^iSv, ä'klog \pallH no&wy u\
Kai rvipviaag avrovg yeXä nQÜixog avrog itj. Eine derartige Missachtung
betonter Silben ist allerdings so häufig wie hier sonst in der griechischen
Rythmik kaum zu finden.
Ueber den Tonfall in Leo's und Photius' Gedicht sagt Christ
p. XXVIII 'Anacreonteorum formam accentibus syllabarum imitantur;
tantum autem aberät, ut omnes pedes horum carminum auctores accen-
tibus exprimerent, ut inpaenultima syllaba nusquam non acu-
enda acquiescerent, quod similiter Gregorium Nazianzenum in hymno
vespertino instituisse demonstravimus. Eine genaue Prüfung ergibt andere
Resultate.
Zählen wir die festen Accente, so haben von den 150 Versen Leo's
(I) 29 Verse das Schema -^ ^ ^ -'- s^ ^ -^ ^ yala dixu ^rjyyv/Lieyt] (1. 8. 9.
14. 18. 24 u. s.- f.), (II) 20 Verse das Schema . -- v. - v . ' . i(^an'
xoXdoftg &()r]yi^aco (6. 7. 15. 19. 25. 31 u. s. f.). Die 56 Verse, welche
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321
auf den beiden ersten Silben unsichern, auf der 4. Silbe festen Accent
haben — -- ^-i- ^ ^ ' o, wie ir avarffoipfi ue ZecpvQov, dxa()iai(og änoLoei
(2. 3. 4. 13. 16. 22. u. s. f.) können nach der L oder IL Art betont
werden. Dagegen ist von den 150 Versen kein einziger auf der dritten
oder fünften Silbe voll betont, ausser dem Verse 88 SiSofiBvov vkrjg ^izrjr.
Hieraus ergibt sich, dass Leo der betonten 7. Silbe stets 2 unbetonte
voran gehen Hess. Demnach sind die 39 Verse, welche nur auf der 2.
und 7. Silbe volle, auf der 4. und 5. Silbe unsichere Accente haben
u — o — -- ^ — V. wie (p(fix(0(f€ig dnoyvjurovaa, b äyQiog aiuonojTjg (10. 20.
26. 30. 34. 38 u. s. f.), nach der IL Art auf der 4. und nicht auf der
5. Silbe zu betonen, und ebenso die beiden Verse, welche nur auf der
1. und 7. Silbe feste Accente haben, nach der I. Art: 11 /cüpofj; rovg
rvy xezevd-iierovg und 100 vixvag dvaacpaiQioet, und in dem einen Verse 5
IV onuyg fis jag /aerovaag, wo nur die 7. Silbe einen festen Accent hat,
muss sicherlich die 4. betont werden. In den beiden Versen 21 ß^v/si
uaijuq aairei xs(fxoy und 23 xaranuTv niXQog axcikri^ bilden aaiyei und
mxQog die unbetonten Silben des Anapästes; wenn man in V. 88 nicht
dieselbe Ausnahme mit der weiteren unnatürlichen Betonung didofjLtyov
vJLTjg dixriv annehmen will, so ist zum mindesten die Wortstellung falsch.
Leo hat also 2 Schemate durch die Wortaccente ausgedrückt:
I-:-^^-'.^^-^.^, II ^_i-^^^^_:_^. Hiemit hat er nach meiner An-
sicht eine bestimmte Zeilenart der quantitirenden Poesie nachgeahmt. In
den anakreontischen Zeilenarten ist bei den Byzantinern der Wechsel des
Tonfalles gewöhnlich. In den Langzeilen der xovxovlha steht bald
o w V w/ — , — w o — — , bald - w w — V. V. - , - o ^ — ^ {^bda vaQxiaaov
fX,^y, niSg xoviv eoxov und 17 ndgog dyd-oipoQog axrjtpiv i(peif()eg). So
wechseln in dem oben (S. 315 Note 1) besprochenen Gedichte Gregors
von Nazianz regelmässig die 2 Zeilenarten v. ^ ^ ^^ —^ und .. v>
^ _ V. — ^ ((Ji* ov alwy6(, änavaroi und Si oy rihog ngokafinei). Diese
Zeilenart ^ u u v. hat nach meiner Ansicht Leo nachgebildet ;
zunächst hat er die Umbildung genommen, die in den xovxovklia ganz
gewöhnlich war: I — v^ v.-^w ^ -' ^\ dann, da das Zusammenstossen von
2 betonten Silben sich in der rythmischen Poesie nicht in ganzen Gedichten
durchführen lässt, worüber später zu handeln ist, also die rythmische
Nachbildung von regelmässigen Jonici, Bacchien und ähnlichen metrischen
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. 11. Abth. 42
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Füssen unmöglich ist, die Zeilenart v^ ^ k, ^ — ^ mit v-^u-^u v — ^
vertauscht. Leo hat also ganz bestimmte Füsse gebildet und mit den-
selben wahrscheinlich eine bestimmte metrische Zeilenart nachgeahmt.^)
Anders steht es bei Photius. Die 100 Verse sind auf der vor-
letzten Silbe voll betont; (V. 71 ^avXeveiv aoi (pvXa^oy ist natürlich falsch).
Da von diesen 100 Versen (I) 3 dem Schema v^ -^ ^ '-^-l-^ folgen:
l^ivp 6 ßliniDv ndvra (33. 53. 69) und 66 dem Schema w — u — ^-^w:
aol do^av äramjiiTiü) (2. 4. 6. 7. 11 — 18. 20 — 24 u. s. f.), so ist unzweifel-
haft das nächste Vorbild des Dichters gewesen die gewöhnliche ana-
kreontische Zeile zu v — v — ^ — ^ (7V aoi &iXeig yevsa&ai; Vvxtjv ififjv
iQiorw). Allein hier mischen sich fremde Dinge ein. 11 Verse haben
(II) auf der 1. Silbe schweren Accent, wie BdS-og aov rfjg aocpiag. yti&(p
rriv xBipakrir /llov (5. 8. 9. 25. 26. 28. 30. 41. 43. 85. 96), so dass man
von den 9 Versen, welche nur die 4. und 7. Silbe stark betont haben,
wie *0 ix firjT(fog xoiXiag. Twv iyrokwr aov TQcßoy (1. 3. 35. 39. 62. 66.
74. 97. 100), nicht entscheiden kann, ob sie nach der I. oder II. Art zu
betonen sind. Ja 5 Verse haben sogar (III) auf der 3. Silbe schweren
Accent, wie To aov vtpiars xQarog, Jvyaardiy Ss iy fxiatp (10. 27. 29.
45. 95), so dass hier also weder die 2. noch die 4. Silbe betont sein
kann. Wir sind also in Ungewissheit, nach welcher Art die 6 Verse,
welche nur auf der 6. Silbe sichern Accent haben, wie "^^Jxav afjg dvya-
azeiag. "^Üxi wg (fvyarog uoi (19. 32. 47. 57. 58. 77), zu betonen sind.
Kurz, wir sehen: mit dem Streben bestimmte Fasse der quantitirenden
Dichtkunst durch die Accente nachzubilden, welches bei Leo noch völlig
herrscht, kämpft bei Photius mit ziemlichem Erfolge eine fremde Macht,
die von dem Festhalten bestimmter Füsse nichts wissen will. Allein so
weit, wie bei Gregor, zum blossen Silbenzählen, ist es bei Photius nicht
gekommen. Obwohl in den hundert Zeilen bald die 1., bald die 2., bald
die 3., bald die 4. Silbe schweren Accent hat, so stoasen doch nie-
mals 2 schwere Accente auf einander; denn V. 29 S^ei daanüra
ndyjüiy bildet keine Ausnahme, da 9Bog, wie /p/cTi:^' und ähnliche Wörter,
willkürlich betont werden darf
1) Die bei Matranga mehr stehenden Verse fu^n sich alle ebenfalls den beiden von mir
aufgestellten Schemata.
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Das häufig dem Johannes Damascenus, häufig dem Jüngern Simeon
Theolog. zugeschriebene Gedicht l4no (wnagwy ;f€iAfCüi/ (Daniel Thesaurus
III, 94 und Migne Cursus- 96, 853) zählt 135 Zeilen ohne Akrosticha
oder Abtheilung in bestimmte Gruppen. Unter denselben ist keine, in
welcher die 2. oder 4. Silbe vollen Accent hat (in 22 not J/ Tzapaa/f
fioi nodag ist na^jan/e und in 37 noiffra uov kviffiörd fiov ist noirjTd zu
schreiben), dagegen hat bald die 1., bald die 3., bald die 5. vollen
Accent und die 7. stets, so dass das Schema ^ - v^ -- ^ — ^ sich ergibt:
<ye§ai dhtiaiv Xifiari /uov. ij/naQjoy vmQ Ttjy noQyrjv. ui) roifg loyovg fii)
Tovg TQonovg. rovrovg roluriQivg dkeiipai. yeyQafXfiiya aoi ri;y;fai/6/.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass hier die anakreontische Zeile
^ ^_'-^_^^_i-^ rythmisch nachgeahmt ist; die schwere Betonung der
1. Silbe, welche in 17 Zeilen sich findet, kann nicht sehr befremden, da
auch unter die quantitirenden Zeilen zu « w — w — w — w {ro $o(for ro
Tioy i()iJjTU)y) sich andere, wie niyuDUBy 6cß(}a yeXwyrfg. ariifjoy ovy jus xat
i.v(}i^ü}y, mischen. Völlig gleicher Art sind die bei Matranga Anecd. II,
675 gedruckten "^JSxLxoi rov Kar()d(}ri elg roy ey (piXoooipoig (fUoaoipoy xai
{frfioQixunajoy NhUpvxoy dyaxQeoyjBioi^ 219 Zeilen der Art: Usn'kaafxiya
ndvra y/p«/. Tig ovx eWe rixyy dndyTivy. "Evd-ovg yiyerai xat xai(}€i.
"ETOifidg na&Hy wy ndyra. Noch strenger sind die Zeilen des Xqioto-
(poQov d, arix()lTov bei Matranga Anecdota II gebaut; S. 667' 100 Zeilen
zu w-:^w-:^w — w darunter . nur 4 zu — v^ — - u -- ^ nifd^ei xal i9€ix)(}ia%
dann 47 zu w — x. — w — ^, darunter nur 2 zu ji-u— — u^w {li&ovg
Swdexa von).
Um diese wichtige Sache näher zu beleuchten, will ich noch eine
einfache Strophenart der Hymnen untersuchen. Dieselben waren zum
Gesang oder zu gesangartiger Recitation bestimmt ; also konnte die Melodie
der Betonung gewisser Silben mehr, der Betonung anderer Silben weniger
Widerstand leisten. Pitra Anal. I S. 419 — 431 gibt 119 Strophen, welche
alle nach folgender Strophe gebaut sind:
1) Olxog rov ^EtpQaS-d 2) 17 noXig f} dyia 3) räy 7i()0(pr]r(vy tj ^o^a
4) €VT(ffniaoy rov olxov 5) iv (o ro S-eloy rixTsrai: also 119 (1.) Zeilen
zu 6 Silben mit oxytonem Schluss, 357 (2. 3. u. 4.) Zeilen zu 7 Silben
mit paroxytonem Schluss und 119 (5.) Zeilen zu 8 Silben mit propar-
oxytonem Schluss oder 595 Zeilen, deren 6. Silbe vollen Accent hat und
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324
bei denen nun die Betonung der 4 ersten Silben in Frage steht. Nun
haben weitaus die meisten Zeilen (325) entschieden (I) jambischen Ton-
fall, wobei die 2. Silbe festen, die 4. Silbe selten schweren, meistens
Neben- oder unsichern Accent hat, also selten ^ ^ ^ — (-f- ^ -^3, v. -i- u 13?
^-^^^14): BgoTog (parstg &e6g, <t>aid{}av idelv fifii{}av. Kai iQwvxiov
VTivov vnviDoag; meistens ^ ^ ^ - (~f- ^ ' 48, ^ — v^ 183, ^ — »^ w 64):
'O axvXog 6 OTS^gog. ^agicl netter firjS-rjg. '£2g naXeia eni^gafie Ein wenig
seltener als die 2. und 4. haben (II) die 1. und 4. zugleich schweren
Accent: -i- ^ u — (+ v> ' 1, ^ - ^ 15, w - ^ c 1): <f>(Sg ix (piorog x9^^^og.
^ÜQovg l^ijofjg äyS^()(6noig. Nojuov axiay cpcori^oyTa. So gehören der I. oder
der IL Art die (102) Fälle an, in denen nur die 4. Silbe festen Accent
hat - - w ' (-|- o — 0, u ' V. 82, o — w w 20): 4>ilavS-()u}mag koye. '0
XvxQonrig xal xvQiog. Nicht zahlreich (35) sind (III) die Zeilen, deren
3. Silbe vollen Accent hat; selten hat dann auch die erste Silbe vollen
Accent - ^ — ^ (+ ^ - 2, ^ -i. ^ 0, ^ — ^ ^ 1): p. 419, 5 Uolov axoixa fi
vovg. 21 j'AcÖTT« hvTiJog ßgorioy, p. 424, 48 Sdiaai S-ikvor rov ärS-Qunov ;
meistens geht der betonten 3. Silbe in der 1. Silbe unsicherer Accent
voran -^ « ^ w (-|- w ^ 0, ^^ — ^ 24, v^ -^ u w 7): *0 axj^adavTog nv^og.
Ovrjiiokujy To zleog. UoifAeva^/^riv xaTsarrjae. Nach der IL oder IIL Art
sind die (67) Zeilen zu betonen, welche zwar in der 1. Silbe vollen, aber
in der 3. und 4. unsichere Accente haben -±- u — — (+ .. -i. 58, ^ ~ w 5,
v^ ' w w 4): 4^e()eig JieQiro/uriy. ElSoy xal yoLQ aov acoreg. Eldog ro narv-
nt^kauTjQoy. Demnach sind wir über die Betonung der (38) Verse, deren
4 erste Silben keinen festen Accent haben, wie — — — — (-{- ^ — 8, w — w
27, w -1- w w 3J: \) St diVTiv^aS-eig, To djioxexQViJLfiiyoy, Jio ae jitaxagi-
<Qofity^ gänzlich im Unklaren; nur dürfen wir nach der Thatsache, dass
die meisten Zeilen entschieden jambischen Tonfall haben, als wahrschein-
lich folgern, dass auch diese unsicheren Zeilen jambisch betont werden
sollten. Immerhin steht die Thatsache fest, dass neben den Zeilen, welche
auf der 2. oder 4. Silbe feste Accente haben, sicher die 1. Silbe 87 Mal
und die 3. Silbe 35 Mal mit festen Accenten belegt ist. Demnach ist
nur im Schlüsse ein fester Fuss festgehalten ^ —^ ^A^, w-^^w«; da-
gegen in den 4 ersten Silben kann keine Rede davon sein, dass feste
Füsse wie in der quantitirenden Dichtkunst eingehalten wurden. Allein
desshalb kehrt dieser Versbau doch nicht zu dem blossen Silbenzählen
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325
des Gregor von Nazianz zurück. Die merkwürdige Thatsache, dass in
den fast 600 Zeilen nur 1 Mal (p. 423, 47 x^9^^s är ov Tolfj.d)'^ rf/g
nfjg y.o()vcpfjg ipavaai; denn p. 428, 27 i9e6y x^(^^^^ und 67 xi^tartw Hv^iov
sind nicht zu rechnen) schwere Accente zusammenstossen, zeigt, dass diese
Vermeidung der zusammenstossenden Hebungen eine absichtliche und
gesetzmässige ist. In den kunstreichen Strophenformen ist aus ver-
schiedenen Gründen der Tonfall der einzelnen Kurzzeilen in der Regel
streng festgehalten und nur an bestimmten Stellen, zumal solchen, welche
Namen oder lobende Beiwörter der Besungenen enthalten, wird wie die
Silbenzahl so auch der Tonfall verletzt. Die letzte Schöpfung der grie-
chischen Rythraik, der sogenannte politische Vers, ist die Nach-
ahmung einer Zeilenart der quantitirenden Poesie, des jambischen Tetra-
meters w_w — w — w , w — w_^_w, welche seit dem Anfang des
11. Jahrhunderts sich imiper mehr verbreitete und bald die gesamnite
mittelgriechische Poesie beherrschte^), da sie das Bedürfniss eines epischen,
für längere Gedichte brauchbaren Versmasses bequem ausfüllte. Wer auf
dieses Versmass zuerst verfallen ist, das gehört noch zu den Räthseln der
Literaturgeschichte, aber jedenfalls war es ein Gelehrter. Desswegen findet
sich in den gelehrten Dichtungen dieses Versmass durch den freien Ton-
fall der rythmischen Poesie nur an einer Stelle regelmässig beeinttusst,
indem im Anfang der beiden Halbzeilen ebenso oft ^ -l. als ^ ^ stobt:
Elg kß-yr] (pikoTioke/uog, (piXorexrog elg naiSag, Utffariv aoßn ror nnßa^uVj
ap/f/ T/}y Baßvhöya. Dies sind die gewöhnlichen Formen bei den bessern
Dichtern; bei wenigen findet sich die andere Art des Taktwechßela
^ ^ ^ _i_ « _i-j oder ^ w -^ w w ' .> z. B. im Lexicon schediogr. (Bois*
sonade Anecd. IV p. 366) V. 26. 32. 96. 148. 187 etc. und 25. 39. 44 etc.
1) Als alter Dichter von politischen Versen spukt bei manchen Griechen uml DeutHchen
(z. B. Rhangabis, Jidtpo^a non^finra Athen 1837 S. 414; bei Mullach Conject. ßjx.) ein */'«Ärj^r,
der um 1050 politische Verse gemacht habe; dahinter steckt Psellos, der in politiischea Veraen
das hohe Lied, umschrieb. Die von Vielen nachgeschriebene Verwechselung E^tumiiii wohl au»
Thierschs Rede *über die neugriechische Poesie, besonders über ihr rhythmischew und dichterisches
Verhältniss zur altgriechischen. München 1828. S. Vi: Von jambischen Versen sind die ältesten^
dem jambischen Tetrametron entsprechend und gleich mit ihm mit dem Ein^clinttt nach der
H. Silbe, von Psaltes, um 1050 nach Christus, der eine Umschreibung des hohen Liedes in ihnen
liefert oder wie er es ausdrückt Ey dnXovaiBQaiq Xi^foi xai xaTfjfÄaifv^iyaig'. 'IJr?XiTtKoii iff^it&ttiAtv
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326
z. B. ^EnriQ&To ro tjvx^o rjja (piXs fiov y(fd(f€; der Art sind die meisten
von Henrichsen-Friedrichsen, üeber die sogenannten politischen Verse bei
den Griechen 1839, S. 65 — 71 angeführten Ausnahmen. In den volks-
thümlichen Epen aber sind oft vor dem Schlüsse alle Rücksichten auf
bestimmte Füsse weggelassen, nur Silben gezählt und oft genug schwer
betonte Silben neben einander gesetzt. So finden sich in den 48 politi-
schen Versen, welche dem Simeon Metaphrastes zugeschrieben werden
(Migne Cursus 114 S. 132; 24 mit den Buchstaben des Alphabetes an-
fangende Paare), mindestens 10 der Art Nvxrog nffd^eig riyanriaa, (pmro^
e()ya fiiariaag; dann auch FToTaiuot ^^svyrjdrjxmoay elg xa&aQOiv xaxwy fiov.
Demnach ergeben diese Untersuchungen über den Tonfall innerhalb
der Zeilen folgendes Resultat : in der ältesten Zeit werden nur die Schlüsse
der Langzeilen nach einem bestimmten Tonfall gebildet; vor diesen
Schlüssen werden die Silben nur gezählt; die Accente mögen fallen, wie
sie wollen. Für den feinen Sinn der Griechen, welche Verszeilen ohne
bestimmte Füsse nicht kannten, war es natürlich, dass auch in der ryth-
mischen Dichtkunst bald mehr oder weniger bestimmte Füsse eingehalten
wurden. In den gleichzeiligen Gedichten waren dies besonders die Füsse
bestimmter nachgeahmter Zeilenarten der quantitirenden Dichtung, in den
Hymnenstrophen waren sie durch die Melodie der meistens sehr kurzen
und scharf zu markirenden Zeilen gebunden. Allein auch in dieser Zeit
hoher Formvollendung bricht je nach dem Belieben des Dichters jene
alte Freiheit der rythmischen Poesie wieder durch, welche von bestimmten
Füssen Nichts weiss; aber der strenge Tonfall der quantitirenden Dicht-
ung hat diesen freien Tonfall der rythmischen Dichtung dahin verfeinert,
dass dann wenigstens gemieden wird, schwer betonte Hebimgen zu-
sammen stossen zu lassen.
Ueber die ungleiehzeiligen Strophen der religiösen Gesänge
der Griechen.
Die Zahl der erhaltenen kirchlichen Lieder der Griechen, der ge-
druckten wie der ungedruckten, ist eine sehr grosse. Die alten und
neuen Venediger Drucke der verschiedenen liturgischen Bücher der
Griechen enthalten viele Stücke jener Lieder, jedoch in schlechtem
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327
Texte. Da eine Sammlung der griechischen Lieder, die sich mit Mone's
Sammlung der lateinischen vergleichen Hesse, noch nicht voi'hanflen ist,
benutzte ich die Anthologia Graeca carminum Christianorum von W. Christ
und M. Paranikas (Leipzig 1871) und den 1. Band der Analecta Sacra
des Cardinais J. B. Pitra (Paris 1876). Pitra hat ein altes, doch
schon frühzeitig wieder ausser Gebrauch gekommenes liturgisches Buch,
das Tifonoloytov^ eine Sammlung von Liedern, von denen sonst theiis
gar Nichts, theiis nur einzelne Strophen erhalten sind, wieder gefunden.
Wenn auch Pitras Methode und Ausnützung der Handschriften nicht
genügt, so hat doch sein Eifer für die Sache und der Reichthuni der
ihm zu Gebot stehenden Handschriften diese Arbeit zu einer grund-
legenden gemacht.^)
Die Dichter der kirchlichen Gesänge nennen sich oft in den Akro-
sticha der Strophen; fehlt dieser Führer, dann lässt sich selten der
Dichter bestimmen. Schon im 5., besonders aber im 6. und 7. Jahr-
hundert blühte diese Dichtung.
Von den vielen Arten von Gesängen, welche der vielgestaltige grie-
chische Ritus sich schuf, sind uns besonders 2 wichtig. Die eine, yMv-
Toxior, welche ich Hymne nennen will, besteht aus einer Reihe von oft
20 bis 30 gleichgebauten Strophen (rgonaffia), denen als Einleitung eine,
seltener 2, sehr selten 3 kleinere Strophen von verschiedenartigem Baue
vorangeschickt werden; alle Strophen haben den gleichen, regelmässig
1 — 2 Kurzzeilen umfassenden Refrain. Eine ähnliche verschiedene und
kleinere einleitende Strophe geht auch oft in den altitalienischen Laude
einer Reihe von kunstreichen, unter sich gleichen Strophen voran. Der
I. Band von Pitra's Analecta enthält fast nur alte Lieder dieser Art.
Die Gesänge der andern Art, die Kavoveg, sind aus 8 oder 9 verschie-
denen Liedern zusammengesetzt, von denen jedes seinen besonderen Bau
hatte und ursprünglich aus mehr, später meistens nur aus 3 oder 4
Strophen bestand.
1) Vgl. über den ganzen von Pitra gebotenen Stoft* die eingehende Abhandlung von J. \*.
Jacobi in der Zeitschrift für Kirchengeschichte V, 1882, S. 177—250.
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328
Bau der Strophen.
Uns geht hier besonders der Bau der einzelnen Strophe (r()(ma()ior)
an. So oft eine neue Strophenart beginnt, wird wie noch in modernen
Kirchen- oder Studenten -Gesangbüchern mit Trpo*; to die Melodie ange-
geben, nach welcher die Strophen gebaut sind, der €i()fi6g. Mit diesen
citirten Liedern steht es wie bei uns: meistens werden es die Lieder
sein, mit denen die Melodie neu geschaffen wurde, allein mitunter nur
das berühmteste Lied, das nach dieser Melodie aufgebaut ist. Die Freude,
mit dem neuen Liede auch eine neue Strophenart zu schaffen, muss be-
sonders in den ersten Jahrhunderten rege gewesen sein; später begnügte
man sich, aus dem vorhandenen Reichthum zu wählen.
Da der musikalische Vortrag, wie die katholische Kirche zeigt, sich
im Lauf der Zeiten sehr ändern kann, so scheinen Schlüsse aus der
Vortragsweise der heutigen Griechen unsicher. Die musikalischen Noten
der älteren Handschriften mögen meistens die richtigen und ursprüng-
lichen sein, doch wird nach der Zeit der Entwicklung und nach der
wechselnden Verwendung in der Liturgie, endlich nach der musikalischen
Begleitung und dem Orte der Vortrag sich bald der Recitation, bald dem
Gesänge mehr genähert haben. Da jede Strophe der Hymnen einen
Refrain hat, so wurden sie jedenfalls von Einzelnen vorgetragen, denen
ein Chor den Refrain wiederholte. Untersuchen wir den Wortlaut der
Gesänge selbst, so zeigt sich ein gewaltiger Unterschied vom Strophenbau
des mittelalterlichen lateinischen und des neueren protestantischen Kirchen-
liedes. Während diese in sehr einfachen Formen sich bewegen und an
bestimmte überlieferte Versfüsse und Zeilenarten sich binden, sind dort
alle Schranken gefallen. Selten sind einfache Strophen, häufiger umfang-
reiche, die bis zu 20 und mehr Kurzzeilen steigen, von denen wieder jede
wechselnden Tonfall haben kann, so dass man diese Formen mit den
freien Strophen der lyrischen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts,
manchen Opernarien oder auch Goethe's dithyrambenartigen Dichtungen,
wie 'Gränzen der Menscheit' oder 'Der Strom', vergleichen möchte. Der
Schöpfer der Melodie wollte nicht bestimmte Füsse und Zeilen wieder-
geben, sondern er folgte frei dem musikalischen Gefühle; dies allein be-
stimmte den Tonfall und die Länge der Kurzzeilen und die Gruppirung
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329
dieser Kurzzeilen zu Langzeilen oder Absätzen und zum ganzen Gebäude
(olxog) der Strophe.
Von der richtigen Untersuchung dieser Punkte hängt das Verstand niss
des ganzen Strophenbaues wesentlich ab. Die richtige Erkenntniss ist
hier viel schwieriger als in der lateinischen Poesie, wo der Keim das
Zeilenende klar markirt. Christ hatte in der Abtheilung der Strophen
mehr auf die Langzeilen geachtet. Pitra hat während des Druckes des
1. Bandes der Analecta mehr und mehr erkannt, welch bedeutende
Rolle in diesen Strophenformen die Kurzzeilen spielen; vergl. z, B* seine
Abtheilung von 'H naif&evog auf S. 1 und auf S. 677. Allein es ist
natürlich: wenn man sieht, wie in 20 bis 30 Strophen desselben Gedichtes
genau an derselben Stelle Wortende eintritt, so kann dasselbe nicht Zu-
fall, sondern muss Absicht sein. Als Beispiele mögen die beiden zu
Prooemien verwendeten Töne '// naiff^tvog (Pitra S. 1, 662 und 677) und
"O vtpu)9eig (Pitra S. 507, mein Muster S. 666) dienen.
1 'H TiaQ^evog 1 w w -i- ^
ai^fUQoy -1- ^ _:_
Toy V7JB()ovaior rixihi — ^ ^ j^ ^ ^ — ^
4 Kai ri Y^l 4 ^ w '
To onriXaiov
TW dnQoairip 7i(}oaayei
7 'AyybXoi 7
doioXoyovan'
10 Mayoi öt 10 ^
juerä doTBQog
oSoiTioQOvaty
13 Ji' iifi&g ycLif 13 « « — «
iyeyvi]9^ri w ^ - w
naiSior vbov w — w '- w
o TiQo aiüßviov &eog, ^ ^ ^ _i_ ^ ^ ^
Dieser 75 Silben umfassende Ton ist im 1. Bande von Pitra's Ana-
lecta 21 Mal angewendet. Unter diesen 21 Fällen finden sich folgende
mit abweichenden Theilungen: Zeile 1 und 2 sind getheilt zu ^ - -
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 43
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+ w ^ w ('// (fCfiJpa Jiayriyv()ig p. 630. 648. 668). Zeile 4 und 5
sind sehr oft wie oben zu 3 4" ^ getheilt, seltener zu 4 + 3 (« «-i-w
-f^ ^ _^: T^;; r^idi^og fvd-eoi; p. 542. 666. 668. 669).' Zeile 13 und 14
sind verbunden p. 461 zu: (10) ''H/iagror* ivwniov aov* ndT€(f olxriQfiioy
(cf. p. 462 /(fiart oIxtL(}ihov) ^^ (13. 14) Js^ai \ub fisrayoovvra. p. 666
(13. 14) -2V (pvka^ er roig ä'vkoig. p. 668 (13. 14) Kai &ebv TBTVxt]xarfg.
1 ^Or oi ngoiffixai xai Mütofui 1 -^.i-w — w — w-i-
kv Tip rofiü) w w ^ w
3 Mwaiay iy^axpay tvQwy 3 — — ^ — s. — ^.—
uvoToXtxra s^ ^ '- w
5 ^Yioy &eov ixri^fv^ag 5 — -^ « - w — w —
Tolg TibQaOi ^ j- y, ^
7 flayrag iniar^fipag ^e 7 — w — ^ - « —
6*1 ocJ'ot' daeßelag ^ w -^ « w — «
9 T(}ißov xai9v7if(f6i§ag 9 ^w — w — « —
rrjg xalrjg lurayoiag w w — w « ' ^
11 *^v diodevaai H _ _^ ^ ^ ^
(T/« yrjOThiag _:_ _ w -i. «
lyJieve fpikinne ^ -^ w « ' ^ —
Dieser 86 Silben umfassende Strophenbau findet sich bei Pitra, der
ihn nur zum Theil erkannt hat, 13 Mal. Eine solche Menge von Kurz-
zeilen, welche allerdings dem Vortrage des Gedichtes ein eigenthümliches
Gepräge gegeben haben muss, oder, vielleicht richtiger, durch das eigen-
thümliche Gepräge des Vortrags allmählich ausgebildet wurde, hat an
und für sich nichts AuflFallendes. Bei den lateinischen, romanischen und
deutschen Dichtern des Mittelalters finden wir eine Fülle von ähnlichen
Strophen. Z. B. Carmina Burana No. 11 S. 8 und No. 57 S. 149 (in
Schmellers Ausgabe).
1 Vitae perditae 1 _:_ ^ _:_ ^ .-_
me legi ^ -_ ^
subdideram « — w '-
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4 minus licite 4 ~ ^
dum fregi ^ -i-
quod voveram « —
7 et ad vitae vesperam 7
corrigendum legi
9 quicquid ante perperam 9 —
puerilis egi.
1 Dum prius inculta 1 (w — w)
coleret virgulta
aestas iam adulta
hieme sepulta
5 vidi 5
viridi
Phyllidem sub tilia
8 vidi 8 -^
Phyllidi
quaevis arridentia
10 Invideo 10 ^ — ^ —
dum video
sie capi cogit sedulus
13 me laqueo 13
virgineo
cordis venator oculus
Dass in unseren Strophen Kurzzeilen beobachtet sind, mehr als
Christ annahm, ist sicher. Pitra hat ziemlich viel Mühe darauf ver-
wendet, durch Vergleichung vieler Strophen desselben Tones die Kurz-
zeilen zu erkennen. Allein er ist darin stecken geblieben; die Strophe
ist ihm nur aus diesen Kurzzeilen zusammengesetzt; vgl. S. LII und LXI
seiner Einleitung *meminisse iuvat diu me coUuctari mecum, ne tot breves
versiculos tragico cothurno aptarem neu praeterea amplum acathi?^tuin
exiguas in lacinias dispertirer. stetisse me firmum in dispescendi consiiio
laetor.' Auch auf S. LXXXIV — LXXXVI kommt er nicht weiter. Aber
allerdings wäre die Schönheit dahin, wenn diese Strophen nur aus einer
planlos zusammengehäuften Masse von verschiedenartigen Kurzzeilen be-
43*
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stünden. Es begriffe sich nicht nur schwer, wie hie und da 2 Kurzzeilen
verbunden sein können, sondern man stünde auch Strophen, für die man
nur 1 oder 2 Beispiele hat, wie einem Chaos rathlos gegenüber, gleich Pitra
S. LXXXIV: 'anceps ac dira crux quemcunque torquebit, ubi troparium
per se stat, ab alio quocumque liberrimum, uti innumera idiomela/ So
schlimm steht es nicht ; der Aufbau dieser Strophen ist künstlerisch voll-
endet und es gibt Wege, sogar ohne Hilfe der musikalischen Noten diese
vom Dichter gewollte Gliederung des Strophenbaues einigermassen wieder
zu erkennen. Wenn Bickell, (Zeitschrift der deutschen morgenl. Ges.
1881 S. 416 u. 420) von den hebräischen Strophen sagt Mer hebräischen
Poesie ganz eigenthümlich ist die streng durchgeführte Verbindung der
metrischen Form mit dem Gedankengang, indem nicht nur die Stichen
mit den Sinnesabschnitten, die Strophen mit den Ruhepunkten der Dar-
stellung zusammenfallen, sondern auch immer je 2, in einem bestimmten
Falle je 3, Stichen enger zusammengehören und inhaltlich eine Parallele
bilden^ oder 'Gruppen zu 7 und mehr Zeilen zerfallen in grössere
Gruppen, welche in jeder Strophe desselben Liedes und in allen Liedern
desselben Schemas an der gleichen Stelle wiederkehren müssen,* so ist
der Ausdruck 'der hebräischen Poesie ganz eigenthümlich' entschieden un-
richtig. Jede Melodie braucht Ruhepunkte, die natürlich in allen gleichen
Strophen die gleichen sind; mit denselben muss der Dichter, wenn er
nicht allen Gefühles entbehrt, Ruhepunkte im Sinne seiner Worte ver-
binden. Man untersuche irgend ein heiteres oder ernstes Lied, so werden
regelmässig mit den Ruhepunkten der Melodie auch Ruhepunkte des
Sinnes zusammenfallen, und so innerhalb des Ganzen der Strophe grössere
Absätze sich ergeben, deren jeder eine Anzahl Kurzzeilen vereinigt.
In den Strophen der mittelalterlichen und modernen Dichter markirt
der Reim mehr oder minder deutlich diese Absätze; allein Bickell wird
sie ebenfalls in den künstlicheren Strophen der Syrer finden, und in den
griechischen Strophen liegen sie so klar zu Tage, dass schwer zu ver-
stehen ist, wie Pitra sie so sehr übersehen konnte. In den obigen
Strophenarten '// naQ&fvos und 'Öv oi n^fOipFixai (= 'O vtpw&elg) sind
diese Absätze deutlich. Dort bilden die Zeilen 1 — 6, 7 — 12, 13 — 1&
drei grössere Abschnitte, innerhalb deren sich kleinere ergeben : 1 — 3 :
4—6; 7—9: 10—12; 13—16. Hier 1—6, 7 — 10, 1 1 — 1 4 mit klemeren
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333
Pausen nach Zeile 2, 4 und 8. Pitra wäre durch die Erkenntniss der
kleineren und grösseren Absätze der Strophen vor manchem Missver-
ständniss und vor mancher falschen Interpunction bewahrt worden. So
bestehen z. B. die einfachen Strophen des Grabgesanges (S. 44) aus
4 Absätzen, nach Z. 2, 4 und 6. Demnach ist z. B. die 6. Strophe
S. 45 zu schreiben:
(1) ^AlfxvQo. rfjg &aXdaorig ra vdara
yi-vxBifa rfi xoikia ra ßifa^fiaxa $
(3) Piipoxivdvvoi nkiovair avS-Qwnoi
fi yaorriQ yaQ avrovg xaTtjrdyxaae t
(5) Wv^dg aavioiv eumarBvoarreg
TQOipfjg xa()iy xal l^äkrjg xaratpQovovaiv *^*
(7) ^A)X v/lkSv fi yalf^VT] d/ji/j^aarog
(6g lijueya yap v^iov «/«t«
ro dXlTjkov'Ca.
Einen äusseren Beweis für diese Gliederung der Strophe In Absätze
und der Absätze in mehrere Kurzzeilen giebt das alte Gedicht bei Pitra
Anal. I S. 476, dessen 2. Strophe lautet:
I 1 "Ex(xi(f€y fi xziaig im ool* &wv 6(f(vaa* inl nuikov xaSr^teroy.
II 4 ZiSrra yap «V evoBßBia'^ rd ßifiqifj vurovai os.
III 6 ^Hfiug dt ßoiojuir aoi* ^S2oayyd vU Javid.
IV 8 0Bog diipd-rig iv dyS-ganoig* ndvxcjy ßaaiksvcov* xal Kaiy tlg
rovg alwyag.
X -I— ^ _!_ I ^ -1- w -- w -^ J w -^ w -^ O K^ \J -' w w — « l
-1- v^ -1- I
So sind es 6 Strophen zu je 4 Langzeilen, deren Anfänge durch
die fortlaufenden Buchstaben des Alphabets gebildet werden^); vgl ähn-
liche Gedichte bei Pitra Anal. S. LXXVIII und Hymnographie p. 18-20.
4— \--^v^-^U-^w ö
1) Die 8. Zeile aller Strophen ist. bei Pitra durch Ck)njekturen neunsilbig gemacht; ävicH in
Strophe 6 Zeile 9 6 ßaaiXiiiay ist natürlich nach der Handschrift ndytutv ßaa. (= Str. 2) wieder
herzustellen.
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334
Diese für alle Strophen desselben Schemas giltigen Pausen können
leicht bestimmt werden, wenn man eine Anzahl Strophen vergleichen
kann; stehen aber nur wenige oder nur einzelne Strophen zur Ver-
fügung, so könnte, wenn die einzelnen Kurzzeilen ziemlich selbständige
Sätze bilden, ohne Kenntniss der Melodie die Bestimmung der Abschnitte
schwierig sein. Es gibt nun noch ein anderes Hilfsmittel, auf das auch
Christ S. CIV — CVII, doch nicht mit dem gebührenden Nachdruck, hin-
gewiesen hat, so dass Pitra auch dieses Mittel nicht einmal erkannte.
Die natürliche und desshalb auch bei allen Völkern zu aller Zeit ge-
wöhnlichste Art^) eine Strophe aufzubauen besteht darin, dass ein musi-
kalischer Satz wiederholt und dieses Paar von gleichen Sätzen durch
einen dritten, verschieden gebauten, zu einem harmonischen Ganzen ab-
geschlossen wird, was man mit der Figur aa b ausdrückt. In dieser
Weise baut sich die Melodie unserer meisten Lieder auf, in dieser Weise
gliederten sich schon die Chöre des griechischen Dramas in Strophe,
Antistrophe und Abgesang. Diese Grundfigur aa b wird natürlich mannig-
fach erweitert und verändert; gewöhnlich zu aa bb c oder aab ccd;
seltener finden sich nur die wiederholten Sätze, ohne den abschliessenden
Satz, wie in dem oben ausgeschriebenen Gedichte der Carmina Burana
*Vitae perditae^ das nur aus aa bb besteht. In den meistens gleich-
zeiligen Strophen der andern Völker ist diese Wiederholung ohne Kenntniss
der Noten schwerer zu erkennen; ziemlich leicht in den ungleichzeiligen
Strophen unserer Hymnen. Betrachten wir die oben citirte Strophe
1 '// 7ia{}&evog* otj/ueffoy* ror vnsifovaiov rixrsit
4 Kai ri yfi* rb OTiTjkaiov* rtp dnffoolrq) n^oaayei*^
7 "AyyBXoi* /Lura noi/isrwy* SoioXoyovairt
10 Mayoi ^e* fierot daT€(fog* 6Soino(fovair**
13 Ji' fiuäg yap* iyevyri&Ti* naidiov vioy* 6 7i()6 alcirioy S^eog,
^ \^ sy — ^ J yj — i- v> —1- 7 — 1- u — L- u v/ ' u ^
• — ^ KJ — ^ 7 —1- — ^ vy — i— SU 7 — ^ '— ^ —'- w O
1) Dagegen Christ Anthol. S. CVII: haec similitudo verauum non tarn de graeco fönte quam
de hebraiconim canticorum parallelismo quem dicunt derivanda esse videtur.
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335
Hier wird offenbar die 1. Langzeile in der zweiten, die 3, in der 4.
repetirt und die beiden Paare durch die 5. abgeschlossen. Eine andere
Wiederholung bietet die Strophenart 'Öv ol n^foipfixai:
1 ^\)v ol 7i(fO(pi]rai xal M(oafjg* er xw rofiipt
3 Msaaiar ly^atpar^ bvqcjp * jicvaroXexTa t
5 Yloy d-eov ixi^(fv^ag* rolg ne^aai *^*
7 Uayrag iniaT(f8ipag ^t * iS o^ov daeßsiag t
9 TQißov za&vniifet^ag* r^g xali]g /uerayolagt
11 7]y (fio^€vaai* xal ^UBlg xaXag* ^lä Pfjoreiag* Ixhive ^iliTiTin,
•l _! 1- \j -1— Kj —1— yj —I— j u v^ — i- Kj a
O _!_ •_. yj _L_ ^ _!_ v> —1- ? v-» o -1— ••» a
^ . . , » , . h
• V ^ • w ' \* * « w w * w w ^ w C
*/ ^ W * W * W * « W W ' W ^ ^ S^ C
Achten wir nur auf die Silbenzahl und den Schiusa iler Langzeilen^
so besteht jene Strophe aus 15 ^ .. -|- 15 ' ^ ; li ^ kj -\~ 15 ^ ^ -{- 20 ^ '-,
diese aber aus 12 -^ ^ + 12 -- ^ + 12-^ ^ -; 14^ w + 14-^ ^ + 22^m -.
Diese Wiederholung findet sich in den grossen zu ganzen Liedern
verwendeten Strophenarten minder häufig. Geradezu charakteristisch aber
ist sie für die einzelnen einleitenden Strophen, ein bemerkenswerther
Umstand, welcher vielleicht mit dem Vortrag derselben zusammenhing.
Jedenfalls gibt die Erkenntniss der Langzeilen auch die Erkenntniss der
Hauptgliederung der Strophe. So Pitra S. 101 (aab)
Tay (Jt* '^fxäg aravQw&eyra* Sems ndyxeg* VjuyfjamjLUvt
Amby yotQ yMTBldsy Ma(fla * im ^kov * xal ilt^n^ t
El xal arav()6r vnofieyeig * av V7id(fxeig *
o viog xal &€6g juov.
Da die beiden ersten Langzeilen offenbar gleich sind, ist entweder
die erste {^id?) oder die zweite (yap del.?) zu bessern, also 16 {oder 17)
^v/ — -|-16(17)-^v.— -1-19-^v. Auffallend gross ist die repetirte Zeile
bei Pitra S. 157, was schon Pitra durch die Worte 'gravitas prooemü
grandiusculo metro ordientis* anzudeuten scheint:
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^JJt6 )iaTaß(i(;* Tag ylajOGag ovr^x^e^ dteu^(}i'Qfy i&yi] 6 vwiarogt
are rov 7iv(f6g^ Tag ykiooaag (hievet uey^ flg iyoTtjTa uayTag ixdlfoeU
xal ovjU(pi6yü)g (^o^dl^wuey^ t6 nayayiov nvevua,
also 23^w- + 23-^s.- + 8-w- + 7-:-..
Da viele dieser Prooemientöne hJiouüa sind, d. h. nur in einer ein-
zigen Strophe sich finden, es also oft schwierig ist, ihren Bau zu er-
kennen, so will ich eine grössere Anzahl derselben, welche im 1. Bande
von Pitras Analecta vorkommen, hier erklären, indem ich zuerst die
Strophen mit einem Paar, dann die mit zwei Paaren gleicher Langzeilen
aufzähle.
Zwei gleiche Zeilen zu 6 ^ v. _^ eröflFnen die kleine Strophe p. 178 nginEi.
2 zu 8 u .!_ aa p. 516 dqf ov, wo i^iQog und Ttkeov wiederum 2 gleiche Langzeileu
zu beginnen scheinen. p. 671 bilden Oi iv ßaadvoig* dqiöXEvaavTEg% und /.ai Iv
atecpdvoig* nayxoafAioi sicher 2 gleiche Langzeilen, so dass wohl in der 2. eine
Silbe weggefallen ist. S. 367 2 Langzeilen zu 1 1 _i- w 'ßt T^g y^g aov nQoq>av£tca
fj 'Aaqa% = S. 369, wo wohl Tf^g oo(fiag rov tzoi'aiXov Isi^tjva zu ändern ist.
S. 517 (og noXvTifirjTov 12 »- _:_ aa. 13 Mal findet sich der Ton intqdvrfi 12 _:_ ^ aa :
vgl. unten t<^5 ^e(^ 12 _f_ v aa -f- bb. 19 Mal der Ton xd avto 13-^ ^ ._ aa;
S. 316 ist d'Biov zu tilgen; S. 473 ist wohl 7req)dvtoiai und S. 588 i(pdv(oaag zu
schreiben; S. 480 xai 6 doXiog'i; S. 328 weicht stark ab. 11 Mal der Ton tijV ev
ngeaßeiaig 13 _i. «^ aa, dessen Schluss dem des vorigen gleicht, ja einige Male (p. 298.
559. 527) mit denselben Worten gebildet ist; desshalb ist S. 532 r^g im Refrain mit
cod. T zu tilgen ; S. 319 imd 667 ist der Schluss der Strophen wohl stark inter-
polirt; S. 555 ist hixQayiv richtig. 10 Mal der Ton t(^ (paeiv(lj 14_i. ^ ^ aa;
S. 663 ist Tov Tov xQ^^ov zu ergänzen. S. 535 irgoavaala 14 _:- w _i_ aa. S. 447
ist wohl xat zu streichen und zwei Langzeilen zu 14«-'_:_(^ w_l.»^, v ^ *
^ j- ^^ — -- ^ -L-) herzustellen. Die Strophe S. 92 äearrorov beginnt mit 2 Lang-
zeilen zu 14 _'_ w ; vielleicht wird auch der 2. Absatz dXXd TOiavTtjg durch die wieder-
holte Melodie 5 -i- '^ bb eröflnet. S. 538 l^QyjOTQdrrjye v^eov * XeiTOVQyi x^eiag
do^g* Tiüv dyyiXwv odtjyi* xal dgx^yi doiüfidrojv (15 _:_ v a: 14j_ vy a) ist xai
entweder in der 1. Langzeile zuzusetzen oder in der 2. zu streichen. S. 186 Oi
TQelg 15 -i_ V aa. 2 Langzeilen zu 16 oder 17 ^ v _l. S. 666 td riov ßhxaqrfnAwv,
wo entweder dvianaaag oder eher i^eKdXvtpag falsch ist.
Häufiger sind die Strophen mit zwiefach wiederholten Sätzen nach den Figuren
aa b cc d ; aa bb c u. s. f. So S. 92 t^) ^gov^t 7 w_i.aab-|-8_i_w_^ccc + d.
Die 1. Strophe S. 499 Iv %6Xnoig hat 9^ v^ _ ccc; auch die 2. Str. S. 499 geht
wohl nach demselben Ton, nur hat ZI. b 2 Silben zu viel und die erste Zeile c
2 Silben zu wenig. Die grosse Strophe S. 646 dywvag beginnt mit 7 _i- « aa + b ;
dann eröflFnen nach der Moskauer Handschrift 2 gleiche Langzeilen zu 17-:_v^ . cc
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337
den 2. Absatz dXka xal vvv d^ Tag aiQeaeig * yial twv ix^Qf^y to q>Qvayf4a J iv Tolg
negi twv ßaaiXiwv * inorayrivaL nQeaßeve J Der 5 Mal vorkommende Ton (og
inaqxag S. 165 beginnt mit 8 -i- w ^ aa + b ; dann folgt 7 -i. w cc + 6 _l- ^ _•_ dd + e.
Hübsch ist die Strophe S. 579, die zu schreiben ist lHaviv xqioxov* wael &WQaxa *
iydov Xaßiiv * ev xagdiif aov J rag hanixtg dvva^eig * •Katenatr^oag * noXva&ke *^*
xat atiq^ei ot^W^; J iaTeq)d'fjg alcovicog^ (og di^TTrjrog. S. 493 beginnt der 1. Absatz
Tay dnooToXtüv mit 9^ ^ — aa + b; der 2. besteht, wenn man cpOQOvaa annimmt, aus
13-f_ v^ ccc. d. S. 140 beginnt die Strophe ry (pikonqdy^ovi mit 9 ^^ ^aa -f- b; auch
der 2. Absatz scheint mit 2 gleichen Langzeilen zu beginnen avyxexXeiaiaivtJv ydq
Twv &VQWV* (ig (ai)?) elaijlx^eg aiv Toig Xoinolg, so dass die 1. oder 2. Zeile zu
ändern ist. S. 116 beginnt der 1. Absatz mit 10-1-^-^ Tijg exd'Qag"^ iXvx^rj* ro
TVQawov * Ttjg &^ag* inavO^t]'* rö ddnQvov ^ did tov ndd^ovg aov* cpikdv^QioTte*
XQiovi 6 ^eog *^* Der gleiche Parallelismus der Worte zeigt, dass auch der 2. Absatz
iv avT(^ ydq 6 &av(x)v * dvaxexaiviaTai J di avzoi di 6 Aijarijg * elaoinlCerai * ^ovog
XoqevEL 6 Idödn mit 2 gleichen Langzeilen zu 12 oder 13 _:_ v — , je nachdem man
dvax&iaiviavac oder elaoixU^evai ändert, zu beginnen ist. S. 53 besteht der 1. Ab-
satz (og dkfi^cjg aus 10 u -^ aa + 7 v/ -i- bb, der 2. aus 12 -i. ^ ^ cc + 7 ^ -i, b, S. 545
Strophe datiqa besteht aus 11 _i- ^ -i_ aa + 18 -^ ,^ ^ b ; 13 i, ^ ^ cc + 13 w „ d.
S. 517 beginnt die Strophe TifAiog mit 11-l.w _:. aa, wenn iu der 2. Zeile o getilgt
wird; der 2. Absatz beginnt mit 10_l-v^ cc, wenn in' dnoaiolutv apostrophirt wird.
S. 61 besteht der 1. Absatz der Strophe f^erd xhidwv aus 11 j^ <- . . aa + 7 ^ j- bb;
der 2. beginnt ebenso, wie S. 517 mit 2 Langzeilen von je 2 Mal 5^ <>. S. 165
beginnt der erste Absatz mit den gleichen Langzeilen 12 -i_ v _ aa {(ig ihi^fitßv*
vnd(fxwv* xpiare o ^e6g% zdg twv fiaQVVQCJv* amiotig* iöqoainag) -j-l^^ bb;
der 2. beginnt mit 13-i-wcc. Mit der gleichen Langzeile zu 12.-^^ aa (5 ^ o
4- 7 -^ w -:-) beginnt sowohl die 1. {el xal) als die 2. (utatakaßovaat) Strophe
S. 124, während das, was folgt, verschieden ist: dort beginnt der 2. Absatz yvvaifi
mit 14-'- w ^ cc (7-Ji-^ + 7jl^ -L.), hier derselbe mit 18^ w^ {l^^a «jc^/r?;* 6
avXij&eig* in r^g aifiOQQOv* Tijy caaiv J aqa i^yeQt^tj* 6 rtgounu^v* nal nqo toi
Tidd'ovg* rijV eyeQOiv *). Die 2. Strophe S. 107 tüv tpoßeqüp und die 3. Str S, 141
Tijv ix vexQwv aov sind sich im Bau fast völlig gleich; nur beginnt S. 107 die L und
2. Langzeile mit 4 w _:_, S. 141 mit 5-i- v>, so dass dort 11 ^ ^aa, hier 12 *- _:_au
entsteht; der zweite Absatz beginnt mit 2 Paaren von 8_:^ v _:_, so dass S. 108
Pitra's Conjektur dva^iojg idtiXiaaa sicher falsch ist. Die Strophen S. 651 Toig rt^v
ai^aTiDv und S. 586 Ty tov dfii^nTov gehen nach demselben Tone, der durch
2 Langzeilen zu 12 _i_ v> _:_ aa eröffnet wird; während der 2. Absatz S. 586 aus
10^ w ^ bb + 12 -i. ^ -^ c besteht, besteht er S. 651 aua 10 _ ^ ^ , 12 ^ v . ,
10-1- w _:_, 80 dass vielleicht die Zeile avz^g ydq middxei tu atr^Qiypa in Parenthese
vor 6 dovg zu stellen ist. Schön baut sich die Strophe ^ tqv nQodQOfiOv S. 17H auf:
Der 1. Absatz (zu 42 Silben) besteht aus 12 v. - aa + 7 -l ^ bb + 4 ^ v. ^ c; der
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 44
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T^
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2. (ebenfalls zu 42 Silben) aus 17-:- v . dd (^pijmr^t/ oty ^HQwdiag* avofiov q)6yoy
ahrjOaaa J ot; fioi'Oi' ya^ tov tov d-eov * CcSvra aic^i^a i^yarrtjoev) + 8 .i. « ^. S. 370
TT^o^ Toig dvo^ovg beginnt der 1. Absatz mit 12 _i. « aa + b; der 2. scheint mit
9 -1- w zu beginnen, so dass der Aecent von ika^iTtQvvag falsch wäre. Die Strophe
xeiQoyQaqyov S. 185 und 490 beginnt den ersten Absatz mit 12-^ w aa -|- b; den 2.
mit 11-1- w cc 4- d, so dass wohl S. 490 y^al xhxiovaat zu ergänzen ist. Die Strophe
S. 218 Oi TTjV yoQ^^ beginnt den ersten Absatz mit 12-i- « aa+ b; den 2. mit
9 _!_ w cc + d. Die 16 Mal vorkommende Strophe Tf]5 d-et^ ano fitjtQag besteht aus
12_:_ w aa + 12-1. w ^bb + c; cler Ton ist sehr verwandt mit dem ijteqHxvfjg oben
bei aab 12 _i. « ; S. 577 und 615 ist wohl TcarrJQ r^f,^(üv zu schreiben; in der Strophe
S. 668 Tovg aveqqovg ist x(^^^''^^^ zu schreiben. Der mit 12_:_ « aa beginnende Ton
6 vipcüd^elg ist schon oben behandelt; S. 275 ist wohl tiJv vor x^Q^^ zu tilgen, nach
r^eliit stark, vor avt^ (4nki]?) leicht zu interpimgiren ; S. 394 Uqccqx^^ ^. ^- 1- richtig;
S. 433 xat ayiav ^r^tiqa richtig; S. 507 iv rg zu tilgen; S. 581 ^^codwpijTwg richtig.
Der 6 Mal vorkonmiende Ton y,oq6g ayyekixog besteht aus 13-i- ^ aa + 7_:_^-:-b
+ 8_^ ^ _i-c; der 2. Absatz, welcher wiederkehrt im Ton otav eld-gg (22 .i. w _i.aa)
besteht aus 13 -^ w dd + 7 _:_ w _:_ e. Die 2. Strophe S. 140 6 xov Qwfia beginnt
offenbar mit 2 gleichen Langzeilen zu 13 oder 14 -j_ « — , so dass wahrscheinhch
0 rov QtofAa öiatay^og * iiiaxig dfAq>tßoXog {civaiAq)ißolog Pitra) % (pxovofiriihjy
oiorriQ* oyriog ßovhqaei aov zu schreiben ist. Der 6 Mal vorkommende Ton rijv
i'TtiQ iqfiwv beginnt den 1. Absatz mit 13-i- ^ aa (5 + 3 + ^)i eleu 2. (pvdafi6(>ev)
mit 9 _i_ ^ _:_ ccc (4 + 5 cc + 9 c) ; die S. 600 zugesetzte Langzeile naaav at^-
Ttdv* TOV xoofAOv* '^aTaliTTCvveg ist gleich den beiden ersten Langzeilen; S. 667
fehlt in iv (iidalg xal vinvoig und rr^JJ deonozr^ xQavyd^ovveg je eine unbetonte Silbe.
Der Ton T^i intq^axii^ kommt bei Pitra S. 250. 263. 300. 613 vor; da Pitra die
schon von Christ Anthol. S. 140 richtig gegebenen Langzeilen wieder zerstört hat,
gebe ich die Strophe mit den Kurzzeilen
T(Ji ineq^dyii) * OTQatrjyip * rd vmtjTtjQia
log XvTQ(üO^€7oa* rwv äsivcuv* evxctQiOtrJQia
dvayqdq)io aoi* ^ noXig as* ^eoroxe.
^iXk^ log eyovaa t6 TLQdrog* dnqoa^dyrftov
ix ftavToiiov f4e xiväcviov* iXevd^eQwaov
iVa 'KgdCw aoi
XOtlQB vv^q)T] dvvfiq^evTe,
also 14_i. - _:_ aa + 13 j_ V. b; 13 ^ v. j. cc + 13 ^ - ^ d. S. 300 hängt die
3. und 4. Zeile dem Sinne nach eng zusammen; auch die 5. Zeile, die in der Hand-
schrift den richtigen Tonfall hat : rrQog Trjv Xarjv dyioyriv avrovg %ai aaKrjCiv, entbehrt
hier der Theilung; S. 613 ist in Z. 4 wohl TtQog tov xvqiov zu schreiben, fehlt Z. 1
eine Silbe; sonst ist der Strophenbau richtig. Der bei Pitra 7 Mal vorkommende
Ton Tcf &€6ß(ivTa beginnt den ersten Absatz mit 14 j- « aa (5 + 5 + 4)i d«^ 2.
(xa£ OTvXog) mit 12 .^ w bb (3 + 2 + 7): also ist richtig S. 349 xaztJQdevaag
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339
(== Baalleu); 354 xai aivXog rputog; S. 583 ist wohl Trjv tr^g TQiddoc: zu stellen
und S. 655 valg vor yviu^iaig zu tilgen. Die Strophe 'Iwaxelfi S. 198 bildet den
ersten Abstatz aus 14 _^ w aa + 9 _^ ^ _i. bb. Die 3. Strophe S. 29 o fA'qiQavy
verwandt, aber nicht gleich der Strophe x^Qog dyyeh'Kogy beginnt den ersten Absatz
mit Ib -L- ^ - aa, den 2. {dH*) mit 14 _^ w ^ , so dass wohl ßaaiXiag (= iv noXi-
ftoig) zu schreiben ist Die Strophe S. 514 6 tiqo hooq>6qov scheint den 1. Absatz
mit 15 « -j- aa zu beginnen 6 7iq6 6(oaq>6QOv* ix TtarQog d^niTioQ yevvrji^eig * i/rl {Trjg del.?)
yijg dnaTioQ* iaaQxtid'rj af^fneQOv ix aov, den 2. mit 12 _i. ^ cc. Die Strophe
17 na^O-ivog, wo auf 15 -l. w aa der 2. Absatz 13 -i. w bb und ein dritter zu 13-i_ »^ +
Refrain zu 6, 7 oder 8 Silben folgen, ist schon oben behandelt; demnach ist S. 202
der Refrain O^eov T^g ;fa^trog richtig, vgl. S. 542 ; S. 320 ist dndarjg Trig nQoqnjveiag
zu schreiben. In der grossen, gut 114 Silben umfassenden Strophe S. 85 xar«xotaa
beginnt der 1. Absatz mit 16_i_ v _i. aa (t((J vor eldozi scheint falsch); "der 2. (nüg
aoi) mit 21 _^ w _^ (6 -|- 4 + 7 + 4). Fast ganz aus Kurzzeilen zu w _j_ w baut
sich die hübsche Strophe S. 76 ov^izi (pXoyivt] ^OfAcpaia auf; der 1. Absatz besteht
aus 18 w _i_ aa; der 2. aus \& j- ^ ^ (öi nach ijiiotrjg ist wohl zu tilgen) nebst
Refrain zu 8 .^ ^ ^. In dem Tone oxav kVdjig S. 35. 487. 604 beginnt der
1. Absatz mit 22 - ^ _i- aa (4 + 3 + 7 -f 8), der 2. mit 13 -£_ ^ cc; dieser 2. Theil
ist dem von yoqog cyytki:^6g (13 -^ w aa bb) gleich. Die Strophe tr^v aio^anxT^y
S. 23. 549. 666 beginnt mit 25 _^ v> aa 6 + 7 + 5 -(- 7); der 2. Absatz besteht
aus 12-'^ ^ ~ bb (7 + 5), der 3. aus 31 Silben; S. 549 ist wohl zu schreiben
iyti^Qv^av dwfivovvveg ae.
Wir haben gesehen, wie sehr das Gesetz der wiederholten Melodie den Aufbau
der Prooemien beherrscht; anderseits lehren einige Blicke in den ersten Band von
Pitra's Analecta, wie unsicher der Text ist; zum Nutzen künftiger Forscher seien
einige Vermuthungen beigefügt: S. 501 beginnt der 2. Absatz (iVa oxav) sicher mit
12 ^ w ^ cc (8 + 4), der 1. wohl mit 10 ^ w aa (5 -f- 5). Der öfter (S. 169. 459.
589. 628. 644. 653. 665. 668) vorkommende Ton xovg datpaleig beginnt den 1. Ab-
satz mit 12 ^ w _!. aa (4 + 5 + 3), den 2. mit .12 ^ w _i_ (7 -f 5). Die Strophe
S. 547 (ig avXog beginnt den 1. Absatz mit 13^ w ^aa. Der S. 177. 366. 438.
582. 670. (636?) befolgte Ton 0 oocpiaag beginnt den 1. Absatz mit 13 ^ -i-aa, den
2. mit 13 oder 14 __ - _i. cc (7 oder 8^-_:_ + 6-^w_i.). Wenn man S. 373
die Strophe im Text und in der Note verbindet, ergibt sich für den Anfang des
1. Absatzes V6 j- ^ aa {rov fUTaaTovra evotßwg^ ix twv nqoaxaiqvjv * iv talg
axrjvalg tüv i/AcxrcSv* f^sid äixauov * dvdnavoov xqiaxe 0 Oeog, Die Strophe
S. 12 rijy TÜv dvoftiov scheint mit 16_^ w aa zu beginnen. S. 332 scheinen die
beiden ersten nqüzog zwei gleiche Langzeilen von vielleicht 22 _l- w ^ aa zu binnen.
Nach den gegebenen Beweisen ist klar, dass der Aufbau der Pro-
oemienstrophen hauptsächlich durch Wiederholung von Langzeilen be-
wirkt wird. Die Töne, in welchen die zahlreichen Strophen der Hymnen
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340
selbst gedichtet sind ^), sind meistens umfangreicher und kunstvoller auf-
gebaut. Doch auch hier spielt die Wiederholung der Zeilen eine grosse
Rolle, was einige Beispiele beweisen mögen. Das alte Gedicht auf Adam,
Pitra S. 447, besteht aus 22 Strophen nach folgendem einfachen Ton:
1 ^vyaXyTjOoy * na(fd^€ta€
3 r(5 XTTjTO(}L* 7iT0)xfvaavTi,
5 xal T(p ijx^p oov ruiv (pvkkioy
ixhtvaov T(5 nkdorrj
8 ^Elerjjiioy* ilerjoov* roy na^amnovra,
1 *^-^w-^, v-^o-^, o w-^w-^, w-^u-^ aaaa
ü V vy -^ V -^ w/ -^ v^ o u V -^ \j \ \j -^ \j 7 \j -^ V. -^ D c a
Ref r. 8 v^-^k^-^, w — w-^, - — -^u-^w aad
Die 1. Zeile ist selten ^ ^ ^ j:^ yvv ovv awxriq betont; in der 6. Zeile ist Takt-
wechsel gestattet: denn etwa 8 Strophen haben den Tonfall w _^ ^ _:_ w _i_ « Jxe-
tevaov r^J tvIAottj, 2 die unsichere _:_w^_i_w_l.^ (5 ^elvrj äve(^yf.uvog und 23
naQide äfaaQTiag); die übrigen -» « _:_ ^^ w _l. ^ dveativa^e laiya.
Sehr häufig angewendet ist der Ton TTjy 'E^eu^ nach welchem auch
folgende Strophe (Pitra S. 9 Str. 21) gebaut ist.
I. 1 ^Yno TMjy änkayviy* ju^dywy ravia iXfyero,
3 V7i6 ^8 rfjg ae/uy^g^ ndyra ineoipfßayi'QsTO,
5 xv(}ovyrog rov ß(fe(povg* td nüy dfi(poTt(my.
II. 7 rfjg /tuy (^etxyvyrog* uerd r^y j^&yyrjaiy"^ rriy /Lt^vQay dfiiayroy^
10 Tc5y ^t ^eixyvyzog* /lezd rfjy slevaty* äfiox&^oy roy yovy*
üaneif rd ßrif^iara*
III. 14 ovSug yap rovrioy* VTieairj xonoy,
16 (og ovx ijLioxd^^oey ikd^ioy* ö l4fij3axovfi 7T(fbg Jaytijl'
IV. 18 o (payetg ydQ n^fOiprjTaig* 6 avzog iipdyt] udyotg
Refr. 20 naidloy yioy^ 6 tiqo alioyuDy dsog.
1) Au8 der Liste dieser Töne, welche Pitra S. LV gibt, ist Klasse I No. 14 Eliae cvx i^Xtipe
S. 298 zu streichen. Pitra hat nicht bemerkt, dass dies Gedicht des Elias S. 293 mit seinen 2
vorangehenden (S. 289 u. 291) wie den Bau des Prooemium, so auch den der Strophen gemeinsam
hat, nemlich ivyotiüoy Klasse 11 No. 11.
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341
W 1 V -i-
5 w-^ow-^^ 6 sj -^ \. ^-^u bb.
V — v>
II. 7 „ -^ 1
1}
13 — i. V -'- V — cdfg
III. 14w — 1 w — w 15 V— 1 w — v> hh
::l
Refr. 20w — o-i-w 21— — w-^-ww-^-. no
Diese schöne Strophe baut sich aus Langzeilen auf, welche theils
aus gleichen Kurzzeilen bestehen, theils unter sich gleich sind. Mit dem
Ende der Langzeilen fallen schwächere, mit dem Ende der Absätze
stärkere Sinnespausen zusammen, so dass Inhalt und Form sich gegen-
seitig beleuchten. Besonders Romanos arbeitet die einzelnen Stücke alle
kräftig aus und achtet genau auf alle schwächeren und stärkeren Pausen.
Andere, welche grosse schwungvolle Perioden lieben, beachten oft die
schwächeren Pausen weniger, wie z. B. Josephus bei Pitra S: 382. Allein
auch bei diesen sind Theilungen unmöglich, wie sie Pitra z. B. S. 326
dem Domitius zutraut, wo es von Johannes dem Täufer heisst (21 Z. 10)
xal ir rfi /HT^rQq^ art ^(fvnTo/nsrog^ XQoi^Bi ov (pcorfj^ äXka oxiQXTifiaai*^^
(III, 14) TTir sctiaiv Ovnu)"^ e/(b xarel^ovt xal nQOfir[yvco aoi rov aov*
drißiovQYov xal XvxQiDxriv f saltibus convocat creationem'), während natür-
lich vor xriv xxiatr kräftig eingeschnitten und xrir xxioiv ovnio xaxeldov,
wie in der folgenden Strophe xbv xoafioy ovx eWe, verbunden wer-
den muss.
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342
Bemerkenswerth ist besonders, wie hier im Anfange der Langzeilen halbbetoüte
Silben oft mit voU betonten wechseln. Eigentb'cher Taktwechsel findet sich bei Romanos
nur in der letzten Zeile (vor dem Refrain), der 19., wo selten die 2., oft die 3- Silbe
accentuirt ist: arvijxarc ovi äq)d7j. iyewi^xhjg evdoxr^aag. Andere haben die 2- und
4. Zeile ebenso behandelt wie cias 1. Stück des poh tischen Verses, indem sie neben
_w w__w_L.^_:_ auch ^_^ _w_i.w_:_ gestatteten ; YgL z. B, Pitra S* 202
noi^iva -Kai öiddaxaXov, Tovg oQvag xaleod/Aevog.
Das auflEallendste Beispiel von Wiederholung der Langzeilen bietet
der berühmte Ton äyyekog n^ioroaraTrig. Dieser Ton ist am feinsten aus-
gearbeitet in den 13 Strophen des Akathistos bei Pitra S, 263—272-
Ich setze die 2. Strophe hierher:
I. 1 'AyybXoi ovQavo&iv^ rfjy ariv xvrjnti' nalm^ dyvfirqoai^ Tfßp-
9^ey€ d^icog*
4 xat yvy Ttjy ie^fdy xal asTirriv^ fie^* ^)fiU}y rtör xdfw^ hv-
II.
aeßiSg * xoifirjair
8 ^o^doovaiv ir äafiaoiv* xfßavydl^orrBg ?rpö^* ai roiavia:
III. 10 /cf^p« X^(f^S* "^^ dv&ffi'nvjy ßifVL^Oig*
11 x^^if^ apag* Tcir n^foyorcoy kvaig,
IV. 12 /celp« doQarov^ Tiatffbg rv fiept] äifS^u^B'
13 yalQB ovraydQx^^* ^^oi) fi^rsf) äyarS^^,
V. 14 /«rp« xUfia^ draipeQovaa^ dno yfjg dg ovQayoy*
16 X«rp« yicfv^a eladyovaa* elg naifdSHftoy tt^nym\
VI. 18 /«rp« ort x^9^^ ^** dyvfiyovaiy oi ävoj-
20 /«!(>€ oTi ß^oroi a«* jiQoaxvyovatr oi xdrui.
VII. 22 /atp« dyyrj* na{}&iyiüy to xavx^f^^ci*
24 /«7p« ae/LLyri* ae/aydjy dyakkiafia.
Vin. 26 /atp« (fi Tjg* (fdlay^ (pevyBi. daifiovüjy*
28 /«tp« dC T]g* (pvaig /«/pai ai/^p(ju.^üjr,
Refr. /a?p« vvfKprj dvvfKpavxe.
I.
\J w
IL 4(ww-^w)lv — ww— 5v,w — w — V 6 —
8 o -i- V -^
\J — \J
-1- fj \j -^ \j -^ s^ -LI- sj J—
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343
IXX« J, U — \j \j — w \j —- \j — \j ot
11' ' * ' ' a
X X w \j w w %j w Cb
IV. 12 ^ - - . -^ - * ^ ^^ . ^^ b
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X tß '—— \J \j — w w w w — w IL/
V. 14^v^v^w-^--* „„-'-„^„-^ c
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X V w ^ \j \^ \j w sj w — v>
I v/ ^ V, I
vr ift ' ' * , , A
T X» X O -^ o w w — \j w w w w w vX
90 ' ' _i_ * ' ' f\
£i\ß — w ■^— w w -*— w w ^ — — w w w vX
V J.J.. ^ ^ ^ ^ w — ^ w w -^ w — ^ 6
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ÄTt — w w — w w w w ö
V 111. aO -^ Vrf w -^ w w -^ w w '- w I
4^0 w w ^ I w w w w X
•:1
w w
Refr. ^ V
Das bezeichnete Gedicht bei Pitra Anal. I S. 263 enthält diesen Ton in der
reinsten Form. Denn abgesehen Ton Z. 4, welche nur bei diesem Dichter jambisch
anfangt w_l.o_i_w^w w_i_ falso ist Str. 5 iatdfievov atvyvov xaTr]q>rj das Rich-
tige), ist sowohl die Accentairung als die Theilang der Kurzzeilen hier am reinsten
durchgeführt. Die Zeilen 15 und 17 sind frei von dem sonst vorkommenden Takt-
wechsel; Z. 22. 24. 26. 28 und der Anfang von 10 imd 11 haben stets den vollen
Accent im Schlüsse. Am merkwürdigsten ist dieser Ton dadurch, dass von manchen
Dichtem die Kurzzeilen öfter mit einander verbunden werden. Unser Dichter trennt
stets die Zeile 5 — 9 (Str. 12, 7 ist rtQoOvfiog zu schreiben) und theilt Z. 10 und 11
stets in 4 + 6, Z. 12 und 13 stets in 6 + 7 Silben. Der Reim und die gleiche
rhetorische Gliederung der entsprechenden Zeilenstücke ist auf den Höhepunkt geführt.
Dies geht so weit, dass in Z. 12 und 13 auf x^^Q^ stets ein Genitiv folgt (wie doodtov
2. 3. 6. 8. 10—13 oder wie dXtj&eiag 4. 5. 7. 9), in Z. 14 und 16 ein Substantiv
im Nominativ wie xXifia^ (mit Ausnahme von Str. 6. 13 und 5), Zeile 18 und 20
stets mit x^^^ ^^ ^^d Z. 26 und 28 (mit Ausnahme von Str. 5 und 7) mit x^^^
dt* ijg oder nQog ^v beginnt.
Die Vergleichung der anderen in diesem Ton gedichteten Hymnen ist besonders
für die folgenden Untersuchungen über die Freiheiten in diesen Dichtungsformen wichtig.
Weit berühmt ist der Akathistos des Sergius, dessen Anfang ayyeXog nqioxootatrig
auch dem Ton den Namen gab; es sind 24 Strophen, von denen aber 12 nur die
Verse 1—9 umfassen; bei Pitra Anal. I S. 250 und Christ Anthol. S. 140. Der
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Unterschied zeigt sich besonders in der Accentiürung und in der Verbindung der
Eurzzeilen. Die 4. Zeile besteht stets aus 3 Anapästen. In Z. 15 und 17 tritt statt
« w _!. w _:_ w _i_ auch mit Taktwecbsel -l--l. w _:_ « w _^ ein (4, 15 öi' ^g xarißr]
d^eog. 20, 15 Tovg avXrj&ävrag tov vovv\ 17 Toig ovXXrjfpd^evzag alaxqüg). Viel auf-
fallender ist die Verbindung der Kurzzeile 5 mit 6 und 8 mit 9, welche sich bei
Sergius allein findet und die Verbindung der Stücke von 10 und 11, 12 und 13,
welche sich noch bei Romanos findet. So sind 5 und 6 verbunden zu 7 + 2 in Str. 5
ihg ayQov VTtiöeiiev ^dvv, 10 el nat öovlov ilaße fiOQq>i^v, zu 5 + 4 in 7 xai xleipi-
ya^ov vTtovocjv; Zeile 8 und 9 sind statt zu 8 + 9 Silben zu 7 + 10 verbunden iu
Str. 5 {roig d-ilovai d^egi^eiv \ acoTriQiav h rqi xpdXkeiv otkwg)^ 8 (del. ^^S?), 10,
11, 12, 15 (ßovXo^evog elxvaai \ nqog ro vipog rovg avrip ßowvrag, wo t6 natürlich
richtig ist) und 16. Z. 10, 11, 12 und 13 lassen sich in keine bestimmten Kurz-
zeilen zerlegen; z. B. Str. 10, 10 x«'^« daviQog ädvrov ^^tbq, 11 x^^Q^ ^^Pl HvaTinilg
i^fdiQag; 14, 12 x^^^ dvaavaaecjg xvnov exkafurrovaa, 13 x^'^Q^ ^^^ dyyiXcov tov ßiov
i^q)aivovaa. Hieraus erhellt zur Genüge, dass der oben besprochene Akathistos (Pitra
p. 263) und dieser von Sergius verfasste nicht von demselben Dichter herrühren können.
Merkwürdig ist das Gedicht des Romanos mit den Akrostichon eig %ov Iwar^fp
Pcjfaavov^ 18 Strophen bei Pitra Anal. I p. 68. In der Theilung der Halbzeilen
zeigt sich gegen Sergius ein Fortschritt, indem zwar noch wie bei jenem Z. 10 und 11,
12 und 13 nicht in bestimmte Kurzzeilen zerlegt werden können und in V. 15 und
17 der Taktwechsel ^ _:. v ^ v. . ^ ziemlich oft eintritt (15 in Str. 3. 7. 8. 13. 16,
17 in 3. 13. 16), dagegen die Z. 5 und 6, 8 und 9 stets, wie bei dem Anon. p^ 263
und sonst, geschieden sind. Merkwürdig ist dieses Gedicht besonders wegen des langen
Refrains (ort navza iipoqä * x6 äxoi^rjrov o^^a) und des Anfanges der Zeilen 10—28,
welche in den übrigen Gedichten dieses Tones alle mit xcrl^e anfangen, bei Romanos
aber mit beliebigen Wörtern, so dass die erste Silbe dieser Zeilen bei Romanos oft
tonlos ist. Es scheint undenkbar, dass Romanos das Gedicht des Sergios mit dem alle
architektonischen Glieder so scharf kennzeichnenden und desshalb von den übrigen
Dichtem festgehaltenen Worte x^^Q^ gekannt habe und dennoch in seiner Näch-
bildung diese signifikante Versstelle so gänzlich bei Seite geschoben habe.
Das Gedicht bei Pitra Anal. I p. 300 (2 ganze Strophen und 1 unvoUständige)
stinmit abgesehen von Z. 4 mit dem oben gegebenen Muster des Anonymus S. 263:
Z. 15 und 16 haben stets den Tonfall «-'v_l.w_:_o_i_(so Str. 4, 14 x^^Q^ ^^"^"
fiOTtav — natürlich &ai^(tva — naqado^a 15 htQyüv xaiyonQe7iu)g); Z. 5 und 6,
8 und 9 sind geschieden; Z. 10 und 11 in 4 -J- 6, Z. 12 und 13 in 6 + 7 zerlegt;
in Z. 12 und 13 folgt ebenfalls auf x««^« ein Genitiv, in Z. 18 und 20 ebenfalls ort.
Die 1 vollständige und 1 imvollständige Strophe bei Pitra S. 612 stimmt mit
dem Muster des Anonymus S. 263; nur die 5. Zeile scheint abweichend betont
zu sein.
Die Strophen (2 vollständige und 1 unvollständige) bei Pitra S. 613 sind sehr
schlecht erhalten und im Bau unregelmässig. Abgesehen von andern ünregelmässig-
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keiten fehlt in Str. 2 die 11. Zeile; sonst sind hier Z. 10 und 11 in 4 -{- 6 zerlegt,
also ist in Str. 4 x^^Q^ ncttriq zu accentuiren. Z. 15 und 17 haben keinen Takt-
wechsel (4, 15 accentuire xoi Tronfayaore nati^Q). Die Z. 18 und 20 beginnen
ebenfalls mit x^^Q^ Sri, doch die Z. 19 und 21 haben sonderbarer Weise die Form
der Z. 15 und 17 erhalten.
In so durchgreifender Weise wie in den beiden besprochenen Strophen-
arten T^v 'E^e/Li und '^^yyeXog n^wtoaxaTrig ist die Wiederholung der Zeilen
allerdings kaum in andern Strophenarten zum Aufbau des Ganzen benützt.
Doch von allen zu Hymnen benätzten Strophen arten haben wir ja ziem-
lich viele Beispiele zur Untersuchung und können so aus den Sinnes-
pausen leicht die grösseren und kleineren Absätze erkennen, in welche
das Ganze der Strophe sich gliedert. Wenn wir überschauen, wie un-
betonte, halbbetonte und vollbetonte Silben zu Kurzzeilen, die Kurzzeilen
zu Langzeilen, die Langzeilen zu Absätzen, die Absätze endlich zu dem
Ganzen der Strophe sich harmonisch vereinigen, erst dann können wir
die Kunst des Dichters und Componisten gebührend würdigen.
Die Freiheiten im Bau der Hymnenstrophen.
Bei den Anmerkungen zu den oben erwähnten Strophenarten habe
ich öfter Unregelmässigkeiten erwähnt. Dieselben verletzen entweder die
Silbenzahl oder den Tonfall, welcher in den entsprechenden Zeilen ja
gleich sein soll. Am wenigsten auffallend ist eine solche Verschiedenheit,
wenn sie durch alle Strophen desselben Gedichtes festgehalten ist, wie
z. B. die 4. Zeile des Tones äyyeloi; nifimoararri^ in dem Gedichte bei
Pitra Anal. I S. 263 stets mit 3 Jamben anfängt {iora/Lifi^oy arvyrov
xarriipfi)^ dagegen in den übrigen in diesem Ton verfassten Gedichten
mit zwei Anapästen (o '^ar ovaQ (pavslg ßaaikev^). Solchen Veränderungen
waren in den griechischen Hymnen besonders der Refrain, dann die Zeilen
ausgesetzt, welche den Namen des Heiligen und Lobwörter desselben ent-
halten. So ist z. B. die Strophenart Trjy "Edii^t in 21 verschiedenen
Gedichten bei Pitra Anal. I angewendet; 10 Mal ist der Refrain sechs-
silbig mit dem Tonfall v^ ' ^ -^ ^ • [f^eov r^g ;fap£T04,), 8 Mal sieben-
silbig mit dem Tonfall - .... v. — {kauji^fvyofierT] (po)ii\ 2 Mal mit
dem Tonfall ^ — w ^ - ^ — {ua{fxvQO}v ro aTri()iyua\ 1 Mal achtsilbig
(log eva rviv uio9^t(oy aov). In dem 19 Mal vorkommenden Prooemiumston
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wi88. XVII. Bd. II. Abth. 4^'
4
346
la (iyio lautet eine Begrüssungszeile y^yoyag oatf: dieser Tonfall - « w
: ^ _!. ist häufig, doch daneben findet sich auch nicht selten — - ^ -l. ^ j.
oder v^ -1- w — w — {top (füo^ftjaouevoy, rfjy uXyXriy oa^B, ro-O^elov del.? —
iyxaXliüniafia p. 316), doch auch r&juroueyoi; o(Uf und (fo^rig xarrj^iiooby
kommt vor (S. 575 und 642). In der letzten Zeile (vor dem Refrain)
des Prooemiumtones Jip ^tin dno uriT()ag wechseln Zeilen wie T€(}aTov(fye.
^laoy uaxfx(), 'lka(fiiJoy, ojuoloyTjTd. aocpe ^Ecpifaifi. ^Avamaaia. AO-fjyoyt-yes u.s.f.
Diese Fälle geben wenig Anstoss; der nachgeahmte Ton ist für das ganze
betreffende Gedicht einfach in dieser oder jener Silbe abgeändert; und
wie oft und wie leicht das geschieht, weiss Jeder von unsern Volks- und
Studentenliedern her.
Auffallender ist es, wenn innerhalb desselben Gedichtes die
nemliche Zeile in verschiedener Fassung vorliegt. Hiebei wird immer
zuerst nach der Richtigkeit des Textes gefragt werden müssen. Die
meisten dieser Lieder waren weit verbreitet und wurden viel gesungen.
So finden sich in den Handschriften oft mehrere Fassungen neben ein-
ander, von denen jede dem Sinn und der Form nach möglich ist; oft
aber sind auch durch die Tradition oder die Nachlässigkeit der Schreiber
die ursprünglichen Worte entschieden verdorben.
Die Unregelmässigkeiten im Strophenbau, an deren guter Ueber-
lieferung nicht zu zweifeln ist, werden selten die Silbenzahl verletzen.
Geschieht dies dennoch, so wird in vielen Fällen ein Eigenname oder
ein wörtliches Citat aus der Bibel die — genügende — Entschuldigung
bieten. Sonst ist der Fall noch der häutigste, dass statt des daktylischen
Schlusses '- ^ — choriambischer ^ ^ s. ^ eintritt, so dass z. B. als 2 gleiche
Zeilen stehen fTayayia 7ia(f&eye dvvfuptvTh, ^H rexovoa xoy koyov iy SovXov
uo(}(ffi. Freilich wird gerade diese Unregelmässigkeit so oft durch ^u(5y^
fliulr, fjuä^, Formen von d^eog, /(fiaroi;, narfiQ^ duriy gebildet, dass man
schliessen möchte, diese Wörter hätten nicht nur, wie oben bemerkt,
beliebig accentuirt, sondern auch im Zeilenschluss als einsilbig behandelt
werden können.^)
1) Eine Ausnahme macht das alte Gedicht bei Pitra S. 482 "Ag^orttg 'Eßgaiutv (vgl. Beilage
J99. II), 24 Strophen zu je 2 gleichen Langzeilen. Jede dieser 48 Langzeilen besteht aus 2 Kurz-
seilen. Die 2. K^urzzeile besteht fast stets (ausser r 4. P 4. 0 4) aus 8 Silben mit dem Tonfall
w w _'.'-' ^_!_^_!_» welche sich fast stets in 4 + 4 zerlegen. Dagegen besteht die erste Kurz-
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347
Viel häufiger finden sich innerhalb des nemlichen Gedichtes ent-
sprechende Silben verschieden accentuirt. Die einfachste Art ist
die, dass halbbetonte Silben mit vollbetonten wechseln. Im politischen
Verse und überhaupt in gleichzeiligen Gedichten ist, wie oben S. 318
gezeigt, dieser Wechsel völlig freigegeben. Dagegen in den Hymnen-
strophen sind feinere Gesetze beobachtet. Im Zeilenschluss werden dak-
tylische Schlüsse, wie -^ o — Xoyi^erai, und jambische wie w — ^ — avk-
loyia&üg oder w -^ w -^ TiarrKf ootpog sehr selten mit einander vertauscht;
die Dichter und Componisten scheuten sich an dieser stark in das Ohr
fallenden Versstelle die halben und vollen Wortaccente zu tauschen.
Dagegen im Anfange der Kurzzeilen und insbesondere im Anfange jener,
welche eine Langzeile beginnen, wechseln oft halb mit vollbetonten Silben
( •_ mit _!_); im Innern der Kurzzeilen geschieht dies seltener. Im All-
gemeinen reihen sich die halben und vollen Accente von den festen
Accenten des Schlusses rückwärts gerechnet nach dem Wesen der Sprache:
bei jambischem und trochäischem Tonfalle folgen die voll- und halb-
betonten Silben sich abwechselnd w-^^ — w — w-i- oder ..-:-.. -i. w — .. -^,
bei anapästischem und daktylischem Falle stehen vor und nach den zwei
unbetonten Silben meistens vollbetonte.
Ein besonderer und seltener Fall ist der, dass statt einer sicher unbe-
tonten Silbe d. h. statt einer solchen, welche unmittelbar neben einer betonten
steht, eine vollbetonte gesetzt wird. Ich rechne nicht den Fall hierher,
wo neben der ganzen Schaar von Zeilen mit dem Tonfall ^ w '- w w -^ «
sich die eine /Lia&ijral fiXd^ov äcpyo) findet; hier ist, wie oben S. 320 nach-
gewiesen, ^Id^oy unbetont zu sprechen. Mitunter aber wird die Zahl
solcher Fälle grösser. So beginnt in dem oben besprochenen Akathistos
(bei Pitra S. 263) die 2. Hälfte der 12. und 13. Zeile in 8 Strophen
mit ^ -, ^ .. -i- w — xoirov* &{}oyt nv^ivs. ß(}ordjy* eyxaXlwniaua^ und
nur in 5 Strophen so, wie in allen andern Gedichten dieses Tones, mit
zeile zwar meistens aus 6 Silben mit dem Tonfall _i_ ^^ _:_ w _:_ ^ oder \y j_ u w _^ v^ ; aber
aus 7 Silben mit daktylischem Schlüsse inZl. /l. 3. /71. 21. XI (vgl. O, 2) und mit trochäi-
schem Schluss in Y 1, ja aus 8 Silben in Z 3 und Y 3. Allein dieses Gedicht ist ein gleichzeiliges
und gehört nicht zu den Hymnen. Es lässt sich also ganz mit den Gedichten des Gregor Naz*
vergleichen, in welchen ja auch die Silbenzahl schwankt und nicht der Schluss der Langzeile,
wohl aber der Schluss der ersten Halbzeile freien Tonfall hat.
45»
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348
y, ^ sj w -i- w — nvififxo^oy oxtifia. In den 23 Strophen des Romanos
bei Pitra Anal. I S. 92, welche nach einem seltenen Tone gehen, ist die
5. und 6., 7. und 8. Zeile siebenmal so gebildet s. ^^s. — ^-l-s.—
ayaidiaraTB (ptXaQyvfßs, aber 39 Mal so, dass nach der 3. Silbe Wortende
eintritt, die 3. Silbe stets und die vierte oft schwer accentuirt ist w w -^,
j- ^ ^ _'- V. — iv /fpaiv, s'xctiy xß /p?;/töTa. Diese Erscheinung ist schon
oben erklärt. Manche Dichter erlauben es sich hie und da zwei sonst
geschiedene Kurzzeilen zu einer einzigen zu verschmelzen; so haben wir
oben gesehen, dass die bestimmten Theilungen in Z. 5 und 6, 8 und 9,
10 — 14 des Akathistos von Sergius und zum Theil auch von Romanos
öfter vernachlässigt werden. Ebenso hat der Anonymus im Akathistos
S. 263 ffl. die 2. Hälfte der 12. und 13. Zeile in 2 Kurzzeüen o -*
.'L. ^ ^ s. — zerlegt, aber diese neu eingeführte Theilung selbst einige Male
vernachlässigt. Dasselbe ist der Fall in dem Gedichte des Romanos S. 92;
denn in derselben Strophenart S. 285 (10 Strophen eines Ky riakos) ist
die 5. und 6., 7. und 8. Zeile stets so getheilt w w -i-* •- w w - w •-
mit Ausnahme von Strophe 7, 7 avy Ma{fi(f d>g (p&tyyoiLieyai. Dagegen
hat Romanos die 13. Zeile derselben Strophe (mit Ausnahme von Str. 22
avTov xal ^lovdag «^^iwa«) stets zerlegt in ^ — s^ _ (^ _:_ ^ _:_)-[- „ „ _i. ^ ^
avv rfj /fipi* navra avy^xorra, während Kyriakos S. 285 keine Scheidung
beachtet und demnach anderen Tonfall hat ^ — s. ' ^ — s. -l- s. - fuyaho
(f6ß(p avyexojuayog.^) Diese wechselnde Th eilung und Verbindung
der Kurzzeilen bewirkt dann eine Veränderung des Tonfalles, wenn
die getheilten Kurzzeilen im Schlüsse der ersten und im Anfang der
zweiten volle Accente haben, wie xoiyov &{f6ye nv(}iy€, von denen bei
1) Die reinere Form dieses Tones bei Kyriakos Pitra Anal. I S. 2b4 lautet:
I. 1 KXniovaai xal txfiBvovaat* al nf()i JftttQ&ay lot^ oixrift/Aoytt* Sgiaiayro* ixS'a/ißoi unayTf^^
II. 5 xai TttCTüii* nXfivj iriQiaßtvoy
7 wf klxog* tavxa (pSiyyofjLfyot,
III. 9 (poÜg ^fiiy* iXa/4ipfy angoaitoy
11 fiXinoyref* ^fia xal na^dSo^a'
13 ogtoyteg ta aytxdvfyijTa.
IV. 14 '0 yap tvtpXovf fpattlaag* xal tovs Xfngovg xaS-dgag* xal tovtoy ytxgtud^iyTa*
17 ayaxatyicag fvcnXayx^itf
18 ontug g>ayfQa}&S ^^(fß tfj yfj
V. 19 ICvQtog ayiog dyaQX^f* ^oyog S-sov
Refr. 21 6 '^'Atdrjy /f i(*wa«^f i'of * 22 <^ -^ v • u * u ♦ .
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349
der Verbindung natürlich einer verschwindet: nv{}ifio{f(poy o^/j^« oder
7ivQifi6(f(pa)y (JXTjiita.
Anderer Art ist der Fall, dass die Silbe, die in der einen Strophe
betont wird, in der andern unbetont ist, dagegen die zunächst stehende
Silbe, die in der einen Strophe unbetont ist, in der andern betont wird-
Ich habe diesen Fall Taktwechsel genannt und sein Vorkoiiimen in
den gleichzeiligen Gedichten oben (S. 320 — 326) besprochen. Die alte
Freiheit, dass nur der Schluss gleichförmigen Tonfall ( ^ ^ oder ^ j_)
hatte, vor demselben aber die Silben ohne alle Rücksicht auf den Accent
nur gezählt wurden, ist in diesen gleichzeiligen Gedichten meistens bei*
behalten und nur dadurch beschränkt, dass nicht 2 vollbetoiite Silben
zusammenstossen dürfen. In den Hymnen kommt der Taktwechsel ziem-
lich selten' vor. Von den Prooemienstrophen sei eine erwähnt; der
2. Absatz von ra &BoßQvxa beginnt mit 2 gleichen Zeilen zu 12 ^ w bb:
3 -j- 2 -f- 7 _L_ ^ {xal arvkog^ nvQog^ d^fd-o^o^iag Xa^unmr .^ _^ ^ * w _^ *
I. 1 _L- w _:i. w _!_
3
w
_!l_
^J
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4 _i
_ w
^ -I—
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V.
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19
21
V
/
t
\j _
v-* •
20
22
C
v>
* V* .
16
Die einzige von Pitra benützte Handschrift ist lückenhaft und Terttchrieben, der Text von
Pitra selten glücklich hergestellt. Die 23 Strophen des Romanos (Pitra AnaL I S, *J2) weichen
von dem obigen Schema besonders in folgenden Zeilen ab: Z. 2 hat vom eine unbetonte Silbe
zugesetzt, also v>v:i.o_^v_ii.v_i_o^. Z. 3 und 4 sind in Htr- 10, Z. 5 und 6 in Str. 10-
25. 17. 20, Z. 7 und 8 in Str. 10. 11. 17, Z. 9 und 10 in 22 mit einander Terbundenj dagegen lat
Z. 13 in 4 + 6 zerlegt (also = Z. 3. 4). Die Betonung wechselt: in Z, 9 und 11 j_ w ■_ und
in Z. 13 ^ j^ ^ j_ und v _l_ ^ _i. und 20 v _i_ v/ _^. . Z. 14 beginnt in ^tr. 11 mit
und Z. 17 in Str. 15 und 16 mit w v _i_ v/ v^ j^.
— »
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fl
350
_:_ .^ ^-/ _i_ v^ _A_ v^); hier kann 7 _l_ v-^ ebenso gut durch ^ w > ^ v,» > v^
gebildet werden; so schliesst S. 346 die 1. Zeile mit ö(}&o^oSiag ka/nTrwv,
die 2. mit ix rijg Jikayrjg Uqhov, umgekehrt S. 583 die 1. mit Tfjg r^iadog
TTjr nioTiy, die 2. mit eWu)lixrjr i$a(}ag. Von den eigentlichen Hymnen-
strophen hat z. B. die oben S. 340 erwähnte nur in der vorletzten Zeile
bald v^ _'_-_•_ ^ _!_ >^ bald _i_ ^ .^ n^ ^^ _!_ ^- {ixhfvnöy rip nkaortj oder
äyearfva^e jn^ya). Der ebenda besprochene Ton rrjv *E(Jhi hat nur in
der 19. Zeile bald ^ ^ j ^ i ^ .j_ ^ bald ^ ', - _l. ^ ^-^ _'_ ^ {iy^yy^i-
S^g Bvdoxriaag oder avvtjxare aii mpdri). Der Ton äyyelog TipaiTocrranji;
hat nur in der 15.^ und 17. Zeile statt ^ ^ _jl. ^ _•_ ^ '. auch • _:. >^ _'_
^ y^ _' (jovg ex yfjg 7i(}6g ovQavov, rV rjg xarJßrj O-eog) und das nur bei
Sergius und Romanos; vgl. oben S. 343 u. 344. Die (S. 348 in der Note
besprochene) Tonart Tig dxovoag beginnt die 1. Zeile statt mit ' ^ ^
_!_ yj ^ jL^ sj •_ selten mit ./_'w_l_vw_'^ • {otdixe äarogye änjioydt
oder Tig üSe nodag vinrofievoy) und die 17. statt mit _• ^. ^ ' v^ \. v. . v.
bei Romanos selten mit i_ ^ „'. w o ^'^ ^ » ^ {aviKfioyovuiym tküXovubvv)
oder art/ui^ov tijliti kaketrat). Diese Thatsachen sprechen klar. Die Dichter
waren sich der Freiheit des Taktwechsels völlig bewusst; sie wendeten
denselben in den künstlichen Hymnenstrophen nur selten an und nm* in
ganz bestimmten Theilen derselben. Diese sind stets der Anfang einer
Kurzzeile und zwar meistens einer Kurzzeile, welche entweder die Strophe
beginnt oder einen Absatz abschliesst.
Die geschilderten Freiheiten kann man den Dichtern nicht als Fehler,
sondern nur als Vorzüge anrechnen. Zu grosse Regelmässigkeit wird
leicht eintönig. Wie die Freiheiten der quantitirenden Poesie, die Auf-
lösung der Hebungen, die Zusammenziehung oder Vergrösserung der
Senkungen, die verschiedene Bildung der Caesuren, von den alten Dichtern
verschieden benützt wurden, in den gleichzeiligen Stücken der Komiker
fast im Uebermass, in jenen der Epiker, der Tragiker imd Lyriker mit
weisem Masse, endlich in den ungleichzeiligen Stücken der Lyriker und
Tragiker in sehr bescheidenem Masse, so dass Horaz hier fast bei der
gleichen Silbenzahl der entsprechenden Stücke angelangt ist: so haben
auch den Wechsel des vollen und halben Accentes und die Verschiebung
des Accentes die gleichzeiligen rythmischen Gedichte der Griechen häufig,
die ungleichzeiligen nur selten sich gestattet.
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^
351
Um diese Theorien praktisch zu zeigen, zugleich auch um zu beweisen, wie
schlimm es mit Pitras Methode steht und mit welch umständlicher Vorsicht man das
von ihm Gebotene und Behauptete aufnehmen muss, will ich eine Strophenart hier
metrisch interpretiren. Bei Pitra S. 148
I. 1 2 Td T^g y^g inl T^g y^g* naraliTTOvzeg^
3 i rä Trjg tiipQag T(j5 xolf* Tropaxcü^ovvTeg,
5 6 7 det^e, ävonnqxfHa^ev * xat elg vipog irtdQWfi&f * Ofifiava xal votificna.
IL 8 9 nerdatofiey tag oipeig*^ ofiov xal Tag alad^aeig
10 11 STtt Tag otQoviovg* niXag^ oi &vrjToL
III. 12 13 vofiiaiüfiev elvai* tov iXaiaivog elg ogog^
14 15 xat drev/feiy* Tqi XvTQOVfiivqf
16 17 irtt veq>iX7jg'^ i7toxovfiiv(p.
IV. 18 19 ineid^ev yccQ 6 xvQiog* elg ovQovovg äviÖQafiev,
20 21 evTev^&f 6 q>iX6d(OQog* Tcg dwQedg dUveifiev ^
22 Tolg anoGToloig avrov, ^
V. 23 24 xolaycevaag (og tuoti^q* xat OTr^ql^ag avTotg,
25 26 odfjyrjaag log vlovg* xal li^ag nQog avTOvg, ^^
VI. Refr. 27 28 ov x^Qt^Ofiai vfiwv* iyd elfii ^uc^' vfiwv*
29 xat ovdetg xa&^ vfiwv.
Dieser schön aufgebaute, 180 Silben umfassende Ton findet sich bei Pitra
S. 148—157 in 18, *S. 472 in 1, S. 540 in 2, S. 599 in 5 Strophen befolgt. Die
18 Strophen S. 148 bilden das Akrostichon tov TaTveivov Piofiavot, geben also ein
vollständiges imd echtes Gedicht des Romanos; desshalb behandle ich hauptsachlich
dieses. Zur Ausgabe benützte Pitra 2 Handschriften, eine der Gorsinischen Bibliothek
(C) und eine Turiner (T). Ich übergehe die zahlreichen, oft sehr starken Varianten i
der Handschriften imter einander und berühre nur Pitras klare Fehler.
I. 1 "^'Ote Tavra 6 x^icrrot; l 6 ^ — ^ ' s^ ~
Bine Tolg (piXoigy
3 diavevei t6 Xoinov
TÖig aqxayyiXoig^
5 %va eToifidaioai
Toig dyvoig cwtov ßi/jfAaaiv ^ w-^w w-^^--
avodov ddiodevTOv, ._ ^ _^ _i_ ^ _- ^ _•-
Zeile 2: Der Anfang ^ -^ ist sicher in Str. 4 und 17 {twv koywv tovtiov), _i_ u
in 7, 10 — 13, also hat in 19 Pitra ovrio q>Qov(wvTeg fälschlich umgestellt. Ebenso ist
in Z. 4 der Anfang v j- sicher in Str. 6 Ttaqiaxt Xvnrpfy ^ ^ v in 4. 5, also ist
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352
auch in 15 Pitra's Conjektur vfivovvreg elTtov für ipaXXovreg eiTtov unnöthig, in 17 die
Umstellung ailrjXoig elnov statt eiTtov dXktjloig falsch. In Z. 5 hat auffallenden
Accent Str. 10 qiofia xaivov qaaxe; Pitra, der dies nicht änderte, durfte darum auch
nicht 17 ovtitig tilgtoI ficcQTvQeg zu o. ju. n, umstellen. In Z. 7 ist wesentlich, dasa
weder die 3. noch die 4. Silbe vollen Accent erhalten und der Schluss daktylisch ist;
es ist also falsch, wenn Pitra Str. 10 ^'venev ifiwv yivetai zu ^veney yivexai iiim
umstellt. Dieselbe Zeile hat Pitra in Str. 15 verdorben, wo 5. 6. 7 nach den Hand-
Schriften lauten ovtmg dvaßeßrjxev* 6 ^eog sv dlaXayfnp''^ xvqiog iv qxsßv^ odXmyyog,
das stimmt wortlich mit Psalm. 46, 6 dvißri 6 ^eog iv dlaXayfulß, xvQiog iv gwyß
adXniyyog^ und dies wörtliche Citat entschuldigt völlig in Z. 6 den Schluss -i. ^ _
statt ^ v^ ^ und in Z. 7 den Zusatz einer Silbe und die Nichtbeachtung des Accentes
in qxov^. Pitra citirt die Stelle, scheut sich aber dennoch nicht, zu ändern und den
falschen Vers xvQiog adXrciyyog qxov^ zu machen.
IL 8 liq>Big fj^og^ olyLxiq^coVj v/ — u — w - w
ravxa ydq dtg odevwv ^~ "^ l
(
Die Z. 8 und 9 einerseits, 10 und 11 anderseits gehören dem Sinne nach
meistens enger zusammen, so dass sie 2 Langzeilen füllen. In Z. 8 und 9 ist der
Anfang u ^- ^ '- selten, so 17 el fAr} yoQ eidov zovrov, 12 oi xüv dyytXwv nqwtoi,
noch seltener der Taktwechsel 18 eHmofiev iraq^rfliq^ ganz unnöthig hat Pitra 7
o 7cQurcog ^ficiv Tlirqog umgestellt und 10 statt xat dC dndvroiv r^k&ov (did ndvtunf
CT) das unnatürliche did xai n, ?}. gewagt. In Z. 10 ist _ ^ _• ^ ^ _l. w sicher
in 4. 6. 12. 14. 19, -l. «^ «^ __ ^ _l_ ^ in 5 aCvexe yvutce ravta und 20; demnach
war 15 das handschriftliche (lia dyyiXiov ^evykrj nicht anzutasten, ebenso nicht 17
ovTL av TcatijXx^ov xaTco, was C und T haben, wenn ich Pitras wirre Angaben richtig
deute. In Z. 11 ist der Taktwechsel ^ _ w .. _i_ von Pitra selbst gelassen in Str. 6
{iq^d^iy^io fifiiv), 7. 10. 17. 19, also ganz unnöthiger Weise in 8. 11. 20 die Ueber-
lieferung nQoixQivccv ae, nag ro/tog fieotog, rovg Xoyovg avTUßv angetastet.
III. 12 'EnaQoze nvXag ^ -^ w »^ ' «
aal iycTtetdaaTe dvqag "^ ~ l
^ — J
14 Tag oiqaviovg
Y.al inido^ovg'
16 0 yaQ deartorrjg
Ttjg do^fjg q)x^dvei.
Die Zeilen 12 und 13, 14 und 15, 16 imd 17 sind unter sich durch den Sinn
stets enger verbunden, so dass sie 3 Langzeilen bilden. In Z. 13 ist die Betonung
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353
des Anfangs u _i. o sicher in 19 (pwm(; otpiyAav nn o^ei, in (16? und) 7 ovraiuuv
ozt OB evQ€, wo Pitra fälschlich ae ora stellte. Der Anfang w _i_ v ist sicher für die
Z. 15 in Str. (4.) 8. 9. 14 iiQoriXdBv avio, für Z. 16 in 14 /Oßci/y ftvqiviav und für 17
in Str. 7. 12. 16 aAtjraJg äixaiiov.
IV. 18 NtqifXai vnooTQiouaie 18 w — *> — « — ^ —
viova xtTf emßalvovTC ^ j:. ^ .li. I
f - — - —
rot dia 00 V bdeiovii' «^ - ^^ — |
— \> v# - - I
22 dvoiyßr^TB ovqavol ' 22 « — *---— I _
Die Zeilen 18 nnd 19, 20 und 21 treten dem Sinne nach zu 2 Paaren zu-
saniiuen, wesshalb auch der Taktwechsel nur in dem 2. Stücke jedes Puares erlaubt
ist. Derselbe ist sicher für Z. 19 _'- v^ ^ in Str. 4. 5 aXvBaig'Aai ev/TQin:eia, 0. (7V).
12. 14 h:oifiog yaq 6 ^Qovog aov, 15. 16 (Hkiag f.iiv to nvqivov 19 aq^ia eriiKa^ri-
//ei'og). 19. 20, von welchen Versen Pitra 5, 14 und 16 fälschlich geändert und 19
und 20 fälschlich angezweifelt hat; für Z. 21 ist der Taktwechsel j^. ^ ^ sicher in
Str. 5 kHaf-iiffig Aadiog yiyqaTitai, 10 aXKai diAauov yiiÄOvaai. 11 ovitüg Y,ai orx
rjU.Oiiouai, 13 k'fpege ttiv ßaard^ovoav, (17 tovrov fdr^low ayyeXoi), welche alle Pitra
geändert hat (18 tijV effege ßaata^ovaav !); in Str. 20 ist Pitra das Unglück paasirt»
dass er die Z. 21 im Text ganz wegliess, aber in den Noten als Variante au« T an*
führte (nQeaßeiaig crjg zexovorjg ae). Die Verbindung der Z. 22 ist merkwürdig:
oft ist sie selbständig (4. 6. 7. 8. 12. 15. 17.), oft hängt sie mit der vorangehenden
Zeile zusammen (3. 9. 10. 11. 13. 14. 16. 18. 19.), selten mit der folgenden (5; wo
jedoch die folgenden Zeilen unsicher, die 24. und 26. sicher falsch sind; 20). Der
Tonfall - ^ o .1. V V _!. findet sich in Str. 4. 7. 10. 11. 12. 15. 17. 18. 20;
%j ^ j_ Kj s. _!_ 14: 'Aal q)^aoov KLoXnovg naTQÖg, In Str. 6 ist der richtige Sehlus«
«X yaQ Tov nvBVfjiaxog ftov (v^ ^ - ) von Pitra durch sy. y. r. /lor nrecfiaiOi; ver-
dorben worden.
V. 23 OvQavoi rwv oiqavAv 23 ^ - !- ^ _ »^
w - v# I
25 ovi (pOdvBL 7rQ6g if.iag 25 ^ w w " w
0 Xiy(x)v %6lg avtoi. w ^ -^ ^ I
\J - w - - I
Kefr. 27 ov ^w^'C^^A'^* ifttov, 27 ^ « '-^_^
iyii elfii fAeO^ vfiüv ^ w ^ - w
'Aal ovdeig Aab^ v^iwv. «www
Abb. d. I. Cl. il. k. Ak. d. Wi«s. XVII. Bd. II. Abth. 4«
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354
Die Verse 23 mid 24, 25 und 26, und der Refrain 27. 28. 29 bilden dem Sinne
nach 3 Gruppen. In Str. 19 ist Z. 23 betont ^ w _i. v ^ v. _/. tf hdvi^ vo^o^ qy^
dagegen ist in Z. 25 der richtige Ton aus C herzustellen ij xai 7ihiQaüa Mma^v.
In Str. 20 ist Pitra verwirrt gewesen und hat den völlig richtigen Text der Hand-
schriften 25 aJJ^ aoßr^aov oiJrov* oqp' ^f^wv 6 elntiv verdorben. Der Takt Wechsel
tritt auch hier je im Anfang des letzten Stückes der Langzeile, also in Z. 24. 26
(und 28) ein. So lautet Z. 24 ^ w _i_ v v. _:_ in Str. 3 xai azrj^i^ag amoig. 7. 8.
10. 15. 16 (carr. xai d'eog ^HXiov). 18, dagegen ^ _i_ w _^ ^y ^ in Str. 4 xal li^ag
TTQog avTOvg, 6. 8. 9 {iarrjoato d^eog). 11. 12. 13. 17. 20. In der entsprechenden
Z. 26 hat Pitra die Betonung v> _'_ ^ _^ o ^ in Str. 3. 6. 7. 9. 12. 16. 17,^19, da-
gegen hat er hier die Betonung v v^ _i_ v w _i_ verfolgt und die richtige Ueberliefemng
in 4 aya/rijcrare' fie, 10 xai hx^ßavo) ifiag. 11 aal iv {dioiu vf.uüv getilgt, in 13
c Tolg q)lloig elnwv und 15 6 ßorjoag vfiiv mit unnützen Conjekturen belästigt.
Also ist die gleiche Silbenzahl der entsprechenden Kurzzeilen ätets streng fest-
gehalten und nur einmal (Str. 15, 7) in einem wörtlichen Citat verletzt. Die Mehr-
zahl der sich entspreche den Kurzzeilen haben gleichen Tonfall; hiebei wird in den
meisten Stellen der Unterschied zwischen voll und halb betonten Silben scharf be-
achtet. Taktwechsel findet sich verhältnissmässig oft, doch stets in der Kurzzeile,
welche eine Langzeile schliesst: meistens im Anfang dieser Kurzzeile, wo ^ ^ mit
^ _L. wechselt (vgl. Z. 2. 4. 11. 19. 21), seltener so, dass das Innere des Verses er-
griflfen wird, wie in 24. 26 (und 29) wo v^ v/ -i- ^ v/ -i- mit ^, _;_ u -^ u -^ wechselt.
Am Schlüsse der Langzeilen werden schwächere, am Schlüsse der Absätze stärkere
Sinnespausen sorgfaltig beachtet, so dass alle die kleinen und grösseren Glieder des
wohlgebauten Ganzen deutlich hervortreten. Das entspricht, wie oben bemerkt, dem
Charakter des Romanos.
Die übrigen Gedichte, welche diesem Tone bei Pitra Anal. I folgen, werden von
ihm demselben Romanos mit mehr oder weniger Bestimmtheit zugeschrieben. In der
S. LIX gedruckten Strophe ist Z. 6 imd 7 theils in der Handschrift, theils durch
Pitra verdorben ; Z. 22 ist eng mit 23 verbunden. Z. 24 und 20 haben den Tonfall
Kj ^ Kj ~ \^ ^1 29 hat eine Silbe zu viel, was in solchen Schlüssen nicht selten ist,
o vy -1- u ~ ^-r ^. Pitra's Note zu V. 24 : ijg^ce^ijv tov vfjivdr 'in archetypo ipso
versus variatur ac modo sex modo septem syllabis constat; fort, vüv aQ^ofjai tov t'/i-
veiv' ist falsch. Die schwächeren imd stärkeren Pausen sind richtig beobachtet. So-
mit weicht dieser Strophenbau von dem des Romanos nicht ab.
Str. S. 472. Z. 8 eadtoavo 7cea6vTag ist metrisch vollkommen richtig (Pitra
'laeso rythmo*). Z. 28 weicht in Silbenzahl und Ton ab x^^Q^^9 aiav^ Z<^07T0ti^
was im Refrain erlaubt ist. In den Absätzen I, II und III sind die richtigen Pausen
beachtet; in Absatz IV und V nicht, indem hier Z. 20 — 24, 25—29 in Gruppen zu*
sammentreten. Dies allein spricht gegen die Autorschaft des Romanos.
S. 540 Str. 2 und 3, von Pitra nach 2 Handschriften (M und V) edirt, Z, I
schliesst Pitra in beiden Strophen mit j- kj ; dafür werden wir später ein Beispiel
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finden, allein hier ist die Ausnahme von der Regel falsch. Denn in Str. 2 axaTa-
IriTtTog oiaa hat Hscht. V dxaTdXfjnTog aaqxüg und in 3 ^/uj; ovQavov d^elq hat
Hscht. M (mfjirj ^el(f ovqavov, also in beiden Fällen richtige Accente. Z. 6 hat in
Str. 2 die 1. Silbe schwer betont (piUna devveQa deUvvoi. Z. 9 und 10 sind in beiden
Strophen unsicher. Z. 11 in Str. 2 dio rov Mixai]X hat eine Silbe zu viel, wie es
bei Eigennamen gestattet ist, Z. 12 Str. 3 abweichenden Ton aniQQiipev etg yfjv,
Z. 15 den Taktwechsel - ^ w _i_ w yijv xaTea&ietv. Z. 20 Str. 3 /uc^' ov xal arga-
Tevfiava ist natürlich tcJ zu ergänzen. Z. 22 Str. 3 tov TtaQefißaXeiv oieQQwg ist
7iaQ€f4ßd}Xeiv zu schreiben. Z. 26 ist in beiden Strophen siebensilbig TOtg hqov'
ya^ovrag ovti^. Von den Pausen des Tones ist nur die hauptsächlichste vor Absatz
IV Z. 18 gewahrt, die andern sind öfter verwischt. Die Autorschaft des Romanos
ist also nicht wahrscheinlich.
S. 600 — 602 Vji Strophen aus der Turiner Handschrift. Z. 1 und 3 haben in
allen Strophen abweichenden Ton im Schlüsse j^ ^ .::- ^ v^ -i- v loxvQol iv nolifioig.
ijhov dvatilkeL Z. 7 in Str. 12 die seltene Betonung _i.v.-i-w ^^ j^ y., — Toig xo
xqiog iveyxaai. Nicht zu begreifen ist, warum Pitra Z. 10 in Str. 7 xat xoHu)-
^ivxag Tuiazei zu nolX. tb niacei änderte. Z. 11 in Str. 7 und 9 hat eine Silbe zu
viel T([f acjvriQi fjutSv, xot twv oXiov &€((), in 6 Wechsel der halben und vollen
Accente: awaydiletai. Z. 22 ist in allen Strophen unsicher und von Pitra gewiss
nicht richtig verändert. Z. 26 hat ungewohnten Taktwechsel in Str. 2 tdei^e vixTjTdg.
6 x^eiag fiaQ^oQvyag, 12 BQQiipav 7roTaf4tJi; falsch ist in Str. 9 6 evoBßA^ aqi^fjiog
von Pitra 6 zugesetzt. Die Refrainzeile 28 do^av in twv ovqavwv hat ebenfalls Takt-
wechsel. Die schwächeren und stärkeren Sinnespausen am Ende der Langzeilen imd
Absätze sind alle beachtet. Gegen die Autorschaft des Romanos spricht also haupt-
sächlich die starke Verschiedenheit der 1. und 3. Zeile, minder die freie Behandlung
der 11. und 26. Zeile.
Reim und Akrosticha in den griechischen Hymnen.
In den früher besprochenen Gedichten des Methodius und Gregor,
sowie des Photius und Kaiser Leo, endlich in den mittelalterlichen poli-
tischen Versen der Griechen findet sich der Reim nicht. Aber dass in
den frühen Zeiten der rythmischen Poesie den Griechen der Reim be-
kannt war, das geht aus den Hymnen unbestreitbar hervor. Die beiden
Akathistoi (Pitra Anal. I p. 250 und p. 263) des Sergius und des Ano-
nymus sind von Anfang bis Ende voll solcher Reime, wie sie die oben
(S. 342) ausgeschriebene Strophe zeigt. Auch Romanos bedient sich
gerne des Reimes; ich führe aus dem Gedichte bei Pitra S. 93 nur
einige Verse an:
46»
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356
roy i/S-Qoy* rfit; svanXayx^'^^^ ^^^
xal yvfivov* rijg evXoyiag aov,
vyjcoaag"^ roy nrioxov xa^iaaaaiVy
riv^aag"^ rby olzTQoy dü){fr}uaaiyy
inkovrioa^:* xal ifiaxdffiaag.
In dem alten Gedichte bei Pitra S. 447 heisst z. B. die 8. Strophe
flaffdihioe'^ 7iayd(}tT€* naydyte* navokßie
fV ^Addu TTBipvjevjLieys'^ rV Evay xexksiaufyf^
.7(0;; xkavaio at;
damit vgl. S. 459 das Prooemimii, S. 493 das ganze Gedicht, S. 666
(über Gregor) und S. 678. Der Reim ist hier zu weit gegangen; er
bindet nicht nur die Schlüsse der entsprechenden Zeilen ; sondern oft ist
er in die Zeilen eingedrungen und bindet auch die Stücke der ent-
sprechenden Kurzzeilen. Er ist insofern nur ein rhetorisches Kunstmittel;
allein die überwältigende Fülle der Reime zeigt, dass die Dichter sich
desselben wohl bewusst waren. Sie kamen nicht dazu, denselben nur im
Schlüsse der Zeilen und massvoll anzuwenden. So starb er wieder aus,
wie es ja auch nicht auffallend sein würde, wenn der Reim bei den
lateinischen Dichtern im 9. und 10. Jahrhundert ausgestorben wäre. Erst
seit dem 15. Jahrhundert wurde der Reim aus der romanischen Dichtung
wieder in die neugriechische eingeführt.
Die Akrosticha spielen in dieser Dichtungsform eine grosse Rolle;
sie sind vielfach die einzige Quelle, aus welcher wir die Dichternamen
kennen. Gewöhnlich sind es keine eigentlichen Akrostichen, sondern die
Anfangsbuchstaben der Strophen. Dieselben bilden selten die Reihe des
Alphabets von A bis 12 oder von 11 bis A^ häufiger den Namen des
Dichters oder des gefeierten Heiligen oder Festes. So lauten die Akro-
sticha, welche die Gedichte des Romanos im 1. Bande von Pitra's Analecta
geben: 'fov ransiyov Piouavov vjuyog. Tovro Pcouayov to enog. Tov runsiyov
PiOfiavov TO enog. Tov raneiyov Pcouayov ipakuog ovrog. Eig ra ßaia Piouayov.
Eig Toy /(joGTjip Ptouarov. Tov lantiyov Piojtiayov 7ioit]ua. Tov raneiyov
I\ouayov aiyog. Eig ro naS^og iffakjLcog Ptouayov. O aivog Piouayov. H mdri
Piüuayov. Aiyog xai o ipaXuog PiOfiayov. Avrrj t] iodt] tov eXa/jarov Ptouarov.
Aiyog ranttyov Pcouayov Big ra yfyf&lia. Selten sind die Akrosticha durch
die Initien der Langzeilen gebildet; vgl. oben S. 46. Nur Johannes Damas-
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cenus hat derartige gebildet in seinen Kanones, die in Trimetern
geschrieben sind: die Anfangsbuchstaben der Zeilen, aus welchen die
9 Oden des ganzen Kanon bestehen, bilden oft ein Epigramm von
2 Distichen.
In der oben geschilderten Weise vereinigen betonte und unbetonte
Silben, Kurzzeilen, Langzeilen und Absätze sich zu dem Bau der
Strophe, und dieses schöne Ganze wird mit strenger Regelmässigkeit
wiederholt, so dass das Ohr immer schärfer die Weise auffasst und
an der Wiederkehr der einzelnen Glieder sich erfreut. Erwägen wir
die Schwierigkeit der ganzen Dichtweise und die Strenge, mit welcher
die Gesetze bewahrt sind, so müssen wir gestehen, .dass die rythmischen
Dichter der Kunst der quantitirenden nicht nachstanden, ja dass sie viel-
leicht mit denselben, welche damals sich neue strenge Regeln geschaffen
hatten, zu wetteifern strebten. Die Anzahl dieser rythmischen Dichtungen
war aber eine ausserordentlich grosse, wie die erhaltenen gedruckten und
ungedruckten Trümmer beweisen. . Die Byzantiner ehrten und pflegten
diese Dichtungen ausserordentlich. Mir scheint dadurch eine Lücke im
geistigen Leben der Byzantiner einigermassen ausgefüllt zu sein, nemlich
der unerklärliche Mangel an Poesien von dem Anfang des 7. Jahrhunderts
bis zum Ende des elften. Diese kirchlichen Gesänge scheinen es gewesen zu
^in, in denen das Volk seine dichterische Kraft zum Ausdruck brachte.
So viel ich urtheilen kann, brauchen die griechischen Dichter dieser
Zeiten den Vergleich mit den gleichzeitigen lateinischen Dichtern der
verschiedenen abendländischen Völker nicht zu scheuen. Um so mehr
sollten sie erforscht werden.
Die lateinisehen Sequenzen.
Die griechischen Kirchengesänge sind auch dadurch besonders wichtig
geworden, dass sie die geistliche Poesie anderer Völker stark beeinflusst
haben. Die slavischen und russischen Kirchenlieder sind zum Theil aus
dem Griechischen übersetzt; bis wieweit, das wird die Aufgabe einer
ebenso nothwendigen als dankbaren Untersuchung sein. Allein ich kann
auch für die lateinischen Sequenzen nur diesen Ursprung annehmen. Christ
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hat (Antholog. S. XXV) auf die zahlreichen Spuren griechischen Einflusses
hingewiesen, welche in der lateinischen Liturgie und Kirchenmusik der
Karolingerzeit hervortreten. Nachdem zur Zeit Justinians die lateinische
Welt, besonders durch die Gesetzgebung, stark auf die griechische gewirkt
hatte (damals besonders entstanden die lateinisch-griechischen und griechisch -
lateinischen Glossare), kam im 8. und 9. Jahrhundert die theologische
Gegenströmung aus der griechischen in die lateinische Welt; die Lateiner
waren sich bewusst, dass die Evangelien griechisch geschrieben waren und
dass die frühesten und hervorragendsten Kirchenväter Griechen gewesen
seien; sie gingen sogar so weit, das Vaterunser und einige Hauptstücke
der griechischen Liturgie in griechischer Sprache herüber zu nehmen
und die damals angesehensten Schriftsteller prunkten wo nur möglich
mit griechischen Brocken. Die Form dieser Sequenzen erhellt aus fol-
genden Beispielen:
Petri cantoris Mettensis circ. 790 'Metensis minor; verba Notkeri.
Schubiger Exempla No. 1 ex Cod. S. Galli 546
Prolog. Laude dignum
Sanctum cänat Othmarum
Talis nati profectu
Hie velut sidus eximius
caligines
praeceptis
subvenit
vitae
Hie
Hie
Inter fraternas
Jesu Christi
eins membris
Nunc suae perfectae
Debiles
atque
Svevia
mater
gratulans
semper
pläcidus
deo
rutilans
micat
päruit
prömptus
minimis
largus
se testem
exhibet
fovendo
supplices
sanctorum
cüncti precemur
liet
domino deo
curändo
Nunc iam coetibus i
Ut nos fragiles semper conciliet
Epil. Qui regnat trinitas summa.
In der vorletzten Zeile ist wohl zu stellen: conciliet semper.
Romani melodia 'Romana' circ. 790. Verba Notkeri. Schubiger Exempla
No. 2 ex Cod. S. Galli 546
Prolog. Johannes Jesu Christo multum dilecte virgo
Tu eins amöre carnälem
In navi parentem liquisti
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Tu leve cöniugis pectus respuisti Messiam secütus
Ut eins pectoris sacra meruisses fluenta potare
Tu que in terra positus gloriam conspexisti filii dei
Quae solum sanctis in vita creditur contuenda esse perenni
Te Christus in cnice triümphans mätri süae dedit custödem
Ut virgo mrginem servares atque curam suppeditares
Tüte carcere flagris que fräctus testimönio pro Christo ea gavisus
Idera mortuos suscitas inque Jesu nomine venenum forte vincis
Tibi süinmus tacitum caeteris verbum süum pater revelat
Tu nos omnes precibus sedulis apud deum semper commenda
Epilog. Johannes Christi chare.
Romani melodia 'Amoena' circ. 790. Verba Notkeri. Schubiger Exempla
No. 3 ex codice Einsiedl. Fr. 1.
Prolog. Carmen suo dilecto
Ecclesia Christi cänat ob quam pätrem matremque deserens
Dens nostra se vestit natura et synagogam respuit
Christe tüo säcro lätere sacramenta manarunt illiua
Tui ligni adminiculo conservatur in salo saecuU
Hanc ädamans cöniugem clauderis Gazae sed portas efiFractürus illius
Hanc etiam hostibus eruiturus es congressus tyranno Goliath
Quem lapillo prostemens unico
Ecce sub vite amöena Christe lüdit in pace omnis eccleaia
Tute in horto resurgens Christe hör tum florentis paradisi tuia
Epilog. Obstructum diu reseras domine rex regum.
Sequentia de ascensione domini. Notkeri Balbuli melodia '^Dominus
in Syna in sancto' et verba. Schubiger Exempla No, 21 ex
codice S. Galli 546
Prolog. Christus hunc diem iocundum cunctis concedat esse Chris tianis
amatoribus suis.
1. Christe Jesu fili dei mediator natiirae nöstrae ac divinae
2. Officiis te angeli atque nubes stipant ad patrem reversurmn
1. terras deus visitasti aeternus aethera novus hömo transvolans
2. sedquimirum cum lactanti adhüc Stella tibi servirtt B,nge\i
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Tu hodie
Terrestribus rem növam et dülcem dedisti dömine sperandi coelestia
Te hominem non fictuin levando super sidereas metas regum domine
Quänta gäudia tüos replent apöstolos
Quis dedisti cemere te coelos pergere
Quam hilares in cöelis tibi occürrunt növi ordines
In humeris portanti diu dispersum a lupis gregem
Epilog. Unura quem Christe bone pastor tu dignare custodire.
Abgesehen von Prolog und Epilog sind es Paare von gleichen Lang-
zeilen, zwischen welche selten eine einzelne Zeile eingeschoben ist. Die
sich entsprechenden Langzeilen haben nach der Regel nicht nur gleich
viel Silben, sondern auch gleichen Tonfall, ja sogar gleiche Wortformen;
diese wenig beachtete Gleichheit der Wortformen, welche an die Versus
anacyclici des Porfyrius erinnert, ist wenigstens in den 3 ersten Ge-
dichten, wo Notker frühere Melodien mit Wörtern füllte, dann auch in
manchen seiner eigenen (vgl. K. Bartsch, Die lateinischen Sequenzen S. 71)
z. B. Psallat ecclesia (nur vivunt und angeli weichen ab) und Cuius pater
(nur in secula und laudantes weichen ab) noch strenger durchgeführt als
in den griechischen. Notker, der 912 in St. Gallen starb, und als
der Schöpfer dieser wichtigen Dichtungsgattung angesehen werden muss,
schreibt in der Widmung seiner Sequenzen:
*Cum adhuc iuvenculus essem et melodiae longissimae saepius me-
moriae commendatae instabile corculum aufugerent, coepi tacitus mecum
volvere, quonam modo eas potuerim coUigare. interim vero contigit, ut
presbyter quidam de Gimedia nuper a Nordmannis vastata veniret ad
nos, antiphonarium suum secum deferens, in quo aliqui versus ad se-
quentias erant modulati, sed iam tunc nimium vitiati. quorum ut visu
delectatus, ita sum gustu amaricatus. ad imitationem tamen eorundem
coepi scribere 'Landes deo concinat'.. quos cum magistro meo Ysoni
obtulissem, ille studio meo congratulatus imperitiaeque compassus, quae
placuerunt, laudavit, quae autem minus, emendare curavit, dicens 'singuli
motus cantilenae singulas syllabas debent habere, quod ego audiens ea
quidem quae in ia {vom AUeluia) veniebant ad liquidum correxi, quae
vero in le vel in lu quasi impossibilia vel attemptare neglexi, cum et
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361
illud postea usu facilliraum deprehenderini' etc. Dann heisst es in Ekke-
harti (IV) Casus S. Galli cap. 47 (ed. Meyer von Knonau in St. Gallische
Geschichtsquellen Bd. 15 u. 16) Fecerat Petrus ibi iubilos ad sequentias,
quas Metenses vocat, Romanus vero Romanae nobis e contra et Amoenae
de suo iubilos modulaverat, quos quidem post Notker, quibus videinus
verbis ligabat; Frigdorae autem et Occidentanae quas sie noininabat
iubilos illis aniraatus etiam ipse de suo excogitavit. Demnach waren für
die iubili, d. h. für die langgezogenen Modulationen des AUeluia vor
Notker verschiedene, vielverschlungene und schwer zu merkende Melodien
vorhanden, von denen einige von 2 römischen Mönchen Petrus und
Romanus herstammen sollten. Notker, der jene langen Melodien kaum
im Gedächtniss festhalten konnte, sah sie einmal mit Worten unterlegt
ujid versuchte zuerst eine Modulation des ia mit Worten zu versehen,
dann ging er weiter. Er legte nicht nur vorhandenen Melodien Texte
unter, so denen des Petrus und Romanus, sondern ersann neue Modu-
lationen, welchen er selbst auch wieder Worte beifügte. Diese ganze
Procedur ist genau so, wie bei den griechischen Dichtern. Bald ersannen
sie neue Texte zu alten Melodien, bald neue Melodien und den Text
dazu. Dass Notker hiebei nur auf den Wortaccent achtete, dass die
Absätze genau in die gleichen Wortgrössen mit den gleichen Accenten
zerlegt wurden, das entspricht so genau der griechischen Art, dass es
jener nachgeahmt sein muss.
Schwierig ist die Frage über die Form der Sequenzen. Die erste
Frage ist, ob schon in den alten textlosen Modulationen des Alleluia
vor Notker alle einzelnen kleinen Sätze doppelt gesungen wurden. Das
ist wenig wahrscheinlich. War es wirklich nicht der Fall, dann stammt
diese auffallende und folgenreiche Aenderung von Notker, und es ent-
steht die andere Frage, warum er diese Neuerung vorgenommen habe.
Bartsch (S. 18) sucht den Ursprung dieser Wiederholung ilarinj dass die
Sequenzen von verschiedenen Chören vorgetragen wurden; allein das
würde weder für die ursprünglichen textlosen, noch für Notkers mit
Text unterlegte Alleluiamodulationen diese merkwürdige Einrichtung er-
klären. Möglich wäre auch hier griechischer Einfluss, auf welchen zu-
nächst der Name einer Melodie 'Graeca' sowie die Sitte deutet, dass der
Anfang der befolgten Melodie vorangesetzt wurde, wie bei den Griechen
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wi.s. XVII. Bd. U. Abth. 47
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362
mit 7i(j6i; ro. Hiebei dürfte man weniger an die Form der Kanones denken,
in welchen 8 — 9 Abtheilungen von je 3 — 4 gleichen Strophen waren,
sondern vielmehr an Hymnenstrophen, in denen sich viele Paare gleicher
Langzeilen finden, wie in dem oben behandelten, weit berühmten Tone
äyyekog nffoJTooTdrrji; von Z. 10 an nur solche Paare gleicher Langzeilen
vorkommen. Nicht befremden könnte, dass nur 1 Strophe dieser Art
gedichtet wurde, während die griechischen Gedichte bis auf 30 Strophen
steigen; denn von diesen sind in die Menaeen meistens auch nur das
Prooemium und die 1. Strophe aufgenommen. Doch wenn auch nicht
hierin, so zeigt sich der griechische Einfluss sicher darin, dass man es
wagte Gedichte zu schaffen, welche sich nicht in den wenigen damals
noch gebräuchlichen Zeilenformen der alten lateinischen Poesie bewegten
(vgl. meine Rythmen S. 72. 79. 106), sondern dem Tonfall frei aufge-
bauter Melodien sich anschlössen, und die Art und Weise, wie dies ge-
schah. Notker war hierin ziemlich streng; doch bald ward den Abend-
ländern die Genauigkeit lästig, welche die Griechen achtsamer festhielten.
In den spätem lateinischen Sequenzen ist nicht nur in den entsprechenden
Langzeilen die Gleichheit der Wortformen vernachlässigt, spndem oft
sogar die Gleichheit des Tonfalles im Innern und im Schluss der Zeile
und die Gleichheit der Silbenzahl. Diese Einführung der Sequenzenform
war von dem wichtigsten Einfluss auf die lateinische und so auch auf
die romanische und deutsche Dichtung des Mittelalters. Sie forderte zu
freiem Schaffen von Strophenarten heraus, und wie der von Notker ge-
legte Keim aufblühte, das zeigt die wunderbare Fülle von Formen, welche
die abendländischen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts schufen, in
welchen zum Theil die unmittelbare Nachbildung der Sequenzendichtung
zu Tage liegt.
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Der Ursprung
der rythmischen Dichtung der Lateiner und
der Griechen.
Der Ursprung der griechischen Hymnen-Strophen*
In den Handschriften wie in den Drucken wurden der Raumei^parniss
halber die griechischen Kirchengesänge fortlaufend geschrieben und die
Zeilenschlüsse durch Punkte markirt, wie Aehnliches noch in uasern
Gesangbüchern geschieht. Diese Punkte wurden dann oft vergessen oder
versetzt, und so kam es, dass das Bewusstsein, die Lieder seien aus
Strophen, die Strophen aus Zeilen mit bestimmtem Tonfall zusammen-
gesetzt, bei den Griechen mehr und mehr verschwand. Cardinal Pitra
hat in seiner Hymnographie de l'eglise Grecque (Rome 1867) S. 3 — 10
eine lange Reihe von Gelehrten aufgezählt, von denen keiner des Baues
der Strophen sich bewusst gewesen sei. Dann schildert er in dramatischer
Weise, wie er selbst in Moskau entdeckt habe, dass jene Gesänge aus
Strophen und die Strophen aus Zeilen von gleich viel Silben beständen,
und dass diese Zeilen durch Punkte in den Handschriften gekennzeichnet
seien. W. Christ hatte dann entdeckt, dass die entsprechenden Zeilen
nicht nur gleich viel Silben, sondern auch gleichen Tonfall haben (Autho-
logia Graeca carminum Christianorum Leipzig 1871 S. LXXVII— LXXX);
worauf Pitra erklärte (Analecta Sacra I, 1876, S. LH), dass auch er diese
Entdeckung selbständig gemacht habe. Ich bedauere, den Ruhm dieser
Entdeckungen schmälern zu müssen durch den Hinweis, dass man ehe
Neumechen noch in unserem Jahrhundert der Strophen, der Zeilen, der
gleichen Silbenzahl und des gleichen Tonfalles der Kurzzeilen sich be-
wusst waren. Das geht ganz klar hervor aus dem, was der hochgeachtete
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griechische Philologe Konstantin Oikonoinos in seinem Werke /Tfpt ti]<,
yyijaiag n()0(po()äi; Ttjg ^Eli.7]yixfjg yXioaaTjg (Petersburg 1830) S. 667 — 669
über die Strophen, deren Gliederung und Betonung sagt. Die Freude
über die vermeintliche Entdeckung hatte aber doch die besten Folgen.
Dieser ungebührlich vernachlässigte Theil der Literatur wurde wenigstens
von einigen Gelehrten genauer erforscht.
Den Ursprung der christlichen Strophenformen suchte Christ in
den lyrischen Strophen der alten quantitirenden Poesie; (vgl. S. 88 — 90.
95. 104). So sagt er S. 88 omnes lyricorum et scenicorum poetarum
versus byzantinis modis aptari posse confido. neque equidem dubito, quin
veterum cantilenarum uiodos, ut qui carminibus ipsis superstites esse
soleant, byzantini melodi imitati sint, et servatorum modorum luce
tenebrae veteris artis si minus discutiantur, at certe rarescant S. 95 — 97
führt er eine Reihe von Zeilen an, 'ut byzantinos melodos veterum
poetarum versus suo more imitatos esse demonstrarem.* Doch was die
byzantinischen Strophen mit den altgriechischen lyrischen gemeinsam
haben, das haben sie mit den ungleichzeiligen Strophen aller Sprachen
gemein: Hebungen, die bald durch 1, bald durch 2 Senkungen getrennt
sind. Dagegen haben sie Vieles mit jenen nicht gemein; sie haben
keine zusammenstossenden Hebungen, also keine Füsse wie ~ -^ , ^ -^ — ,
_'_ V. w ^ -i- w w -^ etc., keine aufgelösten Hebungen, keine zusammen-
gezogenen Senkungen. Dagegen findet sich von den charakteristischen
Eigenthümlichkeiten der byzantinischen Strophen, den Akrosticha, den
Refrains, dem hie und da vorkommenden Reime nichts in den alt-
griechischen. Desshalb ist dieser Ursprung schon an und für sich un-
wahrscheinUch.
Fitra hatte in seiner Hymnographie 1867 S. 33 bemerkt: Ne fau-
drait-il pas penetrer dans Phymnographie des Syriens, des Chaldeens, des
Armeniens, des Coptes, qui ont pu, si non preceder les melodes Byzantins,
du moins conserver plus fidelement les anciens chants de Teglise. Qui
sait si, parmi les debris des liturgies Nestoriennes et Jacobites, la science
ne . decouvrira pas des melodies primitives, enfouies sous l'epaisse couche
(i'heresies quinze fois seculaires? Saint Ephrem n'est sans doute pas le
seul ni le premier, qui se soit empare des hymnes de Bardesane et
d'Epiphane, pour leur opposer, sur le meme metre et le meme mode,
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365
ses poetiques apologies. II importerait enfin de se rendre compte de
rhymnographie biblique, des chants de l'antique Israel, auxquels nos
Premiers melodes auront fait plus d'un emprunt. N'est-ce point de lä
que viennent, non seulement les acrostiches, les stances alphabetiques,
les refrains, les alternances, les parallelismes, mais tous les secrets de
cette prosodie syllabique, dont nous avons parle? N'est-ce point lä notre
terrain primitif, dont les puissantes assises plongent des Macchabees aux
proph^tes, des prophetes k David, ä Moyse, aux patriarches? Et avant
les cantiques du Pentateuque, n'y avait-il pas dejä des psaumes et des
hymnes? La science nous dira-t-elle un jour nettement ce qu'il y a sous
les lettres gigantesques du mont Sinai et panni les Hieroglyphes de
l'Egypte? In den Analecta Sacra I, 1876, S. LIII zählt Pitra die von
ihm formulirten Gesetze des Strophenbaues auf und schliesst 'Quid si
cum nostris confertim ea omnia connecterentur, quae proxima et gemina
sunt in vicinis Orientalium linguis, in Syrorum, Chaldaeorum, Slavorum,
Hebraeorum fortasse et Armeniorum carminibus?* Wie wenig sicheren
Boden Pitra bei diesen weitausschauenden Vermuthungen unter sich fühlte,
zeigen andere Stellen, welche doch wieder die altgriechische Dichtung
hereinziehen: Anal. S. LXVII Hactenus selecta, hirmorum paradigraata:
nee mirarer, si eadem aut similia ab omni aevo circumsonarent inter
Syros, Chaldaeos, Armenios, Coptas, Nestorianos et Jacobitas, cum hirmus
sit omnium gentium haud cantu mutarum. Etiam floruisse apud veteres
Graecos et inter profana theatra palam erit, ubi de ephymnio dicemus.
S. LXXXI spricht Pitra von den Prooemienstrophen und, da er keinen
andern Ursprung dieser Sitte findet, erklärt 'neque id peritum fugerit
lectorem, stare nos in vetustissimo hellenicarum Musarum exordio, cum
primi omnium aoidoL solemnem hunc morem habuerint praeludendi . .
Nee mirum, si tot saecula iungamus. priscis enim Christianorum aoedis
haud ingratum neque insuetum fuit, vetustissimas veterum melodias suos
in usus pios parce detorquere. Also haben wir die Wahl, wir können
die byzantinischen Strophen von den verschiedensten orientalischen Völkern
oder von den alten Hebräern, aber auch von den alten Griechen, endlich
auch aus der Natur alles Gesanges ableiten. Solche weitbauchischen Ge-
danken haben selten Kraft und Wirkung. Hier aber fügte es der Zufall.
B i c k e 1 1 , der gründliche Kenner der altsyrischen Poesie und durch
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die Ausgabe des Carmina Nisibena des Ephrem mit den Formen dieser
syrischen Hymnen genau vertraut, untersuchte, durch Pitra's Publikationen
angeregt, die griechischen Hymnen und erkannte die Verwandtschaft der-
selben mit den syrischen; vgl. auch Gerbert de cantu et musica sacra
I, 200. Diese Entdeckung schrieb er Pitra zu; z. B. in den Regulas
metrices Biblicae Innsbruck 1879 S. 3: rectam viam iam a. 1868 Pitra
in libro 'Hymnographie' demonstraverat. Dum enim odas Graecorum
ecclesiasticas metris constare et a madraschis Syrorum derivatas esse
probabat, has ipsas e sacra Hebraeorum poesi ortum habere coniectavit.
Bickell war es hauptsächlich um ein anderes Ziel, die Erforschung d^r
hebräischen Metra, zu thun; desshalb gab er sich keine Mühe, den Zu-
sammenhang der syrischen und griechischen Hymnenstrophen genauer
darzulegen. Seine Ansichten über den Bau der syrischen Strophen des
Ephrem sind besonders dargelegt in Ephrem, carmina Nisibena, 1866
S. 32 und 39, Regulae metr. bibl. 1879 S. 73 und in der Zeitschrift der
deutschen morgenl. Gesellschaft 35, 1881, S. 416. 418. 419.^) In Wahr-
heit kann, wer die Hymnenstrophen des Ephrem mit den byzantinischen
vergleicht, an der engen Verwandtschaft nicht zweifeln. Natürlich haben
die syrischen, als die älteren, einfacheren Bau. So finden sich z. B. nach
Bickells Untersuchungen in den Carmina Nisibena meistens gleichzeilige
Gruppen, (so Gruppen zu 5 Mal 5 Silben, 6 X 5, 4 X 6, 5 X 7, 6 X 7,
7x7, 8x7 und 10 X 7); dann einfach zusammengesetzte Strophen
7 , 4. 7 . 4; 6 Mal 5 + 7 + 5 Mal 5; endlich künstlichere wie
567 44445; 44449 77774 7710; 7778 7774 77778; 6446444444
558. Im 1» Bande der von Lamy edirten Hymnen und Sermonen des
Ephrem finden sich unter anderen Strophen 87748817. 8889555569.
87748877 6 Mal 5 + 10 + 888. Vor dem Gesang ist der Ton, nach
welchem er geht, angegeben, wie bei den Griechen mit 7i(fog xo. Alle
Strophen haben den gleichen Refrain. Die Initien der Strophen bilden
das Alphabet, häufig auch den Namen des Dichters, selten andere Worte,
U Den Grund eu diesen Forschungen hat Aug. Hahn gelegt; vgl. Bardesanes Syrorum
prinuia hymnologua 1^19 (S. 46); Kirchenhistorisches Archiv 1823 Heft HI S. 52—106; weiter ge-
führt hat aie besonders Pius Zingerle, 'Ueber das gemiachte Metrum in syrischen Gedichten",
Zeiti^ebr. f. Kuntle den Morgenlandes VIT, l — 24. 185 — 196 und Zeitschr. d. d. morgenl. Ge^ell-
fichaft X, llü— 12Ö.
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wie 'Unsere Stimme seufzt o Nisibener ; vgl. Geiger in der Zeitschrift
d. d. morgenl. Ges. 21, 1867, S. 469 u. Bickell ebenda 26, 1872, S. 810.
Regelmäfisiger Reim kommt bei den Syrern erst nach dem Jahr 1000
vor und ist dann aus dem Arabischen eingeführt; aber der oben in den
griechischen Hymnen nachgewiesene rhetorische Reim findet sich schon
in den syrischen; vgl. Pius Zingerle in Zeitschr. d. d. niorgenl Ges. X,
112 u. 115. Der Inhalt berührt sich oft nahe. Pitra kann das drama-
tische Leben in den byzantinischen Gesängen nicht stark genug hervor-
heben und findet hier den Ursprung der mittelalterlichen geistlichen
Spiele. Nun, dann muss er bis auf die Syrer zurückgehen. Schon Aug,
Hahn hat (im kirchenhistorischen Archiv 1823, 3. Heft S. 71) in den
Hymnen Ephrems '2 Arten Wechselgesänge unterschieden, eigentlich so
genannte, dem Carmen amoebaeum der Griechen und Römer verwandt,
wo wie im Drama verschiedene Personen sich aussprechen^ und andere,
die im weiteren Sinne zu den Wechselgesängen gezählt werden können/
Im Hymnus (No. 31) auf den Tod einer Hausmutter, den Aug, Hahn
und dann Zingerle (Ausgewählte Schriften des Ephrem 4. Bd. S, 61)
übersetzt haben, werden redend eingeführt: zuerst wohl ein Klageweib,
<las über die Leiden des Todes und die Krankheit der Verstorbenen
klagt, dann die Todte mit ihrer Rede vor dem Sterben, dann die Kinder,
endlich die Verstorbene aus dem (^irabe; mit einem Gesänge der ganzen
Versammlung schliesst das Gedicht. Nach diesen Merkmalen ist un-
zweifelhaft, dass die griechischen Hymnenstrophen der syrischen Literatur
oder besser den Dichtungen des Ephrem nachgebildet sind,
Dass die syrische Poesie ohne Ausnahme nicht nach der Quantität
gebaut ist, also nach dem Wortaccent gesprochen wurde, das ist sicher.
Wichtig wäre es nun, den Tonfall der Zeilen zu kennen, z. B, ob in den
Zeilen bestimmte Füsse beobachtet wurden, oder ob wenigstens im Schlüsse
ein scharfer Unterschied zwischen jambischem und trochäischem Tonfall
festgehalten sei, endlich ob vielleicht in den sehr zahlreichen gleich-
zeiligen Gedichten mehr Freiheit, in den Ungleichzeil igen Strophen mehr
Strenge des Tonfalls herrschte. Syrische Handschriften mit muöikaliftchen
Noten sind bis jetzt keine gefunden, und es ist auch nicht zu hoffen,
dass noch welche gefunden werden. Somit sind wir nur auf die Aus-
sprache angewiesen. Von einem der besten Kenner erhielt ich nun die
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Gl
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Autwort, wir wüssten nicht, wie die damaligen Syrer ihre Wörter betont
hätten. Bickell hat auch in seinen Carolina Nisibena noch nichts vom Ton-
fall gesprochen.*) Dagegen hat Bickell in seinen neueren Schriften über
die hebräische Metrik des alten Testaments öfter von der syrischen /wie
hebräischen) Poesie behauptet, dass stets eine betonte Silbe mit einer
unbetonten wechsle, dass es also bei den Syrern nur Jamben und Trochäen,
nicht wie bei den Griechen auch Anapäste und Daktylen gebe (Regulae
1879 p. 4. Suppl. p. 73; Zeitschr. d. d. morgenl. Ges. 35, 1881, S. 416.
418. 419). Der Weg, auf welchem Bickell zu diesem Resultat gekommen,
ist bedenklich; das Resultat selbst ist noch bedenklicher. Die syrische
Sprache hat viele Hilfsvokale, die bald Silbe bilden können, bald nicht;
diese bereiten bei der Bestimmung der Silbenzahl der Zeilen grosse Un-
sicherheit (Carm. Nisib. S. 33). Die Halbvokale seien zuweilen ausnahms-
weise silbenbildende ; er nimmt nun dasjenige Schema, bei welchem diese
ausnahmsweise silbenbildenden Halbvokale in die unbetonte Silbe rücken.
So seien die letzten Silben in der Regel unbetont, nur in der Verbindung
von 7 + 4 Silben überwiege das Stück zu 7 Silben w — « _^ ^ — ^ , so
dass auch das Stück zu 4 Silben jambischen Tonfall ^ __ w _ erhalte. Noch
bedenlicher als dieser Weg ist das Resultat. Ich will nicht besonders
betonen die schreckliche Einförmigkeit eines Gedichtes, in deni betonte
und unbetonte Silben stets im gleichen Takte wechseln, eine Einförmig-
keit, welche, wie später zu bemerken ist, in gleichzeiligen Gedichten der
1) Auch Zingerle, Zeitschr. d. d. morgenl. Gea. X S. 111, sagt 'über den Ton im Syrischen.
80 viel ich wenigstens weiss, gibt es keine sichern Regeln*. In einer Note hiezu bemerkt Fleischer
unter Anderem 'mit der höchst geringen Anzahl wirklicher Kürzen war es den syrischen Dichtem
unmöglich, einen prosodischen Rythmus, einen trochäischen, jambischen, oder gaV daktylischen
und anapästischen Silbentanz durchzuführen*. So herrsche hier Eintönigkeit und Schwerfälligkeit
steter Spondeen, blosses Zählen gleichwiegender Silben und OonsonantenüberhäufHmg ; der Rythmus
syrischer Verse beruhe ausschliesslich auf zweizeitiger an- und absteigender Silbenbetonung '_
und j, ; die absolute oder relative Silbenquantität und der gewöhnliche Wortaccent kämen
dabei ebenso wenig in Betracht, wie z. B. in französischen Versen. Es ist nicht klar, wesshalb
Fleischer im Syrischen einen solchen Mangel an Kürzen annimmt. Wenn die syrische Sprache
zu den musikalischen gehört, so können die Stammsilben den Ton verlieren, wie im Lateinischen
pello, pepuli, pellebam. Aber auch von der Quantität hängt, wie das Lateinische und noch mehr
das Griechische zeigt, der Wortaccent nur zum geringen Theile ab, dagegen zum grössten Theile
von Regeln, deren Grund uns z. B. im Griechischen nur wenig klar ist. Wenn wir nicht aus den
Accenten wüssten, wie das Altgriechische, oder aus der festen Tradition, wie das Lateinische be-
tont war, vermittelst der Theorie könnten wir es nicht erkennen.
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i
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muBikalischen Sprachen unausstehlich wäre; solche Dinge sind zuletzt
Sachen des Geschmackes und da lässt sich stets streiten. Allein Biekell
nimmt ja selbst an, dass die griechischen Strophenarten aus den syrischen
stammen. Nun sind aber doch nicht die nach Silben gezählten Scheinate
z. B. 7-4~5 + 3-|-4 + 6 Silben von den syrischen Dichtern den
griechischen etwa schriftlich gegeben worden, sondern die Melodien.
Wenn wir also in den Hymnen der Griechen keine einzige Strophe
finden, in welcher nur Senkungen von einer Silbe angewendet wären,
so ist es selbstverständlich, dass solche auch bei den Syrern sich nicht
fanden. Man denke sich endlich eine reich entwickelte, nur für den
Gesang bestimmte Poesie in ziemlich frei gebildeten Strophen, deren
Melodien die Hebräer und das syrische Volk lange bezaubert haben
sollen , die aber nur in dem steifen Tonfall (^)^w — o — ^^u sicli
bewegt und nie Senkungen von 2 unbetonten Silben gehabt haben soll.
Desshalb scheint Bickells Lehre über den Tonfall in den syrischen und,
um das vorweg zu sagen, in den hebräischen Versen vom historischen
und sachlichen Standpunkt aus höchst unwahrscheinlich. Die Sache selbst
aber scheint wichtig und von Seite der Kenner des Syrischen und Hebräi-
schen ernster Untersuchung würdig. Vielleicht könnte bei diesen Unter-
suchungen die syrische Handschrift des Vatican (No. 105) wesentliche
Dienste leisten; sie enthält Uebersetzungen von jambischen, hexametri-
schen, epigrammatischen, auch anakreontischen Gedichten des Gregor von
Nazianz, welche jedenfalls für den Text dieser Gedichte wichtig sind,
aber auch rasch Aufschluss geben könnten, wie sich die alten Syrer zu
der wechselnden Silbenzahl der daktylischen Verse und mancher Trimeter
stellten, welche dann durch Vergleichung über die Stellung oft wieder-
holter Wörter vielleicht auch die Frage über die Betonung dieser Wörter
und über Beachtung oder Nichtbeachtung bestimmter Füsse in den gleich-
zeiligen Gedichten der Beantwortung näher bringen könnten.
Der Ursprung der lateinischen und griechischen Rythmik
aus der semitischen.
Das syrische Vorbild der griechischen Hymnenstrophen kann nur
Ephrem gegeben haben. Allein die überraschende Erscheinung, welche
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 48
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diese Hymnen plötzlich im 6. Jahrhundert bieten, — ein völlig neuer,
kühner und doch feiner Versbau, in dem von dem antiken keine Spur
zu sehen ist, — kann nur allmählich sich ausgebildet haben. In der That
reichen die Anfänge der lateinischen und griechischen Rythmik in die
Zeiten vor Ephrem hinauf. Ueberblicken wir noch einmal die Haupt-
merkmale der rythmischen Gedichte vor Ephrem und aus der ihm nahe-
liegenden Zeit. Die Quantität ist bei Commodian und Methodius stark,
bei Gregor und Augustin gänzlich missachtet, eine Thatsache, die gerade
bei so gebildeten Männern doppelt unbegreiflich ist und natürlich nicht
in der Ungeschicklichkeit derselben, sondern nur in einer bestimmten
Absicht ihren Grund haben kann. Diese Verse können natürlich nicht
mehr nach der Quantität, sondern nur nach dem Wortaccent gesprochen
werden; aber dennoch ist nicht der Wortaccent an die Stelle der Vers-
accente getreten; im Gegentheil, bei Commodian und Methodius wird
der Wortaccent gänzlich missachtet, bei Gregor und Augustin nur in
den 2 letzten Silben beachtet. Dagegen wird die Silbenzahl der Zeilen
berechnet und mit einigen Schwankungen eine bestimmte Zahl festgehalten.
Das kann nicht aus der quantitirenden Poesie stammen. Dann finden
sich Akrosticha bei Commodian in überwältigender Fülle und Ahcdarien
bei Methodius und Augustin; die 1000 Hexameter in Commodians apo-
logetischer Schrift gruppiren sich paarweise, ähnlich die Langzeilen Gre-
gors; in grössere Gruppen treten die Zeilen des Methodius und Augustin
zusammen; endlich tritt bei Commodian und Augustin der Reim auf.
Akrosticha finden sich schon früher in der quantitirenden Poesie.
So sagt Cicero (de Divin. II, 54, 111) von einem Gedichte der Sibylla
'Non esse Carmen furentis declarat . . ea, quae dxifoarixis dicitur, cum
deinceps ex primis primi cuiusqtie versus*) literis aliquid conectitur, ut
in quibusdam Ennianis Q. ENNIUS FECIT. Die Worte schon zeigen,
dass die Fälle selten waren ^j, und wie sie hier in Dichtungen vorkamen.
1) Da die Akrosticha hier durch die ersten Buchstaben der sich folgenden Zeilen gebildet
werden und die guten Handschriften ex primi versus literis haben, so ist wohl die alte Aenderung
'ex primis versuum literis' richtig: vgl. Dümmler Poet. lat. medii aevi I p. 118: tu vero meum . .
nomen . . in versuum primis litteris lege.
2) Aurelius Opilius, etwa 100 vor Christus, nannte sich nach Sueton (grammat. 6) in para-
stichide libelli, qui inscribitur Pinax.
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in denen Nachahmung fremdländischer Art sehr erklärlich ist. so kommen
sie dann im 1. Jahrhundert nach Christus vor, wo solche Einflüsse leicht
möglich waren. So beginnt das in Jamben geschriebene geographische
Gedicht mit dem Akrostichon Jiovvaiov rov yMlXitpiovrog, das in Hexa-
metern geschriebene hat von Vers 109 an das Akrostichon «,a/y Jiopvoiov
ro)v eyrog 4>a(fov und von 513 an &€og e()UT]g em a^(fiayov. Eine Reihe
von Argumenta des Plautus geben im Akrostich den Namen des behan-
delten Stückes, die Ilias Latina beginnt mit dem Akrostichon Italiens
und schliesst mit Scripsit. Doch gegenüber diesen wenigen Beispielen
aus einer Zeit, die Künsteleien hold war, ist die Ueberfülle bei Com-
modian räthselhaft; Abcdarien sind in der früheren quantitirenden Poesie
noch keine nachgewiesen; ebenso wenig die paarweise Gliederung der
Hexameter oder ähnlicher Zeilenarten; unerhört ist der Bau der Zeilen
und Strophen bei Methodius. Der Reim endlich, welcher bei Commodian
und Augustin auftritt, ist ohne Beispiel in der quantitirenden Poesie.
Die beiden gangbaren Ansichten über den Ursprung der rythmischen
Dichtung der Lateiner oder der Griechen sind unhaltbar. Wenn in den
ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit allmählich die Aussprache so ver-
darb, dass die Quantität der Silben nicht mehr beachtet wurde und der
Accent allein regierte, so mussten die Wortaccente die Stelle der Vers-
accente einnehmen; allein das ist in keiner Hinsicht geschehen; dabei
blieben noch die andern neuen Eigenthümlichkeiten der rythmischen
Dichtungen unerklärt. Die andere Ansicht hat man nicht einmal mit
aller Entschiedenheit durchgeführt, dass nemlich die rythmische Poesie
mit den dargelegten Merkmalen seit Urzeiten existirt habe und aus der
Verborgenheit, in welche sie bei den Lateinern durch die herrschende
Poesie, eine Nachahmung der griechischen, gedrängt war, in der Kaiser-
zeit von den Christen wieder hervorgeholt worden sei. [Ich habe schon
öfter darauf hingewiesen, wie unmöglich es sei, dass von einer solchen
Volkspoesie so gar keine Spur erhalten sei, dass selbst bei Aristophanes
und bei Plautus, der doch sogar punisch sprechen lässt, nie darauf
angespielt werde. Aber abgesehen von diesen Unmöglichkeiten, wie wäre
es zu erklären, dass diese Formen zuletzt nicht einfach hervortraten?
woher diese unbeholfenen Versuche auf einem unbekannten Boden, welche
Commodian und Methodius zeigen? Endlich wie ging es zu, dass die
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unbeholfenen Anfönge der Rythraik sich bei den Griechen und Lateinern
fast zu gleicher Zeit regten? Die Verse, welche Commodian machte,
waren den Griechen kaum bekannt, und selbst wenn, so dachte Nie-
mand daran, sie nachzuahmen. Ebenso wenig konnte der Zeilenbau des
Methodius oder des Gregor je einem Lateiner den Gedanken einer Nach-
ahmung erregen. So lange wir also einheimischen Ursprung der
lateinischen und griechischen Rythmik annehmen, kommen wir nicht
heraus aus Räthseln, Widersprüchen und Unmöglichkeiten.
Die rythmische Dichtung der Lateiner und der Griechen ist nicht
im eigenen Lande von selbst entstanden, sondern der Dichtweise eines
fremden Volkes nachgeahmt. Der Weg, auf welchem die Strophenformen
der griechischen Hymnen eingewandert sind, ist nicht erst in dieser ver-
hältnissmässig späten Zeit eröffnet worden. Die patristischen Studien lehren
ja jeden Tag mehr, in welch inniger Verbindung die frühe christliche
Literatur der verschiedenen Völker stand, und wie das Christenthum die
Schranken der Nationen und der verschiedenen Sprachen fast nieder-
gerissen hatte. Von den semitischen Christen, welche der Quelle
des Christenthumes näher standen als die Griechen und Lateiner, ist
mit dem Christenthum die rythmische Dichtungsform zu
den lateinischen und griechischen Christen gewandert.
Das wäre Jedem leicht glaublich, weim gewiss wäre, dass die poe-
tischen Stellen des hebräischen alten Testamentes in bestimmten, ver-
wandten Dichtungsformen geschrieben waren, und dass diese Dichtungs-
formen in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit noch bekannt waren.
Leider herrscht hierüber unter den Kennern gerade jetzt heftiger Streit»
Durch das Alphabet gebildete Akrosticha sind in der hebräischen Poesie
sicher. Durch den ganzen Inhalt der Psalmen, wie durch manche An-
gaben in denselben und noch mehr durch die oft vorgesetzten Angaben
über die umsikalische Begleitung und über den Ton, nach welchem dieser
oder jener Psalm gehe, fühlte man sich auch stets gedrängt, bestimmte
Formen in demselben zu finden. Am ehesten sind natürlich Strophen
zu erwarten. Nach Anderen hatte Merx (Hiob 1871 S. LXXV. bes.
LXXXIII— LXXXVIII, dann im Liter. Centralblatt 1876 S. 1050 u. 1051)
hierüber geurtheilt: 'Lyrik als gesungen bedarf der Strophe . . . Hiernach
wäre für die lyrische Poesie die Form die der Strophe, bestehend aus
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Stichen mit bestimmter imierhalb elastischer Grenzen veränderlicher Silben-
zahl/ Die Forschmigen, welche durch Merx angeregt Bickell führte, fasst
er so zusammen: 'Die hebräische Metrik beruht auf denselben Grundlagen
wie die syrische und die aus dieser entstandene christlich - griechische :
nemlich auf Silbenzählung, Nichtberücksichtigung der Quantität, regel-
mässigem Wechsel betonter Silben mit unbetonten, Identität des metrischen
und grammatischen Accentes, Zusammenfallen der Verszeilen (Stichen) mit
den Sinnesabschnitten und Vereinigung gleichartiger oder ungleichartiger
Stichen zu regelmässig wiederkehrenden Strophen . . . Normalstrophe in
der üeberschrift, Refrain, alphabetische u. s. f/ Er scheidet 1 ) Gedichte
ohne Strophenbau aus gleichen Zeilen (zu 5. 6. 7. 8. 12 Silben) bestehend,
2) Gedichte in bestimmten Gruppen von 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 10 gleichen
Zeilen (zu 5. 6. 7. 8. 12 Silben), 3) (ziemlich wenige) Gedichte aus un-
gleichen Zeilen zusammengesetzt, oft aus den Zeilen zu 7. 5. 7. 5 oder
7. 4. 7. 4 Silben, selten aus andern. Diese Ansichten hat Bickell in
vielen Abhandlungen, Ausgaben und Uebersetzungen der poetischen Stücke
des alten Testaments dargelegt. Von den andern Gelehrten, welche
Strophenbau annehmen, weicht Bickell besonders in 2 Punkten ab.
Erstens behauptet er auch für die hebräische Poesie, dass stets eine
unbetonte Silbe mit einer betonten abgewechselt habe, will also ebenfalls
diese Gesänge, die mit grosser musikalischer Begleitung vorgetragen
wurden, in denselben einförmigen Tonfall zwängen, wie die syrischen;
vgl. oben S. 368. Unnatürlich ist das bei den Hebräern ebenso sehr,
als bei den Syrern; ob es mit dem Sprachaccent sich vereinigen lässt,
haben die Sprachkenner zu entscheiden.
Zum andern verlangt Bickell für die sich entsprechenden Zeilen
völlig gleiche Silbenzahl, und gestattet nicht wie Merx Schwankungen
um 1 oder 2 Silben in der Zeile. Die Entscheidung, wie viel Silben
eigentlich in der Zeile stehen, ist im Hebräischen wie im Syrischen
gleich schwierig wegen der Halb- und Hilfsvokale, die bald Silben bilden
bald nicht. Es ist wahr, eine hoch ausgebildete Dichtkunst, wie die der
griechischen Hymnen, wird völlige Gleichheit der Silbenzahl erstreben;
aber unbedingt noth wendig ist sie nicht; jeder Sänger der kungtreiehsten
Opernarien kann 1 oder 2 Silben leicht zusetzen oder weglaasen; aucli
in den Zeilen der silbenzählenden Romanen wird, wie unten bemerkt
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374
durch Kunstmittel die Silbenzahl variirt und in unsern deutschen Liedern
steht oft in der einen Strophe eine Senkung von 2 Silben, wo in der
Senkung der andern Strophe nur 1 Silbe stehtJ) Es wäre das im
Hebräischen um so eher möglich, weil die von Bickell selbst angenom-
menen Strophenformen sehr einfach sind und fast alle aus gleichen Zeilen
bestehen. Den Hauptanstoss aber erregte Bickells Strophenherstellung
hauptsächlich desshalb, weil er dieser völligen Gleichheit der Silbenzahl zu
Liebe ziemlich viele Aenderungen vornahm. Diese Fragen zu erledigen,
ist natürlich Sache der Kenner des Syrischen und Hebräischen; am meisten
zu wünschen wäre, dass die Frage über die Betonung besonders der
Schlüsse bereinigt würde. Im Allgemeinen scheint die Annahme von be-
stimmten Zeilen und häufiger strophischer Gruppirung derselben sehr
wahrscheinlich. Ist sie richtig, dann müsste sie, wie die enge Verwandt-
schaft der syrischen Dichtungsformen bewiese, in den ersten Jahrhunderten
des Christenthums bekannt gewesen sein; dann aber wäre es bei der
Autorität der viel gesungenen Psalmen sehr begreiflich, dass die Christen
Versuche machten, jenes fremdartige Dichtungsprinzip nachzuahmen. Dass
den Juden das Bewusstsein der poetischen Formen ihrer alten Poesie
später abhanden kam, wäre nicht auffallend;^ ist es ja doch den Neu-
griechen fast geradeso gegangen; und die hebräische Poesie der spätem
Zeiten hat sich so sehr den poetischen Formen der betreffenden Zeiten
und Gegenden angeschmiegt, dass sie mehr als jede andere Poesie, sogar
mehr als unsere neuere deutsche, eine bunte Musterkarte der verschie-
densten poetischen Formen bietet.
Ueber die religiösen Dichtungen der semitischen Christen aus
früher Zeit haben wir nur wenig Nachrichten. Von Wichtigkeit ist
jedenfalls, was in Philo's Buch De vita contemplativa vorkommt. Darin
wird das Leben einer asketischen Sekte, der Therapeuten^ geschildert.
Nach der Auffassung des Eusebius hat Philo unter diesem Namen Christen
1) Auftauend ist die Thatsache, dass in den frühesten lateinischen und griechischen Rythmen
(bei Commodian,) Gregor, Augustin und dem oben S. 346 erwähnten Gedichte bei Pitra Anal. T
S. 482) die Silbenzahl der Zeilen ebenfalls um 1—2 Silben schwankt. Es hängt das wahrschein-
lich zusammen mit der stark variirenden Silbenzahl der quantitirenden Zeilen, allein es könnte
auch mit Freiheiten der nachgeahmten semitischen Poesie zusammenhängen. Auch in den lateini-
schen Sequenzen ist nicht selten die (regelmässige) Gleichheit der Silbenzahl vernachlässigt.
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375
der frühesten Zeit geschildert; dagegen Lucius (die Therapeuten, Strass-
burg 1880) erklärt die Schrift 'als eine etwa am Ende des dritten Jahr-
hunderts unter dem Namen Philo's zu Gunsten der christlichen Askese
verfasste Apologie/ Ein wenig Romantik ist jedenfalls dabei. Dennoch
müssen in der folgenden Schilderung zum grossen Theii Zustände dar-
gestellt sein, welche vor Eusebius wirklich vorhanden waren. In der
Versammlung o äyaozäg vfivov adn 7i€7ion]/x€yoy elg tov d-coy, ^ xaivoy
avTos 7i€7ioirix(og fj olqxolIov riva ruir naXai noitiraiy' uhga yag xal fiekrj
xaTaXeh)L7iaoi nokka indiy TQijuhQWv^ 7iQoaodiü}y, vfiywyj naifaanoydnwv,
na(faßü)fiiwyy araaifiwv, /opiPfciJi' ar(fO(palg nokvarQotpoig ev ^iaiLtefieTQrj-
fiiyojy. /nsd^ ov xal oi äkkoi xaxä xa^ng iv xoofiip TiQOorjxoyTi, nayuov
xara nükkijr ijat;//«^ axf}oo}fiiv(x}y, nktjy onore xä axQoxekevria xal icpvjbtvia
(fSeiv (fior xuxe ya(f i^rixovai navxBg xe xal näoai.
Besonders bei den Gnostikern scheint die geistliche Dichtung ge-
blüht zu haben; vgl. darüber Gerbert, de cantu et musica sacra I 68;
dann Pitra Hymnographie S. 40 und Christ Anthol S. XXL Die glän-
zendste Gestalt war Bardesanes, der etwa von 150 — 220 n. Christus
lebte; (vgl. Macke in der theol. Quartalschrift 56, 1874, S. 36—40 und
Aug. Hahn, Bardesanes Gnosticus Syrorum primus hymnologus 1819 und
Ueber den Gesang in der syrischen Kirche im Kirchenhist. Archiv 1823,
3. Heft). Von ihm singt Ephrem selbst 'Er dichtete Lieder und band
sie an Töne, Er fertigte Psalmen und führte ein Maasse; Nach Längen
und Schweren vertheilt er die Worte, Und brachte bei den Einfältigen
das Gift mit der Süssigkeit, Kranken, die nach Speise nicht begehrten,
die gesund ist. David wählt er sich zum Vorbild, durch seine Schönheit
sich zu schmücken, durch sein Bild sich zu empfehlen. Hundert und
fünfzig dichtete auch er Psalmen; Seine (Davids) Wahrheit hat er ver-
lassen, Brüder, und nachgeahmt seine Zahl.* Freilich ist noch nicht
klar gestellt, was eigentlich Bardesanes erfunden oder geneuert hat; auch
Bickell scheint die Erörterung dieser für ihn wichtigen Sache unterlassen
zu haben. Hahn und Andere lassen von Bardesanes und seinen Nach-
folgern die poetischen Formen förmlich ab ovo erfunden werden. Doch
soll denn das syrische Volk in seinen früheren glänzenden Zeiten der
eigenen Dichtung entbehrt haben? Und wie kann dann die Ansicht, dass
die Dichtungsformen der Syrer von den Hebräern stammen, an dem Eck-
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876
stein des Bardesanes vorbeikommen? Doch wie dem auch sei, so viel
ist sicher, dass die Dichtungen und Melodien des Bardesanes starken
Eindruck gemacht haben. Ephrem selbst ahmte noch Weisen des Barde-
sanes nach (wie eine Beischrift besagt finiti sunt septendecim hymni ad
modos Canticorum Bardesanis, Hahn Bard. p. 33). Ja, obwohl fast 150
Jahre verflossen waren, so waren es doch die Dichtungen des Barde-
sanes, welche die Dichtungen des Ephrem hervorriefen, und von ihnen
bekämpft wurden. Der Biograph des Ephrem berichtet (bei Hahn
k. Archiv S. 63) 'Der Streiter Christi waffnete sich und kündigte der
Schaar der Gegner Krieg an, vornehmlich der Gottlosigkeit des Barde-
sanes und seiner Schüler. Und als der fromme Ephrem sah, dass alle
Menschen zum Gesang hingerissen wurden, da erhob sich der fromme
Mann gegen die Spiele und Tänze der jungen Leute, führte herbei und
sammelte Töchter des Bundes (d. h. heilige Jungfrauen, die das Gelübde
der Keuschheit abgelegt hatten) und lehrte sie Lieder, sowohl Stufen als
Wechselgesänge und verfasste diese Lieder in Worten hohen Sinnes und
geistlicher Weisheit auf die Geburt und Taufe und Feste und das ganze
(Erlösungs-) Werk Christi, das Leiden, die Auferstehung und Himmel-
fahrt; und auf die Märtyrer, die Busse und die Hingeschiedenen hat er
ebenfalls Lieder gefertigt. Und jedes Mal versammelten sich die Töchter
des Bundes in den Kirchen an den Festen des Herrn und jedem Sonn-
tage und den Märtyrerfesten ; und er, wie ein Vater, stand in ihrer Mitte
als Lehrer des geistlichen Citherspiels und ordnete ihnen die verschie-
denen Gesänge und zeigte und lehrte ihnen den Wechsel der Gesänge,
bis dass sich zu ihm versammelte die ganze Stadt und sich schämte und
zerstreute der Haufe der Gegner. Wer möchte nicht erstaunen, wenn er
diesen Streiter Christi sieht in der Mitte der Chöre der Töchter des
Bundes, welche erhabene und entzückende geistliche Lieder aller Gatt-
ungen singen. Und Gott hat versenkt das ganze Land Syrien in Ephrems
göttliche Lehren.* Wie verbreitet der Ruhm des Ephrem selbst war,
zeigt sich darin, dass seine Schriften uns ebenso gut griechisch wie
syrisch erhalten sind, und dass seine Dichtungen noch heute die syrische
Kirche beherrschen. Die kirchliche Dichtung und der Kirchengesang
war in dem religiösen Leben und der religiösen Literatur eine solche
Nebensache, dass wir nur wenige Nachrichten darüber haben. Diese
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377
Bruchstücke können uns aber doch einen Begriff von dem Ganzen
geben.
Als ich erkannt hatte, wie ähnlich die ältesten Rythraen der Lateiner
und der Griechen einander in vielen innem und äussern Stücken seien, wie
aber dennoch weder gleichzeitiger einheimischer Ursprung noch üebergang
der rythmischen Dichtung von den Lateinern zu den Griechen oder um-
gekehrt angenommen werden könne, war ich lange in peinlicher Unruhe ;
endlich bekam ich Licht, als ich dieselben Formen in den Dichtungen
der semitischen Christen aus frühester Zeit wieder fand und mir ver-
gegenwärtigte, wie lebhaft in den ersten Zeiten der geistige Austausch
der Christen der verschiedenen Nationen war, und immer fester wurde die
Ueberzeugung, dass weder die lateinische noch die griechische Rythmik
ein einheimisches Gewächs sei, sondern dass das Grundprinzip der ryth-
mischen Dichtung nebst manchen auffallenden Aeusserlichkeiten mit dem
Christenthum von den Semiten zu den Lateinern einerseits und zu den
Griechen anderseits übergangen sei. Durch jenes semitische Vorbild wurden
diese Völker angeregt, die Quantität der Silben nicht mehr zu beachten,
woraus die Aussprache nach dem Wortaccent sich von selbst ergab, da-
gegen auf die Silbenzahl zu achten, die Zeilen in Gruppen oder Strophen
zu schliessen, die Gruppen oder Strophen durch Akrosticha oder Reim
zu binden. Diese Elemente finden wir fast alle schon bei den Syrern.
Nur der Reim macht einige Schwierigkeiten. In der lateinischen
imd griechischen Literatur liegen folgende Anfänge vor: bei Commodian
und bei ÄugiAstin enden Reihen von 13, 26 und 267 Zeilen mit dem
nemlichen Vokal. Dann zeigte sich bei den Sammlungen, welche Wölfflin
im Archiv für lateinische Lexikographie I S. 359 — 389 verwerthet hat,
dass von allen andern lateinischen Schriftstellern diejenigen geschieden
werden müssen, welche aus semitischen Ländern stammten, insbesondere
aber diejenigen, welche für das Christenthum schrieben. Bei diesen
findet sich schon in früher Zeit der Anfang der Reimprosa, welche dann,
gepflegt bei den Spaniern und Iren, zuletzt im lateinischen Mittelalter
fast ebenso grosse Ausbreitung fand als bei den Arabern; (vgl. meine
Rythmen S. 64).
Es ist nun die Frage, ob diese Anfänge des Reimes bei den Lateinern
selbst entstanden sein können, ob man also, wenn es gilt den Ursprung
Abh. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. ü. Abth. 49
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des mittelalterlichen Reimes nachzuweisen, vielleicht 'mit dem Lateinischen
allein auskommen kann*, wie Wölflflin für möglich hielt, oder ob man den
auswärtigen und zwar semitischen Einfluss annehmen muss, auf welchen
ich Wölfflin hingewiesen hatte. Für diese Frage ist ein Blick auf die
griechische Literatur entscheidend. In mehreren der alten Hymnen des
Romanos sehen wir (oben S. 356) den Reim alle Glieder der Zeile in
solcher Fülle durchdringen, dass dadurch allein schon die Kenntniss dieses
poetischen Kunstmittels bewiesen ist. Allein der Reim war den Griechen
schon viel früher bekannt. Im Epilog des Briefes ad Diognetum, welcher
von den Theologen später als der Brief selbst, nemlich in das 3. Jahr-
hundert, gesetzt wird, finden sich neben andern folgende Sätze:
77ap6/ot;aa yovv tpave^fovaa uvarri{}ia. (fiayyekkovaa xaiQOvg. j^alQOvan
im niOToig,
hJii^rjTOVOi (fiOQov/xivTj. olg
oQia nioxBtDg ov d-Qaver ai. ov^i oQia naregiov 7ia()0()i^€Ta i.
elra tpoßog vofiov qSsrat, xal ngocptiTiSy /«pi<? yiyciaxer ai.
xai €vayy€liü}y niarig Wgvxai, xal dnoarolcjy na^ddooig (pvXana et ai.
Dann ganz am Ende:
(Lv ocpig ovx OLUTSjai' ovS^ nXdvt] fJvy;fpcoW^€Ta i.
ovSt Eva (pd-eiQBT ai, aX'kd nag&Bvog nioxtVBrai.
xal acDTTjQioy ^eixyvr ai. xal dnoazoloi avycTil^oyrai,
xal To xv()iov Tiaa^a 7ipo/p/«Tai.
xal XTKfol avyay o yrai. xal fierd xoauov d^jAoC, ovrai,
xal diddaxvoy dyiovg 6 loyog evcpQaiy Bxai. di ov naxriQ do'iaC^T rtt.
(p fj (Tola dg roi)4; alcvyag, 'AjUTjy.
Ich bin überzeugt, wer sucht, wird bei den griechischen Kirchen-
schriftstellern ähnliche Reimprosa oft finden.
Demnach haben die Griechen schon in sehr früher Zeit den Reim
gekannt. Nun ist es nach dem ganzen Gange der Literatur unmöglich,
dass die Griechen den Reim von den Lateinern angenommen hätten.
Ebenso ist es fast unmöglich, dass der so stark ausgebildete Reiui bei
Commodian und Augustin den bescheidenen Anfängen des griechischen
Reimes nachgemacht sei.
War dagegen die semitische Dichtweise das nachgeahmte Vorbild,
so klärt sich Vieles auf. Dass der Reim bei den Semiten gekannt und
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379
beliebt war, daran ist kein Zweifel. Ebers findet (Zeitschrift für ägypt.
Sprache S. 45) in altegyptischen Schriftstücken ^wirkliche, übrigens auch
im Hebräischen (und zwar in alten biblischen Texten) nachweisbare Reime'
vgl. ebenda 1878 S. 51 — 55, wo Ebers einen strophisch angeordneten
Text von einer Mumienbinde behandelt, in dessen erstem Abschnitt 'man
selbst an ein gewisses Metrum oder doch an Silbenzählung denj^en könnte.*
Dann haben die Araber schon um 500 n. Chr. den Reim ausserordentlich
ausgebildet, so dass z. B. in einer langen Reihe von Versen nicht nur
die letzten, sondern die 3 letzten Silben gleichen Klang hatten. Allein
die Araber waren damals noch so isolirt, dass nicht daran zu denken
ist, von ihnen hätten Commodian oder Augustin ihren Tiradenreim gelernt
Bei den Hebräern (vgl. Schlottmann in der Zeitschr. d. d. morg. Ges. .33,
268 und Wölfflin S. 362) und bei den Syrern (vgl. A. Hahn, Bardesanes
S. 42 und P. Zingerle in der Zeitschr. d. d. morg. Ges. 10, 110) finden
sich Reime, doch nur in solcher Ausdehnung, dass man darnach wohl
die Reimprosa und den Reim in den Hymnen der Griechen sich erklären
kann. Dagegen kann der auffällige Tiradenreim bei Commodian und
Augustin, sowie die ziemlich ausgebreitete Reimprosa der Lateiner aus
den geringen Ansätzen der Hebräer und Syrer, welche wir kennen, nicht
erklärt werden. Wir können uns einstweilen mit der Thatsache begnügen,
dass der Reim den Semiten offenbar sehr bekannt war, und können es
künftigen Entdeckungen überlassen, nachzuweisen, welches Volk — am
nächsten liegt der Gedanke an die afrikanischen Provinzen der Römer —
dem Commodian oder dem Augustin das Vorbild zu ihrem Tiradenreim
bot. Das aber ist sicher, dass mit der silbenzählenden Dichtweise und
ihren übrigen Merkmalen auch der Reim von den Semiten zu den
Griechen und zu den Lateinern übergegangen ist.
So erklärt der Ursprung der lateinischen und griechischen Rythmik
sich einfach und natürlich. Das Christenthum brachte dieselbe herüber
und christlich bleibt ihr Wesen. Jahrhunderte lang findet sich kein
rythmisches Gedicht, weder bei den Griechen noch bei den Lateinern,
welches einen weltlichen Gegenstand, geschweige denn einen heidnischen,
z. B. alte Mythologie, behandelte. Die Dichter der frühesten Rythmen
waren Christen und waren in semitischen Gegenden geboren oder in
solchen ansässig.
49*
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Die Entwicklung der rythmischen Diehtweise.
Die rythraische Dichtung wurde nicht mit einem Schlage und fertig
von den Semiten zu den Lateinern oder den Griechen verpflanzt, sondern
ihre Geschichte ist bei jedem dieser beiden Völker ein Werden.
Commodian und Methodius tasten noch im Dunkebi. Bei CJom-
raodian wird die Quantität nur noch in dem Schlüsse jeder Halbzeile
festgehalten, sonst ist sie so gut, wie aufgegeben; Silben werden gezählt,
doch schwankt die Zahl bis zu den Grenzen, welche der Hexameter lässt;
die Hexameter der Instructionen sind durch aufi^allende Akrosticha und
selten durch Reim gebunden, jene des Lehrgedichtes stets zu Paaren zu-
sammen gestellt. Noch unklarer ist der Versuch des Methodius: die
Quantität ist oft und an jeder Stelle stark verletzt, noch mehr der re^l-
rechte Bau der Zeilen und Strophen; die Strophen haben alphabetisches
Akrostichon und Refrain.
Gregor und Augustin sind schon viel weiter. Dass diese Männer
sich in den rythmischen Formen versuchten, hängt wohl zusammen mit
dem glänzenden Auftreten Ephrems. Augustin (Confess. IX, 7) berichtet,
im Jahre 386, als für die Gemeinde in Mailand sehr schwere Zeiten
gekommen waren, habe Ambrosius die Gläubigen auch des Nachts in
der Kirche versammelt gehalten; 'Tunc hymni et psalmi ut canerentur
secundum morem orientalium partium, ne populus meroris taedio
contabesceret, institutum est, et ex illo in hodiernum retentum, multis
iam ac paene omnibus gregibus tuis imitantibus.^ 'Quantum flevi in
hymnis et canticis tuis suave sonantis ecclesiae tuae vocibus commotus.*
Damach Isidor (off. eccl. 1, 6) 'hymni Ambrosiani vocantur, quia eins
tempore primum in ecclesia Mediolanensi celebrari coeperunt, cuius cele-
britatis devotio dehinc per totius occidentis ecclesias observatur.' Wenn
wir das oben über Ephrem Berichtete bedenken, so bleibt kaum ein
Zweifel, wo die orientales partes zu suchen sind, aus welchen der feurige
Neuerer Ambrosius diese neue Art von Kirchengesang entlehnt hat; vgl.
Gerbert de cantu et musica sacra I, 199. Ambrosius dichtete auch selbst;
doch sind die Hymnen, welche mit Gewissheit ihm zugeschrieben werden
können, streng nach der Quantität gebaut (vgl. meine Abhandlung üeber
die Beobachtung des Wortaccents S. 116); allein jene Nachricht kann
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381
für die Geschichte der Musik wichtig sein. In der griechischen, wie in
der lateinischen Kirchenmusik sind noch manche unverständliche Partien-
Da nun Ephrems Lieder von den Griechen und Lateinern mehr oder
minder genau nachgeahmt sind, so kann damit auch ein Stück syrischer
Musik eingedrungen sein. Durch Ephrem wahrscheinlich wurden Gregor
und Augustin veranlasst, die rjrthmische Form für einige Lehrgedichte
zu wählen. Von Quantität ist keine Rede mehr; die Silbenzahl schwankt
bei Gregor von 14 zu 16 Silben, bei Augustin ist sie fester.^) Gregor
hat Versgruppen, Augustin Strophen mit alphabetischem Akrostichon
und mit Refrain; dazu schliesst Augustin alle Zeilen mit dem gleichen
Tiradenreim e. Der Accent wird nur im Schluss der Langzeile beachtet,
wo stets die vorletzte Silbe betont ist.
Damit war die rythmische Dichtung bei den Lateinern wie bei den
Griechen lebenskräftig geworden. Bei den Lateinern entwickelte sie
sich jetzt weiter, lange Zeit unabhängig von ausländischem Einfluss.
Wie die späte quantitirende Dichtung der Lateiner an Formen arm war,
80 auch die frühe rythmische. Dazu kaim fast die Mehrzahl der z. B. bei
Boetius de consol. Philos. vorkommenden quantitirenden Zeilenarten in
der rythmischen Poesie nicht nachgebildet werden. Desshalb plagten
sich die rythmischen Dichter wenig mit Hexametern und bildeten mehr
die bequemen trochäischen oder jambischen Zeilen nach, besonders den
trochäischen Fünfzehnsilber, den jambischen Senar und in Hymnen be-
sonders eine achtsilbige Zeile mit jambischem Schlüsse, welche in der
quantitirenden Poesie seltener angewendet wurden. In diesen beachteten
sie nach damaliger Sitte streng die Caesuren, zerlegten also den Fünf-
zehnsilber in 8 -\- 7, den Senar in 5 + 7 Silben, beobachteten die ent-
sprechenden Accente im Schlüsse der Halbzeilen, mieden auch mehr oder
minder den Hiatus, aber im Uebrigen waren sie um den Tonfall unbe-
kümmert und zählten nur Silben. Die Verse bildeten regelmässige Gruppen,
sehr oft mit alphabetischem oder anderm Akrostichon.
1) Die ausserordentlich vielen und harten Vokalverschmelzungen bei Augustin (vgl. S. 285)
sind parallel den vielen Halb- und Hilfs vokalen im Syrischen und andern semitischen Sprachen,
welche ja dort auch das Silbenzählen oft unsicher machen (vgl. S. 368 u. 373), ja vielleicht ist
hiedurch Augustin dazu verleitet worden.
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MI
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Die Fortentwicklung des Reims in den lateinischen Ländern.
In vielen Gedichten gesellte sich zu den übrigen Merkmalen der
rythmischen Dichtweise noch der Reim. Da derselbe damals die Bahnen
einschlug, auf welchen er das ganze Mittelalter hindurch bis in die neuere
Zeit immer mehr Herrschaft gewann, so will ich dieselben hier kurz
behandeln, wobei ich jedoch keinen Unterschied mache zwischen den
Gedichten, welche nach dem Wortaccent, und denen, welche nach der
Quantität gebaut sind. Beide Wege der Entwicklung treten hervor in
dem Gedichte de Resurrectione mortuorum, das, in sehr alten Hand-
schriften unter dem Namen Cyprians vorkommt; (406 Hexameter, am
besten im Cyprian von Hartel III p. 308 edirt). Es ist adressirt an
Flavius Felix. Die alten Handschriften und der Inhalt des Gedichtes
(V. 339 — 343) machen es fast sicher, dass dieser Flavius Felix jener
Dichter der Anthologie ist, welcher um 500 bei den Vandalen in Afrika
lebte (TeuflFel R. Lit. § 476) und von dem wir ein Gedicht haben, in dem
die Künstelei des Akrostich im üebermass (zugleich im Anfang, in der
Mitte und im Schluss der Zeilen) angewendet ist. Unser Gedicht ist
zunächst merkwürdig wegen der Scheinprosodie: in den Hebungen
und Senkungen können von Natur lange und kurze Silben beliebig stehen,
z. B. Si quis humäno suas. Et prohibent seras paenitentiae fündere voces.
Ditia per nemorä semper amöena vireta, dagegen dürfen positionslange
Silben nicht in den Senkungen als kurz gebraucht werden^); (vgl. früher
S. 278 u. 293). Dass der Dichter diese Scheinprosodie in den 5 ersten
Füssen mit Absicht angewendet hat und der genommenen Freiheiten sich
vollständig bewusst war, zeigt die richtige Bildung der 6. Hebung, in
welcher nur wirkliche Längen stehen.
Wichtiger ist die Beobachtung des Reimes. Beliebig grosse Reihen
von Versen haben den gleichen Schluss. Zu diesem gesellt sich oft
1) Die wenigen Ausnahmen bei Hartel sind Verderbnisse oder falsche Conjekturen : 40 Si
quYs veUt scheint nur Druckfehler statt qui. 75 ETa p^rsuäsa mal^ ist yielleicht durch den Eigen-
namen entschuldigt; 130 wohl Solque cadit supero se refertque lumine claro (superoreferique codd.};
296 u. 297 wohl: Et ideo fructum capitis (capietis codd.) sementis iniqui Noscitis (Non scitis codd.)
ecce diem quem vos videre soletis. 306 Atque procellosas ructabunt (fluctuabunt Hartel) aequora
flammas. 809 Atque omnis (omnibus codd.) facibus torrens armabitur orbis. 896 Ac veniam
primis suplices (suppl. codd.) rogate delictis.
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383
Innenreim, meistens in der 3. Hebung, oft auch in der 2. oder 4. Hebung.
So schliessen Z. 1 — 14 mit as; vor diesem Schlüsse haben die meisten
Zeilen as in der 3. Hebung, (Z. 3 u. 12 in der 2., Z. 14 in der 4., Z. 11
in der 2. u. 4. Hebung)^), nur in Zeile 7 fehlt der Innenreim auf as;
dazu haben Zeile 1 — 6 in der 4. Senkung imd Z. 7 in der 4. Senkung
einen 2. Innenreim auf i. In ähnlicher Weise haben Z. 15 — 19 Caesur-
und Schlussreim auf o, Z. 20 — 25 auf is (nur in 25 fehlt der Caesur-
reina), Z. 43 — 54 Schlussreim auf um oder us und fast alle auch diesen
Caesurreim. Dagegen die 4 Verse 114 — 117 haben nur den Schlussreim
auf is, die 5 Verse 138 — 142 nur den Schlussreim auf i.
Schon bei Commodian waren 13 und 26 Verse und bei Augustin
267 Verse durch den gleichen Vokal geschlossen. Bei Pseudocyprian ist
nicht mehr das ganze Gedicht hindurch stets der gleiche Reim fest-
gehalten, sondern Gruppen von beliebiger Grösse haben denselben Reim.
Diese Reimart, der Tir adenreim, ist demnach die älteste Form des
latein. Reimes; sie findet sich bis in das 11. Jahrhundert häufig bei den
Völkern, welche den Reim besonders pflegten, bei den Spaniern, Iren
und Franzosen. Die spanischen Dichter mögen später von der arabischen
Reimkunst beeinflusst worden sein (vgl. die Bemerkung des Alvarus
oben S. 278 Note); doch schon vorher finden sich z. B. bei Eugenius
von Toledo und in der im 7. Jahrhundert zusammengestellten Liturgie
der Gothen viele Reime. So finden sich in dem Prolog des Mauricus
zu den gothischen Hymnen^) 5 Zeilen mit a, 5 mit o, 3 a, 3 ens, 4 os,
3 amus im Zeilenschluss ohne Innenreime, und grössere Reimgruppen in
dem Hymnus S. Mattei; ja die 40 Zeilen des Hymnus de nubentibus
schliessen alle mit a. Die Tiradenreirae bei den Iren und Franzosen,
besonders in den Gedichten des Gotschalk und seiner Genossen, habe
ich schon an anderra Orte (Rythmen S. 68 — 70) hervorgehoben.
Von den wohl im 7. Jahrhundert entstandenen Formulae Senonenses
(jetzt Monum. Germ. Formulae I S. 223) zeigt besonders die 4. grössere
1) Das ist wichtig; denn es beweist, dass in den vielen Versen vom 7. — 11. Jahrhundert,
wo die 2. oder 4. Hebung oder andere Versstücke mit dem Schlüsse reimen, der Reim beabsichtigt
ist und dem gewöhnlichen leoninischen Paarreim in der 3. Hebung und im Zeilenschluss gleich steht.
2) 40 rythmische Hexameter, welche an die formlosesten der longobardischen Grabschriften
erinnern.
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384
Reimgruppen. In Deutschland scheint der Tiradenreira kaum angewendet
worden zu sein. Denn diejenigen Gedichte der Cambridger Sammlung
(No. 8. 9. 19. 20. 25. 27. 29. 30 bei JafiBö), in welchen er herrscht,
können auch in Frankreich entstanden sein.
Dagegen zeigt schon das Gedicht des Pseudocyprian eine Verarmung
der Reime nach 2 Richtimgen. Viele Verse haben gar keinen Reim.
Dem entspricht die Thatsache, dass bis zum Schlüsse des XI. Jahrhunderts
nur sehr wenige Gedichte sich finden, welche in allen Zeilen gereimt sind,
dagegen fast in jedem Gedichte hie und da ein reimloser Vers unter-
läuft. Zum zweiten finden sich beim Pseudocyprian viele Verse, wie
392 — 394 Aetemisque deum precibus placate tremendum Pessima cuncta
bowi^ cedant mortalia vit^ Conservate novam iam iam sine crimine
Yitam, d. h. die Reimgruppe ist auf den geringsten Umfang herabgesetzt,
der möglich ist, nemlich auf zwei Stellen. Diese Form, der Paarreim,
wurde bald zur wichtigsten. Denn sie war vortrefflich für den Hexameter
geeignet, wo sie den Caesur- und Zeilenschluss band: die eigentliche leo-
ninische Form. Ausserdem wurden besonders Paare von Achtsilbern mit
jambischem Schlüsse durch den gleichen Reim gebunden; (vgl. meine
Rythmen S. 94 — 96). Diese Reimform war sehr häufig bei den übrigen
Völkern, und in Deutschland wurde sie fast allein angewendet.
So erklären sich die Reimformen, welche die ältesten Dichtungen
der Spanier, Franzosen und Deutschen an sich tragen. Der Tiradenreim
der Spanier und Franzosen ist nur die Fortbildung der ältesten lateini-
schen Reimform; in der deutschen Dichtung wurde der Tiradenreim
nicht angewendet; sondern durch Otfried, dessen Reimpaare den gewöhn-
lichen Paaren von Achtsilbem mit jambischem Schlüsse sehr ähnlich sind,
wurde der Paarreim eingebürgert.
Gegen Schluss des 11. Jahrhunderts regte sich der Sinn für schöne
Formen, welcher im 12. und 13. Jahrhundert so herrlich sich ausbildete,
dass eine ähnliche Freude an schönen Formen nur bei den Griechen
wieder zu finden ist. Damals wurde der zweisilbige Reim gesetzmässig.
In der Dichtung äusserte der Formensinn sich besonders in dem Schaffen
von Strophenformen; (vgl. meine Rythmen S. 178 ffl.). Hiebei spielte
der Reim eine Hauptrolle. Oft wurden Reimstrophen gebildet, d. h.
Reihen von gleichen Zeilen wurden nur durch die Reime in kunstreiche
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385
Strophen gegliedert^); viel häufiger wurden die Strophen aus den ver-
schiedenartigsten Kurzzeilen aufgebaut und die Schlüsse der Kurzzeilen
durch die mannigfachsten Reimstellungen geschieden und verbunr^en. Mit
dem Tiradenreim war da natürlich so gut wie nichts zu machen, wenig
mit dem Paarreim. Diese Formen wurdön in den erzählenden Dicht-
ungen verwendet, wo die Spanier und Franzosen den Tiradenreim und den
Paarreim, die Deutschen nur den Paarreim verwendeten. In den Strophen
der lyrischen Dichtung wurden die Reime auf das mannigfaltigste ge-
kreuzt und gewechselt und Strophen der Art dann auch in manchen
erzählenden Gedichten angewendet. Wie in der lateinischen Dichtung
nur der zweisilbige, so wurde besonders in der deutschen Dichtung jener
Zeit der Reim oft mit einer Reinheit angewendet, wie seitdem nicht mehr.
Diese Anwendung des Reims hat ihren natürlichen Grund. In der
quantitirenden Poesie der alten Griechen und Römer waren die Dicht-
ungen bis in ihre kleinsten Bestandtheile, Silben und Füsse, genau
bestimmt und ausgearbeitet. Dagegen in den einfachen Zeilen der ryth-
mischen Poesie, wo nur Silben gezählt werden, und selbst in den kunst-
reichen Strophen, wo der regelmässige Bau der Füsse doch mehr oder
minder oft verlassen wird, sind gewisse Marksteine der Zeilen fast noth-
wendig, damit die Gliederung des Gedichtes dem Gefühl des Hörers
fassbar wird und nicht Alles in einander verfliesst wie in der Prosa. Die
Syrer und Griechen banden meistens nur die Initialen der Strophen durch
Akrostichon; desshalb ist auch die Gliederung dieser Strophen nicht immer
klar; ja, ebendesswegen hatten die späteren Griechen selbst fast gänz-
lich den kunstreichen Bau ihrer Strophen vergessen. Für silbenzählende
Dichtweise ist also der Reim ein fast nothwendiges Hilfsmittel, in der
Blüthezeit der mittelalterlichen Dichtung diente der Reim allerdinga nicht
nur dazu, die richtige Gliederung des dichterischen Baues klar zu machen^).
1) Im Hexameter konnte das Streben nach Mannigfaltigkeit der Formen fast nur in den zahl-
reichen Spielarten des Innenreims sich zeigen; den ausserordentlichen Reichthmu i^olcher Formen
habe ich in der Abhandlung über Badewins Theophilus und die gereimten Hexiiinet^r (ätjE^ber.
1873 I) darzulegen versucht.
2) In der quantitirenden Dichtung war der Reim nicht nur unnöthig, sondern durch die iii
starke Betonung einzelner Verstheile zerstörte er den ursprünglichen Charakter der Ver^e. Dagegen
war der Reim seit Beginn des 12. Jahrhunderts ein so unfehlbares und in den fnlhi-rn Jahr*
hunderten ein so häufiges Merkmal der rythmischen Dichtungen, dass schon diese Thataachp dii'
Ableitung des Wortes Reim von rythmus sicher stellt.
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. 11. Abth. ÄÖ
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386
sondern auch dazu, den Wohlklang der Worte zu erhöhen, so dass mit
seiner Hilfe die mittelalterliche Rythmik Formen von ähnlicher Vollendung
schuf wie die altgriechische. In der silbenzählenden französischen, ita-
lienischen und spanischen Dichtung hat sich desshalb der Reim bis auf
unsere Tage gehalten. Er hielt sich auch in der deutschen Dichtung, so
lange sie nur Silben zählte; als seit Opitz der Bau der einzelnen Fasse
wieder genauer ausgearbeitet wurde, wurde der Reim wieder entbehrlich
und fehlt desshalb seit Opitz in vielen Gedichten.
Fortentwicklung der griechischen und lateinischen rythmisehen
Dichtung;
Die rythmische Dichtung der Griechen entwickelte sich ganz
anders als die der Lateiner. Ephrems Beispiel wirkte hier kräftigst ein
und seine Strophenformen wurden für die einheimischen Kirchengesänge
zum Vorbild genommen. Und wie die quantitirende Dichtkunst damals
auf dem Höhepunkt der Verfeinerung stand, so wurden die übernommenen
einfachen Formen in überraschender Weise zu jenen vielgestaltigen und
bis in die kleinsten Theile geregelten Gebäuden von Strophen und Ge-
dichten (vgl. die Kanones) ausgebildet, die wir oben näher betrachtet
haben. Diese geistlichen Gesänge wurden nicht nur in die Liturgie zu-
gelassen, sondern ihnen darin sogar eine hervorragende Stelle gegeben.
So war das Schaffen in dieser Art von rythmischer Dichtung Jahrhunderte
lang ein sehr reges. Dabei herrschte darin stets die feine Schriftsprache.
Zu einfachen gleichzeiligen Gedichten wurde die Rythmik nur selten
benützt. Was wir bis jetzt davon kennen, sind Nachahmungen kleiner
anakreontischer Zeilen. Erst nach dem Jahre 1000, als das Reich mehr
und mehr aus den Fugen ging und der Occident kräftiger auf die ein-
heimische Bildung stiess, regte sich die Volkssprache und eine Zeilenart
kam in Gebrauch, von der seit der altgriechischen Komödie nichts mehr
zu sehen war, der jambische Fünfzehnsilber mit Einschnitt nach der
8. Silbe. Diese Zeilenart beherrschte nicht nur die gelehrte Poesie der
folgenden Jahrhunderte (in dieser stand neben ihr noch der schlecht
gebaute quantitirende Trimeter), sondern merkwürdiger Weise bis in
unser Jahrhundert sogar die lyrische und dramatische Poesie. Erst in
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387
unserem Jahrhundert begann die rythinische Dichtung der Neugriechen
altgriechische oder fremdländische Zeilenarten nachzuahmen. Der Reim
ist nur in den ältesten Hymnen und da selten angewendet, später gänzlich
aufgegeben;, erst seit dem 16. Jahrhundert wurde er von Nachahmern der
romanischen Dichter wieder hie und da gebraucht.
In den Dichtungsformen des lateinischen Occidents war unter-
dessen eine gewaltige Umwälzung vor sich gegangen. Notker und seine
Nachfolger hatten im 10. Jahrhundert begonnen, in den Sequenzen freie
Strophen nach Art der Griechen zu dichten, und an die überlieferten
Zeilen- und Strophenarten sich Nichts zu kehren. Diese Neuerung gefiel*
Die Fesseln, in welchen die armseligen und wenigen überlieferten Zeilen-
arten die lateinische Dichtkunst bisher festgehalten hatten, wurden zer-
brochen und sowohl in der lateinischen wie in den nationalen Sprachen
allseitig gewagt, Neues zu schaffen. So haben die Dichter des 12. und
13. Jahrhunderts einen wunderbaren Reichthum von schönen Formen ge-
schaffen, die sich würdig neben jene stellen können, welche die Bau-
meister geschaffen haben. Den übrigen waren die Franzosen und die
Deutschen voran. Das Grundprinzip der rythmischen Dichtkunst wurde
natürlich festgehalten und verfeinert. Die entsprechenden Zeilen hatten
gleich viel Silben; die zum Singen bestimmten, aus ungleichen Zeilen
bestehenden Strophen hatten fast in allen Silben gleichen Tonfall, da*
gegen die in längeren Reihen auftretenden gleichen Zeilen hatten nur im
Schlüsse gleichen, vor demselben angenehm wechselnden Tonfall. Eine
Hauptrolle erhielt der Reim; er wurde wenigstens in der lateinischen
Dichtung volltönend und beherrschte stets 2 Silben und war der unent-
behrliche Zierrat der rythmischen Dichtung in allen Sprachen.
Foptent Wicklung der romanisehen u. deutsehen Diehtungsformen.
Nach dem 13. Jahrhundert erstarb dieses freudige Schaffen neuer
Formen; es folgte eine Verarmung, und heut zu Tage haben die romani-
schen wie die germanischen Völker nur noch einen bescheidenen Theil
des damals erworbenen Reichthums im Gebrauch. Das Aufblühen der
klassischen Studien veränderte in den romanischen wie in den germani-
schen Ländern gewaltig den Inhalt der Dichtungen. Dagegen wurden
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30^,
388 .
dui'ch dieselben in den romanischen Ländern die Formen der Dicht-
ungen wenig beeinflusst. Der Bau der Zeilen hatte sich schon im Mittel-
alter unter dem Einfluss der damaligen lateinischen Rythmik festgestellt
und blieb wie er war. Auch darauf, dass von den verschiedenen romani-
schen Nationen diese oder jene Zeilen- und Strophenarten besonders
bevorzugt wurden, hatten die humanistischen Studien wenig Einfluss und
nur selten veranlassten sie die Nachahmung antiker Muster.
Anders ging es in der deutschen Dichtkunst So viel bis jetzt
erkannt ist, wurde in der deutschen Dichtkunst seit den ältesten Zeiten
der Wortaccent beachtet; zuerst wurden in die entsprechenden Zeilen
gleich viel betonte Silben gesetzt, ohne Rücksicht auf die Zahl der un-
betonten, so dass also die entsprechenden Zeilen nicht gleich viele Silben,
aber gleich viele Hebungen zählten. Zu diesem Zeilenbau gesellte sich
bei Otfried der Reim und blieb von da an bis in die letzten Jahr-
hunderte ein festes Stück der deutschen Dichtkunst. Dieser nur Hebungen
zählenije Zeilenbau blieb in der epischen deutschen Dichtung des Mittel-
alters. Dagegen die zum Gesang bestimmte lyrische Dichtkunst wett-
eiferte mit der lateinischen und romanischen lyrischen Dichtung; so
galten hier dieselben Gesetze wie dort: Silben wurden gezählt und die
entsprechenden Zeilen gleich betont. Das Schaffen von neuen Zeilen-
und Strophenarten, welches, durch die Sequenzen angeregt, auch die
deutechen Minnesänger fröhlich geübt hatten, starb zuletzt ab in den
pedantischen Gebilden der Meistersänger. In den folgenden Zeiten wurde
die Gleichheit der Silbenzahl auch auf die epischen Gedichte übertragen;
dabei wurde aber in epischen wie in lyrischen Gedichten der Tonfall
nicht nur im Innern der Zeilen (wie *So viel Stund in der Nacht, =
So oft mein Herz erwacht^) sondern auch im Schlüsse der Zeilen nicht
mehr beachtet, so dass bei dem eigenthümlichen Charakter der deutschen
Sprache die Zeilen allerdings oft schrecklich klangen.
Zur Zeit von Opitz vollzog sich der Umschwung. Es wurden be-
tonte und unbetonte Silben wieder geschieden, wie im Mittelalter, und
nach dem Muster der Alten festgesetzt, dass jede Zeile, auch in epischen
oder dramatischen Dichtungen, bestimmte Fasse haben müsse. Damit
war ein kräftiges Dichtungsprinzip gefunden : das urdeutsche, die Zählung
der Hebungen, geregelt dadurch, dass auch die Senkungen berechnet
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wurden. Mit diesem Prinzipe wurden zunächst für die dramatische und
epische Poesie nur sehr langweilige jambische oder trochäische Zeilen-
arten geschaffen, vermeintliche Nachbildungen romanischer Muster. Ein
bischen besser stand es in der lyrischen Poesie; hier wagte man es dem
natürlichen Gefühl so weit zu folgen, dass man auch freiere antike Zeilen-
arten, wie die daktylischen Zehnsilber (vgl. Aennchen von Tharau) oder die
von den alten Melodien gebotenen freieren Zeilen- und Strophenarten
unserer alten Volkslieder benützte. Durch Klopstock wurden jene un-
natürlichen Fesseln durchbrochen, und seit dieser Zeit hat die gewaltige
Kraft des jetzigen deutschen Zeilenbaues sich frei entwickelt und fast
Nichts unversucht gelassen. Es ist damit hie und da Regellosigkeit ein-
gerissen; allein im Ganzen bietet der jetzige deutsche Versbau den
Dichtem reichlich die Mittel, ihre Gedanken und Gefühle zum richtigen
Ausdruck zu bringen. Allerdings ist sowohl der Bau der Zeilen neu
geschaffen, als auch die Formen, mit Ausnahme mancher Volkslieder-
strophen, von auswärt« entlehnt. Dem Zeilenbau der alt- und mittel-
hochdeutschen epischen Gedichte stehen wir beinahe ebenso fremd gegen-
über, wie die jetzigen Griechen und Italiener dem quantitirenden Zeilenbau
der alten (i riechen und Lateiner. Die romanischen Nationen dagegen
erfreuen sich alter Betonungsgesetze und Formen, welche im Laufe von
6 oder 7 Jahrhunderten zu echt nationalen geworden sind. Wollten wir
desshalb ebenfalls zu jenen Formen unserer alten Dichtung zurückkehren,
die Senkungen über Bord werfen und nur Hebungen zählen, so wäre das
ebenso thöricht wie schädlich. Wir würden doch wieder nur Stückwerk
erhalten; denn der Zeilenbau, den Opitz und Klopstock uns geschaffen
haben, herrschte schon bei den Minnesängern. Was von selbst geworden
ist, hat ein Recht zu existiren, und die grosse Verschiedenheit des Zeilen-
baus der jetzigen romanischen und deutschen Dichter hat ihren berech-
tigten Grund in den verschiedenen Betonungsgesetzen dieser Sprachen.
Der Versbau der musikalisehen und der logisehen Sprachen.
Opitz versuchte Neuerungen, weil er die schönen Formen der romani-
schen Dichter beneidete: mit Unrecht, denn der damalige deutsche Zeilen-
bau war demjenigen sehr ähnlich, welchen die romanischen Dichter damals
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hatten und noch heute haben. Wiederum klagen jetzt Viele, wenn sie z. B.
die italienischen Stanzen, die französischen Alexandriner, die spanischen
Achtsilber und ähnliche Zeilen in deutschen Uebersetzungen anhören, über
die ermüdende Einförmigkeit dieser jambischen oder trochäischen Zeilen.
Daran sind aber nicht die Dichter der Italiener, Franzosen oder Spanier
schuld, sondern unsere deutschen Uebersetzer. Seit Opitz haben wir uns
gewöhnt, die romanischen Zeilenarten vom Schlüsse aus rückwärts zählend
sofort als Jamben oder Trochäen uns zurecht zu legen. Die romanischen
Dichter denken nicht daran; für sie sind es nur Zeilen von so und so
viel Silben; sogar diese Gleichheit der Silbenzahl besteht nur in der
Theorie; denn schliessender und anlautender Vokal zählen theoretisch
nur als eine Silbe, werden aber in Wirklichkeit doch beide gesprochen,
und im Zeilenschluss werden die Silben, welche auf die letzte betonte
folgen, nicht gerechnet, so dass also ley, wie dado oder varios nur
als eine Silbe zählen; der Tonfall dieser Zeilen ist aber völlig frei
und durchläuft alle möglichen Spielarten in fortwährender und er-
frischender Abwechselung. Würden aber die romanischen Dichter in
jenen jambischen oder trochäischen Zeilen dichten, in welchen die
Deutschen sie übersetzen, so würden die gleichzeiligen Dichtungen jener
nicht nur ebenso eintönig klingen wie die deutschen Uebersetzungen,
sondern noch schlechter.
Man hat nemlich mit Recht gesagt, die deutsche Sprache sei viel ge-
eigneter als die romanischen^) zur Nachahmung der antiken quantitirenden
Dichtungen. In Wirklichkeit haben die Dichter der romanischen Sprachen
nur selten versucht, die antiken Dichtungen mit Beibehaltung der Füsse
zu übersetzen, noch seltener, in Zeilen mit festen Füssen zu dichten. Die
Neugriechen haben aus Patriotismus seit etwa 40 Jahren viele accentuirte
Trimeter, Hexameter und Aehnliches geschaffen und sind noch nicht im
Reinen, nach welcher Seite (ob zur silbenzählenden oder zur Füsse bildenden
Dichtweise) sie sich wenden sollen, wenn auch die meisten volksthümlichen
Dichter durch starke Silbenverschmelzungen sich die Sache erleichtem.
1) Im Folgenden kommt natürlich die französische Sprache wenig in Betracht. Denn wegen
ihrer eigenthümlichen Betonung ist von vornherein an die Durchführung bestimmter Füsse in der
französischen Dichtung gar nicht zu denken.
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In Wahrheit lehnt das Wesen des ganzen Sprachengeschlechtes, za
welchem die griechische und lateinische und die romanischen Sprachen
gehören, sich dagegen auf, dass längere Reihen von gleichen Zeilen mit
dem gleichen, jambischen oder trochäischen, anapästischen oder daktylischen
Tonfall auftreten; dagegen vertragen solche Reihen gleicher Zeilen von
gleichmässigem Tonfall sich gut mit dem Wesen jenes Sprachengeschlechtes,
zu welchem die deutsche Sprache gehört. Rhangabis {JidtpoQa noitifxaxa
1837 p. 416) klagt, die Nachbildung der antiken Metra sei so schwierig,
weil die modernen Sprachen viel weniger betonte Silben besässen, mit
welchen die Längen der antiken Metra nachgeahmt werden mussten.
Das ist nicht richtig. Denn wenn wir z. B. ein Stück der Iliade oder
Aeneide ryth misch lesen und die nach den Gesetzen der rythmischen
Poesie sich ergebenden voll- oder halbbetonten Silben zählen, so ist deren
Zahl ' nur um wenige geringer als die Zahl der quantitätslangen, und in
der dramatischen Poesie kann z. B. f/«T« nur 1 Länge und 1 Kürze
ersetzen, während es in der rythmischen Poesie als «/«rf 2 Längen und
1 Kürze (^ ^ -), oder 1 Länge und 2 Kürzen {'- ^ ^) ersetzt. Also:
besondern Mangel an betonten Silben haben diese Sprachen nicht. Antike
Metra nachzubilden und überhaupt Reihen von gleichen Zeilen mit gleichen
Füssen zu bilden, ist vielmehr für alle jene Sprachen nur desshalb so
schwierig, weil es ihnen schwierig ist zwei, und fast unmöglich drei
betonte Silben zusammenstossen zu lassen. In all diesen Sprachen
hat ein Wort und, mag es auch gross sein, nur einen Hauptaccent und
die möglichen Nebenaccente sind vom Hauptaccent stets durch 1 oder
2 unbetonte Silben geschieden. Der Hauptaccent haftet nicht an der
Stammsilbe, sondern er wird nach andern Gesetzen, (grösstentheils nur
Gesetzen des Wohllauts, wesshalb diese Sprachen auch musikalische ge-
nannt werden), hin- und hergeschoben, sowohl in abgeleiteten Formen
(ämo, amämus, amabämus, amaverämus) als in zusammengesetzten Wörtern,
welche ohne Rücksicht auf die Tonsilben der Stammwörter ihren Accent
erhalten, der sofort wieder auf andere Silben wandern kann; so wird
äy&(fW7iog und l^oQcpi^ zu dyS^(}iün6iuo(Mpo(; imd dies wieder zu avS^iforno-
/LtoQifov. In Folge dieser Wellenbewegung der Haupt- und Nebenaccente
ist es in diesen, musikalischen, Sprachen unmöglich, dass im Innern eines
Wortes 2 oder mehr betonte Silben auf einander stossen. Dagegen in
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der deutschen und in den verwandten Sprachen^) haftet an einer Stamm-
silbe unauslöschlich ein starker Ton, (wesshalb diese Sprachen logische
genannt werden). Dieser starke Ton der Stammsilbe bleibt auch in Zu-
sammensetzungen z. B. Gebetläuten, und selbst, wenn 3 oder noch mehr
Stammsilben zusammenstossen, wird die mittlere nie so gering betont,
wie jene, welche man unbetonte zu nennen pflegt, z. B. Gebetbuchblätter,
Gebetbucheinband. Demnach können in diesen, logischen, Sprachen inner-
halb eines Wortes leicht 2, ja auch 3 und mehr starkbetonte Silben auf-
einander stossen. Die nächste Folge davon ist, dass in den musikalischen
Sprachen der Unterschied zwischen den betonten und unbetonten Silben
minder gross ist als in den logischen. Damit mag zusammenhängen,
dass Romanen die unbetonten Endsilben der deutschen Wörter für unser
Ohr zu sehr betonen, und dass in unserer Sprache selbst die Endimgen
rasch verwittern.
Dagegen können 2 betonte Silben auch in der Weise zusammen-
stossen, dass ein Wort mit einer betonten Silbe schliesst und das nächste
mit einer solchen anfängt, wie * Gebet reinigt', und 3 in der Weise, dass
ein einsilbiges Wort dazwischen tritt, wie *Gebet hört Gott.' Diese Mög-
lichkeit ist in den musikalischen Sprachen an und für sich ebenso gross,
wie in den logischen, so aoipbg koyo^. dvcfffog vovg key€i. Jedoch ist auch
sie in Wirklichkeit dort vielfach eingeschränkt. So am meisten in der
barytonen lateinischen Sprache, wo kein zwei- und mehrsilbiges Wort den
Accent auf der Endung hat, also nur in der einzigen Verbindung, wie nöbis
mors imminet 2 betonte Silben zusammenstossen können. Sie ist ferner
dadurch beschränkt, dass auch in den meisten andern musikalischen
Sprachen die Endungen der Nomina und Verba meistens volle Silben
sind und doch selten accentuirt werden, während im Deutschen diese
Endungen vielfach fehlen oder mit der Stammsilbe verschmelzen z. B.
gehört, geschehn, so dass im Deutschen sowohl die Zahl der einsilbigen
schwer betonten Wörter, als der Wörter, welche mit betonten Stamm-
silben schliessen, wie Zeit, flink, fliegt; Gethier, gering, gethan, gegen-
über den musikalischen Sprachen eine viel grössere ist.
Demnach können in den musikalischen Sprachen nie innerhalb eines
1) Die engliflche zeigt auch hier ihren Charakter als Mischsprache.
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Wortes 2 oder 3 betonte Silben zusammenstossen; dies kann geschehen,
wenn betonter Wortschluss und betontes Wort oder betonter Wortanfang
zusaminenstösst, doch auch hier verhältnissmässig selten. In den logischen
Sprachen dagegen, besonders in der deutschen, stossen sowohl innerhalb
eines Wortes als in der Verkettung der Wörter sehr leicht 2 oder 3
betonte Silben zusammen. Hierdurch haben die musikalischen Sprachen
in der gewöhnlichen Rede und in der Prosa einen grossen Vorzug vor
den logischen. Die regellos zusammenstossenden schwer betonten Silben
sind es hauptsächlich, welche in der deutschen Sprache den wohlklingenden
Fluss der Rede hemmen und zerhacken. Ein Beispiel geben auch die
zusammengesetzten Bezeichnungen technischer Dinge. Wir pressen meistens
mehrere schwere Stammsilben in ein Wort, um die Sache möglichst voll-
ständig zu bezeichnen, und denken dabei nicht an den Klang. Dagegen
die entsprechenden Wörter der romanischen Sprachen, mögen sie auch
aus ebenso viel Wörtern zusammengesetzt sein und mehr Silben zählen,
haben nur eine schwer betonte Silbe und die Silben mit dem Nebenton
sind durch 1 oder 2 unbetonte Silben von der schwer betonten getrennt,
so dass das ganze Wort wohlklingenden Fluss hat; desshalb ist es oft nicht
nur üble Vorliebe für das Fremde, wenn solche Fremdwörter bei uns sich
einbürgern. Demnach wird der Wohlklang der prosaischen Rede durch
die Betonungsgesetze der musikalischen Sprachen sehr gefördert, durch
jene der logischen Sprachen sehr beeinträchtigt.
In der Dichtung ändert sich dieses Verhältniss. Die musikalischen
Sprachen können nur mit Mühe 2, fast gar nicht 3 betonte Silben neben-
einander bringen. Folglich können in diesen Sprachen Zeilen aus den
Füssen u - — , — — v> , sj — j- ^ , w w -- •-, __ w w — - w w — so gut wie
nicht gebildet werden, da stets zwischen die beiden Tonsilben ein Wort-
ende fallen müsste; wer möchte solche Cretici wie 'perit lex, manet fex,
bibit grex' in Reihen anhören? Sodann, und das ist die Hauptsache, ist
es unmöglich, in diesen Sprachen unter die Jamben und Trochäen, Ana-
päste und Daktylen Spondeen zu mischen; denn hier müssteu sich
mindestens 3 betonte Silben folgen, (z. B. Xsyei aoipog rovg &eiOi; ruilr
— «« ww>_);80 viele können aber in den musikalischen Sprachen
so gut wie nicht zusammengebracht werden. Da nun die alten Griechen
und Römer ihre jambischen und trochäischen, anapästischen und dak-
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVU. Bd. II. Abth. 51
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tylischen Zeilen stets mit vielen Spondeen gemischt haben, so ist klar,
dass in den musikalischen Sprachen auch diese quantitirenden Zeilen-
arten nicht nachgebildet werden können. Die Alten haben aber recht
wohl gewusst, warum sie in jene Zeilenarten viele Spondeen einmischten.
Jene reinen Jamben, wie Phäselüs ill6 quem videtls hospites, welche
CatuU und Genossen in wenigen Gedichten den mit allen möglichen
Füssen überladenen altlateinischen Senaren entgegen stellten, hatten wohl
bei den Griechen kein Vorbild und fanden bei den Lateinern keine Nach-
ahmer; denn sie klingen schlecht und langweilig. Schlecht und lang-
weilig klingen die neugriechischen Verse, die aus gleichen Füssen be-
stehen, wie
'12 adeX(pfis 'Iou7jvf]g (pUij scscpakTJ
i^§ev(feig rtva twv OldtnoSög xaxvjy
im 'Qio^g jJ^ag Siv /tag enefiipsy 6 Zsvg. oder
WäXe rov äpd(fa &Ba rbv nokvxifonor oorig Toaovrovg
rönovg (fi^Xi9€ no(f97]aag rfig T(fotag r^v h'vdo^ov noXiv
/io(fag ^eWer drß'(f(Ana)y Jiokkag x'ifiekhijoiv ijdi]
xUig &akaaatag Jikaytjaeig vns(pB()e kvnag uv^tag
d^ikwy avTog va acod-fi xal rovg iptkovg rov d-skuii' vä adiarj.
Das sind reine Jamben und reine Daktylen; denn x^^if^s ist kein
Spondeus, sondern ein Trochäus, also ein falscher Fuss. Ebenso eintönig,
wie diese neugriechischen Reihen von reinen Füssen, würden die lateini-
schen und romanischen klingen, — wenn die Dichter sich dazu hätten
verleiten lassen.
Ganz anders steht die Sache in der deutschen Sprache. Opitz, der
die Romanen beneidete, hat unbewusst den deutschen Versbau über sie
hinausgeführt Die deutschen Zeilen haben nicht nur gleiche Silbenzahl
wie die romanischen, sondern auch Reichen Tonfall und bestimmte gleich-
förmige Füsse. Da in der deutschen Sprache leicht 2 und 3 betonte
Silben zusammenstossen können, so kann die ermüdende Einförmigkeit
fortlaufender Reihen von Daktylen oder von Anapästen durch die ange-
nehme Abwechselung der Spondeen vermieden und die schwächliche Ein-
tönigkeit reiner Trochäen oder Jamben durch eingemischte Spondeen
gekräftigt, können endlich auch bacchische, choriambische, jonische und
ähnliche Metra gebildet werden, in denen 2 betonte Silben regelmässig
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zusammenstossen. Das BedenkeD, dass z. B. in Zickzackweg die mittlere
Silbe nicht ganz so stark betont sei wie die einschliessenden, also kein voller
Spondeus entstehe, widerlegt sich durch den Hinweis, dass zwischen den
quantitätslangen Silben der antiken Dichtung noch grössere Verschieden-
heit herrschte, z. B. in moestus zwischen moe und stus, wenn das letztere
durch Position gelängt wurde. So ist der jetzige deutsche Zeilenbau,
nach welchem die Zeilen aus bestimmten regelmässig wiederkehrenden
Füssen gebildet werden, für die logischen Sprachen und insbesondere für
die jetzige deutsche Sprache durchaus geeignet. Die vielen betonten
Silben, welche in der Prosa regellos zusammenstossen und den wohl-
klingenden Fluss der Rede zerstören, werden in der Dichtung durch die
feste Regel der Füsse zu einem harmonischen und doch kraftvollen
Ganzen gefügt.
Dagegen ist klar, dass auch der so stark verschiedene Versbau der
Romanen, wie er sich im Laufe vieler Jahrhunderte gebildet hat, in
dem Wesen der betreffenden Sprachen fest begründet ist. Wollten sie
längere Reihen von Zeilen mit gleichem Tonfall bauen, so sollten es
nur solche sein, in deren Schema wenigstens Jamben mit Anapästen oder
Trochäen mit Daktylen gemischt wären, wie z. B. in den sapphischen
und alcäischen Strophen. Aber alle gleichzeiligen Gedichte, in welchen
nur einer dieser Füsse durchgeführt würde, wären in diesen musikalischen
Sprachen eintönig und langweilig. Das ist der einfache und höchst ver-
nünftige Grund dafür, dass in den romanischen Dichtungen keine be-
stimmten Versfüsse eingehalten werden, sondern der Tonfall frei gegeben,
d. h. der Kunst und dem Gefühl des Dichters überlassen ist.^)
In allen meinen mühsamen Untersuchungen über die lateinischen
und griechischen Rythmen habe ich nachgewiesen, dass von Anfang bis
zu Ende dieser Dichtungsweise vor dem Schluss der Zeilen keine be-
stimmten Füsse beobachtet wurden. Ich hoffe, dass jetzt auch die ein-
gefleischtesten Theoretiker die Lehre von der schwebenden Betonung auf-
1) Sollten deutsche Uebersetzer diesen freien Tonfall der romanischen Dichter nachbilden
wollen, so müssten sie, um den wohlklingenden Tonfall der romanischen Sprachen einigermasseu
wiederzugeben, sich wenigstens die Regel aufstellen, dass nur selten schwer betonte Silben auf-
einander stossen dürften; vgl. meine Abhandlung über die lateinischen Rythmen S. 134.
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geben, jene Zeilen nach dem Wortaccent sprechen und den Wechsel des
Tonfalls nicht als Unregelmässigkeit hassen, sondern als Wohlklang loben
werden. Denn was der romanischen Dichtung gegenüber billig ist, das
ist es auch gegenüber derjenigen Dichtung, von welcher die Romanen
ihren Zeilenbau gelernt haben. Aus demselben Grunde habe ich auch
a priori die Ueberzeugung , dass die einförmigen Reihen von Jamben
oder Trochäen, in welche Bickell die ganze alte syrische und hebräische
Dichtung binden will, nicht existiren und dass in jenen gleichzeiligen
Gedichten dieselbe Freiheit des Tonfalles herrschte, wie in denen aller
andern musikalischen Sprachen.
S e h 1 u s s.
In den ältesten Zeiten des griechischen Volkes, als in der Aus-
sprache der Wörter die Zeitdauer der Silben mindestens ebenso sehr,
vielleicht noch mehr bemerklich war als der auf sie fallende Ton, ist
entweder ein sinnreicher Grieche darauf verfallen oder ist von einem
fremden Volke her die Gewohnheit angenommen worden, in der dich-
terischen Rede die Zeitdauer, nicht die Betonung der Silben zu berück-
sichtigen. In den ältesten Dichtungen der Lateiner tritt ebenfalls nur
dies Gesetz hervor, die Zeitdauer der einzelnen Silben zu unterscheiden.
Ob sie dasselbe schon in den frühesten Zeiten von den Griechen oder
anders woher bezogen haben, lässt sich kaum entscheiden. Darin, wie
diese langen und kurzen Silben zu Füssen, die Füsse zu Zeilen, die Zeilen
zu Strophen oder Gedichten gefügt wurden, hat sich in wunderbarer Ent-
faltung eben so sehr die Erfindungsgabe als der Schönheitssinn der
Griechen offenbart.
Andere Völker waren auf eine andere Form der dichterischen Rede
verfallen. Sie suchten die Gebundenheit und Gleichmässigkeit, welche
die Grundlage der Schönheit sein muss, in der gleichen Silbenzahl der
einzelnen Zeilen. Dies Gesetz drang aus den semitischen Ländern unter
dem Schutz des Christenthums im 3. und 4. Jahrhundert in die Länder ein,
welche von der aus langen und kurzen Silben aufgebauten griechischen und
lateinischen Dichtweise beherrscht wurden. Die neue Dichtweise fand den
Boden vorbereitet. Denn durch die Vermischung mit den Barbaren war die
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Aussprache weit und breit verdorben und das Gefühl dafür, welche Silben
lang und welche kurz seien, geschwächt oder geschwunden. So war jenes
Dichtungsgesetz, womach die Silben nur gezählt zu werden brauchten,
höchst willkommen. Gesprochen mussten diese silbenzählenden Zeilen
werden; sie konnten nur nach der damals herrschenden Art des tag«
liehen Lebens, d. h. nach dem Wortaccent gesprochen werden.
Doch die alten Dichtungsformen der Griechen und Lateiner waren zu
vollkommen, als dass sie sich gänzlich umstossen liessen. Sie nahmen den
Sieger gefangen. Die lateinische rythmische Dichtkunst bis zum 1 2. Jahr-
• hundert bewegte sich nur in Zeilenarten, welche der alten quantitirenden
Dichtkunst nachgeahmt sind. Die Melodien der griechischen Kirchen-
hymnen sind ursprünglich den Syrern entlehnt; allein die strenge Beob*
achtung des Tonfalls und der grosse Reichthum an neugeschaffenen Formen
zeigen den Einfluss der quantitirenden Poesie, welche damals besonders
strenge Regeln und Formen sich geschafiFen hatte, und sind so das letzte
Aufleuchten des feinen griechischen Geistes.
Mit dem Prinzip des silbenzählenden Zeilenbaues war auch der Reim
zu den Lateinern gekommen. Auf diesen zwei Grundlagen, der gleichen
Silbenzahl und dem Reim, beruht die wunderbare Entwicklung der
Dichtungsformen, welche der lateinische Occident im zwölften und drei-
zehnten Jahrhimdert zeigt. Von hier haben die modernen romanischen
Nationen die Gnmdlagen ihres Zeilenbaues, ihre Zeilen- und Strophen-
arten und den Reim überkommen, von hier haben die germanischen
Nationen wenigstens beträchtliche Stücke ihrer Dichtungsformen erhalten.
Denn der silbenzählende lateinische Versbau war bei den germani-
schen Völkern auf ein anderes Prinzip gestossen, wornach in den ent-
sprechenden Zeilen nur gleich viel betonte Silben gesetzt wurden, ohne
Rücksicht auf die Zahl der unbetonten. Das lateinische Prinzip siegte
in der lyrischen Poesie, so dass hier die deutschen Minnesänger mit den
lateinischen und romanischen Dichtern wetteiferten. In den folgenden
Jahrhunderten gewann auch in Deutschland der silbenzählende Zeilenbau
überhaupt die Oberhand, bis zur Zeit von Opitz nach dem Vorbild der
alten Griechen und Römer die Silben in verschiedene Arten, aber nicht
nach der zur Aussprache erforderlichen Zeitdauer, sondern nach der
Stärke oder Schwäche des auf sie fallenden Tones, geschieden wurden.
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Dabei wurden die schwach betonten so gut wie die stark betonten ge-
zahlt und berechnet. So wurde dieser jetzt in Deutschland herrschende
Zeilenbau ein Seitenstück des alten quantitirenden.
In den Zeiten und Gebieten, welche bei diesen Untersuchungen in
Betracht kamen, treten also 3 Arten des Zeilenbaues auf: der quantitirende.
welcher die Länge oder Kürze der Silbe abwägt, der rythmische, welcher
die Silbe einfsich zählt und der in den romanischen Ländern den quanti-
tirenden schon längst verdrängt hat, endlich der germanische, welcher früher
nur die stark betonten Silben zählte, jetzt aber die stark und sohwacli
betonten Silben unterscheidet und beide berechnet; diese Art findet sich ,
auch bei den meisten neugriechischen Dichtem. Neue Zeilen- und
Strophenarten wurden besonders in zwei Perioden geschaffen, bei den
Griechen vor Alexander des Grossen Zeit, dann im lateinischen Occideiit
im 12. und 13. Jahrhundert Von dem Reichthum der letzteren Periode
zehren noch heutzutage die romanischen Literaturen; die deutsche hat
ihn zum grössten Theil verloren und durch die Nachahmimg der alt-
griechischen oder fremdländischer Formen noch keinen befriedigende»
Ersatz gefunden.
Die Regeln für den Versbau sind in den meisten Zeiten und Völkern
nur Nachahmungen fremder Vorbilder, die bei der Nawjhahmung oft
sonderbare Umgestaltungen erleiden, wie z. B. der altlateinische sowie der
spätlateinische Senar oder Hexameter seinem griechischen Vorbilde oft
geradezu widerspricht. Allein auch in den Zeiten, wo neue Zeilen- udJ
Strophenarten und Regeln dafür geschaffen werden, wie bei den Griechen
vor Alexander und in der lateinischen Literatur des 12. und 13. Jahr-
hunderts, wirken neben dem Schönheitsgefühl andere äussere Dinge, dann
Mode und Zufall viel zur Schaffung der Formen und Gesetze mit. Schon
ein berühmtes Gedicht, eine glückliche Melodie kann eine Form ein*
bürgern, welche sonst bald verschwunden wäre. Alle Regeln und Vor-
bilder geben keine Gewähr für die Schönheit einer Dichtung. Sie sind
eben nur Schranken, innerhalb deren der Dichter sich bewegen m\m,
um seinen Zeitgenossen verständlich und angenehm zu sein. Wie der
Schriftzeichen, so gäbe es auch der Dichtungsformen unzählige, allein Jeder
muss sich derjenigen bedienen, welche in seiner Umgebung gebräuchlich
sind. Doch da ein Volk bei der Herübernahme der Formen von einem
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399
andern Volk dieselben oft stark verändert und in Jahrhunderte langer
Weiterbildung und Ausbildung derselben seine Eigenart und seine Vor-
züge zeigt, so ist die Erforschung und die Geschichte der Dichtungs-
formen ebenso wichtig, ja wegen des edleren Inhaltes wichtiger, als die
Geschichte der architektonischen Formen.
Eine angenehme und für die Entstehung der modernen Dichtungs-
formen wichtige Untersuchung war es mir, die wundervolle Mannigfaltig-
keit und Schönheit der mittelalterlichen lateinischen Rythmen darzulegen.^)
Allein das Wesen einer Erscheinung kann erst gewürdigt werden, wenn
der Ursprung klar liegt. Die gewöhnlichen Ansichten über die Ent-
stehung der lateinischen oder der griechischen rythmischen Poesie schienen
mir unhaltbar. Die genauere Erforschung der griechischen Rythmen
führte mich auf den richtigen Weg. Es galt zuerst nachzuweisen, dass
weder bei den Lateinern noch bei den Griechen die rythmische Dichtung
sich von selbst aus der quantitirenden entwickelt habe, was ich für die
Lateiner in der Abhandlung über die Beobachtung des Wortaccentes in
der altlateinischen Poesie^), für die Griechen in der Abhandlung zur Ge-
schichte des alexandrinischen und lateinischen Hexameters gethan habe.^)
Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchungen war, die Eigenthüm-
lichkeiten der ältesten lateinischen und griechischen Rythmen in helles
Licht zu setzen, dann zu zeigen, wie die wichtigsten dieser Eigenthüm-
lichkeiten und das ganze Prinzip des Zeilenbaues schon früher bei den
Semiten vorhanden waren, dann, als die christliche Dichtung in semitischen
Ländern Auffallendes geleistet hatte, imter dem Schutze des Christen-
thums von den Lateinern und Griechen nachgeahmt wurden und im
Kampfe mit der quantitirenden Dichtung und unter dem Einfluss der-
selben sich als christliche Dichtungsformen ausbildeten. Ist diese Auf-
gabe glücklich gelöst, dann ergibt sich das Resultat, dass wie in unserer
ganzen modernen Kultur, so auch in den Dichtungsformen, die jetzt
Europa beherrschen, griechisch -lateinische und semitisch -christliche Be-
stand theile gemischt sind.
1) Sitzungsber. der Münchner Akad. philos.-philol. Cl. 1882 I. Heft.
2) Abhandl. I. Cl. 17. Bd. 1. Abth. 1884.
3) Sitzungsber. philos.-philol. Cl. vom 1. Dez. 1884.
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Beilage I.
Die rythmisoheii Gedichte des Gregor ron Naziani.
Die beiden folgenden Gedichte, in denen auf die Quantität der Silben offenbar
keine Rücksicht genommen ist, sind verfasst von Gregor von Nazianz (f 389);
sie sind also bis jetzt die ältesten griechischen Gedichte der Art. Ich verwendete
deeshalb ziemliche Mühe auf die Feststellung des Wortlautes. Das erste, gewöhnlich
Erhortatio ad virginem betitelt, ist zuerst gedruckt in Gregorii Naz. Opera Basel 1550
(ed. Erasmus) p. 187 als Prosa; in Langzeilen in den Opera (ed. Bill) Paris 1611 II p.299;
Paris 1630 n p. 299; Cöln 1690 II p. 299; bei CaiUau Paris 1840 II p. 378. Migne
Curs. Patrol. 37 p. 632. Christ Anthol. Gr. p. 29. Das zweite, der Hymnus vespertinus,
wurde zuerst 1696 in J. Tollii Insignia itinerarii Italici S. 96 in Halbzeilen gedruckt;
dann ebenso im Persius ed. 0. Jahn, Proleg. p. CI nach Tollius; Gaillau tom. II
p. 290. Migne tom. 37 p. 511; unvollständig ist das Gedicht gedruckt in Poetae gr.
1614 II p. 189, = Daniel Thesaur. hymn. III p. 14 u. Christ Anthol. p. 29.
In der Beurtheilung der Handschriften ging ich lange irr; denn obwohl ich
durch die besondere Güte von verschiedenen Gelehrten *) die Vergleichungen sehr
alter Handschriften erhielt, so fanden sich doch in den meisten dieselben starken
Fehler. Endlich sah ich, dass die Handschriften, in welchen diese beiden Stücke
unter die prosaischen Predigten gesetzt sind, allesammt, mögen sie auch noch so alt
^in (die Pariser P ist mit Uncialen geschrieben), auf ein und dieselbe Handschrift
zurückgehen, in der schon starke Fehler waren; so fehlt hier V. 84 ganz, V. 24 das
Wort keiTOVQywv ; V. 23, 40, 52 und andere zeigen starke Interpolationen. Dagegen
ist der Text in den Handschriften, in denen diese 2 Stücke unter den Gedichten
atehen (iv noUolg ßtßXioig 6 Xoyog ovrog h TOig eneai XBizai sagt das Scholion im
Codex F, der offenbar nach einer solchen Gedichthandschrift an einigen Stellen ver-
1) Die Vergleicbung der pariser Bandschrifben danke ich den Herren Delisle und Omont,
die der unter Ä zusammengefassten Wiener Hm. Prof. Th. CromperZy die von D Hm. Joh, Huemer,
die 4er Venezianer Hm. Dr. Martin Thomas und die der Florentiner Hrn. Dr. Aug. Herzog.
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401
bessert ist), durchschnittlich besser. Die Citate des im 8. Jahrhundert lebenden
SchoUasten Cosmas stimmen, wenn man dem Teilte Mai's hier trauen darf (carminum
fragmenta siile editionum subsidio vix sanari potuissent, bekennt er selbst), nur in
unwichtigen Dingen mit den Predigthandschriften (v. 33. 87), in wichtigen mit den
andern (v. 23. 24. 87). Die Ausgabe der Exhortatio von 1550 beruht auf dem Text
der Predigthandschriften; Bill aber benützte eine treflFliche Handschrift der Gedichte;
Combefis, Caillau und Christ haben aus schlechten Handschriften nur wenig Förder-
liches mittheiien können; ich bin fast durchaus zu dem schon von Bill abgedruckten
Texte der Gedichthandschrifben zurückgekehrt. In dem Hymnus war wenig zu ändern,
da bereits ToUius die treflfliche Florentiner Handschrift benützt hatte.
Rufinus Aquil. schreibt (Histor. ecclea. 2, 9): Exstant Basilii et Gregorii in-
genii monumenta magnifica tractatuum, quos ex tempore in ecclesiis declamabant. ex
quibus nos denas ferme singulorum oratiunculas transfudimus in Latinum. Da ich
nun in drei florentiner Handschriften, unter den Uebersetzungen des Rufinus auch
unser Gedicht ad virginem fand, bat ich meinen Freund Pio Rajna um Abschrift
und setze die-?en lateinischen Text unter den griechischen. Diese Uebersetzung kann
aber nach meiner Ueberzeugung nicht von Rufin herrühren. Denn der Text schliesst
sich ganz an den schlechten Text der Handschriften an, in denen dies Gedicht unter
den prosaischen Predigten steht. Doch, wenn dies auch schon 100 Jahre nach der
Abfassung möglich gewesen wäre, so finden sich in dieser Uebersetzung grobe Fehler,
deren ein Mann wie Rufin nicht in solcher Menge und Stärke fähig war. Endlich
weicht diese fast wörtliche üebersetzungsweise von der Uebersetzungsart des Rufin ab,
der umschreibend und erklärend übersetzt. Darauf fühi-t auch die handschriftliche
Ueberlieferung. Die Handschrift in Bamberg B, IV, 13 saec. X enthält: Prol. I
oratio apologetica. II oratio in Christi nativitatem. III de Epiphania. IV de Pente-
coste. V Cum rure rediisset. VI ad Nazianzenos vel ad Imperatorem. VII de unitate
monachorum. VIII de grandine. In B IV. 6 saec. XI fehlt No. IV und, wie es
scheint, der Prolog, die andern Stücke stehen in der gleichen Reihe. In Wien
No. 759 = Denis I No. 198 saec. XI, fehlt Prol., steht I bis VIII, dann folgt IX
de Pascha. In Bern 374 saec. XII steht No. I. VI. VII. VIII. Ein anderer Zweig
der Ueberlieferung liegt vor in der münchner Handschrift 3787 (ehemals in Augs-
burg) saec. X: Prol. I. II. HI. UV De fide. IIP De fide Nicaena. IV. V. VI.
VII. VIII. VIII* Contra Arrianos. In dieser Handschrift, mit welcher die Ausgaben
(zuerst Argentinae Knoblouch 1508) völlig stimmen, steht also nicht nur nach VIII
die Rede contra Arrianos mehr, sondern auch nach III der lange Tractat de fide
und der kurze de fide Nicaena. Für diese Tractate, in denen Bibelstellen vom Text
der Vulgata abweichen, ist bis jetzt kein griechischer Text gefunden, und sie kommen
fast mit demselben Wortlaut unter dem Namen des Phoebadius vor (Migne Patrol.
lat. tom. 20 p. 31 u. 47), dem sie auch innere Gründe zusprechen. Die fiorentiner
Handschriften des Gregor-Rufin stammen sämmtlich aus dem XV. Jahrhundert. Plut.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 52
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402
17, 31 (L) enthält Prol. I bis Vni. Dann IX (de Pascha). X de martyribus. XI Epist.
adCledonium. XII ad virginem; Fesulauus 44 (F): Prol. I. II. III. V. VI. IV. VII.
Vm. III' (nicht IIP). VIII'. Anderes. Dann IX. X. XI. XI' ad Cledonium secunda.
XII. Aedili VII (E) bat: I. IL III. V. VI. IV. VII. VIII. III'. De inventione capitis
Joannis Bapt. narrat Josephus. IX. X. XI. XII. Gadd. 113 hat: I bis VIII (= Bam-
berger). Die lateinische Handschrift in München 463 saec. XV: I bis IV. lll"
V bis VIII. VIII' IIP.
Daraus scheint hervorzugehen, dass zu den von Rufin gefertigten üebersetzungen
gregorianischer Predigten von Anderen die üebersetzungen einiger anderen Stücke
zugesetzt wurden. Man könnte daran denken, dass die in den florentiner Hand-
schriften sich mehr findenden Stücke erst in der Humanistenzeit übersetzt und zuge-
setzt worden seien; allein der Gebrauch von a statt quam nach dem Comparativ
* (V. 4 und 96) , dann die gemeinsamen Schreibfehler der Handschriften deuten auf
frühere Entstehung. Dann müssen wir wohl auf die nächste thätige üebersetzer-
periode, das 9. und 10. Jahrhundert, zurückgehen. Für die üebersetzer jenes Schlages
passen auch die groben Fehler.
HEPI nAPOENlAS.
naq^ive vv(.i(pr^ Xqiotov, \ do^a^i aov top vvfjq^iov'
2 del xdi^aiQe aaimji' | ev Xoy(p xai aoq>i</,
''ha Xa^trrQCc ri/) Xa^unQiii ! avtrflyi; tov aiojya'
Beati Gregorii Nazanzeni ad virginem (L =
Laurent. Plut. 17, 31 saec. XV f. 123); Secunda
epistola Gregorii Nazanzeni ad Cledonium ex-
plicit feliciter. Incipit epistola eiusdem ad vir-
ginem {F = Laurent, cod. Fiesol. 44 saec. XV
fol. 237); Explicit epistola Gg. Dedomum. In-
cipit epistola eiusdem ad virginem {E = Laurent.
EdiL 7. p. 89).
Virgo sponsa Christi, glorifica tuum (glori-
ficatum LFE) sponsum ; (2) semper munda te
Codices F = Laur. Flut, 7, 10 /*. 165 ; G =
Paris. CoisUn. 56 saec. XIV /'. 1926; D = Vindob.
graec. 43 f. 109 = 101 theolog, Lambec. IV
jyag, 19, P = Paris, gr. 510 f, 214 a unciali
charactere sci'iptus; V = Venet. Marc, gr. 70
f. 435; M = Ma .b .c; Ma -^ Venet, Marc,
gr, 74 f. 303; Mb = 72 f, 182; Mc = 75 f. 200;
L = La ,b; La = Laur. Flut, 7, 22 f. 420;
Lb = Laur. Plut. 7, 7 f. 289; Ä = Aa.c.d.e,
Aa = Vind(^. graec, 16 /". 333, Suj)pl. Kcllarii
{tom. I p. 145) ; Ac = iheot. 79 /*. 310; Ad =
theol, 80 /).327; Ae =^- ilieal. 84 f.^hb numerus
adscriptus est fji6 in D, KJ in P. SchoUasta
Cosmas exscripsit versus 23. 24; 33. 34; 47. 48;
81. 82; 85. 86; 87. 88; Titulus: nt(»l nu^f^i-
rittf FD (Cosmas); 7f(>of nn^S-^yoy na^airfrtxoc
PVLMA. Bill, nqos mtgS'iyoy TiagaiytriKos xai
TffQi nagS'fvittg C.
Scholia praemissa: Ey rovrw r^ Xoyü» loy
IvQaKoiaioy £(u<pQoytt uifAHTui, oiros yä^ (ioyoe^
noifjKuy (^v&f40tg rtni (ritty K, ri Bül,) xai xtoXot^
^XO^^nro fikjfitxr^g (noii^rfx^c C) (Bill,) nyaXoying
xaTa<fQoi'r,tt€ts FCV (Bill.) 'Ey noXXoi^ ßtßXioig
6 Xoyof oviof iy rotg iniai xiirm V In codd.
FC (et in editione Christii) ab hemistichio quo-
que, in codice D et in editione Bülii et in se-
quentihus a versibus meis noca linea incipitur;
in ceteris codicibus (et in editione a. 1550) omnia
nt prosa scripta sunt, sed nonnusquam, ut semper
in P, versus punctis dislinguntur,
1 aou in marg, V. 2 *Mi xaSagt; Bül,,
fut. KdS'ftQf edd. anvif^y CDP; Aa m. 2; Bill.
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40S
4 'AQeiaaiüv yog avvrj nolv \ vijg fp&aQtrjg ov'ivyiag,
^Ev odfiOTi rag voegag \ dvvafjeig €^iifn]oiü'
6 dyyeXix.rjv enl y^g \ fABxijky>Bg TroXireiav,
Jeofiog ivtav^a xal Xvaig \ xal aco^at^ h. aiofAOTiov,
8 OVO) d^exdatr^ jjovag \ or/ror« Xvoftivt],
Ol nqüioi (fiqovaiv äxtlva | z^g xad^aQag ovaiag,
10 nvetfiara xai ttvq, keirovQyol I tc5v O^eov TrQogTayftdtcoy.
"Yhj di fii^iv e^evQeVy \ del ^iovoa (piaig^
12 2? ftizQov lüQiae &e6g \ ydfAOv vo/JOv^errjOag.
2v d^tQyov iXrfi qwyoiaa \ toig dvoj avvrjQfjoaO^rjg,
14: (ig voig og^ioCerai voi \ irijV x^eiav dgitoviav,
Kai oa^Ki noXt^ioiaa \ ßor^^eig xg eluovi,
16 {fcvori yoQ tqng x^eov \ tip xEiQOvt, avvdaO^eiaa),
^'Iv €x ndlrjg xal vrArjg \ t6 axiffog OTtoldßfjg,
18 dv(o ^elaa xal zov xovv \ xaküg mrorayevta,
Alveiat^vj aoi xal ydftog, \ ttqo ydftov d'dq>^0Qia'
20 ydfiog avyyvwfAtj ndö-ovg^ \ dyveia di hx^nQOxrjg.
rd^tog narr^Q dynov, \ dyyeia di XaxQela'
(mundantem LFE) et ipsam in verbis et sa-
pientia, (3j ut splendidior splendidis coinivas
in aetemum: (4) verior enim ista multo u cor-
mptibili coniunctione. (5) intellectuales in cor-
pore virtutes imitata es, (6) ad angelicam trans-
lata 68 Buper terram (= P) conversationem.
(7) et ligatio et Bolutio corporalis et corporum
est (V); (8) »unsuni antem unaquaeque unitas
indissolubilis. (9) qui primom snstinent radium
raundiBsimae trinitatis P; (10) spiritus et igni»
( = P) terminata fministra?) sunt dei prae-
ceptionibus. (11) seniper autem effluens natura
materiae commixtionem invenit, (12) cui men-
suram deu» legem statuit nuptiaiuni. {\\\\ tu
autem opus materiae tugiens 8uperiorii>üH cö-
aptate (coapta teV), (14) quemadmoduin luenH
aptatus menti divini concentu«. i 15) et carai
repugnanä adiuvas imaginem, (IBi flutu eninr
creata es dei etiam deteriori coUigata, (17) ut
luctaminis et victoriae coronam posKiw accipere,
(18) sursum ponens ment^m bene Mubiectani
spiritui (— P). (19) proponantur tüii et nuptias
(et nuptiae om. LFE: tibi om. K) et (= Pj
quae ante nuptias est incorruptio ; {20) nuptias
indulgentia passionis: castitas autpni splendor.
(21) nuptiae (nuptae L) parent*^« sauctorum :
(ttttvxv^v F etc. 3 martt Sr^iSfs Combefi^. 4 xQtia-
noy FCD noXv FCD BiU,: nontZ PVLMÄ r?f
<3P*. 7ioX%üi Lb. (') int yr,g fj^r. FCD (BUl.):
u,€ y. PVLMA. 7 otofÄftT FC (BUL), awfiuttt
PVLMAy fjüifiarog D; « om. Lb. 8 avu)
6': ttvwv F, nyto 6i P. M. Acde, 9 ol' DMA
iptQova BiU. 9 ovaiag FCD BiU. : igid6og
PVLMA cf. 2, 1, 45 (paHyrii '^httty ex rgiaSoc
fftJiaf uTfXfToy. 10 nyfvfJiattt CD PV Bül.\
Ttyivfire FLMA; nZ^ om. FCD: habent PVLMA
Bill. Utroigyd FC rwy tov &tot Lb; cf. 2, 1, 32
yofg $Xtt<jf>goi TJvg xui nreviAara, . . fifynXjjaiy
vTroS^tjaooKfiy eiftrfitctg. 11 s$yjv(ifi' P, Ma.Act,
12 ^/Atrf(}oy F. 13 o6y FC Sf MA, Lei, ow,
D vXfiy FCD. 14 yo6i BiU. 17 tr' FCDV,
Tya BiU., üate PLMAcde unoXäßfi? FCDV,
dnoXavfiS Bill., (irtoXaßily PLMA. IH jtai om.
PLMA vnotayiyftt FCD Bill., vTinjffyiyTa tti
Ttyfi'utai. VLMA et (r^ om.) P. 19 ^ir ^^CD.
BiU.: Xid rtQo PVLMA 6'd(p$'0ii(u BUL: ^t-
tt^Sogag p", d(piho(/i€e PLMA, 6i' «yj#öpflt«f C*
6i''d(f&€t(i<riay 2), tiffSagaiu V. 2Ü j'«w* (Jvy.
TtuS^. in marg. V uyyiutg CD. 21 «y*'*i'«f ClJ,
Bill. Xfcxfjfiic (sc. röiy dyiujy) FCD, BUL: 9i^iu
52*
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404
22 TavTtjv Aal rore yiaiQolg \ kxipiwv iv evd'itoig^
l4da^ iv Tta^adelai^), \ Mwaiig iv oqei ^iv^,
24 keiTOv^wv 2kxxciQiag, \ 6 noTfJQ %ov nqodQO^iov*
rd^iog xai naQx^eviag j ^/Ca t^g d^eiji (plXrjg^
26 dXX toxi vofiog aaQxog \ nat ßqao^atog iovXeia,
^'Ot r\v vofiog xal axidi \ nat TZQoaxmQpi XaTQ€latf
28 tot' elxB nqwva 'Aal yciftog \ log fv ti vrj/ridjdeg.
"Oc iS^jXd^e TO yQctfjfja, \ vo nvedfua ä'^dvteiarjx^^^
.*^0 Aai XQiazog k'naO^s aagyu \ nqotk^oiv ix, naq^ivov
Tox i^elafAipev dyveia \ avvxef.ivovaa xov 'Aoa^ov,
32 ov ixei dei fjexaßrivai j xqioxili avvaveX&ovxa.
KaXwg odeietg, naq^ivB, | eig oqog aTtoodtov
34 /<jj nqog JSodo^a ffUilfijg, \ /uj axriXrj 7ray[jg alog.
Mrjde Xiav ae aaqxdg \ ij (fiaig exqH)ߣitto,
36 firjdi O^aQqriajjg äyav^ \ üaxe nox ixXvd-ijvai.
^niviyr^Q dvdnxei xaXd^ttjv, \ aßivvvOL d^vdwQ ffloya
38 i'x^ig (fdQftaxa noXXd \ x^g ae^ivijg naq^^evlag,
@eov ae cpoßog nrjyvvxaiy \ vr^oxeia ae xevovxiü,
c&stitate autem ante indulgentiam passionis (in-
terpolirt?) (22) congruis sunt quidam honorati
temporibus (23) Adam in paradiso, Moysis legem
rectitudinis ponena (= P), (24) Zacharias (= P)
praecursoris pater. (25) niiptiae et virginitatis
radix, dei sponaae (= P). (26) sed est tarnen
(= P) cooperimento camis servitus. (27) quando
erat lex et umbra et temporales dei culturae,
(28) tunc (cultura et tunc L) habebant primatnm
et nuptiae qnemadmodom adhuc (= P) para-
bolae; (29) quando autem explosa est littera et
PVLMÄ, 22 xai : 6k D eV F. Cosmas ad v. 23:
tois CD. Bül. PVLMA. 23 et 24 laudat Cosmas
iy oQii 2t¥^ Cosmas FCD Bill.: y6fA(o nQoauyuiv
PVLMÄ. 24 Uaov(ßyiüy Cosmas. FCD. V (in
manj. Aa): om. PLMA 6 Z«/. Bül. 25 ;««(»-
^iyius FCD. Bill.: nug$^ivi€( PVLMA. 26 kau
yofdog CD Bül., iauy yo/aof F (cf. 2, 1, 201
aagxof anintfAipe rofxovs): iauy o/iwg PVLMA.
27 ötf PVLMAede axtu F xai om. La. 28 rorf
P VM. Lb. Acde i'y u yrjTtuSdff FCD : in {iau P)
yfinu66r,( PVLMA. Bül. 2.) ör' e'^^XSt F: ore
S'iSn^Sf CD, ore d'v'/r^^^X^f PVLMA. Bül. t6
nyfvfAtt 6^dyTnaiix^V' ^o nyfvfi'ayT. FCD. Bül.,
dwinanx^'n ^^ ^o nyivfia PVLMA. 31 rorf
PVLMA kXagAtpiy Bül. avyrff4ovaa F xoy xoafioy
subintroductus spiritvii« ^-K)) et Christua pertulit
camem (came oder in carnem?) prücedens e%
ex virgine, (31) tunc iv?^plenduit ca^tittH adbr^*
vians mundum solum, (uoyor?) (32) ibi tranämü-
tari oportet cum Chri.^to ancendentibu«. |3H) bene
iter agens, virgo, in njnntem nalvaiu t*^ fac,
(34) non ad Sodomaiu i.-oarteriiü, nc congele^^o«
in statuam salis. (35) non valde t« credit te CAm^
natura, (»36) nee multurn rursiim praeäuma^, ut
possis aliquando dissalri. VSl) »cintilla at^ceadit
cannetum, extinguit autcün fliLnniia^ nf^ua. (38) h\-
0
avytifÄyovaa i. e. properiins ad ornatum. -^2 0f
om. LM. Aace avyaytX&6yfi BilL 33 et IM ^nwh^
Cosmas; ttynatoCov C, rTi^üi atiS^ov Bill, l66o^'n^G-
ßXiiPfii FCD. Bill, {non Vo.^mafieic^ cf, 2, -l h^
yijafi 2'tif},ri xai Xttxiti^. et 2, ö, »>9 ft^ ki&nf nrtyÜ^
nXog. 35 fjitfi'f . , fjLfi^k FiJD, BiJL u^tt.. ii^it
ceteri ^ tp, ix^oß. FCD €t {fftt^oß,) Biti. : ttffß.
iptaig, cm. ij, PVLMA. 36 Str^^tfiff^i F Jf*'*
PVLMA wat' ejtfir' D kknl^^r^yttt 1), ix^h-
S^yui C, ixnXaytj»^»fft BiU. 37 cf. 2, 2, tkJ U
* r(ioi4ifif, XttkdfÄtiy antt'Sijg iin rtT^«V tiiarmt,
Qu {tau. ofÄßQOf aytu&ft' xt Tuypt'ifi tfloy^ tiaü^V
aßiyyiai 6' FCD. V: ^.i^ytt^tii PL^fA, m t^r
^ntiag Bül. 3940 dy^vulm CD Tt^oatv/aifCD.
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405
40 ayQCTivia 7€Qoatvxctt \ daxgva yafievvia,
"Egiog oXog TtQdg &edv j yvr^aiatg Tetafiivog
42 navxa noifii^tov jro&ov \ diXorgiov tüjv avio,
*0 /cBOiüv iyeiQea&ü), \ 6 vavaywv iXeeiad'io^
44 av d*evnX6eiy ro iotiov \ Trezdaaaa tf^g ihtidog,
Ov iwv xarcu zo lUJttBiv^ \ twv d'avw rpegofitvioy
46 oliyoi TtieQOQgvovan', \ ol nXdovg d' evögofnoiaiv.
''Eneaev HoacpoQog, dXX' ovgavog dyytXiov
48 ^loCöag r^v TTQodoTrjg, 1 oi d' n'dexa Xafjjtif^Qeg.
Movov oXr^v atavtr^v | ayviqv Tif^ei, nagO-erey
50 fiij 7rov ^nioatjg Xqiotov \ tov aomXov yaüva,
''0/14 ^ta aov aio^ovehiü, j yXfZaaa /rag^^evsviTio'
52 juij votg TcoQvevoiy ftrj y^Xiog, j /n] 7ioi'g ataxTa ßamor.
Tfjv Ttivagdv aToXr\v aov \ xai rijv avxf^ijQciv TtOfAtjv
54 fiaXXov aidov/jai /lagydgwv | xat Tilg ^r^giov evxoofiiag.
KaXov ävO^og rj aldcug \ Kai fniyag xoa/nog lixQOtrjg
50 Kai nXiyfta xaXov 7rQaaig dgeraig aiBq^avova&ai,
be« (babens LFE) multa inedicamina pudicae
virginitatis. (39) timor dei te corroboret, ieiunia
eTacuent, (40) congruae atque aptae (— P) vigi-
liae, lacrimae, ciibile terraruui. (41) aiuor tibi
8it ratio vigilana (o Xoyo^ statt öAof ?) ad deum
apte disposita (42) et obdormiscere faciens amo-
rem alienum. sureum (43) qui corruit elevetur.**
(44) tu autem bene naviga vela spei expandens.
(45) non eoruin qui deorsum sunt qui (quod?)
decidunt: sed eorum qui Hursura feruntur. (46) ad
quod (om. F) reliquorum (aliquoruiu ?) quidem
pennae defluunt, multi autem prospere cumint
(percurrunt L). (47) cecidit Luoifer: sed non
Bül.: Ktti nQocfixn V Ad (Aam, 2.\ TiQogxaiQog
PLMAace x^l^^^^^^ ^'^ Bül,: /a/4fi;Wo* CD
PLMA, 41 Cf. 2, 2, 69 Kai yv/^fa infXfdtüytti
i^iüf 6^ öXof dfAipi aytfxra. Toi« , , tpaQfjLtfxa,
6X(og V TftayfAiyog La in corr,y Lb w. i., Ma,
Aa in. i., Ae. 43 Tttatoy FCD, Bül.: ninituy
PVLMA 6 vftv, bX, suppl. in marg, ViXtova^to D.
44 Si C Ttkiäoitg F, ayaniueanau V %fi iXnihi C,
r^f /iV x^^^^^ iknihoi F. Aa m. rtc, 45 cf, 2,
2, 673 Xtoioy jliffofifyuiy nXfoytoy ninzfiy tiydg . .
ij* /«r^a^f JVf/fii'f ly 6fi6i6xag, fÄtf nov Jizfqoy eis
X&oyn ^tvaii. ninroy FCD 6i PVLMA tSy iT D
horao, angelus autem erat (der üebersetz^er las
dXX* ovx äyog statt ftXX'' ovQayo^y (48) Judas
traditor fuit, undecim autem luminaria. (4i*) to*
tarn te solumraodo castam custodit virgo, (fiO ne
(nee 10 coinquinet {inefi und arttlainfj Ja« der
üebers.?) immaculatam dei tunicam. {^A} pudicua
(impudicuB L) obtutus^ virginalis sit tibi lingua.
(52) ne mens fornicans (= P), ne petiilans riauä,
ne pedum inordinatus incessus. (53 J tuagia in te
revereor laboriosam vestem et siccam atque squiiH-
dam comam (54) quam gemmarum et siricae veatis
omatum (55) bonum : flos verecundia et ma^nus
decor est pallor (56) et {om. F) magnam ei qüi-
(pf^jLtiytoy F. 46 nXhiotg FCD. Büt„ nXfi^ta
PVLMA de PM. Lb, Acde. 47 et 48 laadai
Cosmas; cf. 2, 2, (580 — 683. 4Ö dt PLMA,
49 fAoytjy Mbc öXwf Ma aavtiiy PVLMA dy-
yeiy D. 50 ttov FCD. Bül.: 7i/üf PVLMA
QVTiwafig FCD. Bül.: antXwafi^ PVLMA. 51 <roü
FCD. Bill.: aoi PVLMA. 52 /ui,^' oJ^P <-f. 2,
2, 74—82; 2, 6, 32—36. Ttogyevoi F, rto^yivn 0
Bül., Ttogyftei D, nogyoq PVLMA cf, 2, 6, 35
»Xeig toüi xtioS^to fitj6e nogyevoi yiXtj»f. 53 at^X^w
aov FCD Bül.: aov aroX^y PVLMA, 55 naxe^-
Tr,g D. 56 Trdattig dgerats aretpayovad'ttt FCD,
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406
58 niva^ e^npiyot; aiywv \ x,aTi^yo{jog tcjv l'vdov,
2ü d' ijg sxeig evfiOQq>iag | ve7iQovai>cj aoi t6 nksiatov.
60 xctiXei di la^/te i/'t'X^5 ! ^^ ^«o*^ xoo/novfievr^,
^'Oipiv d' oQQiviov q)evy€f \ ei x^iftig ycal aioqiQÖvwv^
62 ^ij ^ov TrAij&jg fj TiXfjygg \ ix fttifiov %qv BeXiov.
^'OpipiaT^ o^fiaai ^ij dovlov, \ fiijd^ fAxe Xoyov Xoyqf
64 ^1] naQEia naqEiaig \ didovw rraQQtjafctv,
Mrjdiv aoi xa* rp yeiaet \ ^vkov tov Karax^Qizov,
66 fu} ae ^kov r^g C^^c; | 6 oq^ig t^w ßihß,
Kai tovxo Ttei&ov, naqd^evB' \ fiiq avvoUei TVQoaxaxjjy
68 Xqio'cov e'xotoa wfAq^iov \ l^rikoi oov tr^v ayveiav,
Ti fioi aaQKag (pvyovaa \ TtQog aaqiaag iniacgdifr];
70 Ol; ndvveg avdQag Tijy aijV | anXözrjza ycogovoiv.
^£2g ^odov h dxdvx^aig^ \ oikiog iv fioHolg oiqiq^
72 xai kTtdvvj novrjQÜv \ nayidwv dtaßaivBig,
*0 fiiv iyeiQei Tvaavddag, \ iq d' exxo filmet vt/wy/of
dam (siquidem?) coronam plectunt univeröae vir-
tutes (= P). (57) -adulterent alii (P) coloribus
ima^nem, quam ex (P) deo habent. (58) ani-
raata ac depicta imago horribilia (P) est rerum
presentium accusatrix. (59) tibi vero etiani eam
quam habes pulchritudinem multum mortificari
necesse est. (60) splendifica (P) autem pulchri-
tudinem animae a deo adomatae (P). (61) faciem
virorum fuge si possibile est etiam castorum,
(62) necubi vulnereris uel ictus sagicte (X, ictus
agitate FE; ictu aagittae? BiXiov = ßiXovg?
Uebers,) (63) non des (P) oculos oculis. neque
protrahas verbis verba, (64) nee genis ad genas
fiduciam praestes. (65) nihil tibi et gusto (gustu F\
ligni adiudicati i66) ne (adiudicatione LFE) a
vita te serpen« foras emittat. (67) illud etiam
tibi persuadere necesse est, virgo, ne cui com-
maneas quasi patrono (68 ) Christum habens spon-
sum. zelatur etenim tuam castitatem- (69 1 quid
(quod L) mihi carnem fugienti ad camem iterum
retorqueri. (70) non omnes splendorem {P) tuum
capiunt (cupiunt F). (71) sicut rosa in medio
spinarum, sie inter multos enutriris (t{*^(p¥i?i
(72) et supra doloses pertransis laqueos. (73) alius
BUh: aQfTtti naaai ai atf^ctt'ovattt PVLMA
{sed ttl aQiJ. Ad.f et om, F, atftfafovai Ma,
cTf<pa9^ot'aiy P. La. Mb. Acde.) 57 aXXii FCD.
Bül.i aXXog (Aiy PVLAM {Mc. om. f^ir) tiiy
^iov FCD. Bül: rijV ex aeoZ PVLMA. 58 <ri-
yc5y FCD. Bül, : aiaxQOf PVLMA ; cf. 2, 2, 87
iUovti aiüx^cci Max^oav^fi^ atr^kai ff xal ov
XttXioyrfg ^yxoi. iySoy, e'ytavS'tt La, Mab. Aace,
iyrtvSf Lb 59 6f PVMA. La. 60 xdXXn 6k
XtifÄfif FCD. Bill: xaXXof 6( Xäfinpvyf PVLMA
{Xafingvyia&üi Lb), xofffiovfiiyyj FCD. BÜL: xoa-
fÄOVfdiytic PVLMA. 61 otptig Lb. 62 nXii^ig Mb
ij nXtiymy 2>, tj TiXi^y^ Bill, ix: xny V BhXlag C
{ex fifXiov La), BfXia Bül. 63 ofA/nai^ o/uifjam
FCD. Bül: ofÄfia 6'ofÄfiaai PVMAL {6e Lb)
6ovXov FCD. Bül: 6idov PVLMA fAij6' iXxt
Xoyoy Xoyat FCD. Bül : /i^'^' ITiXf Xfiytft Xoyoy F,
,iiij nXixf Xoyta Xoyoy PLMA cf. 2, 2, 93 'Ö/i-
fiara 6*ojLtfjifc(Ti fAiayt Xoyta Xoyoy. 2, 6, 33 iVif
x6 ßXinttf^ai, rw ßXineiy Stj^ivi fiota 64 na^eiäi
7ta(}. Fy ntt(Jia TtaQiatc V. 66 rot' om. FD, tov
^vXov TOV PVLMA. 67 tovtm VMb nfi&ovaa
CD, Tif/S^ov av Bül üvyoixH FCD, Bül. : avyot-
xijüai PVLMA ngotrittTfiy V. 68 l/f/f CD cot F.
69 aa(jx(t PVM. La. Acde. cf.2, 2, 103 ei 104.
(ptvyovan CD iniüTitifpu FCD: dninTpe^ti^* Bül,
vno<TTQi(pHf PVLMA. 70 ayd^sg om. PVLMA
tinXoT^Ttt FCD. Bül: XttfinQOTijTa PVLMA.
71 cf. 2, 2, 209. 72 sn. noy. FCD. Bül.: n.f.
{recte?) PVLMA cf 2, 2, 869. 73 fify ydg iy.
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407
74 aXXog yivevat /rcrrij^, | aXkog d^anmg di}QOii}g.
^'Oaov üOKOv adiveg \ driXeaioi TtolXiyitg;
76 oaoq di ^^log avl^vyov \ xXanrjvai nov (fikiav;
^Eüx^giipai di xat naidsvaai, \ srteiT' ait^aü^ijpat
78 xai nixQcig dnohxßeiv \ twv novtav dyitöooBtg;
2ol de fitQiftpa naaa \ ngog &tdy ftot^ov iili7rin'-
80 1] XQtia d'£<yr' oXiyr] \ ^aCa i^ai ^avi^d axrnr^.
l4qi* i)g TteiQav xal XqiaiQ \ TTQog^yay' 6 nei^Uü*',
82 Uxf^ovg attiüv elg agrovg \ neivaivia ft€taatq€^}ai
fiv f.iri TtOi^^ l've'Aa firjdiy \ tcov atj^?*^*' i^tofuivfjg.
84 Ol; yeiQiüv el neveivtav \ axeiicog iQgqottivi^v^
Olh iy.lelilfei aoi xa/mlfdxrjg \ eXaiov riiarevoiCfi'
80 liOQa^ ae ^Qeipei Aaiyantq \ ^HUav iv fQi^ftt^*
^OQ^g @€7iXay fx nvQog \ xat &f]Qiwv yt/otncrt',
88 Ilavkov fteyav nBivüvva \ yf.ai ^lyolvta irqoi}i^imgy
^'Iva av /udO^fjg^ naqd^kVBy \ TrQog ^eüv ttovov fiXi7t€ti\
90 ck; iv €^i2)U(^o tqi(ftiv ' oiÖB xal fiiQtddag.
MaQaivEtai to xdHog, \ ij do^a na^ai^txw
enim erigit tbalamum, altera iungit sponso (?);
(74) alter fit etiam pater alter avus. (et add. E)
inspice {tt&Qtt statt u&Qouts ?) (75) quantum in bis
nialum sit. imperfecti frequenter atque infruc-
tuosi dolores sunt. (76> coniugium (coniugum?)
zelas furori (sorori E, furariV) non numquam
(Unicitias (77) enutrire etiam filios edocere et
postea contemni (78) et amaras recipere dolorum
retributiones. (79) tibi autem una (P) cogitatio
est: deum semper (P) aspicere. (80) necessarius
autem modicus victus et parvulum operimentum
(aper. E). (81) per baec etiam ChrJHto teata-
tionem tentator etiam obiecit (82) petena ab
ewuriente in panen uaxa converti. (83) nun quam
preter (propterVJ Uaec aliqaid turpe suÄtinen^,
(84 nm. ^ P! 85) Non defidet tibi eredenti
capsaci» olei tui* (HO) corvus te pa!¥cet aieut
Heliam in deserto. ^87) noTi (7-*) Tet'lam (fecl*
bam LFE) et ignera et u ferie effu^fisse. 83 disce
(ex 89) Paul am (paublum LFE) prompte non
solum esurieotem, verum etiam algentem, (Ö9) ad
deum titntuni virgo aspice, l90) qui \P) in he-
Ad. iiyuiff F n 6Uxx, PVLMAi 6 6'exx. FC,
6 6i X. D Bill. 74 d' om. PVLMA. 76 oao»'
Bill. 6f FC, DV. Bill.: om. PLMA evCvyov
FC, VP.: avityov D, LMA nov om. C (piXiay
VAc, Bill. : ifiliu FCD, PLM. A ade. 77 infn'
CD. PLb, Aa. Bill.: inniu F' etc. 78 aytiXa-
ßfty D, ttJioXttvfiy Bill, 79 «f« om. C ««a« FD:
fiia PVLMA Bül: nucu fiia C fioyoy FCD:
Uli PVLMA Bill. cf. r. 89. bO cf, 2, 4, 13
Md(a atfyij aoi xui axinti t6 tfoQfiop. iai^ FD:
rcTtü C. PVLMA Bül. fid(at C; V in marg.
ngtot, (fvQafiu. Hl et 82 laudat Cosmas HQoarjyay
FX: ngoaiiyciyfy Cosmas. PVLMA. Bill., inri-
yaytrD. 82nuyuiyn€CosM. FCD.BUl. V: Tifiytav-
rurf P, Tiutüiytt LMA; ef. 2, 2, 214 ft^t^tgitpru
Cosmas. Aa. BUl., 6t€t»g(i^€n CD. 83 ^i} ho^ D
BUl: f4t.r C, Tt^f' 1-, ,«*; ^t>rf PVMAL {noi' Lb}
/4fi6€Lb r* iwy PVLMA iärtof^iy^i BUL 84 hatte
cersum hatieni FCD. Bülr. omiitunt PVLMA,
ed. 1560 /oi'titt.*' ^ C ^ nfTtymf D. 85 ei 8S
latidat Ctwmas xafitf/Uia 1?, xtt^^dxnt PA. La,
Mab. HG fl* Sut&fitA^rn V, ^x&^itpit Büi., ^gi^ti
at C; 4. ^2, 2, 172. Hl et ^ laadai Cosmwi;
cf. 2, 2, 190, flpBf FCD, Cosm. Bilt.: o/J«c
P VLMA 9^ n^^ " ix 'f vyo v aar FC, ^rf^C t'xrf fvyov'
aay D, {non Cosmas). BS, cf\ 2, 2, 202 ßiyuif
nuy. F Cosm.: t^w ^iyatf nety, € Bül.^ rd*'
uiya Tiftv. Dt Jitit\ r^v 4*^7«*' PVLMA ^lyaty^a
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1
408
92 o nXovTog aiiiaxov ^pia^ \ to dvvaa^at d' okiyujy,
2v de Tov nlavov xoofiov \ zag OTQoqHxg ixqtvyotaaj
94 eiarikxfeg elg ta ayia \ xüv äyiiov yeluiaay
Kai avv ayyiXoig xoQevBig \ njv anavatov xog^iaw,
96 XQBioaova xonov hxxovaa \ viüv %ai O^vyaxi^tav,
!^IX* w TiaQd^svoi XQiOTOv I ^bvoixe yQtjyoQoiaai
98 xai qfaiÖQaig zov vv^q^iov | di^aa&e taig XafinaGiv^
^'Iva avveiaeX^ovaai \ rö xctiXog zov vvf4q>iov
100 idt]Te xat fiiy^ra | zolg avco ^varijQiOig,
remo pascere milia hominum novit. (91) mar-
cescit pulchritudo, transcurrit gloria. (92) divitiae
infideles res sunt, potestas ad modicum est.
(93) tu autem miserabilis (P) mundi delitias
(CD) fugiens (94) intra (P) in sancta sanctorum
exultans. (95) et cum angelis choros ducens
( duces ? ) incessabile tripudium, ( 96 ) meliorein
sortita locum a (et E) filiis et filialms. (97) sed
o virgines Christum amitinöte vigUant«« f^f et
splendificatissponsnm inffcipit^i lu.m|iadibus(99}ul
(et LFE) ingrediente."^ cum eo decorem thalami
(P 100) videatis et h\a rjuiie Muraum »unt p^-
sitis misceri mysttniis. Explicit beati Gregorii
Nazanzeni ad virf^ineiti Li explicit epistök ür»
N. ad V. E: Beatirtflimi Ur. N* ejqilicit opus-
cula F.
DP. Lb. Ma. Vm. 1. Aa m. 1. 90 oq: dtog
FCD. Bül. ol6(y P Mab. Aac. 92 6i VLMA
oXiyoy La. 93 nXdyov FCD. Bill.: jttntit'ov
PVLMA atQO(pas FPVMA. Lb.-. rpoy«V La,
tQv(pdg CD. Bül. 94 ugtiX&n FCD. Bill.:
ftgeXSe PVLMA. 95 xoQ^vfif FCD: /ogivois F,
XO(f€iafig LMA. Bül, P corr., x^gevcig P ante
corr. 97 /Ahirf VP, fAkytixh D, /^iyowSt La,
fiirfirt Bül 98 (pmdguif D Si^aaSt FCD. Bül. :
SixfoS'f VP. Lb. Ae. Ma m. 1. Aa m. 7, Sexoia&f
La. Acd. Mbc. Ma corr. Aa corr. 99 yvfi^iov
FCD. Bül: yvfjKfüiyog PVLMA. 100 ttdr^xi
P. Aa. Subscriptio in V ÜQog na(i&ipoy itfC"
patyf fixog.
Hymnus extat in codicU)tt8 PVLMA. FCD.
deinde in Ab = Vindob. theol 19 f. 95; B =
Monac. 216 f. 336; G = Monac. 416 f. 169.
Fxhortationem sequitur nullo spatio intermisso
in PLMA; exhortatio neque 2^<^cedit neque se-
quitur in Ab. BG. ^ Jac. Tollius *Insignia iti-
neris Italici 1696 p. 96 primus ex codd. F et D
hymnum edidit; cf. Santen ad Terentiannm rers.
1633, quem e.vcerpftii Mnlittvh Gramm, p. 71.
In 'Poetae graeci ceierv^t (Wr*». Alloht'. lüH
tom. II p. 189, iif Thfinui'ii htimn. Dattitlit^ 111
p. 14 et in Anthaiogiti \V. Chriittii tantummmfn
versus 1 — 14 edtti »nnt; cf, codicem Vindob^
theolog. 101 No, 109 et 110 et 94. l^tuU:
vfiyog kantQiyog F^ v^rog Itm^infog ifr« ffp*f
t<p tiXft ii()fijLteyof fifiowg i(fi ni{fi TirtitStna^ t\
vfiyog lanf-Qiyog tlii tiqu^ tu teTlo^ i^gij^fAtyof.
ovtog ÖfJioiog tw rtf^l rtaijO-iyov^ D; tov txi'ior
vfjiyog ianf(Jty6s. ifuta^ßüt (^fiiu^ßot?) 0, ^fir^
kankQiyog. Jo^oXoyUt (Ttt Jtot'fij^: in fine Jo^o*
Xoyia: item in in di ff itrnettiis.ni fnl 4 Joioloyia V,
ubi initio hymni athcriptum e^t ^(tttTTOPot, *i*^
inde maiusctdis htterls zai nvto^ öfioio^ isti tf
7i(i6 ixvTov. Jo^uXfjytct B *"'/»( *'t)itr*t"W '^^''■
Hymnus ut p^'osa Hcriptujt enf in PVLMA {in
P versus punctis notnti ^ttnt}, itova liitea iir-
cipitur ab hemistichw qtmquf in Fi\ a r/rnfriu*
meis in BDG, ita ut efiam fincs muHnrüiH k*^
miMichiorum puncih notafi stnt.
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409
YMN02; ESnEPlNOS.
2i xat vvv evXoyovftev, \ XQuni fiov loye ^eov,
qxHg ex qxorog ava^ov \ xat nvevfta i^ ävafxov,
3 TQiTTOv (pctnog elg fiiav J d6§av a&QOitppiivov^
*Y)g ekvaag to axorog, \ dg vniaxrjaag ro qpcSg,
Jy' h qxaxl xTiajjg rd navta \ xai tijV aarccTov vXtjv
0 OTtjajjg jioQipdiv elg xoa^v | xat ttjv vvv evxoafilav^
*Y)g vovv iqxitioag dvd-Qwnov \ Xoyi^ %e xal aoq)i<f
XaftnQOTtjZog z^g avw \ xal xotco d-etg eixova,
9 IVa q>€JTi ßXinrj to (pwg \ xai yivrjftcai q)Cug olov,
2v qxaaxf^qaiv ovqovov \ xaTf/vyaaag noixiXoigy
av vi^xa aal f^^i^av \ älXrihaig eixetv iqniiog
12 eta^ag vopiov Tiftwv \ adehpcrxrjfxog xal g>iliag.
Kai T^ fjiev ertavaag xonovg \ r^g noXvpioxd^ov aaQxog,
Tj d^i^yeiQag elg ^gyov \ i^ai nQo^eig Tag ooi q>ikag^
%va %d axoTog q)vy6vTeg \ (px^aata^ev elg iq^iigav,
16 iq^iQccv xr^v fAtj wxxi \ tj axvyvfj Xvo^ivrjv,
Sv fiiv ßaXoig iXaq)Qdv \ vrrvov e^oig ßXegxxQOigy
(ig ^rj yXdaaav vfiv(pd6v \ enl noXv vexQOva&ai
19 ^iJt' dvxiqxüvov dyyihav \ TvXdafta aov iqavxd^sLv,
2vv aol de xoixrj evaeßelg \ iwolag ha^ixct)
fiifjd^ evi xtav ^naQwv \ rj^i^ag vv^ iXiy^
22 lÄtjöe naiyvia wxxog \ hinvia d^Qoeitw.
Novg de xai ad^iaxog dixa \ aoly d'ee, nQogXaXeiTCJ,
X(^ naxqi xal T(p vl(^ \ xat xi^ oy/<^ Ttvev^axi,
25 ([f Ti^ij do^a x^oTog j elg xovg altivag, ^(x^v,
1 xni om. D ^bov (aov V. 2 nyel/Ätt i{ cibus omnibus, ifiigay om, Lb. 17 ßdXkots DV,
ayuQXov (sc. nyfvfiaro^) F {Poet.): ny^vfiatog Mc. BG, ßaUig PL. Ade. Mab. 18 t^fAyijSoy
ayägxov CD, nyfv^atos xafjLia PVLMA BG. La. Ae. Aa. m. 1; P m. 2. 19 ^^'r« PL. Mab.
3 fit fJiiay: uyuQxov CD. 5 iy t(p ^*ozi VB Aacde, fiiq 6^ V ^üvxälay DAb: ijcrv/cefo« FC.
r« om. D ndyta xtiaßs D, xt^ajis del. Christ. BG. PVLMAacde. 20 svüfßfh FC. BG. Abd:
7 of: lic P. Mab. Aa m. 1; Ace. 8 triy aya» fvcffins D, ivaißeiag PVLMA ace. 21 fi>i6^ hi
P. Ma. Ace. Aa. m. 1. 9 ßXinei G; ßXennrai FDP, (Jiffii ri ceteri iXiy^ot B. 23 6k om.
€pmg V oXos Ab. 10 Xttifivyavcag Lb. 11 cv PLMAcde. Aa m. 1. Sf^ PLBMAce, t^ *fw
om. PLMA: habet FCD. Ab. BG. n^fty G, Ad (Aa m. 2.) 24 ry ter om. PLBMAaede.
ftxtjy P. 12 cr^cX^porj^Tf D, (id€Xg>iXfjg g>iX(as 25 ^ t. d. xQdros om. PLBMAaede f«V t- «<•
Christ. 13 ro fiiy D nokvfAogtpov D. 14 to 4' D t&y aioiytoy. 'Jf^r^y V, yvy xat nee xai fis rovr
6k PABM fif om. B igya Ab. 15 Kpd'daofiiy D. aitSyac rtSy aUiyiuy. dfiijy Ab.
16 versus delendus esse videtur; adest in codi-
Abh. d. I. CL d. k. Ak. d. Wi88. XVII. Bd. II. Abth. 53
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Beilage 11.
Der altertliümlichen Formen wegen gebe ich hier den Gesang, welchen Ktra
Analecta Sacra I p. 481 ans Cod. Vatican. 771 fol. 183** gedruckt hat. Ktra be-
merkt, dass nach jeder Strophe dieses Gesanges ein Vers des 118. Psahnes ge-
schrieben sei. Wenn auch die Formen (vgl. oben Note zu S. 346) sich mit Ghregor
von Nazianz nicht vergleichen lassen, indem die 2. Halbzeile einen festen Tonfall hat^
so herrscht doch so viel Freiheit, dass ich es nicht wagte, den Text aus metrischen
Gründen zu ändern. Am Schlüsse jeder Langzeile steht in der Handschrift: '^
Kai Tt^L&exai 6 li^iog atctvQog x,at nQoaxwovvTeg xpdiXofiev zov dlqxxßrjrov
j
TovTOv, fix. y.
a ^jx^vTfig ^EßQaicjv. (DaQiadioi iraQcivofiOi'
Kord Tov oaniJQog' Tcovrjqd eßovXevoavto'
BaQaßßäv ^vi^aavto' oi q)Oveig rov 6fi6g>QOva'
Tov^ öi eveQytTrjv axav^tad^xw exQccvya^ov.
riyovag i^axaQa' kxovaiwg ftaxQod'i'ide'
tva^ i^ayoQdajjg' ix.^ t^g vLavaqag tov av&QWTtov.
^ijfiog ziüv '^Eßoaivjv* (navQUßd-r^Tw ixQavya^ov.
aov de vipuj^evTog' ol 7cea6vTeg dviavrjaap.
ß! *Ev fxiaij) dvofiiDV* tov tov^ vofAOv gwXd^avra'
^kip TCQoariXwaav' ^lovdaioi naqdvo^oi.
ZflXov dveÖT^aaro' Kaidg>ag 6 avofiog*
ßovl^^ avfißovXevodjievog* dveXeiv as dd-dvave,
^'HXoig TCQoarjkvi^r^g' dve^Uaxe Kvqu,
6* Talg adig nakd^atg' iihaoTovqyr^aag tov dvd-qtaTCOv.
Qavdzov iyevao)- d^avartiaag tov &dvaxov*
xai TQvg zed'vsohag' dg i§ vfcvov dvaarriaag.
1 ^poff statt toy Pitra. 4 toy tov hat die Handschrift.
2 Ty P. 5 ßovXfi ist vielleicht zu tilgen.
3 «f del. Pitra; cf. Strophe P. 6 6 Pitra vgl. Str. S, nai Hdschr.
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411
/. ^lovdag ij^^ijacrro* o XfjaTtjg (ofioXoyriae,
yvfjLvov d-eaadfAevog' rov Tr^v xTiaiv xoaim^aavTa,
Ktiaig idovelzo'' xat zag TtaTQag dUQQrj^e,
fiij q>iqovaa ßlirteiv tov deanotrjv atavQOVfievov.
^oyxj] T1JV TcXevQav aov' ol noQavofioi ew^av.
ccvtog de tag nvXag' TcoQadeiaov avi(f)^ag.
Meaotarjg iq/Äigag' aweaxotaaev ijXiog.
fÄtj q>€Qwv OQov 06' ^€T* dv6fAU)v avcevQOVfievov,
'd Naov öieQQayr] to* q>aidQ6v xaTaniTaa/ia.
%r(v ToXfiav iUyxov twv otovqovvtwv a«, kvqw
SvXii» TiQoaTjhji&rjg ' dve^iyiane tciqu.
6 Talg aaig naXdfÄaig' TtXaoTOVQyi^aag tov avd^Qwnov.
**0^og iv T^} (snoyyi^' xal xoAijv ae inoTiaav.
TOV iv yjj dvvÖQqf' noTafAOvg avaßXvaavta'
TlikaT(^ TvaQedwxav • tov aunf^qa di ävofAOi.
TOV dtdovra vofÄOV ^ij q>oveveiv tov dUaiov,
i, ^Paniapia idi^cj syLOvalcog fAoxQO&vfÄe,
%va^^ i^ayoQaarjg' ix Tijg dovXeiag tov avd^Qwnov.
2TavQ(^ ae uQoarihjjaev' 6 Xaog 6 rvaqavo^og.
avTog de tol xXeid-Qa' tov d^avoTOv owiTQiipag,
TaqpijV xaTedi^iü' hxovaicjg fAOXQodvfie.
%va k% TOV TOLipov* dcpaQndajjg tov dvd^QWTtov
^Yxpw&Big ijti ^vXov iv xqavi^) d&dvoTe'
inoQxhjoag tov d^dvoTOV t<^ d-avdTqp aov KvQie,
0dßg xai dq>&aQoiav 6 OTavQog aov ißXdaTrjae.
TOV ^ ^ dwfAvelv aa dd^dvoTe,
0 Xaog 6 7caQavofÄOg.
iv iQJii^({^ o/ÄßQUJavTa,
Tijv ^x Tdq>ov aov iyeQaiv,
daiy'qTCjg öo^di^Ofiev.^^
xai cpddvd-QCJTtog xtQie'
dwfjLvovvtag Ta ndi^i} aov.
q)WTi^(üv Ta edyrj'
XoXrjv ae^* inoriaev'
TOV avTolg to fidwa'
WevdovTai ^EßQoior
rpf ndvTa Ta sdyrj-
'ßg^* d-eog olxTiQfianf
aüaov Tovg iv TtiaTei'
7 iSoyeho PUra, iiofjuixoi Hdschr.
8 ro ist verblichen.
9 l6ü)Xtty Pitra.
10 Tr* schrieb und ix tiljfte Pitra; vgl. Str. r.
11 tov tilgte Pitra.
12 <yf tilgte Pitra; vgl. Str. O.
18 So^a^ojiAiy, nicht SoJ^aj^ofAfSu Hdschr.
14 Vielleicht ^.
53*
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Beilage m.
Sechszeilige Bftthsel in rythmischen Hexametern.
Die folgenden Riithsel sind bis jetzt in 5 bis 8 Handschriften gefunden worden.
By codex Bemensis 611 saec. VIII, eine Sanunelhandschrift, enthält auf Bl. 92
ein Inhaltsverzeichniss, in welchem vorkommt: XVIII de olla de lucema de sale de
mensa de calice de litteris (Titel von Räthsel 1. 3. 2. 5. 6. 25); auf BU. 73 — 78
stehen die Räthsel: 3, dessen Anfang noch fehlt, 2. 5. 6. 8. 9. 12. 13. 11. 14. 15.
17 — 27. 29. 30. 32. 34. 35. 36; dann fehlen Blätter; auf Bll. 79 u. 80 steht ein
Stück von 56, dann 57—60. 62. 61. Die Räthsel 4. 7. 10. 16. 28. 31. 33 hat also
sicher der Schreiber von B weggelassen.*) Verglichen von Hagen bei Riese, von üsener
bei Brandt und von mir.
i, die Handschrift Rep. I. 4. 74 der leipziger Stadtbibliothek saec. X, eine
Sammlung antiker und frühmittelalterlicher Gedichte, enthält von Bl. 15 an die
Räthsel 1 — 62 , dann ein prosaisches Räthsel De ove und zum Schluss ein sechs-
zeiliges De vino, von ähnlichem Bau, wie die unseren. Die Handschrift beschrieb
M. Haupt (Ber. d. sächs. Ges. d. Wissenschaften 1850 p. 3 u. Opusc. I, 286), er-
wähnte Riese Anthol. H. p. LXVII, und verglichen C. Schenkl, H. Zimmern für
Brandt imd ich.*)
A^ Handschrift des Klosters Admont No. 277 saec. XII, enthält vor den Origines
des Isidor auf Bll. 1 — 7 die Räthsel 1—28. 30. 29. 31 — 62; dann das prosaische
1) Die 30 Rubriken Bl. 19 ^Capüulacio triginta capUum, I qui natus fuerit vitalis erü.
II mediocris erü, III morosus erü. bis XXVIIII honus et providus erü. XXX neglegentias
mvAtas facü. enthalten nicht, wie Hagen meint, den Eapitelindex eines Buches Me hominis viiüs
et virtutibus', sondern eine Tabelle für die 30 Monatstage zum Zwecke von Nativitätsbestimmung.
2) Vgl. über die Händschrift noch L. Müller im Rhein. Museum 25 S. 453 und Baehrens
Poetae lat. minores lY p. 9. Den Werth des darin enthaltenen Fragmentes von Oyids Metamor-
phosen in, 131 — 252 hat Gl. Hellmuth nachgewiesen in den Sitzungsberichten der Münchener
Akademie Yom 5. Mai 1883.
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413
Rathsel de ove gleich L; das halbpoetische Räthsel de vino fehlt, dagegen folgt ein
2. prosaisches *£W res aUqua etc. Die Handschrift wurde verglichen von C. Schenkl
und von mir.
F, Handschrift der Wiener Hofbibliothek No. 67 saec. XII, enthält fMch den
Origines des Isidor auf Bll. 168 — 170 die Räthsel 1 — 28. 30. 29. 31—62; dann
de ove gleich LA; de vino (L) fehlt hier wie in il; den Schluss bildet wie in A das
prosaische Räthsel ^E^ res dliqua! Der Text ist abgedruckt von Fr. J. Mone in
seinem Anzeiger 1839 S. 219 — 229; verglichen wurde die Handschrift von C. Schenkl,
von C. Wessely fElr Brandt und von J. Huemer fOr mich.
t;, Handschrift der Wiener Hof bibliothek No. 2285 saec. XIV, stimmt im Inhalt
durchaus mit V. Erwähnt ist sie von Mone, verglichen von Wessely für Brandt,
theilweise von Huemer fElr mich.
Par., Riese Anthol. 1 p. 296 erwähnt zu Räthsel 2. 5. 6 Lesarten der pariser
Handschrift 8071 saec. X. fol. 57, und
P Anthol. 2 p. LXVI zu Räthsel 25. 50. 13. 6. 1. 5. 35. (Bährens Poetae IV
p. 16) Lesarten der pariser Handschrift 5596 saec. IX. fol. 165.
C No. 1825 der Bibliothek von Thomas Phillips zu Middlehill, jetzt in Chelten-
haro, saec. XI enthält nach den Instructionen des Commodian, wie Prof. P. Enoell in
Wien mir freundlichst mittheilt, zunächst Gedichte : Adam et Eva *Eva coliunba* (Migne
Patrol. 60 p. 90, 61 p. 1075); dann In aula S. Dei genetricis Mariae *Hic veneranda
rudis sacrantur culmina templi^ dann 62 lateinische Räthsel; dann Eugenii Toletani
*Rex deus inmensus' (Migne 87 p. 359); ein Gedicht, das beginnt 'Altithronus sacra
rutilans de sede supemus' und schliesst 'Abluas ut noxas probrosi sanguinis ostro.
Von den Räthseln hat Enoell die 3 ersten abgeschrieben; es sind No. 1. 3. 2
unserer Sammlung; von den 3 letzten hat er notirt: De penna. De spongea. De speculo
Nulla mihi certum est. NuUa est peregrina figura. Pulgor inest intus divini syderis
inaestur. nihil ostendit nisi quod viderit ante. Dies letzte Räthsel ist von Sjmphosius
(No. 69 ; divini sideris instar ebenso in der historia ApoUonii statt radianti luce corus-
cans) und es ist wohl auch de penna = Symph. 85 de pema und de spongea =
Symph. 63. Es scheinen also Räthsel unserer Sammlimg imd des Symphosius gemischt
zu sein, wie oben in P (Par. 5596), wobei nur auffallend ist, dass die Zahl dieser ver-
mischten Räthsel 62 betragen soll, genau so viel, als unsere Sammlung allein zählt.
Die Stellung von Räthsel 3 vor 2 (= B) und die Lesarten in Räthsel 1 — 3 lassen
eine Untersuchung der Handschrift wünschenswerth erscheinen.
Werth der Handschriften.
Die Handschriften BLAY gehen auf eine verlorene Handschrift zurück, welche
schon durch Fehler, wie 13, 3 *dum, 34, 3 parvus in genere für parvo sim genere,
entstellt war. Aus derselben stammt B einerseits, anderseits das verlorene Original
von LAV.
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Die Bern er Handschrift (B) ist nachlässig geschrieben; das zeigen Fehler der
Art: 5, 4 turpUer me modo für turpi m. m.; 22, 3 operans für oberrans; 32, 5 gravis-
simum für gravis sum; dann ist der 6. Vers von R. 32 vor den 4. gestellt; besonders
oft fehlen Wörter: so 11, 5 avis; 20, 3 semd; 26, 3 sublimi; 34, 5 utero; 35, 6 signa;
32, 4 hanc ego genero; 15, 6 der ganze Vers.
In dem verlorenen Original von LÄV stand nach R. 62 das prosaische Räthsel
De ove ^Unum nomen nuncupatur (bei Mone gedruckt); der Text war schon vielfach
entstellt; so hatte dasselbe 12, 4 simtUttim für sepuUum B; 12, 5 tumor (L) oder
ümor (AV) für tmMÜor B; 19, 3 vale (LA) oder vaMe (V) für gladio B; 21, 6 dim-
tiarum für dulce B; 34, 5 u. 6 doctorem und parturientem für dolorem und parturiefUi BJ
35, 5 donentur für figantur B; 60, 3 mirantihus für mirandas B; Wörter fehlten z. B.
20, 5. 41, 5. 43, 6; schwanken kann man 3, 5 zwischen ntdlus (nuUum) me cofUinget
von B und nolo me contingat von LAV.
Aus dieser verlorenen Handschrift stammen einerseits die Leipziger, ander-
seits das Original von AV. L ist zwar an manchen Stellen schlechter als das Original
von AV; z. B. ist verschrieben 2 Titel lucerna für scde; 24, 3 falsa für tensa BAV;
29, 1 praelucem für praelucens BAV; 29, 6 diverso für de vero BAV; weggelassen ist
30, 5 volo (BAV) und 14, 5 der ganze Vers (BAV)\ durch Verschrei bung oder grobe
Interpolation sind Worte zugesetzt in 60, 2; das nach dem prosaischen Räthsel
De ove zugesetzte Räthsel De vino ^Pulchrior me ntdlus\ welches nur in L steht, ist
zwar kaum echt, zeigt aber im Bau doch noch einiges Bewusstsein vom Bau der
echten Räthsel.
Das verlorene Original von -4F, in welchem die Räthselsammlung in der Nähe
der Origines des Isidor geschrieben war, hatte nach dem ersten prosaischen Räthsel
ein zweites prosaisches ^Est res aliqm; dann war das 29. Räthsel nach dem SO. ge-
setzt- Der Wortlaut selbst war in dieser Handschrift schon mehrfach verdorben.
So 12, 2 ähor (A) oder et teror (V) für ä tormenta BL; 17, 2 extra (AV) für exta L;
26, 4 magnari me ptttant (A) oder magnae reputant me (V) für ignari me putant BL;
62, 3 paretur (A) oder queat {V) für conetur BL. 8, 1 war zu 7, 6 gezogen und der
Titel von 8 vor 8, 2 gestellt; 25, 2 war nos, 46, 3 die Worte versa mihi pedum
viee (L) weggelassen.
Die Admonter Handschrift ist durch mancherlei Nachlässigkeiten entstellt;
so 12 tit. urhano statt grano BLV; 36, 3 atU vemi statt atUumni BLV; 18, 1 fehlt
maneo (BLV); 41, 5 ist efficior zugesetzt. Allein von dem sonst ihr nahestehenden
Originale von Vv, das jetzt verloren ist, trennt sie vor allem ein Merkmal. In dieser
Handschrift waren, wahrscheinlich um quantitirende Hexameter (vgl. 38, 6. 40, 6.
41, 5. 62, 5) herzustellen, die Wörter ausserordentlich oft umgestellt. Auch
sonst finden sich in Vv die Spuren eines kecken und nicht ungeschickten ümarbeiters ;
so hat er z. B. 12, 6 die Lücke von LA richtig erkannt und mit fruäu ausgefüllt;
ebenso kann ich die mit B stimmenden Lesarten 35, 1 u. 2 commendat und honesta
nur auf Gonjektur dieses Ümarbeiters zurückführen, da die Lesart commendet und
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anusta in L und Ä beweist, dass schon die gemeinsame Vorlage von LÄV diese Les-
arten gehabt hat; ebenso steht es mit aduror 19, 4 (BV) gegen adustor (LA). Von
den sonstigen Fehlern notire ich nur den ausgefallenen Vers 53, 6.
Die beiden Wiener Handschriften stehen sich au&serordentlich nahe; die Haupt-
unterschiede haben die Hände der Correctoren geschafiFen; so hat 10, 6 F valdiü,
V auf Rasur vcUet; 13, 1 ist tma in V und v zu um gebessert; 50, 1 u. 3 u. o8, 5 hat
in V der Corrector das Richtige an den Rand geschrieben. Sonst halten sie sich die
Wage: hat v z. B. die schlechteren Lesarten in 1, 5 sum statt possum; 6, 2 nuroM
statt miros; 7, 1 sequar statt sequor; 11, 1 vivo portans statt vivens porto, so Imt dafür
an andern Stellen V die schlechteren z. B. 14, 2 annis superhos peractis statt ammquc
peractis superhos; ist z. B. 39, 5 propriis erecta in v umgestellt zu ereda proprik, so
ist es in V noch verschlechtert zu surreda propriis. Eine glückliche Conjektur machte
der Schreiber von v in 16, 3 constringo statt confringo.
Schon hieraus erhellt, dass eine Anzahl von Handschriften verloren oder ver-
schollen ist: die gemeinsame Vorlage von B. LÄV, dann die von LÄV, die vou AV
und die von Vv, Hat man überhaupt die Gedichte des frühen Mittelalters biß jetzt
wenig beachtet, so konnten besonders solche anonymen Stücke leicht übersehen werden.
Desshalb ist zu erwarten, dass noch ein und die andere Handschrift auftaucht und
die Verbesserung des Textes ermöglicht. Das ist zu wünschen, da besonJers die
Räthsel, welche nur in den Handschriften XJ. F überliefert sind, noch viele schwierige
Stellen bieten. Ich habe die Lesarten der Jfferner, leipziger und -Ädmonter Hand-
schrift vollständig mitgetheilt; da, wo die Bemer Handschrift fehlt, habe ich die
Lesarteil der Wiener Handschriften (7 und v) vollständig, sonst nur in Auswahl notirt;
dagegen habe ich die Umstellungen der Wörter, welche in V und v von Anfang bis
Ende äusserst zahlreich sich finden, fast nirgends angegeben, da dieselben nur mUssige
Erfindungen dessen sind, der das Original von V und v geschrieben hat. Wer die
sämmtlichen Varianten von Fund v kennen will, kann sie in Brandt's Ausgabe finden.
Sprachgebrauch. Ort und Zeit des Dichters.
Ausser Eigenthümlichkeiten, welche bei lateinischen Schriftstellern der .spüteisten
Zeit des Alterthums mehr oder minder häufig begegnen, wie z. B. patria ^ terra,
finden sich in diesen Räthseln entschiedene Barbarismen. Einige seien liier hervor-
gehoben.
Von den Substantiven ist zu bemerken R. 16 cedria = italienisch cedro; 28 dt
sirico = Seidenraupe; 31 nimpha = Röhrenbrunnen mit Drücker; 5, 6 per amjula;
19, 6 plurem lucrum (?); 34, 1 cmgusto alvo; 36, 2 stfb tellure. Ausser der sonnst nicht
seltenen Comparativbildung 49, 2 maior a patre und 9, 1 senior ah aevo findet sich
26, 1 muUo sum parvtdo parvus und 57, 3 nuUa mihi vehx avis inventa volatu. Nullu^
hat den Genitiv nuUi in 22, 2 opes ego nulli guaero, sed confero cundis und 53, 3 äfmm
nuUi guaero; den Dativ nüUae in 5, 5. Nee ullus = nullus steht 2, 6. 42, L 43, 4.
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nee umquam = nnmquam 35, 3. Von den Yerba scheint gebraucht 12, 2 tris-
tent ^ tristentur; 42, 1 me durescere vcM transitiy; ebenso 44, 5 vilescii
In 42, 6 torpescere pulckros und 61, 5 pulchriar torpentem vuUu non despidt scheinen
die Stämme torp und turp yerwechselt zu sein. Von den ConiuncHanen ist dum fast
überall für ctim gesetzt; 29, 5 schein licet mit Indikativ verbunden zu sein. Post-
quam hat die Bedeutung von postea und steht sogar am Ende des Satzes, so 32, 4
quae me concepü, hanc ego genero postquam; ygl. 24, 5. 52, 5. Et steht oft für sed.
Sed und nam stehen willkürlich im Anfang der Wörterreihe oder spater, n am hat
meistens gar keine Bedeutung wie 9, 5. 14, 5. 16, 3. 23, 2. 39, 2. 40, 6. 51, 4.
wie atdem steht es in 19, 4 c(iesa vivü maier, ego nam flammis aduror, ähnlich 17, 5.
5, 3; unklar ist 22, 6 und 24, 1. Nee ist weggelassen in 55, 5 amrna nee cato
nee cetera membra, ebenso in 41, 6 und in 59, 5 imber, nix, pruina, gl(Kies nee fulgora
nocent. Von den Präpositionen ist In weggelassen in 18, 1 u. 2 maneo süvis tmd
habUo campis. Infra steht wo man intra erwartet; so in 53, 1 venter mihi nuOus,
infra praecordia nuUa; ebenso 8, 4. 19, 1. 36, 5. 52, 3. Sub findet sich neben der
gewöhnliehen örtlichen Bedeutung in den Verbindungen nuUo sub pondere 7, 4 u. 24,6;
pondere sub magno 60, 4; muUo sub numero 54, 1; nomine sub uno 54, 2; nuüa sub
arte 61, 3. De steht besonders bei den Ausdrücken des Erzeugers (3, 1. 19, 2. 23, 2.
38,1. 50,1. 51,1. 52,1), dann ähnUch ßr (15, 3; 4. 16,4. 20,1. 24,2. 33,5.
43, 2; 3. 47, 3); endlich in den Verbindungen 15, 5 <2e meis fructibus edit; 44, 4 vaem
de luce referta; 56, 6 tedos de peph.
Diese Dinge sind zum Theil der Art, dass in den Zeiten, wo die lateinische
Sprache noch einigermassen lebendig war, kein Dichter sich dieselben gestatten konnte.
Sie verweisen also die Entstehimg der Räthsel in das 7. oder 8. Jahrhundert. Die
von Brandt S. 106 — 109 angeführten Aehnliehkeiten mit den Räthseln des Symposius,
Anselm und Tatwin geben kein Lieht für die Zeit unseres Dichters, da nicht klar ist
wer Vorbild, wer Nachahmer war. In die Zeit nach Justinian weist die genauere
Eenntniss von den Seidenraupen in Räthsel 28 und 43.
Wenn ich also in der Abhandlung über die lateinischen Rythmen S. 192 die
rythmischen Hexameter in die Lombardei um 700 versetzt habe, so stimmt damit
zimäehst die Sprache dieser Räthsel, dann aber auch der InhaU, Denn mit Ausnahme
der fruchttragenden Palme in R. 15, welche nach Afrika (locis desertis) zeigt, passen
einerseits die Erwähnung von Schnee und Eis (R. 38. 42. 59), anderseits die genauere
Schilderung von Pflanzen und Früchten, wie Reben und Wein (R. 13. 50), Oliven
R. 14, der grossen Qtronen (cedri) R, 16, Senf R. 26, Papyrus R. 27, Crocus R. 36,
süssen Kastanien R. 47 , sowie der Seidenraupen R. 28 und 43 , durchaus auf das
Land zwischen den Alpen und der Küste von Genua.
Ueber den Versbau siehe oben S. 278—282.
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Die Ausgaben.
Zuerst druckte Mone in seinem Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit VIII,
1839, S. 219—229 den Text der wiener Handschrift (V) ab; dann notirte M. Haupt
1850 das Vorkommen der Räthsel in der Leipziger Handschrift (L); 1869 gab Riese
in der Anthologia lat. I p. 296 (praef. p. XL VI) den Text der Bemer Handschrift
nach der genauen Abschrift H. Hagen's und im 2. Band (1870) p. LXVI Nach-
träge nach Mones Abdruck. 1880 veröffentlichte K. Sehen kl im 2. Bande der
Wiener Studien ausgewählte Lesarten der Leipziger, Admonter und Wiener Hand-
schriften. 1883 endlich gab P. Brandt im Tirocinium philologum sodaUum .r.
seminarii Bonnensis p. 101 — 133 die Räthsel selbst nach der Berner, Leipziger
und den beiden Wiener Handschriften heraus. Obwohl er die Ausgabe mit Besonnen-
heit gemacht und vielfach dasselbe gefunden hatte wie ich, hielt ich doch die Ver-
öffentlichung meiner Arbeit für nützlich. Die Bemer, Leipziger und Admonter Hand-
schriften habe ich, Dank der Güte der Bibliotheksvorstände, selbst vergleichen können ;
der Güte des Herrn Dr. Joh. Huemer verdanke ich die Vergleichung der Wiener
Handschrift No. 67 (7) und eines Theils von No. 2285 (v). Wie oben bemerkt,
gebe ich sämmtliche Lesarten von BLA; die Lesarten von V sind fast stets gleich
denen von v; ich habe sie, da wo B erhalten ist, nur in Auswahl, sonst vollständig
notirt, doch fast niemals die äusserst zahlreichen Wortumstellungen.
De olla Ego nata duos | patres habere dinoscor;
prior semper manet, | alter qui morte finitur.
Tertia me mater | duram moUescere cogit,
et tenera gyro | formam adsumo decoram.
NuUum dare victum | frigenti corpore possum,
calida sed cunctis | salubres porrigo pastus.
2 De sale Me pater ignitus, | ut nascar, creat urendo
et pia defectu | me mater donat ubique.
Is, qui dura solvit, | hie me constringere cogit.
nuUus me solutum, | ligatum cuncti requiruut.
Opem fero vivis | opemque reddo defunctis;
patria me sine | mundi nee ulla valebit.
QÜESTIONES ENIGMATÜM RETHORICAE ARTIS L Incipiunt queationes enigmatum
rethoricae artis claro ordine dictatae AVv, (sed artis reth. Vv, dictante Ä) Enigmata in dei
nomine Tullü 0. 1 LAfFjP 2 prior qui s. m. a. qui mortem f. P alterque V (Brandt) morte:
uita C 3 duram Endlicher (in catcUogo codd. Vind.J: duinim C dura LÄPV coget C 4 giro ÄPC
formam ex formata corr, L adsummo 0, assumo A V formata summo figura P; cf, 3, 2. 5 nulli P
ingente P 6 calidas et A, calidos et iunctis V sed om. P porrego PC pastos PC. 2 BLA
Par. Aenigma 2 post 3 ponit BC (Brandt) tit. De lucerna i 1 Me mater LC ingenitum L
2 Epia C defectum C mater me A mi Par, C 3 His Par, duram Par. soluet A durat
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 54
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3 De lucerna He mater novellam { vetus de germine finxit
et in nullo patris | formata sumo figuram.
Oculi non mihi | lumen ostendere possunt,
patulo sed flammas | ore produco coruscas.
Nolo me contingat | imber nee flamina venti,
dum amica lucis | domi deleetor in umbris.
4 De scamno MoUibus horresco | semper consistere locis;
ungula nam mihi | firma, si caute ponatur.
NuUum iter agens | seasorem dorso requiro,
plures fero libens, | meo dum stabulo versor.
Nolo frena mihi { mansueto iuveni pendas,
' caleibus et senem | nolo ne verberes ullis.
5 De mensa Pulchra mater ego, | natos dum coUigo multos.
cunctis libens trado, | quidquid in pectore gesto.
Oscula nam mihi | prius qui cara dedemnt,
vestibus exutam | turpi me modo relinquunt.
NuUae sicut mihi j pro bonis mala redduntur;
quos lactavi, nudam | pede per angula versant.
6 De calice Nullius ut meam | lux solam penetrat umbram
et natura vili | miros postpono lapillos.
Ignem fero nascens, | natus ab igne f atigor;
nuUa me putredo | tangit nee funera turbant.
Pristina defunctus | sospes in forma resurgo
et amica libens ] oscula porrigo cunctis.
solue G constringire B coget Par, C 4 Noli C solutum ligatum (äe nomine masculini et
neutrius generis genus masctUinum, feminini gentis femininum in aenigmate adhibetur): solutum
legatum Par,, solutam ligatam (leg. B) BLÄVC (Brandt) cunctique A 6 sine me patna AV
fine Par. mundus L. 3 (B)LA(V) Aen. 3 ante 2 habet BC (Brandt) 2 formam L; cf, 1, 4
3 michi A hie et ubique mei C . . dire posaunt codex B incipit possum C 4 patolos et Ä,
patulaa et F 5 nolo et contingat LAVC (cf. 4, 5): nulluni et continget 5, nullus et contingit
Riese hymber C flamma L, flamine AV 6 Sum Biese delegor Hagen; cf, 30, 4 umbria V
(umbra Brandt), umbras BLAC. 4 LA(V) 1 mollibus Meyer (Brandt): mollior LAV; cf. 15,
1. 61, 1. 2 nam om. AV ponitur L 5 mansuetudo A (v) 6 senem A, semen i, senum V yet-
beres Meyer : uerberer LA V (senex . . verberer Gercke). 6 BLA Par. P 1 natus A coUego
B Par. Ego mat. ornata d. collego multus P 2 Cuctis B lib. tr. qu. PV: tr. q. 1. B Par. LA
3 Oscola B 3 — 6 Oscula nam quae cara expoliata uestibus quos ego lactaui nuda me pede per
angula uersant P 4 turpi (LAV): turpiter B 5 nuUae B Par,, nulli LAV redd. m. p. b.?
reddunt AV 6 nuda me p. P, L m. 1; nudam pede me V angula LVP: ungula A, angulos
B Par. 6 BLAP Par. De vitro P 1 nulUus Riese: nullus BLAVP Par. uti V Nulli
sicut Hagen meam : mea P, mequam L sola A V Par., om. L. umbraignem P 2 post 3 P
natural! uili miri Par. bile.P miror B labellus P 3 ferro P faticor Par. 4 putride B
tegit L 5 pristinam defunctis Par., prestinam P suspis B, suspes P formam P 6 oscola BP
porrego BP Par. 7 LA(V) aenigma equidem nondum intellcri 1 uisica A, L m. 1 2 uerbere A V
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7 Pe vesica Teneo liquentein, | sequor membrana celatum;
verbero nam cursu, | visu quem cemere vetor.
Impletur invisis | domus sed yacua rebus
permanet, dum vicem | nullum sub pondere gessi.
Quae dum clausa fertur, | velox ad nubila surgit,
patefacta nullum | potest teuere liquentem.
8 De ovo Nnti mater ego, | natus ab utero mecum.
prior illo non sum, | semper qui mihi coaevus.
Yirgo nisi manens, numquam concipere possum,
sed intaeta meam | infra concipio prolem.
Post si mihi venter | disruptus ietu patescit,
moriens viventem | sie possum fundere foetum.
9 De mola Senior ab aevo | Eva sum senior ego,
et seneetam gravem | nemo currendo revincit.
Vitam dabo cunctis, | vitam si tulero raultis.
milia prostemo, | manu dum verbero nullum.
Satura nam victum, | ignem ieiuna produco
et uno vagantes | possum conprendere loco.
10 De scala Singula si vivens | firmis constitero plantis,
viam me roganti { directam ire n^abo.
Gemina se soror | raeo si lateri iungat,
coeptum valet iter | velox percurrere quisquis.
Caput pede mihi | nisi calcaverit ille,
raanibus quae cupit, | numquam contingere valet.
11 De nave Mortua maiorem | vivens quam porto laborem.
dum iaceo, multos | servo, si stetero, paucos.
Viscera si mihi | foris detracta patescant,
vitam fero cunctis | victumque confero multis.
Bestia defunctam | avisque nulla me mordet
et onusta currens | viam nee planta depingo.
8 sed: si? Brandt 4 uicem L, cibum ÄV nuUo Brandt sub: de V. 8 BLÄ(VJ v. 1
priori aenigmati adiunxit et tit. ante v. 2 posuit Ä V (tion BLJ 2 prius B que L m 2 coauus A V
3 concipire B 4 intactam A intra Hagen 5 patiscit B 6 fundire fetuni B 9 BLA tit. om.
A (habet V) 1 aeuasura L, euasym A (euasi V); HevaV 2 senecta AV 3 multos, i aupra
o scripta A 5 uictu L 6 uacantes BAV, cauantes L conprehendere LAV, conpraehendire B
loco Biese: locum BLAV, 10 LA(V) tit. om. A (habet V) significantur scälae, non quae
muro arbori etc, apponuntur, sed duplices, quae sibi ipsae opponuntur 1 Singula AV: singulis L
3 86 Meyer Brandt: sed LAV lateii Meyer (Brandt): latere LAV, latera Schenkt 5 Caput
pede mihi Meyer: subito pedem mihi LAV, subito pede me Brandt (me pede poscit rythmus)
6 qui A capit Schenkt corrigere A V. 11 BLA inter 13 et 14 })ositum est, in B 3 viscera =
merces patiscant B 4 c/*. 9/ 3 5 bestea B defuncta B, decunctis L m. 1 auis om, B
quae B fnordebit F, memordit BL, momordit A. 12 BLA tit. De urbano A (grano 7) 2 et
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420
12 De grano Mortem ego pater | libens adsumo pro hatis
et tormenta simul, | cara ne pignora tristem.
Mortuum me cuncti | gaudent habere parentes,
et sepultum nullus | parvo vel funere plangit.
ViK subt-erreua | pusillus tumulor urua,
sed maiore possum | post mortem surgere forma.
13 De vite Uno fixa loco | longinquis porrigo victum.
Caput mihi ferrum | secat et brachia truncat.
Lacrimis infecta | plura per vincula neetor,
simili damnandos | nece dum genero natos.
Sed defuncti solent | ulciaci liberi matrem,
sauguine dum fuso | lapsis vestigia versant.
14 De oliva NuUam ante tempus { trilustri genero prolem
annisque peractis | superbos genero natos.
Quos domare quisquis | valet industria parvus,
cum eos marinus | iunctos percusserit imber.
Asperi nam lenes | sie creant filii nepotes,
tenebriä ut lucem | reddant. dolori salutem.
15 De palma Pulchra semper comis | locis consisto desertis,
ceteris dum mihi { cum lignis nulla figura.
Duicia petenti | de corde poma produco
nuUumque de ramis | cultori confero fructum.
Nemo qui me serit, | de meis fructibus edit,
et amata cunctis | flore sum socia iustis.
IG De cedria Me raater ut vivam, | spinis enutrit iniquis,
faciat ut dulcem, { inter acumina seryat.
Tereti nam forma | camem constringo rubentem
et incisa nuUam { dono de corpore guttam.
tormenta: et hör Ä^ et teror V nee L tristem Hagen: tristent BÄV^ tristant L 3 -ps^rentem AV
4 flimultum LA V nuUis A 5 tumolor B, tumor L, timor A V urita A 6 maiori LA V sur-
gire B forma om. LA, fruetu V. 13 BLAP uinia P 1 Una f. locum longinquos porref?:o
uictos P Una Vm. 1. porrego B. 2 ferum seccat P 8 infectam A plorat P oincla B
4 simeli damnanda B, simile damnandus P, aimili donandos A nee L natos P 5 sed: giqae P
6 sanguinem dum furum P lapis L uersaret L, 14 BLA 1 nullam BV: nulla LA tri-
lustri vel trilustre Meyer, lustri B, inlustrem L, illustrem AV 2 amnisque L 3 donare B quis
LAf quiuis V panrus Hagen: paruos BLAV 4 iunctos Brandt: iunetus LAV, iunctis B
5 a^perrimam lenes B lenis AV filio (o erasa) B in L deest 5 versus, cuius loco leguntnr
verba Tenebris ut lucem reddant Herum in sequenti versu scripta, 6 dolori Riese: doloris BLV,
odoris A. 16 BLA 2 ceteris «. h m, 1. B 3 patenti L 4 cultore B, nullo et cultore Riese
5 de meis BV, meis de L, de am. A aedit L 6 versum om, B amita A, 16 LA(V) cedri
nee pix nee fructus lälus significari potest; significari mihi videlur pomum citri (citriaej, qw>d
Itali cedro vocafU; cf. Bapt. Ferrarius, HesperideSy 1646, tob. 59 — 63, 73, l versum priori aemg-
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Mellea cum mihi | sit sine sanguine caro,
acidum eructant | exta reclusa saporem.
17 De cribro Patulo sum semper | ore nee labia iungo.
incitor ad cursum | frequenti verbere tactus.
Exta mihi nulla; | manu si forte ponantur,
quassa mitto currens, | minuto yulnere rupta.
Meliora eunetis, | mihi nam vilia servans;
vacuumque bonis | inanem cuneti relinquunt.
18 De seopa Florigeras fero | comas, dum raaneo silvis,
et honesto vivo | modo, dum habito campis.
Turpius me nulla | domi vernacula servit,
et redacta vili | solo depono capillos.
Cuneti per horrenda | me terrae pulvere iaetant,
sed amoena domus { sine me nulla videtur.
19 De piee Dissimilem sibi | me mater coneipit infra.
et nuUo virili | creta de semine fundor.
Dum nascor sponte, | gladio divellor a ventre;
caesa vivit mater, { ego nam flammis aduror.
NuUum elara manens | possum concedere quaestum,
plurem fero lucrum, | nigro si corpore mutor.
20 De melle Lucida de domo | lapsus diffundor ubique,
et quali dimissus | modo, non invenit uUus.
Bisque natus inde | semel in utero cretus,
qualis in conceptu, | talis in partu renascor.
Milia me quaerunt, i ales sed invenit una
aureamque mihi | domum depingit ab ore.
21 De apibus Masculus qui non sum, | sed neque femina, coniux
filios ignoto ] patri parturio multos.
mati adiunxit A (non V) enutrit F, nutrit LA 3 teretinam LAV forma Brandt: formam
LAV camem Meyer: ceratam LAV, ceram Brandt constringo v: confringo LAV 4 incisam A
6 acidum et reclusa Meyer: acetum et clausa LAV extra AV; exta sed Brandt. 17 BLA
2 ad: in LA cursu L tactus: ictus L 3 extat B, extra A nullam A manus Bücheier
4 quassa mitto Meyer: quas (quos V) amitto BLAV rupta Meyer: ruptus BLV^ ructus A
5 servo? 6 inane B, 18 BLA scupa B 1 gero B maneo om. A (non V) 2 honesto:
habito A 3 seruis X 4 et om, B uile B 5 horrendam A in corr. terra B per horrendam
me terram Hagen puluire B, pulvera? 6 amenta A 19 BLA concepit BL intra Hagen
2 uirile B creata B 3 Quae dum? nascor om, A (non V) gladio: uale LA (ualde V)
Dum nascor gladio sponte (contra rythmum) Brandt a matre Hagen 4 aduror B V, adustor LA
5 concedire B, concere L 6 plurimum f. lugrum B; lucrum; Plurem f. quaestum? cf, 24, 1, 2
nigrum LA muto L. 20 BLA 1 lapsu V 3 idem V (ed, MoneJ; rede? semel in om. B
4 concoeptu X, concepto B parto B 5 alis LA, alis s, l, m. 1. B sed om. LAV 21 BLA
1 mascolus B qui Hangen (q: B), que AV, quoque L 2 lillos L patre B 3 tantum BLAV
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Uberibus prolem | nullis enutrio tantam;
quos ab ore cretos | nulla de venere sumpsi.
Nomen quibus unum | uatisque conpar imago,
meos inter cibos | dulci conplector amore.
22 De ove Exigua mihi | virtns, sed magna facultas;
opes ego nulli | quaero, sed confero cunctis.
Modicos oberrans | cibos egena requiro
et ieiuna saepe | cogor exsolvere censum.
Nullus sine raeo | mortalis corpore constat
pauperaque multum { ipsos nam munero reges.
23 De igne Durus mihi pater, | dura me generat mater;
verbere nam multo 1 huius de viscere fundor.
Modica prolatus | feror a ventre figura,
sed adulto mihi | datur inmensa potestas.
Durum ego patrem | duramque mollio matrem,
et quae vitam cunctis, | haec mihi fünera praestat.
24 De membrana Lucrum viva manens | toti nam confero mundo
et defuncta mirum , praesto de corpore quaestum.
Vestibus exuta | multoque vinculo t^nsa,
gladio sie mihi | desecta viscera pendent.
Manibus me postquam | reges et visu mirantur,
miliaque porto j nullo sub pondere multa.
25 De Utteris Nascimur albenti | loco sed nigrae sorores;
tres unito simul \ nos creant ictu parentes.
Multimoda nobls { facies et nomina multa
meritumque dispar | vox et diversa sonandi.
Numquam sine nostra | nos domo detinet ullus,
nee una responsum | dat sine pari roganti.
26 De sinapi Me si visu quaeras, | multo sum parvulo parvus,
sed nemo maiorum | mentis astutia vincit.
4 cretu8 LAV nullo de uentre (o ex am? carr. B) BLAV\ sumsi B-, n. d. viscere s. Brandt.
n. d. ventre resumsi Büch^hr, nulla de venere s. Hagen, 6 me LA V dulce -B, diuitiarum LA V.
22 BLA 2 nullius AV 3 operans contra rythmum B aegena BL 4 sepem A exsoluire B
6 ante 3 posuit Riese pauperaque F, paupera quem B, pauper atque L (Brandt) , pauperamque A,
pauper ego Hagen. 23 BLA tit. ante 22, 6 in A (non in V) 1 igni Jj Durum LA (hon V)
germinat X. 2 uerbera B uiscire B, uiscera L 3 figuras L 4 mensa A facultas F. 24 BLA
1 lugrum B viva Biese: uita LV rede = in vitaV cf. 18, 1, uitam BA manes L toto L.
tota AV 3 tensa: falsa L 4 defecta A pandent A 5 vers. ante 1 posuit Biese uiso B,
uisum A. 25 BLAP tit. }X)st 25, 1 ponit A 1 albenti loco Meyer, Brandt: albentibus locis
BLAlP sororis P 2 uniti F, uno A nos om. AV icto B 3 cf 4 om. P multa moda A
5 detenet B 6 pari: p P. 26 BLA tit, om. L 1 paruolo paruus B; cf. 57, 3 2 astucia B
3 sublimi om. B umero B, humore A 4 magnari me A; magnae reputant me F 6 corde
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28 De sirico
Cum feror sublimi | parentis humero vectus,
simplicem ignari | me putant esse natura.
Verbere correptus | saepe si giro fatigor,
protinus occultum | produco cordis saporem.
27 De papiro Amnibus delector | molli sub cespite cretus
et producta levi | natus columna viresco.
Vestibus sub meis | non queo cernere solem,
alieno tactus | possum producerev lumen.
Filius profundi { dum fio lucis amicus,
sie quae vitam dedit | mater et lumiua tollit.
Arbor una mihi | vilem quae conferet escam,
qua repleta parva | yellera magna produco.
Exiguos conlapsa | foetos pro munere fundo
et ales effecta | mortem adsumo libenter.
Nobili perfectam | forma me Caesares ulnis
I infra supraque mirantur.
praelucens texerit umbra,
devota porrigo vultus.
I vivos non genero natos,
diffimdo visu figuras.
Exiguos licet | mentita profero foetos,
sed de vero suas | yidenti dirigo formas.
Nullo firmo loco | manens consistere possum
et vagando vivens | nolo conspicere quemquam.
Vita mihi mors est, ) mortem pro vita requiro
et volanti domo | semper amica delector.
Numquam ego lecto | volo iacere tepenti,
sed vitale mihi | torum sub frigora condo.
29 De speculo
eflferunt et reges
Uterum si mihi
proprios volenti
Talis ego mater |
sed petenti vanas
30 De piscibus
Brandt, 27 BLÄ 1 omnibus Ä cispite B 2 leue B airdisco B 3 non queo X, non quero
ÄV, nequeo B cemire B 4 tactus Schenkl: tectus J5, testis LAV; aliena tectus Biese pro-
ducire B 5 filios B profundo Hagen fior B (Brandt), figor AV, fio, litera post o erasa, L
6 que AV, qui BL, 28 LA(V) serico AV; hoc nomine gen, fem. non polest non significari
bombyx. 1 qui L conterat V (Brandt) 2 parva Meyer, paruua i, paruis A V (Brandt) uellere A
produco uellera magna F, rede? 3 exiguus LAV 4 et talis V 5 perfectam Meyer (Brandt),
perfectus LAV formam AV 6 effertur A infera L. 29 BLA Aen. 29 post 30 pofiunt AV
(non BL) 1 Utur si L praelucem L umbram AV 2 uolente B porrego B 3 Tales LV
(Brandt) 5 Exiguus LA (non V) mentia L faetos B 6 Sed diuerso L. 30 BLA praecedit
aen, 28, sequitur 29 in AV pisce L (Brandt) 1 firmo LAV, firmusV, firma B (Brandt) con-
siitire B 2 uacando LAV nolo Brandt (Meyer): nollo B, nullum LAV conspicire B quae-
que AV 3 est et BLA V, et del. Riese 4 uoluenti LA V (Brandt) 5 volo oni. L, uolo lecto A
6 sed om, L uictale, c deleta B ; vitalem Hagen thorum A V frigora LA^ figura B, frigore V.
31 LA(V) De nimfa i, Desiphone? Brandt; nomine 'nirapha siphonem sigmßcari puto 2 ebriura
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31 De nympha Ore mihi nuUa | petenti pocula dantur,
ebrius nee nuUum | reddo post inde fluorem.
Versa mihi datur | vice bibendi facultas
et vacuo yentri | potus ab ima defertur.
PoUice depresso | conceptas denego limphas
et sublato rursum | diffusos confero nimbos.
32 De spongia Dissimilem sibi | dat mihi mater figuram;
caro nuUa mihi, | sed f viscera vacua latebris.
Sumere nil possum, ] si non absorbuero matrem,
et quae me concepit, | hanc ego genero postquam.
Manu capta levis, { gravis sum manu dimis^,
et quem sumpsi libens, | mox cogor reddere sumptum.
33 De viola Parvula dum nascor, | minor eflfecta senesco
et cunctas praecedo I maiori veste sorores.
Extremos ad brumae | me prima confero menses
et amoena cunctis j verni iam tempora moustro.
Me reddet inlustrem | parvo de corpore sumptus
et viara quaerendi | docet, qui nulli videtur.
34 De rosa Pulchram in angusto | me mater concipit alvo
et hirsuta barbis | quinque conplectitur ulnis.
Quae licet parentum | parvo sim genere sumpta,
honor quoque mihi | concessus fertur ubique.
Utero cum nascor, | matri rependo decorem
et parturienti | nullum inäigo dolorem.
35 De lilio Nos pater occultus j conmendat patulae matri
et mater honesta | confixos porrigit hasta.
Vivere nee umquam ; valemus tempore longo
et leviter tactos { incurvat aegra senectus.
Oscula si nobis | causa figantur amoris,
reddimus candentes | signa flaventia labris.
nee ullam . . fluore Schenkt 4 imo V 5 pollice X, police J., poblice V 6 diffaso Ä V njmbos Ä
32 BLA spunfpa B 1 pater LAV 2 sed membra vacua? vaga Hagen, yasta Biese, cava
Schenkl; sed deL? Brandt; conferunt Symphosii 68, 2 Viscera tota tument patulis diffusa cayemis
3 sumire B nihil BLA mater L 4 hanc ego genero om, B 5 gravissimum B demissa BA V
6 quem Meyer, quae BLAV sumsi B reddire sumptum B. 33 LA{V). 3 Ad extremos?
prima Meyer: primo LAV mensis LA, mense V 4 uinctis L 5 reddit V 6 qui (sumptus?):
qua Schenkl, quae (via)? 34 BLA 1 pulchram Meyer Brandt: pulchra BLAV concepit B
conc. mater A 2 irsuta A 3 parvo sim Hagen, parvus in BLA V sumta B 4 fertor B 5 utero
om, B dum A V doctorem LAV 6 parturientem LA V nullo B. 36 BLAP de liliis Brandt
1 commendet LA {non V) patola matre P 2 onusta LA (non V) confixos Meyer Brandt: con-
fixus LAFV, coniux B porregit BP 3 uiuire B tempora longa P 4 in B vers, 6 ante 4
positus est, leviter et ? tactus B 5 oscola B causa figantur B : causa donentur A V, donentur
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36 De croco Parvulus aestdvas | latens abscondor in iimbras
et sepulto mihi | membra sub tellure vivunt.
Frigidas autumni | libens adsuesco pruinas
et bruma propinqua | miros sie profero flores.
Pulchra mihi domus | manet, sed pulchrior infra
modieus in forma | clausus aromata vineo.
37 De pipere Pereger externas | vinetus perambulo terras
frigidus et tactu | praesto sumenti calorem.
NuUa mihi virtus, | sospes si mansero seraper;
vegeo nam caesus, | confraetus valeo multura.
Mordeo mordentem, | morsu nee vulnero dentum.
lapis mihi finis, | simul defectio lignum.
38 De glacie Corpore formata | pleno de parvulo patre,
nee a matre feror, | nisi feratur et ipsa.
Nasci vetor ego | nisi *genito patre
et creata rursus | ego concipio matrem.
Hieme conceptos | pendens *servo parentes
et aestivo rursus | ignibus trado coquendos.
39 De hedera Arbor mihi pater, | nam et lapidea mater;
corpore nam moUis | duros disrumpo parentes.
Aestas me nee ulla, | nee ulla frigora yincunt.
bruma color unus | vernoque simul et aestu.
Propriis erecta | vetor consistere plantis,
manibus sed alta | peto cacumina tortis.
40 De muscipula Vinculis extensa | multos conprendo vagantes
et soluta nuUum { queo conprendere pastum.
Venter mihi nuUus, | quo possint capta reponi,
sed multa pro membris | formantur ora tenendi.
Opes mihi non sunt, | sursum sed pendor ad auras.
nam fortuna mihi I manet, si tensa dimittor.
causa L amori AV Osculum in nobis feruntur causas amores P 6 reddemus P, sed red-
dimus AV signa om. B in labris P 38 BLA 1 pafvolus B 2 sepultum LAV tellore B
tollere L 3 autumni : aut uemi A (non V) pruinas : brumas B 4 brumae codd, ; propinquam A V ;
bruma aut propinquus Meyer ; ahlat, seil, aetate Brandt 5 intra Hagen 6 modieus LA V, modioos B ;
modica sub f. ? clausos B, clausis AV. 37 LA(V) 2 frigidis A 3 sospes om. V 4 vigeo V
5 uulnere A dentum Schehkl: dentem LAV; cf. Symposium de cepa (44) Nemo timet morsura,
dentes quia non habet ullos. 6 Lapsis L. 38 LA(V) formatam AV plena L {Brandt)
S congenitoV, post gen. Brandt 4 creata Riese^ creatam LAV 5 conceptos V: concoeptis L,
conceptis A conservo V 6 coquendis L ; coquendos ignibus apto F. 39 LA( V) edera L V
1 pater manet? lipidea L 2 dirumpo AV 3 nee ulla, nee ulla Meyer: n. u. ulla nee LA,
n. u. dura nee Brandt; Nee ei me ulla nee uine. fr. dura V 4 ealor A aesto LAV 5 Surreeta
propriis V (erecta pr. r). 40 LA( V) 1 eonprehendo LA vacantes LA V 2 conprehendere LA V
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 55
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43
41 De vento Velox nascens curro | grandi virtute sonorus;
deprimo nam fortes, | infirmos allevo snrsum.
Os est mihi nullum, { dente nee yulnero qaemqoam,
mordeo sed cunctos | silvis campisque morantes.
Cernere me nequit \ quisquaro nee tendere vinclis,
Macedo nee Liber | vineit nee Hercules umquam.
42 De glacie Arte me nee nlla | valet durescere quisquam;
efficior dura, | multos quae facio molles.
Cuncti me solutam cara per oscula gaudent
et nemo constrietam | manu vel tangere cupit.
Speciem *mihi | pulchram dat, riget et auctor,
qui saevus f abire | iubet torpescere pulchros.
De vermiculis Innumeros f coneipi amitto de nido volatus
siricis for- corpus et immensum | parvis adsumo de membris.
matis Mollibus de plumis | vestem contexo nitentem,
et texturae sonum | aure nee concipit uUus.
Si quis forte meo | videtur vellere tectus,
* * * excussam | vestem reicere temptat.
De margarita Conspicuum corpus | arte mirifica sumpsi;
multis Cava modis | genunarum ordine nector.
Publicis concepta | locis in abdita nascor.
vacua de luce | referta confero lucrum.
Nullum mihi frigus | valet nee bruma vilescit,
sed calore semper | mollis sopita fatigor.
45 De terra Os est mihi patens; | crebro si tunditur ictu,
reddo libens omnes | escas, quas sumpsero lambens.
3 Verter A nulus A possint Rkse: possim LAV 4 firmantur AV 5 sed: si Brandt tendor?
6 n. mihi f. remanet dim. si modo tensa F. 41 LA{V) 1 curro nascens A sonorum X, sonos AV
2 reprimo V relevo V S dentem A 4 cunctos: plures V 5 nequit Schenkly BücheUr: om, LAV\
cernere nee quisquam valet Bratidt quisquam efficior nee A ex 42, 1 et 2 quisquam vinclis
quoque neque teuere V tendere Meyer (Brandt): teuere LAV\ cf, 24, 3 vincula tensa; 40, 1. 6.
6 Herculis LA. 42 LA(V) Item de glacie LV 1 mea nulla L. m. 1, decrescere L 2 quae
Monei qui LAV 3 id est bibunt 4 contristam A 5 Speciem qui mihi? pulchram pater dat
Bücheier rigor F; rigor et äuget Brandt 6 seuos F saevos havere Bücheier cf, 62, 5. 43 LA{V)
sericis A 1 concepi A F; In. ego mitto Brandt 2 paruius A 3 et vestem e plumis F 4 auro A,
auribus F 5 videtur Meyer (Brandt) : uideatur LA V textus, c super x, A vellere tectus om. I,
in margine & tectus L 6 Protinus suppl. Meyer, Brandt excusam L vestem statim reic. F.
44 LA(V) tu. om, AV S concoepta L abdito Brandt (Meyer) 5 umbra L vigescit Riese;
vilescit, scü. me?; cf. 42, 1 durescere 6 molli F (Brandt). 45 (44 A) LA(V) Brandt: 'tu.
falsus, de mortario oel coticulo conlato Aldhelmi pentast, de coticulo (cf. Plin, N. H. 31, 100;
Isidor IV, 11, 7)*. 1 cf. patulae matri 35, 1 si Meyer: qui LAV, que Brandt 3 sitim quoque V
sentio : sitio L (Brandt) nulla A 5 eflfecta A ; per miros eflfecta F 6 quaeque mihi gelidum F.
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427
Nulla mihi fames | siidmque sentio nuUam,
et ieiuna mihi | semper praecordia restant.
Omnibus ad escam | miros efficio sapores
gelidumque mihi | durat per secola corpus.
46 De malleo Una mihi toto | cervix pro corpore constat
et duo libenter | nascuntur capita coUo.
Versa mihi pedum | vice dum capita currunt,
lenes reddo vias, | calle quas tero frequenti.
Nullus mihi comam | tondet nee pectine versat;
vertice nitenti | plures per oscula gaudent.
47 De castanea. Aspera, dimi nascor, | cute producor a matre
et adulta crescens | leni circumdor amictu.
-Sonitum intacta { magnum de ventre produco
et corrupta tacens | vocem non profero ullam.
Nulius in amore | certo me diligit umquam,
nudam nisi tangat | vestemque tulerit omnem.
48 Quattuor has ego { f clausa gerens figuras,
pandere quaa paucis | deposcit ratio verbis.
Himüda sum sicca, { subtili corpore crassa,
dulcis et amara, | duro gestamine mollis.
Dulcis esse nulli | possum nee crescere iuste,
nisi * amaro { duroque carcere nascar.
49 De pluvia Hirantibus cunctis | nascens infligo querelas;
efficior statim | maior a patre qui nascor.
Me gaudere nullus | potest, si terrae coaequor;
superas me cuncti | laetantur carpere yias.
Improbus amara | diffundo pocula totis,
et videre quanti | volunt tantique refutant.
50 De vino Innnmeris ego { nascor de matribus unus
genitusque nullura | vivum relinquo parentem.
46 (45 A) LÄ{V) cf. 53; Brandt: 'tit, mdlim de pistillo conl. Symposii 87* 2 libenter = saepeV
8 Versa mihi pedum v. habet X, am, AV vice Meyer, Brandt: uitae L capita Meyer: capiti
LA F, capite? Brandt pedum . . curro an pedes . . currunt? Brandt, 47 (46 A) LA( V) 2 vigens V
3 In tactu son. de v. profero magnum V 4 et F, sed?, om, LA vocem quoque prof. nullam F
nee ullam prof. vocem Brandt 6 et vestem F 48 LA{V) tit, et numerum om, LAV; de nuce
coni. Meyer, Brandt 1 has, supra lin, en iatas F, enixas v sum clausa gerens figuras Meyer;
Quattuor clausa gerens enixas ego figuras Brandt 2 verbis Meyer, Bücheier: bis L, lambis A.
breuis F 3 et (= etiam) om, V 6 nisi sub amaro Meyer, In amaro nisi Brandt renascar A,
49 (47 A) LAiV) 1 infligo F, infligor LA quaerelas L 2 deficior A, deficio F a = quam
quo (caelo)? 3 quo aequor L 4 cunctis A 5 Inprobis v in ras, 6 vol. quanti F. 60 (48 A)
LA{V)P De vinum P 1 ergo P, om. F 2 et genitus F qui P vivum Biese: uiuo P, uiuentem
LAV nullam vivam? Meyer relinco P, linquo F parentum P. 3 multae nascentes F, nas-
55*
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428
Multa me nascente | subportant vulnera matres,
quarum mihi mors est | potestas data per omnes.
Laedere non possum, me si quis oderit, umquam
et iniqiia reddam | me quoqiie satis araanti.
51 Multiplici veste | natiis de raatre producor
nee habere corpus | possum, si vestem amitto.
Meos, ubi nascor, | in ventre fero parentes;
vivo nam sepultus, | vitam et inde resumo.
Superis eduetus | nee umquam crescere possum,
dum natura corpus | facit succedere plantis.
52 De rosu MoUis' ego duros | de corde genero natos ;
in conceptu numquam | amplexu viri delector.
Sed dura infra meis | concrescunt filii latebris,
meum quisque nascens | disrumpit vulnere corpus.
Postquam decorato | velantes tegmine matrem
saepe f diligati | frangunt commune fortes.
53 Venter mihi nullus, | infra praecordia nulla.
tenui nam semper | feror in corpore siccus.
Cibum nulli quaero, | ciborum milia servans.
loco currens uno ' lucrum ac confero damnum.
Duo mihi membra | tantum in corpore pendeut,
similemque gerunt | caput et planta figuram.
54 Duo generarunt | multos sub numero fratres,
nomine sub uno | divisos quisque naturam.
Pauper atque dives | pari labore premuntur.
Centern P niatria P 4 morte mihi pot. Schlenkl omnis P 5 oderam X 6 me quoque Meyer,
Büchelen meoque LA; meo reddam quoque F. 61 (49 Ä) LA(V) tit. om. LAV; De ovo
M^ytr (cf. 8), De cepa Brandt 1 uestem -4 a F 8 meos ubi Gercke: meo subito LAV 4 nam-
que L 5 dedüctus F; Utero productua? 6 succendere F planctis A. 62 (50 A) LA(V) tit.
om, L. Item de rosü F 1 molles . . duro (Brandt) de corpore L 4 hascena L disrumpit vuhiere
MoHf. disrumiM) (dirurapo AV) uulnera LAV 6 diligati L, deligati -4, religati F frangant A
üomne L Saepe delicati frangunt acumine fortes = vulnerant spinis (cf, 16, 2) Bücheier; si
aiffnificatur fruiex msae, ex qxio spinae erumpunt, in v. 5 velantem (floribtis et foUis) scribendum
eMse mdetur. 53 (51 A) LA{V) tit. om. LAV; De libra Brandt; Meyer, De pistillo, de quo cf.
Symix>Mi aen. Bl Vna mihi cervix, capitum sed forma duorum. Pro pedibus caput est: nam cetera
corpore non sunt. 2 siccus Brandt: siccum LA, sicco F 3 quero L 5 pendent F, pendunt LA
{Brandt) 6 versum om. F. 64 {num. om. A) LA(V) tit. om. LAV; De librae lancibus Brandt,
qui tu, minime plncet 1 Quo A generarunt Meyer, generantur LA (Brandt), generant F multo
Brandt 2 divisiiB Brandt natura Meyer, Bratidt: naturam LAV 3 Prospere atque A, pauper
ac V 4 Pauper Meyer, Brandt: pauperea AV, pauperes et L habet F: habent A, habeant L
difea quae Meyer: diues que X^ (Brandt), diuites quam V requirit? 6 cf. 11, 2 Minimum nam
stantcH M. BMnujHncr amiciM, Nam stantes minimum (contra rythmum) Bücheier portent A cf 11, 2^
Ott {nam. om. A) LA(V) 1 Nomine A concreta F creatus enascorV 3 Verberibus Bücheier
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429
pauper semper habet, | dives quae saepe requiret.
Caput Ulis nullum, | sed os cum corpore cingunt.
nam stantes f enim { iaeentes plurima portant.
55 De sole Semine nee ullo | patris creata renascor,
ubera nee matris | suxi, quo crescere possem.
überibus ego | meis reficio multos.
vestigia nulla | figens perambulo terras.
Anima nee caro | mihi nee cetera membra.
aligeras tarnen | reddo temporibus umbras.
56 De verbo Una mihi soror, | unus et ego sorori.
coniux illa mihi, | huius et ego maritus.
Numquam uno simul | toro coniungimur ambo,
sed a longe meam | pregnantem reddo sororem.
Quotquot illa suo | gignit ex utero partus,
cunctos uno reddo | tectos de peplo nepotes.
57 De igne Prohibeor solus | noctis videre tenebras
et absconse ducor | longa per avia fugiens.
Nulla mihi velox | avis inventa volatu,
cum videar nuUas | gestare corpore pennas.
Vix auferre praedam | me corara latro valebit,
publica per diem | dum semper competa curro.
58 De rota Assiduo multas | vias itinere currens,
corpore defecta | velox conprendo senectam.
Versa vice rursum | conpellor ire deorsum
et ab ima redux | trahor conscendere sursum.
Sed cum mei parvum | cursus conplevero tempus,
infantia par est | simul et curva senectus.
59 De luna Quo movear gressu | nullus cognoscere temptat,
cemere nee vultus 1 per diem signa valebit.
egro A uberihusque meis e. saepe ref. V b de voce nee omissa cf. 41, 6; Non caro nee an.
mihi sunt V 6 Attamen V, 66 (wum. om, Ä) (B) LÄ(V) titutum falsum putantes cani. (De
vemoV), De anno Hagen, De sole (anno) et luna (mensibus) Bücheier, De caelo et terra Brandt;
at verbum nominis soror et maritus est et connectit singulas voces sentottiarum, (substantiva, adiec-
tiva, pronomina etc.) 2 cuius V 3 Nnmquam uno simul toro Meyer, Brandt; Nam numquam
(Non nunquam A) uno sed multorum LAV 4 de longe F a voce reddo redit codex B 5 suo
Hagen, suos B, suus LA gingit B partos B 6 uno: meo? peblo X. 57 BLA igni L-,
Brandt *tit, falsus. De luce'. De igne solis? 2 (longe Brandt) peruia fugens L fiilgens Brandt
4 oidar L corpori pinnas B 6 conpeta B, competo L versus posuit Biese 57, 5. 58, 2 || 58, 1.
3. 4. 5. 57, 6. 58, 6. Schenkeli dispositionem non intellego. 68 BLA cf. ad 57, 6. 1 itinere B
2 uelux conpraehendo B: conprehendo LA 3 renim LAV iure L 4 reduxi Av , conscendire B
5 mein L cursus B: cursum LAV conpl. temp. s. L m. 1. B 6 par Brandt: pars BLAV est
om, B, 69 BLA 1 quomodouear L gressu V: gressum BLA (Brandt) cognuscire B(V): ag-
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Quotidie currens | vias perambulo multas
et bis iterato | cunctas recurro per aDnam.
Imber nix pruina | glacies nee fiilgora nocent,
timeo nee ventum | forti testudine teeta.
60 De caelo Promiscuo per diem | vultu dum reddor amictos,
pulcher saepe est, sed | turpis, qui semper habetur.
Innumeras ego | res eunetis fero mirandas,
pondere sub magno | rerum nee gravor onustus.
Nullus mihi dorsum, | faciem sed euneti mirantur,
et meo cum bonis | malas recipio tecto.
61 De umbra Humidis delector | semper consistere iocis
et sine radice | inmensos porrigo ramos.
Mecum iter agens | nulla sub arte tenebit,
comitem sed viae | ego conprendere possum.
Certum me videnti | demonstro corpus a ionge,
po^itus et iuxta | totam me numquara videbit.
62 De stellis Milia conclusae | domo sub una sorores.
minima non crescit, | maior nee aevo senescit.
Et cum nulla parem | conetur adloqui verbis,
suos moderato | servant in ordine cursus.
Pulchrior torpentem | vultu non despicit uUa
odiuntque lucem, | noctis secreta mirantur. .
noscere LA 2 cemire B uelebit L 3 cottidie BAV 5 frigora A 6 forte B tecta B(Y)\
tectus LA. 60 (58 A) BLA 1 promiscuos LA V uulto B, uultu8 LA V vultu per diem errore
transposuit et diem tnonosyllabum putavit Brandt 2 pulcher Hagen: pulchrum BLAV est add.
Meyer: om, B {qui habet sed turpis); sepe qui AV, sepe reddet amictus qui L; Pulchrum saepe
reddo, (acü. noctis vultumj turpis qui Brandt 3 mirantibus LA V ß me B maus L tectu B.
61 (69 A) BLA in B (Brandt) 61 post 62 positum est 1 ümedis B; humili .. loco? con-
sistire B 2 radices B (Brandt) porrego B 4 ego viae Brandt conprehendere LA, conprae-
hendire B 6 numquam BLA, neque 4^, nemo Brandt? 62 (60 Ä) BLA 62 ante 61 posuit B
(Brandt) stillis B 2 seniscit B 3 partemJX paretur J., queat V alloqui B 4 moderatos LAV
5 'pulchrior L turpentem LA, turpem V vultum LAV dispicit B, displicit L ullam LA,
(pulchrior et vultum turpem non despicit ullum V metrice) 6 nocte B secreta secuntur V.
In codicibus LAV sequitur aenigma prosaicum editum a Mone Anzeiger 1839 p. 228. De oue A.
Item de oue LV (multos vestit: plures v. L; fortitudinem LAV), Beinde in L scriptum est
aenigma, quod simili, non eodem quo cetera rythmo compositum est:
Item de vino Pulchrior me nullus versatur in poculis umquam,
Ast ego primatum in Omnibus teneo solus,
Viribus atque meis possum decipere multos.
Leges atque iura per me virtutes amittnnt.
Vario me si quis haurire voluerit usu,
• Stupebit ingenti mea percussus virtute.
Huius aenigmatis loco in codd. A et V cdterum pros. additum est, a Moneo editum (ad
nullum gignitur A cibimi edit A tota uia sua A capiat quam non potest A),
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Beilage IV.
Exhortatio poenltendi.
Die hier zu behandelnden rythmischen Hexameter haben in neuerer Zeit ein
ungünstiges Schicksal gehabt. Pitra fand in einer Handschrift zu Laon ein Gedicht,
welches in einer jetzt in Madrid befindlichen Handschrift den Namen des Verecundus
trägt ; es beginnt *Qui3 mihi moesta dabit lacrymosis imbribus ora/ Diesem, in quanti-
tirend gebauten Hexametern geschriebenen Gedichte des Verecundus geht in der Hand-
schrift zu Laon unsere Exhortatio poenitendi voran. Da in deren Schluss sich die
Verse finden
Sequentia vero | carmina constructa lamentis
suspirando lectita, { nonnunquam plorando decanta,
da ferner Isidor in dem Buche De viris illustribus berichtet: 'Verecundus Africanus
episcopus (circ. 550 nach Christus) studiis liberalium litterarum disertus edidit carmine
dactylico duos modicos brevesque libellos, quorum primum de resurrectione et iudicio
8cri|isit, alterum vero de poenitentia, in quo lamentabili carmine propria delicta de-
plorat', so schloss Pitra unbedenklich, dass die beiden Gedichte der Laoner Handschrift,
erstens die Exhortatio poenitendi, dann das in der Madrider Handschrift bezeugte 'Quis
mihi moesta dabit^ die von Isidor bezeichneten beiden Gedichte des Verecundus seien,
und hat dieselben unter dessen Namen in dem Spicilegium Solesmense IV p. 132 — 143
gedruckt.
Diese Hypothese Pitras, der Baehr gefolgt ist, ist durchaus unrichtig.*) Denn
den Ausdruck 'carmine dactylico* hätte Isidor kaum gemeinsam gebrauchen können
1) Damit diese Erörterung nicht ohne Nutzen auch für Verecundus sei, bemerke ich, dass in
der Berliner Abschrift (vgl. Neues Archiv v. Wattenbach VI, 1881, p. 316) der Madrider Hand-
schrift am Schlüsse des Gedichtes 'Quis mihi moesta dabit' folgende echte Verse stehen, die in
Pitras Ausgabe, ich weiss nicht durch wessen Versehen, fehlen:
facta gravant curaeque homines et verba caducos.
Sordida peccandi triplex via panditur usu.
Eu mihi pervigiles avertunt somnia curae
Atque per occultos nocturna silentia planctus
Increpo perpetuas cupiens extinguere flammas
Nullam palpebris requiem delicta ministrent
Innuet infundens resoluto corpore membra
Ante fugit pressos requies quam tangat ocellos.
Espliciunt versi penitentie.
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432
von den so verschiedenen rythmischen und quantitirenden Hexametern. Dann mag
wohl das 2. Gedicht dem von Isidor gegebenen Inhalt entsprechen, allein das erste
handelt nicht de resurrectione et iudicio, sondern enthält nur eine Ermahnung zur
Busse. Den Hauptbeweis gegen Pitras Hypothese gibt die Gewissheit, dass die Ex-
hortatio pbenitendi zu andern Schriften gehört. In den Isidorausgaben (seit Du Breul,
Paris 1601) stehen drei Schriftstücke hintereinander, 1. die Exhortatio poenitendi in
rythraischen Hexametern, 2. das Lamentum poenitentiae in rythmischen Trochäen,
3. die Oratio pro correptione vitae et propter flenda semper peccata in Prosa. Diese
3 Stücke stehen in Du Breuls Ausgabe und in der St. Gallener Handschrift 269 zusammen
am Ende der Synonyma des Isidor. Dass diese handschriftliche Tradition die richtige
ist, ergibt vor Allem der Inhalt der Gedichte. Die Exhortatio enthält eine an einen
Sünder gerichtete Ermahnung Busse zu thun mit der Versicherung der Gnade Gottes.
Dem am Schluss angekündigten Gedichte
Sequentia vero | carmina constructa lamentis
suspirando lectita | nonnumquam plorando decanta
entspricht genau das folgende Gedicht, dessen Stropheninitialen das Alphabet bilden,
das Lamentum poenitentiae, wo stets ein Sünder zu Gott seine Sünden bekennt und
beklagt. In dem 3. Stück, der prosaischen Oratio pro correptione, wird auf die beiden
vorangehenden Gedichte Bezug genommen: 1) Auf die Exhortatio in den Worten
*dum in grabato multorum peccatorum saeculi huius mortifero quodam iacerem sopore
depressus, misisti gratiam tuam cum flagellorum strepitu suscitare danmabili torpentem
segnitia, ut apertis oculis expergefactus, dum nihil in me victus boni operis recognos-
cerem, venirem ad te'; dann 2) auf das Lamentum in den sich anschliessenden Worten
'Idcirco consurgens lamentationum clamoribus prece multifaria pietatis tuae pulsans
(pulsavi?) auditus per alphabetum, quod praemisi singulas eins literas rigans flumine
lacrimarum'. Dasselbe bezeugen die gleichen Ausdrücke, welche sich in den 3 Stücken
finden und die ich zu Theil in den Noten zur Exhortatio und zum Lamentum notirt
habe. Demnach ist es zweifellos, dass diese 3 Stücke von einem Verfasser herrühren,
und dass die Exhortatio nicht von Verecundus gedichtet sein kann, wie Pitra meint.
In den Handschriften, in welchen diese drei Stücke den Synonyma des Isidor
angehängt sind, werden sie auch dem nemlichen Verfasser zugeschrieben. Bei Arevalo,
Isidoriana cap. 81, 19 ffl., ist die Streitfrage über die Autorschaft des Isidor ohne
festes Resultat erörtert. Einigen Anhalt gewährt die Eigenthümlichkeit des Stiles.
Bei der Lektüre der rein grammatischen Zusammenstellungen in den Synonyma Ciceronis
kam dem Isidor der Gedanke, hiernach ein neues rhetorisches Kunstmittel zu bilden,
nemlich den gleichen Gedanken 3 und 4 Mal, nur jedes Mal mit andern, doch ver-
wandten Wörtern auszudrücken. So beginnt also die Schrift ^Anima mea in angustiis
est, Spiritus mens aestuat, cor meum fluctuat. Angustia aninii possidet me, angustia
animi affligit me. Circumdatus sum omnibus malis, circumsaeptus aerumnis, circum-
clusus adversis'. Dieses geschmacklose rhetorische Gesetz, wodurch wahrscheinlich die
einzelnen Gedanken den Hörenden fester eingeprägt werden sollten, die Vorstufe zum
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433
Litanei- und Rosenkranzbeten, findet sich auch in der Exhortatio, dem Lamentum
und der Oratio pro correptione. Vgl. Exhort. 100 ffl.
Sic denique poteris | evadere, qaidqoid exoptas,
quidquid claudit, obligat, | officit, affligit, obumbrat;
et ad dei gratiam | hoc modo redire gaudebis.
Quamvis sis peccator | impius, malignus, iniquus
criminis omnigeni { contagio dudum pollutus etc.
Ebenso finden sich in dem Lamentum und der Oratio so viele synonyme Wörter
oder Sätze, dass man trotz der sonst gedrungenen und bilderreichen Sprache dieser
Stücke bei Lektüre derselben wegen der Wörtermassen fast keine Gedanken festhalten
kann. Allein während jenes rhetorische. Gesetz in den Synonyma des Isidor von
Anfang zu Ende beständig durchgeführt wird, ist es in diesen 3 Stücken in manchen
Partien beobachtet, in vielen aber nicht. Damach ergibt sich der wahrscheinliche
Schluss, dass diese Stücke nicht Arbeiten des Isidor selbst, sondern eines Nachahmers
sind. So erklärt sich einerseits die Stellung dieser Stücke als Anhang zu den Syno-
nyma des Isidor, andererseits steht nichts im Wege, die hier angewendeten rythmischen
Hexameter den rythmischen Hexametern auf den longobardischen Inschriften, also
dem Anfange des 8. Jahrhunderts, nahe zu rücken
Handschriften und Ausgaben. Du Bretd (Paris 1601) sagt, er habe
eine Abschrift benützt *quam ex codice bibliothecae S. Mauri Fossatensis quondam
regularis Nie. Faber transcribi curavit'. Pitra^ Spicilegium Solesmense IV p. 132—137,
gab die Exhortatio heraus *Ex codd. Duac. 240, Paris. S. Mart. 82, Montepessul. 137,
collatis cum cod. S. Mauri Fossat. penes Breuliura; singulis assignata sunt A, B, C, D\
Damach sollte man meinen, die Reihenfolge der Buclistaben entspräche der Reihe der
genannten Handschriften; allein Pitras Note zu 120 Sicque Cyprianus: *Surius Cy-
prianus C^ wo bei Du Breul der bekannte Legendensammler Surius in den Text ge-
rathen ist, zeigt, dass Pitra mit C den Text Du Breul's bezeichnet. Wiederum gibt
die Vergleichung Du BreuKs mit Pitra's Text den Beweis, wie nachlässig Pitra's
kritische Noten sind. Das ist zu beklagen, weil die von ihm benützte Handschrift Ä
offenbar manche richtige Lesarten allein enthält. Mir blieb nichts übrig, als Pitra^s
Noten ihrer Unsicherheit willen nur in Klammem anzufüliren. Haussen (Dissert.
philol. Algentor. V p. 75 — 84) wurde zwar durch Pitras kritische Angaben zu irrigen
Ansichten über die Handschriften verleitet, hat aber die meisten Gesetze des Vers-
baues erkannt und darnach manche Stellen gebessert. Ich habe mit Benützung dieser
Vorarbeiten und mit Hilfe zweier alten Handschriften den Text nach Kräften sicher
gestellt. Doch sind noch manche Stellen unsicher und es*bleibt zu wünschen, dass
dieselben durch Benützung weiterer Handschriften, deren sicherlich noch manche zu
finden sind *), hergestellt werden. Ueber den Versbau der Exhortatio siehe oben S. 282.
1) Die von Gesner Bibliotheca unter Isidor erwähnte Züricher Handschrift findet sich nicht
mehr in Zürich.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 56
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434
Das Lamentam poenitentiae füge ich bei, weil es die Fortsetzung der Exhortatio
ist und mit dieser enge zusammenhängt, und weil es ein belehrendes Beispiel fär den
Bau der alten Rythmen bietet; vgl. über seinen Zeilenbau oben S. 283.
EXHORTATIO POENITENDI oum eonsolatione miserioordiae dei ad animam
flitura iudioia formidantem.
Cur fluctuas anima j merorum quassata procellis?
2 usque quo multimoda | cogitatione turbaris?
Mens confusa taediis | itinera devia carpens
4 tramites caliginis | subducta luce percurrit.
Non ablatas reculas { mundi fascesque suspires,
6 nee casus honoris | sed ruinas animae plora.
Non haec defunctoria | doleas exitia carnis,
8 sed perseuerantia | Tartan tormenta formida.
Nee aerumnas carceris | ambigas qua fine carebis,
10 sed iuges Avemi | miserias prospectans evita.
Quae hie quidem redimi j facili compendio possunt,
12 si mundi affectus j in amorem Christi conuertas,
Et tete non neglegas j ab iniquitate priuari,
14 cuncta peccatoria corde diuulsa propell&s.
Quae penitus respue | saltimque percussus abhorre,
16 ut sinceritate rudi | uel sero nitescas.
Abiecit te mundus, | percussit proscripsit derisit:
18 quare non consideras, | quid a te Christus exquirit?
Non humana manu { talia te perpeti putes:
20 sed haec provenisse | diuino iudicio crede.
Inritasti contra te dominum offensa delicti,
E = Cod. lat. mmac, 14843 aaec. IX fol, 68 — 68 post Lamentum sine titulo. G = God,
S. GalU No. 269 pag. 130—149, ex quo cod. S. QalU 223 f. 87—94 saec XII et cod, Findoö. 794
f. 17 saec, XII descriptos esse vidi, titulum om. E. poeniteDtia E, et misencordia E, ex miseri-
cordia Nicd, Antonius,
1 Quur E anima ahlativus, non vocatious. S itineris Br, Pi, 4 tramitem (Ä) percurri»
G. Pi, ') res cellolas E, Br, 7 defectoria G deleas G. E ezitio camis : et ista non camis (B, D).
9 aerumnis E abigas Br, qua: quas G. E, (A), quibus (B) Br., quae Pi, carebnnt (A.) Pi.
10 lugens infemi^ s, l. vel Avemi {A), 11 hie om, G, quidem om. Br, facile E, 12 amore G. E.
13 tete E (A) Pi. : ut te ö, te Br,, aeterna (B, D) aequitate {B, D) piari G. 14 peccata a Br.,
peccatori. a E corda (G) procellas G, propelles (A). 15 quae (ABD) Pi.: quas E, quasi G, re*
iniquas Br. penitus {A,) Br. Pi: spematus (B. D), penatus E, pennatus G respue (A) Pi, : renue G
{B, D), rennue E, remove Br. perculsus E, 16 ut: et {AB) Pi nitescas (A) Pi: renitaseas E^
renitaseis G, reniteas Br,; sine, eruditus vel serenus ea« (B. D). 17 proscripsit {A) Pi: que pro-
scripsit (B), que rescripsit E, G, Br. 18 ad te -E. 19 te perp. talia G. 20 pervenisse (A) Pi
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22 qui te flagiis argnens { corripit coercet affligit.
Flagelli irapendio | monet ut errata cognoscas '
24 et agnita penitens | corrigas distringas emendes.
Hoc sentire debes, | quod instans verbere plagae
26 pulsat, ut benivolus * * ♦ *
* * * * I malo segregatus existas
28 et perniciosa | respuens innoxia quaeras.
Vult contritionis | nunc examinare Camino,
30 quo conflatus pristinas | vitioruni sordes amittas.
Cur ergo perquaquam | diflFusus mente vagaris?
32 ad callem examinis ! sensus tui collige gressus.
Discute cor tuum, | cautius interroga raentem;
34 quid ludibriosum | retinet vel gessit, exponat;
Quid saevum, quid noxium | concepit vel operit, pandat;
36 et, dum est licentia, ' totum praedamnare festina.
Ecce pei-petrata J cuncta coram oculis adstant
38 et secreto murmure | mens universa proponit.
Quid admissa crimina ' nisi lamenta requirunt?
40 quid vult facti vulnus I nisi malagmata fletus?
NuUum sceius aliter | nisi poenitendo piatur,
42 immo puniendo, \ ne sit jam ultra, deletur.
Ergo si ruisse | nequiter vivendo displicet,
44 surgere decenter | melius agendo percurre.
Judiceni futurum j times perdentem iniquos:
46 nunc illum post crimina | opere iustitiae placa.
Atros ignes inferi, quod est mors secunda, pavescis:
48 sed admissa poenitens j puni peccatum et vives.
In hac vita lacrimis extingue tartari Üammas
21 te om, G deum G. 22 flagris urgens Roensch, Philo/, Anzeiger XII p, 309 coercit E, 24 distin-
guas E (Ä) emendas G. 25 inatanti (B. C) plagae {A) : om. cet, 26 pulsat in fine F. 25 Pi.
inatanti verbere pulsatus, ut ben. a malo Br. ben. ut Pi {A. B. C?)\ b. nialo ut Hanssen. 27 cf. Oral,
pro corrept, 42 segregasti me a peccatis. 28 pemeciosa G. 29 nunc te Br. Pi, exam. : exaestuare
{B. D\ cf, Orot, pro corrept, 33 proba me in camino bumiliationis, quo diutiun indignum examinas.
30 quo conflata sentinas vitiorum sordesque amittas Pi. (BD). 31 Quur E perquaquam : pio qua-
que (A) difiFusa Pi. {B. D) uagaris: uacua curris EG Br. {BC); cf. Lamentum 219 Vagus per-
quaquam defluxi, cucurri per avia. 32 collem (BD), calcem Br. tui sens. ö, sensum tuum (D).
33 sie EG, Br. at Pitra 'cautius; mens, interroga malum' cum nota 'Interroga, mens, quid BD.
aliquid deest in AC. Legesis: Mens interroget'. 34 et 35 loco quid ter habet quicquid E ludi-
brium Pi. concipit Pi. 37 constant Br. 39 amissa G. 40 Quic uul G. 41 expiatur EG Br. (BD).
42 cf. V. 48 Orat. pro corrept. cap. 9 homo poenitendo punit quod male commisit. 43 se ruisse (D),
servisse (B). 44 surgere E: surge G Br. Pi, percurre G (AB): precurre E Br. Pi. 45 timens Br.,
time Pi. (D). 46 hunc illum post saeculi crimina Br. 47 pauescis (A): pauesces (-BC) pauesce EG
Br. Pi. 48 admissum G peccata Br. Pi. (BC)\ cf. Orat. pro corrept. 10 punire peccatum.. poeni-
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50 et necando crimina | vires evacua mortis.
Mors illic non repetit, | quos hie viventes amittit;
52 nam, qui se peccato i dirimit, iustitiae iungit.
Et Spiritus vitae ' obsequens mandata eustodit,
54 peccata repudians | morti servire contempsit,
Ultra iam non moritur | nee mors dominabitur illi
56 neque eum tartarum | excipiet in morte, sed caelum.
Nullatenus dubites | in hoc nee umquam diffidas;
58 nam sie protestantia | divina dicta deeemunt.
Ad re^um profecto | transient cum Christo victuri,
()0 qui penituisse | mala perpetrata probantur.
NuUa te res dubium , de misericordia reddat.
62 nam parcere deus | promptus est clementer indignis,
Atque poenitentibus | veniam libenter donare;
64 tantum sie poeniteas, | ne iam poenitenda committas.
Et ob hoc irrisor i atque subsannator vocatus
66 vertas poenitentiam | in punitionem pericli.
Labor sine fructu est | et spes vanissima valde
68 sie peccata plangere, j ut non desinatur peccare;
Quasi quis instructa | destruat, diruta reformet;
70 si qnod lavat hodie, | polluat et sordidet item.
Sic enim non lotus | habetur sed semper inmundus.
72 nee capit huiusmodi i veniam, sed provocat iram,
quoniam non diluit, | sed dilatat criminum gesta.
74 tu denique cautius | talium exempla declinans
et peccasse poenite | et iam peccare desiste.
76 dissipa praeteritas | lacrimarum opere culpas.
Data elemosyna, \ si habes, redirae probra
78 et sequi vanissima respue, contemne, recusa.
Sit iam abdicabile, | sit abominabile semper
tendo punit. 49 ad flammas Pi. adn. 'Extrema tartari Ä\ 52 iungit: vincit {BD). 53 et spir.
obs. vitae qui m. c. ? , mandata qui cuat. (BD), m. c. qui pecc. Q, 54 qui peccato repugnans G
mortis opera contemnit (BD), contendit (C). 55 Ille jam ultra (BD), jam om, Pi. dorn, mora 6r,
illi (om. Ä). 56 tartarus et mortem (BD), 57 dubites recipi et in hoc (BD). 58 sit E protestantia
E Pi. (AB): protestanda Br. (CD), proteatantur Ö. 59 transient Pi. (ÄBD?): tranaierunt G Br.,
tranaierint E. 60 qui perp. mala poenit. Pi. (ex B?). 61 dubiam (B), 63 libenter om. 0. 64 sie
(ÄBD): 81 EG Br, Pi. penitena (A) ne Pi. (AB?): nee EG Br. 65 ob: ab G, om. E atque:
et G vocatur (A), 66 uertis G punitione Pi. (A) periculi EG. 69 quod ai Pi. (A ?) diruta EG Br. :
directa Pi. (AB?) reformet EG Br. (BC): deformet Pi. (A?). 70 ai EG Br.: et Pi. (AB?) lauet G
itemPi. (il?): cr&a EG Br. (BC). 72 non Pi. (A?) hoc modo? 74 deciinsaisEG Br.(AG): declina
Pi. (B?). 75 Et iam p. Br., Sed p. BD penitet jam Pi. (ex codd.?), penitere Br. 76 operi E.
11 Da EG Br. elemoainam EG Br. 78 contempnere cura E Br. (curam) G. 79 ait iam abom. (A).
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80 peccatura, quod caelo | distrahit, inferno deponit.
Melias eit regni | gloriam nitore capere,
82 quam regni iacturam | sordium horrore perferre.
Conversus ad dominum | posfc tenebras arripe lucem
84 amplectensque vitam | mortalia facta relinque.
Uli confitere; | compungere, plangito, roga;
86 die *peccavi nimium^ | 'parce, miserere' proclama.
Curva cordis genua \ prostratus corpore terrae,
88 obsecrans assidue | profusis lacrimis ora,
lenias ut humilis, | quem exasperasti superbus.
Nam dei clementiam | humiles et flentes acquirunt,
91 non ridentes impetrant | neque contumaces exorant.
Certo te poeniteant, | perpere quaecumque gessisti,
93 nt odiens horreas, { quidquid indecenter amabas.
Quod pudore congruo | rubor verecundus aspemit,
95 rite demum veniam | lacrimarum prece requiras.
His namque fomentis | animae peccata medentur
97 et omnia vulnera { priscam sanitatem receptant.
Sic namque divinum | sedabis cito fuj*orem;
99 sie profecto capies, | quidquid lacrimando deposcis;
Sic denique poteris | evadere, quidquid exoptas,
quidquid elaudit, obligat, | offieit, affligit, obumbrat;
102 et ad dei gratiam | hoc modo redire gaudebis.
Quamvis sis peccator | impius, malignus, iniquus,
104 crijninis omnigeni | contagio dudum pollutus,
Pete deo veniam { haesitans nequaquam in fide,
106 qui omni peecamine | eunetos poenitentes expurgat.
Omne demit facinus | vera poenitudo delicti.
108 nee est crimen ullum, | quod nequaquam lacrimae tergant.
Quamvis de iustitia | terreat iudicii dies,
80 in infemum EO Br, 81 carpere Br., captare Hansseny habere?, cupire Boensch, 82 errore E
perferre EG Br.: praeferre PL (ex ABB?). 03 deum G corripe G lucem EG Br, (D): lumen Pi.
{ex ÄB?y, 85 illi conf. (ÄB)\ conf. Uli EG Br, Pi, roga om. E, 86 peccaui domine nimium G.
87 Cordis gemitu curva c. g. G terrae Pi. {ex Ä) : terram (5), in terra EG, in terram Br, 88 ob-
secrans Pi, {ex ABB?): obsecra EG Br, profusis EG Br.: perfusis Pi. {ex ABD?); obsecra ass.
perfdsTis lacrimis ora? 89 linias EG exasperasti EG Br, {B): exacerbasti Pi, {ex J.?) 90 hu-
milis E, 91 non rid. non irap. {A), 92 te {om. A) poeniteant Pi, {ex AB): poeniteat EG Br,
perperam Br., perpetrasti G, 93 indecent E, 94 rubor {am, B) aspemit Br,: aspemetis {AB), '
aspemens EG (D), 95 denm {B), 96 medetur Br, 97 pristinam G. 98 sedabis Pi, {ex A?):
sedas EG Br, {B), 100 quidquid exoptas om, Br, 108 iniq. mal. G, 104 criminosos G omni
genere EG Br. dudum: que Br. 105 a deo EG Br, 106 purgat {B), 107 demit Pi. {ex A?):
dimittit EG Br, {B) *vere penitendo A, certa poenitendo A', sie Pi, {cf. v. 110). 108 ullum
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110 nunc misericordiam | certa poenitudo potitur.
Nulluni delinquentem { deu8 de praeterito damnat,
112 si bonus ex malo { fuerit extremo repertus;
Ut dicitur impio, si impietates relinquens
114 opera iustitiae \ faciat extremo con versus,
Impietas illius | omnis oblita dematur
116 mortique sublatus | aetema per saecula vivat.
Sic denique Paulus ' fidelis ex infido f actus
118 cuncta caret crimina. | quae impie gesserat olim.
Sic ex publicano | fit evangelista Matthaeus,
120 sicque Ciprianus ex mago sacerdos et martyr.
Sic et Augustinus | ardentior carnis amator
122 fit ex mamchaeo | mundi probatus magister.
Sic et Ninivitae | impia, obscena, nefanda
124 deflentes flagitia | vitam poenitendo merentur.
Manasses, qui idolis { templum repleverat dei
126 et de caelo pridem | datam profanaverat legem,
Post amisso regno | captivus et ferreis multis
vinculis ligatus | deum poenitentia placans
129 regno restitutus est | nexibus culpisque solutus.
130 Dayid stupri culpam | homicidiique redemit.
et Achab similiter ' caelitus pendentem evasit
132 iram, de quo cominus | dixerat ulciscere deus.
133 Petrus fide lapsus | rursus poenitendo resurgit.
Sic et eyaugelii | meretrix ac publicanus
135 parvis fusis lacrimis | multo se piaculo mundant.
Et plurimi porro | quos dein scripturae declarant
137 post crimina caelites | factos poenitudine viros.
Sic e contra polo | labentes tartaro cadunt,
139 qui bona priora ] malum adpet«ndo relinquunt.
Ut dicitur iusto: | si ab aequitate digressus
iniquus extiterit, : omnis iustitia eius
crimen G lacr. non tergant G. 109 diem (AB), 110 misericordia GBr,(B). 111 nullum om.Br,
112 poetremo G, 113 relinquas Br, 114 operas E, operatus iustitiam (A). 115 abolita G de-
matur EG (BD): deraitur Br. (A). 118 cuncta c. crimina Pi. (ex ABD?): conctis c. crimini E,
cunetis c. criminibus G Br. 119 fit P*. {ex A?): venit EG Br. (B). 120 ex: et (AB). 122 pro-
batus mundi G, 123 et om. Pi. (cum D?). 125 manases E dei repl. G. 127 ferr. vinc. mult. Br.
128 dominum Br, 130 Sic David omnes; sie dei. Haussen ; stupri culpam sfc Davfd? 131 Ahab
(AB), Achaz Br,, Acaph G. 132 comminus EBr., se comminus G ulcisci Br., uicisci se {B) com-
minans dixerat ulciscere (= ulcisci se)? 133 mranm EG. 134 euangelica G. 186 porro: alii Br.
dein Pi, {ex A?), olim E Br., dei? 137 caelites E, caelitus G {A), caelibes Br., coelitas Pi.
(ex BD?), 188 tartaro EG (B), tartara Pi, {ex A?). polum habentes ad tartara c. Br. 139 non
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43»
142 oblita depereat | et ipse morte damnetur.
Sic et Judas olim | subito malignus effectus
144 omne bonum perdidit, | quod dudum beate peregit.
Sic et Salomoni | nihil inputatur ex bono,
146 quod antea gessit, { sed extrenio malo damnatur.
In qua voluntute | quispiam postreioo vel actu
148 fuerit inventus, | in hac iudicandus et erit.
Sicut de hoc ipso | dominus locutas est dicens:
150 in quo te invenero, | in hoc * te iudicabo.
Et si credis amplius | hos ipsos diligit deus,
qui post pravitates | esse rectiores studebunt
153 ac sese post vitia | virtutibus magnis exercent,
Quam qui mala gravia | numquam perpetrasse noscimtur
155 et bona praecipua | torpentes agere pigent.
Sicut quispiam dominus | illum magis serrmn amplectit,
qui post damna quaedam | potiora lucra reportat,
158 quam qui nihil perdidit | et nihil fecit augmenti.
Sicnt imperator | illum magis militem amat,
qui post fugam remeans | hostem prosequendo prostemit,
161 quam qui numquam fugit | et nil umquam fortiter fecit.
Sicut et agricola | illam terram amplius amat,
163 quae uberes illi | post spinas aflferet fruges,
Quam illara, quae tribulos | vel spinas numquam nutrivit
165 et fertilem messem { numquam aliquando produxit.
Non desperes veniam, | sed potius spera salutem,
167 si facturus optima | pessima damnare decemes.
Corrige delictum, ( muta mores, renova vitam,
169 et nulla te plecti | dolebis postea poena.
petendo G. 140 Ut EGBr.(B): Et Pt. (ex Ä?) iniquitate egrfessus Br. 141 iniquis (ul). 142 ob-
lita Pi. (ex AB): om, EG Br.\ cf, Ezechiel 33, 13 omnes iustitiae eiua oblivioni tradentur et.,
morietur; cf.Orat, pro corrept. cap. 20. 143 sie et P*. (ex A?)i sicut EG(BD)^ sicBr. 145 Sicut
et (BD), ex ow. G Salomon E. 146 male G (B), 147 In EG Br,: ex Pi. (ex codd,'^) post.
quisp. Br. 148 et Pi, (ex codd.?): om. EG Br. 149 hoc om, G, 150 te ante inv. om. E hoc
enim te EG, hoc et te Haussen, 151 Ut Pi, (ex codd.?) hoc G. 152 rectores (Ä) studebunt
Hanssen: student codd. edd, 153 ac sese (AD), ac sie se EG Br., ac sie sese Pi. (ex B?)
155 praecipue EG Br. piget Br, 156 quisnam EG deo minus (A) servum magis G amplectitur
EGBr. 157 quaedam om. Arevalo et Pi. 158 nihilum perdidit et nihilum (r. 161) fortiter fecit,
omissis ceteris (A) fecit augm. Hanssen, augm. fec. codd. edd. augmentum E. 159 sie Br. magis
illum Pi, (ex codd.?). 160 lugans E. 161 numquam: nihil G fort. umq. G fecit: egit G. 162 Sicut
et Hanssen: sicut EG (B) sie Br, sie et Pi. (ex AD?) amplius Pi. (ex ABD?): plus EG Br.
163 quae illi post sp. huberes G affert G Br. (B) fructus Pi. (ex A?). 165 perduxit Pi. (ex ABD)
166 disperes E. 167 decemis Pi, (ex codd.?): discernas G. 169 nulla: multa Pt. (ex codd,?)
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Null erit in crimine, | quem poenitet ante fuisse,
171 nee dicetur impius, | qui fuerit denuo pius.
Sequentia vero | carmina construeta lamentis
173 suspirando lectita, { nonnuraquam plorando decanta.
Nam potens est dominus | transferre in gaudio luctum
175 et adversa omnia | in prosperitate mutare.
Quem aeternis laudibus | glorificant incolae caeli
177 et summis honoribus [ cultores efferunt mundi.
170 crimini E, 171 quia (Z>) denuo om. E. 174 potest et ^udium Br. 175 prosperitatem Br. (B).
176 ine. glorif. G incolae: in coelo Br.
Inoipit LAMENTUM POENITENTIAE dupliei alfabeto editum exoeptis tribus
litteris AB et N, in quibus aliquantis versibus multiplieatur, ubi exoravit
pro indulgentia peoeatorum.
Audi, Christe, tristem fletum | amarumque canticum,
quod perculsus et contritus | modulatur spiritus.
3 ceme lacrimarum fluctus | et ausculta gemitus.
Ad te multum vulneratus | vocem fletus elevans
alta de profundo cordis | emitto suspiria,
6 preeibus si forte velis | placätus ignoscere.
Alleva calamitatis | importunae pondera,
quae me diütius premit | et elidit impie
9 nee diseedit, ut resumam | vitae respiraculum.
Abläto consolatore [ quadro clausus lapide,
gemo lugens et suspiro | ^miserere* clamitans.
12 pulso rogans tota die, | sed tu semper dilatas.
Ad iuventütis delictum | et ad ignorantiae
non me teneas, exoro; | sed misericorditer
15 praetermissum hoc dispone | iam indigno parcere.
Ab antiqua pietate | ne declines, obsecro.
nam iustitiae rigorem | si me sequi iubeas,
18 mille sum debitus poenis. | mille dignus mortibus.
Aspice iam, deus clemens, | aerumnas quas tolero;
remove contritiones | et flagella prohibe,
E = Cod. Monac. (S. Emmerami) 14843 f. 54—63. G = Cod. S. Galli 269 pag. 130—149.
Br, = Isiäo^ri opera ed. Du Brcul Paris 1601 p. 336.
Lamentatio E alfeb^tc G id est AB Br, E super Un. ubi : tibi G ezorabit G, exorat Br.
l triste EG. 2 percussui G modulatus G. 3 flnzus E. 7 inportuna G, 15 praetermisso?
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21 ne me, precor, indignatus | opprimas et conteras.
Annos meos in dolore | vitam in gemitibus
vilis factiis consummavi; | parce mihi, deprecor.
24 iam non possom sustinere; ] da dextram et eripe.
Adgravasti manum plagae { super me validius
camem dira flagellorum { ultione conterens
27 caede ferro sorde peste ] tenebrarum carcere.
Auges tempora pressurae, | luetus addis onera,
diflferens afflicto valde | dare mihi requiem.
30 contra quod grates rependo, | non resultaas murmuro.
Abes, dico veritatem, j ut occidas impium,
sed, rögo, post disciplinam \ da plaeatus veniam,
33 quia non mortem iniqui { sed vftam desideras.
Accü-40 me, non excuso | laudans te, quod mitis es;
iuxta modura delictorum | parva datur ultio;
36 haec et ampliora, clamo, | dignus sum excipere.
Ad remedium malonmi | aeterni iudieii
saiius est nunc flagello | temporali percuti
39 quam perennibus futuro ) dari cruciatibus.
Adhibe, si placet, adhuc | tonnentorum stimulos,
quibus defluant veterna | putridaque crimina:
42 Salus tantum, vita demum | subsequatur morbidum.
Adhibe, sed non iratus, | ut sit tolerabile,
quod me propter mea iubes { perpeti facinora,
45 quatenus correpto rursum [ sis mftis post verbera.
Amärum est hoc, sed leve, [ quia pertransibile;
sed amarius et grave, | quod inrevocabile,
48 quo poenarum non est finis | nee dolori requies.
Ardens illic urit flanmia { dampnatorum corpora.
ultra reditum non sperat, | quem fUa susceperit.
51 cuius pavöre tabesco, { liquesco formidine.
Arbiter et testis aequus | ipse dum adveneris
iustam reddere mercedem | singulorum meritis,
54 quo me salvare decemas, | opus non invenies.
Adeo districtum cernens | exämen iudieii
duco vitam in moerore | iugiter et gemitu;
57 iustum iudicem visurus | iam pavesco territus.
17 rigore E, 18 debitor Br. 24 dexteram EG. 25 ualidus E. 28 augis E honera E. 30 re-
pendo : refero G, 31 Habes G. 33 iniquo E. 38 aatis G nunc [est] Ärevalo, 41 aetema E.
45 quatinus G uulnera G. 46 hoc est et leve Br. 47 amarus E. 48 quod EG. 49 illa G.
55 A Deo Ärev. 61 A: EG^. 65 dextram G. 69 perimeris E. 71 perdebis EG: tu perdes Br.,
Abh. d. I. Ci. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. U. Abth. 57
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' ^'"■' m
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Amärus et pavidus tunc | vultus tuus impiis,
per quem nulliis inpunitus | erit Habens crimiua, .
60 nisi qui läcrimis illa ( nunc vivens absterserit.
A tranquillitate tua { tu numquam mutaberis;
sed mftis parebis iustis, | terrfbilis impiis,
63 quos habuerit de culpa | reos conscientia.
Ab iniquis iustos oranes | segregans velociter
pones haedos ad sinistram ; et agnos ad dexteram.
66 hos aeternae luci dabis, { illos autem tenebris.
Ab fra furoris tui j quis non conturbabitur?
quae a nulla creatura | cohiberi poterit,
69 cum peremeris iniquos | oris tui gladio.
Amputans verbo, non ferro f cervices peccantium
perd^bis in tempestate | festinanter impios,
72 vitae sempiternae iustis | conlaturus praemia,
'Accfpite*, dicens illis, | Vegnum quod paratum est
vobis pro fructibus iustis | et misericordiae^;
75 bis et illis, quae fecerunt, | cuncta tu testificans.
Adstabunt ante tribunal | tuum omnes animae,
quidquid in came gesserunt, | narräntes ad singula.
78 quid pro tarn nefandis raiser { fcriminibus respondeamV
Assertio falerata | iustum nullum faciet;
actus boni tantum facta | non verba recipies,
81 data singulis talenta | cum usuris expetens.
Abäctis et refutatis | excusationibua
en hömo tantum dicetur { et öpera illius;
84 quae praecemens ut meretur ! confestim recipiet.
Arcäna tunc secretorum \ omnis conscientiae
sie lustrabis, velut vultus | cernitur in speculo.
87 heü mihi, qui parebo | peior omni pessimo!
Ad personam non convertes | visum, sed ad merita
nee natalibus insignem, { sublimem prudentia
90 facies tfbi consortem, | sed insontem opere.
Abominäbilis erit | coram te iniquitas;
nuUus enim inmundorum | tibi sociabitur.
93 quomodo tunc fetens hircus | mundis iungar ovibus?
disperdes? festinantes Br. 73 dicet Br. quod om. Br. iustitiae Br, 75 fecerunt G: feciBtis E Br.
testificas? 77 gesserit ^r., gesserint in came Ärevalo. 78 tarn pro G Br, nefanda m. crimina^.
79 nullum iustum G. 84 qua G percemens E. 86 vultum £G qui cernitur G convertens Sr,
88 ad (ante merita) am. E. 89 praesentia E. 93 tunc: te G. 96 qui nee ipai EO, qai si
iusto Br., etsi iustus forte ÄrevaJ. 97 decemens EG. 101 cogitatiönesque Meyer, cogitatione«
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Ante te iüsti nee erit | secüra iustitia,
quam si distrfcte perquiras, | et fpsa peccatum est;
96 quin et ipsi nisi parcas, { vae, periciitabitur.
Arguens in veritate ] decernes iudicinm,
et in aequitate tua | iustus vix salvabitur.
99 ubi tunc ego parebo, peccator et impius?
Annalibus reseratis | nudabuntur publice
omnium höminum facta | cogitationesque ;
102 in statera tu librabis | omnia in pondere.
Adpenso bono vel malo, | pars haec operariuui
vindicabit, quam momenti | lances declinaverit.
105 quid ägam, si pondus mali | me laeva iactaveritV
A,iustitia diverti | nullo modo poteris
nee personam acceptabis | nee Ulla munuscula,
108 sed reddes unieuique | iuxta sua opera.
Aspfcient mali iustos, | cum beatitudinem
gloriae promeruerunt, | et dolebunt aeriter,
111 quod non vixerint sie iuste, | ut sie essent liberi.
A dolore in dolorem | nequiorem transient,
cum ^abite, maledieti' | illis ipse dixeris,
114 'in (gnem, qui est paratus | vobis et diabolo.
A requie beatorum, | vita vel eonsortio
se sublatos intuentes | iunetosque diabolo
117 ut aetemis cum eodem { dentur erueiatibus.
Adlevabunt ululatum | et rugitum f inmanem
planetum magnum facientes, { amarum et validum,
120 quäle numquam fuit factum | nee dfetum vel vigiim est-
Ad gentem gens, vir ad virum | peetora pereufcient»
tribus ad tribum et regnum ; contra regnura ferient,
123 viri denique seorsum et seorsum feminae.
Angeli tunc eopulabunt | scelere consimiles.
quos cürsim praeeipitantes { dabunt flammis inferi,
126 ut par poena semper urat, { quos par culpa sociat.
Abfbunt vfta praeeisi > sublatique gaudio
quo perennis erit luctus { dolorque perseverans
129 et consolÄtio nuUa I nee umquam reversio.
ac ittttitiae G et (iustitia) E, cogitatus impii Br, 102 in ante etat. om. G. 104 qua G lünce Br^
declinayerint ? 107 personal ullius munera Br. 108 sed unic. reddes? 110 promeruerimt EG Br,
112 transeunt G. HS maledictis G dizerit Br, 117 cum eodem aet. G. 11 H nJulntu K in-
mane CE. 120 neque Br. uel: ncc G est om. Br. 122 contra regnum tm. K. 124 scelefa K
126 par (bis): per E. 127 Abebunt E, Habebunt Br. uitae E Br. 13' ► resolveiV ploratum Jv.
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444
A te quisquam non revolvet | prolatimi iudiciura
nee ab illo requiretur, | quem fpse perdideris,
132 ultione sempitema | pravos omnes puniens.
Adeo praerogativa | mitto precum commoda
fundens lacrimas, dorn vivo, { rogans, dum intellego,
135 ne me iuxta mala mea condempnandum censeas.
Aspera sunt, quae peregi, | acerba et gravia;
propter quae si persequi me iustius decreveris,
138 morti debitus et poenae | novi quod repperiar.
Ad iniquitatem meam | si convertas oculos,
facto poenaque condignum { neminem repperies,
141 cum quo me cremandum putes, \ conburendiim censeas.
Ad * scelerum mensuram \ criminuraque copiam
ipsae poenae tartarorum | vix, credo, sufficient,
144 dum nee talia nee tanta | quis iniquus feeerit.
Anxius ob hoc suapiro, | quod fmpie gesserim;
pessimorum peccatorum | saucius sum vulnere;
147 difficile tantis malLs | esse salvus arbitror.
Artor undique pressuris, | conprimor angustiis;
fluctuat mens in moerore, | cor nätat in lacrimis;
150 nee üUa timore multo | requies est animi.
Arvi polique marisque | non tutabor sinibus.
quin et haec ignis ardore | resoluta defluent,
153 ubi me nuser abscondam? | quo ante te fugiam?
Ab inmensitate tua | mundi girus clauditur.
eaelum terramque tu reples | et sine te nihil est.
156 qui placatum te non habet, | iratum quo fugiet?
Agitur mens aegra passim | diversa eonsiderans
nee elucet evadendi | uspiam eflFugium,
159 sed abs te, doraine, fuga | et ad te reversio.
Arma sumens poenitentis, | saceum et cilicium,
pulso pietatis aures, | viscera elementiae,
162 verba fletus et doloris | ingerens cum lacrimis.
Audi preces, et placare, j mens quas aegra parturit,
consideransque dolores | inpende malagmata,
1:11 uJlo (f rpt^uiretur om. Br. quem tu ipae iudicans perdideris Br, 133 A Deo Br. 186 quae
e^i G. lueriia E. 137 iuste Br. 138 debitor G Br. reperies Br, 140 que: quae Br. 142 Ad
hancacel/j;' niemiira J5? Ad delictorum mensuram JBr. 143 tartarum -E sufficiant 17. 145 Ab hoc A*.
147 aalviiM p:iHe (i. 150 ulla Arevala: ullo EG Br., multa E. 151 Arua E\ arue G maris, om.
que, O inUxhöt EG: turbabor Br. 153 ubi ego miser me absc. G. 154 girum E, gyrum Br.^
ginm G AravtUu. 155 reptes JBr., forte regia Arev. 156 quos E. 158 elucet: aluce G effugium G-
I
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445
165 quia tua sum factura { tuaque plasmatio.
Adhibe, precor, medelam pessimis vulneribus,
profluentia praestringens | vitiorura ulcera,
168 corrupta redintegrando | sanitate perpeti.
Aufer me de luto faecis | peccatorum omnium;
emundare non contempnas, | antequam discutias,
171 et non ero tunc inmundiis, , si me nunc piaveris.
Accipis et peceatores, | sed quos nunc iustificas;
respicis mültos, ut Petrura, | si deflentes poenitent,
174 sicque lapsos ad inferna , revehis ad aethera.
Apud te redemptio eet | et misericordia ;
qua nfsi propitiatus | parcere decreveris,
177 vae mfhi, quod malos omnes | praecedam ad victimam.
Ac per hoc öpto misellus, ] nee fuissem genitus,
quia et lux ipsa praesens | iam mihi tenebrae sunt,
180 aetemae dampnationis | pavendo pemitiem.
Boni nihil habiturus, | quod' mälis obieiam,
poenarum metu quassata | tremit conscientia,
183 dum forraidat infinita ' suWre discrimina.
Bone deus, perituro | nunc, exoro, subveni,
nunc et ab Ira perenni | et a raorte libera,
186 ut, quem iustftia punit, | tu salves dementia.
Benfgne päter, ignosce, quod agnoscens fateor;
pronüntio malum meura, | non, vfndex, operio;
189 excipe professionem ] et da indulgentiam.
Bonitatis pietate | multis non merentibus
gratis peccäta dimittens | indulsisti veniam.
192 mihi non defraudes uni, quod dedisti plurimis.
Blandftus confessione | placäris humilium
et ad ignoscendum cito | flentis voce flecteris,
195 poenitentis adsuetus | consülere lacrimis.
Brevis non est manus tua, | ut praestare nequeat;
multus es ad ignoscendum; | hinc indulge, clamito.
198 miserere, ne disperdas; | parce, ne interimas.
Biplici, quaeso, flagello [ noli me percutere;
159 et a te G. 165 tuque G. 167 perstringes E. 168 redi integrando E sanitati E perpetim G.
169 me de lato: medulato £*. 170 et mundare G. 174 ad: ?Lh E. 17G qua nisi: quasi, nis.l.E,
quia nisi G, quam nisi Br, 177 praec. omn. E. 178 nee (=ne quidem?) EG, ne Br. 179 prae-
sens om, G sunt om. G. 180 'paveo forte Arevalo pemetiem G. 182 tremet E, treme G in ras.
184 subv. exoro J5r. 186 tua E. 190 pietatem Br. moerentibus Br., raer. Arevalo, 191 grauia 6^.
192 mihi ow. Br. quod tu dedisti quam plurimis Br. 194 et om. Br. citius Br. flentes G. 196 ne-
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■^'I^^H
446
suspende paululum iram; | habe patientiam,
201 quia multum ego miser. | sed tu plus raisericors.
Conversus ad pietatem { restftue gratiam;
vitam cum peccato simul , ne veli« exidnguere;
204 serva benedictionem | receptandae veniae.
Camem pro peccato suo, { quantum placet, adtere;
piagas enim temporales j Ubenter excipiam;
207 precor tantum, ne perennes | indignatus inferas.
Doloribus hie afflige, | moeröribus affice;
per flagella modo purga, | ne futuro puuias;
210 camis poena, quae deliquit, | redimatur anima.
Deceme clementer pie perditum requirere,
mira qui benignitate ; abiectos recolligis
213 et aversos reconvertis, | aberrantes corrigis.
Errasse me dudura plango | profänus et prodigus,
meretricio amore | bona perdens patria;
216 hinc ad te vilis, egenus | et percussus remeo.
Ego me indignum loco j filiorum clamito,
quod pateiiiitatis tuae { renuens adroonita
219 vagus perquaquam defluxi, | cucurri per avia.
Feci malum miser ego | in insipientia;
provocavi te ad iram | duris facinoribus,
222 quibus rite constematus j magno luctu conteror.
Fletibus tamen revertor | confitendo poenitens;
aufer indignationem | culpae factus inmemor
225 et patema pietate ] sume, precor, errulura.
Grassari si tamen adhuc \ plagis me diiudicas,
feri me, sfcut quos amas, | castfga et argue,
228 sed clementer ut emendes, | non ut interficias.
Graves ut culpae merentur, | non ita desaevias;
tempera severitatem, ; desine percutere,
231 iugi ne pläga contritus desperem et peream.
Hoc interdum te deposco, { ne temptationibus,
quibus subfnde pervertor^ | violenter obruar;
234 victus ne mfeer succumbam, ; da, pr&or, auxilium.
queas Br. 197 hinc om. G. 199 iblici G. 203 uita E. 209 ne in fut. Br. 213 que EO aversw
Arevalo: aduersos EG Br. oberrantes G Br. 214 prophanus 6r, pollutus Br. 216 vilis et egenus
remeo, perc om. G. 218 rennuens E monita G. 219 perquaqua E, per quaequam Br. 220 in-
sipieutiam E. 222 rite EG : digne Br. 225 precor emilum E, pater erulum (?, precor erro-
neutn Br.\ emilum coniecit Arevalo. 226 Grassari: punire Br. 227 feri: fer JBr. amas: diligiaBr.
228 ut non interf. E. 230 serenitatem G. 231 iugi:. usque Br. 233 obruat EG. 234 auxilium
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44t
Herudiri me tantundem, | non permittas decipi;
nam sufiFerre temptamenta | daemonum non potero,
237 si desieris eorum { frenäre malitiam.
Inde te, benigne deus, | adclfnis efflagito,
quantuluni eümque placare, | ut et hie indulgeas;
240 nam longa poena subactus | miser valde factas mm.
In dolore sempiterno | carnem ne constituas,
ut crudeliter exire | conpellatur anima.
243 da cruciätibns finem, | requiescat spiritus.
Karpe nioras, visita me, | immo veni, libera,
'surge* dieito captivo, | *prodi foras* misero.
246 revela cärcere trusum, | pande iam absconditum.
Kapnt et reliquos artus | aqua munda dilue
atqne internos squalores | gratia purifica,
249 cunctis ut abire sinas ; defectum feracibus.
Lugeo confusus mala, | quae gessisse memo^o;
fundo preces et laraenta ) contristatus animo.
252 preeor, optatara ne neges | poenitenti veniam.
Lacrimae contra peccatum | non qufdem sufSciunt,
sed quod non väleo parvis | expiare fletibus,
255 oro, pietate demas, | abluas dementia.
Miseratione tua | fac iüstum ex impio,
fulgidum de tenebroso, | nit^ntem ex horrido,
258 innocentem ex iniquo, | viventem ex mortuo.
Miseratus iam omitte | noxas mihi criminis,
eripiens plasma tuum | de manu diaboli;
261 memento figmenti tui | et esto placabilis.
Manus tuae me fecerunt, | formaverunt digiti;
corpus in ventre matemo | per membra delineas,
264 tua yirtute creatam | quo clausisti animam.
Ne des in ruinam mortis ( opus tuum, domine,
propter eamäle peccatum, | quod lamentis elui.
267 possfbile praedixisti | atque veniabile,
Nullum perfre protestans, ] quamvis gravi crimine
E Bt.: ueniam G, 235 Herudire (=erud.?) me tantundem uon E, herudire (re eraa,) me tandem
non 6r hen dire me tandem preeor ne Br.; tantundem = tantum? 237 Desiderii eorum malitiam
refrena Br. 238 adclines E, acclivis Br. 240 nam et sum : ne et sim Br. 242 ut : et EG, ne Br.
comp, exire G, 244. Carpe mores Br. 246 releva Br. 247 Kapud EG. 248 atque: et EG.
pnrif, gr. Br, 249 abira E fer actibus G. 250 meraoror G Br. 252 oblatam Br. ne om. E.
253 contra: propter G, 254 non om. E. 257 de om. G. 259 mihi nox&a E. 263 dilaniens m. 7,
dilineas m. 2 E, deliniens G. 264 quod E animum G. 265 ruina E. 267 atque vae rairabile Br^
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camäliter polluatur; | si redeat poenitens
270 et non haesitet in fide, sumi posse veniam.
Nuntians per te et tuis | missis et discipulis:
^poenitemipi, caelorum | prope regnum factum est
273 et ömnis peccati datur | in Chrfsto remissio*.
Non in multis iustis ita | te gaudere perhibes,
ut in uno poenitente | peccatis erroneo
270 *veni quaerere, salva^e^ | dicens, 'quod perierat*.
Nulla tarn gr^dis est culpa, { cui non sit venia.
omne facinus peccati | delet poenitentia,
279 si reiectis malis quisquam ! sanus hanc peregerit.
Nulluni est mälum quod nequit | aboleri lacrimis.
omne peccatum dixisti | dimitti hominibus
282 Spiritus * tantum sancti | excepta blasphemia.
Numquid fixum verbi tui | solvetur propositum?
absit hoc, dömine deus, | ut repellas quempiam,
285 qui post malum resipiscens | te conversus sequitur.
Obice benignitatem { et vince malitiam;
praebe moram poenitendi, | tempus mortis dilata;
288 fac, ut Salus subsequatur, | non töllat interitus.
Omnmo confidens credo, | quod nolens perire me
subiecisti me flagellis, | quibus resipiscerera,
291 ut abominando culpam | redirem ad gratiam.
Placeat, Chrfste, dampnatum | reparare naufragum;
de interitus errore | te quaerente redeam
294 atque de maligno dignus | efficiar famuhis.
Peccävi tibi peccavi | et deliqui nequiter,
sed conversum noli perdas | et quae posco tribuas,
297 ut me mundes ante mortem | et dum vivo redimas.
Quis fuerim ne requiras, | sed quis esse cupio;
veteri culpa ne quaeso { reputes dampnabilem;
300 ceme corrigendi votum | et relaxa debitum.
Quamquam de reatu facta { sit mihi confusio,
novi, quod de fine quemquam, | at non de principio
303 aut pro bono tu corones | aut pro malo iudices.
Recipe, dömine pater, fuga lapsum servulum;
270 ^ummi E. 271 pro Br. et post missis om. E. 275 in unum uno w. 1, E penitentem peccatis
erroneum EG, in uno erroneo peccatis erroneo turpissimo Br. ; cf. orat pro corrept. fin. 276 ve-
nires G v. quaerere et salv. EG Br, dolenB Br. 279 haec G. 282 deeat syllnha; Pforte In spiritom
tantum sanctum' Arevalo blasfemia G. 283 tui om. G. 286 bonitatem G Br, 290 me om. Br.
296 nolo Br. 301 facta G: facti E Br. 302 at: iam E, nam G, 303 Aut: Vi G ta (m. ^^
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tolle mortem poenitenti, | te precantem libera,
306 et cum electis ad vitam | agni libro renota.
Reprobari me ne sinas, | quem pro meis meritis
ingenti pressura polis | et limas diutius,
309 sed quem viventem castigas, | recipe post obitura.
Solve, Christe, vincla pedum, | ligamenta criminum; -
resera Ifmen obscurum | tenebrosi carceris;
312 redde iam lüci sepultum, | peregrinum patriae.
Tolle furörem perennem | ab änimo principis;
te propitiante fiant | iam mfhi placabiles,
315 quos adversos diuturna | miser ira tolero.
Veni, Jesu, ne tarderis, | mors äntequam rapiat,
fessum de pulvere leva, | tibi reconcilia;
318 lacrimas iüges absterge, | cor triste laetifica.
Christe, qui diVersitate | gratiarum dives es,
fructum et meritum, precor, | ut viventi tribuas,
321 ne me sterilem praecemens | succldas in posterum.
t Vacare post malum bonum | me permittas, obsecro;
habeam münere tuo | conläta quae offeram
324 quibus a la^va sublatus | transeam ad dexteram.
Zabulo me ne coniungas { ad mortem cum impiis
nee in tartari baratro | patiaris obrui,
327 qui venisti te credentes | de morte redimere.
Gloriam iam vigil canam { alfabetum finiens
tibi patri filioque { inclito paraclito
330 cui laus est et potestas | per aetema saeeula. Amen.
Coronas E iadicas E, 304 famulum Br. 805 morti poenitentem E prec. te O, 306 revoca Br,
307 non E. 309 fatigas E Br, refice E, 311 lumen E. 313 principis = diaboli; «n scrib,
daemonumV 314 mihi iam E. 315 raiseria O, 317 tibi: et me Br, 320 at om, Br, uiuentem E,
contribuas Br, 321 percemeas G, proc. Br, 322 bono?, Yacera post multa bonum ne G,
Macerari rae post mala ne Br, 324 2li e E dextram G. 325 non Br, 326 baratrum E, 327 in
te G, 328 Gloria E, 330 est: erit Br,, om, GE per: in G, Amen om, G, In E aequitur Ex-
hortatio sine tittdo; in G aequitur: Incipit Orat. cuius supra pro correptione vitae et propter
flenda semper peccata. Dens omniam mirabiliam etc.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. H. Abth. 58
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TJebersicht.
I. Die Anfinge der lateinisehen Rjthnik S, 267—807: Die gewöhnlichen Ansichten über
die Entstehung der lat. Bythmik S. 267. In den quantitirend gebauten Spottversen ist der Wort-
accent nicht beachtet S. 269. In den alten Bythmen Hlllt der Wortaccent nicht mit den betonten
Stellen des quantitirenden Schemas zusammen S. 271. Bau der longobardischen rythm. Hexa-
meter S. 276, der sechszeiligen Bäthsel S. 278 und Beilage III, der Exhortatio poenitendi und des
Lamentum S. 282 und Beilage IV, yon Augustins Psalm S. 284, endlich von Commodians Carmen
apologeticum S. 288—306 (Silbenzahl und Halbzeilen S. 289, Prosodie und Hiatus etc. S. 290,
Quantit&t S. 291, Scheinprosodie S. 295, Schlüsse der Halbzeilen S. 296, Anfänge der Halbzeilen
S. 297, Beobachtung des Wortaccentes S. 300, Akrosticha und Beim S. 308, Paargesetz S. 304).
II. Die Anfänge der grieehiseben Rytbmik S. 808- 862: Hymnus des Methodius S. 309.
Die beiden rythm. Gedichte Gregors von Nazianz S. 313 und Beilage No. I. Die gleichzeiligen
rythm. Gedichte der Griechen und der Taktwechsel S. 316—326 (die Betonung der Silben S. 318,
Gedicht des Kaiser Leo S. 320, des Photius S. 322. Andere gleichzeilige Gedichte S. 323. Poli-
tische Verse S. 325). üeber die künstlichen Strophen der griech. Kirchenlieder S. 326 — 357: Die
Kurzzeilen S. 329. Die Langzeilen und Absätze S. 332. Wiederholung der musikalischen Sätze
S. 334, besonders in den Prooemien S. 336, dann in den Hymnen selbst S. 339. Freiheiten im
Bau der Strophen S. 345—850 (in der Silbenzahl S. 846 und Beilage H, in der Betonung S. 847,
in der Verbindung der Kurzzeilen S. 348). Beispiel für diese Regeln S. 851. Reim und Akrosticha
in den griech. Strophen S. 855. Die darnach gebildeten lateinischen Sequenzen S. 357 — 362.
ni. Ursprung der lateinischen und der grieeliischen Rytbmik S. 868—899: Ursprung der
griech. Hymnenstrophen S. 363 —369 (ihr Bau nicht erst von Pitra oder Christ entdeckt S. 363,
ihr Ursprung nicht altgriechisch S. 364, sondern syrisch S. 366. Betonung der syrischen Verse
S. 367). Ursprung der gesammten latein. und griech. Rythmik aus der semitischen S. 369 — 879
(die Formen sind nicht einheimischen Ursprungs S. 370, sondern semitischen S. 372. Versbau der
Psalmen S. 873. Bardesanes S. 375 und Ephrem S. 376. Ursprung des Reims S. 377). Die erste
Entwicklung der latein. und griech. Rythmik S. 3S0. Die Fortentwicklung des Reims in den latein.
Ländern S. 882. Fortentwicklung der griechischen und lateinischen S. 386, der romanischen und
deutschen Rythmik S. 387. Zusammenstossende Hebungen in den musikalischen und in den logi-
schen Sprachen S. 391, Folgen hieven für die prosaische und für die dichterische Rede S. 898.
Schluss S. 396.
Beilagen. I. Die rythmischen Gedichte des Gregor von Nazianz S. 400 (vgl. S. 313).
II. Altes griech. Kirchenlied S. 410 (vgl. S. 346). III. Sechszeilige Räthsel in rythm. Hexametern
S. 412 (vgl. S. 278). IV. Exhortatio poenitendi und Lamentum S. 431 (vgl. S. 282).
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Platonische Studien
von
W. Christ.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth.
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Platonische Studien.
Ich liebe es sonst ohne langes Vorspiel direkt auf die Sache loszu-
steuern; dieses Mal aber möge es mir gestattet sein meine Untersuchungen
mit einigen persönlichen Bemerkungen einzuführen. Ich bin nicht als
Platoniker in der philologischen Literatur bekannt, und manche meiner
Freunde werden, wenn sie überhaupt von meinen Arbeiten Notiz nehmen,
bei der heutzutag ins Ungemessene gehenden Arbeitsteilung sicli ver-
wundernd fragen, wie ich denn von Homer und Metrik und Sprachver-
gleichung nun plötzlich zu Plato komme. Nun so ganz fremd ist mir seit
den Studentenjahren der erhabene Begründer der idealen Weltanschauung
nicht geblieben, wenn ich auch bisher über denselben noch nichts ge-
schrieben habe. Spengel, Prantl und Trendelenburg haben auf der
Universität mich zum Studium der griechischen Philosophie begeistert,
und wenn ich mich auch zunächst an Aristoteles hielt, dessen nüchterne*
fast möchte ich sagen radikale Strenge der Beweisführung mich in
höherem Grade fesselte und mir überdies ein ergiebigeres Feld eigener
Forschungen zu bieten schien, so habe ich doch darüber den göttlichen
Plato keineswegs ganz vernachlässigt. Später freilich führte mich das
Streben das Altertum nach den verschiedensten Seiten kennen zu lernen,
auf andere Gebiete der philologischen Thätigkeit, so dass ich Jahrzehnte
lang nur vorübergehend bei Plato einkehrte und da nur einzelne Schriften
des grossen Philosophen las. Erst vor anderthalb Jahren brachte mich
meine akademische Lehrthätigkeit wieder mit Plato in nähere Berührung,
80 dass ich seit dem meine volle Mussezeit dem Studium der Schriften
und des geistigen Entwicklungsganges Piatos widmete. Ein Amerikaner
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Namens Shorey kam, von einem meiner älteren amerikanischen Schüler
Dr. Sterett empfohlen, hieher, um mit meinem Beirat eine bereits
entworfene Dissertation über den ontologischen Gehalt der platonischen
Ideenlehre ^) zum Abschluss zu bringen. Ich ersah bald, dass der junge
Mann in ganz anderem Grade, als wie wir es an unseren deutschen
Studenten zu erleben gewohnt sind, in seinen Klassikern zu Hause war,
imd dass er insbesondere jede Schrift des Plato und fast jede Stelle
derselben im Geiste gegenwärtig hatte. Da galt es denn für mich selbst
wieder fleissig den Plato zu lesen und auch vor dem Domengestrüppe
der dialektischen Dialoge Parmenides und Sophistes nicht zurückzu-
schrecken. Und als ich dann in den verflossenen Herbstferien auf meinem
Tusculum in Agatharied wieder ganz mir und meinen Studien zurückge-
geben war, las ich in der Züricher Ausgabe den ganzen Plato in einem
Zuge durch und setzte darauf an der Universität in Vorlesungen über
Plato und Aristoteles und in Interpretationsübungen über Phädrus und
Theätet .meine platonischen Studien fort. War nun dabei auch mein
Streben zunächst darauf gerichtet, den Plato selbst genauer kennen zu
lernen imd im Verkehr mit dem erhabensten und feinstgebildeten Denker
aller Zeiten geistigen Genuss zu finden, so konnte es doch bei einem
Philologen, wie ich nun einmal einer bin, nicht fehlen, dass auch allerlei
philologische Späne mitabfielen und ein und der andere Excurs in die
speciell literargeschichtliche Seite der platonischen Schriftstellerei gemacht
wurde. Einige Ergebnisse dieser philologischen Nebenthätigkeit, die mir
der Veröffentlichung nicht unwert schienen, habe ich auf den folgenden
losen Blättern zusammengestellt und zwar im Gegensatz zu der gerade
bei Plato Mode gewordenen Breite in knapper einfacher Form. Diese
Einleitung aber habe ich vorausgeschickt, damit die Kenner Piatos mich
entschuldigen, wenn sie die platonische Literatur nicht in genügender
Weise berücksichtigt finden und vielleicht auch auf Dinge stossen, die,
als neu von mir vorgetragen, ihnen selbst längst bekannt sind.
1) Dieselbe ist inzwischen unter dem Titel erschienen, de Piatonis ideamm doctrina atqae
mentis humanae notionibus. Monachii 1884.
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1. Thrasyios und Derkyllides.
Wir haben bekanntlich bei Diogenes III 56 flf. die Notiz, dass die
Schriften Piatos zuerst von dem alexandrinischen Grammatiker Aristo-
phanes von Byzanz nach Trilogien, dann von einem gewissen Thrasyios
nach Tetralogien geordnet wurden. Wer dieser Thrasyios gewesen sei
oder wann er gelebt habe, sagt uns weder Diogenes noch sonst ein alter
Schriftsteller. Gewöhnlich (und so auch C. Fr. Hermann in dem bekann-
ten Buche, Geschichte und System der platonischen Philosophie S. 358
und 560) versteht man unter jenem Thrasyios den Astrologen ThrasuUus,
der allen aus der Geschichte des Tiberius bei Tacitus ann. VI 20 bekannt
ist. Aber Tacitus spricht nur von einem Astrologen, der den Tiberius
in Rhodos in die scientia Chaldaeorum artis eingeweiht habe, und seine
ganze Erzählung lässt uns an alles andere eher als an einen platonischen
Philosophen oder Grammatiker denken. Auf Identificierung des Ordners
der Schriften Piatos und des Astrologen Thrasyios führt nur eine Notiz in
den alten Scholien zu Juvenal sat. VI 576: Thrasillus multarum artium
scientiam professus postremo se dedit Platonicae'sectae ac deinde mathesi,
in qua praecipue viguit apud Tiberium, cum quo sub honore eiusdem
artis familiariter vixit. Aber das ist immerhin eine untergeordnete Quelle,
und jedenfalls kann ich das bestimmt beweisen, dass die dem Thrasyios
zugeschriebene Einteilung der Werke des Plato schon über 60 Jahre vor
Tiberii^s existierte. Bei Varro de ling. lat. VII 37 lesen wir: Plato in
quarto de fluminibus apud inferos quae sint, in his unum Tartarum
appellat. Hingewiesen ist, wie man längst gesehen, auf den Phaidon des
Plato p. 112 sq.; aber was soll das Plato in quarto? Scioppius griff
frischweg zur Emendation und schrieb, da es 4 Flüsse der Unterwelt bei
Plato gibt, Plato in quatuor fluminibus; ihm ist neuerdings Otfr. Müller
gefolgt. Ich bin in der neuesten Ausgabe der varronischen Schrift, welche
unser A. Spengel nach den Papieren seines Vaters besorgt, für die
Ueberlieferung in IIII o, d. i. in quarto sc. libro eingetreten. Denn sie ist
nicht bloss erklärbar, sondern gibt ims auch einen wichtigen Fingerzeig für
die Ordnung der platonischen Schriften in der Zeit Varros an die Hand.
In unseren Handschriften ^) und Ausgaben nämlich folgen die Werke
1) Siehe darüber Schanz, Studien zur Geschichte d. platonisch. Textes, Würzburg 1874, S. 13 ff.
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456
Piatos in folgender Reihenfolge aufeinander : Evd^ixpifiav , anoloyLa
JScDxgdrovg, ÄTptTCüv, <i>aido}v etc., nimmt also der Phaidon die 4. Stelle
ein. Dieselbe Stelle hatte dieser Dialog aber auch bei Thrasylos nach
dem Zeugnis des Diogenes, während er bei Aristophanes erst an 14. Stelle
stund. Varro folgte also einer Ausgabe des Plato, in der die Schriften
in derjenigen Reihenfolge geordnet waren, welche Diogenes dem Thrasylos
zuschreibt, und nannte dabei die einzelnen Dialoge ganz sachgemäss
Bücher.^) Demnach war entweder der Platoniker Thrasylos, der die Werke
Piatos in Tetralogien teilte, verschieden von dem Astrologen Thrasullus
unt^r Tiberius, oder es war Thrasylos nicht der erste, der jene Einteilung
vornahm und speciell den Phaidon an vierte Stelle setzte. Für die letz-
tere Annahme spricht, worauf mich mein Freund Meiser aufmerksam
machte, dass der Commentator Albinus, isag. c. 4, die tetralogische Gliede-
rung der Dialoge Piatos auf zwei Gewährsmänner, Thrasylos und Derkyllides,
zurückführt und dabei den Derkyllides vor dem Thrasylos nennt. Billigt
man also den zweiten Teil der Alternative, so erhält man zugleich ein
erwünschtes Zeugnis für. die Lebenszeit des Derkyllides, der demnach vor
Varro müsste gelebt haben.
2. Aristoteles und die alte Unterscheidung platonischer Schriften.
Diogenes 111 49 berichtet uns auch von einem alten, dem Thrasylos
offenbar schon vorliegenden Versuche die Werke Piatos nach ihrem Inhalt
und ihrer Darstellungsform zu charakterisieren und zu scheiden. Das dort
angegebene Schema ist:
/\ /\ /\ /\
/ \ , ./ \ / \ . / S
fpvaixoi Xoyixoi ijS^txoi nokiuxoi fAuuvitxoi nuQa<ntxoi ey6etXTtxoi avatgentuoi
1) Nachträglich sehe ich, daes meine Weisheit sich nur den Neueren gegenüber mit dem
Schein der Neuheit umkleiden kann, dass aber von den älteren Gelehrten schon Victorius var.
lect. XVIII 2 und nach ihm Wyttenbach im Commentar zu Piatos Phaidon p. 313 in ganz gleicher
Weise das Plato in quarto auf die 4. Stelle, welche der Dialog Phaidon in den tetralogisch geord-
neten Werken Piatos einnahm, gedeutet haben.
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467
Auf eine Kritik dieser durch Thrasylos Ausgabe auch auf unsere
Handschriften übergegangenen Gliederung der platonischen Dialoge wollen
wir nicht eingehen ; wir wollen nur anführen, was bisher scheint übersehen
worden zu sein, dass sich die Anfänge jener Einteilung bis auf Aristoteles
hinauf verfolgen lassen, nur dass dieser für V(f>r^rfti7cri einen anderen
synonymen Ausdruck, yywQiarixi^^ gebrauchte und den später zur Be-
nennung einer Species angewendeten Namen neigaarixi^ zur Bezeichnung
der Gattung hinaufzog. Ich beziehe mich dabei auf die Stelle in der
Metaphysik III 2 p. 1004^ 25: tibqI xo avrb yivog ar^eiperai ^ aoipiOTixri
xat ri dialBXTixrj rfi (piloao(picc , dllä diatpsQBi rijg fi&v T(p r^fOTKp rfjg
dxjva/xBOjg, rrjg ^i rov ßiov Tfj TiQoaiffiaei , sari St 17 Siakexrix^ nsi^a-
axixri, tibqI oyy fi (piXoaotpLa j^vioqiot ixrj, ^ Si aocpiariXTj (paivojusvrjy
ovaa (foij. Den Ausdruck nsiQaazixi^ gebraucht der Stagirite überdies
noch öfters in der Topik teils synonym mit SiaXexzixri, wie p. 172* 31
und 183* 39, teils zur Bezeichnung einer Art der Dialektik, wie p. 166'
39, 169^ 26, 171^ 4.
Es dürfte aber diese Unterscheidung der fiid^oSog yvcoQiojixi^ und
nBiQaoTixri bei Aristoteles um so mehr auch für platonische Lehre und
Schrift Bedeutung haben, als auch sonst sich viel mehr unter der Ober-
fläche liegende Beziehungen zwischen den zwei grossen Philosophen finden,
als man gemeiniglich annimmt. Ich will auf die Gefahr hin, der Kleinig-
keitskrämerei geziehen zu werden, auf ein paar übersehene Aeusserlich-
keiten aufmerksam machen.
Bonitz in dem trefflichen Index Aristotelicus bemerkt zu Ko^Loxog
usitatum nomen ad significandum quemlibet hominem, so dass Koriskoa
eine ähnliche Bedeutung bei Aristoteles wie Gaius bei den römischen
Juristen gehabt zu haben scheint. Aber beachtet man die Verbindung
von Koriskos mit Sokrates de gen. p. 768* 1 und met. p. 1037* 7, daa
Beispiel der Physik p. 219^ 20 ol aoipiaral kafißdyovaiv hsQoy rb KoqIoxov
iv AvxBiip elvai xal rb Koffiaxov iv ayoQ^ und den wiederholten Gebrauch
von Koriskos zur Bezeichnung eines äv&Qianog fiovaixog (anal. p. 84* 24,
met. p. 1015^ 17, 1026^ 18), so scheint jenes Phantom eines unbestimm-
ten Beispielsnamen doch schon bestimmtere Umrisse anzunehmen. Die
Sache hellt sich vollständig auf, wenn wir den 6. Brief des Plato heran-
ziehen, wonach Koriskos zum Kreise der Schüler Piatos gehörte und mit
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468—460
Hermeias, dem Freunde und Gönner unseres Aristoteles, enge befreun-
det war.
In der Metaphysik IV 5 p. 1015' 25 gebraucht Aristoteles für das
drayxalov ov ävBV ro ayad^ov /lltj iy^ex^rai rj elvai ^ yereaS-ai als Beispiel
To nXivaai elg Alyivav iV* dnoXdßf] rd xü^l'^^^^* ^i© kommt hier
Aristoteles dazu, Aigina als den Ort zu bezeichnen, wo man Geld in
Empfang nimmt? Vielleicht hängt damit eine Stelle aus den PoHtien
des Aristoteles fr. 436 zusammen, die uns durch den Lexikographen
PoUux IV 174 und IX 80 erhalten ist, wonach 1 äginäischer Obol das
Aequivalent zu einer sikilischen Litra war. ^) Aber damit ist doch noch
nicht der eigentliche Grund jener Anführung des Beispiels gegeben, son-
dern höchstens nur ein Wink, der uns auf das Richtige führen kann.
Der Wink führte mich auf den 13. Brief des Plato, der uns einen
Aegineten Andromedes nennt, welcher so eine Art Banquier des Königs
Dionysios von Syrakus gewesen zu sein scheint, und zu dem Plato zu
schicken pflegte, wenn er in Gelcjnöten war, um mit dem auf Dionysios
gezogenen Wechsel der Ebbe in seiner Kasse abzuhelfen.
Ist es endlich, um einen dritten Beleg anzuführen, reiner Zufall,
dass Plato seinen Schüler auf dem Throne, den jüngeren Dionysios, zur
Gründimg neuer Städte in Sikilien anspornte, offenbar um in den neuen
Gründungen seine politischen Ideale, wie er sie in der Republik und
besonders in dem zweiten Teile der Gesetze (Buch 3 — 12) entworfen
hatte, zur Verwirklichung zu bringen, und dass auch dem Aristoteles in
dem Verzeichnis des Diogenes eine Schrift ^AU§avdQO(; fj vmQ dnoixidv
beigelegt wird?
3. Die Trilogien und Tetralogien des Plato.
Wie bereits im 1. Kapitel angeführt, hat der alexandrinische Gram-
matiker Aristophanes von Byzanz die Werke des Plato nach Trilogien,
der Platoniker Thrasylos hingegen, und, wie wir oben S. 456 sahen,
schon vor ihm Derkyllides, nach Tetralogien geordnet. Da wir noch
öfters im Verlaufe dieser Abhandlung auf diese Klassifikation zurück-
kommen müssen, wird es sich verlohnen, hier gleich die vielbesprochene
1) Siehe Haltsch Metrologie 2. Aufl. S. 192 and 660.
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461
Einteilung beider Herausgeber zusammenzustellen. Aristophanes also nahm
5 Trilogien an:
1) Politeia, Timaios, Kritias,
2) Sophistes, Politikos, Kratylos,
3) Nomoi, Minos, Epinomis,
4) Theaitetos, Euthyphron, Apologi'a,
5) Kriton, Phaidon, Briefe.
Die übrigen Dialoge ordnete er nicht zu Trilogien zusammen, son-
dern Hess sie gesonderte Werke für sich bilden (ra ^*äki.a xad^ iv xal
araxTiog Diog. III G2).
Thrasylos legte der Einteilimg Tetralogien zu gründe und fügte —
damit als den späteren Ordner sich kundgebend — alle von ihm als
echt anerkannten Werke des Plato in dieselben ein auf folgende Weise:
1) Euthyphron, Apologia, Kriton, Phaidon,
2) Kratylos, Theaitetos, Sophistes, Politikos,
3) Parmenides, Philebos, Symposion, Phaidros,
4) Alkibiades I, Alkibiades II, Hipparchos, Anterastai,
5) Theages, Charmides, Laches, Lysis,
6) Euthydemos, Protagoras, Gorgias, Menon,
7) Hippias mai., Hippias min., Ion, Menexenos,
8) Klitophon, Politeia, Timaios, Kritias,
9) Minos, Nomoi, Epinomis, Briefe.
Vieles ist, was uns in diesen Anordnungen verdächtig erscheinen
muss und was uns bestimmen könnte das ganze System der Ordnung
der Werke Piatos nach Trilogien und Tetralogien für die klügelnde
Erfindung späterer Grammatiker anzusehen. Die Briefe, selbst wenn sie
echt sind, wollte Plato selbst gewiss nie mit Dialogen zu einem grösseren
Ganzen zusammengefasst wissen. In beiden Einteilungen finden sich
Werke, wie Minos und Epinomis, die zweifelsohne nicht von Plato her-
rühren und erst von den Nachfolgern dem Haupte und Stifter der Schule
untergeschoben worden sind. Und schon der Umstand, dass der eine der
Herausgeber oder Pinakographen ^) von Trilogien, der andere von Tetra-
1) Diese Alternative muss ich nämlich gelten lassen, so gerne man auch gerade bei einem
Grammatiker wie Aristophanes an die grammatische Thätigkeit eines Herausgebers ausschliess-
lich denken möchte.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 60
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462
logien ausging, scheint gegen die Echtheit der beiden Einteilungsgründe
zu sprechen. Und doch kann kein Zweifel darüber bestehen, dass schon
Plato mehrere Dialoge zusammen herausgab oder zu einem grösseren
Ganzen verbunden wissen wollte. Denn ganz unzweideutig hat der Philo-
soph selbst durch den inneren Gedankengang und die äussere Form der
Einkleidung angedeutet, dass er den Theaitetos mit dem Sophistes und
Politikos, und ebenso die Politeia mit dem Timaios und Kritias zu einem
grösseren Ganzen vereinigt und den Schülern zum Lesen hintereinander
empfohlen wissen wollte. Die Sache ist so evident und schon so vielfach
besprochen, dass es nicht notwendig ist hier noch ein Wort des Beweises
hinzuzufügen. Nur das möchte ich einschränkend bemerken, dass deshalb
die drei von Plato zu einem Ganzen vereinigten Dialoge nicht auch
unmittelbar hinter einander geschrieben zu sein brauchen. Umgekehrt
hat es grosse Wahrscheinlichkeit, dass die Abfassung der Politeia und
vielleicht auch die des Theaitetos von ihren zwei Genossen durch die
Kluft eines längeren, mehrere Jahre umfassenden Zeitraumes geschieden
sind. Aber das vermag ja natürlich nicht die offenbaren Zeichen des
engen inneren und äusseren Zusammenhanges umzustossen: Plato schrieb
nicht in einem Zuge und erhielt sich wesentlich auch dadurch frisch,
dass er nicht immer an demselben Strange zog, sondern eine belebende
Abwechselimg zwischen die verschiedenen Seiten seiner literarischen Thätig-
keit treten Hess.
Auch den Euthyphron, die Apologie, den Kriton und Phaidon wollte
Plato zweifelsohne zu einem Ganzen verbunden wissen; das hat er, wie
bereits Albinus isag. c. 4 treffend bemerkt, durch die Scenerie sattsam
angedeutet, indem er den Euthyphron vor dem Gerichtssaal der Stoa, die
Apologie in dem Gerichtssaal, den Kriton im Kerker und den Phaidon
unmittelbar vor dem Tode des Sokrates spielen Hess. Die 4 Dialoge
bilden offenbar die 4 Scenen eines der ergreifendsten und erhabensten
Dramen der Welt, des tragischen Geschickes des weisen und edlen Sokrates.
Auch das ist gewiss nicht zufällig, dass der erste jener vier Dialoge sich
um die Gottesfurcht (nef)! evaeßeiag) dreht, auf dass die Tetralogie und
die ganze Reihe der platonischen Werke nach altem frommen Brauche
mit der Spende an die Gottheit beginne.
Weniger eng zusammengekettet sind die 3 kleineren Dialoge Char-
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463
mides Laches Lysis, indem hier die Scenerie nicht auf dieselbe Zeit
verlegt ist und nur die Aehnlichkeit der Form und die Verwandtschaft
des Inhaltes auf eine engere Zusammengehörigkeit hinweisen^). Wahr-
scheinlich ist hier der Grund der Zusammenordnung ein äusserlicher,
ein buchhändlerischer. Jeder der 3 Dialoge ist zu klein, als dass er für
sich passend ein Buch gebildet hätte; alle 3 zusammen sind nicht viel
grösser als der Phaidros und Protagoras und stehen sogar an Umfang
dem Gorgias und Timaios nach. Das mochte der Anlass sein, dass die-
selben frühe und wohl schon zu Piatos Zeit zu einem Bande vereinigt
wurden^, wie das gleiche nasch weislich auch bei den Reden des Lysias
und Demosthenes geschehen ist^). Vermutlich hatte derselbe äussere
Umstand die Vereinigung des Euthyphron, der Apologie und des Kriton
zu einem Buche herbeigeführt, noch ehe Plato in gereifterem Alter jener
Trilogie als viertes Stück den Phaidon zufügte. Das letztere Verhältnis
lässt uns denn auch die Bedenken zerstreuen, die uns aus dem Wider-
streit der beiden Systeme, der Ordnung nach Trilogien und der nach
Tetralogien, zu entstehen schienen. Plato hatte offenbar anfangs nur die
Apologie und den Kriton kurz nach einander zum ehrenden Andenken
an den grossen Lehrer und zur Verteidigung desselben gegenüber den
gottlosen Anklägern und den sophistischen Verteidigern des Justizmordes
geschrieben. Später fügte er den Euthyphron hinzu und schuf so
die erste geschlossene Trilogie; noch später als er sich bereits über
1) Dem Inhalt nach berührt sich mit dem Charmides und Laches auch der Theages, indem
alle drei Dialoge den Eltern die Schule des Sokrates für ihre Söhne empfehlen wollten. Wenn
derselbe aber erst von Thrasylos mit jenen drei Dialogen zu einem Ganzen vereiniget wurde, so
lag der Grund davon wohl darin, dass die älteren Kritiker den läppischen Dialog nicht für echt
hielten.
2) Wenn Plato selbst jene 3 Dialoge in der feststehenden Reihenfolge Charmides Laches
Lysis zu einem« Buche vereinigte, dann ist freilich schwer zu erraten, was ihn gerade zu dieser
Ordnung bewog. Die Abfassungszeit schwerlich; da die grössere Ungelenkigkeit der Darstellung
im Laches uns vielmehr vermuten lässt, dass derselbe vor dem Charmides und Lysis mit ihrer
wundervollen scenischen Einkleidung verfasset wurde. Auch die Aehnlichkeit der Scenerie hätte
eher zu einem engeren Anschluss des Charmides an den Lysis geführt. Vielleicht wollte Plato
dem Charmides, seinem schönen und liebenswürdigen Vetter, den Ehrenplatz geben; vielleicht
bewog ihn auch der Umstand, dass der Laches auf eine jüngere Heldenthat des Sokrates in der
Schlacht bei Delion, der Charmides auf eine ältere in dem Feldzug gegen Potidäa Bezug nimmt.
3) Siehe darüber Blass, Geschichte der attischen Beredsamkeit I 371 und meine Abhand-
lung, die Attikusausgabe des Demosthenes S. 77 ff.
60*
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464
den engen Gesichtskreis der kleinen Dialoge erhoben und über Sokrates
hinausgehend die Lehre der Pythagoreer in sein philosophisches Denken
aufgenommen hatte, fügte er zum Abschluss noch einen vierten Dialog,
den Phaidon, hinzu und erweiterte so die Trilogie zur Tetralogie. Zu
Tetralogien sollten aber auch die beiden anderen Trilogien, Theaitetos
Sophistes Politikos, und Politeia Timaios Kritias, erweitert werden und
schwebte dieser Plan dem Philosophen schon vor, als er an die Ausarbei-
tung des zweiten Stückes jener beiden Gruppen schritt. Denn im Eingang
des Sophistes kündigt er als viertes Stück den Philosophos und im Timaios
in ähnlicher Weise den Hermokrates an. Warum der Plan nicht zur
Ausführung kam, ist eine andere Frage, die uns hier zunächst nichts
angeht. Bezüglich des Hermokrates scheint der Tod oder die unerwünschte
Wendung in den Verhältnissen Sikiliens ^) einen Strich durch die Rechnung
gemacht zu haben, da selbst das dritte Stück jener Tetralogie, der Kritias,
unvollendet blieb ^). Auf den Philosophos werden wir unten noch einmal
in einem eigenen Abschnitt zurückkommen.
Diese tetralogische (Komposition der Dialoge Piatos haben nun bereits
die Alten, wie man aus Diogenes 111 56 sieht, mit den Tetralogien des
Dramas in Verbindung gebracht. Und was war auch natürlicher als dies, da
1) Siehe darüber die Vermuthungen von Zell er, Gesch. der Phil. II' 467. Nicht erwiesen
ist die Annahme Schaarschmidts, die Sammlung der platonischen Schriften S. 158, dass
der Kritias dem Verfasser des Politikos vorgelegen habe. Die beiden Stellen Kritias p. 109 0
und Politikos p. 272 E berühren sich nur, eine gegenseitige Entlehnung ist unerweisbar.
2) Da der Kritias zwar nicht mitten im Satze, aber doch unmittelbar vor einer mit icai
l^vyayt({iag flrtff angekündigten Rede des Zous abbricht, so könnte man leicht auf die Vermutung
kommen, das*« an der Unvollständigkeit dieses Werkes nicht eine Verhinderung des Verfassers,
sondern ein Unfall der üeberlieferung schuld trage. Die handschriftliche Ueberlieferung schliesst
die Annahme, dass der zweite Teil des Dialoges durch Wegfall der letzten Blätter des Archetypus
zu gründe gegangen sei, zwar nicht aus, ist ihr aber auch nicht günstig, insofern die beiden
Stämme unserer Handschriften des Kritias, der cod. Paris. A und ein cod. Vindob. als Vertreter
der zweiten geringeren Klasse, wie mir Professor Schanz auf meine Anfrage in zuvorkommendster
Weise mitteilte, mit demselben Worte ^In^y schliessen. Jedenfalls müsste der Schluss schon frühe
verloren gegangen sein, da bereits Plutarch nur noch den Torso des Buches vor sich hatte ; s. Plut.
vit. Sol. 32: otpi 61 ag^afifyof (sc. tlXaimy Kqtttov) uqoxtitiXvae toZ ipyov top ßioy^ oüüf fin'XXok
fi'^Qctiyu ttt TtQoyfygttfifiiyttj roaovTtp fiuXkop loig anokutpS-tiaiv €(yueüag. Auf die Anführung des
Rhetor Menander, der n^^i t'ntStixnxwy c. 5. (rhet. gr. ed. Spengel III 337) einen in unserem
Kritias nicht enthaltenen Aus^spruch anführt, lege auch ich unter solchen Umständen keinen Wert;
S.Hermann System d. plat. Phil. An. 709. Eher könnte die unten> Kapitel 10 angeführte Angabe
des Platonikers Krantor über den Kritias zur Annahme berechtigen, dass jener Platoniker von
dem Kritias noch mehr als unser Fragment besessen habe, was indes gleichfalls Suckow, Form
der plat. Schriften S. 159 bestreitet und wohl mit Recht.
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die einzelnen Dialoge selbst dramatische Kunstwerke sein wollten und im
vollendetsten Masse auch sind? Mit der Vereinigung mehrerer Dialoge
zu Trilogien und Tetralogien aber ist Plato noch eine Stufe höher
gestiegen und hat in glücklichem Wetteifer mit Aischylos die grandiose
Kunst der älteren attischen Dramatik auf die Philosophie übertragen.
Ja leicht wird man dem Plato selbst vor Aischylos die Palme reichen,
wenn man den Abschluss der Oresteia durch die Eumeniden mit dem
Schlussdialog der platonischen Sokrateia vergleicht. Denn so versöhnend
und reinigend auch die Lösung des tragischen Conflictes durch die Frei-
sprechung des Orestes und den Abzug der zu Eumeniden umgewandelten
Rachegötter auf unser Gemüt wirkt, mehr doch werden wir zu Thränen
des Mitgefühles imd der Bewunderung zup^leich gerührt durch die ergrei-
fende Weise, mit der Plato seinen Helden gelassen und gefasst voll guter
Hoflfrmng aus dem Leben scheiden lässt.
Dass also Plato mit dieser Compositionsart die Kunst des attischen
Dramas nachahmte, um auch nach dieser Richtung hin für die aus dem
Philosophenstaat verbannte Tragödie einen höheren Ersatz zu bieten,
muss ohne Zaudern anerkannt werden. Aber ich gehe noch einen Schritt
weiter. Ist in der Literatur die Tragödie dem prosaischen Dialoge vor-
angegangen, so ist umgekehrt der Name Tetralogie von den Dialogen
des Plato erst auf die Dramen des Aischylos übertragen worden. Das
beweist das zweite Element des Wortes r^rpaAo^^ta ; denn loyoi J^vDXQaxtxoL
hiessen bekanntlich die Dialoge des Plato, während die Tragödien wohl
loyovi; enthielten, selbst aber nie loyoi genannt wurden.. Es könnte also
nur ein Zweifel darüber aufkommen, ob das Wort Tetralogie zuerst von
den Dialogen des Plato oder den Redeentwürfen des Antiphon gebraucht
worden sei; aber wer möchte den unbedeutenden Reden des untergeord-
neten Rhetor einen gleichen Einfluss beilegen als den bewunderten Werken
des vielgelesenen Philosophen?
4. Unausgeführte Tetralogien.
Drei grosse Trilogien oder Tetralogien hat also Plato geschrieben
Euthyphron, Apologie, Kriton, Phaidon,
Theaitetos, Sophistes, Politikos, (Philosophos),
Politeia, Timaios, Kritias, (Hermokrates).
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466
Denn die Reihe, Charmides Laches Lysis, bildet keine Trilogie im höheren
Sinne des Wortes, sondern beruht nur auf einer durch den Seitenumfang
bedingten buchhändlerischen Zusammenfassung, so dass man mit dem
gleichen Rechte auch die 3 olynthischen Reden des Demosthenes als eine
Trilogie bezeichnen könnte. Diese Aussonderung ist von Wichtigkeit
weil sich aus den 3 echten Tetralogien ergibt, dass die Kunstform der
tetralogischen Komposition dem höheren Alter des Philosophen angehört.
Denn zählen auch die Apologie und der Kriton zu den frühesten Schriften
Piatos, die nicht lange nach dem Tode des Sokrates oder nach 399 abge-
fasst sind, so föUt doch der Phaidon, der erst die Tetralogie schuf, in
eine weit spätere Zeit ^). Dass sodann der Timaios dem hohen Alter des
Plato angehört und in die Zeit nach der zweiten sikilischen Reise des Philo-
sophen fällt, ist gut bezeugt und wird von niemanden bestritten ^). Endlich
reift jetat immer mehr die Einsicht, dass die beiden dialektischen, des Glanzes
der künstlerischen Darstellung fast ganz ermangelnden Dialoge Sophistes
und Politikos dem Greisenalter des Plato angehören % jener unerquicklichen
Zeit der geistigen Verschrumpfung des grossen Philosophen, aus welcher
der Dialektiker und Logiker Aristoteles, der eben von 367 — 347 den
Plato hörte, hervorgegangen ist.
Wird nun zugegeben, dass die tetralogische Form dem höheren Alter
Piatos eigen war^), so ergeben sich daraus kritische Ausblicke nach
vorwärts und nach rückwärts. Sehen wir von Thrasylos, der alle Dialoge
Piatos in die tetralogische Jacke zwängte, ganz ab, so hat schon Aristo-
phanes ausser den von uns bezeichneten Dialogen auch noch den Kratylos
zusammen mit dem Sophistes und Politikos zu einer Trilogie verbinden
wollen. Wir müssen diese Kombination schon deshalb abweisen, weil
1) Auf die Abfassungszeit des Phaidon werden wir unten zurückkommen.
2) Zwischen die 2. und 3. sikilische Reise oder zwischen 368 und 361 setzt den Timaios
und den Beginn des Kritias Z e 1 1 e r Philosophie der Griechen 11' 467.
3j Auch darauf werden wir unten in Kap. 8 zurückkommen.
4) Dieser Satz vereinigt sich auch recht wohl mit der abnehmenden Kraft scenischer Erfin-
dungsgabe im höheren Alter des Plato. Denn worin die platonischen Dialoge so ganz unübertroffen
geblieben sind, besteht ja in der mimetischen Scenerie, wie wir sie zumeist im Protagoras und
Symposion bewundem. Solche Proömien zu allen Dialogen zu schaffen, mochte eine übergrosse
Aufgabe sein, zumal für den alternden Plato; die tetralogische Form überhob den Autor der
Notwendigkeit zum zweiten und dritten Stück neue Prologe zu dichten.
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Plato selbst im Eingang des Sophistes ganz unzweideutig den Theaitetos
und nicht den Kratylos als denjenigen Dialog bezeichnet, der mit dem
Sophistes und Politikos zu einer grösseren Einheit zu verbinden sei ^).
Aber auch alle Versuche der Neueren andere Dialoge wie den Phaidros,
das Symposion und den Phaidon^, oder, was man mit grösserer Plausi-
bilitat ausführen könnte, den Gorgias, Menon und Protagoras zu einer
Trilogie zu vereinigen, werden wir ohne Umschweif auf sich beruhen
lassen.
Wichtiger ist eine andere Frage, die sich nach den vorausgegangenen
Erörterungen von selbst aufdrängt. Dürfen, ja müssen wir nicht auch
von den anderen Werken, welche Plato gleichfalls nachweisbar im höheren
Alter schrieb, annehmen, dass sie ursprünglich darauf angelegt waren,
Glieder einer grösseren Untersuchung zu bilden, so dass sie nunmehr in
ihrer Vereinzelung nur halbwegs verständlich sind, jedenfalls nur mit
Rücksicht auf die zu ihrer Ergänzung in Aussicht genommenen Dialoge
erklärt werden müssen? Bezüglich einer hier in Betracht kommenden
Schrift haben wir für unsere Auffassung geradezu das Zeugnis der
nächsten Schüler Piatos. Die Gesetze hat Plato selbst mit keinem ande-
ren Werke zu einem grösseren Ganzen verbunden; aber schon bei Aristo-
phanes erscheinen dieselben als Glied der Trilogie Minos Nomoi Epinomis.
Als Verfasser der Epinomis aber wird uns ein Schüler Piatos, Philippos
von Opus genannt % dem zugleich von der Tradition die Herausgabe der
unvollendet hinterlassenen Gesetze zugeschrieben wird*). Entfernt sich
1) Wahrscheinlich war es das Interesse der Grammatiker, das den Grammatiker Aristophanes
bestimmte, das erste Werk über Sprachphilosophie in die bevorzugte Klasse der trilogisch
geordneten Bücher Piatos aufzunehmen. In ähnlicher Weise mochte das Interesse der Literar-
historie für die Aufnahme der Briefe bestimmend gewesen sein.
2) Diese Zusammenstellung hat Steinhart aufgestellt; gegen dieselbe spricht Rettig in
seinem Commentar zum Symposion S. 42.
3) Dieses wird uns bezeugt von Diogenes III 3 und Suidas unter <ptX6co<poc; vgl. Her-
mann System S. 422 f. imd Zeller Gesch. d. Phil. IP 895. Den Minos setzt üsener in dem
trefflichen Aufsatz, Organisation der wissenschaftlichen Arbeit S. 20 nach einer im Dialog selbst
enthaltenen Andeutung in das Jahr 339.
4) Zweifellos, worüber alle einig sind, gehören die Gesetze dem höchsten Alter unseres Philo-
sophen an. Die Anspielung auf die Vergewaltigung der epizephyrischenLokrer durch den jüngeren
Dionysios in den Gesetzen p. 638 A zusammen mit der Nachricht des Athenaios XII p. 541 über
jenen Vorfall führt uns in die Zeit nach 356. Dass das Werk aber nicht vollendet ist und Plato
durch den Tod verhindert wurde die letzte Hand an dasselbe zu legen, darüber herrscht so allge-
meine Uebereinstimmung, dass sich die neueren Untersuchungen von Bruns, Piatos Gesetze vor
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nun auch die Epinomis und der Minos weit von dem Geiste und der
Kunst des göttlichen Plato, so wäre es doch immerhin leicht denkbar,
dass die Verfasser dieser Dialoge insofern den Plan des Plato selbst
ausführten, als derselbe die Nomoi nicht für sich herausgeben, sondern
mit anderen Dialogen zu einer Trilogie verbinden wollte.
Ausser den Gesetzen kommen aber hier noch zwei andere, gleichfalls
in das höhere Alter Piatos fallende Dialoge, Philebos und Parmenides,
in Betracht. Von diesen lasse ich hier den ersteren beiseite, gehe aber
des Näheren auf den Parmenides ein, weil sich vielleicht auf unserem
Wege die grossen, gegen seine Echtheit erhobenen Bedenken heben und
richtigere Einblicke in das Wesen und das Ziel des Dialoges gewinnen
lassen. Im ersten Teil des Parmenides nämlich wird bekanntlich die
Ideenlehre von dem italischen Philosophen auf das schärfste bekämpft,
und weicht nicht bloss Sokrates vor den einzelnen Angriffen zurück, son-
dern wird auch im weiteren Verlaufe des Dialoges kein Versuch gemacht
die Fundamente der Ideenlehre, jener Grundsäule der ganzen platonischen
Philosophie, zu retten. Denn selbst wenn es gelänge den zweiten Teil
des Dialoges oder die dialektische Begründung der Einslehre für die
Sicherung der Ideenlehre zu verwerten, so muss doch jedenfalls zuge-
geben werden, dass Plato selbst keinerlei aufklärende Andeutung über
eine solche Wechselbeziehung der beiden Teile gegeben hat ^). Die Sache
ist aber um so fataler, je schwerer wiegend die von Parmenides gegen
die Ideenlehre erhobenen Einwände sind. Zum grössten Teil eignet
bekanntlich Aristoteles in der Metaphysik sich dieselben unbedingt an,
ohne aber zu erwähnen, dass dieselben schon in jenem Dialoge von Plato
selbst vorgebracht worden seien^). Aristoteles also, der scharfe Denker, hielt
und nach ihrer Herausgabe durch Philippos von Opus löSO, und Bergk, Piatos Gesetze, in fünf
Abhandlungen zur griech. Philosophie und Astronomie 1883, nur um die Ermittelung der dem
Philippos vorliegenden Bestandtheile des platonischen Manuskriptes und der Thätigkeit des Redac-
tors drehen.
1) Vollständig unterschreibe ich die Einwände, welche Peipers, ontologia Platonica p. 356
gegen Zell er erhoben hat, namentlich den Satz: dubito num satis explicatum sit, quomodo
unitas altera dialogi parte ita probaretur, ut prioris partis dubitationes evanescerent.
2) Erwägung verdient dabei auch noch der Umstand, dass die Bekämpfung der Ideenlehre
im ersten und vorletzten Buch der Metaphysik teilweise nur eine Wiederholung der von Aristoteles
schon in einem Jugendwerk, in dem Dialoge m^l (fiXoaoffutg vorgebrachten Argumente ist, etwas
was nach den Andeutungen des Aristoteles p. 1076* 28 der Commentator Alexander p. 86, 32 und
756, 17 bezeugt und neuerdings Blass im Rh. M. XXX 481 flp. näher ausgeführt hat.
Digitized by VnOOQlC
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die Gegengründe für durchschlagend und glaubte damit die ganze Ideen-
lehre über den Haufen werfen zu können. Aber auch uns wird es schwer
fallen die Einwände zu widerlegen oder auch nur die Kraft derselben
abzuschwächen; ich wenigstens gestehe offen mein Unvermögen ein, habe
aber auch noch keinen andern kennen gelernt, dem eine volle Wider-
legung der gemachten Einwürfe gelungen sei. Hat nun vielleicht auch
Plato an die Wahrheit der Gegengründe geglaubt und in höherem Alter
mit jenem Dialoge selbst die Ideenlehre aufgegeben? Das gewiss nicht;
aus Aristoteles sehen wir sonnenklar, dass Plato bis zu seinem Ende und
ebenso seine nächsten Nachfolger, Speusippos und Xenokrates, unverbrüch-
lich an der Ideenlehre festhielten. Und dann hat Plato im Pannenides
selbst durch sein iaa)i; und (paiverai genügend angedeutet, dass er den
Einwänden wohl einen grossen Schein der Wahrscheinlichkeit, aber doch
keine innere Wahrheit, keine obsiegende Kraft beilege. Er hat aber zu
gleicher Zeit p. 133 B ausgesprochen, dass die Widerlegung nur einem
sehr geschickten Dialektiker und diesem nur vermittels weitausgreifender
Deduktionen gelingen könne: el fiij no)Jkaxig rvxoi ejUTidQog wv 6 ä/LKpi'
oßrjTivy xal firi d(pvrig, id-iXoi J« ndyv noXld xal noffOwS-ev nQayixaTBVOfiivov
Tov iy^eixvvjuivov an^a&ai. Hat nun Plato sich jener Aufgabe unter-
zogen und durch eingehende Beweisführung das Unrichtige an jenen
Einwänden nachgewiesen? Im Parmenides selbst nicht, aber auch in
keinem anderen Dialoge. Nicht blos wiederholt Plato in der Republik
die Begriffe juid^e^tg und elxior, ohne auch nur im geringsten auf die im
Parmenides gegen dieselben vorgebrachten gewichtigen Bedenken Rück-
sicht zu nehmen; auch in dem Timaios und selbst im Philebos sehen wir
keinen ernstlichen Anlauf zur Widerlegung der Angriffe des Parmenides
gemacht Was folgt daraus? Bekanntlich haben nicht blos tumultuarische
Skeptiker, wie Schaarschmidt und Krohn, sondern hat selbst ein
so feiner und behutsamer Kritiker wie Ueberweg in seinen Unter-
suchungen über die Echtheit und die Zeitfolge platonischer Schriften
S. 176 ff. die Echtheit des Parmenides angefochten^). Aber so auffallig
1) Die sprachlichen Einwände, die Dittenberger im Hermes XVI 324 gegen die Echtheit
des Parmenides erhoben hat, sind vorläufig noch viel zu irrelevant als dass sie zum Beweise
ausreichten; auch ist es gewiss minder kühn das falsche ytvfi&vtattai p. 141 E in yi^ijaftat zu
korrigieren als daraus auf nichtattischen (!) Ursprung zu schliessen.
Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 61
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es auch ist, dass Aristoteles den Parnienides ignoriert ^) , so spricht doch
Sprache, Kunst der Dialektik, und vor allem der bestimmte Hinweis des
Plato selbst im Sophistes p. 217 C unwiderieglich für die Echtheit des
Dialoges. Für mich bleibt daher nur ein Erklärungsweg: Plato wollte den
Parmenides nicht allein für sich stehen lassen, er gedachte in einem oder
zwei nachfolgenden Dialogen die Einwände, die im Laufe der Zeit gegen
die anfangs allzu naiv aufgestellte Ideenlehre vorgebracht worden waren,
in streng dialektischer Beweisführung zu widerlegen. Unser Parmenides
mit anderen Worten ist entweder der Torso einer nicht ausgeführten
Trilogie oder es sollte auf ihn, der nup ein Nebenwerk zum Sophistes
war, im Philosophos geantwortet werden 2).
5. Die alphabidtische Anordnung in dem Yerzeichnis des Thrasyios.
Aristophanes stund der echten und guten Ueberlieferung in jeder
Beziehung, nicht blos zeitlich, sondern auch sachlich näher als Thrasyios.
Er hat, von dem Kratylos und den Briefen abgesehen, nur solche Schriften
in das trilogische Verzeichnis aufgenommen, welche vom Autor selbst und
seinen unmittelbaren Nachfolgern zur trilogischen oder tetralogischen Ver-
bindung bestimmt waren; er hat dabei nur durch Hereinziehung zweier
fremder Bestandteile, des Kratylos und der Briefe, die Ordnung in kopf-
loser Weise verwirrt. Thrasyios, indem er Tetralogien statt Trilogien
zu gründe legte, hat gleich im Anfang in der ersten Reihe, Euthyphron
Apologie Kriton Phaidon, die Hand Piatos hergestellt. In der 2. Reihe
ist er dem Vorgange des Aristophanes in der Art gefolgt, dass er dem
Theaitetos Sophistes Politikos noch den verwandten, wenn auch nicht
zum tetralogischen Zusammenhang bestimmten Dialog Kratylos zufügte.
Aehnlich ist er bei Nr. 5 und 8 verfahren, indem er die alten Gruppen,
Charmides Laches Lysis und Politeia Timaios Kritias, durch Zufügung
zweier verwandten, aber unechten Dialoge, des Theages und Klitophon,
1) Vielleicht hat Aristoteles nur deshalb diesen Dialog ignoriert, weil er ihm, oder vielmehr
seinem Hauptteile keinen Gefallen abgewinnen konnte. Dafür könnte man nftmlich die Stelle in
der Metaphysik p. 1089» 1 geltend machen, wo er das Zurückgehen auf die Einslehre des Parmenides
als etwas altfränkisches (dno^tjaai a(>/a«xa;f) bezeichnet.
2) Eine ähnliche Gedankencombination scheint Bergk, Fünf Abhandlungen zur g^riech.
Philosophie und Astronomie S. 9 geleitet zu haben, wenn er den Parmenides eine unvollendete
Arbeit nannte.
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zu Tetralogien erweiterte. Auch bei der letzten Tetralogie half er sich
auf ähnliche Weise, nur dass die angehängten Briefe weder nach Form
noch nach Inhalt etwas mit den gesetzgeberischen Dialogen Minos Nomoi
Epinomis zu thun haben.
Bis dahin ist Thrasylos, wenigstens in der Hauptsache, alten und rich-
tigen Schultraditionen gefolgt. Er ging nun aber über seinen Vorgänger
Aristophanes und über die Wahrheit dadurch in verkehrter Weise hinaus,
dass er auch die übrigen Dialoge zu Tetralogien verband, wiewohl die-
selben vom Verfasser selbst nicht zu solcher Verbindung angelegt waren.
Was hatte er nun hiebei für Gesichtspunkte? Es wird, um sich das klar
zu machen, gut sein, nochmals die betreffenden unechten Tetralogien des
Thrasylos herzusetzen:
3) Parmenides, Philebos, Symposion, Phaidros,
4) Alkibiades I, Alkibiades II, Hipparchos, Anterastai,
6) Euthydemos, Protagoras, Gorgias, Menon,
7) Hippias mai., Hippias min., Ion, Menexenos.
Am ehesten möchte man hier bei der 6. Reihe einen sachlichen Ge-
sichtspunkt vermuten, da die vier Dialoge Euthydemos Protagoras Gorgias
Menon sämtlich gegen die Sophisten gerichtet sind und überdies der
Menon gleich im Eingang an die Lehrthätigkeit des Gorgias in Thessalien
anknüpft, so dass sich so auch einfach zu erklären scheint, warum Thra-
sylos den Menon auf den Gorgias und nicht umgekehrt den Gorgias auf
den Menon folgen liess. In der 3. Reihe wird man nur zwischen dem Sym-
posion und Phaidros einerseits, die beide den Eros zum Gegenstand haben,
und dem Parmenides und Philebos anderseits, die beide die dialektische
Methode teilen und von Plato im hohen Alter geschrieben simd, eine innere
Beziehung erkennen, aber kaum begreifen, was die Vereinigung der beiden
Paare zu einer Tetralogie veranlasste. Vollends wird man keinen Ausweg
finden, wenn man bei der 4. und 7. Tetralogie den Faden eines inneren
Zusammenhanges aufzuspüren sich bestrebt. Stellt man sich aber einmal
die Namen der Dialoge griechisch zusammen liXxißidJfjg a\ ^Ahcißiadrig (f,
"innaQX^S, \/4yreQaoTai], "^Innlag fiBi^vjy, 'Inniag fieiwv, "/cor, Meve^erog, so
springt einem sofort, die alphabetische Ordnung in die Augen. Nur die
liyT€Qaarai fallen aus der Reihe heraus, und man wird nun, nachdem
einmal der Faden gefunden, auch leicht zugeben, dass die i^i^r^paarat,
61*
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ein unechter Dialog, in dem Original, dem Thrasylos folgte, vielleicht in
der Tafel des Derkyllides noch nicht unter die Schriften Piatos aufge-
nommen war. Noch evidenter aber wird es jedem erscheinen, dass die
Ordnung der Reihen oder der dieselben enthaltenen Volumina gestört ist,
und dass ehedem Nr. 7 auf Nr. 4 folgte und beide noch nicht durch
Nr. 5 und 6 von einander getrennt waren ^).
Ich hatte mir ehedem viele Mühe gegeben, den Grund zu erraten,
warum in den zur 3. und 6. Tetralogie vereinigten Gruppen die Folge
riaiffi BvLdi]g 4>tXrißog
J^v/unooioy ^^aT^Qog
Ev&vdriuog UifvaTayoQag
ro^iag Mevcov
eingehalten sei. Ich dachte an eine chronologische Anordnung und hoffte
daraus Kapital für Aufhellung dunkler Punkte der Abfassungszeit plato-
nischer Schriften zu schlagen. Bedenken erregte mir jedoch der Umstand,
dass der Phaidros nach dem Symposion steht, während doch selbst ein
Blinder, wenn ihm nicht durch grammatische Statistik der Blick getrübt
wird, sehen muss, dass das Symposion erst nach dem Phaidros ge-
schrieben sein kann. Später nachdem ich in den 7 Dialogen der 4. und
7. Tetralogie die alphabetische Ordnung entdeckt hatte, gab ich alles
weitere Nachsinnen auf, und erkannte auch in der Ordnung jener 4 Paare
die alphabetische Folge als leitendes Motiv des Thrasylos oder seiner
Vorgänger.
Die Leser werden sich wohl mit mir des Lichtstrahles freuen, der
so über die Anordnung des Thrasylos ergossen ist. Leider fällt das
Licht nur auf" die äusserliche Thätigkeit eines grammatischen Akademi-
kers, nicht auf das innere Wesen der platonischen Philosophie. Aber
wir Philologen müssen froh sein, wenn uns auch nur der Ueberlieferung
Dunkel aufzuhellen gelingt.
6. Die Bacheinteilnng bei Plato and Aristoteles.
Die Werke des Plato ähnelten einander auch äusserlich in den ver-
schiedenen Perioden seiner Schriftstellerei. Anfangs schrieb er Dialoge
1) Beachtenswert ist, dass die anderen von Diogenes a. a. 0. angeführten Einteilungen
gleichfalls auf Verkehrung der Reihen hinauslaufen.
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von massigem Umfang, so dass später leicht mehrere derselben, wie wir
dieses vom Charmides Laches Lysis sahen und von anderen, wie Apologia
Kriton Euthyphron Ion Hippias min., vermuten dürfen, zu einem Buche
verbunden wurden. Später vom Menon an, also etwa seit 395 liebte es
Plato, seinen Dialogen neben einem grösseren Gesichtskreis der Unter-
suchimg auch einen grösseren, etwa dreimal so grossen äusseren Umfang
zu geben, natürlich jedoch so, dass er nicht nach der Elle schrieb und
sich nicht an ein festes Mass band. Nur wird man bei allem Schwanken
des Umfanges und selbst wenn der Autor manchmal auf die Hälfte herab-
ging ^), ein gewisses Gleichmass zwischen dem ersten und letzten derartigen
Dialoge, dem Menon und Philebos, nicht verkennen dürfen. Nur in 2 Dialo-
gen ging er weit über dieses Mass hinaus, in seinem letzten, unvollendet
hinterlassenen Werke, Nomoi, und in der Politeia. Dabei ist es aber
bezeichnend, dass eben diese Politeia erst aus mehreren Teilen zu ihrem
grossen Umfang angewachsen ist. Denn diese Thatsache ist nicht blos
durch die bekannte Ueberlieferung des Gellius noct. att 13, 3, wonach
Plato die Republik zuerst in 2 Büchern herausgab^), verbürgt, sondern
noch entschiedener durch die viel besprochenen Fugen in dem erhaltenen
Werke selbst bestätigt ^). Nicht ohne Interesse ist es dabei, dass derjenige
Bestandteil, der sich am leichtesten als eine spätere Erweiterung nach-
weisen lässt, Buch 5. 6. 7, mit 3664 Zeilen, ungefähr dem Umfang des
1) Genaue Angaben gibt Birt, Das antike Buchwesen S. 440; danach hat, um nach der
mutmasslichen Zeit der Abfassung zu gehen. Menon 1656 Zeilen, Gorgias 3734, Phaidros 2516,
Kratylos 2932, Euthydemos 1684, Protagoras 2360, Symposion 2356, Phaidon 3002, Theaitetos 3737,
Sophistes 2998, Politikos 8084, Parmenides 1862, Timaios 3434, Philebos 3132.
2) Sehr schwer ist es freilich zn sagen, welche Teile unserer Politeia unter jenen duobus
fere libris, qui primi in volgus exierant, zu verstehen seien. Schon das fere indes zeigt, dass man
an ein volles Zusammenfallen mit unseren 2 ersten Büchern nicht zu denken hat. Am meisten
Wahrscheinlichkeit hat mir immerhin noch die Ansicht Krohn's, Der platonische Staat 73 f.
384 f., dass jene erste Ausgabe im wesentlichen die 4 ersten Bücher unserer Politeia enthalten
habe, ohne datss deshalb nicht manches erst später hinzugekommen und überarbeitet worden wäre.
Es wird eben der Hauptinhalt jener vier Bücher in der ersten Ausgabe beiläufig 2 Bücher umfasst
haben. Nusser, Piatons Politeia S. 103 nimmt doch die Sache zu leicht, wenn er in der Notiz
des Gellius nur eine oberflächliche Vermutung der späteren Zeit erkennen will.
3) Ich weiss nicht, ob schon jemand zur Widerlegung der Meinung, dass die Verspottung
der Weiberherrschaft in den Ekklesiazusen des Aristophanes nicht auf Plato, sondern irgend
welchen anderen Idiologen gehe, auf die Stelle im Timaios p. 18 C hingewiesen hat, wo das ^*«
rijv a^S'Hav roiv Xf/^i»^<u>' evfiyrifioysvToy sc. ro nt^l r^i nai6o7toiittg deutlich zeigt, dass Plato
der eigentliche Erfinder der Weibergemeinschaft war.
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Theaitetos gleichkommt und die beiden Dialoge, mit denen man den-
selben in Verbindung bringen wollte, den Sophistes und Politikos, nicht
erheblich an Grösse übersteigt.
Jene beiden Werke nun, Staat und Gesetze, sind wegen ihres über-
mässigen Umfangs in Bücher geteilt, die Politeia in 10, die Nomoi in 12.
Die Einteilung fand bereits Thrasylos nach Diogenes III 57 vor; sie lag
aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Attikusausgabe unseres Philoso-
phen zugrunde, auf die unsere Handschriften mit ihren stichometrischen
Angaben zurückzugehen scheinen. Aber von wem ist sie ausgegangen?
Birt in seinem trefflichen Buche über das antike Buchwesen spricht sie
nicht blos dem Plato ab, er bestreitet auch S. 477 die Richtigkeit der
Ueberlieferung bei Suidas s. v. (pdococpoi;, dass Piatos Schüler, Philippos
der Opuntier, die Nomoi in 12 Bücher eingeteilt habe, und geht sogar
5. 447 so weit, aus den obenbesprochenen Nachrichten über die Eintei-
lung der Werke des Plato nach Trilogien durch Aristophanes von Byzanz
zu schliessen, dass jener Grammatiker noch die Politeia und die Nomoi
als je 1 Buch angesehen habe. Die letzte Annahme steht auf sehr
schwachen Füssen und geht entschieden zu weit; aber das andere ist
richtig, dass weder Plato noch Aristoteles selbst ihre Werke in Bücher
eingeteilt haben. Das geht unwiderleglich aus den störenden Fehlern
der überlieferten Buchteilung hervor ^). Ich vermag dafür drei sichere
Fälle anzuführen. Vor allem sind die Bücher der Politeia Piatos so
grundverkehrt abgeteilt, dass die Abteilung unmöglich von Plato selbst
herrühren kann. Ich spreche das nicht zuerst aus, den Nachweis haben
bereits Hermann, Steinhart und andere mit zutreffender Sachkennt-
nis gegeben. Das 6. und 7. und ebenso das 8. und 9. Buch hängen
auf das allerengste miteinander zusammen, indem im ersten Falle der
Vergleich der Wahrheit mit der Sonne schon vor dem Schlüsse des
6. Buches, und im zweiten Falle die Schilderung des Tyrannenlebens
schon vor dem Ende des 8. Buches begonnen hatte. Plato selbst hätte
nimmermehr durch Buchtrennung die Darstellung an diesen Stellen
1) Ohne Beweiskraft, aber doch nicht ohne Bedeutung ist der Umstand, dass die Grösse der
einzelnen Bücher der Politeia und Nomoi mit ca. 1150 Zeilen erheblich hinter der Grösse der je
1 Buch bildenden Dialoge zurückbleibt. Schon dies weist auf verschiedene Grundsätze oder
Uebungen bei der Bucheinteilung und somit auf verschiedene Zeiten hin.
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zerrissen. Auch das 3. Buch beginnt nicht an rechter Stelle, da ein neuer
Abschnitt vielmehr vor dem Schlüsse des 2. Buches p. 376 E anzunehmen war,
an welcher Stelle die naideia (fvkaxcor beginnt. Endlich hängt auch das
5. und 6. Buch so zusammen, dass kein Anlass zur Bildung eines neuen
Buches gegeben war. Kurzum unsere Einteilung in 10 Bücher ist von
einem Librarius gemacht, dem es wenig auf den Sinn, um so mehr aber
auf gleichen Umfang der einzelnen Bücher ankam.
Aus Aristoteles, dessen Bücher indes im allgemeinen viel zweck-
mässiger abgeteilt sind, führe ich zuerst einen Fehler der Metaphysik
an. Die letzten Bücher dieses Werkes M N bilden eigentlich ein Ganzes
und würden am besten gar nicht geteilt worden sein. Sollte aber geteilt
werden, so musst^ das Buch N bereits vor dem Schlusskapitel des Buches
M p. 1086* 18 begonnen werden, wie bereits der alte Commentator
Syrianos unter Zustimmung von Bonitz richtig bemerkt hat. Denn an
dieser Stelle geht der Philosoph von der Untersuchung der Ideen und
der mathematischen Dinge an sich zur Erörterung der Elemente und
Anfange derselben über. Noch nicht bemerkt ist, dass auch in der
Schrift von der Seele das 3. Buch an unrichtiger Stelle beginnt, so dass
die überlieferte Abteilung der von Aristoteles selbst aufgestellten Dispo-
sition entschieden widerspricht. Denn die Darstellung der sinnlichen
Wahrnehmung {ala&rjoig) grejft aus dem 2. Buch in das 3. über; der
neue Abschnitt von der denkenden Seele beginnt erst mit dem 3. Kapitel
des 3. Buches, weshalb ich auch vor 2 Jahren mit diesem Kapitel im
philologischen Seminar die Interpretation beginnen liess. Der Grund der
falschen Teilung ist aber auch hier in der Rücksicht auf möglichste
Gleichheit der Bücher zu suchen. Nach Birt hat das erste Buch 846
Zeilen, das zweite 1074, das dritte 895. Wäre also das zweite bis zu
seinem richtigen Ende, bis III 3 ausgedehnt worden, so hätte es noch
unverhältnismässiger das erste und dritte an Umfang überragt.
Ein zweiter, aber minder durchschlagender Beweis für den spä-
teren Ursprung* der Bucheinteilung liegt in den Zeugnissen über die
verschiedene Zahl der Bücher ein und desselben Werkes. Bei Plato
gibt es keinen derartigen Zwiespalt. Denn alle Angaben stimmen in
der Zehnzahl der Bücher der Politeia imd der Zwölfzahl der Bücher
der Nomoi überein. , Aber zahlreich sind die Abweichungen bezüg-
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Goooh^"'''^^
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lieh der Einteilung von Werken des Aristoteles. Dieselben hat Birt
S. 453 ff. zweckmässig zusammengestellt. Ich will hiezu zwei Nachtrage
oder vielmehr Berichtigungen anderweitiger Angaben geben. Unsere
erste Analytik umfasst 2 Bücher; dagegen führt das Verzeichnis bei
Diogenes V 1, 23 an n^forh^iov dralvrixiov a ß' y (T % z ^' ij' ^),
hiezu fügt dann noch Heitz Griech. Lit. II 2 S. 284 eine Angabe von
ava'Jiirrixdiy Ji ßißkia bei Joannes Philoponos in cat. p. 39' 20. Diese
Divergenz aber muss durch eine paläographisch sehr leichte CSorrectur
beseitigt werden, da ,a einfach aus tj verlesen oder verschrieben ist, wie
nns diese Verwechselung zu hundert Malen in griechischen Minuskel-
handschriften des Mittelalters begegnet. Ebenso ist das Verzeichnis des
Diogenes mit 7i€()l n^foßlrifxaxiüy a (unmittelbar nach den Analytiken),
fiB&odixa 7] und mifl iQionxdiy ß mit unserem Bestände, der bekannt-
lich 10 Bücher ronixa oder 9 Bücher Topika und 1 Buch aoipianxol
kT^y/oi aufweist, sicher in Einklang zu bringen. Denn einmal ist /ueS^o-
dixa nur ein Doppeltitel für ronixdj wie man längst aus Aristoteles
selbst rhet 1 2 p. 1356^ 19 erkannt hat, wo auf unsere Topik mit den
Worten aianeff er xdig jtiaS-o^ixolg ei^prjrai Bezug genommen wird. Sodann
ist von irgend einem Grammatiker nach einer von Aristoteles selbst
angedeuteten Gliederung das 1. Buch der Topik als allgemeiner, die
logischen Probleme einleitender Teil unter dem speciellen Titel .^6pt
nQoßXrjfiaTwy abgesondert worden. Endlich überschreiten die coipiarixot
ilfyX^^ erheblich den Umfang der Bücher der eigentlichen Topik und
konnte ein Grammatiker sehr passend mit dem 16. Kapitel einen anderen
Abschnitt oder ein neues Buch beginnen, wie denn auch thatsächlich in
dem cod. Laurent. 89 und in älteren Ausgaben die Schrift in 2 Bücher
geteilt ist.
Zum Schlüsse will ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen,
den ich gelehrteren Mitforschern zur Beachtung und Lösung empfehle.
Bei der Zählung der Bücher des Plato ist von dem g Gebrauch gemacht
worden; ebenso in dem von Diogenes verzeichneten lAdex der Werke
des Aristoteles. In unseren Handschriften und Ausgaben des Aristoteles
und ebenso im Kommentar des Alexander Aphrodisiensis zur Metaphysik
1) Eine sehr ansprechende Vermutung Über jene Einteilung in 8 Bücher oder vielmehr
Abschnitte (r^ij/im«) gibt Birt S. 454.
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wird gleich von E zu Z übergegangen; von Alexander wird die Bezeichnung
des 10. und 11. Buches als Buch AT und y/ ausdrücklich als die bei den
Peripatetikern übliche hervorgehoben ^).
7. Der 13. Brief des Plato echt.
Seitdem Bentley mit unübertroflFenem Scharfsinn die Unechtheit
der phalerideischen Briefe nachgewiesen hat, ist auf dem Gebiet« der
griechischen Brief litteratur mit dem Messer der Kritik, das der gi'osse
Britte geschliflFen hatte, viel Missbrauch getrieben worden. Weil die
Fälschung und Unterschiebung von Briefen im Altertum in unverschäm-
ter Weise betrieben wurde, war man nur zu rauch bei der Hand auch
ohne den Scharfsinn und die Gelehrsamkeit von Bentley die über-
kommenen Briefe griechischer Redner und Philosophen zu verdächtigen
und alles ohne Unterschied in einen Topf zu werfen. Das gilt nicht
zum wenigsten auch von den Briefen des Plato, auf denen jetzt so allge-
mein in Deutschland das Anathema der verwerfenden Kritik liegt, dass
man seinen Ruf riskiert, wenn man an ihrer Unechtheit nur zu zweifeln
wagt. Und doch müssen bei der Frage nach der Echtheit die einzelnen
Bestandteile, aus denen unsere Sammlung von 13 Briefen besteht,
strenge von einander geschieden werden, und bedarf die ganze Unter-
suchung einer einschneidenden Revision. Was Steinhart, dessen Ein-
leitung zu den Briefen die jetzt herrschende Meinung repräsentiert, von
den Brieffalschungen in den Schulen der Sophisten und den unplatoni-
schen Charakter der überlieferten Briefe spricht, gehört teils nicht zur
Sache, teils beruht es auf Verkennung des Briefstiles und auf unkriti-
schem Vorurteil über den persönlichen Charakter des Philosophen. Aristo-
phanes von Byzanz, um 200 vor Christus, hatte bereits die Briefe in
seine Ausgabe oder seinen pinakographischen Abriss aufgenommen^,
und alle Declamationen über die Schulübungen der Sophisten fallen
damit als fremdartiger Aufputz weg. Im übrigen brachte Steinhart
zu derartigen Fragen nicht die nötige Unbefangenheit mit. Ich liebe
1) V. Wilamowitz, curae Thucydideae p. 8 belehrt mich, dass auch noch der einzige
Codex des Clemens bei der Buchzählung das Stigma oder Vau übergeht.
2) Ob alle 13 Briefe, ist freilich von Diogenes nicht gesagt, aber ebensowenig ist das Gegen-
teil gesagt oder auch nur wahrscheinlich.
Abb. d. I. Ol. d. k. Ak d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 62
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und bewundere den Mann; solche Männer von flammender Begeisterung
und Liebe für das Grosse im Altertum bedarf unsere griesgrämige, im
literarischen Kleinkram sich gefallende Zeit. Aber ein Kritiker bedarf
vor allem Unbefangenheit und darf auch vor der Aufgabe eine bewun-
derte Grösse von der Höhe ihres Piedestals herabzuziehen nicht zurück-
scheuen. Steinhart war zu sehr von Bewunderung der idealen Grösse
Piatos durchdrungen, als dass er noch ein Auge gehabt hätte für die
Niedrigkeit der Lebensbedürfnisse und die LappaUen des täglichen Lebens,
über die auch der idealst angelegte Mensch sich nicht immer wegsetzen
kann. Die schweren Anklagen, welche bereits das Altertum gegen den
persönlichen Charakter des Philosophen, gegen seine malignitas und
dicacitas erhoben hatte, fanden ohnehin bei ihm keinen Glauben, kaum
nur Gehör. Und doch wäre Plato ja nicht der erste, der in seinen
Schriften anders erschiene als in dem tagtäglichen Leben. Gibt man
aber zu, dass ein Mann, der in seinen Dialogen nur in der Welt der
Ideale lebte, im Leben sich auch mit Geld und Aussteuer und Ver-
wandten befassen musste und in seiner einflussreichen Stellung zu einem
mächtigen Könige weder Zudringlichkeiten von Empfehlung suchenden
Hofleuten, Gelehrten und Künstlern sich entschlagen, noch über Rück-
sichten der höflichen Aufmerksamkeit gegen den königlichen Freund und
seine Familie sich wegsetzen konnte, so fallen alle oder doch nahezu
alle Einwände, die man gegen die Echtheit des 13. platonischen Briefes,
zu dem wir uns nun speciell wenden, erhoben hat. Nichts hat dieser
Brief, was auf Schul mach werk und Sophistenweisheit hinwiese, nichts von
Gemeinplätzen, nichts von Verbrämung historisch berühmter Persönlich-
keiten, nichts von politischen oder literarischen Tendenzen, nichts endlich von
philosophischer Geheimniskrämerei. Dieses sind Dinge, welche auf den ersten
Blick den Briefwechsel des Plato mit Dion und seinen Anhängern, den
grossen 7. und 8. Brief nicht ausgenommen \), verdächtigen. Unser
13. Brief, der auch äusserlich durch seine Stellung am Schlüsse ge-
trennt von den übrigen Briefen an Dionysios auf das bestimmteste von
jener Brief Sammlung sich abhebt, hat einen ganz anderen Charakter:
gewöhnliche Dinge des Privatlebens im reichsten, kaum zu erfindenden
1) Diese beiden war Böckh de graec. trag, princ. p. 163 geneigt für echt zu halten.
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Detail bilden seinen Inhalt; wer und in welcher Absicht sollte dieselben
fingiert haben? Sehr gut sagt der von deutschem Hyperkriticismus nicht
angekränkelte Engländer Grote in seinem Buche über Plato I 220:
nor does it surprise me to find Plato in epist. 13 alluding to details
which critics, who look upon him altogether as a spiritual person,
disallow as mean and unworthy. his recommendation of the geometer
Helikon of Kyzikus to Dionysius and Archytas is to me interesting: to
make known the theorems of Eudoxus, through the medium of Helikon,
to Archytas, was no small Service to geometry in those days. i have an
interest in learning how Plato employed the money given to him by
Dionysius and other friends: that he sent to Dionysius a statue of
Apollo by a good Athenian sculptor named Leochares, and another statue
by the same sculptor for the vrife of Dionysius in gratitude for the care
which she had taken of him when sick at Syracuse; that ho spent the
money of Dionysius partly in discharging his own public taxes and litur-
gies at Athens, partly in providing dowries for poor maiden among his
friends; that he was too beset by applications, which he could not refuse,
for letters of recommendation to Dionysius, as to compel him to signify
by a private mark to Dionysius, which among the letters he wisched to
be most attended to. Wenn dagegen Hermann, System d. plat Phil.
S. 591, in den Commissionen, Einkäufen und Geldgeschäften, von welchen
unser 13. Brief handelt, nur eine afifektierte Vertraulichkeit finden will,
so ist das eitel Gerede ohne Beweis ^); einem gesünderen Urteil folgte
Bentley, der in den Remarks upon a late discourse of free thinking
ebenso wie später Wesseling in epist. ad Venemam und Wyttenbach
zum Phaidon p. 108 gerade unseren 13. Brief für echt hielt. Kein
Moment der Sprache und Geschichte spricht für die Unechtheit des
Briefes, umgekehrt dient manches der Bestätigung der Echtheit.
Der Brief ist geschrieben nicht lange nach der Rückkehr Piatos
von seinem ersten Besuche am Hofe des Dionysios II, also entweder noch
in der 103. oder doch in den ersten Jahren der 104. Olympiade, etwa
1) Mehr Beachtung verdient Hermann, wenn er zwischen Teilen unseres Briefes einen
Unterschied macht. Namentlich möchte man gern den Absatz p. 858 b 13—18 der Züricher
Ausgabe von der besonderen Marke für die ernstlich gemeinten Empfehlungsbriefe in dem
Schreiben des Philosophen missen. Doch wage ich nicht die Scheere anzusetzen.
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ol. 104, 1 oder 364 v. Chr. Wenn nun Plato in demselben von einer
Apollostatue des Leochares, eines veov xal dya&ov drifiiovQYov^ spricht, so
stimmt das so gut, wie man nur verlangen kann, mit Plinius, der bist
nat. XXXIV 50 den Leochares in der 102. Olympiade leben (florere)
lässt^). Die kleine Abweichung ist um so weniger relevant, als Leocha-
res, worauf mich Herr Professor Brunn aufmerksam machte, noch
in den letzten Jahren Alexanders thätig war, also auch noch ol. 104, 1
ein junger Künstler genannt werden konnte. Wenn sodann in unserem
Briefe Plato den Erasos nach Aigina schickt, um von einem gewissen Andro-
medes Geld holen zu lassen, so stimmt das, wie ich bereits oben S. 458
ausgeführt habe, merkwürdig zu einer von Aristoteles in der Metaphy-
sik p: 1015* 25 vorgebrachten Angabe. Auch dass die Mutter Piatos
noch am Leben ist, ihrer Auflösung aber entgegengesehen wird, schliesst
nichts unmögliches in sich. Die Mutter muss danach allerdings ein sehr
hohes Alter erreicht haben; aber nehmen wir an, dass sie den Ariston
in ihrem 16. Lebensjahre heiratete, und geben wir zu, dass von den drei
Geschwistern des Plato der eine, Adeimantos, älter als Plato war ^, so war
sie zur Zeit des Briefes ca. 80 — 85 Jahre alt; kann man da sagen, die
Mutter des Plato müsste steinalt geworden sein? Ebensowenig ergibt
sich eine Schwierigkeit aus der Erwähnung der Schule des Bryson noch
daraus, dass der von Plato empfohlene Geometer Helikon ein Schüler
des Astronomen Eudoxos war und auch mit einem Schüler des Isokrates
Verkehr gepflogen hatte. Umgekehrt stimmen die Personen und Zeiten
ganz vortrefflich zur Situation des Briefes und der platonischen Akademie,
in die um diese Zeit Eudoxos seinen Einzug hielt. Wenn es dann gegen
Schluss von einem Syrakusaner Tison heisst o^ tot« od^ fifisig dnenkiofitv
inoUayofiBi, so sehen wir hier eine Sachkenntnis, die bei einem Fälscher,
wie wir einen in den Urkunden der Kranzrede des Demosthenes kennen
lernen, geradezu zu verwundem wäre. Denn das Amt eines nokiayofiog
treff'en wir speciell in Unteritalien und Sikilien, wie bereits der Epigra-
phiker Keil aus den Tafeln von Heraklea erwiesen hat. Endlich auch
1) Siehe Brunn, Geschichte der griech. Künstler I 886 f.
2) Das schliesst man, und so auch Steinhart, Platon's Leben S. 42, aus dem Verhältnis
der beiden Brüder in der Apologie p. 34 A.
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j
481
die Sprache, die schon im Altertum, wie wir aus Olympiodor sehen ^),
am meisten Verdacht gegen die Echtheit der Briefe erregte, zeigt gerade
in diesem Briefe am meisten platonisches Colorit. So hat z. B., um
Einzehies zu erwähnen, der ungewöhnliche Genet partitivus rwy rivd^ayo-
()HU)y niunoi aoi seine Analogie an der Stelle in der Republik p. 485 B,
und kehrt die kühne dem Homer nachgebildete Ellipse p. 363 C är
TW &(6(faxa 7] äU.0 ri ary iniarikiM} mjunfjg^ äy juty avrog tu) ßovXjj^
fi J« fifj, Triffilkcp (fog in ähnlicher Fassung wieder im Protagoras
p. 311 D. Aber, wird man mir zuletzt einwenden, ein direktes Zeugnis
aus dem Altertum, ein Scholion, das am Schlüsse des 12. Briefes steht,
aber auf unseren oder den nachfolgenden 13. Brief bezogen wird,
^dyrikeyeTai (og ov Illaxvoyog spricht gegen die Annahme der Echtheit.
Aber auch wenn jenes Scholion mit Recht auf den 13. Brief bezogen
wird und auch in das Altertum zurückdatiert werden muss, da es sich
schon in dem cod. Paris., einer Handschrift des 10. Jahrhunderts, findet,
so ist doch in demselben nichts anderes als das Urteil eines Grammatikers
oder Akademikers enthalten, der dem mysteriösen philosophischen Brief-
wechsel mit Dion und seinen Verwandten den Vorzug gab vor diesem,
der einfachen Wirklichkeit sich anschmiegenden Briefe. Ein gesundes
Urteil wird gerade nach der entgegengesetzten Seite hin entscheiden^).
8. Schlüsse aas dem 13. Briefe auf die AbfaNSungszeit platonischer
Schriften.
Ist nun der 13. Brief echt und ca. 364 geschrieben, so ergeben sich
daraus die belangreichsten Schlussfolgerungen für die Abfassungszeit pla-
tonischer Dialoge. Ausdrücklich ist in dem Briefe des Phaidon oder des
Dialoges über die Seele Erwähnung gethan p. 363 A: y€y(faiujU€yüg yd(j
1) Siehe Olympiodor prol. 26 6 Stiog llQoxXog xtu rag dniütoXds izßäXXft dui t6 unXovy
2) Bezüglich der übrigen Briefe will ich hier in den Noten gelegentlich die Vermutung
aussprechen, dass vielleicht schon Antigonos von Karystos den 5. Brief kannte; was nämlich
Athenaios XI p. 506 £ und 508 £ an Antigonos über das Verhältnis des Perdikkas und £uphraios
berichtet, steht mit dem £mpfehlung8brief, den Plato dem £uphraio8 an Perdikkas, den KOnig
von Makedomen, mitgab, in Zusammenhang. Umgekehrt hat Aristoteles den zweiten Brief noch
nicht gehabt, da sonst nicht Alexander Aphrosisiensis im Commentar zu Arist met. p. 48, 11 und
45, 10 die Darstellung des Aristoteles unter Berufung auf die Briefe bekämpfen könnte.
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482
ioTi KeßriQ ir rolg ^wxffctreioig loyotg jusra Sififxiov JSojxQarei dia-
XeyofiBvog iv x(p nBQi y/vxfjs ioy^ ^). Im Jahre 364 war also der Dialog
bereits ediert und in aller Hände, so dass uns ein fester terminus ante
quem für die Abfassungszeit gegeben ist. Zugleich ersieht man, wie die
Wahl des Kebes als Sprecher des Dialoges mit freundschaftlichen Be-
ziehungen zusammenhängt, welche Plato mit demselben unterhielt und
auch auf die Töchter desselben ausdehnte.
Weit wichtiger aber ist eine andere Stelle des Briefes p. 360 B,
welche von zwei neuen Werken eine leider nur dunkel gehaltene Anspie-
lung gibt. Nachdem nämlich Plato im Eingange des Briefes den Dionysios
an einen Ausspruch erinnert, worin derselbe die geistige Förderung, welche
er durch den Verkehr mit Plato in der Philosophie erfahren habe, dankbar
anerkannte, fahrt er also fort xal iy(b vvv ro avro Tiapaasceva^iov rwy re
rfv&ayo^iHijDy nefinoi aoi xat rmv diai^iasioy xal äv^()a, äoTief} bSoxh fifiir
TOTSj (p yh av xal ^AQXvrrig, bItisq rjxsi na^a ae 'AgxvTTjg, /pijfai^-ai dvvaioS^av.
Fragen wir zuerst, was hat er unter Abschnitten aus dem Tlvd^ayog^m
verstanden? Dachte er vielleicht an ein, wenn auch apokryphes Buch des
Pythagoras selbst? Gewiss nicht; denn abgesehen davon, dass wir von
einem solchen Buche aus der alten Zeit nichts wissen^, wäre es doch
auch sonderbar, wenn sich Dionysios ein Buch des Italikers Pythagoras
auf dem Umweg über Athen hätte kommen lassen, imd sich nicht wegen
eines solchen Buches an den Pythagoreer Archytas, der mit den Königen
von Syrakus in nicht minder vertraulicher Beziehung wie Plato stund
und dessen Besuch am fürstlichen Hofe, wie man aus dem Briefe sieht,
schon angemeldet war, gewendet hätte. Aber überhaupt erwartet man
dem ganzen Zusammenhang nach kein fremdes Buch, sondern ein Buch
des Plato selbst; das war von vornherein das natürliche und darauf
weist bestimmt die Anerkennung hin, welche Dionysios dem persönlichen
Verkehr mit Plato zollte. Ich gebe mir daher keine Mühe, die Vermutung,
1) In dem Ausdruck nt^l «^/5f hat Steinhart S. 323 ein Zeichen der Unechtheit finden
wollen, weil Plato und AriBtoteles den Dialog nach der Hauptperson *Pai6iuv betitelten. Aber
wer sagt ihm, dass der Sachtitel nfftl i/^w/ijf erst lange nach Piatos Zeit aufgekommen ist?
2) An die zff^"^ ^^^ Uv^ayogov wird wohl niemand denken, auch wenn er sich nicht
durch die gelehrten Untersuchungen Nauck's in der eben erschienenen, von dem Verfasser mir
gütigst 25ugeschickten Ausgabe des Jamblichus vita Pythagorica p. 201—242 von dem ürspnmg
dieser Spruchsammlung aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. Überzeugen Hess.
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'!1J
483
dass vielleicht das Buch ITv&ayoQBia des Xenokrates, eines Schülers des
Plato, von dem wir durch Diogenes IV 2, 13 Kenntnis haben ^), gemeint
sei, ernstlich zu erwägen und zurückzuweisen. Vielmehr gehe ich un-
mittelbar davon aus, dass jene üv^ayo^ieia unter den Werken Piatos
selbst zu suchen seien. Bedenken wir nun, dass Plato diejenigen Dialoge,
in denen die Lehre des Sokrates vorgetragen wird und Sokrates der
Träger des Dialoges ist, ^cjXQaxelovg koyovg nennt, so konnte derselbe
leicht ein Werk, in welchem eine von Sokrates beiseite gelassene Sparte
der Philosophie von einem Anhänger der pythagoreischen Schule vor-
getragen wird, ITv&ay6(}€ioy koyov oder ITv&ayoQSia nennen; das war aber
natürlich kein anderes Werk als der Timaios mit seiner Darlegung der
pythagoreischen Kosmogonie. Ich erinnere dabei besonders an Gellius
noct. att. III 17: Timon Platonem philosophum contumeliose appellat,
quod impenso pretio librum Pythagoricae disciplinae emisset exque eo
Timaeum, nobilem illum dialogum, concinnasset. Bei der ganzen Weise
aber, mit der Plato seine Schriften und Meinungen in ein gewisses Halb-
dunkel zu kleiden und seine Person hinter die fremden Leiter des Dialoges
zu verstecken liebte, darf es uns gar nicht wundern, wenn er in einem
Briefe an Dionysios, den Freund des Pythagoreers Archytas, seinem
Timaios den Namen flv&ayoifeiog koyog beilegte. Aber warum schickte
er dem Fürsten nicht den ganzen Timaios, sondern nur Teile daraus?
Darauf ist die Antwort einfach; weil er im Jahre 364 noch mit der Aus-
arbeitung jener Schrift beschäftigt war und erst einzelne Partien vollendet
hatte. Das wenigstens ist die nächste und natürliche Lösung; es gibt indes
auch noch einen andern Ausweg. Den fürstlichen Dilettanten mit den
Tiefen der Kosmogonie, die ja auch uns noch so viel Kopfzerbrechen
machen, zu befassen, wäre gewiss übel angebracht gewesen. Dagegen
enthält der Timaios auch einige Stellen allgemeiner Weisheit und erhabener
Sittenlehre, wie über die Erziehung p. 87 C — 90 D, über die Erschaffung
des Kosmos durch den Weltschöpfer p. 29 E — 34 B, über die Schöpfung
1) Was der Inhalt dieser flv&ccyoQfi« gewesen sei, erfahren wir nicht; vielleicht enthielten
sie die Kosmologie des stark an Pythagoras anstreifenden Akademikers (s. Zeller Gesch. d. Phil.
II* 872) und berührte sich so inhaltlich mit dem Timaios des Plato. Dieses Buch scheint Jam-
blichus Tit. Pyth. II 7 benützt zu haben, über welche Stelle sich der neueste Herausgeber Nauck
allzu skeptisch ausdrückt.
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484
des Menschen p. 42 E — 47 D. Diese mochte Plato für besonders geeignet
zur Lektüre eines philosophisch gebildeten Königs halten und für den
Dionysios gesondert abschreiben lassen, wie denn auch später ein gekrön-
ter Autor, der Kaiser Julian, in seiner Schrift gegen die Christen p. 172
sqq. ed. Neumann gerade solche Partien des Timaios wegen ihres allge-
meineren Interesses heraushob.
Grössere Schwierigkeiten bereitet der zweite Buchtitel &iaiQfmig^ der
uns auf ein viel umstrittenes Gebiet drängt^). Es fragt sich nämlich
hier, ob man bei den diaigeaeig jenes Briefe an uns erhaltene Dialoge
Piatos denken muss — ist dieses der Fall, so bieten sich von selbst zwei
Dialoge dar, deren ganzer Gang auf der Begriffsteilung (divisio äiaiQemg)
beruht und die daher passend imter dem Titel J^iaip/a^i«» zusammengefasst
werden konnten, der Sophistes und Politikos — oder ob man berechtigt
ist anzunehmen, Plato habe in jenem Briefe ein Werk im Auge gehabt
das den speciellen Titel ^laiQfoeig führte, nicht aber auf uns gekommen
ist und schon im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung durch ein unechtes,
nun gleichfalls verloren gegangenes Machwerk ersetzt worden war^. Zur
Entscheidung dieser Frage muss zunächst auf die Deutung dreier Stellen
des Aristoteles eingegangen werden. Zweimal nämlich spricht der grosse
Schüler Piatos von den ^laiffeaeig seines Lehrers: de gen. et corr. II 3
p. 330 b 15: (oaavriog ^s xal oi TQia k&yorregj xa&aneQ Illariov iv ralg
diaigiataiv ro j^ap fxiaov /ily/iia noul xat a;f€(Tor ravrä Ifyovaiy oi' n
dvo xal oi r^ia noiovvTsg, nlriv ot /uir (sc. ol dvo ItyovTeg) rifivovaiv fU
dvo (sc. atga xal vdioQ) rö fieaov, ol dt (sc. ol rgia XfyorTeg) tv ftwov
noiovaiy (i. e. «V ri i^ degog xal vdarog uixrov)^ met. IV 11 p. 1019 a 4 tc
fiiv dt] ovTü) keysTac ngoreffa xal voTfQa, ra de xara ipvoiv xal ovaiar,
Zaa ivdix^iai elvai ayev aXlivr, ixelya de ävev ixeiywr /itj, i) diaigeaei
exQTjaaTo nidrcoy' wozu dann noch eine dritte Stelle kommt: de part.
1) Zuletzt haben, soweit mir bekannt, von den itatgiaeig gehandelt: Ueberwegf Unter-
suchungen platonischer Schriften S. 155 f., Susemihl, Genetische Entwicklung d. plat. Phil. H
546 ff. und Zeller Phil. d. Griech. U» 380 ff.
2) Nach Philoponos zu Aristoteles de gen. et corr. II 3 p. 330 b 15 behauptete Alexander
von Aphrodisias, dass die zu seiner Zeit unter Piatos Namen* in Umlauf gesetzte Schrift 6uuQiüft(
unecht war; und bei der Umsicht und Sachkenntnis dieses trefflichen Erklärers dürfen wir voUst&ndi^
der Richtigkeit seines Urteils in dieser Sache vertrauen.
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anim. I 2 p. 642 b 10 la/ußdrovoi d^kvioi xb xa9^ sxaaTov JiiaiQovfievoi
To yivog slg dvo dia(po{)ag. xovro dHari rfj jutr ov ^aiüiov^ rfi cT'acTi; i/crror.
ivioiv ya^f earai (fiatpopa ula fiovri^ ra d^älka Tifp/^py«, olor vnonovr
dinovv ax^'Qonovv änovy. avTt] yag /tioyt] xvgia. hi (^f ngoatj^cei fti;
diaanär ixaarov ysrog , olor rovg ognS-ag rovg fiiv er r/ycTc, rovg (f^ir
äXlfi diaiQBOei^ xad^dnef) e/ovair al yeyffaijjLuyai ^laiQeosig. ixsl yap rovg
iiiv jusrä Tay iyv^ffwy avjLißaiyei (fifjfftjoS'ai, rovg dHy äXX(p y^ysi.
Gehen wir von der letzten Stelle aus, so muss man aus dem Zusatz
yeyQaujueyai ^laigioeig notwendig schliessen, dass es neben schriftlich
abgefassten Teilungen {^laigiaiig) auch noch mündlich überlieferte gab,
woraus aber natürlich noch nicht folgt, dass an den beiden anderen
Stellen, weil der Zusatz y^y^auueyai fehlt, nun notwendig an blos münd-
liche Traditionen zu denken sei. Aber an der zweiten Stelle ist doch
diese Deutung nicht blos zulässig, sondern wenn man von der Lesart
iXQ^ß^ des cod. Par. E ausgeht, geradezu notwendig. Indes hat der cod.
A^ mit dem vielleicht auch der Commentator Alexander von Aphrodias
übereinstimmt, den Aorist ixpi^aaro, so dass es gut sein wird, diese Stelle
wegen der zwiespältigen Ueberlieferung ganz ausser Spiel zu lassen*
Hingegen führt uns an der 1. Stelle die ganze Fassung und insbesondere
das Präsens noieX wieder auf eine schriftliche Ueberlieferung, auf ein
Buch Piatos hin, in welchem jene Lehre von 3 Elementen verzeichnet
war ^). Können nun diese beiden Stellen, de gen. II 3 und de part. an. I 2j
auf die uns erhaltenen Dialoge Sophistes und Politikos bezogen werden?
Die letzte legt von vornherein eine Bezugnahme auf unsere Dialoge
nahe, da in denselben immer von der Dichotomie oder der Teilung des
yeyog in 2 (fiacpo^ai ausgegangen wird. Aber auch der von Aristoteles
speciell gerügte Fehler, dass die Anhänger der dichotomischen Teilung
genötigt würden, von den Vögeln einige in die Klasse des yiyog rwr
iytdifwy l^(v(oy zu stellen und dort weiteren Proceduren dichotomischer
Teilung zu unterziehen, andere einem ganz anderen yeyog, dem der Erd-
und Lufttiere zuzuteilen und hier auf das Prokrustesbett der Dichotomie
zu spannen, passt so gut nur immer möglich auf die beiden von Plato
im Sophistes p. 220 und Politikos p. 264 ff. versuchten diai^eoeig 'Qwm:
^j Hierin muss jeder Unbefangene Zeller im Streite gegen üeberweg an den genannten
Stellen beistimmen.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 63
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Sophistes p. 220.
nt^ii yfvarixfi oder Byvygn
Politikos p. 264 sqq.
/ \
. / \ .
/\
riTijy« Tit^n
/ \
/ \.
/\
/ \
Denn nach der eisten Teilung fällt ein Teil der Vögel unter die fvvyQa,
wofür Aristoteles nach seinem Sprachgebrauch iyvd()a sagt, nach der
zweiten wird ein anderer Teil der Vögel unter die ^Qoßarixa gestellt
Zeller, der den Fehler bei Plato nicht finden will, hat, wie es
scheint, zu frühe aufgehört, die Stelle des Politikos zu vergleichen; sonst
inüsste er, wenn er den Abschnitt von p. 264 bis p. 267 herangezogen
liätte, auf denselben gekommen sein. Ich lege dabei aber auch noch
Wert auf die vorausgehende Bemerkung des Aristoteles, dass es aller-
dings nur 1 richtige Teilung, vnonovv ütjovv^ gebe und dass die Teilung
vnonovp (JiTTovy ox^'Qonovi^ anovr ungehörige {tj^qi^qy^) Glieder enthalte.
Denn Plato ist eben im Politikos in dieser Beziehung richtig verfahren
und hat den Fehler, in den andere gefallen zu sein scheinen, geschickt
vermieden, indem er zuerst die Tiere in Tif^a und nTtjyd (d. i. änoda)
teilte und dann erst unter den ntCa teils diTioSa und rtrQUTioSa^ teils
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fiivyvxa und oxiora unterschied. Ich halte es nach allem dem für aus-
gemacht, dass Aristoteles de part. an. I 2 unter den yej^QafiiLierai cTmi-
(fiofig die uns erhaltenen Dialoge Sophistes und Politikos gemeint hat.
Nicht so glatt läuft die Sache mit der zweiten Stelle de gen. II 3
ab. Verständigen wir uns zuerst über die Sache, so kann es auch nicht
einen Augenblick zweifelhaft sein, dass Aristoteles an jene Lehre Piatos
von den Elementen gedacht hat, die wir im Timaios p. 31 B und 53 A
vorgetragen finden. Denn dort wird den 2 zuerst aufgestellten Elementen,
Feuer und Erde, ein drittes, welches zu jenen zweien das geometrische
Mittel bilden soll (^röp : r^irov = rifizor : yi]) hinzugefügt; jenes dritte
aber ist Wasser — Luft als ein Ganzes gedacht, so dass sich diese Lehre
thatsächlich nicht von der des Parmenides und anderer unterschied,
welche zwischen Feuer imd Erde zwei mittlere Elemente, Wasser und
Luft, annahmen. Hätte also Aristoteles xa&dnsif FIXariDv iv tm Ti/Ltaiip
statt aV raii; diaiifiaeai gesagt, wie er de coelo I 10 p. 280' 28 mit
üons{) iv Ti5 Tiuai(p sich auf jenen Dialog bezieht, dann wäre alles in
Ordnung. Kann nun aber Aristoteles mit iv ralg ^iai^eaeai den Timaios
meinen, oder gibt es auch eine Stelle im Sophistes oder Politikos, in
der jene Lehre vorkommt? Das erstere scheint mir Zeller mit Recht
in Abrede zu stellen; dachte Aristoteles wirklich an die angeführten
Stellen des Timaios, so wäre ich eher geneigt zu einem Gedächtnisfehler
des Philosophen oder einer Verwechselung des Timaios mit dem Sophistes
meine Zuflucht zu nehmen. Nun ist aber ein solcher Notbehelf über-
haupt nicht notwendig, da es wirklich eine Stelle im Sophistes p. 242 C
gibt, auf die schon von Bournot — ich entnehme dieses aus Susemihl —
die Stelle des Aristoteles bezogen wurde und auch wirklich bezogen
werden kann: /tivd^ov nva ixaaiog (qc. nagfuri^rit; xal nag oang nwnore
inl '/{fioiy w()jiLrjO€ rov rä wra dio^fLoaaS-ai nooa re xat noia ioriy) (fai-
verai juoi diriyBia&ai naialv (og ovoiv rjuiy^ 6 utv (og T()ia ra orra, noXe^n
dt dkXtjloig iriore avrwv arra nji, rore ^i xal ifiXa yiyro^ueya ydjjLovg re
xal Toxovg xal T{fO(fdg tcöv ixyoyiuy na^fi/^trai, <fvo Jf sTeQog elnary, vy{)oy
xal ^(foy . . . To de TiaQ fjuioy 'Ektarixoy t&yog, dnb Seyo(pdyovg re xat en
TiQoö&ty ä^'idutyov (og irog oyxog rwy ndynoy xakovjuiycoy ovru) du^^Q/^erai
Tolg fnv&oig. Der Sinn der Stelle würde uns zwar ohne die ausführliche
Erörterung im Timaios nie klar geworden sein; nun aber, wo wir den
63*
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Timaios daneben haben, werden wir einsehen müssen, dass die rp/« des
Sophistes mit den 3 Elementen des Timaios identificiert werden können
und müssen. Ebenso wird ims aber auch eine Betrachtung des ganzen
einschlägigen Kapitels des Aristoteles, namentlich der Stelle, wo die Ver-
treter zweier und dreier Elemente nebeneinander gestellt werden, begreif-
lich machen, dass Aristoteles recht wohl die Stelle des Sophistes im Auge
haben konnte und wohl auch gehabt hat.
Unter den yeyQajUjLurai, (T/a/p/a^/^ des Plato im Gegensatz zu den
mündlich in der Praxis der Schule fortgepflanzten diai(ßto€ic: verstand
also Aristoteles die beiden Dialoge Sophistes und Politikos, und an sie
und an nichts anderes dachte Plato, wenn er in unserem 13. Brief
Abschnitte aus den J/a/pfa^/t; für den König Dionysios dem Briefe beizu-
legen verspricht. Dann ist die Folge, dass im Jahre 364 Plato mit
jenen beiden Dialogen beschäftigt war oder sie eben damals zum Abschluss
brachte.
Aber gegen diese Datierung scheint eine andere Combination zu
sprechen, die wir jedenfalls noch zur Sprache bringen müssen. Leon.
Spengel hat zuerst in einer Recension von Rettigs Prolegomena in
rempubl. in Münchener gelehrte Anzeigen 1846 S. 653 und später in
dem Aufsatze, Isokrates und Piaton im Philologus XIX 595, die Vermu-
tung ausgesprochen, dass Plato den im Eingang des Sophistes und Poli-
tikos ausgesprochenen Plan, auf den Sophistes und Politikos einen dritten
Dialog Philosophos folgen zu lassen, später nur insofern aufgegeben habe,
als er in anderer Form eine Darstellung des Philosophen zu geben suchte,
nämlich ohne die dürre, ermüdende Dichotomie der Eleaten in der phanta-
sievollen Weise des wahren Philosophen, des Sokrates, in dem 5,, 6. und
7. Buche der Politeia. Die Ansicht Spengels hat von vornherein sehr
viel bestechendes, namentlich da man noch deutlich erkennen kann, dass
jene Bücher erst nachträglich zu dem früher entworfenen und ausgeführten
Werke vom Staate hinzugekommen sind. Ich mache auch kein Hehl daraus,
dass sie nicht blos beim ersten Lesen mich vollständig gefangen nahm, son-
dern mir auch noch lange nachher als fester Anhaltspunkt in der Chrono-
logie der platonischen Dialoge gegolten hat. Aber auf der anderen Seite
muss doch zugegeben werden, dass man eine ganz andere, viel strengere imd
nüchternere Darstellung des Gegenstandes erwartet als sie in den Büchern
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der Republik gegeben ist. Sodann ward es mir, je mehr ich mich in die
letzte Geistesrichtung Piatos hineinlebte, desto zweifelhafter, ob dem
Philosophen zur Zeit, als er den Sophistes und Politikos schrieb, noch
eine mehr poetisch schöne als beweisstarke Darstellung, wie sie die Politeia
bietet, genügt hätte. Dazu kam mir noch der Zweifel, ob der Parme-
nides, der im Sophistes p. 217 C in Aussicht gestellt wird und damals
gewiss bereits entworfen war, vor der Politeia mit ihrer unbedingten
und unbeschränkten Ideenlehre könne geschrieben sein (s. oben S. 469).
So war schon mein Vertrauen auf die Hypothese Spengel's stark ins
Wanken gekommen; da kam noch die aus dem Verhältnisse des 13. Briefes
zu jenen Dialogen resultierende chronologische Schwierigkeit hinzu. Denn
die Politeia war schon vor der Reise Piatos an den Hof des jüngeren
Dionysios abgeschlossen; die Dialoge Sophistes und Politikos sind erst
einige Zeit nach der Rückkehr Piatos ausgegeben worden. Also kann
der im Sophistes in Aussicht gestellte Dialog Philosophos nicht in einer
Einlage der Politeia gesucht werden. Damit sage ich mich von der geist-
vollen Hypothese meines verehrten Lehrers und Meisters definitiv los ^).
9. Historische Bezugnahmen in der Politeia und dem Phaidon und Theätet»
Ich habe bei meinen platonischen Studien neben Plato auch Xeno-
phon gelesen, um durch gleichzeitige und zusammenhängende Lektüre
mir über das Verhältnis der beiden Geister zu einander und über den
historischen Hintergrund der platonischen Dialoge ein eigenes Urteil zu
bilden. Dabei glaube ich einiges bisher Uebersehene erkannt zu haben,
was der Beachtung nicht unwert sein dürfte.
Das 5. Buch der Politeia enthält p. 471 einen schönen und kräftigen
Mahnruf an die Hellenen, Krieg nur gegen die Barbaren zu führen, es
aber nicht so zu machen wie jetzt, wo sie sich unter einander bekrieg-
ten, Hellas mit ihren eigenen Waffen verwüsteten, die Häuser in Brand
steckten und die Bewohner eingenommener Städte alle insgesamt, Männer
1) Dabei sei noch der Wunsch ausgesprochen, es möge von der neu gewonnenen Grundlage
aus das Verhältnis der Politeia zum Politikos einer erneuten Untersuchung unterzogen werden.
Interessant ist mir in dieser Frage von vornherein, dass ein tüchtiger Forscher Hirzel im Her-
mes VIII (1874) von ganz anderem Ausgangspunkte aus auf das gleiche Resultat, dass der Politi-
kos auf die Politeia folgte, gekommen ist.
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Frauen Kinder, als Feinde behandelten: ovxovy rriv TjQog rovg ^'EHijyai;
(iiaipoQOLV (og olxeiovg araaiv riytiaopTai xal oväe ovofiaaovai nolefioy, . .
svfiardßg J^ awcpQoviovoiv crux im dovluq, xolaQoyrsg ovS" in oi/ö^pw,
awipQoyiaral bvxeg ov noksfiioi. otJJ* «pa rrjy "^EkXdda^Ellrivsg oyxeg xegovaiv^
ov^i olxrjoaig ifinQrjOovoiv ov^e o/uoloyrjaovaiy iv ixaarj] noXst navxag
ixS-QOvg avToig elvai, xal äyifgag xal yvvalxag xal naldagy äX)! oliyovg
del ix^^QOvg rovg alriovg rfjg Siacpo^äg, xal did ravra ndyxa oike rrjy
yrjy i&€lriaovai XH{faiy avrwy cog (pikojy rwy noildiv , ovts olxidg äyaigi-
TiBiv . . . iyd fiiy , h'(pr]^ baoloydi ovrio ^sTy ngog rovg iyayriovg rovg
fi^BrBQOvg Tiolirag n^foacpiQto&ai , n^og Si rovg ßagßagovg (og yvy oi
^'EkXriVBg 7i{fbg akXrilovg. Das sieht nicht aus wie ein Gemeinplatz, das
sind Töne und Farben, wie sie die Gegenwart und die Wirklichkeit an
die Hand gibt. Sieht man sich nun in der Geschichte nach einer Zeit
um, auf die jene Schilderung passt, so war der Krieg der Hellenen
unter einander durch den Frieden des Antalkidas i. J. 387 beigelegt
oder doch auf einige Zeit sistiert worden; von da an war im wesent-
lichen Ruhe bis zum gewaltsamen Ausbruch der Streitigkeiten zwischen
Theben und Sparta oder bis zum Jahre 376. Auch dann blieben Athen
und Attika, wenigstens in den ersten Jahren, von den Leiden des Krieges
unberührt, doch spielten die Kämpfe an ihrer Grenze und traten bald
Ereignisse ein, welche die grösste Aufregung in Athen hervorriefen
und zu Vermittlungsversuchen zwischen den streitenden Staaten führten.
Die Athen befreundeten Städte Platäa und Thespiä nämlich wurden von den
Thebanem eingenommen und mussten die ganze Härte und Grausamkeit
ihrer gefühllosen Feinde, der dvaio&rjxoi 07]ßaloiy fühlen. Die von Haus
und Hof verjagten Platäer und Thespieer flüchteten nach Athen und
baten schutzflehend ihre ^ alten Bimdesgenossen um Hilfe. Diese ent-
schlossen sich zwar noch nicht zum Kriege, schickten aber Gesandt-
schaften nach Theben und Sparta, um den Frieden zwischen den Käm-
pfenden zu vermitteln und dem Kriege der Hellenen untereinander ein
Ende zu machen ^). Das ist genau die Situation , auf welche die ange-
führten Worte des Plato passen und aus der heraus sie geschrieben sind.
Im Jahre 374 also — denn in dieses Jahr fiel die Einnahme von Platäa —
ly Siehe Xenophon hell. VI 3, Diodor XV 41. 46, Pausanias IX 1, 3.
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schrieb Plato am 5. Buche der Politeia, also an jenem Abschnitt des Werkes
(Buch 5, 6, 7), welcher zugleich mit dem Schlüsse zuletzt vom Philosophen
ausgeführt wurde und in welchem L. Spengel den Ersatz für den ver-
sprochenen Dialog Philosophos finden wollte.
Im Eingang des Phaidon lesen wir: xal yap oike raiy nokiriny
fpkiaaiujy ov^alg navv ri CTri/copm^ft ra vvv ld&r]vaQB^ ovra ng ^irog
dqnxjai /poyot; av/yov ixeiS-ey^ oartg ay ^fily aa(peg ri ayysi'kai olog r^r^v
TjeQt TovTwy, nXtjy yk ^tj oti (paQuaxoy mcoy anoS-ayoi, In welche Zeit führen
uns diese Worte? Das natürlichste scheint zu sein an die nächste Zeit
nach Sokrates Tod zu denken und das x(f^^^^ avxyov auf den Zeitraum von
ein paar Monaten oder Jahren zu deuten, die sich Plato seit dem tragischen
Ereignis verflossen dachte. Aber in so früher Zeit iot der Dialog nicht ge-
schrieben — das bedarf keines Beweises — es könnte daher bei dieser Deu-
tung nur davon die Rede sein, dass Plato nicht blos den Dialog selbst, sondern
auch die Einkleidung desselben in eine frühere Zeit verlegt wissen wollte.
Mit dieser Annahme können wir uns auch zur Not bei diesem Dialoge so
gut wie beim Theätet beruhigen. Aber dann müsste sich doch Plato
einen grossen Anachronismus, einen fast noch grösseren wie in der Poli-
teia, erlaubt haben. Denn davon kann ja keine Rede sein, dass damals
schon, kurz nach 399 Echekrates gelebt und den nach Phlius gekoni-
menen Sokratiker Phaidon nach den letzten Stunden des grossen Toten
gefragt haben kann. Derjenige Echekrates nämlich, von dem allein wir
Kenntnis haben und den schon Wyttenbach in seinem vortrefflichen Coni-
mentar des Phaidon p. 110 sq. unter dem Echekrates unseres Dialoges
verstand, wird im Jahre 399 schwerlich nur geboren gewesen sein. Denn
derselbe gehörte zu den jüngsten Pythagoreern, welche nach Dioge-
nes VIII 46 der Aristoteliker Aristoxenos noch gesehen hatte, und wird
im 9. Briefe des Plato an Archytas, der sicherlich erst nach der Rück-
kehr Piatos von seiner 1. Reise nach Sikilien geschrieben ist, ausdrücklich
ein Jüngling (ymyioxog) genannt ^). Will man aber auch diesen Brief
für unecht erklären, so wird man doch immerhin zugeben müssen, dass
sein Verfasser über die Zeitverhältnisse und das Alter des Echekrates
besser als jeder von uns unterrichtet war. Nötigt uns nun die Herein-
1) '£/fX(;«roi'ff 6i xat vvv imiAklkiav ^x^h^^^ ***' *'^ '®*' Xoinov x^ovov i'^ofitv xai 6ia ak
xai diu Tov naziyu aitov 4>gvv(ujva xai 6id nixov tov votviaxov.
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492
Ziehung des Pythagoreers Echekrates zur Annahme, dass Plato Personen
und Ereignisse weit auseinander liegender Zeiten in seinem Phaidon
zusammenzuführen sich erlaubte, so dürfen wir doch noch einmal fragen,
auf welche Zeit die Bemerkung über den jetzt (ra vvv) unterbrochenen
Verkehr zwischen Phlius und Athen am besten passe. Es waren aber
vernehmlich zwei Zeitpunkte, in denen der Verkehr zwischen den beiden
Städten eine Störung erlitt; einmal im korinthischen Kriege, in dem
Phlius eine neutrale, zuwartende Haltung einnahm, und dann bei der
langen Belagerung und schliesslichen Unterwerfung der Stadt Phlius
durch den spartanischen König Agesilaos im Jahre 379, von der uns
Xenophon in den Hell. V 3, 21 ff. erzählt Die zuvor angedeute-
ten Lebensverhältnis^ des Pythagoreers Echekrates, der, nachdem er in
Folge der Auflösung und des Verfalls der Schule der Pythagoreer,
Italien und Rhegium verlassen hatte, nach Phlius seiner Heimat zu-
rückgekehrt zu sein scheint % werden uns von vornherein der zweiten
Annahme günstiger stimmen, so dass wir im Eingang des Phaidon
eine Anspielung auf die durch den Zug des Agesilaos herbeigeführte
dauernde Entfremdung von Phlius und Athen erblicken imd die Abfas-
sung des Dialoges in die Zeit nach 379 verlegen. Auf diese Zeit führt
uns aber auch noch eine andere Stelle, die uns zu einer grösseren
Digression nötigt.
Im Eingang des Theätet begründet der Autor die neue Methode,
das Gespräch unmittelbar vorzuführen und nicht durch langweilige
Zwischensätze zu unterbrechen, auf folgende Weise: iyfjayjautjr ^i di)
ovTCDol ibv Xoyov, ovx i/Ltol 2ü)X(}dxr] ditjyovjiieyor log SiTjyHTO, akka dia-
kayojueror olg e(p7] diaksxO^rai . . . iVa ovy tv rfj yifOL(pfi ufj nügi/oiBr
n^ayfiaxa ai ^lera^ rdty koywr diriyriaetg Tiepl avrov tb bnore Uyoi o
JSwxQarrjg, olov, xqyu Bcprjv ^ xal iyib dnoy, i] av m^l rov dnoxQivofiivov,
oTi ovvicpT] fj ovx (ojuokoyei, rovriav evexa (6g avzbv avrolg diaUyouBvor
fygayja i^ekcjv xa roiavra. Aus diesen Worten könnte man schliessen,
dass alle Gespräche mit den Zwischensätzen BcpTjv, xal lyib elnov^ ovye<fr],
1) Jedoch nur scheint, da von den beiden Schriftstellern, die gemeinsam aus dem Berichte
des Aristoxenos schöpften, Diogenes VIII 46 darüber nichts bestimmtes überliefert, und Jamblichus
vit. Pythagorae c. 35 nur im allgemeinen, wenn wir der Verbesserung der Stelle durch Roh de
und Nauck folgen, angibt, dass die Pythagoreer, nachdem sie sich anfangs nach Rhegium
zurückgezogen, später auch diese Stadt und Italien überhaupt verlassen haben.
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493
ovx (OfAoXoyBi vor dem Theätet geschrieben seien, und diesen Gedanken
hat in der That bereits Schleiermacher in seiner Uebersetzung zu
Theätet S. 489 gefasst und neuerdings Teichmüller in Reihenfolge
der platonischen Dialoge 1879 und Literarische Fehden I 10 als eine
grosse neue Entdeckung aufgestellt^). Aber derselbe wird schwerlich
so unbedingt durchzuführen sein, da selbst im Parmenides noch Plato
jene anführende Gesprächsform, wenn auch in sehr beschränktem Masse
anwendet. Auch war es gewiss in erster Linie der besondere Charakter
der Dialektik mit ihren kurzen Fragen und Antworten, welche den
Philosophen bestimmte im Theätet sowie im Sophistes und Politikos
die Sprechenden direkt einzuführen. Aber derselbe muss sich doch im
Eingang des Theätet auf lästige Unbequemlichkeiten beziehen, welche
die andere Form mit sich gebracht hatte, vielleicht auch auf tadelnde
Aeusserungen, welche von Seiten der literarischen Kritik gegen dieselbe
gefallen waren. Lästigere Störungen brachte aber jene Form zumeist
in jenen Werken mit sich, in denen das eigentliche Gespräch in ein
anderes einleitendes Gespräch eingerahmt war. Nun hat Plato diese
künstlichere Form von Dialogen mit einleitendem Prolog in seinen früheren
Werken noch nicht gekannt. Im Laches Kriton Euthyphron Ion Alki-
biades Meuon Gorgias Kratylos haben wir kein Vorspiel, und beginnt
gleich direkt der eigentliche Dialog. Im Phaidros geht allerdings eine
Art von Prolog voraus, der uns zu jener wundervollen Scene am
Kephissosbach, zum Quell unter der beschattenden Platane führt, aber
deshalb beginnen doch gleich im Anfang Sokrates und Phaidros direkt
mit einander zu sprechen und der Unterschied besteht nur darin, dass
sie plaudernd erst zu der Stelle kommen, wo der eigentliche Dialog
gehalten wird. Die indirekte Form begegnet uns zum ersten Mal in
den kleinen Dialogen Lysis und Charmides, und dann in dem Hauptwerk
des Plato, in der Politeia, und ich muss sagen, dass mir das ewig wieder-
kehrende itpriv Byo), ri d' og schon in diesen sonst so formvollendeten
Büchern immer als etwas anstössiges erschienen ist. Aber diese Dialoge
hatte schwerlich Plato im Theätet speciell im Auge. Denn abgesehen
1) Dieses Verhältnis richtig gestellt Ton Schanz im Jahresbericht der Altertumswissen-
schaft 1879 S. 197. Vergleiche auch Rieh. Schöne: lieber Platous Protagoras S. 8 ff., und was
unten im 10. Kapitel darüber von mir bemerkt wird.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 64
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davon, dass der Lysis und Charmides einer erheblich früheren Periode
anzugehören scheinen, entbehren auch sämtliche eben genannten Schriften
des dialogischen Vorspiels, das erst die Inkonvenienzen der indirekten Erzäh-
lungsform des Hauptdialogs grell hervortreten Hess. In die Klasse dieser
letzteren Art von Dialogen fallen nun aber bekanntlich das Symposion, der
Protagoras, der Euthydemos und der Phaidon, und auf sie wird Plato im
Theätet speciell Bezug genommen haben. Im Protagoras aber und Sym-
posion fallt jene Form mit Zwischensätzen weniger auf, da der lange Vor-
trag des Protagoras und die langen Reden der Tischgenossen im Symposion
aus dem Rahmen des Gesprächs überhaupt herausfallen. Es bleiben also
der Euthydemos und der Phaidon; von diesen aber hat der letztere ent-
schieden die grössere Verwandtschaft mit dem Theätet. Beide Gespräche
versetzen uns in die letzte Lebenszeit des Sokrates, der Phaidon in den
Sterbetag selbst, der Theätet in die Zeit unmittelbar vor Einbringung
der Klage des Meletos (s. p. 210 D). Beidemal auch wird das Haupt-
gespräch referiert von einem Schüler des Sokrates, der die Kunde von
der Weisheit des Meisters nach aussen trägt. Wahrscheinlich endlich
knüpfen beide Dialoge auch an die Gründung von Philosophenschulen
durch Schüler des Sokrates, hier in Phlius, dort in Megara, an, und
enthalten zugleich Reminiscenzen des Plato an die traurige Zeit, die er
nach dem erschütternden Tode des Sokrates fem von der Vaterstadt
Athen zubringen musste. Also der Phaidon und der Theaitetos stehen
in naher Beziehung zu einander und der letztere ist nach dem ersteren
und wahrscheinlich nicht lange nach demselben geschrieben. Wer diesen
Schluss billigt, wird aus der Abfassungszeit des Theätet sich zugleich
einen Rückschluss auf den Phaidon erlauben dürfen. Für den Theätet
aber hat man in unserer Zeit zwei historische Thatsachen zu verwerten
gesucht. Zuerst stellten Ueberweg, Untersuchungen über die Echtheit
platonischer Schriften S. 229, und Th. Bergk, in der ersten der nach seinem
Tode von Hinrichs herausgegebenen fünf Abhandlungen zur griechischen
Philosophie, indem sie einen Gedanken von Munk aufgriflfen, die Ver-
mutung auf, dass die im Eingang des Dialoges erwähnte Verwundung
des Theätet in der Schlacht bei Korinth sich nicht auf die berühmte
Schlacht im korinthischen Krieg des Jahres 394, sondern auf das sieg-
reiche Treffen der mit den Lakedämoniern verbündeten Athener unter
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Chabrias im Jahre 369 beziehe. In der That scheint der Ausspruch
des Eukleides p. 142 C, der Theätet, der sich bei Korinth so herrlich
als Mann bewährte ^ sei bei dem Tode des Sokrates oder im Jahre 399
noch ein Knabe (ficiQaxior) gewesen, besser auf eine Zeit zu passen, die
vom Tode des Sokrates 32 Jahre, als eine, die nur 5 Jahre entfernt
lag. Aber auf der anderen Seite lässt der Optativ eXjisQ dg rihxiav
kld-oi durchblicken, dass Theätet nicht alt geworden sei, und erregt der
Umstand Bedenken, dass im Jahre 394 eine grosse Schlacht bei Korinth,
im Jahre 369 nur ein kleines Scharmützel stattfand, das allerdings
Diodor XV 69 grösser aufbauscht, aber Xenophon hell. VII 1, 19 nur
einer ganz beiläufigen Erwähnung wert erachtet ^). Jedenfalls blieb es
daher sehr erwünscht, dass noch ein weiterer und sicherer Anhaltspunkt
für die Abfassungszeit des Theätet aus der Geschichte gewonnen würde;
den haben aber in neuester Zeit unabhängig von einander zwei um die
griechische Literaturgeschichte gleich verdiente Männer gefunden, Rohde
Abfassungszeit des platonischen Theaitetos In Jhrb. f. Phil. 1881 S. 321 —
326^) und Bergk in der oben citierten Abhandlung. Beide wiesen
nämlich mit glänzendem Scharfsinn nach, dass unter den p. 175 A
bespöttelten Lobreden auf Könige, welche ihr Geschlecht durch 25 Stufen
auf Herakles zurückführten, Enkomien auf den spartanischen König Agesi-
laos, der nach Herodot VIII 131 und Pausanias III 7 in 23. Linie von
Herakles abstammte, zu verstehen seien und dass demnach, da Isokrates in
dem im Jahre 374 geschriebenen Euagoras c. 8 sich rühmte, die erste Lob-
rede auf einen berühmten Mann der unmittelbaren Gegenwart geschrieben
zu haben, der Theätet erst einige Jahre nach 374 geschrieben sein könne.
1) Im Einganfif unseres Dialoges wird offenbar von der Situation ausgegangen « dass der
verwundete Theätet bis Megara zu Schiff transportiert und von da aus erst nach Athen zu Land
weiter gebracht wurde. Das muss in den Stellungen der beiden feindlichen Heere begründet
gewesen sein und ich stellte daher in diesem Jahre die Sache zur Diskussion im philologischen
Seminar. Einer der Commilitonen, E. Dahl, wies hübsch nach, dass der Landtransport Ton Korinth
nach Megara i. J. 394 mehr gehindert war als i. J. 369, indem nach Xenophon IV 5, 19 die
Lakedämonier auch noch nach der Schlacht bei Korinth die Plätze Sidus und Krommjon, welche
den längs der Küste von Korinth nach Megara führenden Weg beherrschten, mit starken
Besatzungen besetzt hielten.
2} Einen Nachtrag dazu gab Rohde im Jahrb. f. Phil. 1882 S. 81— 90 und in Göttingische
gelehrte Anzeigen 1884 S. 13 flf.
64*
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Der Beweis bis zu diesem Punkt ^) ist evident und verspricht, wenn auch
noch einige Nachteulen dem Lichte der Wahrheit sich verschliessen, ein
neuer Grundpfeiler in der Chronologie des Plato zu werden 2). In meine
eigenen Combinationen passt der Beweis nach allen. Seiten. Der Sophistes
setzt den Theätet unmittelbar fort und zwar so, dass die Fiktion aufge-
stellt wird, der Dialog über den Sophisten und Politiker sei an dem
Tage darauf gehalten worden. Das ging doch kaum an, wenn einerseits,
wie wir oben nachwiesen, der Sophistes im Jahre 364 und, der Theätet,
wie man gewöhnlich annimmt, schon schier 30 Jahre früher, bald nach
394 geschrieben und veröffentlicht worden wäre. Ich hatte daher früher,
als mir die Abhandlungen von Rhode und Bergk noch nicht zu Gesicht
gekommen waren, an eine doppelte Redaktion des Theätet gedacht, so
dass der Dialog, wie wir ihn heute lesen, erst in jener späteren Zeit,
als Plato demselben den Sophistes und Politikos anfügte, entstanden sei.
Da uns dazu aber sichere Anhaltspunkte fehlen, so gebe ich jetzt, wo
uns Rohde's Nachweis gestattet, ja zwingt mit dem Theätet so weit
herab zu gehen, gern jenen früheren Einfall auf. Um dann nochmals
auf den Dialog, von dem wir ausgegangen sind, den Phaidon, zurückzu-
kommen, so verweise ich noch auf die Stelle im 10. Buch der Politeia
p. 608 D, wo Glaukon sich so gebärdet, als habe er noch nie etwas von
einer Unsterblichkeit der Seele gehört; denn unter solchen Umständen
kann ich unmöglich glauben, dass damals bereits der eigentliche Unsterb-
lichkeitsdialog geschrieben und schon von den Komikern, wie Theopomp,
auf die Bühne gezogen worden war ^). Alles aber geht gut zusammen und
1) Bergk geht nämlich noch weiter und verlegt den Theätet in die Zeit nach dem Tode
des König» Agesilaos oder nach d. J. ^7 ; aber von Anspielungen auf den Agesilaos des Xenophon
findet sich bei Plato keine Spur, und Lobreden auf Agesilaos konnten auch zu dessen Lebzeiten
geschrieben werden, wenn gleich dieselben erst nach dessen Tod wie Pilze emporschössen. Zu
den von Roh de in G^tt. gel. Anz. gegen Bergk vorgebrachten Einwänden kommt auch noch
die oben von mir im 8. Kap. über die Abfassungszeit des Sophistes und Politikos ermittelte
Thatsache. Denn da beide Dialoge um 364, jedenfalls vor der 3. Reise des Plato an den Hof
des jüngeren Dionysios geschrieben wurden, so kann der ihnen vorausgehende Theaitetos nicht
erst 357 geschrieben sein.
2j Die Einwände Teichmüllers gegen Roh de und seine eigenen phantastischen Deutungen
der fraglichen Stelle des Theätet auf den sikilischen Historiker Philistos im 2. Bande seiner literari-
schen Fehden S. 328 fP. sind zu luftig, als dass sie mich zur eingehenden Widerlegung und Anfügung
eines neuen Excurses veranlassten.
3) Nach Diogenes ÜI 26. Nie aber hätte man bezweifeln sollen, dass die Verse iy ya(t
€(juy ov6i i'y, tu di 6vo fioXig iy iüiiy &s ^f^oty UXäTtay sich auf eine andere Stelle als auf
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auch die Lebenszeit des Theopomp macht keine Schwierigkeit, wenn wir
den Phaidon in das dritte Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts v. Chr. zu
setzen berechtigt sind.
10. Abfassungszeit des Protagoras.
Die sämtlichen vier im vorausgehenden Kapitel wegen ilires einlei-
tenden Vorspiels besprochenen Dialoge, Protagoras Symposion Euthydemos
Phaidon, werden voraussichtlich nicht blos in der Form der Gesprächs-
einkleidung sich gleichen, sondern auch der gleichen Periode schriftstelleri-
scher Thätigkeit Plato's angehören^), und somit, da das Symposion um
384 fällt, in dem nächsten Jahrzehnt nach Rückkehr des Plato von seiner
ersten Reise nach Italien und Sikilien geschrieben sein, also in einer Zeit,
in der Plato auf der Höhe der Kunstvollendung stund. Dieser Annahme
steht, so viel ich sehe, in keinem der bezeichneten Dialoge etwas ent-
gegen. Wenn viele den Protagoras früher angesetzt und einige sogar
denselben unsinniger Weise — welcher Unsinn ist aber nicht all bezüg-
lich der Chronologie der platonischen Dialoge vorgebracht worden? —
in die Zeit vor dem Tode des Sokrates zurückdatiert haben ^, so sprechen
dagegen schon, um von dem grossen Fortschritt in der künstlerischen
Anordnung und der zielbewussten planmässigen Diskussion^) ganz zu
schweigen, historische Beziehungen imd literarische Anspielungen.
Phaidon p. 96 E beziehen, wie Meineke com. graec. fmgm, I 238 und II 2, 797 richtig nach-
gewiesen hat. Auch die Zeit macht selbst bei unserer Annahme keine Schwierigkeit, indem der
Komiker Theopomp nach Meineke 's Nachweisen über Ol. 100 hinaus gelebt und geschrieben
haben muss.
1) Dieses hat zuerst Rieh. Schöne in der gleich näher zu besprechenden Schrift über
Protagoras S. 11 ausgesprochen.
2) Sauppe, auf den man sich gerne bezüglich der frohen Abfassung des Dialoges bezieht,
hat doch nur so viel festgestellt, dass die Politeia mit ihrer entwickelten Theorie von den vier
Cardinaltugenden später als der Protagoras geschrieben ist. Damit ist uns aber noch ein weiter
Spielraum gegeben, wenn man nicht mit Teichmüller Liter. Fehden I die 5 ersten Bücher
der Politeia um 392 abgefasst sein lässt.
3) Schon Bonitz, Plat Studien S. 250 hat diese Vorzüge des Protagoras richtig hervor-
gehoben, wenn er sich auch noch nicht von der herkömmlichen Meinung über die frühe
Abfassungszeit des Dialoges losmachen konnte. Vortrefflich durchgeführt hat sie Rieh. Schöne
in der für das Verständnis der stilistischen und künstlerischen Seite der platonischen Schrift-
steUerei mustergiltigen Schrift, Ueber Piatons Protagoras, 1862. Was dort über die höhere Reife
des Protagoras gegenüber dem Gorgias, in dessen Verurteilung der leitenden Staatsmänner noch stark
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Die besondere Erwähnung der Pel tasten in unserem Dialoge p. 350 A
weist, wie bereits andere gesehen und erörtert haben *), auf die Zeit hin,
in der im griechischen Heerwesen durch Einführung der leichtbewaffneten
Peltasten ein vielgepriesener Umschwung bewirkt worden war. Derselbe
war aus dem Reformwerk des genialen Feldherm Iphikrates hervor-
gegangen, und zeigte sich zum ersten Mal in glänzender Weise im
Feldzug des Jahres 392, wo die athenischen Peltasten den peloponnesi-
schen Hopliten so gewaltigen Schrecken einjagten (s. Xenophon hell. IV
4, 16). Demnach kann der Protagoras nicht vor dem Jahre 392
geschrieben sein^.
Noch weiter herab führt uns die Schilderung der Lakonentünielei
im Protagoras, welche sich in der Nachäffung spartanischer Lebensweise
und Tracht kundgab. Diese steht nämlich im besten Einklang mit dem
grossartigen Aufschwung Spartas und des lakedämonischen Einflusses
nach dem Frieden des Antalkidas (387), wie ihn uns Xenophon in den
Hellenicis schildert. Man stelle nur einmal nebeneinander Xen. hell. V 1, 36
ot Aaxeiiaifiovioi, nokv imxvdaaxsifoi iyivovro ix zfjg in livralxidov
elQTivrig xakovjueyrig. n(}oaTaTai yaQ yero^evoi rijg vno ßaOiXewg xara-
TiBfAcpS-eiarig 6l(}^yrig xat rrjv amovouiav raig noXsai TiQaTTOvreg ngoaekaßoy
die Verstimmung über die Tötung des Sokrates durchklingt, und über den Fortschritt des Prota-
goras gegenüber dem Menon nicht blos in stilistischer Beziehung, sondern auch im philosophischen
Ideengang bemerkt ist, ist mir ganz aus der Seele gesprochen, so daas ich jeden nur auf die Lektüre
jener trefflichen Schrift selbst verweisen kann. Auch die dort aufgestellte chronologische Reihenfolge
Protagoras Symposion Parmenides Politeia Phaidon stimmt im wesentlichen zu meinen eigenen
Ermittelungen. Schöne hat nur dadurch seine Untersuchungen in starken Misskredit gebracht,
dass er nicht 3, sondern nur 2 Arten der stilistischen Composition Piatos annahm und so sonder-
barer Weise die Nomoi an den Anfang statt an den Schluss der literarischen Thätigkeit Piatos
stellte.
1) Zuerst hat dieses Moment geltend gemacht Kroschel in der Anzeige von Croups
Ausgabe des Protagoras in der Zeitschrift ftlr das Gymnasialwesen 1866 Bd. 20 Heft 5; neuer-
dings ist dasselbe ausführlich hervorgehoben worden von Teichmüller, Literarische Fehden
I 20 fL
2) Mein verehrter Freund Christ. Cron wendet dagegen in seiner Entgegnung auf Kroschel
in Z. 1. G. 1867 Bd. 21 S. 403 und in seiner Ausgabe des Protagoras ein, dass in der angeführten
Stelle des Protagoras eine bestimmte Beziehung auf die Reformen des Iphikrates nicht notwendig
gefunden werden müsse. Ich muss das 'nicht notwendig* zugeben, begnüge mich aber auch mit
dem Zugeständnis grösster Wahrscheinlichkeit; über diese werden wir aber in den meisten
literarhistorischen Fragen, wo uns kein Geburts tagsschein vorgelegt werden kann, überhaupt nicht
viel hinauskommen.
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fxkv ^v/j^jLiaxoy KoQivS'OV^ amovofiovg dt ano jivy (Jjjßaiioy rag ßotiOTid'ag
nolsig inoiriaav, ovnsQ ndkai, ine&VfiovVy snavaar dt xalld^tiovs Kofiiy&oy
aq)eTeQil^o/Li6yovg^ und Plat. Prot. p. 342 C: oi iy ralg noleai kax(üyi^oyTtg oL
/Liiy ima tb xatayyvyxai fiUfiovfieyoi avrovg xat luayrag 7ie{fiBiXLtxoyrai Aui
(pikoyvfiyaOToikJi xal ß(fax^ic[g dyaßolag (poQovat, cog dtj romoig x^faTovr-
rag riSy ^Eklriywy jovg AaxBdaifioviovg. Jeder wird da geneigt sein in
jener Lakonentümelei des Protagoras nur eine Wirkung des von Xeuo-
phon geschilderten Ansehens der Lakedämonier nach dem Frieden des
Antalkidas zu finden. Dazu kommt nun noch als dritter Moment die ver-
steckte Kritik einer Schrift des Xenophon im Protagoras p. 347 C: xal
yd{) ÖoxbI fioi xo nspl noirjatiog diakiyea&ai buoioxarov alvai xdig avjLiTioaiotg
xolg xdry (pavXwy xal dyo()aia)y dy9'()W7i(Joy. xai yd(} ovroi did lo ^ij
dvyaoS-ai dkkriXoig di iavxivy avveiyai iy xi5 norw firjdi cTia xfjg iainrny
(pü}yi]g xal x(5y XoyoDV xiSy iavxdiy vnb dnaidtvoiag, xifiiag noiovai tag
avlr}X()idag noXkov fiia&ov^evoi dklox()ia)y (pwyrjy xtjy rdiy avkdiy xal Stä
x^g ixsiyajv qxoyfjg dkki^koig avyeiair. onov di xakol xdya&ol avjujiojat
xal ntnaidevjLtiyoi slaiv, ovx dv cdotg om avkrjfTQvSag ovxe off/ijax^üJag
ovx€ xpakxQiag x. r. i. Ganz passend verweist Cron zur Erläuterung der
Stelle auf die Flötenspielerin und Tänzerin im Gastmahl des Xenophon
und fügt zugleich bei, dass Plato in seinem Gastmahl p. 176 E diese
Art der Gelage als eine niedrige und der Gebildeten unwürdige bekämpfe
unter Wiederholung der Worte des Protagoras: xriy juiy äifzi elaekd-ovaay
avkT]X(}ida /a/peiy iäv . . rj/uäg da did koycjy dkktjkotg avyslyai xo xrjfifijQy,
Nun wird heutzutage so ziemlich allgemein zugegeben, dass Plato mit
seinem Gastmahl ein Gegenstück zu dem des Xenophon habe schreiben
wollen^), um zu zeigen, wie man einen solchen Gegenstand in einer des
Philosophen und Sokrates würdigen Weise behandeln müsse. Wir gehen
nur einen kleinen Schritt weiter, wenn wir behaupten, Plato habe, bevor
er im Symposion ein wirkliches Gegenstück gegeben habe, schon im
Protagoras seine abfällige Kritik über die Behandlung des Themas durch
seinen Rivalen vorausgeschickt, wobei es vielleicht auch nicht Zufall ist,
dass das Gastmahl des Xenophon und der Protagoras des Plato im Hause
des reichen Kallias spielen. Wir glauben daher den Protagoras möglichst
1) Heber den Stand dieser Streitfrage eiehe jetzt A. Hug in der 2. Auflage von Platona
Symposion p. XXV sqq.
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nahe an das Symposion heranrücken zu müssen und etwa auf 385 fest-
setzen zu dürfen ^).
Ueber das zeitliche Verhältnis des Protagoras zum EuthydemoB
wage ich keine Vermutung; nur sei eine kleine Aeusserlichkeit erwähnt,
n&mlich die, dass im Protagoras p. 329 A und Euthydemos p. 300 B der
langanhaltende Ton der Schellen zum Vergleiche herangezogen wird, wohl
weil dieselben gerade damals in Athen aufgekommen und in den Läden der
Metallfabrikanten zur Schau aufgestellt worden waren. Dieselben sind im
Euthydemos von Eisen, im Protagoras von Kupfer oder Bronze; in
welchem der Dialoge die richtigere Angabe enthalten ist, der ist offenbar
der spätere; aber welche Ansicht ist die richtigere und welche korrigiert
die andere? Ganz nichtig aber sind die Gründe, die neuerdings Bergk,
Fünf Abhdl. S. 27 £F. vorgebracht hat, um den Euthydemos dem Jahre
365 oder ol. 103, 4 zuzuweisen.
11. Zeit des Phaidros und Eathydemos.
Die Meinungen über die Abfassungszeit und die Reihenfolge der
platonischen Dialoge bilden ein solches Chaos, dass nur durch Fixierung
einzelner fester Stütz- und Anhaltspunkte eine allmähliche Verständigung
erhofft werden kann. Einen solchen Punkt festgestellt zu haben ist das
1) Die Abhandlung war abgeschlossen, als mir der 2. Band von Teichmüller's Literarische
Fehden im 4. Jhrh. y. Chr. zukam. In demselben wird S. 126 f. und 218 ff. der Versuch gemacht,
einen neuen Anhaltspunkt für die Abfassungszeit des Protagoras zu gewinnen. Der Verfasser der
sophistischen Schrift StaXil^uc, welche in unserer Zeit Blass und Bergk zugleich mit überzea-
genden Beweisen aus der Umgebung pythagoreischer Schriften losgerissen und der Zeit der
Eristiker des 4. «Thrh. zugewiesen haben, soll nämlich im 6. Abschnitt auf den Protagoras de^
Plato Bezug genommen haben, und es soll sich demnach für die Abfassungszeit der SutHifts das
Jahr 392 und für die des Protagoras das Jahr 394 ergeben. Aber abgesehen davon, dass von der
Zeit jener nunmehr dem 4. Jhrh. vindicierten Schrift sich nur so viel mit Bestimmtheit sagen lässt,
dass sie nach der Schlacht von Aigospotamoi und nicht lange nach derselben abgefajsst sei, sind
auch die Sätze über die Lehrbarkeit der Tugend so allgemeiner und trivialer Natur und Btimmen
zum grösseren Teil so wenig zu den Beweisen im Protagoras des Plato, dass man sich in den
beiderseitigen Schriften nur auf den gleichen Boden der Streitfragen jener Zeit versetzt fühlt, ohne
bei nüchterner Betrachtung eine direkte Bezugsnahme auf der einen oder anderen Seite za find^.
Es ist aber reine Taschenspielerei, wenn Teichmüller seinen Schuster Simon in dem Satze
Toi dk rnvTa Xiyoytfs raivSe anoSfi^fvi /^(u^^raA, cJf otl/ otoy r* «ny, ay mx^ naQaSoiiHj tovto
avro ht i^fy auf Plato Prot. 319 E aXXa i6i<f ^fiiy ol eoiptantToi xai apiaroi rtjy noXijtay rmvtv
tfjy aQfrrjy ijV i^ovaiy ovx oloi xf aXko^g nagaStSotai bezug nehmen lässt und dann das Kunst-
stück, das in der Verkehrung der gleichen Worte oloy re und ixovai nugaSidoyai besteben soll,
in weitschweifiger Breite auseinandersetzt.
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anerkannte Verdienst Leonhard Spengels in der Abhandlung, Isokrates
und Piaton (Abhdl. d. bay. Akad. I. Cl. VIL Bd. v. J. 1855). Aus der
Vergleichung des Schlusses des Phaidros , wo Plato , noch die besten
Hoffnungen auf den jungen Isokrates setzt und ihn noch ganz für die
Philosophie zu gewinnen hofft, mit dem Schlüsse des Euthydemos, wo
der nicht mit Namen genannte, aber deutlich gekennzeichnete Isokrates
schon offen seine feindselige Stellung gegen die Philosophie kund gibt)
von Plato aber mit ' gerechtem Stolz in das Nicht« seines . aufgeblasenen
Halbwissens zurückgewiesen wird, zieht Spengel den unanfechtbaren
Schluss, dass der Euthydemos nach dem Phaidros geschrieben sei, nach-
dem inzwischen Isokrates sein kleinliches Wesen enthüllt und seine
politische Rhetorik als die eigentliche Weisheit auszugeben die Stirne
gehabt hatte. Weiter spricht sich der vorsichtige Mann nicht aus; er
deutet nur noch an, dass das günstige Urteil über Isokrates und die
auf ihn gesetzte Hoffnung in sehr frühe Zeit falle und dass also eine
geraume Zeit zwischen den beiden Dialogen verflossen sein müsse. Wenn
dagegen Ueberweg, Untersuchungen S. 258 einfach meint, 'bald schon
nach Herausgabe des Phaidros mag Plato sich überzeugt haben j dass
seine idealistische Voraussetzung einer philosophischen Anlage bei dem
ganz unphilosophischen Isokrates ihn getäuscht hatte*, so setzt dieses
entweder eine ganz oberflächliche Kenntnis des Isokrates von Seiten des
Plato oder einen auffälligen Mangel an Scharfblick des Philosophen
voraus. Davon ist das eine mit den Nachrichten über die nahe Be-
kanntschaft des jungen Plato und Isokrates (Diogenes III 8) und mit
der ganzen Darstellung im Phaidros unvereinbar, und schlösse das andere
einen Tadel der geistigen Befähigung des Philosophen in sich, zu dem uns
nichts berechtigt, alles Einsprache erhebt.
Auf der anderen Seite hat es seine Schwierigkeit den langen Zwischen-
raum zu finden, namentlich wenn man von der Voraussetzung ausgeht,
der Euthydemos gehöre zu den 'früheren Erzeugnissen der platonischen
Muse' (Hermann, System S. 452) und sei jedenfalls vor der ersten
Reise des Plato nach Sikilien geschrieben. Auf solche Weise liesß sich
neuerdings mein lieber Freund Usener in dem nicht minder durch
Feinheit als Kühnheit der Schlüsse bemerkenswerten Aufsatz über die
Abfassungszeit des platonischen Phaidros, im Rh. M. XXXV 131^151
Abb. d. I. CL d. k. Ak d. Wies. XVH. Bd. 11. Abth. 65
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unter lebhafter Zustimmung von Wilamowitz in Phil. Unt I 38 und
213 S. zu der Annahme verleiten, dass der Phaidros, den allerdings
schon die Alten für ein Jugendwerk des Philosophen ausgegeben hatten,^)
schon vor dem Tode des Sokrates im Jahre 402 geschrieben imd heraus-
gege\)en worden seL Diese Hypothese aber steht mit allem, was man
von dem geistigen Entwicklungsgang Piatos bisher angenommen hat, in so
grellem Widerspruch, dass die Fäden der literarhistorischen Combinationen
sehr stark sein müssten, wenn sie mich zu der neuAi Meinung herüber-
ziehen sollten. Nun aber kann ich keinem der vorgebrachten Beweise
eine überzeugende Kraft beimessen, und finde mich darin einmal in
gleicher Gesellschaft mit Susemihl, die Abfassungszeit des plat. Phaidros,
in Jahrb. f. Phil. 1880 S. 707—724, und Teichmüller, Literarische
Fehden I 57 ff. imd 296 f., zusammen. Wenn Antisthenes seine Polemik
gegen Isokrates an einen Process'des Jahres 403, in welchem sich Lysias
und Isokrates als Logographen gegenüber stunden, anknüpfte, so lässt
sich daraus nur durch ein Ahnen, wie Usener selber sagt, etwas für
die Abfassungszeit des platonischen Phaidros gewinnen^. Wenn sodann
sich die abfällige Aeusserung eines Staatsmannes im Phaidros p. 257 C
wirklich, wie Sauppe ep. crit. p. 128 zuerst erkannt hat und auch mir
glaublich ist, auf die Verhandlungen über das Bürgerrecht des Lysias
im Jahre 403 bezieht, so ist damit nur ein Anzeichen für die Zeit der
Scenerie, nicht auch der Abfassung gegeben^). Endlich über die Zeit,
in der Lysias seine Lehrthätigkeit und seine epideiktische Schriftstellerei
aufgab, sind wir, wie Susemihl des genaueren ausführt, nicht genau
genug unterrichtet, um darauf sichere Schlüsse bauen zu können, und
würden daraus, selbst wenn wir es wären, nur für die Zeit der Scenerie
1) So Diogenes III 38 Xoyos 6$ ngmov y^ä^/jcu avroy roy *Pttt6^oy, xai ytt(j T/Ca (LUt^axuSSif
tt x6 n(j6fiXiifia. Ji<aia^^og 66 xai xoy XQtfnoy j^g yQtt(p^f öXoy iTUf^ifitpnat wg (jpoguxoy. Aber
dass hier keine reine Quelle der üeberlieferung fliesse, sondern nur eine Folgerung aus dem
Inhalt und Stil vorliege, hat Usener selbst bemerkt und durch die wiederhergestellte Lesart
Xoyos 6b (Xoyoy alii) erklärt
2) Dabei will ich noch gar nichts davon sagen, dass wenn Isokrates den Xöyos afiaQXvgos im
Jahre 408 für seinen Klienten schrieb, er denselben noch nicht in demselben Jahre, oder unmittel-
bar danach herausgegeben zu haben braucht.
3) Auf dieselbe Zeit der Scenerie weist der meines Wissens noch nicht beachtete Hinweis
p. 244 D auf die unlängst erfolgte Neuerung in der Schreibweise oder die Einfährung des joni-
schen Alphabetes unter dem Archon Eukleides hin.
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einen strikten Beweis ziehen können. Solchen feingesponnenen Combi-
nationen gegenüber wiegen bei mir mehr die grossen, wenn auch groben
Umrisse der Verhältnisse des Dialoges selbst, die entschieden auf eine
spätere Zeit hinweisen. Ich will dabei nicht des weiten und breiten auf
die schon viel besprochenen Spuren ägyptischer und pythagoreischer
Weisheit zurückkommen, nicht auch nochmals des näheren die weit über
Sokrates hinausgehende Entwicklung der Ideenlehre und die höhere
Vollendung der künstlerischen Darstellung hervorheben, ich betone nur,
dass Plato rücksichtslos und feige zugleich gewesen wäre, wenn er seine,
offenbar von persönlicher Feindschaft beeinflusste Abkanzelung des Lysiaa
seinem Lehrer Sokrates zu dessen Lebzeiten in den Mund gelegt hätte,
zumal wenn die Frage, ob Lysias selbst das erbärmliche Machwerk über
den Eros geschrieben, oder es ihm nur Plato nach unverlässigen Diktaten
von Schülern untergeschoben habe, noch als eine offene betrachtet werden
muss. Das stellte sich aber gleich ganz anders, wenn der Dialog erst
nach dem Tode des Sokrates und mehrere Jahre nach demselben ge-
schrieben ward. Dann gehört Sokrates nur zur künstlerischen Staffage
des Dialoges, und tritt Plato mit seiner eigenen Person voll und ganz
für den Inhalt des Dialoges und speciell für die Polemik gegen Lysias
ein^). Auf der anderen Seite hat in den Bemerkungen von Wilamowitz
das eine Eindruck auf mich gemacht, dass Plato nach dem tragischen
Ende des Lehrers 10 Jahre das Lachen verlernt habe. Ja gewiss eine
Lobrede auf den Eros mit dem erotischen Sokrates im Hintergrund und
ein Dialog, in dem keine Verbitterung nachklingt, über den die ganze
Heiterkeit einer wonnevollen Empfindung ausgegossen ist, konnte von
Plato nicht geschrieben werden, so lange er sich das Bild seines Lehrers
nicht zurückrufen konnte, ohne dass ihn Schmerz und Ingrimm über
das demselben angethanene Unrecht übermannte; und dieser Schmerz
wird sobald nicht, sicher nicht bevor er ihm in der Apologie, dem
Kriton, Menon und Gorgias Worte lieh, aus dem Gemüte des Plato
gewichen sein. Aber müssen wir deshalb bis vor den Tod des Sokrates
1) Wer durch Aeusserlichkeiten Useners Meinung stützen will, den verweisen wir auf
die vielen Varianten und Fehler, welche auf Verwechselung der Buchstaben e und ij, o und ««
zurückgehen. Verlohnen würde sich eine darauf gerichtete Vergleichung des Phaidros mit anderen
Dialogen jedenfalls.
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oder vor 399 zurückgehen? Der von Spengel gelegte Boden wird
gewahrt, wenn wir zwischen die beiden Dialoge die erste Reise Piatos
nach Unteritalien und Sikilien legen und annehmen, Isokrates habe
inzwischen eine eigene Schule errichtet und sei mit seinem Programm
der von Plato vertretenen Richtung der reinen Philosophie in den Weg
getreten. Steht dem etwas entgegen? Es kommt hier vor allem die
Rede des Isokrates xara rior aoipiarviy in Betracht, in der derselbe sein
Programm darlegte und seiner Schule vor der des Eristikers Antisthenes
imd versteckt auch vor der seines ehemaligen Freundes Plato den Vor-
zug zu verschaffen suchte. Dieselbe muss nach dem Phaidros geschrieben
sein; selbst wenn man sich sträubt in § 17 und 18 der Rede mit Usener
eine direkte Entlehnung aus Phaidr. p. 269 D anzuerkennen^). Denn nach
dem Bekanntwerden jener Rede konnte sich selbstverständlich Plato keiner
Täuschung mehr über die Richtung des Isokrates hingeben^). Sie ist
aber auch aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Euthydemos geschrie-
ben, da dieser Dialog gewissermassen die Antwort auf die Angriffe ent-
hält, welche der Rhetor von dem Wortgezänk der Eristiker {t.(5v ne^l rag
e(}i^ag diaxifißoyxioy § 2) und der Grosssprecherei der Tugendlehrer (rcSy
Ti]v dffSTTjy xal ^vdai^ovLay naQadidovrvjv § 6 und 7) ausgehend gegen
die Philosophie selbst erhoben hatte ^. Denn indem Plato die Klopf-
fechterei der Eristik des Antisthenes in ihren zwei älteren Vertretern
Euthydemos und Dionysodoros in köstlichster Weise verhöhnt, zeigt er
zugleich, wie deshalb noch nicht die Redemeister, welche wie Isokrates
in jener Rede gegen die Sophisten sich in das Gewand der Staatsweis-
heit kleideten und Redner und Philosophen zugleich sein wollten, das
Recht hätten, sich über die wahre Philosophie wegzusetzen. Nun nötigt
uns nichts den Euthydemos vor die sikilische Reise zu setzen, umgekehrt
führt uns schon der in den beiden vorausgehenden Kapiteln besprochene
Zusammenhang mit den Dialogen Phaidon Protagoras Symposion auf die
1) Da» Verhältnis ist in, fast möchte ich sagen querköpfiger Weise umgekehrt von Bergk»
Fünf Abhandlungen S. 32.
2) Nicht davon überzeugten sich Schultess, Platonische Forschungen, und Suse mihi,
Jahresbericht der Altertumswissenschaft y. J. 1875 S. 300.
8) Freilich spricht Isokrates auch später noch und später schärfer seine Antipathie gegen
die reine Philosophie aus, aber der gleich zu besprechende Logograph Isokrates hindert uns an
spätere Reden des Isokrates zu denken.
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Zeit nach der Rückkunft. Auch ist mit dieser Zeit der Umstand ver-
einbar, dass Isokrates im Euthydem (s. p. 304 D) noch als Logograph
und Verfasser von Gerichtsreden einen Namen hatte. Denn die Thätig-
keit des Isokrates als Verfasser von Gerichtsreden reicht nachweisbar
bis mindestens in das Jahr 390 herab ^), und erst nach der Herausgabe
des Panegyrikus oder nach 380 konnte Isokrates nicht mehr als Schreiber
von Gerichtsreden bezeichnet werden, wäre wenigstens die Vernachlässigung
der neuen und bedeutenderen Richtung der Redeschreiberei des Isokrates
eine grosse Ungerechtigkeit gewesen. Von der Rede des Isokrates gegen
die Sophisten sagt der Autor selbst 7i€()l dvTidoaaioi; § 195, er habe sie
in der Blütezeit des Lebens (dx/id^ior) als jüngerer (rewTSffog^ nicht
veog) Mann verfasst. Bedenkt man, dass er zur Zeit, wo er die Rede
über den Vermögenstausch schrieb, 82 Jahre alt war, so wird man der
Annahme, der Rhetor habe jene Programmrede gegen sein 40. Lebens-
jahr oder um 387 geschrieben^), nicht die vorbezeichnet^n Ausdrücke
entgegenhalten. Was endlich den Phaidros anbelangt, so muss uns jede
Möglichkeit denselben näher an das Symposion und weiter ab von dem
Tode des Sokrates rücken zu dürfen erwünscht sein, und werden wir
uns zufrieden geben, wenn wir zwischen Phaidros und Euthydemos nur
einen und den anderen Dialog einschieben können. Nun zwingt uns
zunächst der Charakter der Apologie, des Kriton, Menon.und Gorgias,
die noch von Erbitterung über die ungerechte Verurteilung des Sokrates
und von Zorn über die Verteidiger jenes Justizmordes überströmen, mit
dem Phaidros unter jene Schriften oder mindestens imter das Jahr 395
herabzugehen. Auf der anderen Seite zieht nicht blos die von uns oben
besprochene Rede des Isokrates gegen die Sophisten, sondern auch der
im Jahre 388 gehaltene loyog Vw/jimaxog des Lysias eine Grenze. Denn
mit den Worten dieser Rede § 3 iyct} rjxo) ov ^iixQoXoyrinofiBvog ovde m^i
Twr örofidxtov fiaxovfAsvog, ^yovfiai yap ravta t{fya juhy elvai aoipiazüv
XLav dx^OTOjy scheint Lysias den Spott des Plato und speciell den Vor-
wurf, als ob er sich nur um die ovoiuaTa bemühe (Phaedr. 234 C und
1) Siehe Blass, Attische Beredsamkeit II 15 und 215.
2) Auf 390 setzt sie Usener und sein Schüler Dr. Reinhardt, de Isocratis aemulis
p. 6 an, was ich gleichfalls gelten lassen kann; ich meine nur, dass die neue Aera des Fried enn
der Erö&iung einer Schule g^Onstiger war. Auch erklärt sich für das Jahr 387 Sauppe, Ztscbr.
f. Alt 1835 S. 407—8.
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Ö06
257 A), zurückgegeben zu haben. Also die Jahre 394 bis 389 werden
uns zur Wahl frei stehen. Auf diese Zeit, etwa das mittlere Jahr 391,
passt nun auch noch das Verhältnis, in das unsere beiden Redemeister
als Schreiber von Gerichtsreden zum Hause des Alkibiades, des mächtigen
Freundes des Sokrates und seiner Genossen, getreten waren. Isokrates
hatte um 398 mit der Rede 7T€(fl rov ^avyot^g vniff ^A'kxißiadov den
jüngeren Alkibiades verteidigt, und Plato war gewiss von der glänzenden
Schilderung der Verdienste des Vaters des Angeklagten sympathisch be-
rührt worden. Dagegen war Lysias dreimal, mit 2 Reden i. J. 395/4
gegen den jüngeren Alkibiades aufgetreten ^) und hatte bei dieser Gele-
genheit die heftigsten Vorwürfe auch gegen den alten Alkibiades erhoben,
wie sie besonders I 30 zu lesen sind. Nicht lange Zeit wohl nach diesem
Prozesse, nachdem inzwischen auch noch Lysias in eitler Selbstüberhebung
der Apologie des Plato seinen Xoyov vne(f SioxQotrovg nQog noXvxQaxi]v
entgegengestellt und so den Rivalen zur vergleichenden Kritik der Imbe-
cillität des Redekünstlers und der Hoheit des Philosophen herausgefordert
hatte, tauchte Plato den Griffel in das Gift, mit der im Phaidros die
Polemik gegen Lysias geschrieben ist.
Bei der ganzen Besprechung über die Abfassungszeit des Phaidros
habe ich die feinen sprachlichen Bemerkungen Dittenbergers, die
Chronologie der platonischen Dialoge, im Hermes XVI 321 — 345 unbe-
rücksichtigt gelassen. Nach ihnen soll der Phaidros, namentlich weil in
ihm die von Plato in den früheren Dialogen gar nicht, in den späteren
häufig gebrauchte Wendung tL jutjv 1 1 Mal vorkommt, der zweiten Periode
der platonischen Schriftstellerei oder der Zeit nach der ersten sikilischen
Reise angehören und nach dem Symposion geschrieben sein. Aber so
fein auch die Beobachtungen Dittenbergers über den Gebrauch von
/Lttjy xaS^ansQ tcog sind und so sehr auch denselben, wenn andere Momenten
hinzutreten, Beachtung gebührt, so wenig kann ich solchen sprachlichen
Eigentümlichkeiten, wenn sie nicht auf der naturgemässen Fortbildung
der Sprache beruhen, sondern auf stilistische Angewöhnungen und unbe-
wusste Liebhabereien zurückgehen, ein höheres Gewicht beilegen als den
Gründen, welche aus der gesamten geistigen Entwicklung einer Persön-
1) S. Blase, Att. Beredsamkeit I 485.
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507
lichkeit und aus seinen Beziehungen zu den feststehenden Thatsachen
der Geschichte genommen sind. Und in dieser Beziehung ist mir eine
Theorie gerichtet, die wegen des Gebrauches einer Partikel den Phaidros
nach das Symposion oder gar den Euthydemos vor den Phaidros setzt.
Wie unsicher aber auch an und für sich derartige Beweise aus dem
Gebrauche einzelner Partikel sijid, hat sehr belehrend A. Frederking
durch den Hinweis auf den Gebrauch anderer Partikeln bei Plato nach-
gewiesen in Jahrb. f. Phil. 1882 S. 534 flf. Auch Roquette, der
neuerdings seine übrigens vortreffliche Darstellung der vita Xenophontis
wesentlich auf Grund des Gebrauchs der Partikeln aufbaut, muss doch
selbst, so sehr er sonst dem Boden der Dittenb erger 'sehen Methode
vertraut, hin und wieder zu weit gehenden Schlussfolgerimgen ent-
gegentreten.
12. Allerlei zu Plato.
Um das Dutzend voll zu machen will ich schliesslich in einem
12. Kapitel noch ein paar literarhistorische Kleinigkeiten zu Plato's
Leben und Schriften zusammenstellen.
Der Kritias ein historischer Roman, lieber die Quelle der
Erzählung des Kritias ist ausser der Angabe des Autors eine merkwürdige
Notiz des Platonikers Krantor im Commentar des Proklos zum Timaios
p. 24 auf uns gekommen: tov 7i€{}l rwr "AxXavxivioy avfinavTa rovzor
Xoyov oi jLiir iaro^iav ipik^r eJrai (paaiv ^ äane{} 6 n{}ü)Tog rov UkaTiorog
i^riyrjxrig KffavTO)^, og (f^ xal axamTBO&ai fiiv (paair avTor vno xdiy raie
iog ovx avTOV ovra xrig noXixeiag 6V(f€xriv ällct fiexayffdipavxa xä Alyvnxiioy,
xoy de xooovxov Ttoirjoaod'ai xov xöiv axionxoyxcov koyov, äaxe ini Aiyvn-
xiovg dvamfixfjai xTjr ne^l ji&rjyaiiov xal ^AxXavxivoiv xavxrjr ioxo(}iav,
wg xwy lid-rp^aiioy xaxd xavxrjy ttjoarxioy nori X7]v nolixeiay. f^ia^rvQovai
dt xal oi 7i()(Hpi]xai xioy Alyvnxiioy iv axriXaig xalg hi owl^o/jevaig xavxa
yBy()d(p&at Xeyoyxeg. Die nächsten Nachfolger * Piatos in der Akademie
nahmen also die Angabe des Plato, dass sein Ahne Solon jene Märe von
der Atlantis aus dem Munde ägyptischer Priester in Sais vernommen
habe, für bare Münze und beriefen sich dabei auf das Zeugnis ägyp-
tischer Priester, welche die "Wahrheit jener Erzählung aus noch erhaltenen
Urkunden nachwiesen. Unsere skeptische Zeit hat von jener Ueberliefe-
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rung ein Steinchen nach dem andern abgebröckelt, bis zuletzt Suseinihl,
Gen. Entw. II 473 f. und Roh de, Der griech. Roman S. 199 in der
Erzählung von der Atlantis nur noch reine Fiction und freieste Dichtung
erkennen wollten. Das ist wohlfeile Weisheit; hätten die Skeptiker die
Berichte über Funde ägyptischer Papyri verfolgt, sie wüssten den Lesern
mehr als harten Stein zu bieten. Jenes in Prosa geschriebene Epos
nämlich von der Invasion Attikas und der Binnenländer des Mittelmeeres
durch ein mächtiges Volk, das weit im Westen auf einer grossen Insel
des atlantischen Oceans seinen Stammsitz hatte, ist allerdings wie jedes
Epos in der Ausschmückung des Einzelnen ein Produkt poetischer Phan-
tasie, hat aber ebenso wie jedes echte Volksepos einen historischen
Hintergrund ; den haben wir erst durch die Hieroglyphentexte des Denk-
mals von Karnak, publiciert von Du mich en, Hist. Inschr. II — 5, kennen
gelernt, welche de Rouge in der Revue archeologique 1867 und sodann
Chabas in den Etudes sur l'antiquite historique p. 191 flF. übersetzt und
erläutert haben, und von denen ich selbst zuerst durch einen Vortrag des
Herrn Professor Lauth Kenntnis erhielt. Keiner aber von den genannten
Gelehrten hat dabei an die Atlantis im Kritias des Plato und die ägyp-
tischen Stelen des Krantor gedacht, offenbar weil ihnen dieselben nicht
gegenwärtig waren; aber jene Berichte von einer grossen Conföderation der
Völker des westlichen Libyens (Lebus) und der Inseln des westlichen Mittel-
meeres (Schekulsha = Siculi und Schardana = Sardones), welche Aegyp-
ten mit Krieg überzogen, aber nach heftigen Kämpfen total geschlagen und
vernichtet wurden, waren gewiss 1000 Jahi^e später noch den Priestern
Aegyptens bekannt, und konnten, dem Solon oder Plato erzählt, recht
wohl den Hintergrund bilden, auf dem der Dichterphilosoph sein poeti-
sches Gemälde aufbaute.
Eratosthenes der grosse Polyhistor Alexandriens hatte nach Suidas
die Beinamen Btjra, (fevreQog rj viog IHaxcor, UivraS^lov. Den Grund
des ersten Beiwortes gibt Suidas selber an diä to detneifBVBiv ir narrt
udei naideiag, von der Bedeutung des dritten Beiwortes nivra&Xov
schweigt er, und weder er noch einer der Neueren, so viel mir bekannt,
weiss etwas von dem Zusammenhang jener Beiwörter mit einem Dialoge
Piatos; und doch ist derselbe evident. In den Anterastai nämlich lesen
wir mit Bezug auf die Verwechselung des Philosophen mit dem Viel-
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wisser p. 135 E sq. ^o^ceTs f^oi X^yBiv top ipiXoaoipov olov iy rtj dyiuyitf
flaly oi TiiyxaS^Xoi JiQog to^)*; d{}Ofiiag fj rovg TraXaiardg. xal yap ix^yoi
TOVTioy fxty keinovrai xarä rd rovrioy dO-Xa xai devrf^ifoi bIoi n^fog rovrov^^.
riöy ^f äXkwy dS^ltitiov nQwroi xal ytxwaiy avxovg. rdx dy ioiog rotoviuy
Ti Xeyoig xat to (piXoaoipny dniQyaX,ead-ai rovg mtTr](f€voyrag rovio tu
iTHTTj^eviLia' rwy jiiiy nQVJTioy eig ^vyeaiy tts^I rag xixyag iXlei7jea&&t, td
ds (fevT€()eia ^'kxoyrag rwy äXXioy nhQisiyai^ und p. 139 D norf^for ovy
xal 7i€()l xavTa XiyvDfuy niyrad-Xoy avroy dtly elyai xal VTiaxQoy^ td
devT^Qtia sxoyra ndyTO)y roy (piXoaoipoy ; der Zusammenhang der beiden
Stellen mit dem dritten Beinamen des Eratosthenes liegt auf der Hand>
zugleich aber auch wird man zugeben, dass der Beinamen nach dem
Dialog erfunden, und nicht der Dialog aus Anlass des Beiwortes ge-
schrieben worden ist. Demnach war der Dialog Anterastai, von dem
wir oben S. 471 nachgewiesen haben, dass er erst nachträglich den
anderen Dialogen Piatos zugefügt worden ist, schon in der Zeit des
Eratosthenes und somit vor Aristophanes in Umlauf.
Lebensalter des Plato. Hauptquelle dafür ist Diogenes III 2:
yiytrai nxdxwy ^ üg (pr]Oiy linoXXoi^iv^fog iy ^Q^^'^^^^y oydofi xal oy^of}-
xüorfi oXv/tiiiid^i OaQyriXidjyog iß^o/uf], xad^ tjy JrjXioi roy IdJioXXioya yeywd-ai
(paaly. reXevrq (^\ dig (p)]Oiy "^'EQUinnog^ ty yditioig (^emycoy, t(ü n^ditp hn
rijg oydorig xal ixaroaTfjg oXvuniddog ßiovg erog ty 7i(jög roTg üydoi]yMVTa,
jVedy&r]g dt (pqaiy avroy T6TTd(jcoy xal oydofjxoyra reXtvifiaai irdäy, ionr
ovy 'laoxQazovg yeajTt()og irtoiy t§. 6 uty yd() inl ylvoifid^ov, nidruay
(T in 'Ejiajiitlyoyog ytyoyey. Diels in dem gelehrten und scharfsinnigen
Aufsatz, Chronologische Untersuchungen über Apollodors Chronika, im
Rh. M. XXXI 41 f. schreibt dem Neanthes den Ansatz der Lebensdauer
unseres Philosophen auf 81 Jahre zu und ändert demnach frischzu das
überlieferte r«rra(>a>r xal oyöorixoyra in iybg xal dySoiixoyia, Dass der
doppelte Ansatz von 81 und 84 Lebensjahren Piatos auf eine Verwech-
selung der Zahlzeichen 77 A und 77 J zurückgehe, ist auch mir nicht
verborgen geblieben. Aber deshalb darf doch nicht an unserer Stelle
T^TTaptüi/ in iyog korrigiert werden, da Diogenes offenbar den Ansatz des
Neanthes der geläufigen und unmittelbar zuvor gegebenen üeber lieferung,
dass Plato 81 Jahre alt geworden sei, entgegensetzen will. Ob nun aber
Neanthes selbst den Irrtum begangen habe oder ob derselbe erst durch
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVII. Bd. II. Abth. 66
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510
einen Fehler der Abschreiber und Excerptoren in sein Werk gekommen
sei, das muss ich dahin gestellt sein lassen. Auf der anderen Seite steht
mir nicht so sicher, wie Diels, Steinhart und anderen, dass in unserer
Stelle des Diogenes die Angabe über das Todesjahr des Plato von Her-
mippos herrühre. Vergleiche ich die parallele Stelle des Diogenes V 9
über die Lebensjahre des Aristoteles, wo alle Zahlenangaben dem einen
ApoUodor zugeschrieben werden, und ziehe ich den anekdotenmässigen
Charakter der Biographien des Hermippos in Betracht, so deucht es mir
viel wahrscheinlicher, dass von Hermippos nur die Notiz über den Tod
des Philosophen bei einem Hochzeitschmause (iv ydfioig demrcSy) her-
stammt.
Reiterdienst des Plato. Reisen nach fernen Ländern, myste-
riöse Zusammenkünfte und wunderbare Ereignisse weixJen erdichtet, nicht
regelmässige Erfüllungen bürgerlicher Pflichten. Es zeugt daher von
unkritischer Skepsis, wenn man die Nachricht von der militärischen
Dienstleistung des Plato bei Diogenes III 8 und Aelian var. hist. VII 14
verwirft, zumal dieselbe auf einen so verlässigen Gewährsmann wie
Aristoxenos zurückgeführt wird. Freilich scheint sich in dem Bericht
xal avTov (prjaiv liffiaro^evog r{}lg iar^farevaS^aiy ana§ jLifr dg TayayQav,
davreifov d^ig K6()iv&or, rfftroy im Jrjklq) Wahres mit Falschem gemischt
zu haben. Denn schon die abweichende Form im JtjIiw — sonst rich-
tiger 4' c. acc. — macht den letzten Absatz verdächtig und legt die
Vermutung nahe, dass derselbe aus der Erzählung von dem Heldenmut
des Sokrates bei Delion herrühre. Aber richtig wird es sein, dass Plato
in den Jahren 395 und 394 seine Bürgerpflicht bei den Auszügen nach
Böotien und Korinth erfüllt habe. Wenn ich nun die Vermutung bei-
füge, er habe in der Reiterei diese Feldzüge mitgemacht, so stütze ich
mich dabei auf die ausserordentliche Pferdekenntnis, die Plato im Phai-
dros p. 253 E bei der Beschreibung des guten und schlechten Pferdes
zeigt. Einer der nicht viel mit Pferden umgegangen ist — davon habe
ich mich im Wintersemester bei der Interpretation der Stelle im Seminar
überzeugt — kann nicht so sachkundig die guten und schlechten Eigen-
schaften eines Pferdes herausfinden. Schade dass der Hermannus eques
philologus nicht mehr lebt; dem würde ich am liebsten diese und die
anderen Fragen der Abhandlung zur Entscheidung vorlegen.
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Ergänzend zu Seite 461 sei noch bemerkt, dass für die Weise^
wie Aristophanes und Tbrasylos die Werke PlatoB aufgeführt und geord-
net haben, uns das im cod. Par. gr. 1853 erhaltene Scholion zum Frag-
mente der Metaphysik des l'heophrast (bei Brandis in der Ausgabe der
Metaphysica Aristotelis et Theophrasti p. 323) einen wichtigen Fingerzeig
gibt. Dasselbe lautet: Toiyro ro ßißXioy *Avd{}ovixog fxtv xal ^'E(}fit7i7ios
ayvoovatv oviJf yaQ finiay avrov okiog TiBnoirjvrai iv rfj ävay^mp^ rmv
QtoipQaaTov ßißkicoy. Eine solche ävayQaiptj rtSy ^A^iOToni'kovg ßißliiot^
werden also auch Aristophanes und Thrasylos verfasst und dabei der
Aufzeichnung die Zusammengehörigkeit einzelner Werke zu Trilogian
und Tetralogien zu gründe gelegt haben. Denn der Umfang der meisten
hieher gehörigen Dialoge, wie insbesondere der Politeia und der Nomoi,
war doch zu gross, als dass man füglich an eine Vereinigung derselben
in einer nach Trilogien angelegten Ausgabe der Werke Piatos denken dürfte.
Noch gerade vor Thorschluss kommt mir das 4. Heft der Jahrbücher
für Phil. 1885 zu Gesicht, welches ein Aufsatz von H.Sieb eck, zur
Chronologie der platonischen Dialoge, eröffnet. Ich hebe aus demselben
nur 3 zur vorstehenden Abhandlung direkt gehörige Punkte hervor:
1) Das 10. Buch der Politeia lässt Siebeck mit Zeller und Schul tess
nach dem Phaidon geschrieben sein, da die Worte o apri loyag Kai oi
äXXoi Xoyoi (p. 611 B) und nxt noXveiörig nie fjiovoBidrig (p. 612 A) eine
Rückbeziehung auf den Phaidon enthalten, wohl richtig. 2) Die Worte im
Protagoras p. 361 E elaavd^is urav ßovlrj ^li^ifisy sollen den Menon
und Gorgias ankündigen; mir nicht überzeugend, da die beregten Fragen
auch in jenen Dialogen nicht ziun Austrag kommen und jene Worte
Protagoras nicht Sokrates spricht. 3) Der Phaidros soll nach der Rede
des Isokrates gegen die Sophisten geschrieben sein, da Plato in dem-
selben eine Berichtigung und vornehme Zurechtweisung einiger Sätze der
Programmrede des Rhetor gegeben habe. Die neu zugefügten Wechsel-
beziehungen beider Schriften sind t^ils zu unbedeutend teils zu unsicher;
eine wenn auch wohlmeinende, so doch zurechtweisende Kritik des Isokrates
passt nicht in einen Dialog, der am Schlüsse eine so glänzende Lobprei-
sung des Isokrates gegenüber dem Lysias enthält.
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[Register.
Aegyptische Nachrichten in Piatos Kritias S. 507 f.
Aristophanes, Anordner der Werke Piatos: S. 461.
470. 511.
Aristoteles, Beziehungen zu Plato : S. 457 f., be-
kämpft die Ideenlehre ohne Berücksichtigung
des Parmenides : S. 468 f., seine Werke später
in Bücher geteilt: S.475f., falsche Buchteilung
in Metaphysik: S. 475, de anima: S. 475, ver-
schiedene Buchteilung der Analytik und Logik
S.476; met. III 2 p. 1004b 25: S. 457, met. IV 5
p. 1015* 25: S. 458, met. IV 11 p. 1019» 4
S. 484 f., de gen. et corr. 11 3 p. 3801» 15
S. 484 f. u. 487 f., de part. anim. 1 2 p. 642^ 10
S. 484 f.
Derkyllides vor Thrasylos: 456.
JittXf^ttg Beziehungen zu Piatos Protagoras:
S. 500 An.
Diogenes Laert. III 2: S. 509. 111 38: S. 502,
III 49: S. 456 f., III 56: S. 455 f.
Echekrates aus Phlius Pythagoreer: S. 491 f.
Eratosthenes, Deutung seiner Beinamen: S. 508 f.
Ionische Schrift, ihrer Einführung gedacht im
Plato: S. 502 An. 3, 503 An. 1.
Isokrates Beziehungen zu Plato: S. 501 f.. Rede
gegen die Sophisten nach Piatos Phaidros:
S. 504 f. u. 511.
Koriskos, Schüler des Plato und Genosse des
Aristoteles: S. 457.
Leochares, seine Lebenszeit: S. 480.
Lysiaa Beziehungen zu Plato: S. 502 ff.
Plato diente in der Reiterei : S. 510, seine Werke
in Trilogien und Tetralogien geteilt : S. 455 f.
458 ff. 470 f., Trilogien zu Tetralogien erwei-
tert: S. 464, alphabetische Anordnung eines
Teiles der Dialoge: S. 470 f., Form der Dia-
loge: S. 492 ff. 497 An. 3, sprachliche Indicien
der Zeitfolge der Dialoge : S. 506 f. •
Anterastai unecht: S. 471 f., Beziehung zu
Eratosthenes: S. 508 f.
Briefe nicht alle unecht: S. 477 ff., 13. Brief
echt: S. 477 ff. 458, geschrieben ca. 364:
S. 479 f., 5. Brief: S. 481 An. 2, 9. Brief:
S. 491.
Euthydemos nach Phaidros: S. 501.
Kritias unvollendet: S. 464 An. 2, ein histo-
rischer Roman: S. 507 f.
Nomoi: S. 467 An. 4.
Parmenides Fragment einer Trilogie : S. 468 ff.
Phaidon im 13. Brief erwähnt: S. 481 f., nach
379 geschrieben: S. 491 f. 511.
Phaidros vor Euthydemos geschrieben: S. 501,
nicht vor Piatos Tod: S. 501 f., ca. 391 ge-
schrieben: S. 506. 511.
Politeia allmählich erweitert: S. 473, später in
Bücher geteilt: S. 474 f., Buch V p. 471 geht
auf die Ereignisse d. J. 374: S. 489 f., Bücher
V — VII sollten nicht den Dialog Philosophos
ersetzen: S. 488 f.
Protagoras, seine Abfassungszeit: S. 497 ff. 411.
Sophistes und Politikos hatten auch den Titel
StaiQ^afig: S. 482 f. 484 ff.
Theages unecht: S. 463 An. 1.
Theätet nach 374 geschrieben: S. 495 f., der
Eingang nimmt auf Phaidros Bezug : S. 500 f.,
bezieht sich auf korinthischen Krieg: S. 495.
Timaios verfasst ca. 364 : S. 482 f., auch Xoyo^
nvSityoQfiog genannt: S. 482 f.
Tetralogien von den Dialogen Piatos auf die
Dramen übertragen: S. 465.
Theopomp der Komiker bezieht sich auf Phaidon:
S. 496 f.
Thrasylos, Ordner der Werke Piatos nach Tetra-
logien: S. 455. 461. 466. 470 f.
Varro de ling. lat. VII 37: S. 455.
Xenophon hell. V 1, 36 hat Beziehung zu Piatos
Protagoras: S. 498, sein Convivium berück-
sichtigt in Piatos Protagoras und Symposion:
S. 499.
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Die
troische Aera des Suidas.
Von
Georg Friedrich Unger.
Abh.d.I.Cl.d.k.Ak.d.Wi8s.XVII.Bd.III.Abth. 67
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Die troische Aera des Snidas.
In fünf literargeschichtlichen Artikeln des Suidas, unter 'Affxxlyogy
Avxovffyog 6 27ia(fTidTrig, 2ißvlXa ^Anokkuivog xal AafiLag, 2ifiiüvLdrig
K(fiy€w Ufiopylyog, fpcoxvki^rjg wird die Blüthezeit dieser und anderer
Schriftsteller^) durch Zählung der seit Troias Fall verflossenen Jahre
bestimmt und so eine Anzahl von Daten überliefert, deren Besitz bei
der Mangelhaftigkeit der andern uns noch über sie zu Gebote stehenden
Zeitangaben von hoher Wichtigkeit wäre, wenn man wüsste, welche von
den vielen Zeitbestimmungen der troischen Epoche den Daten des Suidas
oder vielmehr seiner literarhistorischen Quelle, des Hesychios von Miletos
zu Grunde liegt. Man hat sich gewöhnt das durch ApoUodoros zu weiter
Verbreitung gebrachte eratosthenische Datum 1183 bei Suidas voraus-
zusetzen, um so mehr als in dem Artikel ^Ü,aiypog 6 noitiTTjg Melrprog das
Ereigniss in der That 407 Jahre vor Olymp. 1 gesetzt wird; zu dieser
Voraussetzung durfte man sich indess nur so lange berechtigt glauben,
als man noch nicht begonnen hatte, die hesychischen Stücke auszu-
scheiden und von den Zusätzen sei es des Suidas oder seiner Abschreiber
zu sondern. Gerade das grosse, von ian ^i 17 rov yiyovg ra^ig bis
Evqvq>wy xal Geolaog reichende Stück jenes Homerartikels, welches die
Worte ired-f] (fi avrf] fiera rry T^oing aXvoaiv iyiavrolg vaisifoy vC^ ent-
hält, wird von Flach (Hesychii Milesii quae supersunt 1882 p. 152) als
nicht hesychisch eingeklammert und die Richtigkeit seines Urtheils er-
hellt ausser den von ihm im Rhein. Mus. XXXV 198 dargelegten Gründen
auch aus einer Vergleichung mit dem Inhalt der ächten Partien des
1) Verfasser einer schriftlichen Gesetzgebung wird Lykurg a. a. 0. genannt.
67*
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516
Artikels. Eine solche gleich hier am Anfang anzustellen veranlasst mich
die grundlegende Wichtigkeit dieser Frage; ihr weiteres Ergebniss wird
sein, dass das eingelegte Stück nicht, wie Flach meint, aus Porphyrios
und andern Schriftstellern zusammengestellt, sondern ein der ächten
Partie so gut es gieng angepasster Auszug aus Charax ist, was zu er-
kennen man nur durch unrichtige Bestimmung der Zeit dieses Historikers
verhindert worden ist.
Die unächte Einlage besteht aus fünf Theilen. Der erste gibt einen
langen, 14 Glieder aufzählenden Stammbaum des Dichters xara rov ia-
ro^ixov Xdifaxa, welcher sicher nicht von Hesychios mitgetheilt war:
denn in der ächten Partie ist schon Charax citirt, dort aber dem Plan
des Hesychios gemäss nur das letzte Glied, die Aeltem genannt 2) Die
Heimat des Dichters. Während Hesychios nur vier Varianten über die
Aeltern und, da zwei von jenen nach Miletos weisen, drei über das Vater-
land Homers kennt oder erwähnenswerth findet, werden hier der letzteren
nicht weniger als 20 aufgeführt und nachdem Hesychios bereits beide
Kategorien auf einmal angegeben hatte, weil mit den Aeltem ja schon
die Heimat angezeigt wird, macht der Auszügler, um die Hinzufügung
jener Variantenmenge zu rechtfertigen, den Uebergang zu ihr mittelst
der spitzfindigen und verkehrt begründeten Scheidung: ofioitog (fi xal
rijr narifUJa d/KpißoXog Jm rö äniari]d'TJyai oiLcos* elvai d-yijroy T(p /asyed-ei
Tfig (pvosiog. 3) Diejenige von den 20 Varianten, welche er selbst billigt,
ist eben die des Charax: denn der ursprüngliche Name des Dichters war
dem Glossem zufolge Melesigenes, wegen seiner Geburt am Flusse Meles
xard Tovg 2jLiv(}yaloy avroy yeyeakoj^ovyrag; nach Charax war er in der
That ein Smymaier, aber nicht, wie Hesychios sagt, ein Sohn des Fluss-
gottes Meles, sondern des Maion, also nur, wie bei dem Auszügler, am
Meles geboren. 4) Gebui^tszeit 57 Jahre vor Ol. 1, nach Porphyrios da-
gegen 132 vor Ol. 1, anderen zufolge 160 nach Troias Fall. Porphyrios
ist also nicht die sei es einzige oder Hauptquelle der Einlage, sondern
in jener nur citirt gewesen und zwar, wenn Charax später geschrieben
hat, von diesem. Derselben Hauptquelle des Glossems gehört auch, weil
sie als Ansicht des Schreibers auftritt, die Datirung der troischen Epoche:
407 Jahre vor Ol. 1; dass diese auch von Porphyrios anerkannt war,
kann bei der weiten Verbreitung derselben nichts beweisen. 5) Gattin
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517
und Descendenz des Dichters. Damit wird der aus Charax mitgetheilte
Stammbaum nach unten fortgesetzt. Der Schwiegersohn Stasinos gehört
als cyklischer Dichter frühestens dem achten, Euryphon, Homers Sohn,
als Urgrossvater des Terpandros keinem späteren als demselben Jahr-
hundert an: beides passt zu dem in Nr. 4 vorgezogenen Geburtsdatum
833 V. Ch.
Die Ansicht, dass der Historiker Charax mit dem von Marc Aurel
erwähnten Philosophen Charax aus Pergamon identisch sei (Müller fr.
bist. III 636) beruht lediglich auf der Autorität des Hesychios Milesios,
der aber keine Angabe über das Zeitalter des Geschichtschreibers vor-
gefunden imd ihn mit dem Philosophen nur aufs Gerathewohl identificirt
hat. Bekannt ist ihm bloss das Werk des Historikers, keine Schnft oder
Lehre des Philosophen, Suidas Xapa|] Byifaipev ^EkXrivixdiy tb xal f ioTOQiiJjv
ßißkia /i; von der Existenz des letzteren wusste er nur aus dem Buch
eines andern Schriftstellers und die Gleichnamigkeit verführte ihn zur
Identification, Suidas XdQa§ ITeQyaurjvos ieffcifs xat (pd6ao(pog, wg BV{foy er
ÄQx^^ ßiß^V imyQajLifia ovriog exov Elul Xd(fa§ i€(}evg ytQaiffig ano
IlB^duov äx^Tjg; in jenem Buch war derselbe offenbar als Philosoph be-
zeichnet. Um das ihm nicht genannte Zeitalter des Mannes aufzufinden,
las er das Geschichte werk, machte aber, da sämmtliche 40 Bücher durch-
zunehmen zu viel Zeit und Mühe gekostet haben würde, der Lektüre vor
dem VUI. Buch ein Ende, ohne ans Ziel gekommen zu sein, Suid. sazi
cT* T(5v xar^ Avyovarov nokl(p ysiore^fog' uiixvijtai yovy iy rip /?' tcöv
ßißliwy Avyovarov (vg ndkai yeyofiiyov Kaiaa^og xal iy t(5 ^ Ni{fioyog
xai T(3y fier avroy ßaaiUvadvitoy. Charax schrieb in der zweiten Hälfte
des IV. oder der ersten des V. Jahrhunderts, ein bis zwei Jahrhunderte
nach Porphyrios. Zuerst citirt ihn das geographische Onomastikon des
Stephanos von Byzantioh und er kennt bereits die neue Reichshauptstadt
Constantinopolis: denn die Benennungen, welche sein 18. Fragment (bei
Malala p. 175) den einzelnen Theilen des Circus gibt, sind dem von
Constantin d. Gr. geschaffenen byzantinischen Hippodrom entlehnt: dort
hiess wie in dem Bruchstück der Platz wo die Meta stand atpBydoyrj und
der weiche Boden der Pferdebahn nilfxa, s. Ducange. Constantinopolis
Christiana II 1, 9. Aecht neubyzantinisch ist die Einmischung lateinischer
Fremdwörter in das Griechische, fr. 14 bei Eustathios zu Dionys. Per. 689
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518
fi€fiß(}dyaig und fr. 18 rä intä anaria (die VII spatia des Circus), mit
welcher Eigentllümlichkeit auch die vorgebliche Kenntniss des Altitalischen
in fr. 22 (Etymol. M. 25) zusammenhängt: raifg yeojgyovg oi 'Irakot (zur
Zeit des Gottes Dionysos) xokciyavg ixdlovy. Eine andere Eigenthümlich-
keit der Byzantiner ist die geschmacklose Allegorisirsucht, welche in fr. 18
den Circus auf das Weltgebäude, seine 12 Thüren auf die 12 'Häuser'
des Zodiakus, das Pelma auf die Erde, die Wendestelle an den Thüren
auf den Aufgang, die an der Sphendone auf den Untergang der Sonne,
die 7 Spatien auf die Bahn der 7 Planeten bezieht; ebenso albern und
alles geschichtlichen Sinnes baar zeigt sich die Deutung des Zieles der
Argonautenfahrt auf die Absicht, die Pergamentgoldschrift in ihrer Heimat
kennen ^u lernen.
Das eratosthenische Datum der troischen Epoche in dem Homer-
artikel des Suidas gehört also dem Charax, nicht dem Hesychios an;
was auch aus seiner Fassung hervorgeht. Die troischen Data des letzteren
haben dreimal die Form fisrä (rerffaxoGia) sttj rdßy T^vaixöiy^ einmal rtSy
T(f(Oixdiy uerd erri t., einmal t^^ T(}a}iXTjg dkiuaecüg uerd exr] t.; dagegen
in dem Glossem heisst es juerd ttjv Tgoiag akioaiy iyiaircolg vaT€(}oy v^ und
nur der Abwechslung wegen dann uhrd (fi iytavrovg zfjg 'Ikiov diaoaeujg,
Dass aber Hesychios ein andres als das eratosthenische Datum der troischen
Epoche im Auge hat, folgt schon aus den unüberwindlichen Schwierig-
keiten, welche bei der herkömmlichen Voraussetzung entstehen: es ist
noch Niemand gelungen, seine Jahrzahlen mit den anderweitigen An-
gaben oder Anzeichen über die Zeit der treffenden Personen ohne Text-
änderung in Einklang zu bringen. Nur jene Voraussetzung trägt aber
die Schuld, dass man eine von Hesychios selbst gegebene Andeutung
verkannt hat: er setzt Arktinos 410 Jahre nach Troia und in Olymp.
9 = 744/0 V. Ch.; sein troisches Datum fallt also 1154/50. Ebendahin
führen aber, wie unten gezeigt wird, die Ergebnisse der Untersuchung
bei den anderen Daten. Theognis, welcher mit Phokylides von Suidas
647 nach Troia gesetzt wird, hat, wie aus einer seiner Elegien hervor-
geht, 507 oder 506 v. Ch. geschrieben. Simonides von Amorgos (und
Archilochos), 490 nach Troia, blühte der besten Ueberlieferung zufolge
664 V. Ch. Die Sibylle, 483 n. Tr., durfte einem ihrer Orakel zufolge
672, 671 oder 670 v. Ch. gesetzt werden.
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519
Diesen Paralleldaten zufolge fiel die troische Epoche des Hesychios
auf 1154 oder 1153. Um das Vorhandensein einer Bolcheo nachzuweisen,
musste die Untersuchung auf alle im Alterthum gangbar gewesenen Data
der Zerstörung Troias ausgedehnt werden; ihre Ergebnisse und deren
Begründung sind vollständig mitgetheilt, nicht nur weil die chronologische
Behandlung das erfordert, sondern weil auch die Textfrage bei Lykurg
nur auf diesem Wege erledigt werden kann. Eines von jenen Daten fiel
in der That auf das attisch gerechnete Jahr 1154/3: Hesychios setzte
demnach Theognis und Phokylides 507, Simonides und Archiiochos 664,
die Sibylle 671, Arktinos 744 v. Chr.; für die corrupte Zahl des Lykurgos
wird sich bei diesem troischen Datum eine gefällige und mit den besten
Zeugnissen harmonirende Verbesserung finden lassen,
Theognis.
Suidas: ^CDXvli^rjg MiXrjaiog (piXoaocpog, avyxQ^^^^ Oto^ytSog* r)r (Jt
ixdreQog juera xt^^' ^^^ TgaiixcSy, okvfinidtfi yfyoyoTig v&\ Derselbe;
OioyyiQ Meya^Byg nJjy iy ^ixekia /Vfiyapair, yejrorwg iv rfi yß^ olvamdSi^
Die 647 Jahre nach Troia würden nach Eratosthones das J, 537 v- Ch.
ergeben; um Ol. 59 = 544/0 zu gewinnen, hat Rohde Rh. Mus. XXXIII
170 //i', Gutschmid bei Flach xf^Y zu schreiben vorgeschlagen, Hesychios
denkt aber, wie Rintelen de Theognide p. 13 erkannt hat, bei ytyoymBg
und demgemäss auch bei yeyovwg an die Geburt, sonst würde yEyovöThg
neben riy zwecklos dastehen; Suidas selbst mag immerhin das Particip
in der anderen, häufigeren Bedeutung aufgefasst haben. Neben dem
Datum 647 nach Troia = 507/6 v. Ch. für die Blüthezeit lasst sich Ol. 59
gar nicht anders als auf die Geburt beziehen: denn an eine Contaniination
Verschiedener Quellen, hervorgegangen aus gedankenloser Uebertragung
ihrer Data, ist desswegen nicht zu denken, weil wir bei Hesychios, dem
Verfasser eines grossen geschichtlichen Werkes^ dessen erste Abtheilung
bis zur Einnahme Troias reichte, Sicherheit in chronologischen Dingen
und ein festes Datum der troischen Epoche annehmen müssen, Wohl
aber ist denkbar, dass er das y^yoye einer literarhistorischen Quelle,
welche beide Dichter in die Zeit des Harpagoskrieges setzte, in jener
Weise umgedeutet hat, um es mit dem andern Datum in Einklang zu
bringen.
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520
Ueber die Zeit des'Phokylides geben seine Fragmente keinen Auf-
schluss: vielleicht hatte Theognis ihn oder er diesen als Zeitgenossen
bezeichnet; davon dass Isokrates II 43 und Theophrast b. d. Schol. zu Ar.
eth. Nikora. V 1 (bei Rose, Hermes V 356), wie Flach Gesch. d. gr. Lyrik
p. 391 behauptet, beide als Zeitgenossen betrachten, ist im Texte jener
Stellen nichts zu lesen. Die zeitliche Scheidung der zwei Dichter ira
Kanon des Eusebios fällt, wie aus Suidas hervorgeht, erst dem Kirchen-
vater oder seinen Abschreibern zur Last; sie erklärt sich daraus, dass die
Anmerkungen eiue ganze Reihe berühmter Männer, ausser jenen beiden
noch Pherekydes, Simonides, Xenophanes u. a. mit dem Harpagoskrieg
verbinden mussten. Er setzt Phokylides in Ol. 58 (so Kyrillos, der älteste
Ausschreiber des Eusebios) oder 59, 1, Abrah. 1473 (die Hdschr. SMP des
Hieronymus und der armenische Uebersetzer), den anderen Dichter in Ol. 59
(Kyrillos, = Abr. 1476 P und Armen.), indem er offenbar einem Literar-
historiker folgte, welcher beide dem ionischen Krieg des Harpagos gleich-
zeitig dachte und auf diesen Theogn. 775 orQaxhv vßffiaTTjv Mi^<fwy ansQvxe
und 764 jor Mridijt)v ^cKfiaifQ nokcuoy bezog. Man konnte freilich, wie
Hiller Jahrbb. 1881 p.456 richtig bemerkt, diese Stellen auch auf einen
späteren Perserkrieg beziehen und es ist daher wahrscheinlich, dass sich
in dem vollständigen Werke des Theognis noch andere Stellen fanden,
welche bestimmter auf den Harpagoskrieg zu führen schienen, z. B. kann
der Dichter an das Schicksal solcher Städte erinnert haben, welche wie
Phokaia, Teos von jenem Kriege hart betroffen wurden, während er von
Miletos, Eretria und anderen in den Perserkriegen des V. Jahrhunderts
eroberten schwieg. Eine zwingende Beziehung jedoch auf jenen Krieg,
in dessen Zeit die meisten Neueren Theognis setzen, hat sicher keine
Stelle desselben enthalten: vielmehr führen die thatsächlich vorhandenen
Andeutungen in eine spätere Zeit.
Die in den angeführten Versen ausgesprochene Furcht vor einem
Angriff der Perser auf Megara lässt sich aus den politischen Verhält-
nissen vor dem letzten Decennium des sechsten Jahrhunderts nicht be-
greifen. Als Kyros Sardes eroberte, baten die hellenischen Städte des
kleinasiatischen Festlandes Sparta um Hülfe, dagegen in Samos, Chios,
Lesbos, Tenedos herrschte keine Furcht vor den Persern (Her. 1151) und
auch der Fall Joniens bewog sie nicht an Ergebung zu denken. Was
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521
Herodot I 169 in dieser Beziehung von den Samiern und Chioten meldet,
mag seine Geltung von den festländischen Besitzungen derselben haben;
die Inseln selbst blieben selbständig, Her. III 90. 139. Thuk. I 13, unter
Kyros und Kambyses beherrschten die Inselionier das Meer, Thuk, I 13,
und erst 517 wurde, nachdem 526 vorübergehend Polykrates die Ober-
hoheit des Kambyses anerkannt hatte, Samos, 493 Chios, Lesbos, Tenedos,
492 Thasos unterworfen, während die Cykladen ihre Unabhängigkeit bis
490 behaupteten. So lange diese Inseln frei waren oder wenigstens so
lange die Samier das Meer beherrschten, bis 517 sicher fiel es keiner
Stadt von Althellas ein, einen AngriflF der Perser auf ihre Freiheit zu
besorgen. Selbst diesen ganz unwahrscheinlichen Fall aber angeDoinmen
lassen sich die Worte des Theognis auch dann nicht auf den Harpagos-
krieg beziehen. Wären die Megarer wirklich so feige Seelen gewesen,
wie wir dann annehmen müssten, so hatten sie ja ein ganz einfaches
und leichtes Mittel in der Hand, ihre Existenz und persönliche Freiheit,
ihre Habe und sogar die Autonomie zu retten: sie durften nur thun,
was das stolze Miletos und viele andere der ihrigen mindesten gleich-
stehende Städte gethan hatten, nämlich Erde und Wasser geben, und alle
Furcht war gehoben. Eben dieser Umstand lehrt aber, dass auch an
keinen spätem Rache- oder Eroberungskrieg der Perser, an den von
498, 492, 490 oder 480 zu denken ist: Megara hatt« sich, nachweislich
wenigstens, in keiner Weise gegen die Perser vergangen, keinen Abfall
von denselben begünstigt, keinen Herold vergewaltigt, keinerlei Beind-
seligkeit begangen; alle Städte, welche sich gutwillig ergaben, wurden
^ach den Gesetzen des Völkerrechts behandelt; wofür und wovor Bollten
sie denn die Angst hegen, welche die Verse des Dichters aussprechen.
Diese Besorgnisse erklären sich einzig aus den besonderen Verhältnissen
der Zeit, in welche das Gedicht durch eine andere Stelle gewiesen wird-
Diese für die Zeitbestimmung des Theognis massgebende Stelle lautet
891 fif. oi /tioi draXxiirjg' ano utv Kri^ivd-oa olio'uy yirfkavxw J' dya&oy
XHQBrai olyon^doy^ oi d^dyad-ol tpsvyovai noXiv ^i xaxol dunovatv^ tm ^h
KinpekidHoy Zevg okeafie yivot;,. Sie bezieht sich, wie Hertzberg in Prut2
liter. Taschenbuch 1845 p. 354 zuerst erkannt hat, auf den berühmten
Freiheitskrieg der Athener im J. 507 oder 506, welcher den Chalkidieni
das lelantische Gefilde kostete, Herod. V 77. Diodor X 24, 3. Aelian var,
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 68
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522
bist. VI 1. Die von Vischer Götting. Gel. Anz. 1864 p. 1361 flf. erhobenen
Einwände sind zum Theil schon von Duncker VI 576 widerlegt, hier ist
nur nöthig von Kerinthos zu sprechen. Dass dieser im Norden der Insel
auf der Ostküste gelegene Ort seit lange oder von jeher zu Histiaia,
nicht zu Chalkis gehört habe, geht aus Strab. 445 keineswegs hervor:
dort heisst es nur, dass EUops der Gründer von Ellopia auch Histiaia,
Perias, Kerinthos, Aidepsos und Orobiai erworben habe; dagegen wird
von Skymnos 576 (d. i. von Ephoros) vorausgesetzt, dass Kerinthos der
grösste Ort des chalkidischen Gebiets war. Führer der ionischen Gründer
von Chalkis war nach Strab. 445 (vgl. Plutarch quaest. graec. 22) Kothos;
wenn Skymnos von ihm Kerinthos gründen lässt, so erklärt sich dies
daraus, dass er die Gründung der Stadt Chalkis selbst in eine frühere Zeit
versetzt, indem er sie einem Sohne des Erechtheus beilegt: als Schöpfung
jenes Oikisten nennt er daher den bedeutendsten Ort ihres Gebiets. Dunkel
bleibt nur, aber auch bei jeder andern Auslegung, die Erwähnung der
Kypseliden und jedenfalls hat man keinen Grund, mit K. F. Hermann
Rh. Mus. 1832 p. 94 unsere Stelle auf den zwischen Eretria und Chalkis
um das lelantische Gefilde geführten Krieg zu beziehen und sie desswegen
dem Theognis abzusprechen. Dass Periandros oder ein anderer Kypselide
an demselben theilgenommen, ist weder bezeugt noch wahrscheinlich: die
Betheiligung anderer Staaten war nach Thukydides 115 nur verhältniss-
mässig eine starke, und aus Herodot V 99 ist zu schliessen, dass ausser
den beiderseitigen Colonien und einzelnen Freiwilligen wie dem von Plut
amatorius 17 genannten Thessaler nur Miletos den Eretriern, Samos den
Chalkidiern zu Hülfe gekommen war. Aus der Theilnahme der thrakischen
Colonien hat Hermann den triftigen Schluss gezogen, dass jener Krieg
frühestens in den letzten Decennien des VIII. Jahrhunderts gespielt hat;
der bei seinem Anfang abgeschlossene Vertrag, sich ferntragender Waffen
zu enthalten (Strab. 448), fällt geraume Zeit vor Archilochos, welcher
diese Enthaltung bereits als Sitte der Euboier ansieht und jene Ursache
ihrer Entstehung gar nicht kennt, fragm. 3 bei Plutarch Theseus 5.
Der Krieg hat demnach um 700 v. Ch. stattgefunden. Nachkommen
des Kypselos in weiblicher Linie gab es auch in Athen: der Philaide
Miltiades, Sohn des Kypselos, ist wohl ein Enkel oder Urenkel des Ty-
rannen gewesen, vgl. Herodot VI 35 mit VI 128. An seinen Stiefnefifen
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523
Miltiades, den MarathoDsieger, erinnert Gutschmid bei Flach, Lyrik S. 410;
freilich liess sich dieser erst beim Misslingen des ionischen Aufstandee in
Athen nieder. Man könnte etwa an Isagoras, den Urheber des von
Theognis gemeinten Krieges denken: der Name seines Vaters Tisandros
kehrt im Philaidenhause wieder (Herod. VI 128); gehörte er durch seine
Mutter zu diesen, so würde sich auch seine hervorragende Stellung in
Athen während der Abwesenheit des Miltiades passend erklären.
Die Hertzbergsche Deutung hat ausser Duncker und Gutschmid nur
wenig Anhänger gefunden, offenbar desswegen, weil die auf einen drobentlen
Perserkrieg hinweisenden Stellen nicht zu ihr zu passen schienen. Und
doch fehlte gerade damals nicht viel, so wären die Perser den Megarern
feindlich ins Land gekommen. Als der König Kleomenes OL 73, L 508/7
mit Schimpf und Schande aus der Akropolis Athens, welche ihm Isagoras
in die Hand gespielt hatte, abziehen musste, da wussten die Athener,
schreibt Herodot. V 73, dass ihnen ein schwerer Krieg mit Sparta bevor-
stand; sie mussten sich auf den Heranzug des peloponnesischen Bundes-
heeres gefasst machen, ja die Spartaner knüpften auch mit Boiotien und
Chalkis Unterhandlungen an, welche zu einem gleichzeitigen Angriff auf
Attika von drei Seiten her führen sollten. Aus solcher Noth glaubten
die Athener nicht anders Rettung zu finden als durch Eingehung eines
Bundes mit den Persem. Eine Gesandtschaft gieng nach Sardes zu dem
Bruder des Grosskönigs, sie erhielt das Versprechen der Hülfe, aber nur
unter der Bedingung, dass sie Erde und Wasser reichten. Schweren
Herzens sagten nach gepflogener Berathung die Botschafter zu. Heim*
gekehrt ernteten sie schwere Vorwürfe, Her. V 73 alriag /ueyalag f/;for;
dies mag geschehen sein, nachdem die Athener gerettet waren, ohne die
persische Hülfe zu bedürfen; möglich auch, dass bei der Heimkehr der
Gesandten Athen schon geborgen war. Im andern Fall haben die Athener
gewiss nicht verfehlt, nach aussen sich des mächtigen Bundesgenossen
zu rühmen und vielleicht war auch die Absendung der Botschaft mit
Ostentation betrieben worden. Die Feinde Athens mussten jetzt fürchten,
dass die asiatischen Barbarenhorden, dass die Meder, deren blosser Name
damals schon hinreichend war, Hellenenherzen zittern zu machen (Herod.
VI 112), mit den Athenern in das Bundesgebiet einfallen und Greuel
aller Art verüben würden: welche Stadt des peloponnesischen Bundes
68*
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524
würde dann eher den Anprall solcher Feinde zu fühlen bekommen als
Megara, das an Athen unmittelbar angrenzte und nicht wie die andern
den korinthischen Isthmus zur Deckung nehmen konnte. Die Gefahr war
um so grösser, als selbst innerhalb des Bundes Athen gegenüber keine
Einhelligkeit der Absichten bestand, wie denn eben durch das Wider-
streben der Korinther der Feldzug des Kleomenes ins Stocken gerieth.
Auf diese doch wohl schon vorher sich verrathende Gesinnung und auf
die zwischen den zwei Spartanerkönigen bestehende Uneinigkeit einerseits,
auf das unbillige und zugleich unpolitische Vorgehen des Kleomenes andrer-
seits lässt sich Theogn. 780 beziehen: ^ yap fyioye dfdor/ dcpQa^iijv iaoQwy
xal oraaiv ^Ekki^rtoy Xaoifd^oQov,
Die Zeit des Einzugs der Spartaner in die Akropolis Athens und
ihrer Capitulation steht dadurch fest, dass Isagoras das Amt des ersten
Archonten, welches ihm Gelegenheit gab, die Burg zu verrathen, Ol. 73, 1.
508/7 bekleidet hat, Dionys. Hai. ant. V, 1. Dem nächsten Jahre ver-
muthlich gehören die von Theognis berührten Verhältnisse und Vor-
gänge an: dieses aber liegt genau 647 Jahre, wiei Suidas angibt, nach
der troischen Epoche 1154/3. Hiezu stimmt auch, was sich über die
Zeit einer andern Schrift des Theognis mit Wahrscheinlichkeit annehmen
lässt, Suid. eyijaxpey ikfysiay elg rovg aatS^tyrag rivy 2v()axovaiu)y iv tfi
noUo^xiq, Aus jenen Zeiten ist nur eine Belagerung von Syrakus be-
kannt, veranstaltet durch Hippokrates, welcher 498 — 491 über Gela
herrschte und sich viele Sikeliotenstädte unterwarf, Herod. VII 154. Sie
mag 495 oder 494 stattgehabt haben: der spätere Tyrann Gelon, welcher
sich bei ihr und anderen ähnlichen Gelegenheiten als Leibwächter des
Hippokrates ausgezeichnet hatte, erfuhr die Beförderung zum Hipparchen,
welche er diesen Leistungen verdankte, nicht lange nach der Thron-
besteigung desselben, Her. VII 154 /tera ov nokkoy xif^^^^-
Simonides I und Archilochos.
Suid. 2:tfifx)yidri(; K^ivBW Ufio()yivog] yfyore ^s fxeia vq hi] xmy TQwtxäv.
Aus den vorherg. Worten kr rw dnoixiOfKp x'^g 'A/Lioffyov iardXt] xal avtog
7]yeuwy vno 2:a^iio}v zieht Gutschmid bei Flach Hesych. p. LXXI den
triftigen Schluss, dass in der Quelle auch von Archilochos (über welchen
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525
Suidas keinen Artikel bietet) und seiner angeblichen Gründung auf Thasos
die Rede gewesen war; ohne Zweifel war wie Theognis mit Phokylides,
so Archilochos mit dem älteren Simonides in gleiches Jahr gosetztj was
bei Eusebios wirklich der Fall ist, und Clemens ström. I 333 andeutet:
2:i(Liü}vi^rig xar ji(JXUoxoy (ff gerat; eben desswegen wollte Volkmaon
ovyxifovog i/p/zAo/oi; nach avrog einsetzen. Die troische Epoche des
Eratosthenes bei Suidas voraussetzend vermuthet Rohde Rli. Mus. XXXVI
559 vqc oder vqf, woraus die 500 Jahre anderer abgerundet seien,
Tatian 35 ert^fm avv ^Aq/jXox^ j^eyoysrai top ^'OiLtr]{}oy, o tti- 'Ai^yikoxo^
ijx/iane ni(fl olvfimada lifiriiv xai elxoarriy xarä rvyrjy rny ^ivdoy rwv
^Ihfixöjy vaTf(ßoy neyraxonioig; Eusebios can. Abr. 914; Synkellos p. 339;
denn von 1183 habe Niemand mit 500 Jahren auf Ol. 23 = 688/4 v. Cb,
gelangen können. Doch war dies in der That möglich bei inclusiver
Zählung, oder wenn man, was auf dasselbe hinausläuft, mit Hieronymus
(quingentesimum annum) das letzte Jahr unvollendet nahm, auch schreibt
Synkellos vorsichtiger Weise ^«r« erri (p nov: das 500. Jalir seit 1184/3
ist Ol. 23, 4. 685/4, vgl. den Schluss dieses Abschnitts. Es sind also
eigentlich 499 Jahre gemeint und mit diesen lassen sich die 490 sehr
wohl in Einklang bringen. Die erwähnten Bibelgelehrten Iiaben den
Anfangsterminus miss verstanden : Theopompos, welcher unter den hi€^m
zu verstehen ist, gewann die runde Zahl 500 dadurch, dass er statt der
Eroberung Troias den 9 volle Jahre früheren Anfang der Belagerung
zum Ausgangspunkt nahm, Clemens ström. I 389 Oeonounog tr t/J rtnaa^xi-
Xüorfi TiftTfi rdiy <PiUn7iiX(by /uera h'rq neyiaxoaia rioy inl IXioy (vulg.
*llUo) orgaTtvaoyraty yeyoyfyai roy^Üjurjffoy iaroQu. Theopompos gebrauchte
also die nämliche Aera und folgte in Betreff des Archilochos der näm-
lichen Quelle wie Hesychios; doch ist die Aera nicht die eratosthemsche
gewesen: die alten Bibelforscher haben hier und anderwärts \) bei Er-
wähnung der troischen Epoche vorschnell das ihnen geläufige Datum
1184/3 vorausgesetzt und hienach theilweise auch die ihnen vorliegenden
Angaben umgeändert.
Bei der Epoche 1154/3 bringen die 490 Jahre die Blüthe des
Simonides und Archilochos in Ol. 29, 1. 664/3 = Abrah, 1353 des
J) Vgl. über Arktinos und zu Epoche 1096.
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526
Eusebios: in dieses Jahr setzt Hieronymus (MPR) die eusebische Notiz,
deren griech. Text bei Synkellos ^Aqx^^^X^ ^^^ ^i/iwri^rjs xal ^Agiaxo^^vog
oi fiovaixol iyvwffi'Corro lautet; die Varianten 1351 AF Armen, und 1352 B
widerlegt der älteste Ausschreiber Kyrillos, da er Ol. 29 angibt. Dasselbe
Datum hatte vermuthlich auch Nepos im Sinn, Gellius XVII 21 Archi-
lochum Nepos Cornelius tradit Tullo Hostilio regnante fuisse poematis
darum: Tullus regiert nach ihm 669—637, s. Rh. Mus. XXXV 20. Es
ist wohl zunächst aus Eratosthenes oder ApoUodoros, den Nepos auszu-
schreiben pflegt, geflossen; seine erste Quelle aber ist jedenfalls Aristoxenos,
der Schüler des Aristoteles, eine literarhistorische Autorität ersten Rangs :
denn die letzten Worte der Notiz sind oflfenbar mit Gutschmid bei Flach
in xar ^AifiaTo^evov rov uovaixor zu verbessern, woran schon Karl Müller
gedacht hatte : lambographen werden nicht als Musiker bezeichnet, ebenso
wenig Komiker wie Aristoxenos aus Selinus, auf welchen man die Notiz
hat beziehen wollen; auch ist Selinus erst 626 (nach Diodor 650) ge-
gründet worden, und der Komiker wahrscheinlich mit Flach Gesch. d.
Lyrik 253 fg. in das VI. Jahrhundert zu setzen. Gyges, ein Zeitgenosse
des Archilochos nach fragm. 25 bei Aristot. rhet. III 17 und Plutarch de
tranquill. 10 oi) fioi rä rvyeo) rov noXvx^vaov fieksi, regierte nach Herodot
716 — 678, nach Julius Africanus in den Excerpta Barbari 697 — 661,
nach Eusebios im Kanon, welcher wahrscheinlich dem Eratosthenes folgt
{Kyaxares und Astyages p. 13), 699 — 663; dass Euphorion bei Clemens
Strom. I 389 seinen Anfang 708 setzt, erklärt sich daraus, dass Archilochos
irrig zum Gründer von Thasos gemacht wurde, s. Geizer Rh. Mus. XXX 251.
Alle diese Ansätze erscheinen zu hoch: laut der Keilinschrift bei Geizer
a. a. 0. 231 empörte sich Gugu, König des Landes Ludi im Bund mit
Pisamilki, König von Muzur (Aegypten) gegen die Oberherrschaft Assur-
banipals von Ninive; dieser regierte 668 — 626, Psarametich aber wurde
im Jahr 664, welches in den niedrigsten der obigen Ansätze schon in das
Ende des Gyges fällt, erst Herrscher eines kleinen Theils von Aegypten,
und mit Recht vermuthet Geizer einen Zusammenhang jener 'Empörung'
mit dem mehrjährigen Aufstand, welcher um 650 im assyrischen Reiche
stattfand. Die Sonnenfinsterniss endlich, welche Archilochos fr. 14 bei
Stob. flor. 110, 10 Zevg naxriQ 'Okvjbtmwr ix fiearnußfflrjg s9i]xe vvxx
dnoxifvtpag cpdog ^Xiov Xd/anovrog erwähnt, kann nach Oppolzer Akad.
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527
Sitzungsb. Wien 1882. Bd. 86, 1 flf. keine andere als die vom 6. April 648,
nach seiner Berechnung um 9 Uhr Morgens, gewesen sein.
Die Blüthezeit des Archilochos fällt hienach um 645, womit das
Datum des Aristoxenos 664 keineswegs in Widerspruch steht* Aas der
Gleichzeitigkeit mit Gyges Hess sich ein bestimmtes Jahrdatutn für die
Blüthe des Archilochos nicht gewinnen; nur als Nothbehelf, wenn kein
anderes Anzeichen vorlag, würde, wie das in andern Fällen geschehen
ist, die Versetzung des Dichters in das erste Jahr des Königs gedient
haben; für dieses ist aber 664 doch wohl zu spät. Dagegen besass man
bei Simonides ein sicheres Datum seiner Thätigkeit: das der Saiiiier-
wanderung nach Amorgos, welches ohne Zweifel in den Jahrbüchern
((OQoi) der Samier verzeichnet war und den aus ihnen gezogenen Werken
eines Eugaion u. a. entnommen werden konnte. Mit Bergk sehen wir
daher das Blüthenjahr beider Dichter für das Datum jener Gründung an.
Nur scheinbar verschieden ist das Datum beider bei Proklos in Photios
cod. 239 idjLtßioy noiTjzai ^A(f/Ji.oxog xal JSifiiovi^rjg xai Unjubra^^ mv o für
7i(}dhog inl rvyov 6 (fi in "Avaviov rov MaxB^orog ^InnäraS^ iJb xatd
JaQcloy ijxfial^e. Unter den makedonischen Königsnamen des VIII. und
VII. Jahrhunderts: Karanos, Koinos, Tyrimmas, Perdikkas, Argaios, Phi-
lippos, Aeropos kommt dem corrupten liraviov der fünfte am nächstenj
und ist daher mit Clinton in U(fyaiov zu schreiben. Die von Manchen
befremdlich gefundene Nennung eines makedonischen Königs, mit welchem
Simonides aller Wahrscheinlichkeit nach persönlich nichts zu schaflfen ge-
habt hat, lässt sich blos daraus erklären, dass in der von Proklos be-
folgten Zeittafel das Blüthenjahr des Archilochos mit dem Reglerungs-
anfang desselben zusammenfiel. Letzteren setzt Julius Africanus und der
falsche Eusebios bei Schoene I app. 90 in Ol. 23, 4. 685 (Eusebios ein
Jahr später); dies ist aber nach eratosthenischer Aera das 5()0, Jahr
nach Troia, in welches die Späteren Archilochos und ohne Zweifel auch
Simonides gesetzt haben.
SibyUa.
Suid. 2:ißvU.a jin6lkix)vog xal Aafiiag — wg di ^'EiffiinnOi;:. (-hoämffQV
'E(w&^ia — äkXoi ^ajuiay id(4aaav. y^yora di xolg /p6i/0£4; t^^; T^vjixiig
akeioeiog uerä errj vny xal ovrexa^aro ßißkia Tavra' n€(}l nakuwi', //A^,
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528
X(f^(Jliiovg. Derselbe: ^HifoipLla rj xal JSißvkXa ^Eifvd-Qaia, 06O(fi6()ov S^vyairiQ.
Wie die 483 Jahre mit der troischen Epoche 1183 in Einklang ge-
bracht werden können, hat Niemand gezeigt; die Epoche 1153 führt auf
Ol. 27, 2. 671/0. Dieses Datum hat wohl auch Eusebios vorgefunden, ob-
gleich die Varianten seiner Ueberlieferung auf einige Jahre später fähren:
AF Abr. 1349 (= Ol. 28, 1. 668/1), B 1350, MPR 1351, Armen. 1353.
Aus Julius Africanus gibt Leon bei Gramer Anecd. Par. II 264 unter König
Josias 672 — 641: xaxa rovrovg rovg xQovovg Sißvila «V JSdiiip iyywQi^BTo
)cal rb ßvl^avTiov Ixxia&ri, also zwischen 672 und dem Gründungsjahr von
Byzantion 661. Die Erklärung des Datums suchen wir bei Solinus 2, 18:
hanc Herophile Erythraea insecuta est Sibyllaque appellata est de scientiae
parilitate, quae inter alia magnifica Lesbios amissuros Imperium maris
multo ante praemonuit quam id accideret Nur das Ende, nicht den
Anfang der lesbischen Seeherrschaft hatte sie vorausgesagt, lebte also zur
Zeit derselben und zwar, weil sie das Ende sehr früh verkündet hatte,
am Anfang; da durfte die Sitte, einen Schriftsteller nach dem ersten
Jahr einer zeitgenössischen Herrschaft zu datiren, wohl angebracht er-
scheinen. Die lesbische Thalassokratie dauerte nach dem armen. Eusebios
96 Jahre; die 69 des Hieronymus sind, wie das Datum der nächsten
lehrt, verschrieben. Ihren Anfang setzen die Varianten um Abr. 1346 =
Ol. 27, 2. 671, nämlich F 1344, B Armen. 1345, A 1346, MPR 1347;
ein Vergleich mit den Daten und der Dauer der vorhergehenden und
nachfolgenden Thalassokratien lehrt, dass 1345, 1346 oder 1347 das
Ursprüngliche gewesen ist.
Arktinos.
Suid. *A{}XTlvog TriXeo) rov Nclvtbvd dnoyoyog, MiltjOtog^ BJionoiog, (LtadTjx'^g
'üiu,ri()ov (vg Ity^i b Kka^ofiiviog 'A(JTefia)y iv rd) ne(fl 'ü/i^poi', y^yoroig xard
rijy &' oKVfiniada fiträ ferffaxooia irrj rwv T^wixdir. Statt T€T(fax6nia
schreibt E vi; V, die eine der zwei besten Hdschr., vi und über der
Zeile i. Um die Olympiadenzahl mit der troischen Epoche 1183 in
Uebereinstimmung zu bringen, schreiben Rohde und Bergk vfi hri;
Sengebusch hatte a bXvuniada und vrl erri verlangt. Denselben Zweck
verfolgte wohl schon der Schreiber des V, wenn er, wie vermuthet werden
darf, die 30 zu 410 addirt wissen wollte; um so gewisser ist es dann,
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529
dass er in seiner Vorlage vi! gefunden hat. Die Wahrscheinlichkeit
spricht hier wie überall, wo Versehensfehler vorliegen, dafür, dass die
einfache Ziffer aus der zusammengesetzten, v aus vi hervorgegangen ist;
bestätigt wird es dadurch, dass die eusebische Notiz U^xriytßg Milrioio^
inoTioios in den besten Hdschr. (AMP nebst R) der besseren, A. i* der
lateinischen Uebersetzung bei Abr. 1242 = Ol. 1, 2. 775/4 steht ^);
offenbar hat Eusebios oder sein Vorgänger dies Datum gewählt, weil es
dem 410. Jahr nach der troischen Epoche des Eratosthenee entspricht;
vgl. p. 525. Hesychios meint 410 Jahre nach 1154/3, also Oh 9, L 744 3.
In oder um diese Zeit setzt Eusebios den von Suidas nicht behandelten
Eumelos: Eumelus Corinthius versificator agnoscitur, Annen. 1272, MR
1273 (= Ol. 9, 1. 744), APBF 1275; die 9. Olympiade steht aue Kyrillos
fest. Eumelos wurde aber mit Arktinos in gleiche Zeit gesetzt, Euseb.
zu 1257 (Var. 1254 1255) Eumelus poeta qui Bugoniam et Europiam,
et Arctinus qui Aethiopida composuit et Iliu persin, agnoscitur. Eumelos
war der Dichter des ProcessionsUedes, welches der Messenierkönig Phiut^tö
zu Ehren des Gottes von Delos singen liess, Pausan. IV 4, 33. V 19;
unter dem Sohn und Nachfolger desselben, Androklos brach 743 der
messenische Krieg aus. Auf die Abfassungszeit jenes nffoaofhoi^ daua könnte
sich das frühere eusebische Datum des Eumelos beziehen, 763/760 v, Ch.
Das andere bezeichnet wohl sein spätestes nachweisbares Auftreten; er
erlebte noch die Thaten des Archias, Clemens ström. I 338 Evuf]loH
6 KoQLvd-ios (Ifyerai) inißsßXrjxeyai ^Aifx^ff ^(p ^vffaxovaag xiioavTi. Damit
ist nicht nothwendig gesagt, dass er noch während der Gründung von
Syrakus (Ol. 11, 4. 732) oder bei ihr thätig gewesen ist: der angebliche
Sturz der Bakchiaden, welchen der Frevel des Archias an Aktaion herbei-
führte, bestand in der Aufhebung des Bakchiadenkönigthuuis (Philologas
XXVIII 414 fif.), diese aber fällt nach Ephoros (s. Epoche 1136) 90 Jahre
vor Kypselos, also Ol. 8, 2. 746. Bei diesen Wirren könnte Eumelos eine^
vielleicht vermittelnde Rolle gespielt haben; ihre schliessliche Lösung
fanden sie in der Auswanderung des Archias und Chereikratee,
Ueber die Zeit des Arktinos besitzen wir ausserdem nur ein Zeugniss,
aber das eines Schülers des Aristoteles, Clem. ström. I 338 ^avda^ n^i
TtQTiaydQov rid-elg yisax^jr tbv Ataßioy IdQ/jluxov vswriifop ip^pa tov
1) BF Armen. 1241; Kyrillos Olymp. 1.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. III. Abth. i»
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530
Te(f7iay^Qoy^ (Jirifii'k'kfia&ai dt ror Aeaxt]^ jigxxivfp xal revixrixiyai, Ter-
pandros siegte in dem ersten musischen Agon der lakonischen Eameien
Ol. 26. 676/3; nach der parischen Chronik wäre er sogar noch 644
thätig gewesen; Phaneias müsste demnach zu denen gehört haben, welche
die Epoche des Gyges und mit ihm des Archilochos in die letzten De-
cennien des VIII. Jahrhunderts versetzt haben. Doch fragt es sich, ob
der Text des Clemens in Ordnung ist. Wirkte Lesches tiqo Tegnavi^v^
so war dieser nicht bloss i/p/iAo/oi;, sondern auch Aeaxov yecirsQog, und
umgekehrt: war Terpandros Uqx^^X^^ veansifog, so durfte Phaneias nicht
bloss den Lesches, sondern musste auch Archilochos 7i{}b TBQnavdffov
setzen: warum drückt Clemens oder Phaneias zwei identische Begriffe in
so abweichender Form aus, anstatt sie zu coordiniren? Das formale Ver-
hältniss der Prädicate zu einander passt nur, wenn ihre Bedeutung ver-
schieden ist; wir vermuthen daher 'A^x^loxov vswrfQor ipign rov 7>p-
navd{f(jv. Dann erhalten wir die Aufeinanderfolge, welche den besten
Zeugnissen entspricht: Lesches und Arktinos (744) vor Terpandros (676),
dieser vor Archilochos (664 oder später).
Lykurgos.
Suidas: yivxov(fyog 2:7iaQnaTrig, yofiod-BZTjg, og yiyoys xwv TQvoixm
jjBrä STT] V . f\y dk dslog 7i(f6g naxQog Xa^iXaov rov ßaaikevaayrog ^nagrrig^
Evyofiov ddeX(pog^ xat ixQarrjas rwy ^naffjiarwy hrj ußf^ otb xal rovg
vofiüvg e&ero, iniTQontvoiy rov dd€k(pidovy, xal avrog^) ds' ißaailevasy hrj irj,
fieS^ oy NixayÖQog hr] Xrf. Bygaipe rojuovg. Statt des troischen Datums /
gibt cod. V vermöge einer häufig vorkommenden Verwechslung t/, der
aus gleicher Quelle schöpfende Scholiast Piatons (VI 359 Herrn.) schreibt
Avxoi{fYog Ysyarf rdiy Tfßwixdiy fiexa stt] y&\ Die eratosthenische Epoche
voraussetzend vermuthet K. F. Hermann v&'j weil von 1184/3 aus bei
inclusiver Zählung Ol. 1, 1. 77 6/5 das 409. Jahr ist; jedoch hat Nie-
mand die Olympienstiftung, an welcher Lykurgos betheiligt war, zur
Bestimmung seines Blüthenjahrs benützt, und gerade der Buchstabe r,
welchen Hermann ändert, wird durch die üebereinstimmung beider Les-
arten geschützt Eine andere, zur eratosthenischen Epoche besser passende
CJonjectur ist von Niemand aufgestellt worden, auch schwerlich eine solche
1) D. i. oirof, wie Said. 'E^arwr^ertig, Stob. serm. 84, 9 u. a.
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531
ohne Gewaltsamkeit zu erzielen. Die Ziffer des Jahrhunderts ist aus-
gefallen. Mit 259 359 459 würden wir, die Epoche 1183 vorausgesetzt,
die Jahre 925 825 725 erhalten, von 1153 aus die Jahre 895 795 695.
Offenbar ist nur tv9^ zulässig: die höchsten Datirungen des Lykurgos
reichen nicht bis 895 hinauf und die niedrigsten nicht herab bis 725.
Das Datum 825 föllt zwar in die Zeit, welche manche ihm angewiesen
haben, entspricht aber keinem Epochenjahr desselben; dagegen zu 795
stimmt die Notiz des lateinischen Eusebios Abr. 1221 = 796/5 v. Chr.:
Lycurgi leges in Lacedaemonem juxta sententiam ApoUodori hac aetate
susceptae. Dass die Variante 1223 (BFR Armen.) falsch ist, beweist der
Text des Armeniers: Lycurgi leges Lacedmone apud ApoUodorum XVIII
anno Alceminis und die auf irl zurückgehende Corruptel bei Synkellos
IdnoXlodio^og Avxov^yov rofiifia iv rip rf ^Alxafifvovi^: denn das 18. Jahr
des Alkamenes trifft im Kanon eben auf Abr. 1221. Um die 1 Jahr
betragende Abweichung des Hesychios (795/4) zu erklären, würde es an
sich genügen, das 18. Jahr vollendet zu nehmen; doch findet sich die-
selbe Abweichung bei dem Ende der 42 Jahre des Lykurgos und ist
die Ursache beider in Vertauschung der lakonischen Jahrepoche mit der
attischen zu suchen.
Dass ApoUodoros die Gesetzgebung Lykurgs 90 Jahre nach seinem
ersten Auftreten gesetzt haben soll, hat viel Anstoss erregt, aber ändern
lässt sich an dem Zeugniss nichts; es fragt sich nur, wie das Datum zu
erklären ist. Dieses muss sehr gut verbürgt gewesen sein, wenn es Auf-
nahme in ein System finden konnte, mit welchem es sich ohne eine
künstliche Hypothese nicht vereinbaren lässt: vielleicht half man sich
mit der Annahme, die endgültige Anerkennung der Gesetze sei erst nach
oder (wofür sich einiges vorbringen Hess) bei dem Tode ihres Schöpfers
erfolgt. In Wahrheit entspricht dasselbe lediglich der älteren, bis in den
Anfang der Diadochenzeit alleinherrschenden Chronologie des Lykurgos^
welche zu Gunsten neuer über die Epoche seines Zeitgenossen, wofür
Homeros galt, aufgekommenen Ansichten zuerst von Ephoros, dann von
Sosibios und später, nachdem inzwischen Timaios mit der Unterscheidung
eines älteren und jüngeren Lykurgos, Kallimachos aber mit der einer
ersten und zweiten Olympienstiftung (828 und 776) Vermittlungswege
eingeschlagen hatten, unter Modification der Hypothesen des Ephoros und
69*
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532
Kallimachos von Eratosthenes um fast ein Jahrhundert erhöht worden ist.
Ob bei dem Leobotes, dessen Vormund Lykurgos von Herodot genannt
wird, an den vierten König der älteren Linie zu denken ist, steht dahin ^);
sicher ist nur, dass die Einsetzung der Ephoren, welche Herodot dem
Gesetzgeber zuschreibt, der Mitte des VIII. Jahrhunderts angehört;
Thukydides 118 stellt die Einführung der neuen Ordnung kurz vor 804,
d. i. von den zwei Ansichten, welche über ihre Zeit bestanden, theilt er
die, welche sie in den Anfang der Vormundschaft verlegten, während
das Datum 795 an die Heimkehr Lykurgs von der grossen Reise an-
knüpft. Zu denen, sagt Plut. Lyk. 1, welche Lykurgos als Genossen des
Iphitos in der Gründung der olympischen Spiele bezeichneten, gehört der
Philosoph Aristoteles, welcher zum Beweis den seinen Namen aufzeigenden
Diskos zu Olympia anführt^. Diese Scheibe wurde noch zu Pausanias
(V 20, 1) Zeit dort vorgezeigt und alle auf uns gekommenen Schrift-
steller, welche den Iphitos erwähnen, erklären ihn für den Schöpfer der
Ekecheirie und der Spiele des Jahres 776; desgleichen meldet der viel-
belesene Athenaios p. 635, dass Lykurg und Iphitos nach allgemeiner
Angabe die erste gezählte Olympienfeier abgehalten hätten.
Der Diskos allein war es nicht, was den Philosophen in seiner An-
sicht bestärkte; seinem Geist schwebte, wie die Andeutungen in der
Politik II 6, 8 u. a. lehren, ein Gesammtbild der Geschichte vor, die
sich in der Peloponnesos um die erste Hälfte des achten Jahrhunderts
abgespielt hatte; von dem chronologischen Rahmen derselben hat, aller-
dings unverstanden und entstellt, Hesychios ein Stück erhalten. 18 Jahre
regierte Charilaos, 42 Lykurgos. Dies sind, wie Rhode Rh. Mus. XXXVI 540
bemerkt, zusammen die 60 Jahre, welche in Diodors Liste Charilaos
allein hat; der Scholiast Piatons gibt die 18 Jahre dem Lykurg als
1) Auch von den Königen der jüngeren Linie Anaxandrides, Archidamos, Anaxilaos, Leo-
tychides, Hippokratidea, Agis bei Herodot VIII 131 wissen die anderen Verzeichnisse nichts.
2) Dass das später xn Olympia aufgestellte Bildwerk nur den Iphitos von der Ekecheiria
bekränzt zeigte (Pausan. V 10, 10), beweist nichts gegen die Theünahme des Lykurgos ; als Gesctai-
geber war er laut der grossen Rhetra (Plut. Lyk. 6) wie Solon, die Decemvim u. a. zugleich
Regent des Staates und Träger seiner Hoheit; dass erst 716 ein Stadionike aus Sparta genannt
wird, beweist nicht, dass vorher kein Spartaner an den Spielen theilgenommen hat, und es erkl&rt
sich zum Theil daraus, dass die 776 behauptete Hegemonie ihnen bald nachher von Pheidon ent-
rissen wurde, wa,hrend des messenischen Krieges aber sie mit anderen Dingen beschäftigt waren,
vgl. Philol. XXIX 245 flf.
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^
533
Vormund, was Rohde vorzieht und zu einer gewaltsamen Transposition
im Texte des Suidas benützt; der Scholiast vergass aber, dass die Jahre
der Vonnundschaft nicht dem Vormund, sondern dem Mündel zählen.
Gutschmid bei Flach Hesych. p. LXX rechnet die 42 Jahre auf die Vor-
mundschaft und Gesetzgebung Lykurgs und lässt sie wegen Thukyd. 118
und Eusebios Abr. 1197 im J. 819 beginnen; Thukydides hat aber ein
späteres Jahr im Sinn, wenn er die Gesetzgebung wenig über 400 Jahre
vor dem Ende des peloponnesischen Krieges setzt: 419 würde dem An-
fang desselben näher gewesen sein als dem Ende, und Eusebios hat nur '
den von einem Vorgänger ausgesprochenen Synchronismus Lykurgs mit
dem Ende des assyrischen Reichs, welches Velleius I 6 in das J. 843
setzt, auf sein Datum dieses Ereignisses übertragen. Nicht besser be-
gründet ist, was Gutschmid hinzufügt: z. B. dass Ephoros Lykurgs Gesetz-
gebung in das J. 870 verlegt habe, s. unten zu Epoche 1136. Von den
18 Jahren des Charilaos kommen im Sinn der älteren Ueberlieferung
nur die ersten auf die Vormundschaft des Lykurgos: als Lykurgos von
der grossen Reise zurückkehrte, fand er den Charilaos als Tyrannen vor,
Aristot. pol. V 10, 3; dieser war also der Unmündigkeit bereits ent-
wachsen. Lykurg stürzte denselben vom Thron, schreibt der Compilator
des Aristoteles, Herakleides pol. 24 rvQavvixdjg äif^ovra /tiereaTtjae; dann ^
wurde ihm, fügen wir ergänzend hinzu, mit Genehmigung des delphischen 4
Gottes die Regienmg auf unbestimmte Zeit als voiuoS^hrii; übertragen.
Erst die Späteren haben ersoimen, dass Charilaos beim Tode seines Vaters
noch nicht geboren war: so konnte das Königsregiraent, welches Lykurg '
ausgeübt hatte, wenigstens auf 8 Monate (Plut. Lyk. 3) ihm zukommen,
ohne dass er, das Ideal eines gerechten Mannes, Jemandes Rechte verletzte, ^
und da auch 18 Jahre später Charilaos zwar Vater (Plut. Lyk. 3 extr.) }
aber noch nicht mündig war, der zurückkehrende Oheim wieder als Vor-
mund die Regierung ohne den bei Aristoteles vorauszusetzenden Bürger-
krieg übernehmen.
Das Datum 795 (lakonischen Stils, anfangend mit Oktober 796) ent-
spricht ohne Zweifel dem ersten der 42 Regierungsjahre Lykurgs: die i
Gesetzgebung wurde verschieden bestimmt. Der Anfang des Charilaos
und damit der Vormundschaft Lykurgs fallt dann 813; dies ist also
wohl das von Thukydides gemeinte Jahr. Die 42 Jahre seiner Wahl-
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534
regentschaft endigen 753, genauer in dem mit Oktober 754 beginnenden
Olympiadenjahr 6, 4 lak. Stils: wer diese Olympiadenzählong annahm,
ohne die 9 Monate betragende Verschiedenheit der vulgären, nach atti-
schem Kalender berechneten Olympiadei^jahre zu beachten, dem gestal-
tete sich für die Gesammtrechnung das Datum in 753/2 um; wer auf
jenen Unterschied achtete, aber gewohnt war, die attische Jahrform zu
Grund zu legen, der durfte es vorziehen, die Olympiadenjahrzahl 6, 4 durch
6, 3 zu ersetzen. Jenes Jahr bezeichnet den Abschluss der lykurgischen
Regierung und Gesetzgebung mit der Einführung der Ephoren. Diese
wurden nach Plut. Lyk. 7 i'reai nov fiakiara rffiaxorra xal ixaroy fiexa
jivxov^ov eingesetzt, also, da Plutarch (Lyk. 1) dem Eratosthenes und
ApoUodoros folgt, um Ol. 6, 2. 755/4 oder 6, 3. 754/3, je nachdem man
ihr Datum der Vormundschaft (885/4) oder der Gesetzgebung (884/3) zu
Grund legt. Das Datum des Eusebios ist unsicher und wie viele andere
verschoben: Abr. 1260 = Ol. 5, 4. 757/6 gibt ABR(M?), 1259 P(M?)
Armen., 1257 F; doch ist ein Anzeichen vorhanden, welches auf das
Richtige führt. Hieronymus fugt hinzu: fuit autem sub regibus Lace-
daemon annis CCCL, eine Bemerkung, welche der Armenier nach dem
letzten Jahr des letzten von Eusebios verzeichneten Königs Alkamenes,
also scheinbar richtig unter Abr. 1241 =01. 1, 1. 776 anbringt, eben
dadurch aber sich der eigenmächtigen Aenderung überführt; wie Hiero-
nymus dazu gekommen wäre, sie von dort zur Ephorenepoche zu ver-
schieben, ist nicht zu ersehen. Eusebios hat diese zu seinem System
(dorische Wanderung 1101 v. Ch.) nicht passende Notiz schlechtweg aus
Eratosthenes- ApoUodoros übernommen: von der Wanderung 11043 führen
350 Jahre in Ol. 6, 3. 754/3; das VoUkönigthum von Sparta aber wurde
in dem Augenblick definitiv in die Erbfeldherrnschaft verwandelt^ welche
wir in späterer Zeit vorfinden, als die Regierung des Staats an die
Ephoren übertragen, die Datirung der Ereignisse an den Namen ihres
Vorstandes geknüpft wurde. Das Richtige findet sich insofern bei Syn-
kellos (s. zu Epoche 1171), als er den letzten König Alkamenes bis 754/3
regieren lässt und dort die Bemerkung über die 350 Jahre anbringt; in
ihrer Versetzung auf 776 oder 775 ist dem armenischen üebersetzer aus
gleichem Grunde bereits Africanus vorangegangen.
Die Einführung des Ephorats ist nominell ein Werk des Königs
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Theopompos, die Initiative aber sicher nicht von ihm ausgegangen: ab-
gesehen von der Unwahrscheinlichkeit einer spontanen Selbsterniedrigung
für jenen bildet sie den von Lykurgos vorgesehenen Schlussstein seines
Gebäudes; seine ganze Verfassung ist ohne jene Behörde nicht denkbar.
Wer dem Königthum die Regierung abnimmt und seinen Einfluss in
dem Inneren auf die Mitgliedschaft im Rathe beschränkt, der muss noth-
wendig eine andere Regierungsgewalt einsetzen. So lange Lykurgos als
Gesetzgeber wirkte, war er selbst Regent des Staates: die grosse Rhetra
(Plut. Lyk. 6) beauftragte ihn, von Sommer zu Sommer (äffag «1 aiifag)
Volksversammlung abzuhalten und dort Anträge zu stellen auf Einführung
oder Abschaffung von Einrichtungen; die Einberufung und Leitung dieser
Versammlungen setzt schon voraus, dass er Inhaber der Regierung ge-
wesen ist, und an einer ausserhalb des später zurechtgemachten Systems,
welches Plutarch im Lykurgos vorträgt, stehenden Stelle im Solon 16
heisst er auch bei diesem ßsßaaiXevxivg str] noXXä rrjg AaxBdaLfjLovog.
Erst durch die Fälschung, welche den Gesetzgeber um fast ein ganzes
Jahrhundert zu früh ansetzte, eine Verschiebung welche das Ephorat
wegen der chronologischen Fixirung seiner datumgebenden Inhaber nicht
mitmachen konnte, erst- dadurch ist es von Lykurgs Gesetzgebung abgelöst
und diese in einen lebensunfähigen Torso, die Ephorenschöpfimg in ein
unverständliches Fragment verwandelt worden. Weder bei Aristoteles
pol. V 9, 1 noch bei Piaton leg. 692 wird durch die Zurückführung des
Ephorats auf Theopompos der innere Zusammenhang mit dem Plan der
lykurgischen Gesetzgebung ausgeschlossen und Herodot I 65, Xenophon
Laced. 8, 3, Satyros bei Diog. La. I 31, [Piaton] ep. 8 erklären geradezu
Lykurgos für den Schöpfer jener Behörde; sie meinen auch nicht etwa,
was in der Geschichtsfälschung des Kleomenes bei Plut. Kl. 10 der Fall ist,
ein am Anfang untergeordnetes und unbedeutendes Amt, sondern das
RegierungscoUegium geschichtlicher Zeit. Dem wahren Sachverhalt ent-
sprechend schreibt Aristoteles II 6, 15 vom Ephorat: avyexei rtj^ nokireiay
To affx^l^y toCto' '^av^d^Bi yctQ 6 ^fjfiog ^lä t6 fistix^iv rfig fisyiöTrjg
^(fX'^^9 üKTT* Bits (fiä tbv vofio9^€TT]y eire ^la rvxV^ rovro avfimnrvDXB,
avfKfBQovxiDg bxbi tolg nffdyfiaai: Lykurgos ist ihm der eigentliche
Schöpfer der Behörde, ungewiss lässt er nur, ob auch die angegebene
Wirkung ihres Bestehens von ihm geplant und vorgesehen war. Und
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t
536
unter den lakonischen Einrichtungen, welche II 7, 1 als jüngere Seiten-
stücke der kretischen bezeichnet und aus dem Aufenthalt des Lykurgos
in Kreta erklärt werden, wird § 3 auch das Ephorat genannt.^)
In die Lücke, welche durch den Zui*ücktritt Lykurgs von der früher
dem Königthum zukommenden und von jenem thatsächlich in könig-
licher Weise geführten Regierungsgewalt entstand, trat die neugeschaflfene
Ephorenbehörde ein: nachdem zuerst die Könige und andern Geronten,
dann das Volk die ganze Verfassung beschworen und die Pythia der-
selben die göttliche Sanction ertheilt hatte, trat er ab (Plut Lyk. 29):
er konnte auf die Macht der Erziehung vertrauen, welche auf mehr als
eine ganze Generation umbildend eingewirkt hatte. Jetzt war der junge
Theopompos König: er erhielt und vollzog den Auftrag, für die zur Nach-
folge in der Regierung ausersehene Behörde die seinerzeit auch bei Ly-
kurgs Einsetzung eingeholte Empfehlung des pythischen Gottes zu erwirken,
Lykurgos hätte das vor seinem Abgang noch selber thun können; es
lag aber für die Zukunft viel daran, dass jener das VoUkönigthum
definitiv beseitigende Akt von einem Könige selbst vollzogen worden war.
An dem jungen Theopompos, dessen Familienoberhaupt überdies eben
Lykurgos war, fand er oflfenbar ein willigeres Werkzeug als an Alkamenes.
An die Stelle seines abgesetzten Grossvaters Charilaos war 795 sein Vater
Nikandros getreten, welcher den Titel eines Königs 38 Jahre lang führte,
also 757 (Ol. 5, 4 lakonisch = Okt. 758 bis Okt 757) abgieng, so dass
Theopompos bei Einsetzung des Ephorats seit 4 Jahren König war. Als
später die einer Tyrannis stark ähnelnde Regierung Lykurgs auf die Vor-
mundschaft beschränkt und seine Epoche zurückgeschoben wurde, fügte
man seine 42 Jahre zu den 18 des Charilaos, behielt aber trotzdem die
38 des Nikandros bei; die 64 Jahre des Charilaos bei Sosibios beruhen
vielleicht auf Zusatz der 4 Jahre, welche von Nikandros Tod bis zum
Abgang Lykurgs vergangen waren, also auf Verdopplung. Wenn somit
die Regierung des Theopompos durch die ihm in unserer Ueberlieferung
beigelegten 47 v. Chr. auf 757 — 710 Jahre zu stehen kommt, so ent-
1) Für Sokrates bei [Plat.] Minos 318 d sind Lykurgs Gesetze ovSirnu {naXai6rara\ ictug
hfl TQiaxoata 5 oUytp rovTuty nXtiuß. Vom Abschluss der Gesetzgebung (754/3) bis zum Verkehr
des Alkibiades mit Sokrates (c. 434/3) verlaufen 320 Jahre. Der Dialog wird von Boeckh dem
illtesten Sokratiker, Simon zugeschrieben.
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spricht das den besten Nachrichten, welche wir über ihn besitzen. Er
wohnte dem ganzen messenischen Krieg 743 — 724 bei, dessen glückliche
Beendigung sein Verdienst gewesen ist; an dem Kampfe um Thyrea
nahm er nicht mehr theil, wegen hohen Alters und noch mehr aus
Kummer über den Tod seines Sohnes Archidamos, dessen Sohn sein Nach-
folger wurde (Pausan. III 7). Eusebios setzt diesen Krieg Abr. 1298 =
OL 15, 4. 717 (nach PB Armen.) oder 1297 FR(M), 1296 A(M).
Zeitgenossen, auch Freunde Lykurgs nannte die gute Ueberlieferung
zwei Dichter: Homeros, dessen Geburt die ältesten Chronologen in das
J. 833 verlegten (s. Epoche 1059) und den hie und da mit dem Milesier
Thaies oder mit Thaletas verwechselten Kreter Thaies (Demetrios Magnes
bei Diog. I 38. Strab. 482. Plut. Lyk. 4. Sextus Emp. p. 239), dessen
Datum Ol. 7 = 752/48 von Phlegon bei Suidas und seinem Nachtreter
Eusebios missverständlich auf die Blüthe bezogen worden ist: es geht,
wie uns Leon d. i. Africanus b. Gramer An. par. II 263 bezeugt, seinen
Tod auf Tenedos an. Andrerseits erhellt die Unrichtigkeit der von
Ephoros und seinen Nachfolgern aufgestellten Königsdata aus der auch
von ihnen, wie aus Diodors Geschichtserzählung und den Notizen des
eusebischen Kanons hervorgeht, anerkannten Zeit des ersten messenischen
Kriegs (743 — 724), dessen Theilnehmer Alkamenes seinen Anfang, Theo-
pompos sein Ende nach ihrer Rechnung nicht mehr erlebt haben würden.
Die Data der troischen Epoche.
Die Einnahme Troias wurde in den vorletzten oder letzten attischen
Monat, also in den Mai, Juni oder spätestens Mitte Juli gesetzt^); daher
bei der Reduction auf Jahre vor Christi Geburt das Datum (z. B. 1183)
um eine Einheit niedriger fällt als der Anfang des attischen Jahres
(Juli 1184), der bei kurzer Ausdrucksweise auch die Zahl (1184) für
das ganze (1184/3) zu liefern pflegt. Den 8. Thargelion nannten 'einige'
bei Kallisthenes, s. Schol. Eur. Hek. 892; den 12. Thargelion unser ältester
Zeuge für das Tagdatum, Hellanikos nebst Duris bei Tzetzes Posthom. 778,
derselbe Hellanikos und der Argiver Dionysios bei Clemens ström. I 321,
Ljsimachos nach Schol. Eur. a. a. 0. Für den 23. Thargelion stimmen
Kallisthenes ebend., einige Atthidenschreiber bei Clemens a. a. 0., ferner
1) In die Mitte Novembers von Aischylos Agam. 800.
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. III. Abth. 70
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Dionysios Hai. ant. I 63; für den 24. Thargelion die Chronik von Faros,
für denselben oder einen ihm entsprechenden nichtattischen Monatstag
Damastes, Kallisthenes, Ephoros und Phylarchos nach Plutarch Camill. 1!>,
doch ist dies in Betreff des Kallisthenes zufolge der Auseinandersetzung
desselben bei dem Scholiasten ein Irrthum. Andere bei Clemens nannten
den 23. Skirophorion. In den Anfang des attischen Jahres scheint das
einzige nichtattische Datum zu fallen, der 23. Panemos der Argiver Agias
und Derkylos bei Clemens, sofern der argivische Panemos gewöhnlich
dem Hekatombaion entsprach, Akad. Sitzungsb. München 1879, II 185;
doch konnte im attischen Schaltjahr der Skirophorion* mit ihm zosammen-
treflfen und ein solches ist wenigstens bei Dionysios v. Halik., d. i. in der
troischen Epoche des Efatosthenes vorausgesetzt, da er den 23. Thargelion
sehr spät, nur 17 Tage vor der Sonnenwende setzt. Wie man zu dem
23. (oder 24.) Monatstag gekommen ist, offenbart Kallisthenes bei dem
Scholiasten: nach der kleinen Ilias wurde die Stadt eingenommen, als
der Mond um Mitternacht aufgieng; also beim letzten Viertel, welches,
wie er hinzufügt, am achtletzten Monatstag eintrifft.
An Jahrdaten sind überliefert: 1333 für Timaios und Dijris, 1290 (?)
für Aretes, 1270 Pseudoherodot, 1207 parische Chronik, 1193 Thrasyllos,
1183 Eratosthenes, 1171 Sosibios; von Clinton, Boeckh, Fischer, Karl
Müller u. a. wird Herodots Epoche auf 1263 (oder 1256 1254), die des
Demokritos um 1150 gesetzt und durch "Hinzufügung von 80 Jahren
zu den Daten der dorischen Wanderung eine Reihe anderer troischer
Epochen für Isokrates (1146 1136 1120), Ephoros (1170 1150), Phaneias
(1129) aufgestellt. Die nachstehende Untersuchung kommt zu anderen
Ergebnissen. Die niedrigsten und daher, insofern nur sie zur Generationen-
zahl der bis zur dorischen Wanderung und weiter zurückreichenden Stamm-
bäume passen, ältesten Data sind 1059 (Pherekytles) und 1096. Frühzeitig
aber wurde, besonders unter dem Einfluss auswärtiger Scheinsynchronismen,
die Epoche in höhere Zeit verlegt: auf 1147 schon vor Demokritos, 1153 von
Hellanikos, auf 1236 vor Herodotos, 1231 von Ktesias, 1136 wählte Ephoros,
1197 Manetho, 1171 Sosibios, 1333 Timaios, 1207 die Chronik von Paros.
Alle diese Epochen, auch die am meisten verbreitete von 1153, wurden
in den Hintergrund gedrängt durch die des Eratosthenes, weil seine Zeit-
tafel in ApoUodoros, Dionysios u. a. einflussreiche Bearbeiter und Fort-
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setzer erhielt; doch haben viele, besonders die von 1153 1171 1096
noch in römischer Zeit ihre Liebhaber gefunden. Neue wurden jetzt
wenige mehr aufgestellt: die des Thrasyllos geht vielleicht auf Aretes
zurück und die von Orosius vertretene: 1167 ist unbekannten Ursprungs*
1333 Timaios.
Von Troias Fall bis zum Uebergang Alexanders nach Asien unter
Archon Euainetos Ol. 111, 2. 335/4 zählte Duris 1000 Jahre, Clemens
ström. I 337. Zum Vorgänger hatte er seinen älteren Zeitgenossen
Timaios. Diesem fiel die Ansiedlung der Korinther unter Chersikratea auf
Kerkyra tuhrä art] i^axoaia rwy T()(Oixwy, Schol. ApoUon. Rhod. IV 1216;
die Gründung von Syrakusai aber durch Archias, welcher mit Chersikratea
auswanderte, fallt um oder in Ol. 11, 4. 732. Bis zum Ende des heiligen
Krieges 346 v. Ch. zählte er fast 1000 Jahre, s. zu Epoche 1236^ und von
der dorischen Wanderung bis Archon Euainetos 820 Jahre, Clemens a. a. 0.
Diese bringen (inclusive gerechnet wie gewöhnlich bei Clemens) die Wander-
ung in 1154/3 und lassen von den 1000 Jahren 180 als Entfernung derselben
vom Falle Troias übrig; das sind die 180, welche nach Clemens a, a. 0.
manche auf diese Entfernung rechneten, lieber die Entstehung des Datums
1333 s. zu Epoche 1236; über anderes zu 1290 und 1153.
1290 Aretes (?).
Censorinus 20, 8 aus Varro: ad olympiadem primam (ab excidio
Troiae annos) Sosibius scripsit esse CCCXCV, Eratosthenes autem septeni
et quadringentos, Timaeus CCCCXVII, Aretes DXIIII. Timaios zählte in
Wahrheit 557 Jahre; an der Zahl 417 ist trotzdem nichts zu ändern:
das ihr entsprechende troische Datum 1193 v. Ch. findet sich wirklich
vor, bei Thrasyllos; nur konnte Varro es diesem nicht beilegen, weil
Thr. erst nach ihm unter Augustus und Tiberius blühte. Dagegen die
Zahl 514 lässt sich nicht belegen und ist auch wegen ihrer Höhe auf*
fallend, s. zu 1270. Beide Schwierigkeiten werden gehoben, wenn man
annimmt, dass die Zahlen des Timaios und Aretes mit einander ver-
tauscht sind, und DXIIII in DLVII verwandelt: die massgebende Hand-
schrift verwechselt oft V mit II (z. B. p. 40, 13. 43, 14 Hultsch), auch
L mit X (p. 33, 19).
70*
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540
[1270 Herodotos].
Der vorgebliche Herodot, welchem wir die längste unter den Bio-
graphien Homers verdanken, zählt c. 38 130 Jahre von dem Troerkrieg
(aTTo T% ds "Ilioy ar^arHag) bis zur Gründung der Städte auf Lesbos,
von da 20 zu der von Kyme, 18 weitere, im Ganzen 168 bis zur
Geburt Homers bei der Gründung von Smyma, von da 622 bis zum
Uebergang des Xerxes über den Hellespont, also bis Ol. 74, 4. 481/0.
Die angegebenen Zeitabstände sind, den letzten ausgenommen, unver-
dächtig: die Lesbierstädte waren in der That die ältesten, Smyrna eine
der jüngsten Colonien in Aiolis, und der Abstand 130 für Lesbos lässt
sich nachweisen, s. zu Ep. 1153. Aber die Zahl 622 ist viel zu hoch: die
Data 1270 für Troia, 1140 Lesbos, 1120 Kyme, 1102 Smyrna wider-
streiten der allgemeinen, auch von dem Verfasser (c. 7. 16. 17 u. a.)
getheilten Voraussetzung, dass die aiolische Wanderung mit der ionischen
ungefähr gleichzeitig gewesen sei, da die ionische von Niemand höher
als in die Mitte des XI. Jahrhunderts gesetzt wurde und der Abstand von
130 Jahren zwischen Troia und Lesbos zu dieser Voraussetzung stimmt:
die Wanderungen nach Kleinasien konnten, weil sie die letzten waren,
nicht so stark von ihrer ursprünglichen Zeit entfernt werden wie die
dorische und boio tische oder gar der Troer krieg: wer diesen auf 1270
stellen wollte, hätte den Abstand von ihm bis zur Gründung der Lesbier-
städte um ein ganzes Jahrhundert erhöhen müssen. Je höher das troische
Datum, desto grösser seine Entfernung von der dorischen Wanderung
und das Intervall von dieser zur ionischen, z. B. von Troia bis zur
dorischen Wanderung zählte Timaios (tro. Epoche 1333) 180, ein anderer
120, Eratosthenes (Epoch. 1183) 80, Sosibios (1171) und Ephoros(1136) 67,
Pherekydes (1059) 10 Jahre; von Troia bis zur ionischen Philochoros 180,
Eratosthenes 140, Ephoros und Sosibios 127, der Schöpfer der Epoche
1096 100, Pherekydes (1059) 63 Jahre.
Als angeblicher Herodot musste der Biograph das herodotische Datum
der Einnahme Troias seinen Daten zu Grund legen: diese setzt der Ge-
schichtschreiber II 145 wenig über 800 Jahre vor seiner Zeit {k Bfii).
Eusebios erwähnt Herodots Blüthe zu Abr. 1549 = Ol. 78, 1. 468; ähn-
lich Hesychios (Suidas), wenn er Herodot vor dem Tyrannen Lygdamis
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541
nach Samos fliehen und dort sein Werk abfassen lässt, die Blüthe seines
Vetters Panyasis aber, welcher Lygdamis ermordete, in Ol. 78 setzt.
Mit 802 oder inclusiv zählend 803 Jahren von da bekam er 1270. Wie
die Data gelautet hatten, welche er auf diese neugeschaffene Epoche um-
setzt, verräth Hieronymus (der Armenier hat hier eine Lücke) zu Abr.
1031 = 986/5 V. Chr.: Samus condita et Smyma in modum urbis am-
pliata^). Die letzten Worte sollen wahrscheinlich zur Uebersetzung von
2uv(}va inoXia&rj dienen: Smyma wurde von den Aiolem nicht erst ge-
gründet, sondern den Barbaren (nach Aristoteles Lydern) entrissen; bis
dahin war es also ein oflfener Flecken {xw^rj) gewesen, denn zu den
Unterscheidungsmerkmalen zwischen Barbaren und Hellenen gehörte, dass
diese in Städten, jene in Flecken und Dörfern wohnen. Von 986/5 mit
168 Jahren zurückzählend erhalten wir aber die troische Epoche 1154/3.
Diese also hat der falsche Herodot vorgefunden und es ergeben sich
daraus die Gründungsdata 1024 für Lesbos tmd 1004 für Kyme, deren
späte Zeit auf eine gute, alte Quelle des Biographen hinweist und, da
die aiolische Wanderung bei den besten Schriftstellern für älter galt als
die ionische, für diese ein nach 1024 liegendes Datum vermuthen lässt
1236 bei Herodot.
Von Troias Fall bis zur Abfassung seines Werks zählt Herodot über
800, unter 810 Jahre, II 145 Tlavl toJ ix ITrjyslojiTjg xal 'E(}ubu) sXaaaü)
i'red iaxi räv T()ü)ix(ov, xarä rot oxraxoaia itidkiara ig i/Lti. Die Geburt
Paus von Penelope wurde in die Zeit der Irrfahrten des Odysseus ver-
legt; frivoler Witz erfand auch die Namensableitung von der Vaterschaft
'aller^ Freier. Kirchhoffs Hypothese von der successiven Entstehung des
herodotischen Werkes ist von vielen, zuletzt von Rühl Philologus XLI
H. 1 mit guten Gründen bestritten worden; die schliessliche Redaction
setzen wir in 87, 4. 429/8. Grosskönig ist Artaxerxes I (Her. I 130.
VL 98. VII 106), gestorben März 424; die Battosdynastie in Kyrene be-
reits untergegangen (IV 163), bestanden hatte sie 200 Jahre lang (Schol.
Find. pyth. 4, 1) seit 632 (Eusebios); der üeberfall Plataias (VH 233)
1) Der syrische Auszügler Dionysios von Telmahar: anno MXXX urbs Samos condita est et
Smyma condita est anno MXXXIV. Bei Hieronymus datirt M 1030, R 1032.
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und die Vertreibung der Aigineten (VI 91) ist 431, die Hinrichtung
spartanischer Sendlinge in Athen (VIT 137) September 430 geschehen.
Andrerseits weiss Herodot V 3 noch nichts von der Herrschaft der
Odrysen über ganz Thrake saramt den Nachbarstaaten und ihrer furcht-
baren Machtentfaltung, welche im Herbst 429 alles Volk bis zu den
Thermopylen in Angst und Schrecken versetzte; er kennt IX 73, wie
der Aorist lehrt, nur eine einzige Verheerung von fast ganz Attika:
aiysouBrrjy rtfy aXXriv Idmxriy AaxBdaifioviovg cbtoax^cf&'cth also die von
430, nicht die zweite dieser Art im Juni 428, geschweige denn die voll-
ständige von 427. — Demnach setzte er die Geburt Paus auf 1228, die
des Herakles (900 Jahre vor seiner Zeit) 1328. Nach Eusebios zu Abr. 823
erreichte Herakles ein Alter von 52 (nach andern 82) Jahren, Velleius I 2
setzt seinen Tod 40 Jahre vor Troias Fall (andere 53 oder 24), welcher
auf diese Weise 92 Jahre nach Herakles Geburt = 8 vor Pan, d. i. auf
1236 gebracht wird.
Die herrschende Ansicht geht von Herodots Angaben über die Lyder-
könige aus, obgleich von ihnen kein bestimmtes, noch weniger ein sicheres
Ergebniss zu erwarten ist. Er gibt den Mermnaden 170 Jahre, setzt also,
da die Einnahme von Sardes dem Spätjahr 546 angehört, den Anfang
des Gyges 716; den Herakleiden gibt er 505 Jahre, der Anfang des
Agron fällt hienach 1221. Gibt man nun den Ahnen desselben, Herakles,
Alkaios, Belos, Ninos, je 33y3 Jahre, so kommt der Anfang des Herakles
auf 1354, und hieraus hat man die Data 1254 für Pans Geburt und
1262 für Troia, in ähnlicher Weise die verwandten bekommen. Dabei
wird aber die Blüthenepoche (bei Königen der Regienmgsanfang) mit der
Geburt verwechselt (denn jene, nicht diese, ist bei dem Datum 1221 des
Agron gemeint) und man hätte vielmehr auf ein um zwei oder mehr
Jahrzehnte höheres Datum für Herakles, Troia und Pan kommen müssen,
was freilich aus anderen Gründen nicht statthaft war. Ob Herodot bei
seinen Angaben über die Lyderkönige auch an jene mythischen Data
gedacht hat, wissen wir nicht; that er es, so konnte er z. B. folgender-
massen rechnen. Während jener 505 Jahre regierten 22 Herakleiden
nach einander, immer der Sohn Nachfolger des Vaters (I .7), jeder also
durchschnittlich 23 Jahre, ein Durchschnitt, welcher billiger Weise auch
ihren Ahnen beigelegt wird. Dann begann die Reife des Ninos 1244,
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des Belos 1267, Alkaios 1290, Herakles 1313 und sie war von diesem
(1328 geboren) im 16. Lebensjahr erreicht worden : gewiss nicht zu früh
für ihn, dessen Hand schon in der Wiege Schlangen zerdrückt hatte*
Dass Herodot einen Theil seines Werkes schon 454 geschrieben und
seine meisten Reisen vor diesem Jahr oder wenigstens vor 448 gemacht
habe, ist nicht wahrscheinlich. Der ägyptische Aufstand, nach welchem
er Aegypten bereiste, ist erst 453 beendigt worden (Philologus XLI 117);
auch nach dieser Zeit durfte Herodot, der Angehörige eines zu Persien
in Kriegverhältniss stehenden Reiches, welches noch 449 den Empörer
Amyrtaios in Aegypten zu unterstützen suchte, in persisches Gebiet sich
nicht eher wagen, als bis der Friede geschlossen war, dessen Verhand-
lung frühestens Winter 449/8 begonnen und, da Kallias mehrmals hin-
und herreisen musste, kaum vor Winter 448/7 geendigt hat. Ob er erst
bei der Gründung von Thurioi Ol. 84, 1. 444 oder schon zwei Jahre
früher bei dem Wiederaufbau von Sybaris nach Unteritalien gewandert
ist, bleibt zweifelhaft; einige Jahre brauchte er doch wohl, um sich dort
einzuleben, und hat seinen Besitz nicht eher auf Jahre hinaus verlassen,
als bis die Verhältnisse desselben festgegründet waren. Wir halten es
daher für das Wahrscheinlichste, dass seine Reisen dem letzten Jahrzehnt
vor dem peloponnesischen Krieg angehören.
Die troische Epoche Herodots scheint nicht von ihm selbst herzu-
rühren: er bezeichnet sie nicht, was er in solchen Fällen zu thun pflegt,
als sein geistiges Eigenthum, gibt auch die Rechnung nicht an, auf welcher
sie ruht, setzt also, da er von ihr wie von einer feststehenden Thatsache
spricht. Bekanntheit ihrer Elemente voraus; überhaupt haben wir die
Urheber neuer Data der troischen Epoche nur in Schriftstellern zu suchen,
welche das Ereigniss im Rahmen geschichtlicher oder wenigstens chrono-
logischer Darstellung behandelt haben. Nachweisbar ist sie bloss bei ihm ;
denkbar wäre indess, dass die wunderliche Epoche des Timaios durch
ein naheUegendes Missverständniss aus ihr hervorgegangen ist. Den Troer-
krieg fast drei ganze Jahrhunderte früher zu setzen als es die Generationen-
rechnung (angewandt auf den Stammbaum der angeblichen Nachkommen
seiner angeblichen Theilnehmer) erlaubt, war eben nur er im Stande^ ver-
möge einer Schwäche, welche ihm nicht ohne Grund im Alterthum nach-
gesagt worden ist, seiner ^siai^aifiovia: ein Ausspruch des delphischen
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Orakels z. B. musste ihm für unfehlbar gelten und ein auf das Datum
des Troerkriegs bezüglicher wird in der That gerade von ihm angeführt
Wie Timaios bei Tzetzes zu Lykophron 1141 erzählt, war 3 Jahre
nach der Einnahme Troias und dem Schiffbruch des Aias Seuche und
Hungersnoth in Lokris (dem östlichen) eingetreten und als die Noth
nicht wich, in Delphoi die Weisung erholt worden, der Pallas in Ilion
zur Sühne der Schändung Kassandras 1000 Jahre lang zwei' Mädchen
alljährlich zu schicken; beim Ablauf des Jahrtausends, nach dem phoki-
schen Kriege wurde diese Opfersendung eingestellt (in Wirklichkeit war
die Sitte 1 — 2 Jahrhunderte vorher eingeführt Avorden, fTsffauJy rjir^
imxQarovyrcoy, Demetrios von Skepsis bei Strabon 601). Der göttliche Be-
fehl hatte hienach verlangt, die Sendung bis zum 1003. Jahre seit Troias
Fall zu machen. Flüchtigkeit des Auszüglers gibt sich daran zu erkennen,
dass beim Ende des phokischen Kriegs, Spätsommer 346, noch nicht, wie
er voraussetzt, 1003 sondern erst 987 Jahre seit Troias Fall verflossen
waren. Vielleicht hat Tzetzes auch über die 3 Jahre nicht genau be-
richtet. Das Motiv ihrer Erfindung erscheint bei ihm unverständlich;
die ausserordentliche Härte der Sühne, welche auferlegt und willig über-
nommen wurde, setzt eine ebenso ausserordentliche Landesnoth voraus;
der geschichtliche Hintergrund jener 3 Jahre ist wohl, dass dies der
Betrag ihrer Dauer gewesen war, und die Mehrung von 1000 auf 1003
Jahre erklärte man daraus, dass der mit dem Eintritt der Noth ange-
kündigte göttliche Zorn 3 Jahre lang unbeachtet geblieben war. Im
Sinn des Timaios würde, wie sein troisches Datum lehrt, das Ende der
Opfersendung Ol. 112, 1. 332/1 eingetreten sein; beim Aufhören der-
selben fehlten noch 14 Jahre und es fragt sich nun, wie die vorzeitige
Einstellung zu erklären ist.
Bei der grossen Werkfrömmigkeit und Götterfurcht der alten Völker
ist es sicher, dass dieselbe nicht eigenmächtig sondern auf Grund gött^
lieber Genehmigung geschehen ist: hatten die Lokrer das Opfer, wenn
auch nicht 986, aber doch immerhin fast 200 Jahre lang bringen können,
so würden sie sich der Last um blosser 14 Jahre willen nicht leicht-
sinniger und frevlerischer Weise entledigt haben; sonst hätte der göttliche
Zorn von neuem und in solcher Weise ausbrechen können, dass die ganze
frühere Leistung vergeblich gewesen sein würde. Die 14 Jahre sind
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545
ihnen geschenkt worden, zum Lohn für ihre Gottestreue. Sie waren vom
Anfang bis zum Ende des heiligen Krieges die eifrigsten Vertheidiger
des delphischen Heiligthums gewesen, dabei aber ungleich stärker als
ihre Verbündeten geschädigt worden: zu der allgemeinen Einbusse an
Gut und Blut war bei ihnen der Verlust mindestens des halben Gebietes
gekommen. Wurden nach dem Ende des Krieges die Missethäter aufs
Härteste bestraft, so war es wohl auch billig, den am schwersten mit-
genommenen Getreuen eine Schadloshaltung zu gewähren : sie bestand in
dem Erlass der noch schuldigen Mädchensendungen; man konnte ihn
sogar, obgleich es nicht nöthig ist, das anzunehmen, damit begründen,
dass die Lokrer zuerst 3 Jahre durch die Seuche und Hungersnoth, und
zuletzt 11 (nach der längsten Berechnung, Diod. XVI 14) durch die Leiden
des heiligen Krieges bereits verbüsst hätten. Sollten nun aber die Exe-
geten der göttlichen Offenbarung wirklich vorausgesetzt haben, dass Troia
schon 1333 zerstört worden war? Gewiss nicht; vielmehr wird das Orakel,
wie viele andere, einen zweideutigen, leicht irre leitenden Ausdruck ent-
halten haben. Das Bussjahr, welchem wir im Mythus z. B. des Apollon
nach dem Morde Pythons, des Kadmos nach der Erlegung des Drachen
begegnen, war ein sog. grosses Jahr, d. i. eine Ennaeteris (Censorin 18),
weil das Mondjahr erst nach achtmaliger, von 3 Schaltmonaten begleiteter
Wiederholung zur dnoxardaiaais, zur Wiederkehr seines ursprünglichen
Verhältnisses zur Sonne gelangt, s. Apollodor bibl. III 4, 2. Plutarch
defect. oracul. 21. Das Mondjahr ist Menschenwerk: Selene schafft bloss
den Monat; Gottesjahr (fVos* xard d^eov) ist bloss das solare, welches aber
in Hellas nicht eingeführt war; die Erneuerung des 8jährigen Schalt-
kreises bedeutete also eine Wiederkehr des Jahres zur Gottheit. So wird
auch durch die Busse des Mörders sein früheres Verhältniss zu den Göttern
wiederhergestellt. Also 14 grosse =112 gewöhnliche Jahre nach 108, 3. 346/5
waren gemeint und die 1003 würden Ol. 136, 3. 234/3 zu Ende gegangen
sein; ihr Anfang war mithin 1237/6.
1231 Etesias.
Die Verzeichnisse assyrischer Könige von Ninos bis Sardanapallos,
welchen der Meder Arbakes stürzte, gehen sammt den Listen welche das
Königthum der Meder mit diesem beginnen, alle auf Ktesias zurück, ob-
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 71
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546
wohl sie über die Dauer beider Reiche und das Datum ihrer Anfangszeit
in mannicbfachster Weise von einander abweichen. Trogus bei Justinus I 2
gibt den Assyrern 1300 Jahre, ebenso ^andere* bei Eusebios I 67; man
hält diese Zahl, betreflFs der letzteren wenigstens sicher mit Unrecht, für
Abrundung wegen Diod. II 28 trtj nleiio xwy ;f/A££Oj/ xai rffiaxooiiüy und
zwar aus 1306 wegen Agathias II 25 4* JS.ap(Tara7FaUoi/ t^ rs xal rgta-
xoai(x)y ij^rj tiqo^ rolg //A/ois* ^ctl oUyü) Tiletoycoy irojy TiaQipxv^OTwy al ov
ra TfQioTa o Niyoi^ rujy iy.el xarsax^ Ti^ay/uarcoy, ovtu) yap Krriaiq, rw
Kyidiio rovg y^{}oyüV<^ dyayQa^'aiuyu) xal Ji6i^a)(}og ^vu(priaiy o ^ixsltujrrjg.
Seltsamer Weise wird dabei sowohl der Zusatz xal oUyip nkeioytoy, welcher
deutlich auf Fehlerhaftigkeit des f'c und Entstehung aus einem Zehner
{j-'irixoyra = ^) hinweist, missachtet wie der Text des Originals, in wel-
chem dieser Zehner wirklich steht: Diod. II 21 «Vry nlsiü} rioy //A/a>*'
xal r()iaxooiojy hi (T tirjxoyra, xaf^ane^f (ftjal Kjriaiag 6 Kvidiog, Diese
mehr als 1360 Jahre lassen sich auch noch nachweisen: es sind 1366
oder 1365.
Bis zum Falle Troias und dem Ende des Königs Teutamos verlaufen
1012 Jahre. Mindestens 1010 verflossen bis zur troischen Epoche nach
Diod. II 22 TtVTafiov ßaatltvoyxog cpaai tovi; uer '^ya/HB/uroyog ^'Eklrjyag
im T(JOiay OTfjarevaai jfjy r^ye/Lioylay iyoynoy rfjg *Aaiag rdiy ^AaavQiayy krt]
n'KHü) Tioy /lAiüir. Die bestimmte Zahl liefert Kephalion bei Euseb. I 64
postea singillatim refert (Ctesias), quomodo Teutamus auxilii ei suppetias
miserit ducemque exercitus Memnonem Tithoni filium, quem Thettalii
insidiis factis occiderunt. deinde singulatim dicit: Millesimo decimo tertio
anno fit rex Assyriorum Sardanapallus. Im letzten Satz ist mit Brandis
rerum Assyriarum tempora p. 58, da nach Teutamos noch 10 Könige
folgen, eine Lücke anzimehmen: anno fit rex Assyriorum ( anno
fit rex Assyriorum) Sardanapallus. Hienach ist in Kephalions Angabe
b. Eus. I 62: slg a iraly aQifhuny hätten 23 Könige nach einander ge-
herrscht, ohne irgend eine kriegerische Unternehmung auszuführen, deren
Namen man bei Ktesias selbst nachlesen möge, zu schreiben dg HTi' irioy
aQi&uuy: er meint die unkriegerischen Könige von Ninyas bis Teutamos
excL, deren wirklich 23 sind: zieht man von 1012 die 52, 42, 32 des
Ninos, der Semiramis und des Teutauios ab, so bleiben 886 = an (elg) 900.
Derselbe Fehler noch einmal a. a. 0.: a (Jf irdiy dno 2eui^aixevDg elg
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MiTffaioy ßaatXfa ava^fi&^ovvri ^) JieffirekXoufrioy Mi^^fia Kol/l^; dyBX(opT]aBr
Alyiiag; Mitraios ist der Vorgänger des Teutamos, seine 35 (Exe. Barb.;
27 die andern, mehr verkürzten Listen) Jahre nebst den 52 des Ninos
und 32 des Teutamos von 1012 abgezogen ergeben 893 Jahre von
Semiramis bis zum 1., 900 bis zum 8. Jahr des Mitraios, in welches
Ktesias (falls die Zahl 35 nicht auch verkürzt ist) die Flucht der Medeia
setzte. Die Summe 1012 verhilft uns auch zum Verständniss einer An-
gabe des Thallos. Um zu beweisen, dass die ältesten Götter der Griechen
gar nicht sonderlich alt seien, verweist Theophilos an Autolykos III 29
auf das Epochendatum des Belos, dessen Zeitgenosse Kronos gewesen sei,
bei Thallos: Ti^foyf-vtajb^fog tvifiax^rai rov ^IXiaxov noXifxov irsai rxß' ; die
Zahl 322 wird von Lactantius inst. I 23 bestätigt und als Termin, wie
das folg. jfig UXiov dXioaecüg lehrt, die Zerstörung Troias verstanden.
Dieser Belos ist in Wahrheit kein anderer als der 18. König des Ktesias,
der von Kephalion Beki/uag, von Bion und Alexander Polyhistor bei
Agathias BeXeoig, von Synkellos Brj'loxog, von Pseudeusebios ^) BrjXoxoog
genannt wird ; die Uebersetzer des Eusebios und Africanus geben Belochus
(armen. Belokhus). Die Menge der Namensformen rührt zum Theil daher,
dass derselbe auch bei Schriftstellern welche von Ktesias unabhängig
waren (z. B. Bion) vorkam; unter seiner Regierung lässt Ktesias den
Perseus in das assyrische Reich kommen, Kepheus aber, dessen Tochter
Andromeda von diesem gerettet wurde, ist bei Herodot VII 61 u. a. ein
Sohn des Belos. Von jenem schreibt Kephalion a. a. 0.: h^^ioy Jt ovxuov
reaaaffdxovrd nov xal /' BiXi^og ißaoiXevaey *Aaav()ia)r xat dipixynrai
TTsQOBvg. Die 640 Jahre sind wie bei Mitraios von Semiramis ab ge-
rechnet und ergeben mit den 52 des Ninos 692: nimmt man sowohl bei
640 wie bei den 322 des Thallos inclusive Zählung an, so erhält man
(691 und 321 =) 1012 Jahre bis zur Zerstörung Troias, welche dem-
nach ebenso in das letzte (32.) Jahr des Königs verlegt ist, wie (in der
Regel) in das letzte des Agamemnon und Menestheus.
Von Teutaios, dem Nachfolger des Teutamos, bis Sardanapallos zählt
1) So schreibe ich statt av agi&fAoito,
2) XgoyoyQttcpHov avyrofioy dx ttov Evafßiov rov TletfAcpiXov rtoytifiätioy bei Mai scriptorum
vetenun nova collectio I 2. 1 flP, und aas diesem bei Schoene Euaeb. I App. 63 flf.; geschrieben
im J. 854 und von Eusebios unabhängig.
71*
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Eusebios im I. Buch 356, im Kanon 355 Jahre: mit 1012 verbunden
würde dies die Summe 1307 oder 1368 ergeben; der Barbarus (s. zu
Epoche 1197) ergibt 363, hat aber einen Textfehler, bei dessen Hebung
353 bleibt; Synkellos 362, nach der Schlussdatirung in 358 zu verbessern;
Pseudeusebios 364. Man sieht, dass die grosse Verkürzung, welche sich
die Chronographen erlaubt haben (z. B. Eusebios auf 1240 Jahre), an
dieser Partie nicht vorgenommen worden ist: die ächte Gesammtsumme
1360 mit einem Ueberschuss, um 1012 vermindert, lässt 349 — 357 er-
warten. Ausser der Verkürzung haben jene nämlich auch noch, um ihre
troische Epoche zu gewinnen, das Ende Sardanapals mehr oder weniger
bedeutend herabgesetzt: ebendadurch aber wurde es ihnen möglich, die
ächte Summe der nach Troia verlaufenen Jahre wenigstens im Ganzen
und Grossen beizubehalten oder gar zu erhöhen; der Kanon des Eusebios
schiebt auch noch die troische Epoche vom 32. Jahr des Teutanios in
das 25. zurück. Die Bezugnahme des Schlusstermins auf diese Epoche
erlaubt einen Schluss auf die wahre Zahl dieser Theilsumme. Von 1197,
der troischen Epoche des Manetho verfliessen 354 Jahre bis 843, in
welches Jahr Abydenos bei Euseb. I 53 und der Barbarus, wahrscheinlich
auch Velleius I 6, 1 das Ende Sardanapals setzen (67 Jahre vor Ol. 1),
ebenso der Gewährsmann des Synkellos, welcher 283 Jahre der Meder-
könige zählt (560 v. Ch. + 283 = 843). Von der eratosthenischen
Epoche 1183 führen 354 Jahre bis 829, Anfangsjahr des Arbakes bei
Africanus. Von der troischen Epoche des Sosibios und Kastor 1171
erhält man mit 354 Jahren 817 v. Gh.: Eusebios im 1. Buch setzt Ar-
bakes 816, im IL Buch auf 819, Orosius 64 J. vor Rom = 818/7, der
Chronist von 886*) auf 818. Hat Dikaiarchos die Zerstörung Troias
1211 gesetzt, so ist mit ihr das Datum des Arbakes 858 bei Euseb. I 67
(298 Jahre ^ der Meder) zu verbinden: Abstand 353.
Die ächte Summe des Ktesias ist hienach 1365 oder 1366 imd hie-
mit Aemilius Sura im Text des Velleius I 6 — 7 zu vergleichen, wo von
Ninos bis zur entscheidenden Niederlage des Antiochos Megas bei Magnesia,
d. i. bis varr. 565, v. Ch. 189 (Proconsulat des Scipio Asiaticus) 1995 Jahre
1) *EjiXoy^ lüxoQmy bei Gramer Anecd. Paris. II 165 ff.
2) Aehnlich Alexander Polyhistor bei Agathias a. a. 0. 300 Jahre
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gezählt werden. Dies ergibt für Ninos Anfang 2183 v. Chr. und für die
troische Epoche des Sura 1171 (= 2183 — 1012). Ktesias selbst zählte
den Mederkönigen von Arbakes bis Astyages excl., wie die Posten bei
Diodor II 32 — 34 ergeben, 282 Jahre; die fehlenden des Astyages dürfen
wir, weil Diodor II 35 bei diesem auf die hellenische Ueberlieferung,
d. i. nach II 32 Herodot verweist, aus diesem auf 35 ergänzen. Dann
hat Ktesias das Ende der Assyrer 317 Jahre vor 560, also 877, den
Anfang desselben 2143 oder 2142, die troische Epoche 1231 oder 1230
gesetzt. Hiefür gibt es eine Bestätigung. Nach Clemens ström. I 320,
wiedergegeben von Eusebios praep. X 12 fiel Mosis Auszug und die
Epoche des Inachos bei Ktesias in das 402. (sehr. 302.) Jahr des Assyrer-
reichs, das 32. des 8. Königs Beluchos. Letzteres ist in allen Listen das
302. seit Ninos und gleicht sich nach Obigem mit 1942 oder 1941 v. Ch.
Die Zeitbestimmung hat Clemens wahrscheinlich aus Dionysios v. HaK
oder ApoUodoros, d. i. aus Eratosthenes: bei diesem begann Inachos
1942 oder 1943. Dies entscheidet bei Ktesias für 2143 und 1231.
1211 Dikaiarchos?
Dikaiarchos bei Schol. Apoll. Rhod. IV 276 yLvetat dno JSeaoyx^^^^^
inl Trjy N'eikov ßaaiXeiav errj ß(p\ (dno Jt Tfjg N'eilov ßaaiXeiag ent rriv
'Ikiov akioaiv hr] ^,) dno (fs ri]^ 'IXiov alioaeüog int t^v a oXvfxnidSa
vkc. ofiov ß^fiy (laur. ßX^y\ Das Eingeschlossene ist ein scharfsinnig
erdachter Zusatz Heinr. Keil's, welcher die troische Epoche auf 1212/1
att. Stils bringt, vgl. S. 548. Nur ist, da der Dichter bloss von Seson-
chosis und Neilos spricht und der Zweck der Zeitbestimmung, welcher
allein die Erwähnung des troischen Ereignisses veranlasst haben könnte,
schon durch die Angabe des Abstands von der 1. Olympiade erreicht
wird, nicht zu begreifen, warum der Erklärer auch noch von Troia
spricht, zumal bei einem so winzigen Abstand von 7 Jahren neben 2500
und 436. Es bleibt daher die Frage offen, ob nicht jß(p aus ßipX und
*lXiov dkioasivg aus Neikov ßaaikeiag verdorben ist: war einmal NdXov in
UUov übergegangen, so lag es nahe, ßaailsLag in dltjjoeiDg zu verändern.
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1S07 in der Chronik von Faros.
Die Marmorchronik ^) von Faros setzt, wie Lydiatus, Boeckh, Karl
Müller u. a. erkannt haben, für die attischen Könige vor Troias Fall die von
Eusebios angegebene Regierungsdauer voraus, datirt sie aber um 25 Jahre
höher. Die ihr zu Grunde liegende Liste lautete also: 1581 Kekrops 50.
1531 Kranaos 9. 1522 Amphiktyon 10. 1512 Erichthonios 50. 1462 Pan-
dion 40. 1422 Erechtheus 50. 1372 Kekrops II 40. 1332 Pandion II 25.
1307 Aigeus 48. 1259 Theseus 30. 1221 Menestheus 23. 1206 Demophon.
Troias Einnahme setzt sie nicht wie Eusebios in das letzte, sondern in das
22. J. des Menestheus (1208/7) und zählt von ihr 945 J. bis Diognetos.
Die Fortsetzung dieser Liste glauben wir bei Pseudeusebios zu erkennen,
welcher ihr eine verkehrte Datirung gegeben hat (vgl. zu Epoche 1171):
1206 Demophon 33. 1173 Oxyntes 31 (sehr. 10). 1163 Thymaites 10.
1153 Melanthos 37. 1116 Kodros (ergänze: 21. 1095 Medon) 20. 1075
Akastos 38. 1037 Archippos 16. 1021 Thersippos 41. 980 Phorbas 33.
947 Megakles 30. 917 Diognetos 26. 891 Pherekles 19. 872 Ariphron 33.
839 Thespieus 40. 799 Agamestor 21. 778 Aischylos 23. 755 Alkmaion 2.
(753 die 10 jährigen Archonten bis 683). Die parische Chronik stimmt
insofern nicht hiezu, als sie Pheidon 894 unter Pherekles setzt; wahr-
scheinlich hat der falsche Eusebios oder sein Abschreiber einen bei ihm
und bei dem Barbarus häufig vorkommenden Doppelfehler begangeh,
indem er einen aus der angegebenen Summe erkannten Postenfehler an
unrechter Stelle zu verbessern suchte. Vielleicht hatte ursprünglich
Diognetos 23 und Agamestor 24 Jahre. Die verstümmelte Zahl der
ionischen Wanderung kann auf 813 oder 763 ergänzt werden; die kleinere
Zahl (= 1026 V. Ch.) ziehen wir vor, weil die von den Herausgebern
gewählte grössere einen bei dem hohen Datum der troischen Epoche zu
geringen Abstand von dieser (nur 132 Jahre) ergeben würde.
1197 Manetho, Africanus.
Das von Manetho gemeinte Jahrdatum ist des Genaueren nur aus
dem System zu erkennen, welches Julius Africanus auf dasselbe gebaut
1) nire Jahrzählung ist bekanntlich bis zum Tod des Sokrates inclusiv (das Schlussjahr,
Ol. 129, 1. 264 Arch. Diognetos also mitgerechnet), nachher exclusiy.
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hat; die von mir bereits in der Chronologie des Manetho p. 224, jedoch
mit dem Fehler eines Jahres (1198) aufgestellte Epoche hat Geizer Afria
p. 138 ff. verworfen und mit Boeckh das eratosthenische Datum für
Africanus, ja auch für Manetho, obgleich dieser vor Eratosthenes schrieb,
angenommen; dies nöthigt mich hier ausführlicher auf diese Frage einzu-
gehen, lieber andere Differenzen grundlegender Natur s. meine Anzeige
des Gelzerschen Buchs Philol. Anz. XI 82 fg.
1. Africanus. 1. Seine jüdische Rechnung. Die Auszügler setzen
den ganzen Troerkrieg unter Eli, welcher bei ihm 1210 — 1190 regiert
Geizer gibt dies zu, verweist aber auf die Latinerliste der Excerpta
Barbari (in Schoene's Eusebius I): regnavit Eneas nono et decimo post
vastationem Solls (HXiov statt ^Illov) in diebus Heli sacerdotis et Samuhelis
prophetae, indem er (ohne weiteren Anhalt) die Hypothese aufstellt, Afri*
canus habe während der ersten 20 Jahre 1190 — 1170 diesen neben Eli
regieren lassen, so dass auf letzteren im Ganzen 40 Jahre gekommen
wären. Dies ist unrichtig, s. Nr. 5; aber auch die Richtigkeit ange-
nommen, würde damit nichts bewiesen sein, weil das J. 1164 oder 1165
(= 19 Jahre nach 1184/3) nicht mehr in die Zeit der angenommenen
Mitregentschaft fällt. Zur jüdischen Richterliste vgl. Nr.' 2 am Ende.
2. Attische Liste. Die des Barbaras ist nach sicheren Anzeichen,
wie auch anerkannt wird, aus Africanus entlehnt Die Posten liefern
von Kekrops bis zum Ende des Troiakämpfers Menestheus 384 Jahre;
mit den 9, welche der ausgefallene Kranaos überall hat, erhalten wir 393.
Somit fällt das Ende des Menestheus 1197: denn Kekrops beginnt nicht
1596 wie G. behauptet sondern 1590, nämlich wie der Barbaras schreibt
907 Jahre vor dem ersten jährigen Archonten (683, s. zu Ep. 1153)
und 814 Jahre vor Olymp. 1, 1; die 907 bezeugt Jo. Malala p. 62 aus-
drücklich für Africanus. Demnach ist das 208. Jahr nach dem Auszug
Mosis (1796/5 Gh.), welches er gleichfalls als Datum des Kekrops gibt,
in 206 zu verwandeln und der Weise des Barbaras entsprechend vollendet
zu nehmen: bei Joannes Antioch. fr. 16 zählt Africanus 206 Jahre von
von Ogyges bei Kekrops; die ogygische Fluth setzte er aber in dasselbe
Jahr wie den Auszug. In Geizers Rechnung stellt Africanus das Ende
des Menestheus 22 Jahre vor Ausgang des troischen Kriegs, in dessen
letztem Jahr Homer ihn noch auftreten lässt; die Ausflucht, Afr. habe
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in seiner redlichen Weise eine zu seinem System nicht passende Liste
wiedergegeben, kann über diesen Widerspruch nicht weghelfen. Mit
solcher Redlichkeit hätte jener kein System zusammenbringen können
und eine Gedankenlosigkeit dieser Art lässt sich ihm nirgends nach-
weisen; von ihr kann bei dem Schöpfer eines Systems nur da die Rede
sein, wo er, wie Africanus die Bibel und Manetho, eine Quelle citirt.
Seine attische Liste ist aus dem Barbarus folgendermassen herzu-
stellen: 1590 Kekrops 50. (1540 Kranaos 9). 1531 Amphiktyon 40
(sehr, mit allen Listen 10). 1521 Erichthonios 10 (sehr. 50). 1471 Pan-
dion 50 (sehr. 40). 1431 Erechtheus 40. 1391 Kekrops II 53. 1338
Pandion II 43. 1295 Aigeus 48. 1247 Theseus 31. 1216 Menestheus 19.
1197 Demophon. Um 1197 fällt also die Einnahme Troias, denn sie
wurde in das vorletzte oder letzte Jahr des Menestheus oder in das erste
Demophons gesetzt. Als Jahrsumme der Könige gibt der Barbarus 492
an, ebenso Africanus bei Malala 62, Jo. Antioch. 16 und Kedrenos I 145;
das Ende des Kodros und der Anfang des Medon fällt also in 1098 und
von Demophon bis dahin sollen 99 Jahre verlaufen, die Posten ergeben
jedoch 18 mehr. Die Zahlen der zwei letzten Könige sind durch die
Uebereinstimmung mit fast sämmtlichen andern Listen gesichert, die 1
und 9 des Apheidas und Thymaites kehren bei Synkellos (s. zu Epoche
1153) wieder, auch der in der attischen Liste am meisten zu Africanus
stimmende Pseudeusebios spricht dafür, sofern er zwar Apheidas weg-
lässt, aber dem Thymaites 10 gibt. Wir geben daher dem Demophon 21
(bei Synkellos 23) statt 35 und dem Oxyntes 10 wie bei Synkellos und
Pseudeusebios statt 14, welches wie Barb. p. 41a 18 Dittogramm aus
dem darauffolgenden XIV ist. Also: 1197 Demophon 35 (sehr. 21). 1176
Oxyntes 14 (sehr. 10). 1166 Apheidas 1. 1165 Thymaites 9. 1156 Me-
lanthos 37. 1119 Kodros 21. — Lebenslängliche Archonten: 1098 Medon 20.
1078 Akastos 39. 1039 Archippos (19 nach den andern Listen. 1020
Thersippos) 40. 980 Phorbas 33. 947 Megakles 28. 919 Diognetos 28.
891 Pherekles 15. 876 Ariphron 30 (zu ändern nach Synkellos: xaia
St ^Aipifixavoi^ kiT] /.«'). 845 Thespieus 40 ( := Synk. xara Si älkovg fi').
805 Agamestor 26 (zu ändern nach der dritten und letzten Variante des
Synkellos: xarä (fe äXi.ovg x^'). 778 Aischylos 22 (= Afric. im Chron.
pasch, p. 193; der Barb. schiebt hier den oben ausgefallenen Thersippos
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ein). In seinem 2. (vollen) Jahr die 1. Olympienfeier. 755 Alkmaion 10
(Dittogramm statt 2). 753 der erste von den sieben 10 jährigen Ar-
chonten; 683 der erste jährige.
Andere, wie sein Citat lehrt aus Philochoros entlehnte Ansätze gab
Africanus im III. Buch, s. Euseb. praep. X 10. Synk. 131. Kedn 1 26,
nämlich: von der ogygischen Fluth (1796) 189 jährige Oede bis Kekrops,
dieser regiert 50, Kranaos 9 Jahre; Summe 248; ebenso viele von MoBie
Auszug bis Deukalions Fluth. Also 1607 Kekrops, 1557 Kranaos, 1548
Amphiktyon. Ferner setzen viele Auszügler Kekrops in das 50., die
deukalionische Fluth in das 77. Jahr des Richters Aod; indem Gelxer
mit einigen von ihnen dem zweiten Vorgänger desselben, Gothoniel ge-
mäss einer Lesart der Septuaginta 50 Jahre als Zahl des Afr. gibt,
während Kedrenos, der einzige der bei Aod die richtige 80 st. 50 über-
liefert, und Pollux mit der besseren Ueberlieferung der LXX 40 schreiben,
erhält er eine dritte attische Rechnung des Africanus: 1597 Kekrops 50;
1547 Kranaos 9. Dies streitet aber doch gegen alle Wahrscheinlichkeit
Allerdings scheinen 10 von den 490 Richterjahren des Afr. zu fehlen,
wenn Gothoniel bloss 40 bekommt; aber Afr. hatte auch den Samegar
in die Richterliste aufgenommen, für welchen eine besondere Regierungs-
zeit im Deborahlied Rieht. 5, 6 ausdrücklich anerkannt und Rieht. 3j 31
stillschweigend vorausgesetzt wird: eine Spur des Sachverhalts findet sich
in der confusen Angabe des Synkellos p. 331, Afr. habe das an den
450 Richterjahren des Ap. Paulus fehlende Jahr dem Samegar gegeben.
Er gab es vielmehr dem Samanes, einem Lückenbüsser der letzten Richtei -
zeit, welchen Synk. mit Samegar verwechselt hat. Die Auszügler, welche
Samanes mit 1 J. gegen Africanus' bloss auf Erklärung gerichtf^te Ab-
sicht in dessen Liste aufgenommen haben, bringen in Folge dessen die
Anzahl der Richterjahre unrichtig auf 491. Vielmehr setzte Africanua:
1692 Gothoniel 40. 1652 Eglon 18. 1634 Aod 80. 1554 Samegar 10.
1554 Jabin u. s. w., so dass Aod 27 bei ihm auf 1607 = Kekrops 1
bei Philochoros fiel, und während in dieser Rechnung er die Fluth
Deukalions an das Ende des Kranaos brachte, hat er in der von Philo-
choros abweichenden Hauptrechnung den Namen Deukalions bei dieser
Fluth gestrichen (Chron. d. Manetho 187. Geizer Afr. 128) und sie als
thessahsche Fluth in das 1. Jahr des Kranaos gestellt.
Abb. d. 1. OL d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. III. Abth. 721
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554
3. Die Liste der peloponnesischen Könige, a. Die von Argos, später
von Mykenai. Aus dem Barbaras erhalt-en wir: 1901*) Inachos 50; unter
ihm Moses geboren. 1851 Phoroneus 60; in seinem (vollendeten) 55. Jahr
Mosis Auszug (= Africanus bei Synk. 11-^, und zwar 1020 Jahre vor
Olymp. 1, 8. u.). 1791 Apis 35. 1756 Argeios 70. 1686 Kriasos 56.
1630 Phorbas 35. 1595 Triopas 66. 1529 Krotopos 31 (XXXI, das
erste X von gleicher Hand getilgt). 1498 Sthenelos 11. — 1487 Danaos 50.
1437 Lynkeus 41. 1396 Abas 23. 1373 Proitos 27 (sehr. 17). 1356—1325
Akrisios 31. Proitos hat in allen Listen 17 Jahre: der Schreiber er-
kannte an der Summe, welche im Original angegeben war, dass er
10 Jahre zu viel gegeben hatte, und strich sie am unrechten Ort, bei
Krotopos. Dass es sich so verhält, lehren die Suramen dej* Inachiden
und Danaiden, Synk. 234 tan (x^oyog) xara tovs noklovg dno ju^y rov
7i(}(üzov Uydxov fuyg rov iydzov 2&eyiXov hwy viy. xoy (fs I^S-iyeXoy
Jayaog ixßaXiby ix^fdrrjoe rov "AQYOvg, dg ua^frvQoyai ndyreg inroQixoi,
avy TÖig dnoyoyoig eif] (fiß\ ouov err] (poa dno *Iydxov inl yixQiaioy
nifinroy dno Jayaov ßaoiXfvog. Diese ganze Stelle ist aus einem älteren
Chronographen von Synkellos gedankenlos abgeschrieben: sein eigener
Kanon zählt den Danaern nicht, wie man wegen fia{fTV{}ovni ndyreg
iaro()ixoi erwarten sollte, 162 sondern 178 Jahre; aber Kastor, Eusebios,
Pseudeusebios und (laut der angegebenen Correction im Barbarus) Afri-
canus geben 162. Von den Hauptquellen des Synkellos ist, da auf Pano-
doros vermuthlich sein Kanon zurückgeht imd mit Kastor Eusebios die
Inachiden anders behandelt, zunächst an Africanus zu denken; für diesen
beweist die Fortsetzung über Oinomaos, femer der Schluss von Abschn. b
oder 3,b und die Summe 575. Die Inachiden haben bei Kastor und Euse-
bios 382, bei Pseudeusebios 312, bei Synkellos selber 372, mit der in dem
Excerpt angegebenen Summe 413 lässt sich bloss die bei obiger Cor-
rection aus dem Barbarus hervorgehende: 414 vereinigen; dasselbe Ver-
hältniss findet sich bei der Jahrsumme aller Argoskönige: 544 geben
Kastor und Eusebios, 478 Pseudeusebios, 550 Synkellos, dagegen 574 die
Posten des Barbarus, nur um 1 Jahr verschieden 575 das Excerpt des
1) Am Schluss werden 718 und 407, also im Oanzen 1125 Jahre von Inachos bis Olymp. 1
gezählt.
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555
Synkellos. ') Diese Abweichung erklärt sich aus einem bekannten Dualismus
des Africanus, der aber nicht, wie bisher angenommen worden ist, 2 Jahre,
sondern eines beträgt. Bei Eusebios praep. X 10 gibt er von der Ogyges-
fluth bis zur I.Olympiade 1020, von da bis Kyros und Ol. 55, L 560 217,
von Ogyges bis Kyros 1237 Jahre, dagegen bei Synkellos p. HS — 120
(ebenso Jo. Antioch. fr. 1 ohne Quellenangabe) von Ogyges bis Kyros 1235.
Die 1237 beruhen, wie die Zahl 217 beweist und Trieber (den Geizer
mit Unrecht tadelt) erkannt hat, auf inclusiver Zählung statt 1236* Die
um 1 Jahr höhere Rechnung ist auch beim Barbarus vorausgesetzt; in der
von Synkellos vorgezogenen setzte Africanus die B'luth 1795, Inacboa 1
also auf 1900; in den Posten ist die Differenz vielleicht bei Kriasos
zum Vorschein gekommen, dem Synkellos in seiner eigenen Rechnung
55 Jahre gibt.
Die Fortsetzung des Barbarus ergibt auf den ersten Anschein fol-
gende Data: 1325 Pelops 38. 1287 Atreuä und Thyestes 45. 1242 Aga-
memnon 33; m seinem 18. Jahr Troias Fall. Dieser würde somit in
1224, nicht weniger als 27 Jahre vor 1197 liegen, oder es sind, da sich
das nicht annehmen lässt, inzwischen 27 Jahre ausgefallen. Letzteres
ist in der That der Fall. Synkellos, welcher mit der oben ausgeachrie*
benen Stelle offenbar eine Darstellung nicht seiner eigenen, sondern
älterer Rechnungen beginnt, spricht in der Fortsetzung zunächst von
dem Dynastie Wechsel und von Pelops, dann schreibt er p. 235 ir t^t
Tüig 7i(>o avTov kreai (fiaipcoi^eiTai errj xl^\ xarä Olvouaov lau;»' vituvoovu^va^
liUtaxB&Har](; rfig ap/^g dg Mvxrivag iut 'Ax^intoy km EvQva&im^. Eine
solche Lücke ist nach Akrisios auch in Synkells eignem System, aber sie
beträgt nur 3 Jahre (s. zu Ep. 1171), ferner in dem des Euaebioa eine
solche von 6 Jahren (Abr. 705 — 711), auch erwähnt keines von beiden
den Oinomaos; wohl aber schreibt der Barbarus nach Akrisios; post
hunc'^) Pelops regnavit cum Nomaum ann. XXXVIII. Den verdorbenen
Namen hat Scaliger richtig hergestellt, aber den Sinn der Stelle nicht
verstanden, wenn er cum Oenomao corrigirt: Pelops hat ja dem Mythus
zufolge nicht mit Oinomaos zusammen regiert, sondern durch Besiegung
1) Eratosthenes gab den Inachiden und Danaiden 572 Jahre (1942 Inachos bia 1370 Pisräeua)
oder ähnlich.
2) Verkehrter Zusatz wie p. 38 a 16. Vgl. S. 560.
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556
desselben im Wettkampf die Regiermig gewonnen. Das Original hatte
also ^iBT Olvouaov gelautet, was der Uebersetzer in seiner Weise ganz
richtig wiedergegeben hat: so schreibt er auch p. 16 Froneus rognavit
cum Inachum {übt lyaxov), vgl. p. 41 Latinus, cum quibus (/le^' cor
st. f^e^* oy) regnavit Eneas. Africanus meinte also, dass die leeren
27 Jahre mit Oinomaos als Vorgänger des Pelops in Pisa ausgefüllt
werden könnten, setzte aber Oinomaos nicht in die Liste ein sondern
erwähnte ihn (wie Nr. 3 b Aristodemos) bloss nebenbei. Die Fortsetzung
des Barb. ist demnach so zu datiren: 1325 (Lücke 27). 1298 Pelops 3-8.
1260 Atreus und Thyestes 45. 1215 Agamemnon 33; 1197 in seinem
18. Jahr Troias Fall; nachher regierte er noch 15. 1182 Aigisthos 7.
1175 Orestes 28. 1147 — 1125 Penthilos 22. Auf diese 200 Jahre
1325 — 1125 :des Africanus beziehen wir Synk. 334 fj rdjy Mvxrjyaicoy
OL^XV ^otTelvd-Tj dia^fxiaaaa /povof 4; o xara rivag, xara ^i äkkovg Tjtrovag.
Der Barbarus oder vielmehr der von ihm übersetzte Chronist folgte
für seine Person, wie aus seiner biblischen imd italischen Rechnung be-
kannt ist, nicht dem Africanus, diesem entlehnte er nur, nicht ahnend,
dass er zwei grundverschiedene Systeme contaminire, die auswärtigen
Dynastien; seine troische Epoche ist die des Eratosthenes (s. Nr. 5),
welche er denn auch, wo Africanus den Fall Troias erwähnt oder an-
deutet, gewaltsamer Weise auf dessen Rechnung zu übertragen sucht, so
hier und Nr. 4; während in Nr. 2, wo eine solche Andeutung fehlt,
die Rechnung des Africanus unangetastet geblieben ist. Demgemäss
fügt er bei Agamemnon die Bemerkung ein: coUiguntur nunc ab Ichano
(d. i. Inacho) rege usque ad desolationem Solis quod est octavodecimo
Agamemnonis anni septingenti XVIII. a Solis devastatione usque ad
primam olympiadam anni CCCCVII. et Porfyrius autem in historia philo-
sofiae sie dixit Von Inachos 1 = 1901 v. Ch. sind in der That 718 Jahre
bis 1183 und von da 407 bis Olymp. 1: hierauf stützt sich die Ansicht,
welche dem Africanus die troische Epoche des Eratosthenes und Por-
phyrios beilegt; dass jedoch die Zahl 718 eine Fälschung ist, geht aus
ihrem verkehrten Ergebniss hervor. Vom Falle Troias bis zum Ende der
Dynastie, d. i. bis zur dorischen Wanderung liefern die Posten 72 Jahre
und dass sie kritisch unantastbar sind, lehrt der Schluss: coUiguntur vero
Argiorum regna simul anni septingenti XC: denn jene 718 werden durch
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557
die 72 auf 790 erhöht. So wird denn die dorische Wanderung auf
1111 und ihr Abstand von Troia auf 72 Jahre gebracht, während Por-
phyrios jene auf 1103 gestellt und einen Abstand von 80 Jahren ange-
geben hat. — Geizer ändert bei Pelops 38 in 59, bei Penthilos 22 in
32 um, beides ohne Gewähr für Africanus und das zweite auch in un-
gelöstem Widerspruch mit der Postensumme 72.
3, b. Die Könige von Sparta. Sie beginnen nach dein Barbaras
im 20. Jahr Sauls, als ihre Jahrsumme gibt er 325 an, ihr Ende fällt
in prima olympiada, in primo Achaz regi Judae in quo tempore prima
olympiada a Grecis adducta est. Bei Africanus regiert Saul von 1120
an und Olymp. 1, 1 ist ihm = Achaz 1 ; die Dynastie regiert demnach
in moderner Weise ausgedrückt 1100 — 775, nicht 1101 — 776: denn das
20. Jahr Sauls und das 1. des Achaz ist dem Sprachgebrauch des Bar-
barus gemäss vollendet zu nehmen und den Schluss einer Dynastie be-
zeichnet er mittelst Angabe ihres letzten vollen Jahres: das 325, Jahr
ist Ol. 1, 1 = Achaz 1. So lässt er p. 45 a Astyages und die Meder
Ol. 54, 4 endigen, nicht 55, 1, wo Kyros anfängt, indem er nach antiker
Weise bloss mit ganzen Jahren rechnet: 54, 4 ist das letzte des Astyages,
55, 1 das erste des Kyros; nach moderner Datirungsweise herrscht
Astyages bis in 55, 1. So regieren die Lyderkönige a principio primae
olympiadis und man sollte daher, weil er ihnen 232 Jahre gibt, als ihr
Ende Ol. 59, 1 (544) genannt zu finden erwarten, er setzt es aber in
olympiada LVIII. Vgl. ferner p. 45 a 21. 42 a 12. 41a 27. Die Datirung
im Einzelnen ist also: 1100 Eurysthenes 42. 1058 Agis 2 (sehr. 1).
1057 Echestratos 34 (Compensationsfehler st. 35). 1022 Labotas 37.
985 Doryssos 29. 956 Agesilaos [30. Cemenelaus] 44. 912 Archelaos 60.
852 Teleklos 40. 812—775 Alkamenes 27 (sehr. 37). Die behufs Her-
stellung der Summe 325 gemachten Aenderungen beruhen zunächst auf
den Listen des Eusebios und Synkellos, welche ebenfalls die Smtime 325
haben, wie auch nicht bloss sie sondern alle Königsverzeichnisse von
Sparta Archelaos zum unmittelbaren Nachfolger seiner Vaters Agesilaos
machen. Zur Bestätigung dient Malala p. 90 ißaailevat xt^v AaxtSta-
fioviwv TiQfmog Ev()vaß^€vs (Barb. Erystheus) ht] fiß' xal äkloi ßaaiXhiq
uei^ avTop 1]. ojicov eßaaiXevaav ezr] Ofig' xal 6 ^'Ahcfjiaivog (Barb» Alca-
manus) IVi; >L^'. xal xartfieiver fi ßaadeia Aaxsdaifioviiov xa jiayza Kxri
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558
i7t^' (42 4" 246 -f- 37 = 325), ihq li(p()ixav6g 6 ocxpwTaTog awey^mtparo.
Um die andere Summe 350 (s. u.) herauszubringen und den Cemenelaus
zu retten, erklärt Geizer die Zahlen 246, 37 und 325 für falsch und
verwandelt die 27 des Alkamenes bei dem Barbarus mit Brandis in 32,
beruft sich aber doch wieder auf Malala's rf als Beweis der Aechtheit
jenes eingeschobenen Königs, ohne welchen der ungenannten Könige bloss
7 sein würden. Malala hat nur den Fehler begangen, den letzten König,
welcher in seiner Vorlage mit eingezählt war, von seinen Vorgängern
zu sondern, weil er dessen Regierungsjahre besonders vermerkt fand und
das eüog derselben missverständlich im exclusiven Sinn nahm: jene hatte
wahrscheinlich ähnlich gelautet wie Mal. 161 iy MaxfdovLa n^fdizog eßaai-
kevoey ö K^ayaog xat koinoy ißaaikevaay äXloi xy (ohne Philippos nur 22)
hi}}g fPikiTiTiov; 68 rivy ^ixvwyiojy ißaaikevae ngiSrog 6 Alyiakevg hr] vß>
xal ro koinov akkoi ßanilelg xg' (ohne Zeuxippos 25) f^tog Zev^innov xov
ßaaiUvaavTog avrioy Iß'; indem er in Folge dessen die Zahl 37 des
Alkamenes von 283 abzog, erhielt er 246. Genau denselben Fehler
macht er p. 90 rioy Ko^fiyS-itay ißaaikevae rate ^Akrjrfjg hri ke xat äkkoi
ßaoikeig la (vielmehr 10) hri aol^ (sehr. anX!) xai tate^oy eßaalkevaey"^
(AvTOfXtyTjg einzusetzen) erog a , xarea/e (fe ^ ßaaikeia KoQiy&itJDv rä ndi^ra
hri Tiy (sehr. rxy). Auch diese Zahlen stammen aus Africanus. Nach
dem Barbarus bestand die Dynastie 323 Jahre lang vom 21. (so Geizer,
die Hdschr. 31.) Jahr Sauls bis zum 15. (Geizer statt 16.) Jothams; es
regierten also 1099 Aletes 35. 1064 Ixion 37. 1027 Agelas 37 (cod. 33).
990 Prymnis 35. 955 Bakchis 35. 920 Agelas II 30 (cod. 34, com-
pensirend). 890 Eudemos 25. 865 Aristomedes 35. 830 Agemon 16.
814 Alexandros 25. 789 Telestes 12 (cod. 9, compensirend). 777 Auto-
menes 1 (cod. 4). 776 die jährigen Prytanen. Summe und Posten wie
bei Eusebios. Geizer behält die Fehler des Barbarus bei und fügt am
Schluss noch den spartanischen Automedos (s. u.) mit seinen 25 Jahren
hinzu, um entsprechend den 350 der Spartaner 348 für die Korinther
zu gewinnen.
Der Cemenelaus des Barbarus ist, wie Scaliger gesehen hat, aus xal
Meyekaog hervorgegangen und von Brandis, Geizer, Rohde in verschie-
dener Weise benützt worden, um die vermeintliche Lücke in Diodors
Liste, welche irrig (s. zu 1183 imd 1136) auf ApoUodoros zurückgeführt
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559
wird, zu ergänzen, obgleich sich nicht leicht annehmen lässt, dass ein
alter Chronograph zwischen der 60 jährigen Regierung des Archelaos
und der 44- oder 30 jährigen seines Sohnes noch einen König mit 30
(44) Jahren eingeschoben haben würde. Die Unächtheit dieses Postens
geht schon aus seiner Form hervor: die ächten Regenten werden in den
Listen des Barbarus in derselben Weise wie in andern Tabellen asyn*
detisch ohne Conjunction angeschlossen, deren Dienste durch die Eröff-
nung einer neuen Zeile, in vielen zugleich durch den Vortritt einer
Ordinalzahl überflüssig gemacht werden. Der Interpolator erinnerte sich
in seiner Afterweisheit, dass auch der Gemahl der Helena König von
Sparta gewesen war, und schrieb daher den vermissten am Rande hinzu,
ausgestattet mit der runden Regierungsjahrzahl 30, welche der letzte
Schreiber mit der des Agesilaos (44) vertauscht hat, ein Versehen welches
ihm öfter begegnet ist, vgl. Nr. 2.
Zwischen dem Ende der Mykenaier (1125) und dem Anfang der
Spartaner (1100) klafft nunmehf eine Lücke von 25 Jahren. Hiemit
hängt es zusammen, dass der Barbarus am Schluss noch eine zweite
Dynastiesumme bringt, welche gerade um 25 Jahre höher ist als die
erste (325): simul reges Lacedemoniorum permanserunt in regno annos
CCCL, ferner dass ihr als angeblich eilfter und letzter König ein Auto-
medus mit abermals 25 Jahren voraufgeht. Die älteren Chronologen
haben, wie zu 1136 1171 1183 1096 gezeigt wird, die dorische Er-
oberung der Peloponnesos nicht auf einen Schlag vor sich gehen lassen :
mit gutem Bedacht nahmen sie an, dass der Landvertheilung und da-
mit den neuen Städte- und Dynastiegründungen ein langer Krieg voraus-
gegangen war, während dessen die Eroberung in successiver Weise er-
folgte; die Dauer dieser Uebergangszeit wurde verschieden bestimmt;
25 Jahre finden wir zuerst von Sosibios ihr beigelegt. Africanus setzte
also 1125 — 1100 den dorischen Krieg; im Text wird er ähnlich wie in
der argivisch - mykenäischen Liste eine Lücke von 25 Jahren gelassen
und zuletzt in einer Anmerkung wie dort Oinomaos so hier AristodemaSj
den Vater des Eurysthenes und Prokies, als Lückenbüsser vorgeschlagen
haben.
4. Die Assyrerliste des Barbarus enthält kein sicheres Anzeichen
africanschen Ursprungs; da aber von den in der jüdischen, dem Ex-
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560
cerptor eigenen Chronographie wiederkehrenden Listen abgesehen alle
bloss in der Dynastientafel vorkommenden Verzeichnisse, deren Ursprung
sich nachweisen lässt, auf Africanus zurückgehen, so entsteht die Prä-
sumption, dass dies auch bei den andern der Fall sei. Die angegebene
Jahrsumme 1430 ist verdorben; die Posten ergeben 1377 oder vielmehr,
da Atossa, welche im Barbaras 23 Jahre hat, von Eusebios als Mit-
regentin ihres Vaters Belochos II bezeichnet und diese Eigenschaft auch
in Kephalions Auszug aus Ktesias (Euseb. I 62, 16) und von Synkellos,
wie wir aus ihrer Nichteinzählung schliessen, vorausgesetzt wird, nur
1354; dass der Barbaras sie besonders zählt, ist ähnlich zu erklären
wie sein post hunc (S. 555). Ferner sind bei den letzten Königen, wie
Brandis, de temporum graec. antiquissimorum rationibus p. 34 gezeigt
hat*), 10 Jahre abzustreichen, um den zwischen der troischen Epoche
1183 und dem Schlussjahr 843 nöthigen Abstand von 340 Jahren zu er-
reichen, wodurch sich die Postensumme auf 1344 verringert. Statt 1430
ist also mit Karl Müller und Brandis 1340 zu schreiben und zu diesem
Behuf noch irgendwo ein Abstrich von 4 Jahren zu machen. Bei Afri-
canus beginnt der Meder Arbakes, welcher das assyrische Reich stürzte,
829 (Barb. 45 a); hat jener 1340 Jahre gezählt, so setzte er den
Anfang des ersten Königs Belos auf 2169; die Posten des Barbaras er-
geben von ihm bis zum Ende des Königs Tautamos, in dessen letztes
Jahr Ktesias die Eroberung Troias verlegte, 972 Jahre, wodurch sie in
1197 V. Ch. gebracht wird, also genau in das Epochenjahr des Africanus.
Die erwähnte Präsumption erscheint hiemit gerechtfertigt und das Zuviel
von 4 Jahren ist bei einem König nach Tautamos zu suchen.
Die Erwähnung der troischen Epoche veranlasste den Excerptor
wieder zu einer auf Herstellung des Datums 1183 berechneten Inter-
polation. Die zu Tautamos gehörende Note: anno isto tricensimo secundo
(Tautamos regierte 32 Jahre) confixus est Sol ab Acheis schob er um
eine Stelle herab, zum nächsten König Teutaios (mit 40 Jahren); eine
offenbare Fälschung, denn die Assyrerlisten gehen auf Ktesias zurück und
dass Tautamos der König war, welcher sich durch ein Entsatzheer am
Troerkrieg betheiligte, stand aus ihm ebenso fest wie die Theilnahme
1) Er gibt dem Sardanapallos mit den andern Listen 20 Jahre statt 30.
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561
Agameranons aus Homer. Dadurch rückte die Epoche zunächst um
32 Jahre herab, d. i. um 18 Jahre zu tief, von 1197 auf 1165. Andrer-
seits entnahm er aus einem andern Chronisten das Datum, welches er
dem Ende der Assyrerdynastie gibt, 67 Jahre vor OL 1, das jener z. B.
bei Eusebios I 53. 189 finden konnte; es liegt. 14 Jahre vor dem des
Africanus. Damit war sein Zweck bereits erreicht: denn ein König hatte
in Folge eines von ihm vorgefundenen Fehlers 4 Jahre zu viel, z. B. der
von Africanus aus Kastor entnommene letzte, Ninos II, kann statt 19
ursprünglich 15 gehabt haben: ß und O tauschen oft miteinander. Statt
368 Jahre (1197 — 829) erhielt er dann, da 10 ein Schreiber aus Ver-
sehen hinzugefügt hat, 340 (1183—843).
Ninos I beginnt in dieser Rechnung 2107, also 311 Jahre vor der
Ogygesfluth und dem Auszug Mosis, übereinstimmend mit Africanus bei
Synkell. 119 7rp(5ro<; fuf'is Nivog anaorig x^g "Aaiag nXriv ^Ivdibv ereoL Tifia-
xoaioig ov nokv n{}6Tt{fov liyvyov: denn der corrupte Text dieser Stelle
meint doch wohl: nicht viel über 300 J. früher als Ogyges; nach rpia-
xooioig ist xal einzusetzen. Mit Unrecht schliesst hieraus Geizer, Afr.
habe mit Ninos angefangen und den Belos, welchen der Barbarus mit
62 Jahren vor ihm nennt, nicht oder wenigstens ohne Jahrzahl genannt:
er bezeichnet Ninos nicht als ersten Assyrerkönig überhaupt sondern als
ersten Eroberer und Weltherrscher. Unbrauchbar ist Synk. 236 ov /hol
doxel xakiog 6 'Acp^ixavog iv y l6y(p rioy ImoifiiXßV avxov (pdvai xriv Idif-
yeiiov ßaaiXflay rip a hti rfjg Idaai^iiov ßaüikeiag agiaaS-ai ml "AifHov
nifjtnxov ßaaiUvjg ^jiaav(}iü}y. Das 200. Jahr der Assyrer fällt allerdings,
den Belos mitgezählt, in die Zeit des 5. Königs Areios; aber dieser
regiert nach obiger Rechnung 1975 — 1945, nicht 1901, wo Inachos an-
fangt. Dieses Jahr ist das 270. seit 2169; Africanus hat also ao ge-
schrieben, Synkellos aber den Fehler a schon vorgefunden und während
Afr. bloss die Jahrzahl angegeben hatte, Namen und Zahl des Königs
selbst hinzugefügt.
Geizer sucht bei dem Barbarus Kastors Rechnung (über diese s. zu
1171), die des Africanus aber bei Pseudeusebios , welcher ebenfalls den
Ninos II hinzufügt. Auf Grund der eben angeführten corrupten Synkellos-
stelle lässt er Ninos I 2100 v. Gh. beginnen, 1271 Jahre vor dem Ende
der Dynastie (829) und gewinnt diese Summe aus dem falschen Eusebios,
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. III. Abth. 73
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562
indem er die 1196 Jahre der von diesem angegebenen Posten durch
Hinzufügung nicht blos der in der That ausgefallenen Könige Armamithres
mit 38 und Sosares mit 20 sondern auch der Mitregentin Atossa mit
17 Jahren (so Eusebios im I. Buch) auf 1271 bringt. Der Ausfall betragt
jedoch nicht 75 sondern 100 Jahre: die Posten liefern 1441, die an-
gegebene Summe ist 1541 Jahre, welche durch das Anfangsdatum des
ersten Königs Belos, Weltjahr 3239 und die Datirung des letzten, Asar-
haddon gesichert ist; aus den Synchronismen dieses Königs und der
andern Nachfolger des Ninos II mit den Königen Juda und Israel bei
Pseudeusebios geht mit Sicherheit hervor, dass jene 100 Jahre zwischen
Belos und Ninos II ausgefallen sind. Ueberhaupt ist es nicht erweislich,
dass dieser Chronograph auf Africanus fusst: was Gutschmid in diesem
Sinn anfuhrt, die Gleichung von Ol. 1, 1 mit Weltj. 4725 (bei Afr. viel-
mehr 4727) beruht auf den vom Vf. selbst zur Begründung beigebrachten
Elementen: Christi Tod Weltj. 5533 (Afr. 5532) und Ol. 202, 4 (Afr. 202, 2);
das letzte Jahr voll nehmend erhielt er 202 Olympiaden = 808 Jahre,
welche von 5533 abgezogen 4725 ergaben. Ebensowenig stammt seine
Rechnung der letzten jüdischen Könige aus Africanus: dieser zählt dem
Herodes 34, Pseudeusebios 26 Jahre.
5. Die italische Rechnung. Nach Synkellos p. 400 hätte Afr. von Brutus
bis zu den Consuln von 221 n. Chr. 725 Jahre gezählt, also die ersten
Consuln 504 v. Chr. gesetzt, was zu seinen Angaben über die römischen
Könige nicht passt. Geizer corrigirt 727, aber ein zweiter gegen 504
sprechender Grund trifft auch das Jahr 506: die unverdächtigen Consuln-
listen bringen, je nachdem sie 2 oder 3 Decemvirn — , 4 oder 5 Anarchie-
jahre zählen, das erste Consulat nur in 510, 509 oder 508. Aus paläo-
graphischen Rücksichten empfiehlt es sich, eine Vertauschung von E und Ö
anzunehmen: mit 729 Jahren erhalten wir 508 v. Chr. Den römischen
Königen geben die Auszügler theils 245 Jahre, so Leon und Theodosios,
welchen G. folgt; theils 243: so Symeon Logotheta in der Pariser Hds.
fol. 70 b laut Mittheilung des der Wissenschaft vor der Zeit entrissenen
Ad. Laubmann, Kedrenos u. a. Auszügler. Da die Listen der guten Ueber-
lieferung 239 — 244 Jahre bieten, so ziehen vrir 243 vor und erhalten
für Roms Gründung 751 v. Ch. Von Aineias bis dahin waren xar 'A(pQi'
Tcavoy xal Kaaro^fa xal (Euaeßioy) rov fTaiKpilov hr] ^ xal i scal v
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563
verflossen, Laur. Lydus de magistrat. I 2. Diese Zahl gehört (was G.
wegen seiner Ansicht von dessen troischer Epoche bezweifeln musste)
dem Kastor, s. zu 1171; Eusebios gibt im I. Buch 427, im Kanon
426 Jahre; auch Africanus muss, weil er Troias Fall viel früher setzte
als Kastor, eine höhere Zahl als 417 gehabt haben. Vielleicht stimmte
sie mit Eusebios und zwar mit dessen erster Zahl, so dasef ihm der An-
fang des Aeneas 1178 v. Ch. fiel, was im Datum auch zum Kanon
stimmt (Abr. 839). Dann zählte er von Troia (1197) bis dahin 19 Jahre.
So viele gibt in der That der Barbarus; seine Rechnung freilich ist nicht
die des Africanus, aber auch keiner anderen Ueberlieferung entlehnt,
sondern willkürlich auf die troische Epoche 1183 zugestutzt, um von
ihr auf das verkehrte Datum des Brutus 512 v. Ch. (so Hieronymus zu
Abr. 1507, Malala p. 188, Kedrenos I 289) zu gelangen.
Der Barbarus gibt den Latinem 402, den Römern 251, zusammen
653 Jahre, welche mit Ol. 66, d. i. in Ol. 67, 1. 512 ablaufen und
Aeneas auf 1165, Romulus auf 763 bringen. Diese Rechnung bringt er
sowohl in der Dynastientafel als in der jüdischen Chronographie, die
Zahlen der letzteren aber entsprechen dem bis Africanus herrschenden
System, welches die im 1. Jahr Kyros' ablaufenden 70 Jahre der baby-
lonischen Gefangenschaft mit der Zerstörung Jerusalems anfieng und diese
demgemäss auf 630 v. Chr. stellte; mit den in der Bibel angegebenen
475 — 476 Königsjahren brachte sie Davids Anfang auf 1105 oder 1106.
Dem entspricht es, dass Barb. 27 a mit Olymp. 1, 1 das 11. (Africanus
das 1.) Jahr des Achaz gleicht; die Abweichungen von der Bibel, welche
manche seiner Königszahlen aufzeigen, sind als Schreibfehler zu behandeln:
von der Heil. Schrift abzuweichen erlaubte sich kein Chronist. Sauls
20 Jahre beginnen also 1125 oder 1126, die 20 des Samuel 1145 (1146),
die gleichen des Eli 1165 (1166). Desswegen konnte er in der Dynastien-
tafel (vgl. Nr. 1) schreiben: regnavit Eneas nono et decimo'post de-
vastationem Solis in diebus Heli et Samuhelis; das (vollendete) 19. Jahr
seit 1183 ist 1164; von den 38 Jahren, welche er Aeneas gibt, kommen
also 18 — 19 auf Eli, die übrigen auf Samuel. Wenn er gleichwohl in
der jüdischen Chronographie die Zerstörung Troias unter Eli setzt, welchen
er doch erst 17 — 18 Jahre nach 1183 zur Regierung kommen lässt, so
erhellt, dass er diesen Synchronismus blindlings einem fremden System
73»
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564
eatlehnt hat; er kannte aber, wie seine gedankenlose Entlehnung der
Nebendynastien aus Africanus beweist, ausser dem in seiner Hauptrechnung
adoptirten kein anderes als eben das des Africanus. Daraus schliessen
wir, dass er die 19 Jahre diesem entnommen hat.
IL Die Epoche 1197 befolgte der Chronograph, welchem Velleius,
Abydenos u. a. das Datum 843 für den Ausgang der Assyrer und den
Anfeng des Arbakes verdanken (S. 548). Ferner vielleicht Trogus Justin.
XVIII 3 Tyron urbem ante annum Troianae cladis constituerunt, vgl. zu
1153 und 1096. Carthagos Gründung, 38 J. vor Ol. 1 nach Timaios bei
Dionys. ant. Rom. I 74. fand 144^) Jahre 8 Monate nach der Betheiligung
des Königs Hirom von Tyros an Salomos Tempel bau, diese 240^) Jahre
nach der Gründung von Neutyros, letztere also 1198 v. Chr. statt,
Josephos antiq. VIII 3, 1; g. Apion I 17 — 18. Vgl. zu Ep. 1147.
Manetho erklärte Thuoris, den letzten König der XIX. Dynastie und
des II. Tomus für den Polybos der Odyssee, dessen Gastfreund Menelaos
wurde, und Hess ihn 1202 — 1195 regieren. Um auch bei ihm die (von
Eratosthenes, vgl. S. 539, also erst nach Manethos Zeit geschaffene) Epoche
1183 nachweisen zu können, lässt Geizer den III. Tomus trotz der über-
einstimmenden Ueberlieferung beider Zeugen, des Africanus und Eusebios
mit Dyn. XIX beginnen und sucht auf diese Weise die handschriftliche
Jahrsumme dieses Tomus: 1050, bei welcher sein Anfang auf 1395 t. Chr.
zu stehen käme, gegen Boeckh's Verbesserung 850 zu schützen. Er ver-
gisst jedoch, dass diese Aenderung durch den cyklischen Charakter der
ganzen Rechnung nothwendig gemacht wird (Chronol. d. Man. 64) und
kann auch nach Einbeziehung der XIX. Dynastie in diesen Tomus die
Summe 1050 nur dadurch erreichen, dass er der XXI. Dynastie auf
Grund der zum Theil verdorbenen Posten 114 Jahre gibt, während die
Angabe der Summe bei Africanus und Eusebios übereinstimmend auf 130,
bei Pseudeusebios auf 131 lautet. Und auf welchem Zeugniss beruht jene
Verlegung der XIX. Dynastie in den dritten Tomus? Lediglich auf den
Worten des Barbarus: usque ad septimam decimam potestatem secundum
1) 143 J. 8 M. zählt Josephos, aber beim 12. Jahr Hiroms; hiezu ist eines zu fögen, weil
die 240 vom 11. Jahr Hiroms zurückzählen.
2) Nur cod. N der armen, üebers. des Eusebios (Abr. 745) 241 ; Chron. pasch, p. 148 r^m-
xoaiotg niyvt xai hi scheint verschrieben aus diaxociotf nfyrijxoyTa.
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565
scribitur ^) tomum, ut docet numerum habentem annos mille quingentos XX,
welche nach Geizer auf das Ende des ganzen zweiten Tomus gehen, ob-
gleich für diesen die Jahrsumme 2121 feststeht, von der XVIL, nicht
der XIX. oder XVIII. Dynastie die Rede ist und die Form der Schluss-
bemerkung zum ersten Tomus (hec fihis de primo tomo Manethoni habens
tempora annorum duo milia C) von der hier vorliegenden verschieden ist.
Die auflfallende Thatsache, dass der Barbarus den dritten Tomus gar nicht
hinzugefügt hat, wird erst daraus begreiflich, dass auch der zweite nicht
zum Ende geführt ist. Jene 1520 Jahre führen in der That bis zum
Ende der XVII. Dynastie (Chron. d. Man. 70) und, da der zweite Tomus
und Dyn. XII im J. 3314 anhebt, bis zum Jahr 1795, dem Anfahgsjahr
des Amosis, zugleich dem Jahr der ogygischen Fluth und nach Africanus
auch des Auszugs Mosis. Mit diesem grossen Epochenjahr der ägyp-
tischen, hellenischen und biblischen Geschichte begann er, laut seiner
eigenen Erklärung bei Euseb. praep. X 10, die synchronistische Behand-
lung der jüdischen Geschichte, indem er von hier an die profanen Gleich-
zeitigkeiten an Ort und Stelle beifügte; die früheren Data der auswärtigen
Geschichte fand sein Leser in den vorher mitgetheilten Dynastieverzeich-
nissen. Der vom Barbarus übersetzte Excerptor hat nur die an einem
Ort zusammengestellten ägyptischen Dynastien I — XVII ausgezogen; die
Mühe, von 1795 ab an 13 verschiedenen Orten die späteren zusammen-
zusuchen, hat er sich erspart. Weiter hat G. weder die Beweise (Man. 169 ff.),
welche den Anfang der XVIII. Dynastie auf 1795 bringen, berücksichtigt
noch den Umstand, dass jenes auffallend hohe, von Africanus nur durch
gewaltsame Hypothesen erzielte Datum des Auszugs Mosis sich eben nur
aus seinem Synchronismus mit dem Untergang der Hyksosherrschaft,
welche den Uebergang von der XVII. Dynastie zur XVIII. und zu Amosis
bildet, erklären lässt, und wenn er, um diesem Einwand zu entgehen,
meint, Africanus habe auf Manetho gar keinen sonderlichen Werth ge-
legt, so setzt er sich nicht nur mit aller Wahrscheinlichkeit sondern auch
mit seinem eigenen Versuch, für Manetho dieselbe troische Epoche zu
erweisen wie für Africanus, in Widerspruch und muss trotzdem auch im
concreten Falle (Afr. 207) zugestehen, dass bei Africanus die Könige der
1) D. i. roy 6evTtQoy dyay{iatptxtti rofioy^ näml. o* '^tp^ataroc»
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XVIII. Dynastie in der von mir bezeichneten Zeit angesetzt sind, was
bei der 'redlichen Weise des Africanus eben doch nur aus Vorgang des-
jenigen Aegypters erklärt werden kann, von dessen Werk allein er einen
Auszug* veranstaltet hat.
Zum Schluss noch eine Probe. Armais, welchen Eusebios u. a., ohne
Zweifel nach dem Beispiel des Africanus, mit Danaos identificiren, regiert
nach dem Manetho des Africanus (in d. Chron. d. Man. 157 fg. mit C
bezeichnet) 1496 — 1491; dazu stimmt, dass Danaos bei Africanus 1487
bis 1437 in Argos regiert^); ähnlich Eusebios, bei welchem die Zeit
zwischen seinem Sturz in Aegypten und der Thronbesteigung in Argos
9 Jahre ausmacht. Bei Geizer wird Armais 1410 gestürzt, 66 Jahre
vorher aber Danaos in Argos zum König erhoben.
1193 bei Thrasyllos.
Eine Reihe DatÄ von 1533 bis 776, welche auf dem troischen
Datum 1193 beruhen, verzeichnet Clemens ström. I 335, vgl. Müller
fr. hist. III 502 und oben zu Epoche 1290. lieber Kastor s. zu 1171.
1183 Eratosthenes, ApoUodoros.
Bei Clemens ström. I 336 zählt Eratosthenes von Troias Einnahme
(1184/3) bis zur Herakleidenheimkehr 80 Jahre (1104/3); von da bis zur
Gründung Joniens 60 (1044/3); weiter bis zur Vormundschaft Lykurgs
159 (885/4); bis zum Vorjahr der ersten Olympienfeier 108 (777/6).
Von dieser Olympienfeier (1, 1. 776/5) bis zu Xerxes Heerfahrt 297
(75, 1. 480/79); von dieser zum Anfang des peloponnesischen Krieges
48 (87, 1. 432/1), zu seiner Beendigung und der Niederlage der Athener
27 (93, 4. 405/4), zur Leuktraschlacht 34 (102, 2. 371/0); nach ihr zum
Ende Philipps 35 (111, 1. 336/5), darnach zum Abscheiden Alexanders
12 (114, 1. 324/3). Die zu Grunde gelegte Jahrform ist die attische:
nur bei ihr konnten auf Alexanders Regierung (12 Jahre 10 72 Monate,
Philol. XLI 83) 12 statt 13 Jahre gezählt werden. Die den Alten ge-
läufige inclusive Zählungsweise, welche beide Grenzjahre einrechnet, lässt
1) Dadurch bestätigt sich die Theilung der 576 (576) Jahre in 414 (413) der Inachiden und
162 der Danaiden, s. I 3, a.
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567
sich, wenn wie hier eine ga,nze Reihe von Abständen vorgeführt wird,
nur bei dem ersten anwenden; die auffallende Erscheinung, dass sie hier
vielmehr bei dem fünften Intervall (776 — 480) angewendet wird, erklärt
sich daraus; dass die alten Chronologen, wie Varro bei Censorinus 21
angibt, zwei grosse Zeiträume unterschieden: einen mythischen und einen
historischen; ihre Grenze bildete die erste Olympienfeier. Troias Fall
war nur eine späte Epoche des ersteren, Eratosthenes verzeichnete auch
die fabelhaften Könige aller Reiche, welche lange vor jenem anhoben;
das troische Datum bildet also nur eine Fortsetzung und ist daher in
exclusiver Weise berechnet.
Zuerst benützt findet sich das neue System in der bis 144 v. Chr.
geführten Chronik, von welcher Skymnos 23 ff. spricht, für die troische
Epoche; dann von Aristarchs Schüler Aristodemos aus Elis und von
Polybios für die Behauptung, dass die Olympienstiftung Lykurgs 884
falle, Synkell. 370. Um 70 (Philologus XLI 602 ff.) schrieb der Gram-
matiker ApoUodoros aus Athen eine metrische Bearbeitung desselben
(Plutarch. Lyk. 1. Solinus 1), welche selten (nachweislich nur in Ansehung
Homers) Abweichungen, wohl aber Zusätze und eine Fortsetzung bis in
seine Zeit enthielt und selbst wieder von Cornelius Nepos und Diodoros
ausgeschrieben, von Lutatius Daphnis (bei Solin. 1), Cicero, Plutarchos,
Clemens von Alexandreia, den zwei pseudoplutarchischen Homerbiographien,
Proklos u. a. benützt wurde ^). Als Anhänger (ant. rom. I 73), dann als
Bearbeiter und Fortsetzer der eratosthenischen Chronographie trat unter
Augustus Dionysios von HaÜkarnassos auf 2), der auch die Fortsetzung
ApoUodors nicht verschmähte. Manche haben die drei Hauptepochen der
halbhistorischen Zeit: Troias Fall, die dorische und ionische Wanderung
nach Eratosthenes oder ApoUodoros bestimmt, im Uebrigen aber sich
1) Wie Eusebios dazu gekommen ist. das Datum von 1184/3 auf 1182/1 zu bringen, erklärt
Gutschmid, de temporum notis quibus Eusebius utitur in chron. can. 1868.
2) Da er I 68 das Jahr der troischen Epoche als ein Schaltjahr behandelt (S. 358), so haben
manche, Metons Cyklus voraussetzend, dasselbe für 1185/4 erklärt; das Richtige gibt Em. Müller
Jahrbb. 1869 S. 390. Eratosthenes, gestorben um 194, verbesserte die Oktaeteris, ist also wahrschein-
lich Schöpfer des (oder eines) Schaltkreises, welcher durch Weglassung eines Schaltmonats in je
160 Jahren die Oktaeteris auf Jahrhunderte hinaus lebensföhig machte: in diesem musste 1184/8
mit 224/8 correspondiren, weil die Entfernung 6 mal 160 Jahre beträgt; in letzterem Jahre aber
fiel bei richtigem Ealendergang der 28. Skirophorion auf den 9. Juni 223, welcher genau wie das-
selbe attische Datum bei Dionysios 17 Tage vor der Wende lag.
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568
freie Hand behalten: so z. B. Velleius^), welcher den Tod des Herakles
nicht mit letzterem 53 sondern 40 Jahre vor Troias Zerstörung setzt.
Wenn Varro bei Censorinus 21 von Troia bis Olymp. 1 paulo plus
CCCC (annos) zählt, so geht offenbar auch er von dem Datum des Era-
tosthenes aus, doch liegt, was gewöhnlich verkannt wird, dem Intervall
CCCCVII, welches er ebend. als das von Eratosthenes aufgestellte be-
zeichnet, eine andere als die attische Jahrform zu Grunde. Von 1184/3
bis 776/5 sind attisch 408 Jahre, 408 gibt auch Diodoros I 5 und der-
selbe bei Euseb. I 221 aus Apollodoros an. Wer aber nach römischer
Weise das Jahr mit dem 1. Januar oder auch mit Roms Gründungstag
21. April anfieng und jene Epochendata auf dasselbe übertrug, der er-
hielt von (Juni) 1183 bis (August) 776 nur 407 Jahre. Dieselbe Zahl
erhielten diejenigen, welche wie die Bewohner Syriens und Kleinasiens
das Jahr nach makedonischer Weise im Herbst (um 1. Oktober) oder
wie später die Byzantiner mit dem 1. September anfiengen. Daraus er-
klärt es sich, dass Tatianus 41, Porphyr ios bei Eusebios I 189 und
andern, Charax bei Suidas *^O.a?ypo<; und der Chronist von 886 bei Gramer
An. par. U 188 ebenfalls 407 angeben, Porphyrios sogar unter Berufung
auf Apollodoros: Tatian war laut seiner eigenen Erklärung (c. 41) ysy^t]-
O^elg iv rij rviv l4oav(}iu)y yfj^ Porphyrios ein Tyrier, die zwei zuletzt
genannten citiren den Porphyrios und schreiben zur Zeit des September-
neujahrs. Aus der syromakedonischen Jahrepoche erklärt es sich auch,
dass Porphyrios bei Eus. I 249 die Thronbesteigung des Seleukos, ge-
schehen im Frühjahr 312 nach der Schlacht bei Gaza, in Ol. 112, 1
(ihm Oktober 313 bis Oktober 312) und ebend. I 231 die Regierung der
Olympias, Herbst 317 bis Frühj. 316, in Ol. 116, 1 = Kassanders erstes
Jahr setzt. ^) Jedoch ist solche Rücksicht auf die Verschiedenheit der
1) Er setzt die dorische Wanderung 80 Jahre nach Troia; da er, wie Kritz erwiesen hat,
II 49, 2. 65, 2 u. a. für Roms Gründung 01. 7, 2. 751 voraussetzt und seine Handschrift viele
Zahlenfehler enthält, so ist unbedenklich in seinem Datum des Romulus I 6 septima (statt sexta)
Olympiade post V (st. II) et XX annos und post Troiam annis CCCCXXXIIl (st. CCCXXXVII)
zu schreiben.
2) Gleiches gilt aus gleichem Grunde für Phlegon (Akad. Sitzungsb. München 1882. I d02)
und Kastor (s. zu 1171): die dorische' Wanderung setzt dieser und Porphyrios 1103 (d. i. 1104/3
beginnend mit Oktober), Eratosthenes 1104 (d. i. 1104/3 beginnend mit Juli), die ionische föUt
bei jenen 1048, bei diesem 1044. Vgl. über Ephoros zu 1136.
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Jahrepoche nicht von allen Römern und Asiaten, auch meist nur da
geübt worden, wo das Monatsdatum eines Ereignisses beachtet wurde:
in anderen Fällen ist Pörphyrios von der Olympiadenzählung älterer
Schriftsteller wohl ebenso wenig abgegangen, als dies Africanus und
Eusebios gethan haben, welche für ihre Person und in der von ihnen
selbständig bearbeiteten Geschichte ebenfalls das syromakedonische Jahr
voraussetzen.
Den Anfang des Inachos setzte Eratosthenes, wie p. 549 aus Clemens'
Angabe über Ktesias geschlossen wurde, auf 1942 oder 1941. Eben*
dahin verlegt Clemens a.a.O. den Auszug Mosis; und der nämliche schreibt
ström. I 321 = Eus. praep. X 12: 'Moses findet sich 604 Jahre vor der
Gottwerdung des Dionysos, wenn anders diese, wie es in Apollodors
Chronik heisst, in das 32. Jahr des Perseus fällt. Von Dionysos bis zu
Herakles und den Argonauten ergeben sich 63 Jahre; von der Argo-
fahrt^) des Herakles bis zu seinem und des Asklepios Gottwerden 38
nach dem Chronographen Apollodoros. Von hier bis zu Kastors und
Polydeukes Apotheose 53 Jahre; hier ungefähr {kyrav&a tiov) auch die
Einnahme Ilions.' In der Ilias V 243 glaubt Helena irrig, ihre Brüder
seien noch am Leben; Apollodoros setzte also ihren Tod in den Anfang
von 1184/3 oder in 1185/4, das 32. Jahr des Perseus 154 Jahre vorher
auf 1338 oder 1339, Mosis Auszug und Inachos 604 Jahre früher bei
inclusiver Zählung auf 1941 oder 1942, bei exclusiver auf 1942 oder
1943; wegen Ktesias ist 1942 vorzuziehen. Perseus beginnt dann 1370
und dazu passen die vorhandenen Zahlen der Könige, deren Namen aus
dem eratosthenischen System Tatianos und, mit wenigstens den meisten
Zahlen Pseudeusebios überliefert: 1370 Perseus 59. 1311 Sthenelos 32.
1279 Eurystheus 45. 1234 Atreus und Thyestes 33.'^ 1201 Agamemnon 18
(so auchTatian 39. Clem. ström. I 321). 1183—1176 Aigisthos 7. Wie
Eratosthenes die noch übrigen 72 Jahre bis zur dorischen Wanderung
berechnet hat, ist nicht bekannt.^) Die 53 Jahre von Herakles Tod bis
1185 oder 1184 vereint mit den 80 oder 81 von da bis zur dorischen
1) ano tris 'ügaxXiovg iy 'Agyal yavtiXlas schreibe ich statt ano r. *H(>. eV ^AQyti ßittsiXila^^
2) So Sjnkells Kanon; Pseudeusebios mit Kastor 65. Malala und Eedrenos geben Atreua 12,
Thyestes 20 Jahre, aber Eratosthenes Hess sie gemeinschaftlich regieren.
3) Velleius gibt dem Orestes 70, seinen Söhnen 2 — 8 Jahre.
Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. III. Abth. 74
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570
Eroberung ergeben, wie Rohde gesehen hat, gerade 4 Generationen,
133 — 134 Jahre; diese werden vertreten von den Herakleiden Hyllos,
Kleodaios, Aristomachos und dessen Söhnen Temenos, Kresphontes und
Aristodemos. Wer zuerst so rechnete, dem endigten die 133 Ys Jahre
seit Herakles Tod = 80 seit Troias Fall mit dem Ende der Temenos-
generation, also nicht mit der dorischen' Einwanderung d. i. dem Anfang
des dorischen Krieges (p. 559) sondern mit seinem Abschluss, dem Ent-
stehen der Städte und Dynastien Korinth, Sparta und Argos; den Fehler,
die dorische Wanderung mit der späteren Gründung von Sparta und dem
Anfang des Eurysthenes in gleiches Jahr (1104) zu setzen, hat wahr-
scheinlich Eratosthenes zuerst begangen.
Africanus und Eusebios setzen das Ende des neunten Spartakönigs
älterer Linie Alkamenes in Olymp. 1, 1; dasselbe hatte schon Eratosthenes
gethan: denn Agesilaos, der sechste, regierte nach ApoUodor bei Clemens
Strom. I 327 zur Zeit Homers (944) 100 Jahre nach der ionischen Wan-
derung, wurde also von ihm ganz oder fast ganz so datirt wie von
Eusebios: 947 — 903 v. Chr. Ferner das 18. Jahr des Alkamenes fiel
nach ApoUodoros wie bei Eusebios auf 796 (p. 531). Die 328 Jahre von
1104 bis 776 bedeuteten in diesem System wohl ziemlich die ganze
Regierungsdauer der 9 ersten Könige: 322 gibt ihnen EphorosL, 325
Africanus und Eusebios. Die Unrichtigkeit dieser Datirung leuchtet von
selbst ein: denn Alkamenes starb erst im messenischen Kriege. — Die
Königszahlen der jüngeren Linie bei Diodoros (s. Eusebios I 223) gehören
sammt denen der älteren dem Ephoros; die eratosthenischen lassen sich
aber vielleicht mit Hülfe derselben wiederherstellen, weil wir sein An-
fangsdatum des Lykurgos, d. i. des Charilaos besitzen. Dieses setzte er
um 2, das des Prokies aber um 35 Jahre friiher als Ephoros, zählte
also hier 33 Jahre mehr; diese Generationszahl wird er dem von Ephoros
übergangenen Soos gegeben haben. Also 1104 Prokies 41. 1063 Soos 33.
1030 Eurypon 51. 979 Prytanis 49. 930 Eunomos 45. 885 Polydektes
und in demselben Jahr Charilaos. Hier kam wohl die Zählungsdifferenz
zwischen der attischen und der römisch - makedonischen Jahrform zum
Austrag. Sowohl Cicero^) rep. H 10 als Tatianos 41^ stellt Lykurgs
1) Dass er die apollodorischen Data aus Nepos hat, läset sich nicht erweisen: ep. ad Att.
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Gesetzgebung 108 Jahre vor Olymp. 1: für Cicero, d. i. Apollodoros ist
dies das zweite Jahr des Charilaos und Lykurgos, für den syrische q
Gewährsmann Tatians aber das erste, von Oktober 885 bis Oktober 884
laufend; eben in dieses Jahr aber setzt der Apollodoros des Porphyrios
bei Euseb. I 189, d. i. . Apollodors auf makedonische Jahrform umge-
setzte Rechnung den Anfang der Vormundschaft Lykurgs, Da in dem
attischen Jahr 885/4 zuerst Polydektes regiert hatte, so mugste die dem
Charilaos gehörende spätere Hälfte desselben in das makedonische Jahr
fallen, welches im Oktober 885 anfieng.
Das troische Datum des Eratosthenes liegt 500 volle Jahre vor dem
Anfang der attischen Jahresarchonten. Seine dorische Epoche 1104/3
ist dem Sosibios entlehnt; dadurch, dass er nicht wie dieser 67 Jahre
(2 Generationen) sondern mit älteren Vorgängern 79 von Agamemnons
Ende bis dahin zählte, erhielt er für Troias Fall 1184 3. Indem er die
dorische Einwanderung mit dem Ende des von ihr eingeleiteten Kriegs
zusammenwarf, dem Ephoros und Sosibios aber die Zuriickschiebung
Lykurgs entlehnte, verdarb er die spartanische Rechnung noch ärger
als diese und gab zu dem Irrthum Anlass, das Jahr 776 habe nicht
bloss chronologisch sondern auch geschichtlicli Epoche gemacht.
1171 Sosibios, Eastor.
I. Nach Varro b. Gens. 21 hat Sosibios 395, dagegen Eratosthenes
407 Jahre von Troia bis Olymp. 1 gezählt; nach attischer Jahrfonn
fiel ihm die Epoche in 1172/1. Clemens ström. I 327 schreibt: 'der
Lakone Sosibios^) setzt in seiner Chronik (h^ x^m^mv druyfimpfi) Homeros
in das 8. Regierungsjahr des Charilaos, Polydektes' Sohnes (366); nun
regiert Charilaos 64 Jahre (873 — 809), nach ihm sein Sohn Nikandros
39 (809 — 770); in dessen 34. Jahr wurde die \. Olympiade gefeiert/
Wenn Cato von Troia bis Roms Gründung 432 Jahre zählte» so folgte er,
da letztere ihm in 739 v. Chr. fällt, dem troischen Datum des Sosibios,
Xn 23 will er auf Apollodoros selbst zurückgehen und den Archilochoa beatimnit er anders
als Nepos.
2) Seine Handscbiiften und Eusebios ^xaroV, der ältere Auaachreiber Clemeni Umotf ni^wri-
xoyra; aus H ist wie sonst oft iV geworden und dies vor rofioStrsi uusgefallen.
1) Er schrieb unter Ptolemaios II Philadelphoa.
74*
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8. Rom. Gründungsdata. Rh. Mus. XXXV 30. Dasselbe gilt verrauthlich
von Aemilius Sura (p. 548) und von dem Chronisten, nach welchem Strabon
p. 239 vom Antritt des Ascanius bis zur Geschichte von Amulius und
Numitor, d. i. bis zur Geburt des Romulus 400 Jahre verlaufen liess;
wie Eusebios in den Notizen zum Kanon so setzt jener die Gründung
von Alba longa in den Anfang des Ascanius: xal tovtov {xov Aaxivov)
TfXturi^aarrog xal tov noTQog rov "Aaxaviov ^'AXßav xriaai.^) Femer von
Lactantius instit. I 23 ab excidio Troianae urbis coUiguntur anni
MCCCCLXX = epit. 24 sunt ab Ilio capto anni MCCCCLXX. Er schrieb
298 oder 299, epit. 43 Christus ante annos CCC natus (nämlich 2 v. Chr.),
vgl. inst. IV 10, 18, und um dieselbe Zeit wie sein Lehrer Arnobius,
der ebenfalls 300 Jahre seit Christus zählt (I 13. II 71); wozu es stimmt,
dass er dessen Werk nicht kennt: er citirt es nirgends und gibt eine im
apologetischen Interesse zugestutzte Zeitbestimmung des Gottes Saturnus,
in welcher er sich auf Theophilos beruft, über die in gleicher Absicht
von Arnobius gegebene aber nichts zu sagen weiss. Die Epoche 1171
setzt femer Joannes Antioch. fr. 72, 15 voraus: elal Ja dno rwy TifwixfSv
inl ^lovXiov KaLaaga iriaurol x^^^^*^ Qxd*.
Synkellos setzt Troias Einnahme auf Weltjahr 4331 = v. Chr. 1171
und zählt von da bis zur Gründung Roms Ol. 8, 1. 747 424 Jahre, s. Rom.
Gründungsdata p. 5. Hiezu stimmt, ein paar leichte Aenderungen voraus-
gesetzt, auch seine Peloponnesierliste: 1810 (Weltj. 3692) Inachos 56.
1754 Phoroneus 60. 1694 Apis 35. 1659 Argos 70. 1589 Kriasos 55.
1534 Phorbas 25. 1509 Triopas 36. 1473 Krotopas 24. 1459 Sthenelos
11.— 1438 (Weltj. 4064) Danaos 58. 1380 Lynkeus 35. 1345 Abas 37.
1308 Proitos 17. 1291 (Weltj. 4711) bis 1260 Akrisios 31. Wenn Syn-
kellos p. 294 als das letzte Jahr des Danaos unrichtig 4743 statt 4741
nennt, woraus ein Scholion mit einem neuen Missverständniss (4743 als
erstes Jahr des Nachfolgers nehmend) die falsche Jahrsumme 551 seit
Inachos ableitet, so hat er vergessen, dass zwischen Akrisios und dem
ersten Mykenaier eine Lücke liegt (p. 555), welche bei ihm 2, eigentlich
aber 3 Jahre beträgt: er setzt erst Weltj. 4244 Pelops 35. 4279 Atreus 33.
1) Vgl. Arnob. II 71 apud Albam regnatum est axrnie CCCC et prope bis denis. Roma
ducit annos L et M aut non multum ab bis minus. Beide datirten etwa: 1164 (p. 576) Ascanius
und Alba's Gründung, 764 Romulus Geburt, 747 Roms Gründung.
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4312 Agamemnon 18. 4330 Aigisthos, erhält aber dadurch 433 D statt
4331 für Troias Fall. Der ihm vorliegende Kanon hatte die Zahl 4245
(v. Chr. 1257) für Pelops, welche wegen der vorhergehenden Lücke, wenn
deren Betrag nicht angegeben war, leicht verdorben werden konnte.
Wir setzen also 1257 Pelops 35. 1222 Atreus 33. 1189 Agamemuon 18.
1171 Aigisthos. Hier begeht Synkellos einen neuen Fehler, indem er
Aigisthos bloss 5 Jahre gibt und so für Orestes den nunmehr doppelt
falschen Anfang Weltj. 4335 (statt 4338) erhält. Das Richtige ist: 1171
Aigisthos 7. 1164 — 1141 Orestes 23. Die Nachfolger des Orestes hat
Synkellos übersprungen; es folgt gleich von Weltj. 4423 ab die ältere
Herakleidenlinie von Sparta mit derselben Jahrsumme 325 und denselben
Posten wie bei Africanus und Eusebios: 1079 Eurysthenes 42. 1037 Agis L
1036Echestratos35. 1001 Labotes 37. 964 Doryssos 29. 935 Agesilaos 44.
891 Archelaos 60. 831 Teleklos 40. 791—754 Alkamenes 37. Vom Ende
Agamemnons bis zur dorischen Epoche, dem Anfang des Eurysthenes in
Sparta verlaufen hier 92 Jahre (1171 — 1079), ein befremdlich scheinender
Abstand, der aber seine Erklärung darin findet, dass Synkellos p. 334
neben jenen 325 Jahren gerade so wie Africanus und Eusebios noch eine
zweite Jahrsumme 350 für das Königthum von Sparta (und Korinth) gibt;
das Mehr von 25 Jahren ist vor Eurysthenes und Aletes einzustellen
(p. 559), es entspricht der Dauer des dorischen Eroberungskrieges. Dass
er sie weder aus Africanus noch aus Eusebios sondern aus einem besseren
System entlehnt hat, erhellt aus der Güte seiner Datirung. Nimmt man
die 25 Jahre von den 92 weg, so verbleiben für den ungestörten Bestand
der Mykenaierherrschaft nach Agamemnon 67 Jahre = 2 Generatio nen,
derselbe Zeitbetrag wie bei Ephoros, und das Datum, welches sich für
den Anfang des Dorierkriegs, die Einwanderung ergibt, ist (1171 — 67
oder 1079 + 25 =) 1104 v. Chr.^). Damit wird Sosibios als Vorgänger
des Eratosthenes in Aufstellung dieser dorischen Epoche erwiesen; zu-
gleich erhellt, dass dieses Datum derselben von Sosibios richtig auf die
dorische Einwanderung beschränkt worden war; während ferner bei Era-
tosthenes, Africanus, Eusebios das Ende der 350 Jahre unrichtig auf einen
früheren Zeitpunkt fällt als das Ende des letzten Vollkönigs AlkanieneSj
1) Vgl. zu Epoche 1153.
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574
ist die ursprüngliche und ächte Gleichzeitigkeit beider Schlusstermine nur
hier zu finden: im attischen Jahre 754/3 endigen die 350 Jahre und die
Herrschaft des Alkamenes.
IL Kastor (61 v. Chr.) hat Troias Eroberung weder, wie früher Gut-
schntid wollte und jetzt noch Geizer behauptet, auf 1193 noch, wie Brandis
und jetzt Gutschmid will, auf 1 183 gestellt sondern das Datum des Sosibios
angenommen, im üebrigen aber sich ziemlich selbständig verhalten.
L Seine Peloponnesierliste gibt Eusebios I 177 flF. Die Jahrsumme
der Inachiden und Danaiden von Argos gibt er, übereinstimmend mit den
Posteiij auf 382 und 162, zusammen 544 an; die der Pelopiden 105 ist
verdorben und in 160 zu verbessern: ein Abschreiber verwechselte RT
mit PE. Auf den letzten Argiver Akrisios folgt bei ihm sogleich dessen
Ururenkel (zur Motivirung vgl. Gramer Anecd. par. II 191) Eurystheus
mit 45 J., dann Atreus und Thyestes 65, Agamemnon 30, Aigisthos 17,
Orestes Tisamenos Penthilos und Kometes 58 bis zur Eroberung der
Peloponnesos durch die Herakleiden (1103 v. Chr.), von da 60 zur ioni-
schen Wanderung (1043), von dieser 267 bis zur 1. Olympiade. Hienach
würde die Jahrsumme der Pelopiden 170 betragen haben und Aga-
memnons Ende in 1178 v. Chr., die Einnahme Troias aber, wenn wir
das 18. Jahr Agamemnons, in welches Eusebios a. a. 0. dieselbe setzt,
mit Gutschmid für eine Angabe Kastors halten, in 1191 oder (18 voll
genommen) 1190 gefallen sein. Mit Recht erklärt Gutschmid, wie andere
vor ihm, die Zahl 17 des Aigisthos für einen Textfehler statt 7: an
dieser von Homer überlieferten Zahl konnte ein Grieche ebenso wenig
rütteln wie ein Jude oder Christ an den Zahlen der Bibel. Indem Gut-
schmid weiter die 30 Jahre Agamemnons in 33 verwandelt und den
Zusatz des Eusebios: cuius tempore anno XVIII Ilion captum est für
Ueberlieferung Kastors hält, gewinnt er für diesen das troische Datum
1184/3. Gegen die Aenderung ß3 spricht jedoch der Umstand, dass die
Jahrsumme der Pelopiden durch sie auf 163 kommen würde, eine Zahl
aus welcher 105 schwerlich verdorben ist; auch konnte die Behauptung,
dass Agamemnon nach der Einnahme Troias noch 15 oder (bei der über-
lieferten Zahl 30) 12 volle Jahre gelebt habe, wohl später ein Bibel-
gelehrter wie Africanus oder Eusebios aufstellen, nicht aber der Rhetor
von Rhodos; muss dieser um Homers willen dem Aigisthos 7, nicht 17,
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575
Jahre gegeben haben, so kann er aus demselben Grund auch dem Aga-
memnon nicht mehr Jahre nach Troias Fall gerechnet haben als es die
Odyssee erlaubt. Jene Notiz ist vielmehr ein Eigenthum des Eusebios,
Was dieser aus Kastor im Wortlaut mittheilt, sind fast bloss die Sum-
marien: diesen wörtlichen Auszügen lässt er in der Regel eine Andeutung,
dass sie das sind, vorausgehen oder nachfolgen, s. I 53, 35 — 55, 26,
173, 22. 177, 10. 183, 10; bei der AuflFührung der einzelnen Könige,
welche den Summarien von Sikyon, Athen, Argos-Mykenai folgt, thut
er das nicht, hier lassen sich mit Sicherheit bloss die Posten auf jenen
zurückführeix, während die synchronistischen Zusätze von Eusebios her-
rühren: z. B. die Regierung Josephs in Aegypten unter Apis, der Auszug
Mosis unter Triopas waren offenbar nicht von Kastor angegeben; diese
vde alle anderen Synchronismen treflfen zum Kanon des Eusebios, sind
demselben entlehnt und dort steht auch die Notiz vom 18. (bei Hieron-
verdorben 15.) Jahr Agamemnons als Datum der Einnahme Troias.
Die peloponnesische Rechnung Kastors lautete also: 1852 Inachoa 50.
1802 Phoroneus 60. 1742 Agis 35. 1707 Argos 70. 1637 Kriasos 54.
1583 Phorbas 35. 1548 Triopas 46. 1502 Krotopas 21. 1481 Sthenelos
11.— 1470 Danaos 50. 1420 Lynkeus 41. 1379 Abas 23. 1356 Proitos 17-
1339 Akrisios 31. — 1308 Eurystheus 45.— 1263 Atreus und Thyestes 65.
1198 Agamemnon 30. 1168 Aigisthos 7. 1161 Orestes und Nach-
kommen 58. 1103 Eroberung der Peloponnesos. 1043 ionische Wan-
derung. Das Datum 1103 (und 1043), statt wie bei Synkellös 1104,
erklärt sich daraus, dass bei diesem, nach der Uebereinstimmung mit
Eratosthenes zu schliessen, die attische Jahrform zu Grunde liegt, während
Kastor im Gebiet des makedonischen Kalenders schreibend, Ol. 1, 1 vom
Herbst 777 bis Herbst 776 laufen lässt: sein Jahr der dorischen Er-
oberung beginnt demnach Okt. 1104, vgl. p. 568. Bei Josephos g. Apion
I 22 setzt er die Schlacht von Gaza, welche um März 312 geschlagen
wurde, in das 11. Jahr seit Alexanders Tod und in Ol. 117, 1, rechnet
also wie Porphyrios dieses Jahr makedonisch vom Okt. 313 bis Okt* 312.
Die Frage, wie sich sein Todesdatum Agamemnons 1168 mit der troischen
Epoche 1171 verträgt, wird in Nr. 5 beantwortet.
2. Der falsche Eusebios nennt wie Kastor bei Euseb. I 55 als Nach-
folger Sardanapals einen zweiten Ninos und legt damit die Venuutbung
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576
nahe, dass er auch m andern Punkten jenen benützt habe. Seine Assyrier-
liste ist durch Lücken und andere Verderbnisse unbrauchbar gemacht
(p. 562); bessere Dienste leistet der Anfang seiner Latinerdynastie: Weltj.
4273^), V. Chr. 1235 Faunus 29. 1206 Latinus 27. 1169 Aeneas 5.
1164 Ascanius 39. Kastor rechnete 417 Jahre von Aineias bis zur
Gründung Roms (s. Epoche 1197 I 5) und setzte diese Ol. 7, 1. 752
(Okt. 753 bis Okt. 752): Eusebios I 295 zählt von Brutus bis Caesar
460 Jahre oder 95 Olympiaden, beginnend nach Ablauf von Ol. 67
(= 508 V. Chr.) und endigend mit Ol. 183, 1. 48, den Königen aber gibt
er 244, beiden Zeiträumen zusammen 704 Jahre =176 Olympiaden und
beruft sich dann auf die Uebereinstimmung mit Kastor; in dem Sum-
marium desselben, welches er dann ausschreibt, stehen richtig 244 Jahre
der Könige; dagegen die 460 Jahre der Republik sind von einem Ab-
schreiber, welcher nicht bedachte, dass Kastor bloss bis 61 v. Chr. ge-
gangen war, an Stelle der ächten 447 gesetzt. Aineias begann demnach
bei ihm genau in dem Jahre 1169, welches der falsche Eusebios an die
Hand gibt. Weiteres unter Nr. 5.
3. Das post bellum Troianum (Euseb. I 5) beginnende und mit Xerxes
Heerfahrt endigende Verzeichniss der seebeherrschenden Völker, welches
Diodoros bei Euseb. I 225 mittheilt, jpflegt man auf Kastor zurück-
zufuhren, welchem Suidas ßine eigene Schrift solchen Titels beizulegen
scheint; sein Text enthält jedoch einen Fehler, welcher folgendermassen^
zu verbessern ist: eyifatps Ja drayQaqy^y ßaaiXitüv (die Hdschr. Baßvlwvog)
xal rwr S-aXaaaoxifaTriaavxwv h ßißXioig ß>. Unter dva^Qacpri BaßvhSrog
könnte nur etwa ein Stadtplan von Babylon verstanden werden; bei
Clemens ström. I 336 haben aber die Hdschr. zweimal Baßvkwrog statt
ßaaiXewr. Kastor gestaltete den Titel seiner Chronik desswegen so weit-
läufig, weil die meisten Rubriken ihres Kanons Königsnamen aufzahlten,
1) Die Weltjahre des Pseudeusebios vorchristlicher Zeit sind durch Subtraction ihrer Zahl
von 5508 auf modernes Datum zu reduciren : Arbakes beginnt Weltj. 4692 = v. Chr. 816, ent-
sprechend den 256 Jahren, welche er den Medem gibt; Kyros 4948 = Ol. 55, 1. 560; Alexand»
regiert 12 Jahre 5172—5184, d, i. Ol. 111, 1. 336—114, 1. 324. Die Jahrform ist aber die by»n-
tinische, so dass der vorherg. 1. September die Epoche bildet: erstes Jahr des Seleukos d. l der
Seleukidenära 5197 = 01. 112, 2. 311, genauer Sept. 312 bis August 311.
2) Die Verbesserung ist schon von Gutschmid bei Flach zu Hesych. Ktiattufj vorweggenommeo;
statt ß' schreibt er ?\
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eine aber, die Liste der Seeherrscher, nur Namen von Völkern enthielt,
vgl. Ausonius profess. 22, 7 quod Castor cunctis de regibus ambiguis,
quod — ediderat Rhodope, nota tibi. Das erste seeherrschende Volk,
die Lyder, stellt der armenische üebersetzer des Kanons unter 1169
(Abr. 948), Hieronymus dagegen unter 1177 v. Chr. ein. Die Abweichung
zwischen beiden Uebersetzern wird bei der Datirung der folgenden Thalasso-
kraten noch grösser, nur ihre Dauer an sich ist textkritisch sichergestellt.
Mit den 92, 85, 79, 23, 25 (zusammen 304) Jahren der Lyder, Pelasger,
Thraker, Rhodier, Phryger erhalten wir für den Anfang der Kyprier, je
nachdem wir das eine oder das andere Datum der Lyder zu Grund legen,
entweder 865 oder 873 v. Chr.; im armenischen Kanon fehlen die Kyprier,
aber Hieronymus bringt sie unter 865, d. i. unter dem Datum, welches
genau dem armenischen der Lyder entspricht. Dies scheint dafür zu
sprechen, dass um 1169 das ächte Datum derselben fällt, Kastors troische
Epoche also auf oder kurz vor 1169 gestellt war.
4. Die Athener. Das Summarium Kastors bei Euseb. I 181 fg. gibt
den Erechtheiden von Kekrops an 450, dem Melanthos und Kodros 52,
den lebenslänglichen Archonten 209 Jahre. In der darauffolgenden Auf-
zählung der einzelnen Archonten finden diese Summen keine Bestätigung,
obgleich wir erwarten müssen, dass wie in dem sikyonischen und argivisch-
mykenäischen Verzeichniss so auch in diesem zwar die beigegebönen Syn-
chronismen von Eusebios selbst, die Königsnamen mit ihren Regierungs-
zahlen aber von Kastor herrühren. Diese Abweichung erklärt sich der
Hauptsache nach daraus, dass an vielen Stellen die Abschreiber die ihnen
aus dem Kanon als eusebisch bekannten Zahlen an die Stelle der bei
Kastor anders lautenden gesetzt haben; die attische Liste war solcher
Verderbniss am meisten ausgesetzt, weil sie den bekanntesten und vor-
nehmsten griechischen Staat betraf und daher grössere Beachtung ^) fand
als die anderen. Bei den lebenslänglichen Archonten jedoch ist auch die
Zahl des Summarium verdorben: der erste von ihnen, Kodros' Sohn Medon
würde dadurch erst in 962 v. Chr. zu stehen kommen. Man verwandelt
209 in 309; aber diese Summe lässt sich mit den Posten ohne Gewalt-
1) Tatianos 39 dnoSfiKytTni rovto ovrui^ t/oy ano rt rtjc rtSy *AtTiX(ov ßaatXf<av diaSo^rif
JUttxfdoyixüiy re xai UroXeuaiKüiy in 6e xai ^Avrioxtxvüv; Afiicanas bei Euseb. praep. X 10» 4 — 5.
Abb. d. 1. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. m. Abth. 75
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^^PW
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anwendung nicht in Einklang bringen. Ebenso sanft wie 309 ist die
Aenderung 290: wie bei Kekrops (Eus. I 183, 1) 5 aus 50 geworden ist,
so kann 9 aus 90 entstanden sein. Und diese Summe ergibt sich in der
That, wenn man bei jeder Verschiedenheit zwischen der armenischen
üebersetzung und den griechischen Excerpten die zum eusebischen Kanon
stimmende Lesart als gefälscht verwirft. Dann erhält man folgende
Datirung: 1043 Medon 8 (armen. 20, nach Zohrab jedoch 9, über der
Zeile 20). 1035 Akastos 36. 999 Archippos 19. 980 Thersippos 41.
939 Phorbas 30. 909 Megakles 30. 879 Diognetos 28. 851 Pherekles 19.
832 Ariphron 20. 812 Thespieus 7 (griech. 27). 805 Agamestor 17.
788 Aischylos 23; in seinem (vollen) 12. Jahr die 1. Olyrapienfeier.
765 Alkmaion 12 (armen. 2). 753 die sieben zehnjährigen Archonten 70.
683 Kreon der erste jährige Eponymos. — Bestätigung: nach Pausan.
VII 2. Aelian var. VIII 5 u. a. veranstaltete Neileus die ionische Aus-
wanderung schon unter Medon und zwar desswegen weil dieser ihm als
Nachfolger des Kodros vorgezogen wurde; dieselbe fällt demnach in den
Anfang des Medon. In vorstehender Liste trifft Kastors Datum der ioni-
schen Wanderung 1043 genau auf das 1. Jahr Medons.
Die Zahlen, welche Kastor den (eigentlichen) Königen gegeben hat,
lassen sich im Einzelnen aus Eusebios nicht herstellen, weil alle Ab-
weichungen vom eusebischen Kanon durch die Abschreiber verwischt sind.
Geizer, Kastors attische Königs- und Archontenliste (in der Festgabe an
E. Curtius, Histor. u. philol. Aufsätze 1884) hat die 450 Jahre der
Erechtheiden treffend gegen die Abweichungen, welche das Summarium
in der Ueberlieferung des eus. Kanons aufzeigt, vertheidigt, hätte aber
consequ enter Weise auch die 52 des Melanthos und Kodros der aus
Eusebios eingeschwärzten Variante 58 vorziehen sollen; freilich braucht
er die 58, um sein troisches Datum Kastors, 1193 v.Chr., zu gewinnen.
Die 450 findet er bei Pseudeusebios wieder, dessen Königszahlen von
Kekrops bis Melanthos exclusive zwar nicht die Summe 450 sondern
449 ergeben, bei Einsetzung des fehlenden Apheidas aber, der überall
1 Jahr regiert, in der That auf 450 kommen. Dieser Einsatz ist jedoch
keineswegs so sicher und noth wendig, wie er glaubt: nach Nikolaos von
Damaskos fragm. 50 (d. i. nach Ephoros) ist Apheidas der ihm gebühren-
den Nachfolge nicht theilhaftig geworden. Immerhin könnte er bei Pseud-
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m
eusebios ausgefallen sein; aber die Summe 450 würde dabei doch nicht
erreicht: denn dann ist sein Jahr in einem andern Posten mitgezählt.
Die Posten der attischen Liste des Pseudeusebios stimmen nämlich genau
mit der Summe 849 zusammen und diese wird dadurch bestätigt, dasa '
als Anfang der Dynastie und des Kekrops das 10. Jahr der Moabiter-
herrschaft, als Ende aber Weltjahr 4812 und (dazu stimmend) das 32. Jahr
des Manasse angegeben ist: das 10. Jahr der Moabiter entspricht nach
der trefflichen Ergänzung der jüdischen Rechnung des Pseudeusebios,
welche Gutschmid geliefert hat, dem Weltj. 3963, von wo 849 Jahre bis
4812 verlaufen. Diese Summe 849 ergibt sich vollkommen genau auch
aus den Posten, wenn man die 3 Jahre des Erechtheus und die 17 des
Archippos im griech. Texte Mai's als Druckfehler ansieht und mit dessen
üebersetzung 50 und 16 an ihre Stelle setzt. Es dürfen also nur solche
Aenderungen vorgenommen werden, welche an der Summe keine Aen-
derung hervorbringen: wenn z. B. Apheidas wirklich ausgefallen sein
sollte, dann ist sein Jahr in den 10 seines Nachfolgers untergebracht,
welchem andere Listen 9 Jahre geben. Eine Compensation dieser Art
ist nachweislich bei Kodros und Medon vorgekommen. Keiner von beiden
kann in der Liste gefehlt haben; diese gibt aber bloss Korax (d. i. Kodros)
mit 20 Jahren, d. h. die 21 des Kodros und der Name des Medon sind
ausgefallen, die 21 finden sich aber bei Oxyntes wieder, dem Pseudeu-
sebios 31 Jahre gibt: er hat bei Synkellos und wahrscheinlich bei Afri-
canus 10, bei Eusebios 12; der Abschreiber vereinigte offenbar die 10
mit den 21 zu 31. Hieraus folgt, dass Pseudeusebios den Erechtheiden
weder mit Kastor 4 50 noch auch 449 sondern 428 Jahre gegeben hat,
eines weniger als Eusebios; seine attische Liste ist in Wahrheit von
Demophon ab ^) dieselbe, welche in der Chronik von Paros vorausgesetzt
wird, s. unter 1207.
Der Gedanke Geizers ist an sich gut, nur zu weit ausgedehnt: die
Zahlen der Könige vor Demophon bei Pseudeusebios stimmen nicht zu
den Daten der parischen Chronik und würden, Demophons Anfang auf
1206 gestellt, den des Kekrops auf 1602 bringen. Dass sie von Kastor
1) Der JJeherg&Tig zu einer andern Liste und der Abstrich eines Jahres (Nr. 5) hängt wghl
mit dem Datum der ZersU^rung Troias zusammen.
75 •
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herrühren, beweist das Datum, welches er dem Kekrops gibt: Weltj.
3963, V. Chr. 1545. Hat Eastor den Anfang der lebenslängUchen Ar-
chonten auf 1043 gestellt, so muss ihm Melanthos (52 Jahre früher)
1095, Kekrops aber (450 Jahre vorher) 1545 v. Chr. begonnen haben.
Aus Pseudeusebios gewinnen wir dann folgende Datirung: 1545 Kekrops 30.
1515 Kranaos 9. 1506 Amphiktyon 10. 1496 Erichthonios 53. ,1443
Pandion 40. 1403 Erechtheus 50. 1353 Kekrops II 43. 1310 Pandion
II 29. 1281 Aigeus 48. 1233 Theseus 34. 1199 Menestheus 29. 1170
Demophon.
5. Die Troiafahrer Agamemnon und Menestheus endigen bei Kastor
1168 und 1170; Aineias, der bald nach dem Falle Troias in Italien
landet, wird bei ihm 1169 Latinerkönig; die erste, ebenfalls bald nach
jenem Ereigniss entstandene Thalassokratie scheint er auf dasselbe Jahr
1169 gestellt zu haben. Das alles führt darauf, dass er sich in Beziehung
auf jene Epoche an Sosibios angeschlossen hat. Die 5 Jahre (1169 bis
1164), welche Pseudeusebios d. i. Kastor dem Aineias als Latinerkönig
gibt, finden wir bei Dionysios ant. I 64 fg. insofern wieder, als dort Aineias
in Latium 2 Jahre über die Troer, 3 nach Latinus Tod über beide
Völker regiert, und schon vor diesem bei dem Annalisten Cassius Hemma
(Solinus 2, 14), welcher ihn 2 Jahre mit Latinus, 3 allein regieren Uess.
Bei Cassius und bei Dionysios landet Aineias 2 Jahre nach Troias Fall:
wenden wir diese auf das Datum Kastors für seine Landung an (1169),
so erhalten wir für Troia wirklich 1171. Das nämliche Datum ergibt
sich, wenn Kastor den Fall Troias, was die parische Chronik wirklich
thut, nicht in das letzte sondern vorletzte Jahr des Menestheus = 1171
gesetzt hat. Diese Abweichung von der herrschenden Ansicht rührt viel-
leicht davon her, dass man neu entstandene Sagen berücksichtigte, nach
welchen Menestheus von Troia weg vor seinem Tode noch verschiedene
Städte gegründet hatte: Elaia im nachmaligen Aiolis (Strab. 632), Sky-
lakion in Unteritalien (Strab. 261); manche Hessen ihn auf Melos sterben
andere führten ihn bis nach Hispanien. Aehnliches gilt von Agamemnon:
auf Kreta stiftete er nach Velleius I 1 die Städte Mykenai, Pergamon,
Tegea, nach Zenobios V 50 und Steph. Byz. Lappa. Hiezu würde an
sich ein Jahr genügt haben, aber bei Kastor fällt Troias Eroberung in
das drittletzte Jahr Agamemnons. Dies beruht auf einigen Stellen der
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Odyssee, welche in Widerspruch mit anderen die Ermordung des Aigisthos
durch Orestes nicht 7 sondern 9 — 10 Jahre nach Troias Fall setzen.
Im 10. Jahr der Irrfahrten des Odysseus wird in der Götterversammlung
dieses Ereigniss als die Neuigkeit des Tages besprochen, « 43 vvy (T dS^Qoa
navj änhiaey, vgl. die Erklärer über a Sb (og xai vvy At/ioS^og u. s. w.
Menelaos, der am Tage der Ermordung heimkam, ist in demselben 1 0. Jahr
so eben eingetroffen, j' 318 xelvog yap äXlo&ev ellrjlovd^ev. Da die wider-
strebenden Stellen keine ausdrückliche Angabe entgegensetzen, so hat
man wohl auch sie in diesem Sinn interpretirt, z. B. die 7 jährige Raub-
fahrt des Menelaos (tJ 80. y 305), in deren Zeit Agamemnons Ermordung
fiel (/ 303. ^ 90), konnte man mit einem gewissen Schein nach seinem
kretischen Aufenthalt anfangen lassen, wofür die Erzählung y 291 — 301
im Zusammenhalt mit der Aufzählung der geplünderton Küstenländer
(^ 83 — 85 einigen Anhalt bot, und (T 82 rjyay6iu]y musste dann im Sinn
von mecum portavi, nicht von reportavi erklärt werden.
Wie Sosibios so zählt auch Kastor 68 Jahre vom Jahr der Ein-
nahme Troias bis zur dorischen Epoche*): zu den 65 nach Agamemnon
kommen jetzt noch die drei letzten desselben. Auch die 25 des dorischen
Krieges bei Sosibios finden wir vielleicht bei ihm wieder. Den Karneios-
priestern von Sikyon zählt er 33 Jahre, den Betrag einer Generation,
1161 — 1128, Euseb. I. 176 fg., und schreibt von Charidemos, dem letzten:
ovx vno/iisiyag rrjy (fandyrjv h'cpvye. Wenn dessen Vorgänger den Auf-
wand 1, 1, 4, 6, 9, 12 Jahre lang hatten aushalten können, warum nicht
auch er, da doch für den einen wie für den andern durch Zuweisung
eines TijLisyog gesorgt sein musste. Es war eben die Stadt jetzt in die
Hand der Dorier gefallen, deren Führer Phalkes Temenos' Sohn sich dem
König Lakestadas als Mitregent aufdrängte (Pausan. II 6); die fürstliche
Ausstattung desselben kam dann wohl zum grösseren Theil auf Kosten
des Hohenpriesters zu Stande. Hienach entfällt bei Kastor 1171 die
Zerstörung Troias, 1128 die dorische Einwanderung, 1103 der An-
fang der Könige von Sparta; wie bei Eratosthenes kommt bei ihm
dann der Tod des Alkamenes in eine frühere Zeit als die Einführung
des Ephorats.
1) Nur das8 diese (llOi/3) bei Sosibios den Anfang^, bei Kastor das Ende des Dorierkrieges
bildet.
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582
1168 bei Orosius.
Rom Ol. 6 gegründet, 414 Jahre nach Troia, Oros. II 4; Roms Ein-
nahme durch Alarich (24. Aug. 410) im 1164. Stadtjahr, Or. II 3. VII 40.
Die Gründung also^) Olymp. 6, 2. 755/4 (21. Aprilis), der Fall Troias
1169/8 und Helenas Raub (430 Jahre vor Rom, Or. I 17) 1185, genauer
gesprochen 1185/4. Dieser war nach Homer £1 765 im 20. Jahre vor
Troias Fall geschehen, das Intervall von bloss 16 Jahren bei Orosius
setzt einen Gewährsmann christlicher Zeit voraus, vgl, das 13 jährige des
Chronisten von 886 bei Gramer An. par. II 197. Die zahlreichen Data
mythischer Zeit, welche Orosius beibringt, haben viel Aehnlichkeit mit
den eusebischen, sind aber keineswegs mit diesen identisch oder aus ihnen
entstellt, vgl. zu 1059. Die Ogygesfluth 1040 Jahre vor Rom (I 7), also
1795 wie bei Africanus; das Ende Sardanapals 64 vor Rom (I 19), d. i.
819 wie im eusebischen Kanon. Das troische Datum entspricht dem
Todesjahr Agamemnons bei Kastor.
1153 (Hellanikos).
Aus dem Kanon des Synkellos gewinnen wir folgende Liste attischer
Regenten: 1539 Kekrops 50. 1489 Kranaos 9. 1480 Amphiktyon 10.
1470 Erichthonios 50. 1420 Pandion 40. 1380 Erechtheus 50. 1330
Kekrops II 40. 1290 Pandion II 25. 1265 Aigeus 48. 1217 Theseus 31.
1186 Menestheus 33. — 1153 Demophon 23. 1130 Oxyntes 10. 1120
Apheidas 1. 1119 Thymaites 9.— 1110 Melanthos 37. 1073 Kodros21.—
1052 Medon 20. 1032 Akastos 35. 997 Archippos 19. 978 Thersippos 40.
938 Phorbas 30. 908 Megakles 28. 880 Diognetos 28. 852 Pherekles 19.
833 Ariphron 20. 813 Thespieus 27. 786 Agamestor 17. 769 Aischylos 14.
755 Alkmaion 2. — 753 die 1 0 jährigen Archonten 70. 683 Kreon der
erste jährige Archon. Das letzte Jahr des Menestheus, in welches Syn-
kellos (p. 325) die Zerstörung Troias setzt, ist 1154, genauer 1154/3.
Die Datirung, welche er den Königen gibt, ist verkehrt (s. u.) ; die obige
beruht darauf, dass die Jahresarchonten Ol. 24, 2. 683 eingesetzt worden
1} Wie bei Vergilius u. a., s. zu 1096. Nach Obenstehendera sind die p. 539. 54S auf Grund
der varronischen Gründungsepoche Olymp. 6, 3 angesetzten orosischen Data um 1 Jahr hinauf-
zurucken.
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sind. Dieses bisher allgemein anerkannte Datum wird von Geizer (Kastors
att. Königs- und Archontenliste, 1884) in Frage gestellt und nur für die
parische Chronik (420 Jahre von Kreon bis Diognetos incl.) und Eusebios
(Abrah. 1334) anerkannt, ein besonderes Gewicht aber darauf gelegt, dass
Synkellos nur Ol. 19 und 25, nicht Ol. 24 als Varianten für Kreons Zeit
anführt; diesen habe Pausanias 687, Dionysios v. Halik. und Africanus 682,
Kastor 681 gesetzt. Wir finden keine andere Abweichung von 683 als
die des Synkellos und wie wenig diese selbst im Sinn Geizers werth sein
kann, geht daraus hervor, dass auch die angeblichen Data 687, 682 und
681 weder in Ol. 19 noch Ol. 25 fallen. Die attische Liste des Africanus
im Barbaras gibt 907 Jahre von Kekrops bis zum Ende des letzten
10 jährigen Archonten, den Kekrops aber setzt sie 1590 (p. 551); bei
Synkellos p. 400 ferner zählt Africanus 903 Archonten von Kreon bis
zu Philinos, unter welchem er schrieb, und zum Consulat des Gratus und
Seleucus (221 n. Chr.). Philinos regierte aber 220/1, nicht 221/2: Geizer
hat übersehen, dass Afr. zugleich das dritte Jahr Elagabals angibt, welches
vom 16. Mai 220 bis 15. Mai 221 läuft, und die 250. Olympiade, auf
welche sich G. beruft, fängt bei Africanus, dessen Jahrform die syro-
makedonische ist (Philol. Anzeiger XI 83) im Oktober 220, nicht Juli
221 an. Nicht berücksichtigt hat er den von Africanus und Eusebios
unabhängigen Chronisten von 886, welcher Kekrops 1558 stellt und von
da 775, von Olymp. 1 aber 83 Jahre bis Kreon zählt, Gramer II 188.
Wenn Dionysios, ohne Zweifel nach Eratosthenes Vorgang, den Anfang
der 10 jährigen Archonten nicht 753 sondern 752 setzt, so folgt daraus
nicht, dass bei ihm Kreon 682/1 regiert sondern dass einer der 10 jährigen,
Hippomenes nach Nikol. Dam. fr. 51, (1 Jahr) vor Ablauf seiner Zeit
abgesetzt worden ist. Pausanias, der wie bekannt viele falsche Data
gibt, hat aus Flüchtigkeit oder in Folge von Benutzung einer fehler-
haften Liste die 4 Archonten einer Olympiade zweimal gezählt: Chionis,
dreimal Stadionike Olymp. 29, 30 und 31, siegt bei ihm (IV 23, 5)
Ol. 29 zum zweiten und (III 14, 3) Ol. 31 zum vierten Mal. Endlich
Kastors Rechnung wendet G. unrichtig auf die älteren Archonten des
Pseudeusebios an (p. 579) und bringt auch hiebei Kreon nur dadurch auf
681, dass er das Ende des Menestheus (in Wahrheit 1170) auf die ver-
meintlich kastorsche Epoche Troias 1193 stellt.
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584
Syiflcellos setzt den Anfang des Kekrops auf W*eltjahr 3945, d. i.
1557 V. Chr.: denn das Weltjahr 1 der vorchristlichen Zeit fällt ihm,
wie schon Boeckh sah, auf 5501 v. Chr. und Olymp. 1, 1 vergleicht er
mit dem 50, Jahr des jüd. Königs Ozias (üsia) 4726. Mit den 786 Jahren,
welche er den lebenslänglichen Regenten zählt, kam er djiher für die
zehnjährigen auf Weltj. 4731 und mit den 70 Jahren derselben für Kreon
auf 4801 (die Hilschr. falsch 4804), d. i. auf 701 v. Chr., was der von
ihm angegebenen 19. Olympiade (704 — 700) entspricht. Wenn er dazu
alg Variante Ol. 25 anzugeben scheint, so ist das als Schreibfehler st. 24
anssusehen: denn selbst wenn es Varianten gegeben hätte, würde er doch
Oh 24 als die am stärksten vertretene genannt haben, um so mehr als
er diese in mindestens zwei seiner Hauptquellen (Africanus und Eusebios)
vorfand. Zu seiner falschen Datirung ist Synkellos dadurch gekommen,
da SS er seinen Kanon aus Listen verschiedenen Ursprungs zusammen-
- setzte, ohne zu erkennen dass die Schöpfer derselben nicht die gleiche
troische Epoche voraussetzen: indem er die für Ilions Fall massgebende
Liste, die argivisch-spartanische dem Sosibios entlehnte, dessen troisches
Datum 1171 er richtig mit Weltj. 3331 gleicht, dem entsprechend aber
auch das Ende des attischen Königs Menestheus auf Weltj. 3331 (statt
3349, V. Chr. 1153) brachte, bekam er für diesen und damit für die
ganze attische Liste eine um 18 Jahre zu hohe Datirung, Kekrops kam
auf 1557 und Kreon auf 701 v. Chr.
Im VI, Jalirhundert n. Chr. fanden wir die Epoche 1153 von Hesy-
chios, etwa im IL von dem falschen Herodot benützt; die nächste sichere
Spur derselben bietet Trogus Pompeius bei Jordanes Get. 10, nach welchem
vom Tofle des Telephos, d. i. vom letzten Jahr des troischen Krieges bis
zu dem unglücklichen Massagetenkrieg des Kyros fast 630 Jahre ver-
Hossen sind. In der Phoinikergeschichte des Trogus ist eine zweite
troische Epoche (1197), in der latinischen ein drittes Datum (1096) vor-
ausgesetzt; letzteres scheint sein eigenes zu sein, die zwei andern sind
der jeweiligen Quölle entlehnt. In seiner Persergeschichte ist, wie Wolff-
garten gezeigt hat, Deinon mindestens stark benützt; die Meinung, dass
EphoroB dort seine Hauptquelle sei (Otto Neuhaus, Progr. Hohenstein
1882 und 1884), passt nicht zu dessen troischer Epoche. Deinons Zeit-
genosse Theopomps bedient sich, wie bei Archilochos gezeigt wurde, eben-
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585
falls der Epoche 1153; vielleicht auch Deinons Sohn Kleitarchos. Nach
Clemens ström. I 337 hätte dieser mit Timaios 820 Jahre vom Hera-
kleidenziig bis Archon Euainetos (111, 2. 335/4) gezählt, also vielmehr
die dorische Epoche auf 1154/3 gesetzt. Das ist von Kleitarchos nicht
glaublich. So hoch hinauf konnte diese bloss setzen, wer wie Timaios
dem Falle Troias das unsinnig frühe Datum 1333 gab; dieses ist von
Timaios zuerst und wahrscheinlich nur in Folge Missverstands aufgestellt
worden, Kleitarchos aber schrieb*) vor Timaios. Auch ist schwer zu
begreifen, wie er dazu gekommen sein soll, die Heerfahrt Alexanders
, mit der dorischen Wanderung zu vergleichen. Clemens will das hohe
Alter der jüdischen Geschichte gegenüber der hellenischen verweisen,
insbesondre das ihres staatlichen Anfangs, der Wanderung unter Moses,
gegenüber dem Anfang der dorischen Geschichte. Das Datum des letz^teren
gibt er in der Form seines Abstandes von Alexanders Zug, gleichfalls
dem Ursprung eines neuen Weltreichs, aus vier Schriftstellern, deren ge-
schichtliche oder chronologische Werke mit oder vor dem Dorierzug an-
fiengen: aus Ephoros und Timaios, Phaneias und Eratosthenes. Wenn er
den Duris, welcher doch die Jahrrechnung des Timaios angenommen
hatte, nicht in Verbindung mit diesem sondern als Zeugen für die Ent-
fernung des Troerkriegs von Alexanders Heerfahrt anführt, so erklärt
sich diese auffallend erscheinende Abweichung offenbar daraus, dass Duris
nur die Geschichte von 370 bis in seine Zeit beschrieben und beim
Jahr 334 den Alexanderkrieg passend mit dem Troerkrieg in Parallele
gesetzt hatte. Nach dem Heereszug des Xerxes, welchen Herodot und
andere als einen grossen Völkerkampf zwischen Europa und Asien mit dem
in gleicher Weise vom Schiffkatalog aufgefassten Troerkrieg verglichen
hatten, war jetzt ein dritter Weltkrieg dieser Art geführt worden, der
aber dem troischen noch näher kam als der Perserkrieg, weil in jenen
beiden Europa der angreifende Theil war. Kleitarchos beschrieb, die
Persergeschichte seines Vaters gewissermassen fortsetzend, die Geschichte
Alexanders; auch er hatte keinen Anlass, die Dorierwanderung, um so
1) Nach 804, wie aus Arrian anab. VF 11, 8 erschlossen worden ist, und, wie aus derselben
Stelle wahrscheinlich wird, ehe die von König Ptolemaios I verfasste Geschichte der Feldzüge
Alexanders erschienen war; Timaios schrieb nach 264, dem Schlussjahr seines Werks.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 76
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586
besseren aber, den Troerkrieg in Vergleich zu ziehen. Die 820 Jahre
abeFj welche von der troischen Epoche 1153 bis 334 verflossen, hat
Cleuiens, getäusclit dadurch dass 820 Jahre auch Timaios, aber von dem
Herakleidenzug bis dahin gezählt hatte, irriger Weise auf denselben Aus-
gangspunkt übertragen; auch die 774 Jahre, welche er den Eratosthenes
von der Wanderung bis Alexanders Zug rechnen lässt, beruhen wohl auf
einer Verwechslung dieses Ereignisses mit der alles entscheidenden Arbela-
ßcblacht (1104—331 incl.).
Bei Thukyd. V 116 weigern sich Sommer 416 die Dorier von Melos
die Freiheit ihrer Stadt, noUiüg inraxoaia hri ij^rj olxovjueyi]g, an Athen
preiszugeben ; hienach hätte der Geschichtschreiber die Gründung von
Melos in oder (die 700, zumal in einer Rede als runde Zahl genommen)
um 1115 gesetzt. Die Auswanderung nach Melos wurde in der dritten
Generation seit dem Dorierzug in dem nämlichen Jahre wie die ionische
Wanderung und die ^) der Dorier nach Rhodos ins Werk gesetzt, Konon 47
bei Photios cod, 18G. Hienach würde Thukydides, da er 112 die dorische
Eroberung der Peloponnesos wie Eratosthenes in das 80. Jahr nach Troias
Fall und wohl auch wie Ephoros, Eratosthenes und Kastor 60 Jahre
später die ionische Wanderung set^t, die troische Epoche auf 1254 ge-
bracht haben; was wir nach dem unter 1270 Gesagten für durch-
aus unwahrscheinlich halten müssen. Thukydides hat, wie uns scheint,
U^xuata geschrieben, was auch an andern Orten, z. B. bei Plutarch.
AgesiL 31 in turaxoGia verdorben ist. Dann liegt auch bei ihm die
troieche Epoche 1153 zu Grunde und ist für die dorische das Jahr 1074,
für die ionische 1014 vorausgesetzt. Auch Isokrates scheint, wenn er
im Archidamoß c. 4 von dem «V enraxooioig treai erworbenen Ruhm und
in der Rede vom Frieden c. 32 von dem inTaxooiois eieai genossenen
Glücke Spartas spricht und beidemal die leuktrische Schlacht zum End-
punkt nimmt, also die Gründung des spartanischen Staates um 1071
setzt, für die dorische Eroberung das Jahr 1074 ins Auge zu fassen;
doch könnte er auch an 1069 (troische Epoche 1148) gedacht haben.
Uebrigens vgh zu 1096.
Wem verdankt Thukydides die oben erwähnten und die andern Data
1) Dieae galt wie die ionische für eine Folge der Aufopferung des Kodros, Strab. 653.
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der älteren Geschichte, welche er in der Einleitung seines Werkes vor-
trägt? Nach U. Köhler, Archaiologie des Thuk. (Comraentatt. in hon*
Mommseni 1877) dem Hellanikos, dessen Atthis er I 97 citirt. Seinen
Hauptgrund zwar vermögen wir nicht stichhaltig zu finden: wenn I 8
die Erklärung der Atreidenherrschaft über Mykenai mit Xiyovai xal oi
ra aaipiörara UtXonovvrioiiDv f^y^j^fi na^a töjv nQOTBQov ch(feyfi€i'oi ein-
geleitet wird, so scheint hier nicht ein Lesbier wie der Vf. der Uqhui
TTjg "H(}ag sondern ein Peloponnesier, am ersten ein Argiver und xwar
Akusilaos gemeint zu sein^); indess der Umstand, dass nur hier die Quelle
angedeutet wird, während über andere von Thukydides als unbezweifelte
Thatsachen behandelte Punkte z. B. über das Datum der Wanderungen
die stärksten Differenzen bestanden, scheint darauf hinzuweisen, dass er
seiner gewöhnlichen Quelle hier untreu geworden ist und sich daher
mit einer betreffs dieses Punktes höheren Autorität zu decken sucht. So
citirt er auch den Hellanikos I 97 nur, weil er dort von ihm abweicht^),
und lässt uns vermuthen, dass in anderen Dingen ihm sein Ansehen um
80 höher stand. Jedenfalls hat Hellanikos^) die Zerstörung Troias in die
Mitte des XII. Jahrhunderts gesetzt: in dieses fällt die Epoche des Phi-
listos, welche der seinigen nahe stand oder gar mit ihr identisch war
m
(s. zu 1147), und die Ansiedlung der Aioler auf Lesbos setzte er 100 Jahro
nach dem Tode des Orestes, fr. 114 bei Tzetzes zu Lykophr. 1374, Diese
geschah dem Schöpfer der Epoche 1153 zufolge 130 Jahre nach der-
selben, 1024 V. Chr., und es ist schon p. 541 bemerkt worden, dass dieses
Datum sammt den verwandten der andern aiolischen Stadtgrünilungen
einen guten Gewährsmann verräth; man darf auf einen Aioler rathen,
einen Vorgänger des Ephoros, welcher ihm zu Gunsten Kymes Opposition
zu machen scheint. Aigisthos regierte 7, Orestes nach Synkellos (wahr-
scheinlich Sosibios, p. 573) 23 Jahre, dazu die 100 bei Hellanikos von
1) üeber ihn vgl. C. Frick, Beiträge zur griech. Chronologie. Progr. Höxter 18S0. Die
Ogygesfluth hat er, wie eine genauere Betrachtung von Euseb. praep. ev. X, 4—5 lehrt, entweder
gar nicht oder anders als Hellanikos (1020 J. vor Oljmp. 1) datirt.
2) Die Quellen anzuführen hatte er dort, in der Geschichte der Pentakonteteris, keinen Anlasa.
3) Die Aufstellungen von Brandis, temp. ant. gr. rat. 12 sqq. über Hellanikos und Philo*
cboros ermangeln einer bezeugten Grundlage und die hiefür verwendete attische Rechnung, welche
er dem Barbarus beilegt, ist unrichtig.
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seineni Tod bis zur Landung des Gras auf Lesbos, so erhalten wir
die 130.')
Das Datum dieser Epoche liegt 400 Jahre vor Einfuhrung der
Ephoren in Sparta Ol. 6, 4 lakon. Stils = Okt. 754 — 3, durch welche
die Beschränkung des Herakleidenkönigthums verewigt wurde, und dem
ähnlichen Vorgang Ol. 6, 4 att. St. = 753/2, welcher die lebenslängliche
Regierung der Kodriden in eine zehnjährige umwandelte.
1147 (1148) bei Eutropius.
Eutr, I 1 Romulus urbem constituit olympiadis sextae anno tertio,
post Troiae excidium*^) trecentesimo nonagesimo quarto. Philistos setzte
in der ersten, bis 363 reichenden Abtheilung seiner Geschichte Siciliens
die Gründung Carthagos 50 Jahre vor Troias Einnahme, Appian Pun. 1
(ohne Angabe des Gewährsmannes, welchen Eusebios zu Abr. 803 nennt).
Das wahre Datum der Gründung, 38 Jahre vor Olymp. 1, hat erst
Tiiiiaios ermittelt, Chronol. d. Man. 214; der Irrthum des Philistos er-
klärt sich (Rh. Mus. XXXV 31) aus der Bedeutung des Ortsnamens: er
verwechselte die 'Neustadt' bei Utica mit der Neustadt von Tyros und
dass diese gemeint ist, beweisen die Gründernamen: Zoros (Zor = Tyros)
und Karchedon bei Appianus und Eusebios: diese werden überall durch
Personification nicht der Metropole sondern der neuen Niederlassung her-
gestellt Neutyros wurde 1199 oder 1198 gegründet (p. 564). Wer wie
Ephoros die dorische Epoche 1069 setzte, von ihr zurück zu Troias Fall
aber mit Thukydides das 80. Jahr zählte, der kam mit jenem Ereigniss
in 1148. Nach Philistos bei Dionys. ant. I 22 wanderten die Sikeler
im achtzigsten Jahr vor dem Troerkrieg aus Unteritalien nach Sicilien;
also in der dritten Generation vorher, in welche diese Wanderung aus-
drücklich von Hellanikos versetzt wird, s. Dionysios ant. a. a. 0. Ohne
1) Melanthos siedelte nach Hellan. fr. 10 bei Schol. Plat. p. 376 'HQaxXftSöSy iniovxujv aus
Meaaene nach Athen über, während bei Synkellos er schon 1110, also 36 Jahre vor der dorischen
Wanderung (1074) hier König wird. Man kann indess an einen der früheren Herakleidenzüge
gegen die Peloponnesos denken.
2) Er setzt hinzu: ut qui plurimum minimumque tradunt, d. i. nicht mehr und nicht weniger
Tgl. X 18 Joviimus decessit aetatis, ut qui plurimum minimumque tradunt, tertio et trigesimo anno.
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Zweifel^) haben beide Schriftsteller das gleiche Datum im Auge; war
dies der Fall, so lag auch die troische Epoche des Philistos nicht weit
von der des Hellanikos oder sie war mit ihr identisch. Das älteste von
Philistos erzählte und datirte Ereigniss lag über 800 Jahre vor der
Eroberung von Akragas (Ende 406), Diod. XIII 103, also vor 1206;
dies ist aber wahrscheinlich die Sikelerwanderung gewesen: denn die
der Sikaner scheint nicht genauer bestimmt gewesen zu sein, manche
hielten sie für Autochthonen. Das 80. Jahr vor Anfang des Troerkriegs
wäre dann 1237. Bedenklich erscheint, dass die Notiz des Eusebios und
Synkellos: Kafjxrj^oya (prjal 4>iliaTog xrioS^^vai vno Zcopoi; zal Ka^xridovog
Tiöy TvQicoy von Hieronymus (der Armenier hat sie nicht) imter Abr. 803
= 1214 V. Chr. (bei dem Syrer Dionysios unter 802) steht; doch ist
hier jedenfalls eine der zahlreichen Verschiebungen anzunehmen: denn
50 Jahre nach 1214 findet sich keine troische Epoche und die nächste
Notiz (Olympienstiftung 430 Jahre vor Ol. 1, 1) steht bei Abr. 805
ebenfalls am unrechten Orte.
Möglicher Weise gehört hieher die dorische Epoche des Isokrates
(1069? p. 586), und wahrscheinlich die troische des Demokritos, welcher
laut Diog. La. IX 41 seinen kleinen Diakosmos 730 Jahre nach Ilions
Einnahme verfasst zu haben versicherte. Hat Hellanikos die Epoche 1153
geschaffen^), so lässt sich an diese nicht denken, obgleich sie ein pas-
sendes Abfassungsjahr (424) ergeben würde: denn das hier einschlagende
Hauptwerk des Hellanikos, die Herapriesterinnen von Argos, reichte min-
destens bis 429 einschl., vgl. fr. 52 bei Steph. Xaoyia mit Thuk. II 80,
Müller fr. bist. IV 635. Zu der Lebenszeit des Demokritos (493 — 404)
passt aber ausser jener Epoche nur noch die von 1148, welche die Ab-
fassung des Buchs in 418 bringt.
1) Thukydide8 VI 2 setzt die Wanderung um 10'33.
2) Schon vorgefunden hat er sie schwerlich: es stehen ohnehin fflr die sehr alten Epochen
1096, 1147, 1236 nur wenig Schöpfemamen zur Verfügung; einer von ihnen ist jedenfalls Hippym
von Rhegion als Vf. der ältesten allgemeinen Chronik; auf Hekataios könnte die von 1236 zurück-
gehen; von Akusilaos, den Localchronisten und älteren flomerforschern wissen wir nicht, ob sie
eine neue troische Epoche geschaffen haben. Um so wahrscheinlicher ist letzteres von Hellanikoü
dem ersten Verfasser einer Art von allgemeiner Weltgeschichte.
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1136 Ephoros.
Ein Ungenannter (Poseidonios?) bei Appianos Mithrid. 53 setzte die
Zerstörung Ilions durch Fimbria, geschehen Ol. 173, 4. 85 v. Chr., un-
gefähr 1050 Jahre nach der alten; ein Excerpt bei Synkellos p. 501,
welches 800 Jahre von Troia bis Alexanders Anfang 111, 1. 336 zählt,
ist auf Ephoros zurückzuführen, Philolog. XLI 85. Er rechnete 2 Ge-
nerationen von da zur dorischen Epoche und 67 Jahre liegen zwischen
1136 imd 1069; in dieses Jahr aber setzt Diodors Liste der Herakleiden
Sparta's bei Euseb. I 222, welche man irriger Weise aus ApoUodoros
statt aus Ephoros abzuleiten pflegt, den Anfang derselben, Philol. XL 95.
Das Jahr fieng bei ihm nach lakonischem und makedonischem Stil im
Herbst an, ebend. XL 48 ff.
Diodors Verzeichniss der jüngeren Königslinie Sparta's ist lückenhaft
und, wie die Uebereinstimmung der Summe 290 mit den Posten lehrt,
in diesem Zustande schon von Eusebios (I 222. 224) vorgefunden worden.
Bei Gutschmids scharfsinniger aber apollodorischen Ursprung^) voraus-
setzender Ergänzung lautet es: Prokies (41. Soos 34. Eurypon) 51. Pry-
tanis 49. Eunomos 45. Charilaos 60. Nikandros 38. Theopompos 47,
wodurch, das 10. Jahr des Theopompos mit Diodor auf Ol. 1, 1 gestellt.
der Anfang des Prokies auf 1103 kommen "würde. Anzuerkennen, weil
Cicero de divin. II 91 dem Prokies 1 Jahr weniger gibt als dem Eury-
sthenes und die Dynastiestifter gewöhnlich in allen Listen gleiche Jahr-
zahl haben, sind die 41 Jahre des Prokies; aber das Anfangsdatum muss
dasselbe sein wie das des Eurysthenes und daraus folgt dass Soos gai'
nicht einzusetzen ist; dann aber stimmt alles: 1069 Prokies (41. 1028
Eurj^on) 51. 977 Prytanis 49. 928 Eunomos 45. 883 Charilaos 60.
823 Nikandros 38. 785 — 738 Theopompos; sein 10. Jahr 776. Wie
SooB sswischen Prokies und Eurypon von Herodot VIII 131 nicht an-
erkannt wird und Piatons Kratylos 412 b von ihm wie von einem Privat-
mann spricht, so schreibt Strab. 366 "fiyo(>oc (prjai xaltlad^ai rovi; Eu^v-
jiüirrtf)V)fi; ano EvQvniuyTOi; rov UQoyleovg; er fand ihn bei Ephoros (s. u.)
nicht als König aufgeführt.
l\ Gegen diesen zeu^ die Abweichung der zwei vorhandenen Data (p. 570).
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Nach Ephoros bei Strab. 482 ging Lykurgos vor Ablauf der Vor-
mundschaft auf Reisen und traf, uig ipaoL riyeg (was aber auch seine
eigene Ansicht ist», auf Chios mit Homer zusammen. Damit vgL Hiero-
nymus zu Abr. 1104: in latina historia haec ad verbum scribta rep-
perimus: Agrippa apud Latinos regnante Homerus poeta in Graecia
claruit, ut testantur ApoUodorus grammaticus et Ephorus (die Hdschr.
Euphorbus) historicus, ante urbem Romam conditam ann. CXXIIII et ut
ait Cornelius Nepos ante olympiadem primam ann. C. Nepos setzte
Roms Gründung Ol. 7, 2. 751/0; die 124 Jahre sind also entweder dem
Gründungsdatum des unbekannten Chronisten oder dem des Hieronymusj
welches in der That auf 7, 1. 752/1 traf, entnommen. ApoUodoros war
von Nepos, Ephoros vielleicht von Apollodoros citirt; dieser wich in
Betreff Homers von Eratosthenes, welcher ihn 1084 setzte, ab und hatte
daher Grund genug eine Autorität anzurufen. Auf 944 (100 Jahre nach
der ionischen Wanderung) stellte er, wie Tatianos 31 (rjxuaxfyai) und
aus gleicher Quelle Eusebios zu Abr. 915 (fuisse = Synkell. 339 ysyo-
VBvai, dies nach dem Zusammenhang = floruisse) behaupten, die Blüthe,
in Wahrheit aber die Geburt Homers, Clemens ström. I 327 mare im-
ßaXeiy avtip Avxov^fyoy kri vior ovra. Clemens las den Apollodoros selbst,
Tatianos und Eusebios compiliren nur einen Leser desselben und y^yn-
vivai konnte leicht missdeutet werden. Zu Clemens stimmen zwei Be-
nutzer ApoUodors: Nepos, der die Blüthe des Dichters bei Solinuä 40, 17
138 Jahre ^) vor Ol. 1 (914 = 30 Jahre nach 944) und bei Gellius XVII 21
ungefähr (circiter) 160 Jahre vor Roms Gründung setzt, und Cicero (vgl.
p. 570) de rep. II 10 Homerum qui minimum dicunt Lycurgi aetati tri-
ginta annis anteponunt fere (914 — 885 = 29), qu. Tuscid. V 3 Lycurgus,
cuius temporibus Homerus etiam (= etiamtunc) fuisse dicitur. Das Jahr 876,
in welches Ephoros Homers Blüthe setzte, ist nach obiger Rechnuug das
achte des Charilaos (883 — 876): eben in dieses achte setzte aber Sosibios
den Dichter und meinte, wie Rohde Rh. Mus. XXXVI 525 bemerkt hat^
das Jahr seiner Zusammenkunft mit Lykurgos.
l) Die 272 Jahre nach Troia (= 912/1), welche Solinus beigibt, sind, wie Rohde erkannt
hat, aus bestimmter Autfassung der 160 Jahre vor Rom (752/1) unter Miasachtung de« circiter
berechnet. Welcher troischen Epoche Euthymenes und Archemachos huldigten, welche bei Clenu
ström. 327 Homer einen Zeit- oder Altersgenossen {avyaxfjidaavTtt) Hesiods nennen und «eine Geburt
oder seine Blüthe (yif(a&at) um das 200. Jahr seit Troia setzen, ist gänzlich unbekannt.
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592
In dem Dialog riQmyog p. 318 schreibt Philostratos : 'Horneros sang,
wie einige behaupten, 24 Jahre ^) nach dem Troerkrieg; wie andere,
127 Jahre nach demselben, als die Athener die Ansiedlung in lonien
gründeten; manche setzen ihn und Hesiodos 160 Jahre nach dem Troer-
krieg, als beide am Wettgesang in Chalkis theilnahmen/ Diese Stelle
pflegt beachtet zu werden, nicht aber die parallele, in welcher dieselbe
Person (der Winzer) spricht, also keine abweichende Ansicht ausgesprochen
sein kann, p. 287 oi juiv T^oiag alovarjg oi (fi oXLyaig ol (T oTCim yeyeal^
voTfQoy Bnid-ho&ai avrov rfj noiTjoei Ifyovair. Die erste dieser Varianten
ist offenbar dieselbe wie die erste p. 318 (24 Jahre nach Troia), auch
die zweite hier dieselbe (127 Jahre = fast 4 volle Generationen oder
133 Vs Jahre) wie die zweite dort (wenige Generationen); also müssten
auch die 8 Generationen den 160 Jahren entsprechen, was aber nicht
der Fall ist. Aus acht Generationen fünf (160 Jahre = fast 5 volle Gen.
oder 167 Jahre) zu machen ist wegen oXiyais unmöglich: bei nur einer
Generation Abweichung konnte nicht bloss auf der einen Seite von wenig
gesprochen werden, wodurch auf der andern der Begriff der Vielheit
hervorgebracht wird. Vielmehr ist p. 318 statt 160 zu schreiben 260:
acht volle Generationen sind 267 Jahre. Zu denen, welche Hesiod einen
obzwar älteren Zeitgenossen {avyx(f^^^^) Homers nannten, gehörte Ephoros
(fr. 164) und der von ihm etwas modificirte älteste Stammbaum beider
setzte sie 8 Glieder nach den Zeitgenossen des Troerkriegs (s. zu 1059):
von 1136 bis 876 verlaufen aber genau 260 Jahre. Philostratos hat also
die dritte Variante dem Ephoros entnommen, 1136 als dessen troische
wie 876 als seine homerische Epoche ist dadurch bestätigt; auch die
127 Jahre dürfen nunmehr auf Ephoros zurückgeführt werden: mit
67 Jahren von Troia bis zur dorischen Epoche und 60 von da zur
ionischen erhalten wir 127, die ionische hat er also auf 1109 gestellt.
Den mit (paoi eingeleiteten Bericht über die Aiolerwanderung bei
Strabon 582 leiten wir ebenfalls aus Ephoros ab. Den Aioler verräth
die Behauptung, die aiolische Colonie sei ganze 4 (der Amplification
wegen inclusive gezählt statt 3) Generationen älter als die ionische: um
diese Prahlerei wahrscheinlich zu machen wird die bereits von Hellanikos
1) Vgl. zu 1059.
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•aufgestellte Behauptung aufgewärmt, schon Orestes habe sie unternommen,
im Unterschied aber von jenem, welcher Orestes auf Lesbos landen» sein
Unternehmen aber folgenlos verlaufen Hess, angegeben, Orestes sei auf
dem Weg in Arkadien, ebenso sein Sohn Penthilos 60 Jahre nach Troia
in Thrake gestorben, dessen Sohn Archelaos bis in ^ie Gegend von
Kyzikos und erst der jüngste Sohn des Archelaos, Gras (der wahre
Auswanderer der älteren Tradition) nach Lesbos gekommen. Schon zur
Zeit des Penthilos aber hätten auch Kleues und Malaos, gleichfalls Aga-
memnoniden (welche aber sonst nicht als Söhne des Orestes bekannt sind)
ein Heer zusammengezogen, nur sei der andere Heereszug desswegen eher
in Asien angelangt, weil sie in Lokris und am Gebirge Phrikion zu lange
blieben; später übergefahren hätten sie (dies wieder in Uebereinstimmung
mit der älteren Ueberlieferung) Kyme, das so zum Beinamen Phrikonis
gekommen sei, gegründet. Diese Version will offenbar Kyme, die Heimat
des Ephoros, älter machen als Lesbos, dessen Städte dem Lesbier Hella-
nikos, aber auch den andern als die ältesten der Aiolis galten. Die
Berichte Strabons über die Gründung der hellenischen Staaten imd Wan-
derungen sind betreffs Althellas wenigstens durchweg dem Ephoros ent-
lehnt; der unsrige aber hängt auf das Engste mit dem des Ephoros bei
Strab. 401 — 2 über die Aiolerwanderung nach Boiotien zusammen.
Schwierigkeit macht in dieser Darstellung eine Jahrzahl, Str* 582
ITfy&iXoy n{)OBkS-Biy fiexifi 0()qxr]g i^xovra ereai rwv TQixnxvjy vaii^y
vn avTTjv rrjr rivy '^HQaxXsidoiy dg flslonoyvrjaov xa&oSoy ^ sofern Nie-
mand sonst zwischen der troischen und dorischen Epoche 60, Ephoros
vielmehr 67 Jahre ansetzt, vtio aber als circiter zu nehmen durch avtriv
verboten wird. Aber in Verbindung mit Begriffen von längerer Dauer
kann es vom Eintritt während derselben angewendet werden, z B. vnu
vvxra im Laufe der Nacht, und so ist es hier zu verstehen: 7 Jahre
vor Abschluss des Krieges (p. 559), welcher die Wiedereinsetzung der
Herakleiden in alle einst von Herakles erworbenen Theile der Pelopon-
nesos herbeiführte. Nur daraus, dass Ephoros den Abschluss desselben,
die Landvertheilung mit den Staaten- und Stadtgründungen eine Reihe
von Jahren später setzte als die Landung am Rhion, erklärt sich die
auffallende Erscheinung, dass Soos nicht als König anerkannt wird. Das
p. 590 angeführte Citat des Ephoros bei Strab. 366 ist ungenau; im
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. m. Abth. 77
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Stammbaum erkannte er (und wahrscheinlich auch Herodots VorgängerjP
Soos an als Sohn des Prokies und Vater des Eurypon, aber nicht als
König: bei Strab. 482 setzt er Lykurgos in das sechste Glied seit Prokies
(2. Soos, 3. Eurypon, 4. Prytanis, 5. Eunomos Vater des Polydektes und
Lykurgos). Soos war also der älteren ^) Version zufolge (die jüngere bei
Plutarch, d. i. Eratosthenes nennt ihn König) im Mannesalter vor seinem
Vater Prokies gestorben, und zwar nach bedeutenden Thaten: zu den
berühmten Männern zählt ihn Piatons Kratylos, bei Polyainos steht er
unter den Schöpfern von Kriegslisten, in Plutarchs Agesilaos wird er
geradezu der grösate Held der jüngeren Linie vor Agesilaos genannt und
von seinen Thaten Bericht erstattet. Hieraus folgt, dass Ephoros die
41 Kegierungsjahre seines Vaters Prokies und die 42 des Eurysthenes
nicht von dem Tode des Aristodemos, welcher unmittelbar vor der Ein-
schiffung in Naupaktoe und gleich nach ihrer Geburt gestorben war
(Horod* VI 52 Pausan, II 1)» sondern erst von der Gründung Spartas und
der spartanisclien Dynastie ab, die vorausgegangene Vormundschaft des
Theras aber auf die Dauer des langen Eroberungskrieges gerechnet hat.
Auch Agis der Sohn des Eurysthenes ist wenigstens nur 1 Jahr lang
König gewesen, hat also die von Ephoros bei Strab. 365 ihm beigelegten
Thaten zum Theil unter seinem Vater vollbracht. Die Gründung von
Sparta und Arges geschah erst lange nach der dorischen Einwanderung
durch die mündig gewordenen Zwillinge und den Sohn des Temenos,
Ephoros bei Strab, 483 Kiaoov rov rb 'Aifyos xrioayjog tibqI roy avxov
X^ovuv i]riyM n^^uxUi^^ (nm* dieser wird genannt, weil von seinem Nach-
kommen Lykurgos die Rede ist) rr/r JSjidffrrjy avyioxil^e; Temenos lebte
zwar damals noch-), hatte aber den Kissos zum Mitregenten angenommen
(Ephoros bei Strab, 389), nachdem sein Schwiegersohn Deiphontes, der
für ihn Krieg geführt hatte (Pausan. II 19), getödtet worden war.
67 Jahre nach Troias Fall fand also bei Ephoros nicht die dorische
Wanderung sondern das Ende des dorischen Krieges statt und von hier aus
1) Die aua guten IJuelleD geschöpfte Geschichte der dorischen Spartakönige bei Pausanias III 7
läast nicht erkennen» ob Soos König war oder nicht.
2] Wie gegen die Aioler von Korinth die Dorier des Aletes von Solygeia aus (Thuk. IV 42)
den Krieg venaittelst eines sjurfixtofiog führten, so Temenos gegen die Mykenaier des Tisamenos
Youi Temeßion avii^, wo er auch begraben wurde (Pausan. IV 88).
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ergibt sich die Möglichkeit den Widerspruch, welcher über seine dorische
Epoche zwischen Diodor und Clemens besteht, besser zu lösen als das
im Philologus XL 99 versucht worden ist Die dorische Einwanderung
mittelst der Landung am Rhion geschah ungefähr oder fast {ox^Sm\
Diod. XVI 76) 750 Jahre vor der Belagerung von Perinthos 340 (incl,)
also 1089 oder um dieses Jahr; dagegen die von Clemens str. I 337
angegebenen 735 Jahre bis 111, 2. 335/4 incl. sind auf die Gründung
der dorischen Dynastien 1069 zu beziehen. Ephoros hat wohl 20 Jahre
auf den Krieg gerechnet, die Dauer der Regierungsunfähigkeit des Zwil-
lingspaares: 20 jährig trat man zu Sparta wie zu Athen in das Heer
und die Bürgergemeinde ein, so alt war Telemachos als er die Zügel
der Regierung in Haus und Staat ergriff, so alt wird ohne Zweifel auch
Orestes zu der Zeit gedacht, als er mit der Rache an Aigisthoa die
Pflichten und Rechte des Haus- und Staatsoberhauptes auszuüben anfieug
(50 Vell. I 2). Zu den 47 und 20 Jahren 1136—1089 — 1069 vgl. p, 598,
1096 bei Isokrates.
Gades war nach Pomponius Mela III 46 während des Troerkrieges
gegründet worden: annorum queis manet ab Iliaca tempestate priucipia
sunt; dieser setzt also ein späteres Datum der troischen Epoche voraus
als Strabon p. 48, nach welchem die Phoinikerstädte jenseit der Herakles-
säulen und an der Mitte der libyschen Küsten inixffoy r(Sv T{)ix)ixm* va-
regov entstanden waren. Utica 287 Jahre vor Carthago (814/3) gebaut,
Mirab. auscultat. 134, also 1101/0; zur Zeit des Plinius (bist. XVI 216),
77 n. Chr. stand Gades 1178 Jahre, also seit 1102 oder 1103/2. Velleius
I 2 ea tempestate Tyria classis Gadis condidit, ab iisdem post paucos
annos Utica condita est denkt bei ea tempestate an die Gründung von
Megara nach dem vergeblichen Angriff der Dorier auf Attika; diesen
aber setzt er eodem fere tempore mit der vorher angeführten dorischen
Wanderung (1104/3, p. 556). Hienach fällt Gades' Gründung 1103 2 und
bei Mela das Ende des troischen Kriegs frühestens 1102, spätestens IÜ94.
Nach Trogus stand Alba 300 Jahre an der Spitze von Latiuui,
Justin XLIII 1; Livius I 3 setzt ungefähr 30 Jahre zwischen Laviniums
und Albas Gründung und gibt I 29 dieser Stadt 400 Jahre bis zu ihrer
Zerstörung durch Tullus Hostilius, zählt also ebenfalls 300 bis zur Ent*
77*
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stehung Roms, von welcher 100 bis zu ihr gerechnet wurden (Rhein,
Mus. XXXV 8). Mit Varro gibt er den römischen Königen 244 uod fier
Anarchie 5 Jahre, aber den Decemvirn 3 statt 2, das Gründungsdatum,
welches die von ihm, Trogus und Mela, auch (s, u.) Vergilius, vorge-
fundene Rechnung voraussetzt, war also um 1 Jahr höher als das var-
ronische: wenn Livius gleichwohl nicht Ol. 6, 2. 755/4 sondern 7, 2. 751 0
(Mommsen röm. Chronol. 121) zu Grund legt, so kommt dies daher* dass
er die 4 Dictatorjahre inissverständlich ausgemerzt hat Die Gründung
von Alba setzen wir daher im Sinne seines Gewährsmanns auf 1085/4.
Das Intervall von Troia bis dahin lernen wir aus Vergilius kennen.
Auch dieser zählt Aen. I 265 von Lavinium und dem Ende des Aeneas
bis zur Gründung Albas 30, von da bis Romulus 300 Jahre; jenes luter-
vall aber berechnet sich aus ihm auf 12. Nach der Eroberung zieht
sich Aeneas in die Berge zurück (II 804); dort saannielt er allmählich
einen grossen Theil der Entronnenen, holt Götterspriiche ein und baut
eine Flotte (III 5 — 8); mit Frühlings Anfang sticht er in die See, IH 8
vix prima inceperat aestas. Bei Dido erscheint er von Sicilien kommend
6 volle Jahre später, I 755 te iam septima portat omnibus erranteni
terris et fluctibus aestas, also im 8. Jahr seit Troias Fall Bei ihr bringt
er den Winter zu (IV 193); als er dann zum zweiten Mal auf Sicilien
landete, war ein volles Jahr seit der Abfahrt von der Insel verflossen
(V 46. III 710), woraus hervorgeht, dass V 626 septima post Troiae
excidium iam vertitur (läuft ab) aestas, cum freta cum terras oinnes
emensae ferimur nicht sepfima post sondern septima cum — feriinur
unmittelbar zu verbinden und aestas als poetischer Ausdruck für annus
zu nehmen ist. In Latium landet Aeneas zur Zeit der Obstreife (YII 111),
also im Juli oder August, im Anfang eines neuen attischen Jahres. Von
hier bis zur Gründung von Lavinium und zu Aeneas Tod sind 3 Jahre
(I 265). So zählt auch Synkellos 9 Jahre von Troia bis zur Landung
in Latium (Weltj. 4331 — 4340) und 3 Regierungsjahre des Aineias.
Die Zerstörung Troias fällt hienach in das attische Jahr 1097/6.
Isokrates legt im Panathenaikos eine niedrigere troische Epoche zu
Grund als in den p. 586 citirten Reden; ihre Erkenntniss ist durch einen
groben Textfehler verdunkelt, c. 59 (paiyerai 6 ^fjuog javrtj (r/] noXtnit}}
XQüßjueroi; ovx ekarroy ;fiAtW h(oy /LtsxQi ttjq ^olojyog ^uh fjXixiag fTnai-
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aTQarov da dwaajBiag. Hienach würde Theseus die Republik im XVI. Jahr-
hundert eingeführt haben, ein halbes Jahrtausend vor der Wanderung der
Herakleiden, deren flüchtigen Urgrossvater er in Attika aufgenommen
hat! Statt ;fiA£W ist i^axöoicDy zu lesen: die zwei Bedeutungen der
Ziffer X sind wie bei Josephos g. Ap. I 16 mit einander verwechselt
worden, vgl. Chronol. d. Man. 172. Gutschmid zu Euseb. ehr. I 160.
Die Willkürherrschaft des Peisistratos, an welche laut den Worten nolkä
jfjv noXiv IvfirpfOLu^yog xal rovg ßekriarovg rtSr noXndiv ixßakcjv gedacht
ist, begann (de bigis c. 10) 551, Jahrbb. 1883 p. 384; zu dieser Zeit
denkt auch Herodot I 29 und Herakleides bei Plut. Sol. 32 den Gesetz-
geber noch lebend. Die Einführung der Volksfreiheit wurde von denen,
welche sie dem Theseus zuschrieben, in den Anfang seiner Regierung ver-
legt, Plut. Thes. 22, was trotz panath. 50 6/coy TTjr ßaaiXeiav bv fi nolla xat
- xaXä dianBTi^aYfjihvog rjr auch für Isokrates anzunehmen ist: die Herakles-
söhne nahm Theseus lange vor, den Adrastos kurz vor dem Troerkrieg
auf, paneg. § 54, vgl. panath. c. 70; Theseus hat also lange Zeit regiert-
Von 1151 — 1145 bis 1097 verfliessen 48 — 54 Jahre: die parische Chronik
zählt 54 von Einführung der Volksfreiheit bis zum Falle Troias; auf die
Regierung des Theseus und Menestheus zusammen rechnet Synkellos 64^
Kastor 63, Africanus 50, Eusebios 53. — Während in den zwei andern
Schriften Isokrates darauf ausgeht, Sparta's Glück und Ruhm durch
Hervorhebung seiner langen Dauer zu verherrlichen, verfolgt er hier den
entgegengesetzten Zweck; daher schreibt er c. 82, mit Bezug auf das
Abfassungsjahr 110, 1. 339: Snagriarag irrav&a xaroixelv ov nXeiio (pt]-
novo IV h(Sv BJiiaxoöiiJDy, setzt also die Gründung des dorischen Staates
Sparta frühestens in 1039/8; höher zu gehen verbietet der Ausdruck
Ol) nXeiio; auch an ein niedrigeres Datum ist kaum zu denken, weil in
diesem Fall der Effect durch Wendungen wie 'nicht einmal 700* noch
hätte gesteigert werden können. Die 57 Jahre 1096 — 1039 entsprechen
den 57 bei Africanus vom Tod Agamemnons bis zum Ende seiner Dynastie.
15 Jahre später liegt das Datum der Gründung von Lesbos 1024; dazu
trifft (durch Zufall?) Velleius I 2 exclusi ab Heraclidis Orestis liberi quinto-
decimo anno sedem cepere circa Lesbum.
Phaneias, Schüler und Freund des. Aristoteles, zählte 715 Jahre von
dem Herakleidenzug bis 111, 2. 335/4, s. Clemens str. I 337, setzte also
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598
den Zug 1049. Mit diesem Datum hängt wohl die abgerissene Notiz des
Eusebios zu Abr. 869 = 1148 v. Chr.: secundum quosdam Heraclidarum
descensns zusammen; den vollständigen Text hat Synkellos gerettet, welcher
p. 334 an chronologisch gleicher Stelle schreibt: 'II(faxl€i^(oy xa9-o(tog
^'YlXov Tov nQsaßtjTBQOV naidbg ^ÜQaxXsovg fiyovfiiyov rfjg xara nehmov-
rrjoicoy fio^x'^S, ^^S inex^artjaBv Ixaroig ereai fiera^ Ileixmoyyrjaicov xai
rdyy ^HQaxXeiS(5v; die 100 Jahre, welche nach Herodot IX 26 von dem
unglücklichen Kampf des Hyllos auf dem Isthmos bis zu der glücklichen
Landung am Rhion verflossen, sind hier auf 1148 — 1049 gestellt Von
1049 bis zur Gründung des dorischen Sparta verlaufen, wenn wir Phaneias
mit Isokrates verbinden, 10 Jahre: 1049 — 1039; sie erinnern an die
10 Jahre, auf welche bei ApoUodoros bibl. II 8, 3 der Herakleide
Hippotes bei der Landung verbannt wurde. Sein Sohn Aletes gründete
im Sinne dieser Sage ohne Zweifel nach Ablauf des 10 jährigen Exils
Korinth, dessen Entstehung, ursprünglich gleichzeitig mit der von Sparta,
dann, als diese mit der dorischen Wanderung zusammengeworfen ward,
1 — 2 (bei Velleius 6) Jahre nach ihr, immer aber geraume Zeit später
als die Wanderung gesetzt wurde. Die 10, nach Didymos bei Schol. Pind.
ol. 13, 17 30 Jahre sind nur Varianten der 20 und 25, p. 595. 573; die
47 Jahre 1096 — 1049 entsprechen den 47 des Ephoros 1 136 — 1089 p. 596.
Aristoteles^) hat die ionische Wanderung ungefähr ein Jahrzehnt vor
Smymas Colonisirung gesetzt. Zur Zeit da Neleus die Wanderung leitete,
so meldet die erste der zwei pseudoplutarchischen Homerbiographien aus
Arist. neqü noiririxfjg, wurde ein Mädchen aus los, Namens Kritheis von
einem Dämon schwanger; von Seeräubern dem Lyderfürsten Maion in
Smyrna zugeführt, welcher sie heirathete, genas sie eines Knaben, wel-
chen jener adoptirte und aufzog. Bald starb Maion; die Lyder aber,
von den Aiolern bedrängt, beschlossen auszuwandern und als der Herold
männiglich zum Auszug einlud, da rief der Knabe {hi vrpiiog üjy\ er
wolle auch mitgehen {bfiriQBiv)^ davon wurde er Homeros statt, wie bis-
her, Melesigenes genannt. — Smyrna wurde von den Aiolern nach guter
Ueberlieferung (s. zu 1270) 986 gegründet; das kürzeste unter den auf
1) Er und Aristoxenos, vielleicht auch Phaneias setzte Troia's Fall, wie uns scheint, 1059,
jedenfalls hatte die dorische und die ionische Wanderung bei dieser Epoche dasselbe Datum wie
bei der Ep. 1096.
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uns gekommenen Intervallen zwischen Troias Fall und der ionischen Wan-
derung ist das von Aristarchos bei Euseb. zu Abr. 915 = Synkell. 339
überlieferte: 100^). Jahre. Diese reichen von 1097/6 bis 997/6, dem
niedrigsten und damit besten Datum der lonierwanderung, welches sich
ermitteln lässt; aus ihm ist wohl auch die tr. Epoche 1096 (3 Genera-
tionen vorher) gebildet worden. Vom letzten Jahr des Menestheus, in
welches den Fall Troias die meisten setzten^), bis zum Anfang des Medon,
in welchem nach der älteren Ueberlieferung die Wanderung vor sich
gieng, verlaufen bei Africanus (p, 552) 100, bei Synkellos (p. 582) 102 Jahre.
Nach Kreophylos bei Athenaios VIII 361 hatten die lonier, welche Ephesos
gründeten, vorher 21 Jahre lang auf Samos gehaust; nach Malakos bei
Athenaios VI 267 waren es Unterthanen {^ovXoi) der Samier, welche
von ihren Herren abfielen, sich in den Bergen der Insel festsetzten und
dort einen Raubkrieg führten, bis sie im 6. Jahr einem Orakel folgend
vertragsmässig abzogen und Ephesos besetzten. Unter den Samiern ver-
steht er offenbar die Einwanderer, welche der lonier Prokies aus Epi-
dauros dahin geführt hatte: die neuen Ephesier wandten sich nach
Pausan. VII 2 und 4 unter Androklos gegen Leogoras, den Sohn des
Prokies, und verjagten ihn sammt seinem Volk; ein Theil desselben wan-
derte nach Samothrake, mit dem andern setzte sich Leogoras in Anaia
fest und gewann 10 Jahre später die Insel den Ephesiem wieder ab;
darnach zog Androklos zum Entsatz von Priene gegen die Karier und
fand dort in siegreichem Kampfe den Tod. Samothrake wurde nach
ApoUodoros bei Schol. AD zu II. iV 12 fierä diaxoaioaxov xal eyaror
(D bloss diaTcoaioarby) hog rdHy TQwixiör, also 975/4 gegründet.
Wir datiren demgemäss: 1039 Gründung von Sparta, Argos, Korinth,
1024 von Lesbos, 1004 von Kyme; 997 Wanderung der lonier, von
welchen sich ein Theil unter Androklos auf Samos niederlässt; 986 wer-
den diese von den Epidauriern unterworfen, aus Smyrna von den Aiolem
1) Die 140, welche Tatianus 31 und Clemens ström. I 327 statt 100 angeben, sind aus ihrem,
dem eratosthenischen System interpolirt; ähnlich haben sie dem Homerdatum des Philochoros mit-
gespielt, vgl. p. 525.
2) Die parische Chronik in sein vorletztes, Dionysios von Argos bei Clemens ström. I 321
in das erste Demophons und dieses ist auch in dem Citat des Schol. Eur. Hek. 892 aus Lysimachos
anstatt des vierten herzustellen.
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600
die Barbaren vertrieben; 981 empören sich die lonier des Androklos,
gründen 976 Ephesos und werfen 975 die Epidaurier aus der Insel, die
965 von diesen wiedergewonnen wird; Samothrake 975 gegründet.
1059 (Pherekydes).
'Die Pythagoriker Androkydes in dem Buch negl t(Sv av/ußoXioy und
Eubulides, ferner die Biographen des Pythagoras Aristoxenos, Hippobotos
und Neanthes bestimmen die Dauer einer Seelenwanderung auf 216 Jahre ^)
als den Kubus der seelenzeugenden Zahl 6 : nach so viel Jahren sei Pytha-
goras wiedererstanden; dem entspricht die Zeit, nach welcher er die
Seele des Euphorbos erhalten hat: fast genau (eyyiatä) 514 Jahre zählt
man von den Troika bis zu dem Physiker Xenophanes und den Zeiten
des Anakreon und Polykrates, ferner der Belagerung und Auswanderung
der lonier, bei welcher die Phokaier Massalia besiedelten; welchen allen
Pythagoras gleichzeitig war. Nimmt man die 216 doppelt, so bleiben
die 82 (= 514 — 432) Lebensjahre desselben.* So schreibt lamblichos
theologum. arithmet. 40; seine unmittelbare Quelle ist wohl Androkydes,
die älteste der mittelbaren Aristoxenos, Schüler des Aristoteles. Die an-
gegebenen Synchronismen sollen offenbar alle einem und demselben Jahre
angehören, Ol. 58, 3. 546/5, von wo 514 Jahre in 1060/59 führen.^
Etwa im November 546 eroberte Kyros Sardes, zog nach kurzem Ver-
weilen wieder ab, indem er dem Mazares die Unterwerfung der noch
unabhängig gebliebenen Theile des Lyderreiches auftrug, und schickte,
als dieser gleich im Beginn des Feldzugs starb, als Nachfolger den Har-
pagos (Herod. I 162); letzteres ist wohl im Frühling oder Sommer 545
geschehen. Polykrates Regierung begann 58, 2. 547/6, Diog. La. II 2.
1) Vom Tod des Vorgängers bis zur Geburt des Nachfolgers, Diog. La. VIII 14 uvros cV
Tfj yif€tq)fi (pfiat 6i inta ^xaidtxay xai ditptoaitoy ßriuty i$ aidfuj na^ayfyfyrjaSm ig av>onovs (das
Vorhergehende laut Citat, das Nachfolgende laut Porphyr. Pyth. 22 aus Aristoxenos). Diese Lehre
konnte zwischen Euphorbos und Pythagoras nur ^in Glied annehmen; was jene angeblich von
Pyth. verfasste, gewiss aber sehr alte Schrift wirklich that, s. Schol. Apoll. Rhod. I 645. Sie und
Aristoxenos setzten vermuthlich: 1060 Tod des Euphorbos; 844—784 Sohn des Hermes und einer
samischen Nymphe; 568 — 494 (493) Pythagoras.
2) In die 10. Generation nach den Troika wurde die Gründung der ersten Hellenenstädte
Siciliens (01. 11, 3. 783) nach Strab. 267 von Ephoros gesetzt (vgl. Skymn. 272), was zu dessen
Epoche 1136 nicht passt; vielleicht hatte Ephoros nur die Meinung des Antiochos von Syrakusai
angeführt. Die 10. Generation nach 1060/59 umfasst die Jahre 760—727.
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Aristoteles erkannte Melanthos, den Vater des Kodros, nicht als
König Athens an, polit V 8 hvyjrc^voy r-^g (ßaOiXeiag) oi fitv xara noXefior
xoiXvaarTcg dovlevsiv woneQ Kodgog^ vgl. Plutarch exil. 18 KoSgog rivog
wv ißaaiXsvasy; ov MekavS-ov (pvyaSog ix Meaai^vrig; streicht man die
37 Jahre, welche Africanus, Eusebios, Pseudeusebios (mit der parischen
Chronik, s. zu 1207) und Synkellos (Hellanikos) d. i. alle^) bekannten
Listen ihm geben, so sinkt die Epoche von 1096 auf 1059 herab und
Kodros, nicht Melanthos erwarb den Thron der Erechtheiden 1018 durch
die siegreiche Abwehr der Boioter.
Homer kennt während des Troerkrieges und noch im 1 0. Jahr nach
diesem keine Dorier in der Peloponnesos; dagegen die Boioter sitzen dem
SchifiFkatalog zufolge, wie auch iV 683 vorausgesetzt wird, spätestens seit
dem Jahr, das dem Troerkrieg vorausgieng, bereits in dem nach ihnen
benannten Lande. Die Hypothese, welche Thukydides I 12 zu Hülfe
nimmt, irni Homers Darstellung mit der Ansicht, welche den Fall Troias
59 — 60 Jahre vor der Boioterwanderung setzte, in Einklang zu bringen,
ist offenbar eine Ausflucht der Verlegenheit; wer Homers Angaben für
historisch hielt, musste, wenn er wie Thukydides 20 Jahre zwischen der
boiotischen Wanderung und der dorischen zählte, jene unmittelbar vor
den Anfang des Troerkriegs und diese gleich nach der 1 9 Jahre späteren
Heimkehr des Odysseus setzen^; wenn die ersten Chronologen die dorische
Wanderung 1049, die boiotische also 1069 setzten, so dauerte ihnen der
troische Krieg 1068 — 1059. Diese Rechnung ist vielleicht vorausgesetzt,
wenn Diodor IV 58 nicht wie Herodot 100 sondern nur 50 Jahre von
dem unglücklichen Kampfe des Hyllos bis zum Einzug der Dorier in
die Peloponnesos verlaufen lässt. Ein guter Theil der 50 Jahre geht dem
Troerkrieg voraus: geraume Zeit nach jenem Kampf (^«ra rivag ;fpovoi;<;)
wird Likymnios der Oheim und Tlepolemos der Sohn des Herakles in
Argos aufgenommen; später tödtet dieser den Likymnios und flieht nach
Rhodos; dort gastlich aufgenommen hellenisirt er die Barbaren der Insel,
1) Nur bei Kastor hat er möglicher Weise 32; doch kann das Weniger von 6 Jahren (p. 577)
statt seiner den Kodros getroffen haben.
2) Der Entstehungsgang hat wahrscheinlich den umgekehrten Weg eingeschlagen: die
dorische Wanderung wurde 20 Jahre nach der boiotischen gesetzt, weil dies das kürzeste mit
den 19 für den Troerkrieg und Odysseus Irrfahrten von Homer vorausgesetzten Jahren verein-
barliche Intervall war.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 78
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602
gründet mit ihnen drei Städte und wird zum König erhoben; endlich
xara rovi: vaT€()or ;fpoi/of^ betheiligt er sich an Agamemnons Heerfahrt
gegen Ilion Aehnliche Verkürzung des Intervalls zwischen Hyllos imd der
Dörfer Wanderung zeigt die verwandte Darstellung des jüngeren Apollo-
doros bibl. II 8, 3, wo Dymas und Pamphylos, die Söhne des Aigimios,
welcher Hyllos den Sohn seines Freundes Herakles adoptirt hatte, bei
der Einwanderung im Kampfe mit Orestes' Sohn Tisamenos den Tod
finden. In ihrer ursprünglichen (von Diodor und ApoUodor bereits con-
taminirten) Fassung hatte diese Version vielleicht Pherekydes gegeben:
bei ihm ist nicht Theseus sondern sein Sohn Demophon, der in den
Listen ein paar Jahrzehnte vor der Dorierwanderung stirbt, der Beschützer
und Bundesgenosse des Hyllos und der andern Heraklessöhne gegen
Eurystheus, nach dessen Niederlage und Tod Alkmene in Theben aus
dem Leben scheidet (fr. 39 bei Anton. Liberalis 33, vgl. Apoll. II 8, 1);
auf ihn geht wohl auch die Angabe des Trogus zurück, Demophon sei
der (unmittelbare) Nachfolger des Theseus gewesen, Justin. H 6, 15.
Pherekydes, Hellanikos und Damastes gaben nach Proklos, vita
Homeri, dem Dichter folgenden Stammbaum: 1. Orpheus, 2. Dorion,
3. Eukles, 4. Idmonides, 5. Philoterpes, 6. Chariphemos, 7. Epiphrades,
8. Melanopos, 9. Apelles, 10. Maion, sein Bruder Dios, 11. Homeros, sein
Vetter (Dios' Sohn) Hesiodos. Denselben, mit unwesentlichen Abweich-
ungen (2. Dres, 6. Euphemos) überliefert Charax bei Suid. 'Üfirjgog, welcher
Hesiods Linie seines Zweckes wegen übergeht^ vor Orpheus aber noch
dessen Ahnen anbringt: 1. Linos Sohn der Thrakerin Aithusa, 2. Pieros,
3, OiagTOS. Die volksthümliche Sage hielt Orpheus für einen Zeitgenossen
d^r Argonauten, manche rechneten ihn auch zu denselben; aber die or-
phische Mystik fand es in ihrem Interesse gelegen, ihn in eine frühere
Zeit zu versetzen, daher schon Herodoros, Zeitgenosse des Sokrates, zwei
Orpheus unterschied; den älteren setzt Hesychios 11 Generationen vor
dem Troerkrieg und hält, was der Schöpfer obigen Stammbaums schwer-
lich gethan hat, ihn für den Sohn des Oiagros, Suid. \)(fcp. Aeißi^&güyv ;
andere ebenda gaben Orpheus eine so lange Lebensdauer, dass die Trenn-
ung in zwei Personen unnöthig wurde. Rohde Rh. Mus. XXXVI 384 ff.
benützt die Meinung des Hesychios für seine Ansicht, dass die ältesten
Homerbiographen den Dichter in die Zeiten des Troerkriegs gesetzt
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«03
haben, legt solche Datirung des Dichters auch dem Urheber des Stamni-
baums bei (der im Sinne des Hesychios ihn freilich noch eine Generation
vor dem Troerkrieg bringen würde), lässt aber bloss Hellanikos^ welcher
neben dem späten Kleanthes allein als Vertreter jenes Stammbaums im
Certamen Homeri et Hesiodi genannt wird, als Zeugen gelten: die Nen-
nung des Damastes werde durch vita Homeri VI: SiyMtov avTov dno Mov-
aaiov iprial yc'yorsyai Jafidarris als unrichtig erwiesen, dadurch aber
auch die des Pherekydes mindestens, zweifelhaft gemacht. Diese Athe-
tese scheitert an dem Umstand, dass von den zwei im Alterthum unter
Damastes Namen gehenden Schriften, in welchen Homers Abkunft be-
handelt gewesen sein kann, die eine von der Mehrzahl — wiö hier sich
zeigt mit Recht — dem Polos beigelegt wurde, Suid. Udiko^] f^pae/^^
yerealoyiay rdiv ini ^'Iliov arifarevaavTVJV "^EkXrjViJJV re xai ßa^ßa^mv xat
7i(Sg sxaazog anrilla^s* iivig dh avro Ja/udarov irny^atpovai. Der Sophist
Polos von Akragas war ein Schüler des Gorgias (Plat. Gorg. 448 u. a.)i
dieser aber hatte Homeros von Musaios abgeleitet, Proklos a. a. 0.: /bp-
yiag Jf o Aeoyjlvog elg Movadloy avrov avdyei, eine Meinung, welche
sich demnach auch sein Schüler angeeignet hat. Der ächte Damaates
folgt, wie seine Fragmente lehren, meistens dem Hellanikos: das hat er
also auch in seiner Schrift nsQi noirirdiy xal aotpiarvoy gethan.
Schöpfer des auf Orpheus zurückgehenden Stammbaums ist hienach
Pherekydes, der 1 — 2 Generationen vor Hellanikos geschrieben hat;
weder er noch seine Nachfolger hatten Anlass einen Stammbaum auf-
zustellen, in welchem nicht nur Homer sondern auch sein gleichaltriger,
nach manchen älterer Vetter Hesiodos, wie Rohde annehmen muss, in
die Zeiten des Troerkriegs gestellt war: weniger als 160 Jahre nachher
hat diesen Niemand gesetzt; wer Homer jenem Kriege nahebrachte, dachte
sich denselben viel älter als Hesiod und verwarf den genannten Stamm-
baum. Orpheus wurde, wenn wir von den Neuerungen der Orphiker
und ihrer Nachbeter absehen, 2 Generationen vor dem Troerkrieg ge*
setzt, Suid. *0()(ptvg Kixoyalog] Svo yeyeaig ngateffog röjy TQwrAiuy; dess-
wegen Hessen die, welche demselben ein ungewöhnlich langes Leben bei-
legten, ihn 9 Generationen hindurch wirken, wodurch der 11 Menschenalter
vor dem Troerkrieg lebende mit dem nur 2 Generationen vor diesem, was
die Zeit der Argofahrt ist, thätigen vereinigt werden konnte, Zeit-
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genösse des Troerkriegs ist also der Enkel des Orpheus, Eukles, dieser
steht aber um 8 Glieder höher als Homeros im Stammbaum; die Glieder-
2ahl hat später Ephoros um eine vermindert, aber den alten Zeitbetrag
mit 260 Jahren (p. 592) ungefähr beibehalten. Wie sich Pherekydes die
Geburt eines Sängers thrakischer Abkunft in Smyma erklärte, lehrt
Charax bei Suidas ^i)firi()og, indem er zu Maion bemerkt: dg ^X&er afia
talg l4ual^6aiy er JSjxvqvi] xal '/tjuag Ev/ir^rir rriv Evsnovg xov Meh]ai'
ylvois inoajosy ^Üur]()ov. Wie dieser Zusatz mit Recht von Rohde auf
die älteste Darstellung des Stammbaums zurückgeführt wird, so gehört
ihr auch das Geburtsdatum des Dichters bei Charax a. a. 0. an: yeyove
jifjo Tov itdrivai r^v a olvfiniada n^o iviavrdiy y^, also 833/2.^) Setzte
Pherekydes seine Blüthe, für deren Bestimmung man keinen geschicht-
lichen Anhalt hatte, 40 Jahre nach der Geburt, so fiel sie 793/2: von
da aber sind 267 Jahre, also genau 8 Generationen bis 1060/59. Nahm
Pherekydes wie Ephoros 260 Jahre, so kam er auf 800/799, wo Homer
33 Jahre alt war. Auch diese Zeit, die Generationsdauer, ist zur hypo-
thetischen Bestimmung des Blüthenjahrs verwendet worden. Wer Homers
Blüthe 24 Jahre nach Troias Fall setzte (p. 592), dem fiel seine Geburt
offenbar auf den Anfang des Krieges.^)
Die Amazonenzüge in Asien hängen mit den Zügen der Kimmerier
zusammen: weil die Zerstörung des Artemisheiligthums in Ephesos bald
den Amazonen bald den Kimmeriern zugeschrieben wurde, werden beide
von Eusebios, Orosius, Synkellos als Bundesgenossen vereinigt, vgl. Geizer
RIl Mus. XXX 258. Rohde ebend. XXXVI 393; die Amazonen unter Sinope
gründen die Stadt gleichen Namens, Skymn. 941, nach Herodot IV 12
wohnten zuerst die Kimmerier dort. Vor den bekannten Zügen der letz-
teren im ML Jahrhundert findet sich ein einziger genannt, in der Zeit
der Gründung Sinopes durch die Milesier, Skymn. 948; er ist wahr-
scheinlich derselbe, welcher zur Zeit des Gyges ein Gegenstand künst-
lerischer Darstellung war, Nikol. Dam. fr. 62. Eusebios setzt 756 v. Chr.
die Gnmdung von Trapezunt, welche von Sinope ausgieng ; die von Sinope
1} Von Sosibios, um das Blüthendatum zu bestimmen, um 33 Jahre erhöht (866).
2) Der Chronist von 8b6, der einzige welcher Homers Lebensdauer angibt, lässt ihn unter
Berufung auf Diodor bei der dorischen Wanderung 1103 im 90. Lebensjahr sterben, der Troer-
krieg beginnt ihm also 1192 im Geburtsjahr des Dichters.
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605
selbst führt er nicht an, sie hat jedenfalls erheblich früher stattgefunden.^)
Die alten Chronographen hatten ohne Zweifel sowohl die Gründung von
Sinope als den mit ihr zusammenhängenden Zug der Amazonen-Kimmerier
nach Westkleinasien verzeichnet. Manche setzten Homers Geburt, andere
seine Blüthe in die Zeit desselben, Strab. p. 20 ar£ ol^ey (Ü/irjQog rovg
KiuuBQiovg), oi xQ^^^if^^^^ ^rjkovaiy i] uix{)ov ngb amov TTjy rdSv Kifi-
fi€()iü)y BipoSov rj xar amov dvayQonpovreg; zwischen beiden Ansichten
schwankt Strabon selbst, p. 149 und p. 6 xax atxov fj uixqov nffo avzov
fi€X(fi ^lioviag insi^ifafior TTjy yfjy. Zu den ersteren gehört Pherekydes, zu
den andern Herodot II 53. Durch Pherekydes, Hellanikos, Damastes und
die von Strabon gemeinten Schriftsteller war dieser Zug so eng mit dem
Namen Homers verknüpft, dass manche, die Homer in eine andere Zeit
setzten, auch den Heereszug in diese verlegten. Daher kommt es, dass
Eusebios um 1146 v. Chr. die Verbrennung des ephesischen Tempels
durch die Amazonen, um 1077 den Heereszug der Amazonen mit den
Kimmeriern in Kleinasien setzt: einige Zeit vor jenem Datum, um 1160
merkt er Homers Blüthe an und nicht lange vor dem andern, 1084
setzte Eratosthenes dieselbe. Orosius I 21 geht noch weiter: 30 Jahre ^)
vor Roms Gründung, also 785/4 setzt er einen Kampf zwischen Pelopon-
nesiem und Athenern, dessen Ausgang unentschieden blieb, ferner die
Verheerung Asiens durch Amazonen und Kimmerier. Der Kampf ist
kein andrer als der durch Kodros Opfertod zu Ende gebrachte, welcher
in den Notizen des eusebischen Kanons jener Verheerung voraufgeht;
Orosius (oder sein Vorgänger) verlegt diese auf 785, weil er den von
Tatianos 39. Euseb. Abr. 915 u. a. Erwähnten folgt, welche den Dichter
400 Jahre nach Troia, wenige Jahre vor Olymp. 1, also 784 (785) setzten;
in seiner Unwissenheit lässt er auch den Kampf der Peloponnesier und
Athener mit dahin wandern, obgleich er ihn schon vorher (I 18) an
seinem Orte erwähnt hat.
1) Vor 776: die fortlaufende Reihe seiner Notizen beginnt mit Olymp. 1.
2) Der Laur. von erster Hand 300, eine Verwechslung von trecentesimo mit tricensimo;
die Ordnung der Ereignisse verlangt 30. * '
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Handelsvertrag
zwischen der
Republik Venedig und dem Eönigreich (rranada
vom Jahre 1400.
Eingeleitet and herausgegeben
▼on
Oeorg Martin Thomas.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. lU. Abth. 79
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Vorgetragen in der Sitzung der philos.-philol. Classe am 4. Juli 1885.
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Einleitung.
Wenn man die Bewegung des Handels und den Gang des Verkehrs
verfolgt, welchen im Mittelalter der Westen nach dem Osten genoimnen
und bis zu einer weltgeschichtlichen Ausdehnung und Bedeutung ent-
wickelt hat — eine der mächtigsten, recht ernster Einschau und genauer
Erfassung würdigen Wirkungen der Kreuzzüge, Wirkungen, deren Kraft
und Grösse noch lange sich zu erkennen gab, nachdem gewaltige Ereig-
nisse und Umgestaltungen im Osten und gleichzeitig neuentdeckte See-
wege, wie eine neue kaum geahnte Welt, den Eifer und die Gewinnsucht
der arbeitenden Menschheit, des rastlosen Occidents allmählich auf andere
Bahnen des Handels und der Schiffahrt ablenkten — so tritt uns in dem
Verhältniss und in den Wechselbeziehungen der christlichen Handelsstaaten
des Westens, vornehmlich der italienischen Städte oder Republiken, zu den
raoslimischen Herrschern in Asien und Afrika eine beachtenswerthe^ für
Handels- und Völkerrecht stoff- und lehrreiche Erscheinung entgegen.
Es lag diesen thätigen und aufstrebenden See- oder Handels- und
Fabrikplätzen, früher Amalfi, dann Pisa, Genua, Venedig, dazu, aber etwas
später, Florenz in grossem, erst in neuester Zeit wieder bekannterem Um-
fang, sehr viel daran, mitten im religiösen und bald mehr weltlichen
Ansturm des christlichen Abendlandes auf das vom Islam rasch und tapfer
gewonnene, und muthvoU und sicher behauptete Morgenland, dem eigenen
Leben und natürlichen Drang des Schaffens und Wirkens, dem freien oder
möglich ungehinderten Verkehr und Austausch von Boden- und Kunst-
erzeugnissen, dem Handel und der Schiffahrt gesicherte Wege, festen
Anhalt und geschützte Stätten im ganzen Bereich des Mittelmeerbeckens,
dieses uralten Trägers des Verkehrs, der Bildung und Gesittung, an seinen
79*
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610
Küsten und durch seine Hinterländer zu gewinnen, nicht durch Gewalt-
thätigkeit und feindlich-störenden Eingriff, sondern auf dem Wege fried-
licher Abmachung und gegenseitiger Anerkennung.
Es ist für denjenigen, welcher in der Geschichte den Geist der
Nationen herausfühlt, und die Natur der Kräfte, welche dieselben ins
Spiel bringen oder zu bringen sich anstrengen, zu erkennen strebt, ein
fesselnder, ermunternder und lohnender Anreiz, Schritt für Schritt auf
historischer Grundlage, d. h. in den Quellen, nachzugehen, nachzusehen,
wie jene italienischen Handelsstädte, voraus Venedig, gleichsam ausser-
halb des politischen Kreises, in welchem sie eine grosse und tiefe allge-
meinere Bewegung gebannt, gebunden oder beschränkt hält, gleichzeitig
Mittel und Wege suchen und solche auch* finden, um auf anderer Seite,
frei und selbständig, <iie Ziele ihrer eigenen nothwendigen Entwicklung
zu ihrem besonderen Nutzen und Vortheil und ohne sich und anderen
dabei wiederum untreu zu werden, klug, wachsam und sicheren Blickes
zu erreichen.
Man begegnet daher schon in den ersten Jahrzehnten des dreizehnten
Saeculum — für Venedig unter dem Dogen Pietro Ziani (1205 — 1229),
welcher die Erbschaft seines Vorgängers des grossen Heinrich Dandolo,
des Begründers venezianischer Herrlichkeit, venezianischer Weltherrschaft,
mit Würde, Kraft und Klugheit antrat — und dann immer häufiger und
in stetiger Folge im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert einer An-
zahl von Handelsverträgen, welche die christlichen Staaten des Westens, —
wie früher mit den lateinischen Feudalstaaten in Syrien oder den Königen
von Armenien (Cilicien) — , so mit den Gewalthabern von Aegypten
(Babylon), von Tunis und Tripolis, und den Beherrschern Asiens, mit
Arabern, Persern, Mongolen abschlössen, von Privilegien, worin ihnen be-
sondere Gunst oder Freiheit im Handel und Wandel zugestanden wurde.
Diese merkwürdigen Zeugnisse eines grossen und lange währenden
internationalen Verkehrs, von den Häfen des tyrrhenischen und adria-
tischen Meeres nach den Gestaden der Levante und von diesen aus land-
einwärts nach Innerasien, hat ein frischer und reger Forschungseifer in
neuester Zeit aus den öffentlichen Archiven und aus Einzelnsammlungen
der betheiligten Staaten und Städte hervorgezogen und zur Unterlage einer
geschichtlichen Darstellung dieser hohen Bildungsepoche der menschlichen
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611
Gesellschaft, dieser Völkerbündnisse des späteren Mittelalters, ans Licht
gefördert und bereit gestellt.
Die Erkenntniss, dass eben in jenem internationalen Völkerleben, in
jenem durch Recht, Sitte und Vertrag gesicherten Handels wesen des
Mittelalters eine der vorzüglichsten Vorbereitungen zu demjenigen Stand
der menschlichen Gesellschaft gelegen sei, welchen wir die „Neue Zeit"
zu nennen gewöhnt sind, hat treffliche Männer der Wiseeoschaftj Philo-
logen, Orientalisten, Historiker, Geographen — r^g j^ecay^affiag ro nltov
iarl 7i(fdg xäg /p^/aff rag noXirixag sagt schon Strabo, gleichsam der Vater
dieser Studien — zu schönem Wetteifer angespornt und in ausharrender
Thätigkeit gehalten.
Die Archive von Paris, von Montpellier und Marseille, die von Pisa
und Genua, von Florenz und Neapel wurden zu diesem Zweck durch-
sucht und ausgebeutet) die Urkundensammlungen von Amari, von Mas-
LatriCj von Joseph Müller in Turin liegen neben den grossen Veröffent-
lichungen akademischer Anstalten als rühmliche, reichhaltige Werke vor
Augen, und haben in einem gewissen Sinn so zu sagen eine halbvergessene,
lange vergrabene Welt wieder aufgeschlossen und ins Leben der Gegen-
wart zurückgerufen.
Mit vollem Recht müssen hier noch die ausgezeichneten Leistungen
besonders angeführt werden, mit welchen gleichzeitig und in naher Ver-
wandtschaft und inniger Beziehung zu besagten Erforschungen die SocieU
de V Orient Latin unter Leitung des Grafen Riant die wissenschaftliche
Welt erfreut und bereichert und die Kimde jener Jahrhunderte, des Zeit-
alters der Kreuzzüge, glänzend erweitert: noch wirkt der Geist des grossen
Du Gange mächtig fort.
Für Venedig, für die grösste und mächtigste Handelsrepublik, die
besagten wissenschaftlichen Forschungen und Arbeiten zu unternehmen^
dazu hatten wir. Gottlieh Lineas Friedrich Tafel und ich vor fünfund-
dreissig Jahren uns entschlossen, nachdem uns bei einem Besuche Wiens
Joseph von Chmel die Reichthümer des dortigen Archivs für diese Pro-
vinz gezeigt und zur Ausführung des angeregten Planes durch die Aus-
sicht auf Mitwirkung der Kais. Akademie der Wissenschaften ernmntert
hatte. Diese wurde denn auch damals raschen Entschlusses und in Wür-
digung der Angelegenheit freimüthig zugesagt. Von dem ^ Urkundenbuch
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612
zur älteren Handels- und Staatsgeschichte der Republik Venedig, mit beson-
derer Beziehung zur Levante^ erschienen in Wien drei Bände, den Zeitraum
vom 9. bis 13. Jahrhundert umfassend, in den Jahren 1856 und 1857.
Nach einer längeren Unterbrechung nicht sowohl der Studien, als
der zur Vollendung je eines Theiles unerlässlichen, in die Feme und
Weite gehenden Nachforschungen — eine Unterbrechung, welche durch
den Tod des eigentlichen Trägers des stets wachsenden, an Stoff an-
schwellenden Planes {Tafel, unersetzlich als Gelehrter und als Genosse,
starb schon 1860) veranlasst, und alsdann durch persönliche Umstände
und Verpflichtungen, noch mehr aber durch den Strom der Ereignisse
geboten war — übernahm die „Deputazione Veneta per gli studi di
storia patria" die Drucklegung des Urkundenwerks, von welcher sich
die Wienör Akademie glaubte zurückziehen zu müssen, zu dürfen. —
So erschien denn der 4. Band unter dem Titel „ Diplomatarium Veneto-
Levantinum sive Acta et Diplomata res Venetas Qraecas atque Levantis illu-
strantia a. 1300 — 1351^ im Jahr 1880, und nunmehr ist es mir geglückt,
im heurigen Frühjahr den 5. oder Schlussband, vom Jahre 1351 — 1453
reichend, druckfertig zu stellen. Dieses Ziel, die Einnahme von Con-
stantinopel durch die Osmanen, war von uns gleich anfangs als der Ab-
schluss dieses Diplomatariums festgestellt worden; mit dem Einzug des
Grossherm in die Kaiserpaläste von Blachernae und Bukoleon war ein
grosses Geschick erfüllt und ein gi'osses Geschick vorbereitet:
un grand destin s'acheve
un grand destin commence.
Der 29. Mai des Jahres 1453 ist die Peripetie im grossen welt-
geschichtlichen Widerspiel zweier grundverschiedener Welten, des Orients
und des Occidents, als eine solche gleich damals durchgefühlt bis ins
Herz Europas, und seit dem vier Jahrhunderte lang diesen Erdtheil
bewegend, erschütternd, durchzitternd, ein Drama, welches eben in un-
seren Tagen zu einer neuen, wer kann es voraussagen, zu welcher Ent-
wicklung sich anschickt.
Ich sagte „es ist mir geglückt", denn ich fragte mich gar oft, ob
ich, seit zwanzig Jahren ganz auf mich allein gestellt, ohne jede Unter-
stützung von aussen her und ohne das geringste Entgelt für allen Auf-
wand an Zeit, Kraft und Anstrengung und klingenden Auslagen würde
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613
im Stande sein, zu leisten und zu vollenden, was ich der wissenschaft-
lichen Welt mit versprochen, was ich für eine abzutragende Schuld an-
gesehen hatte.
Es ist mir gelungen, — eine Lebensaufgabe ist im wesentlichen er-
füllt, und ich darf dabei ohne Erhebung bekennen* dass gerade unser
Beginnen vornehmlich dazu beigetragen, den Kifer solch historischer
Forschungen zu erwecken, namentlich in Venedig selbst die Grossthaten
der Ahnen frisch und seelenvoll ans Licht zu stellen, und die rüstio:en
Genossen zu vermehren, so zwar dass ein Mitglied unserer Akademie,
aus den reichen Quellen schöpfend und mit langjährigem sicheren und
umfassenden Fleisse sammelnd und sichtend uns in der „Geschichte des
Levantehandels im Mittelalter" ein Werk zur Verfügung vorgelegt hat,
welches den besten Hervorbringungen der Zeit beizuzählen ist und dem
deutschen Namen weithin Ehre und Ansehen erworben hat
Wenn gleich nach Erscheinen des ersten Bandes der vornehmste
Gewährsmann in diesem Bereich vor 30 Jahren aussprach: „Wir wissen
wahrhaft nicht, bedarf es noch eines besonderen Fingerzeigs, oder weisen
die hier zusammengestellten Documente über die Ausbreitung des alt-
venezianischen Handels und über die Wege, die derselbe in kluger Wahl
getroffen, nicht gleichsam von selbst auf die Bahnen hin, in welche sich
die stürmische Thätigkeit der Europäer in dem sich neu erschliessenden
Orient auch künftig wieder drängen wird?" — so hat der Drang der
Begebenheiten, deren Zeugen wir seit jenem Zeitpunct gewesen sind, mit
ehernem Griffel das volle „Ja" in die Tafeln der Geschichte eingegraben,
und die altvenezianische Handelspolitik, das einzige Vorbild, ist, mit Stolz
und Ruhm sei es gesagt, vom Friedensgenius des neuen deutschen Reiches
kräftig und herrlich vor allen anderen Gewaltigen vertreten und sieg-
reich behauptet.
Ich habe oben ausgesprochen, Verträge zwischen den christlichen
Handelsstaaten mit den Moslimen am libyschen Nordrand, am Nil und
in Asien seien in stattlicher Anzahl vorhanden; das gleiche hatte mit
den Türken statt, als dieselben von Kleinasien aus mehr und mehr sich
des illyrischen Dreiecks, des byzantinischen Reichs und der in demselben
gegründeten lateinischen Theilfürstenthümer bemächtigten.
Es ist bekanntlich Venedig gewesen, welches den wilden Kriegszügen
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der furchtbaren Eroberer am meisten zu trotzen hatte, es hatte auch
am meisten* zu leiden und zu verlieren; das eigensüchtige, sich selbst
bekämpfende Abendland brachte es, wie man weiss, nie mehr zu einem
entscheidenden und gemeinsamen Vorgang gegen die* „Ungläubigen".
„II Signor castiga i maligni, sono 1000 anni la fede nostra —
e mai cristiani ha potuto far nulla ne unir una lega di cristiani; sappi
Dio ha dato la spada in man al nostro profeta; si lege in le scriture
vechie: pocho numero di gente ha frachassato gran numero quando h il
voler de Dio" — so ein Muselmann zum venezianischen Bailo Piero
Bragadin in Constantinopel am 30. März 1525 — Marino Sanuto Diarii
t. XXXVIII Manuscript.
Ebendesswegen hielt man in Venedig an den alten Grimdsätzen der
Vorfahren, auch gegenüber den Türken fest; man suchte ein gerechtes
und friedliches Abkommen zu treffen, um dem Lebensquell der Republik
den Zufluss möglich zu erhalten: der venezianische Bailo am goldenen
Hörn war ein erlesener Vertrauensmann bei den Kaisern und nachher
bei den Grossherm — in ihren Berichten liegt auch ein kostbarer Stoff
der Geschichte geborgen. Der Schlussband des Diplomatars wird alle
Türkenverträge aufführen, welche bis zum Fall von Constantinopel ab-
geschlossen worden sind.
Nun aber hatte Venedig nicht bloss seine orientalischen Linien,
welche in regelmässiger Ausrüstung befahren wurden, die nach Alexan-
dria, nach Beirut, nach Constantinopel und den Pontus Euxinus, sondern
auch eine westliche, das berühmte Viagium Flandriae; die Schiffe dieses
Geschwaders berührten ausser anderen Ländern auch die spanischen Häfen;
so mussten gewiss auch die Verhältnisse zu den maurischen Königen von
Granada in bestimmter Weise geordnet sein. So gut als uns mit den
Königen von Aragonien Verträge vorliegen, ebenso ist es zu erwarten,
dass mit den Nasriden, mit dem lange Zeit glänzenden Hof der Alhambra,
welchem die andalusischen Seeplätze gehörten, sichere Abmachungen statt-
gehabt haben.
Um einiges aus meinen Auszügen betreffs des ersteren Pimctes anzu-
führen, gewährt ein Patent Johanns I. König von Aragonien — 13. Januar
1390 — den Venezianern freien Zugang in seinen Staaten des Handels wegen
(Commemoriali VIII, 148); ein Salvoconductus von Valencia — 1422 —
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Freiheit von allem, was andere Itali bezahlen 'ob vetustam amicitiam'
(Commemoriali XI 85); ein Salvoconductus des Königs von Portugal
Johann — 18. Juni 1399 — welchem ein Schutz- und Gunstbrief vom
28. Mai 1396 vorausgeht — erhöht diese Gunst und sichert den Galeren
Flanderns für Personen und Waaren Recht und Freiheit (Commemoriali
IX, 30). Von Seite Frankreichs erlässt König Karl V. — 19, Februar
1377 — und Karl VI. — 1. Juli 1395 und 3. Februar 1401 — zu
Gunsten der Signoria und des venezianischen Handels im Lande bestimmte
Verordnungen (Commemoriali VIII, 13; IX, 16, 130.) Auch Englands Könige
bleiben nicht zurück, Richard IL — 17. September 1399, sein Nachfolger
Heinrich IV. — 4. October 1399, 4. August 1400, 3. December 1400 —
erweisen sich den Venezianern gewogen, und öffnen ihnen ihr Reich (Com-
memoriali IX, 93. 96. 111. 152).
Dagegen ist mir während meiner langen und eingehenden Forsch-
ungen in den archivalisehen Sammlungen Venedigs doch nur ein authen-
tischer Handelsvertrag zwischen der Republik und dem Königthum von
Granada aufgestossen, gerade aus dem Beginn des fünfzehnten Jahr-
hunderts, und zwar in den grossen Copialbüchern der Commemoriali, im
IX. Band. Ich habe mir von dem merkwürdigen Stück gleich beim ersten
Begegnen selbst Abschrift genommen, obwohl es ausser den Rahmen unseres
ürkundenbuchs fällt, aber eine gewisse innere Verwandtschaft machte mir
doch den Besitz dieser Verträge werth.
Es mag nun an der Zeit sein, dieses Document zu veröffentlichen,
zumal, nachdem die Hegesten der Libri Commemoriali mit dem jüngsten
Band bis zu diesen Jahren vorangeschritten sind und zur allgemeineren
Kenntniss vorliegen. Dieselben, von Herrn Professor R. FredelU mit löb-
lichem Fleiss und braver Sachkunde ausgearbeitet, erscheinen unter den
'Documenti* der Deputazione Veneta di storia patria*
Ich habe meine vor mehr denn zwanzig Jahren gern achte Abschrift
im heurigen Frühjahr nochmals verglichen, und dabei noch eine andere
Copie des Privilegiums in einem Codex der Marciana beigezogen, auf
welche ich mittlerweile durch eine Hinweisung bei Romunin (11 1, 335) auf-
merksam gemacht worden war. Es ist dieses die sogenannte 'Cronaca Magno'
aus dem 16. Jahrhundert, der cod. ital. DXVIII, classe VII, cod. 618, reich
an verschiedenen geschichtlichen Auszügen, aber nicht leichthin zu lesen.
Abh. d. 1. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. IFI. Abth. SO
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Dem Pact selbst geht im Liber Commemorialis ein Schreiben des
Königs an den Dogen voraus; gleichenfalls im Codex Marcianus; abge-
schlossen wurden die Verträge Ende Mai des Jahres 1400, durch Bernardo
Contarini, damaligen Consul von Malaga und zugleich Bevollmächtigten
der Republik, namens des Dogen Antonio Venier mit Muhammed VII.,
König von Granada (1392 — 1408).
Antonio Venier (October 1383 bis November 1400), ein altrömischer
Charakter, „der standhafteste Patriot und der eifrigste Verehrer der Ge-
setze", führte in schweren Zeitläuften, — man denke, dass damals Bajasid
der „Blitzstrahl" Sultan war, man denke an Nikopolis — ein kräftiges
lieilsames Regiment; er wusste vornehmlich auch dem Handel nach der
Levante neue Sicherung zu geben, förderte den Verkehr mit Deutsch-
land und errichtete neue Handelsconsulate. Er hatte auch seine Augen
nach dem Westen gewendet: dieses bezeugen die oben angeführten kurzen
Auszüge, dieses bezeugt in hervorragender Weise der hier besprochene
Vertrag.
Im Codex der Marciana oder der Cronaca Magno sind aber ausser
diesen beiden Stücken noch zwei Briefe Bemardo's Contarini an den Dogen,
in seiner Eigenschaft als Consul und Geschäftsträger der Signoria an den
König von Granada überliefert; auch diese sind an sich schätzbar: sie geben
ein beredtes Zeugniss von der Stellung, welche Venedig damals überall
behauptete und von der Achtung, mit welcher seine Sendung in diesem
Falle aufgenommen wurde, und schildern uns zugleich eine Seite des
Hoflebens und Ceremoniels von Granada.
Im ersten Brief, welchen Bernardo Contarini aus Malaga am 1. Mai
1400 schreibt und durch den Capitaneo der Flandrerfahrer Pietro de
Viderio bestellen lässt, meldet er kurz, er sei am letzten April des Jahres
1400 in Malaga gelandet und vom Admiral der Stadt gütig aufgenommen
worden. Er werde nach Abgang der venezianischen Galeren seine Reise
nach Granada beschleunigen, um die ihm übertragene Gesandtschaft aus-
zurichten.
Zwischen diesem Brief und dem andern vom 6. Oktober 1400 —
welchen der nämliche rückkehrende Geschwaderführer zu Händen erhält —
liegt der bald erfolgte Abschluss des diplomatischen Geschäftes Contarini's,
die Unterzeichnung des Ende Mai abgefassten Handelsvertrags.
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617
Bernardo Contarini war, wie er schreibt, am 4. Mai von Malaga
gegen Granada aufgebrochen und kam am 7. vor dieser Stadt an. Noch
bevor er diese betrat, kam ihm ein Alcalde zur besonderen Begrüssung
namens des Königs entgegen, mit dem Auftrag den venezianischen Ge-
sandten sofort bei der Majestät einzuführen.
Contarini machte dagegen Vorstellung; er sei erstlich wegen der
gebirgigen und rauhen Wege reisemüde, dann aber auch nicht in pas-
sendem Anzug; er erbitte sich den Einlass zum König für den mor-
gigen Tag.
Es gereicht dir, erwiderte der Alcade, zu grosser Ehre sogleich vor
des Königs Angesicht zu treten, denn andere Gesandte müssen mehrere
Tage verziehen, ehe sie das Antlitz des Herrschers schauen dürfen.
Daraufhin entschloss sich Contarini, in Würdigung der Venedigs
Regierung zugedachten Ehre, ohne Verschub vor dem König zu er*
scheinen; das Gepäck wurde auf der Strasse geöflfnet und Contarini mit
seinem ganzen Gefolge kleidete sich in Staatsgewand. Mit dem Vollniachts-
brief des Dogen gieng nun Contarini geraden Weges zum königlichen
Schloss; dort fand er den König mit drei seiner Grossen.
Nach schuldiger Ehrenbezeugung überreichte er die Vollmacht und
überbrachte die Begrüssung seiner Herrschaft. Beides nahm der König
freundlich entgegen und begehrte, der Gesandte solle sofort seine Auf-
träge auseinandersetzen. So geschah es. Der König bezeugte durch Miene
und Heiterkeit sein Wohlwollen und hörte alles gelassen an, was der
Gesandte zu sagen hatte.
Contarini schliesst mit der Bemerkung: es habe ihm geschienen, als
hätte der König eine gewisse Vorliebe für das 'idioma latiuum*. Damit
bricht die Copie des Briefes im Codex ab, das weitere fehlt.
Ich lasse nun die beiden Briefe des Consuls, welche das Actenstück
schicklich beleuchten, diesem selbst hier vorangehen, und bemerke nur
hinsichtlich des überlieferten Textes des letzteren, dass die Libri Com-
memoriali als solche von historischem Werth und weil dem beglaubigten
Original entnommen voranstehen; nichtsdestoweniger hat die spätere Ab-
schrift im Codex Marcianus, welche auch im Dialect gewisse Aenderungen
aufweist, ihre eigene Geltung, indem dem Abschreiber der Commemoriali
einigemal durch offenbares Versehen Auslassungen untergelaufen sind.
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Manchmal möchte man fast annehmen, e8 sei der Copie des Codex
Marcianus eine andere Uebertragung der arabischen Urschrift vorgelegen,
als jene in den Libri Commemoriali, Es erschien mir desswegen noth-
wendig, die wichtigeren Abweichungen unter dem Text anzugeben.
Die Zugeständnisse des Königs zu Gunsten der Venezianer sind in
folgende Hauptsätze zusammengefasst :
1. Die Venezianer erhalten einzig für ihren Gebrauch vom König
ein Fondaco in Malaga, mit gleichem Vortheil wie die Fondachi der
anderen Christen, als sichere Wohn- und Aufenthaltsstätte, sowohl für
ihre Personen als für ihre Habe, sammt allen jenen, welche mit ihnen
kommen oder von ihnen abgehen.
2. Der venezianische Consul in Malaga empfängt vom König als be-
sonderen Ehren- und Standesgehalt jährlich zweihundert Doppel-Ducaten.
3. Die Venezianer können alle Bedürfnisse an Speisen und Trank
ohne jede Gebühr in ihr Fondaco bringen, sowie es den Genuesen ge-
bräuchlich ist.
4. Alle venezianischen Kaufleute, welche in das Königreich kommen
oder es verlassen, gemessen an jedem Ort, wo sie absteigen, vollen Schutz
und volle Obhut; keiner darf ihnen zuwider sein. Kauf und Verkauf
derselben geht nach dem Brauch vor sich.
5. Verschuldet ein Venezianer irgendwo im Königreich ein Uebles,
so darf kein anderer als dieser allein zur Busse stehen; man darf sich
an keinen anderen als an den Schuldigen halten, keiner hat für das
Vergehen anderer zu leiden.
6. Alle Venezianer, welche mit Waaren ins Land kommen, mögen
sie verkaufen, an wen es beliebt, ohne jede Belästigung; die mit den
Mauren abgeschlossenen Verkäufe sind giltig und einzuhalten.
7. Gibt es zwischen einem Venezianer und einem Mauren einen
Streit auszutragen, so hat niemand über die Venezianer die Zuständig-
keit, als der Älcalde der Burg, der Hafiz oder Oberaufseher und der
Alcalde der Dogana.
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619
8. Alle venezianischen Schiflfe sind in allen Häfen des Königreichs
beschützt und gesichert.
Leidet ein Schiflf im Hafen oder vor dem Hafen Schiffbruch, so
bleiben Menschen und was sich daraus rettet, geborgen und geschützt;
keiner darf sie vergewaltigen. Alle Sachen, welche im Fahrzeug gewesen
sind, sowohl Kaufgüter als andere Habe, werden, wenn sie gerettet sind^
dem Schiffsherm und den Kaufleuten zurückgegeben.
Zur Ausbesserung der beschädigten Schiflfe dürfen die Venezianer
von allen Eisen, Holz, Pech und Werg einkaufen.
9. Hat ein Maure oder sonst ein anderer, wer immer^ Streitigkeit
mit einem Venezianer, so ist der Consul allein der Richter, und ent-
scheidet den Streit nach Massgabe dessen, was ihm gerecht erscheint.
10. Stirbt ein venezianischer Kaufmann im Königreich, so kommt
der Nachlass desselben in die Hände des Consuls oder desaen Stell-
vertreters; niemand darf von dem Gute des Verstorbenen sich etwas
aneignen.
11. Abgaben an den König haben die Venezianer die gleichen zu
leisten, wie die Genuesen; d. h. — ausgenommen von Gold, Silber, Perlen
und Juwelen, sind zwei Procent zu zahlen und das Herkömmliche für
die Dragomanen.
12. Kommt ein venezianisches Schiflf in einen Hafen und ladet die
Waaren aus, so braucht die Gebühr nicht eher bezahlt zu werden, als
bis die Waare verkauft ist; mit dem Verkauf aber tritt die Zahlung ein.
üebrigens sind die Kaufleute nicht gehalten, ihre Waaren zu ver-
kaufen und können innerhalb zehn Monate dieselben wieder frei ruck-
verladen; ist aber diese Frist vorüber, so muss die Abgabe bezahlt
werden, als wären die Sachen verkauft worden.
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Urkunden.
1. Schreiben Bernardo^s Contarini, Cousuls in Malaga und Gesandten der Republik
Venedig, an den Dogen Antonio Venier, d. d. 1. Mai 1400.
2. Schreiben ebendesselben an ebendenselben, d. d. 6. Oetober 1400.
8. Brief Muhammed YII., Königs von Granada, an den Dogen und die Gemeinde
von Venedig, d. d. 28. des Ramadan (Ausgangs Mcu) 1400.
4. Verträge z,wischen dem König von Granada und der Gemeinde von Venedig,
abgeschlossen durch Bemardo Contarini, d. d. des letzten Ramadan (Ausgangs
Mai) 1400.
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623
1.
Liters misa Yenetijs per galeas partis Flandrie eapitaneo domino Petro de Tidorio
1400 ultimo aprilis serenissimo domino duei.
Supra scriptio:
Serenissimo et exctUentissiino domino domino Antonio Venerio dei gratia
inclito duci Venetiarum,
Serenissime et excellentissime domine mi,
per presentes significo dominationi vestre me Malicham aplicuise ultimo
Aprilisy et ob reverentiam dominationis vestre ah armirato civitatis fui benigne
acceptus. Serenissimus dominus rex est in civitate sua Granata. Separatis
galeis vestris aceleraho viam meam versus Granatam pro expeditione lega-
tionis mihi impositu per excellentiam vestram.
Ad presens nil habeo dignum relatu dominationi vestre cui me humi'
liter recomando.
Bernabdus Contarenus
de vestro ducali mandato ambasiator et consul Maliche,
ibi data primo madij 1400.
Estratto dalla Cronaca Magno. Parte VI. (It. Cl. VII. Cod. no. DXVIIL carte 131.)
2.
Litera misa Yenetijs dominationi per galeas Flandrie ad suam patriam remeantes,
eapitano domino Pero de Tidorio die 6. octobris 1400.
Serenissime et excellentissime domine mi,
per unam^ aliam missam per viam Flandrie dominationi vestre significavi
de aplicatione mea Malicha, que fuit ultima die mensis Aprilis. De Malicha
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 81
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624
vero die quarto Madij pro eundo versus Granatam pro expeditione lega-
tionis mee discesi et ante non potui me expedire propter tres festivitates
tunc hocurentes.
Aplicui Granatam die septimo mensis Madij, et antequam civitatem
intrartm, pro parte serenissimi regis ohviam mihi venu quidam archaittiSy
nominatus Älolasiij super forensis deputatus et pro parte regis mihi retuht,
quod Serenissimus rex miserat eum, ut deberet me introducere ad pre-
sentiam regiam.
Ego vero dum essem in venire, recusabani ire ad presentiam serenis-
simi regis, quia fesus eram propter montuoxa et aspern itinera, et etiam
quia tunc male indutus eram^ aserens, me die crastina ad presentiam regiam
accedere; de vero archaitus mihi dicebat: honor magnus tibi est statim ac-
cedere ante conspectum regis, quia alij ambasiatores trahunt moram per
multos dieSj ante quam accedant ad videndum conspectum regium.
Ego vero his auditis honorem dominationis vestre perpendens disposui
sine intervalo ire ad presentiam serenissimi regis, et in üinere aperire feci
valigias meas et indui me vestimenta splendida cum omnibus de societate
mea, et acepta litera credulitatis ivi recto tramite ad cästrum regium, übt
inveni serenissimum regem cum tribus suis magnatibus.
Feci reverentiam debitam serenissimo regi et ei presentavi literam cre-
dulitatis, salutans eum pro parte dominationis vestre; qui benigne recepit
literam et salutationem vestram, et voluit, quod statim exponere deberem
legationem meam. Et ego sie feci,
Vere, domine mi, serenissimus rex leto animo et iocunda fatie vidit
me et audtvit pacifice omnia que dicere volui; mihi vero videbatur, quod
serenissimus rex aliquantulum diligeret idioma latinum et ... ,
Bernardüs Contarenus
de vestro ducali mandato ambasiator et consul Maliche.
Eetaratto daUa Cronaca Magno (It. Cl. VII. Cod. DXVin. carte 131 e 132.)
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625
Copia litere serenissimi regis Granate Scripte in arabico in papiro rubeo translate
de arabico in latinum.
In nome de dio sia.
De lo re de i Moriy seruo de dio e quelo che crede in dio^ Mahomet
fio del signor di Mori fio de Josep fio de lo re de i Mori^ fio del re
Äbdely fio del re de i Mori Josep fio del re de i Mori Ismayl fio de Naser
— dio lo defenda — scriue a lo doxe de Veniesia che e forte caualmr
e rico t de gran sangue grando como christicmo che sia al mondo homo
de veritade in diti e fati
el nobele Anthonio Venier el comun de Veniesia e i zentilomeni che
xe in Veniesia — dio i guarda e defenda tuti —
al doxe e a la comunita saludi assai.
Nu ve scriuemo de lambra alta de Granata — dio la defenda e guarda
da tuti pericoli — gratia sia dada a dio e dia gratia a nu altri —
lo me tegno contento de vu altri e per questo [rendo] gratia td doxe,
gran signor e al nobele comun de Veniexia, che le vegnudo ad nu el vostro
misazier el vechio \t lo honorado] e nobele e lial de tute rortesie, miser
Bernardo Contarini — dio lo defenda — de la carta de la veritade \ ehe
el doxe el comun de Veniexia a dado che se^ diebia presentar, — man-
dassemo che vignisse in le nostre man, el a^ dito tute cose che vu mfin-
dasse^ a dir, e tute cose che vu aue ordtnadoy e no a manchado nienie.
El ne a dito de la amistade, che vu aue con nu e io el credo de tu
vostra cognosama e amistade.^
Nu semo contento de zo^ cht vu dise e nu re me tegno contenU> de
la vostra amistade^ e si o fato tuto qt^elo che vu aue domandado per el
uostro ambnsador de tute cose che la dito dauanti di nu.
Io digo'^ a vu altri che me mande a dir de tute cose ehe vu aue di
bisogno in tuto el mio regno, e tute cose che vu aue de mestier^ per vodro
amor io el fare, che dio ve lassa auer ben.
1 verita Lib. Commem.
2 chel ne cod. Marc.
^ el de a L. Comm.
4 vuj have mandado cod. Marc.
b amistanza e cogfioaama cod. Marc,
6 quello cod. Marc.
7 io re dico L. Comm.
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626
El re saluda el doxe el coniun di Veniexia cum tuti i zentilomeni.
Fnta di , XXV III. de la nostra quarexema in GbäNätä.
a tergo:
AI doxe de Veniexia grande e hon Anthuonio Venier e al comun de
Veniexia e a i grandi e a i boni zentilomeni — che dio dia sanita e ale-
areza a tuti e dio del cielo sia cum elli. —
4.
Copia pactorum inter serenissimum regem Granate et comune Yenetiarum trans-
latorum de arabico in latinuin.
In nome de dio sia.
Sapia jsascun che vedera questa carta, e chi la vedera e oldira, che
Nu re de Granata, seruo de dio che crede in dio
El re Machomet ßo del nostro signor Josef fio del re Machomet fio
del re signor Josef e fio del re Ismail^ fio de Naser ^ re de Granata e de
Malicha e de Ronda ^ e de Zabeltar ^ e de Älmeria e de Bera e de Basta
e de Godis, re de Granata e re de i Mori^
chel vene a nu el mesazier del doxe de Veniexia, gran signor nabele
6 ben vouido da tuta la zente e quelo che'^ tuto el mondo parla ben per
elo, misier Anttwnio Venier, doxe de Veniexia e vardaor de tuta soa zente^
tl mesazier del comun de Veniexia Bernardo Contarini, a portado carta
del doxe e del comun de Veniexia^ scrita in latin con el so segno su la
soa letera,
el fo dauanti da nu^ per le parole chel^ ne voleua dir per parte
vostra^ e credessemo a la parola del vostro mssazier Bernardo Contarini^
el domanda da nu la paxe e la amistade entro vu e nu, e fi con elo^
la paxe bona e ferma per sempre, e cosa veriteusle^ che no i se puo'^
mudar. e vegna^ seguri tuti i Venetiani in nostra terra e in tuto el nostro
1 Romda cod. Marc. 5 esso cod. Marc.
2 Zubeltar cod. Marc. 6 veriteuel cod. Marc.
3 e quelo per el quaX cod. Marc. 7 non se puo cod. Marc.
4 el cod. Marc, 8 e pero vegna cod. Marc
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627
regno, per mare per terra, e con le persone e con lumr^ e con tute merca-
dantie, e con tuti i vostri nauüij, e con tuti compagni vegmra cum vo^-itri
nauüij de vostra terra e de terra stramiera, che sia suxo i vostri nauilij
de tute cose che entro vu e nu.
El vostro mesazier ne a dito^ tute, cose che vu domande e domandu
nostra cognosama. e nu credenw le parole che^ ne a dito e credemo ehel
dixe veritadcy e auemo fato con esso la paxCy e con nw doxe e con el
comun de Venieada e con i aentüomenij e con tuta vostra ze'tüe e con tuto
HO che sia da vostra parte,
Nu lauemo fato per nu e per nostra zente e per tuti queli che xe de
soto del nostro regno. e che non sia algun che osa dir contra vu altri,
e comandassemo chel se fesse questa carta.
E nu receuemo le cose vostre soura de nu, conie receue Bemardo
Contarini vostro mesazier le nostre cose soura de lu.
E questo fato xe soura de nu re e de vu altri^ io lo receuudo e fato
intro nu e vu altri.^
1. La prima rosa che vu domande, sie che nu dehiemo^ far un fon-
tego in Malicha a pruo de li fontegi de li altri chridiani^j che sia per
Venetiani sola mente, e chi i stia e habita segura mente la soto lomhru de
lo re, e tuti sia seguri de le persone e de lauer, e con tuti queli che sera
con vUj 0 che se partira da vu, tuti sia seguri per la parte del re e de
li pati che entro vu e nu.^
2. E volemo chel consolo che sera qua per vu, habia CG dohle doro
da nu per cadauno anno '^, e questo femo per honor e cortesUK
3. E volemo che tute cose che ve besogna per vostro mamnr e per
vostro ber, vu le posse meter intro lo vostro fontego senm pagar alguna
cosa, como e usama de i Zenouesi
1 clui dito cod. Marc.
2 chel cod. Marc. »
3 e questo fato se fara de nu re et de vu
altri si che lo receuudo e fato tuto intro
cu et nu cUtri in questo modo cod. Marc.
4 nu ve dehiemo cod. Marc.
5 a pruo dt altri fmiUgi di idiri criaiiani
cod. Marc.
6 e questo e di pati cniro vu e nu cod.
Marc.
7 hahia al anno da nt^ dtMe ^00 doTQ
cod. Marc.
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n
628
4. E Uäi i mercadanti che vegna o^ vada per lo nostro regno^ che
sia defendudi e guardadi in ogno luogo lache i desmonta, e non sia nesun^
che i ofenda e che i venda e compra^ segondo vsanza.
5. E sei sera algun dt vostri che faza mal in tuto el mio regno, che
non sia dada pena a altri cha luy solo, e che non possa domandar a altri
cha a colui^ che aaera fato el mal, e che algun non hahia mal per lo
pecado de altri.
6. E tuti gmli che vignera con mercadantia, possa vendere a chi^
i plaxera senza algun inpazo. e che i mercadi fati con i Mori sia con-
seruadi. ^
7. Anchora sei vegnira alguna deferentia tra Moro e Venetian, chel
non sia algun che hahia lihertade soura i Venetiani, excepto lo archayto
dd castello, e lafizo, e lo archayto de doana,
8. JE che tuti vostri nauilij sia guardadi e defexi in tuti nostri porti
E se algun vostro nauilio naufragasse in porto o fuor de porto, che le
persone e zo che se recatasse, sia salue e segure, e che algun non faza forea.
E tute cose che fasse in nauilio '^, cussi de mercadantia, como de auer,
tute cose che se recatasse, sia dade al paron e a i mercadanti. e che
i possa comprar da tuti feramenta^ ligname, pegola e stopa per reparation
de i suo nauilij.
9. E se algun Moro ouer altri, che se sia, auera deferentia con algun
Venetian, chel consolo solo sia zudexe, e debia defenir le diferentie, como
i parera che sia zusto,
10. E volemo, che se algun mercadante Venetian morira in lo nostro
regno, che i beni del 7norio peruegna in man^ del consolo , ouer chi sera
per lo consolo, e che algun non possa prender de i beni del morto.
11. E volemo, debie pagar el nostro dreto como paga i Zenou^si^ ex-
cepto de oroy arzento, perle e zoye — 2 per cento debie pagar del dreto,
e la usanza de la turzimania.^
1 over cod. Marc.
2 aJgun cod. Marc.
3 e che i possa vender e comprar cod. Marc.
4 a queJlo cod. Marc.
5 vendere quell a a chi cod. Marc.
6 obseruadi cod. Marc.
7 in el nauilio cod. Marc.
8 in le man cod. Marc.
9 trucimanaria cod. Marc.
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629
12. E volemo che, sei vegnira alf/un nuuilio al porto che descarga
de le mercadantie^ chel ^ non sia tegnudo a pagar el dreto infina che ^ non
auera vendudo la mercadantia, e se el vende el^ pciga.
E che i mercadanti non sia streu a vender, e possa recargar le soe
mercadantie infina . x . mexi^, e da puo passado el dito termene, debia
pagar el dreto, como se le cose fosse vendude.
E al doxe e al comun de Veniexia dixe, che questi e li pati^, che
e fati con lo^ vostro mesazier, zentilomo Bemardo Contarini —
e atiemo receuudo questo e soura questo e fato la paxe, e femola con
tuti del nostro regno'^, e soura questo^ demo nostra verüade, e nu otigne-
remo ben e guardaremo la puxe^ e semo certi di questo, e hauemo fato^
scriuer a questi testimonij in . 2 . carte scrite in arabesco, e in tute. do.
auemo scrito de nostra man, e femo testimonianza per nu medemi, e in
cadauna^^ de le nostre carte auemo messo la nostra bola —
e si lauemo fate con testimonianza ^ ^ e scrite con testimonianze del cadi,
che e suora tuti i cadi del nostro regno.
E una de le carte saluemo per nu e laltra demo al vostro mesazier.
e per questo sia seguro cadaun vostro che vora vegnir al mio regno.
Scrita questa carta del nostro comandamento in Lämbrä ^^ de GbäNäTA
del tempo che le fata a ultimo di^'^ del nostro ramadan in anno. 802.^^
segondo usanza di Mori. e testimonij ^^ de nu e del vostro mesazier Ber-
nardo^^ Contarini, siando turzimano^'^ veriteuole entro nu el^^ vostro mesor-
zier, e a testimoniado qua Laguzi,^^ grando homo apresso el^^ re.
1 el cod. Marc.
2 fina chel cod. Marc.
3 chel cod. Marc.
4 mexi . 10 . cod. Marc.
5 86 pud dire che questi e i pati cod. Marc.
6 ü cod. Marc.
7 e auemo receuudo questo soura de nu e
hauemo fato la paxe cum vuj nuj re cum
tuti quell che soto el nostro regno cod. Mar.
8 soura di questo cod. Marc.
9 e ado che vu sie piu certi di questo, hauemo
fato cod. Marc.
10 zascuna cod. Marc.
11 con testimonianza oin. cod. Marc.
12 in lalta ambra cod. Marc.
13 giorno cod. Marc.
14 ai anni del profcta 802 cod. Marc.
15 e siando testimonij cod. Marc.
16 e/ honorado B. cod. Marc.
17 trucimano cod. Marc.
18 entro vu e nu el cod. Marc.
19 lagrizi cod. Marc.
20 dd cod. Marc.
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630
E testimonij se di questo Ahenasym} e testimonia sora questo el tesorier
del re che nome Anbesuba.^ e testimonia Mahomet Älcnysy^^ cadi sora i cadi.
e lo re scriue cum sua man^, tuto esser vero como e scrito.
I sourascriti pati fo fati in Granata in lanno de Christo 1400 adi ultimo mazo.^
1 Abenasim cod. Marc.
2 Anbensuba cod. Marc.
3 Älcham cod. Marc.
4 cadi sora i cadi del notttro regno^ el re
scriue de sua man cod. Marc.
5 hoc addit cod. Marc.
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631
Erläuterungen.
Der König von Granada gibt sowohl in seinem Briefe an den Dogen von
Venedig als in der Einleitung zum Text des abgeschlossenen Vertrags, wie es Her-
kommen war, seinen Stammbaum an. Man hat dabei Zweierlei zu beobachten:
a) Die in Granada herrschende Dynastie heisst die der Nasriden, weil der Gross-
vater des ersten Königs Na$r hiess; jeder einzelne Fürst dieses Hauses nannte sich
ibn Na§r, ^den Nasriden";
b) von den zwölf Fürsten Granadas (1237 — 1492), welche Muhammed hiessen,
führte jeder den Beinamen Abu Abdallah ^ Vater des Abdallah**, weil es in der
Familie herkömmlich war, dass jeder Muhammed seinen Erstgebornen Abdallah nannte,
während jeder, welcher Jüsef hiess, den Beinamen Abul-Haggäg führte, weil er
immer seinen Erstgebornen el-Haggäg nannte. Kommt also in einem Document Abü-
Abdalläh als Name eines Fürsten von Granada vor, so muss dessen wahrer Eigen-
name Muhammed sein.
Im ersten Schreiben nennt sich Muhammed (der VII. dieses Namens und der
12. König in der Reihe der Herrscher Granadas) den Sohn, beziehungsweise den Ab-
kömmling der vier Könige Jüsef IL, Abdaly, d. h. Abü-Abdalläh, d. i. Muhammed (V.)
und also steht im Eingang des Vertrages — Jüsef I. und Ismail I. Weitere Ahnen,
die wirkliche Könige waren, hatte Muhammed VII. nicht; um mm aber wissen zu
lassen, dass weder er noch seine Väter Usurpatoren waren, sondern Glieder des
Herrscherhauses der Beul Nasr „der Nasriden", nennt er sich schliesslich in beiden
Schriften noch *fio de Nasr' „den Nasriden* ; er sagt nicht *fio del re Nasr , wie bei
den vorausgehenden Ahnen, denn ein König dieses Namens war keiner seiner Vor-
fahren. Zwar hiess der vierte König von Granada auch Nasr mit dem Beinamen
Abül-Gujüs (Djujüsch), aber dieser gehörte einer Nebenlinie an.
Diese und andere Weisungen verdanke ich einem stets bereiten und trefflichen
Genossen, einem lieben ehrlichen Freund.
Es erscheint mir statthaft, sowohl die Reihe der Könige von Granada als den
Stammbaum der Nasriden bis auf Muhammed VII., den Urheber dieser Schriftstücke,
in einer Beilage am Schlüsse anzufügen, weil unsere Urkunden daraus sich anschau-
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 82
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632
lieber erklären, die einschlägigen Bücher aber nicht jedem zur Hand sind. Ich benütze
dazu „Makkari the history of the Mohammedan Dynasties in Spain by Pascual de
Oayangos Vol. II p. XCV (Appendix*), woselbst ein ,6enealogical tree of the Ben
Nasr, kings of Granada" gegeben ist und »Inscripciones arabes de Granada par
Z). Emilio Lafuente y Alcdntara'^, welche p. 78 fiF. sowohl ,1a cronologia y örden
de sucesion de los reyes de Granada *^ als ein ,,Cuadro genealögico de la familia
Nasrita" enthalten.
Wenn sich Muhammed VII. im Pactum selbst König von Granada, von Mal^a
und Ronda, von Gibraltar und Almeria, von Berja und Bazah und von Gadix nennt,
so haben wir damit eine geschichtliche ümmarkung des damaligen maurischen König-
reichs, welches schon zur Zeit Abulfedas auf die südlichen Theile von Granada und
Andalusien zwischen den Gualdaquivir und die Meeresküste zurückgedrängt worden war.
„En ce moment la plus grande partie de l'Andalos est sortie des mains des musul-
mans, et les chretiens s'en sont rendus les maitres. . . II ne reste plus au pouvoir
de rislamisme que le royaume de Grenade et ses dependances, telles qu' Algeciras et
Almeria. Le roi de Grenade, connu sous le surnom de Ibn-Alahmar, est vivement
presse par les Francs, et il n'a de secours ä attendre de personne.* Geographie
d'Aboulfeda . . par M. Reinaud tome II. p. 240.
Von Malaga berichtet ebenderselbe (p. 250) : Malaga . . dans la partie meri-
dionale de l'Andalos. . . La province de Malaga est entre Celles de Seville et de
Grenade, sur les bords de la mer du Detroit ; eile abonde en figues et en amandes. —
Von Almeria und Bera (p. 254): Almeria est ime ville . . de TAndalos, entre
les provinces de Malaga et de Murcie. C'est une ville muree et situee sur les bords
de la mer du Detroit. On peut dire qu'elle est (pour le commerce) la porte de la
partie Orientale de la presqu'ile et la clef d'abondance. Elle a un territoire d'argent,
une cöte d'or pur et une mer d'emeraude. Ses murs sont eleves, sa citadelle est haute
et d'un accös difficile, son air est tempere. La soie qui entre dans ses fabriques de-
passe tout ce qui est employe dans les autres villes.
Au nombre de ses dependances sont . . . . la ville de Berja (Berdje) et la ville
Andarax (Andarakä).
„All authors agree in saying that the inhabitants of Almeria were at one time
the wealthiest people in all Andalus, and those who carried on the most extensive
trade.** Makkari (by Gayangos I, 50). »Some of the districts surrounding Almeria
deserve mention. One of them is that of Berjah (Berja), when lead is to be found
in great abundance. Its capital Berja is situated on a very pretty river — whose
banks are covered with trees and flowers.** (Ebendort I, 53).
Basta (Baza) wird von Abulfeda unter den von Granada abhängigen Städten auf-
geführt (p. 254): nous citerons . . parmi les dependances de Grenade, la ville de
Baca (Bägha) qui abonde en eaux ayant le propriete de se petrifier; le territoire
de Baca est riebe en safran et en raisins. Wegen der Umgestaltung von Basta in
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633
Baza s. Gayangos zu Makkari I, p. 345 Note 64: the chanore of st in z is fre-
quent in Spanish; so from Basta, Castulo, Sarakosta, Castalla, were made Baza,
Cazlona^ Zaragoza, Cazalla.
Ronda zählt Abulfeda zu den Bezirken von Sevilla (p. 235): Seville a sous sa
dependance un grand nombre de cantons, dont la plupart sont situes au midi du Gua-
dalquivir . . Parmi ces cantons sont ... 5® celui de Ronda. Nach Makkari (by
Gayangos I, 42) gehörte Ronda früher zur Gerichtsbarkeit von Cordova: ^the cities
formerly belonging to the Jurisdiction of Cordova were Ezija, Bolcun, Ronda" etc.
Der Brief des Königs an den Dogen trägt das Datum ,fato di XXVIII. de la
nostra quarexema in Granata*, das Pactum ist ausgestellt ,a ultimo di del nostro
ramadan in anno 802 segondo üsanza di Mori* ; der 28. de la quaresima ist der 28.
des muselmännischen Fastenmonats Ramadan der ultimo del Ramadan ist der 29.
oder 30. dieses Monats; die zweite Urkunde ist also um einen oder zwei Tage später
geschrieben.
Nach Dr. Ferdinand Wüstenfelds Vergleichungstabellen der muhammedanischen
und christlichen Zeitrechnung p. 34 fällt das Jahr 802 Muhammeds zwischen den
3. September 1399 und 26. Mai 1400; die Urkunden von Granada würden demnach
auf die Tage des 24. und 25. Mai zu setzen sein. Dazu s-timmt freilich die Note
des Codex Marcianus am Schlüsse des Vertrages nicht ganz, welche aussagt: i soura-
scriti pati fo fati in Granata in lanno de Christo 1400 adi ultimo mazo. Es wäre
denkbar, dass das Datum 'a ultimo di del . . Ramadan' diese Uebertragung auf den
christlichen Monat veranlasst hat.
Was die im Vertrag gegen den Schluss vorkommenden Eigennamen anlangt,
so ist der Name des betheiligten Dragoman Laguzi — der Codex Marcianus bietet
Lagrisi — zweifelhafter Natur; die Zeugen Abenasym und Anbesuba sind wohl
ehrende Beinamen Abi (= Abu-) Nasim und Abi-Subäh „Vater des Nasim und
Vater des Subäh.** Mahomet Alcaysi, der dritte Zeuge und ^cadi sora i cadi' ist
Muhammed al-Kaisi, „Muhammed der Kaisid* (aus dem Geschlecht Kais). Die
Familie *Kais* wird viel in der Geschichte dieser Dynastie erwähnt: vielleicht war
sie dem Herrscherhause selbst verwandt; denn in der Geschichte des Ibn - el - Chatib
war Kais der Vater des Nasr, des Stammvaters der Dynastie. Auch hatte der König
Jüsef I. zwei Söhne Isma'il und Kais, von welch letzterem wohl auch dieser Ober-
richter oder Justizminister Muhammeds VII. abstammen konnte.
Archayto im Artikel 7 ist venezianisch statt alcaito, das spanische alcalde,
arabisch al-käid dux exercitus, Heerführer; dann überhaupt Präfect. Lafizo ist das
arabische häfiz der Autbewahrer, Oberaufseher : »afice, Zollaufseher auf Seide, arabisch
iaiLiI alhäfiz Bewahrer, Aufseher.** Marc. Jos. Müller^ die aus dem Arabischen in das
Spanische übergegangenen Wörter, Sitzungsberichte unserer Akademie 18C1. II p. 97.
^Hafiz (haiz, afice) inspecteur le Timpöt sur la soie a Grenade, de jas\,^ (häfidh)
qui signifie en general inspecteur.*^ Glossaire des mots espagnols et portugais deriv^s
82»
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n
634
de l'Arabe par JR. Doey et W. H. Engelmann p. 283. Lehrreiche Bemerkungen über
die Namen der Würdenträger bei den maurischen Herrschern Spaniens gibt die Ein-
leitung p. 1 und p. 129 der Artikel ^Algu^cil . . vizir** im genannten Werk.
In anderen Documenten mit Tunis und anderen Staaten heisst der Aufseher der
Dogana meistens näeir^ bisweilen auch nwscerif; vgl. Ämari diplomi arabi p. 401,
p. 483.
Der diplomatische und Handelsverkehr zwischen Granada und Genua, auf welchen
in einzelnen Sätzen unseres venezianischen Vertrages Rücksicht genommen wird, reicht
gut auf ein Jahrhundert früher hinauf; einen Friedens- und Handelsvertrag zwischen
Abgesandten der Bepublik Genua und dem zweiten König von Granada aus dem
Stamme Nasr, Muhammed IL vom Jahre 1278 hat Süvestre de Sacy bereits 1827
in den Notices et Extraits vol. XI, p. 26 — 32 veröflFentlicht. Unter den Artikeln
dieses sehr ausführlichen Instruments, welches mehrfach mit dem venezianischen zu-
sammenzuhalten ist, gibt folgender Satz zu den Artikeln 7 und 9 einen Anhalt,
er lautet:
Si Sarracenus conquereretur de Januense vel dicto Januense seu qui pro Januense
se distringat, quamvis in Janua non habitaret, debeat cognosci et diffiniri questio
per consules Janue;
et si Januensis seu qui pro Januense se distringat, conquestus fuerit de Sarra-
ceno, forum rei sequi debeat coram Caito doganae, ita quod questiones diffinientur et
diffiniri debeant infra dies quindecim a die litis motae seu lamentationis factae (p. 28).
Diese auf einen unparteiischen Entscheid einer Klage abzweckende Rechtsanord-
nung zieht sich durch viele Verträge zwischen den Christen und Moslims hindurch.
In einem Vertrag zwischen Pisa und einem König von Fez und Marocco vom
Jahre 1358 findet sich folgendes merkwürdige Capitel:
e questo e il capitolo undecimo, lo quäle havete domandato:
che se alcuno mercatante pisano habesse quistione con un altro Cristiano d'altra
lingua, che sia la quistione dinanzi del vostro consolo; salvo che se la quistione fasse
grande che portasse pondo, che vengha a sententiarla al cadi della terra.
E quando nel luogo non havesse consolo e la detta quistione fusse, che la veggia
tra loro lo aveli (i. e. il wäli) de la terra, e sino lo signore del castello. Et habbia-
movelo conceduto questo.
£ quando la quistione fusse dal Saracino al Cristiano, che torni alla r^one
de' Saracini e de' loro cadi.
Anuvn p. 311 und die Noten p. 476, welcher hervorhebt, dass dieses das ein-
zige Diplom der Meriniten von Fez sei, welches sich gefunden hat.
Schon im Vertrag Venedigs mit dem ersten Mamlukensultan Aegyptens, Melek
Moys, im Jahr 1254, tritt die obige Rechtszuständigkeit klar und kurz hervor:
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635
Capittdum. Item quod, si aliquis Sarraceniis clamaverit se de aliquo Veneto,
diffmiatur causa ante consulem Venetorum.
Et si aliquis Venetus proclamaverit se de aliquo Sarraceno, diffiniatur ratio ante
illum qui fuerit loco Soldani ; et potestatem habeat consul faciendi rationem inter ipsos.
Urkundenbuch von Venedig II, p. 487.
In besonderen Fällen steht der Beschwerdeweg zum Sultan selber oflFen : gleich das
nächste Capitel des angezogenen Vertrages von Venedig mit Melek Moys sagt daher:
Item si aliquis Venetus receperit tortum aliquod in terra Alexandriae, consul
Venetorum habeat potestatem mittendi suas litteras ad Soldanum de clamore. Et ipse
Soldanus praecipiet fieri inde rationem.
Aehnlich bestimmt ein Vertrag zwischen Venedig und dem Sultan Melek Nasser
vom Jahre 1302:
Item si alicui Veneto fieret tortum, et consul Venetiarum mittere vellet ad Sol-
danum, quod Cadhy dare debeat ei ductorem et litteras, ut consequi valeat rationem
suam. — Diplomatarium Veneto-Levantinum p. 6.
Noch ausführlicher gibt dieses ein Vertrag vom J. 1345 mit dem Sultan Ismail:
Item, si aliqua molestia seu tortum aliquod in Alexandria fieret Venetis, tunc
ille, qui tenebit dominationem ibi pro Soldano seu vicarius suus, ad requisitionem
consulis Venetorum seu mercatorum, qui molestiam substinerent, dare teneatmr con-
ductorem eidem consuli seu mercatoribus, qui conducat ipsos coram domino Soldano,
ut ipsi valeant consequi rationem: qua consequuta per dictum conductorem reduci
debeant in Alexandriam; et si praedicti vellent tantum litteras suas domino Soldano
mittere, similiter dare eisdem portitorem teneatur. — Ebendort p. 293.
Eine besondere Begünstigung der Venezianer enthält der zweite Satz des Ar-
tikels 12, in Betreff der Frist, wonach ausgeladene, und binnen zehn Monaten nicht
verkaufte Waaren abgabenfrei rückverfrachtet werden können.
Eine ganz gleiche Bestimmung steht mir aus keinem Vertrag zu Gebote ; obwohl
über das ^caricare et discaricare' naturgemäss vielfach und allgemein verhandelt wird.
Doch kann zuvörderst beigezogen werden, was den yenezianem in einem Capitel
des oben angeführten Vertrags mit Melek Moys (p. 487) zugestanden ist:
Item, si aliquod navigium Venetorum devenerit in terram Aegypti et totum
suum regnum, ubi dominatur Soldanus, et habuerit mercimonia, de eo quod ven-
diderint, solvant inde dricturam.
Et si vendere noluerint, potestatem habeant eundi; et non toUatur eis drictura
aliqua nee ulla ratio, si ipsi non vendiderint.
Am nächsten alsdann möchte kommen, wenn es in einem Vertrag der Floren-
tiner mit dem Sultan von Aegypten vom J. 1422 also heLsst:
. . i mercatanti fiorentini . . possino carichare et nullo possa ritenere lo caricho
delle mercatantie.
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636
Et che delle nnri che vengono nelli porti del soldano carichate, possino schari-
care queUo ch'elle vogliona. Et di quello che non volessono scharicare, non sieno
teiiuti iie aforaati di acharicare.
Et che delle mercatantie che scharichano, non sieno tenuti di pagare lo
comerchio, insino che non äuno venduto.
Amari p. 34 L
Es dünkt mir eine ehenso anziehende als fruchtbare Aufgabe för den Fachmann,
den Kenner des Handelsrechts, wie Herrn Gölischmidt^ die verschiedenen Satzungen
der gesammelten , geÄammt^n Handelsverträge zwischen Christianem und Moslims
sowohl ihrem Inhalt nach unter sich zu vergleichen, als nach dem Geist des inter-
nationalen Verkehrs und dem Inbegriff des allgemein giltigen Handelsrechts zu be-
iirtheilen und einzuordnen \ ich meinte', aus einem solchen Studium mflssten Ergebnisse
hervorgehen, welche heute noch schätzbar und verwendbar erscheinen würden.
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637
Beilagen.
1.
Die Dynastie etr-Ahmar oder Naar nach dem Alinlierrn Okaii ibn Nasr
el Alimar.
1. Muhammed I. Abu-Abdallah 1238 (1232 ausgerufen) — 1273.
2. Muhammed II. Abü-Abdallah el-Fakxh 1273—1302.
3. Muhammed III. Abu-Abdallah 1302—1309.
4. Nasr Abul-Djujusch 1309-1314.
*5. Ismail Abul-Welld 1314—1325.
6. Muhammed IV. Abü-Abdallah 1325—1333.
*7. Jüsef I. Abul Haggag 1333—1354.
8. Muhammed V. Abü-Abdallah
das erstemal 1354—1359.
das zweitemal 1362-1391.
dazwischen
9. Imaxl II. 1359—1360 und
10. Muhammed VI. Abü-Abdallah 1360-1362.
*11. Jüsef IL Abul-Haggäg 1392.
*12. Muhammed VII. Abü-AbdaUah 1392—1408.
13. Jüsef lll. Abul-Haggäg 1408—1417.
14. Muhammed VIII. Abü-AbdaUah 1417-1427
und wiederum 1429—1432
und zum drittenmal 1432 — 1445.
15. Muhammed IX. (As-saquir) 1427—1429.
16. Muhammed X. ibn Osman 1445 — 1454.
17. Saad Abu 1454—1465.
18. Ali Abul-Hasan 1465—1482.
19. Muhammed XI. Abü-Abdallah 1482—1483.
20. Muhammed XH. Abü-Abdallah 1483-1492.
Bemerkung: Die mit * bezeichneten Fürsten erscheinen in den t'rkimden nl« Ahnen Efiniga
Muhammed VII.
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6S8
2.
Stammbanm der Nasriden von Granada bis auf Mnhanmied YII.
Nasr
Jüsef
1 Muhammed L Abu Abdallah
I
2 Muhammed II. Abu Abdallah
el-Fäklh
I
Ismail
3 Muhammed III. Abu Abdallah
Faraj
I
I
10 Muhammed VI.
Abu Abdallah
4 Nasr Abul-
Djujüsch
Abu Said
Faraj
I
*5 Ismail I, Abul-
welid
6 Muhammed IV.
Abu Abdallah
*7 Jüsef I,
Abul-Haggäg
*8 Muhammed V.
Abu Abdallah
I
♦11 Jüsef IL
Abül-Haggag
*12 Muhammed VIL
Abu- Abdallah.
9 Ismatl IL
Kais
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üeber die
Homerreceusiou des Zenodot.
Von
Adolf Römer.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. lU. Abth.
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üeber die Homerrecension des Zenodot.
Eine neue zusammenfassende Untersuchung und Beleuchtung der
ersten Homerrecension im Altertum dürfte vielleicht nach den bereite
vorliegenden teilweise sehr tüchtigen Vorarbeiten ein sehr gewagtes Unter-
nehmen sein. Wenn jiun auch die gegenwärtige Arbeit nicht gerade eine
fühlbare Lücke in der philologischen Litteratur ausfüllt, so waren doch
manche Gründe für mich bestimmend, dieselbe gerade in dem jetzigen
Zeitpunkt aufzunehmen und zu veröffentlichen. So zuerst und zunächst
die unverrückbar in mir feststehende Ueberzeugung , dass eine kritische
Untersuchung und historische Würdigung der Bedeutung, Wirkung und
Nachhaltigkeit der philologischen Tätigkeit Aristarch'e ganz notwendig
basirt sein muss auf einer genauen und gründlichen Kenntnise der Leist-
ungen seiner beiden Vorgänger sowohl in Kritik, wie Exegese. Nicht als
ob die Missgriffe, Irrtümer und Fehler derselben die Richtung der Studien
Aristarch's allein und ausschliesslich bestimmt hätten: Seine Tätigkeit war
ja eine viel umfassendere ; wohl aber wurde er durch dieselben zu vielen
guten und erfolgreichen Untersuchungen angeregt, wovon heute die Scholien
des Aristonicus an so vielen Stellen ein beredtes Zeugniss ablegen. Ja
auch da, wo dieser Bezug nicht ausdrücklich angegeben, müssen wir in
mancher anscheinend unbedeutenden und auf den ersten Blick trivial
klingenden Bemerkung uns bemühen, den leitenden Gedanken aufzusuchen
und werden da mehr wie einmal auf Zenodot geführt. Aber die Er-
reichung dieses Zieles ist nur dann möglich, wenn wir, soweit es die
Lückenhaftigkeit unseres Quellenbestandes gestattet, uns eine genaue KenDt-
niss von den Vorzügen, wie den Mängeln der Ausgabe des Zenodot, sowie
von den ihn bei der Fertigung derselben leitenden Grundsätzen verschaffen.
Aber auch den zweiten, weit wichtigeren Vorteil gewährt eine
kritische Durchmusterung sämmtlicher uns überlieferter Lesarten j Athe-
83*
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642
tesen, Interpolationen Zenodots, dass wir nämlich bei unbefangener Prüfung
und Vergleichung der Lesarten desselben mit denen Aristarch's viel eher
und leichter ein sicheres und bestimmtes Urteil gewinnen über die hand-
schriftliche Autorität und diplomatische Beglaubigung, die den beiden sich
entgegenstehenden Varianten zugesprochen werden muss; denn darüber
lässt sich durchaus nicht sicher von Fall zu Fall entscheiden, sondern
nur von der Höhe eines Standpunktes, der die ganze Methode, das
ganze System der kritischen Tätigkeit beider Männer immer im Auge
behält und dabei immer erwägt und sich vergegenwärtigt, wie sich die-
selben gleich von Anfang an tler handschriftlichen üeberlieferung gegen-
über gestellt haben. Da nun über diesen letzteren Punkt in neuerer Zeit
Ansichten aufgestellt und auch verbreitet worden sind, die den klar zu
Tage liegenden Tatsachen gröblich ins Gesicht schlagen, so hielt ich eine
neue Untersuchung um so mehr am Platze, als Laien oder doch solche
die den grammatisch-kritischen Studien ferne stehen, an dieses neue Evan-
gelium glauben und diesen untrüglichen Glaubensartikel gottbegeistert ver-
künden und in die Welt schicken. Bekanntlich hat ja Nauck seinen
Feldzug gegen Aristarch damit inaugurirt, dass er der philologischen
Welt ein gar feines Mährchen auftischte, in welchem der Vater der ersten
Homerausgabe im Altertum die Rolle eines engelreinen, aber dummen
und unfähigen Librarius spielt, in welchem derselbe bis zur ruhigen und
sicheren Höhe der philologischen Unschuld eines Gulielmus de Moerbecke
verklärt ist. „Es ist bekannt, bemerkt Nauck in den Melanges Greco-
Romains n p. 323, dass unter den Schreibern der Codices diejenigen,
welche gedankenlos den ihnen vorliegenden Text, auch wo er sinnlos
entstellt war, wiederholten, im Allgemeinen eine bessere Grundlage für
die Kritik bieten, als halbunterrichtete Verbesserer, die auf eigene Hand
zu helfen suchten und durch Uebertünchung der Fehler die Auffindung
der ursprünglichen Textesgestaltung in den meisten Fällen unmöglich
machten. Ganz ähnlich ist das Verhältniss zwischen Zenodot und
Aristarch."
In der Homerlitteratur ist man sowohl in der sogenannten höheren,
wie in der niederen Kritik an starke Stücke gewöhnt, ich muss aber
gestehen, dass ich doch seit Jahren einer stärkeren Leistung nicht be-
gegnet war. Ich bebe noch ganz von dem niederdrückenden Gefühle,
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643
das der krasse Subjektivismus des Zenodot auf mich gemacht hat. Darum
will ich vorgreifend nur so viel sagen und ich denke im Folgenden
dafür die Beweise zu erbringen: Bei entgegenßtehendeG Lesarten der
beiden Kritiker mag vielleicht an einem Dutzend von Stellen die bessere
handschriftliche Beglaubigung mit aller Mühe und Not für Zenodot nach-
gewiesen werden können. Aber sonst — und hier stelle ich mich so
gut wie Nauck auf den Standpunkt der modernen Philologie — taucht
aus der Masse der verfehlt abcorrigirten und übenl reist geänderten Les-
arten, aus der Menge der mit niaasßloser Kühnheit ausgesprochenen
Athetesen, aus dem Wüste höchst unij^eschickter Interpolationen, aus dem
krankhaften und höchst unglücklichen Gedanken der Verkürzung und
Zusammenziehung der schönsten homeriechen Verse, kurz aus dein ganzen
philologischen Treiben Zenodot's steigt ein ganz anderes Bild vor unseren
Augen auf: das Bild der ungesundesten und kühnsten Hyperkritik, die
im Altertume an den Werken des göttlichen Sängers geübt wurde. Und
diesen Mann stellt man also, um einigen wirklich guten Lesarten desselben
Eingang zu verschaffen, auf gleiche Lmie mit einem dummen einfaltigen
und darum glaubwürdigen Abschreiberj den Mann, der schon das ganze
philologische Rüstzeug mit einer Kühnheit, einer Vermeasenheit, einem
Selbstbewusstsein handhabt, die dem Texte unseres Dichters die tiefsten
Wunden geschlagen. Ich muss gestehen, ein Philologe, der es heute so
machen würde, wie Zenodot es in einer geradezu erdrückenden Ueberzahl
von Fällen gemacht hat, er hätte das Recht verwirkt, in unserer Wissen-
schaft ernst genommen zu werden*). Und dennoch — wir finden heute
1) Wenr wir auch nicht alle Urteile, wie ai« im Altertum gegen Zenodot laut ^jeworden
sind, unterschreiben, so muss man doch gesti^hen, dasH die Alten von meiner ganzen Art und Weise
eine yiel vernünftigere und richtigere Anschauung gehabt haben, ah sich in dem Urteile von Nauek
manifestirt. Schlagender und treffender ist sein Verfahren aber nicht gekennzeichnet worden^
als durch die boshafte Parodie von Dionysius Thrax zu fJ 94. Statt der schönen warnenden Worte
des Achilleus:
/Ulf tK" dn^ OvXvjLkTtQio 3tö>f anyittitiatv
ifAßrifi ' fjLoktt Tovg yi ^iln ivdfgyoc 'J^rollmy ■
dJiXd näkty rpioTidffS-aii d^-^v ifiiüf eV yijt^amy
^ijpf, rot/f 6i t^ idt* nt^Siiiv Petita ^ij^datrS-ai*
Statt dieser schönen durchaus tadellosen Worte Buhrieb Zenodot:
/Lttj ff* dnofjLovytü&^vxa {dnoyvjuyiu&ftna^ ^^ßu ^o^vSaidloi "^aertup
und da war denn Dionysius Thrax der Meinung, er hatte gleich schreibeti kdnni^n:
fiif ff* dnof^otyuj&iytfc ddxff ico^v&niaXü^ f^xriu^.
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644
seinen Namen in jeder adnotÄtio critica, die auf wissenschaftlichen Wert
Anspruch erhebt. Nun, ich denke, das mit vollem und gutem Rechte:
Zenodot ist ja der erste eigentliche Philologe gewesen, er hat die philo-
logische Kritik, möchte ich sagen, aus der Taufe gehoben, in ihm erlebt
die schönste und höchste Seite unserer Wissenschaft — die Kritik — ihre
Sturm- und Drangperiode. Also fort mit dem ebenso unwahren, als unglück-
seligen Vergleich mit einem armen und verkümmerten Librarius, dem seine
Dummheit das Recht auf Glauben erwirkt: Zenodot ist Zenodot, eine feste,
ausgeprägte, bestimmt markirte Persönlichkeit, mit Verstand, mit Fleisch
und Blut begabt — und keine Schreibmaschine. Und wären seine Fehler
und Missgriffe auch Legion, Zenodot ist doch der Mann gewesen, der
Schäden der Ueberlieferung zuerst erkannt und aufgedeckt, wenn auch
meistenteils höchst unglücklich geheilt, der sich zuerst auf dem schwierigen
Felde sprachlicher Beobachtungen versucht und gewisse Normen und
Grundsätze aufgestellt hat, nach denen er seine Ausgabe eingerichtet.
Diese leitenden Principien und Gedanken, soweit sie noch aus unserem
ziemlich traurigen Quellenbestande zu erkennen sind, herauszufinden, und
darnach sowohl Lesarten, wie Athetesen zu ordnen, habe ich als meine
Hauptaufgabe betrachtet. Einzelnheiten, die da nicht unterzubringen
waren, konnten entweder nur gelegentlich zur Besprechung kommen oder
mussten in einem eigenen Kapitel abgehandelt werden. Auf Vollständig-
keit konnte ich um so eher verzichten, als mein Hauptbestreben ja dahin
ging, die kritischen Grundsätze des Zenodot aufzufinden, so dass ich genug
getan zu haben glaubte, wenn dieselben durch einige schlagende Beispiele
erläutert waren.
Doch bevor wir zu unserer eigentlichen Aufgabe übergehen, müssen
wir einige Worte über unsere Quellen vorausschicken, die Werke des
Aristonicus und Didymus. Beide Grammatiker participiren jedoch
nicht mit gleichen Teilen an dem Quellenbestande, sondern die weitaus
überwiegende Mehrzahl der Nachrichten verdanken wir dem Aristonicus,
Mit diesem haben wir uns also zuerst und vorwiegend zu beschäftigen
und dürften daher folgende Sätze zur besseren Orientinmg am Platze sein.
1) Gestützt auf die Commentare Aristarch's übt Ari-
stonicus eine strenge, scharfe, manchmal sogar unge-
rechte Kritik an Zenodot, Der Ton der Polemik ist kein besonders
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höflicher. Wie begegnen da Ausdrücken wie j^ekolog 7' 74 yelolor ^100
yekoiujg ß 42 nrri&mg ß 404; ganz gewöhnlich ist der Ausdruck xaxwg
^80 y 362 (T 162 (?) ^ 137 l 249 ete.; äm^dvws A 129 B 299 ani»avw
B bb sind noch gnädig. Seine wirkliche oder vermeintliche Ignoranz
und Ungeschicklichkeit wird mit folgenden Prädikaten bedacht: ayvoBl
Ab^ Ar610 77 243 697, ayvodiv ß 634 JT 274 i?222, riyvoriaB 7 458
N 148 d 379, riyvlrrixs A 158 163 0 138, oiJ yo^aa«; z/ 123 ^^ 297, /ii?
voTjOag AT 98, ov ow'eig y 229, ot5 avviSihv y 400^; dSidyorjTov wird
seine Lesart genannt 77 153 ^ 413 FT 202 P 51, äkoyov P 153. Lobend
erwähnt meines Wissens Aristonicus den Zenodot niemals, nur gelegent-
lich greift die Polemik einmal zu einem milderen Ausdruck wie ^339
aavfi(pwv(og Se rfj iniTiki^^ii (paid ifiog av vvv Uyoizo, £128 A^68 crv
ÖBovTiDg, 77 748 ßeXriay, a 337. Ganz vereinzelt ist der Fall, dass ein-
mal zur Stütze einer Athetese Aristarch's Aristonicus die Autorität des
Zenodot angerufen hat, wie Ö 535 . . . 6 Se Zrjrodorog rovg nganovg
TQelg ovSi tYQa(pBVj wenn uns hier der Epitomator keinen Streich gespielt,
cf. 0 528.
Schon längst hat man erkannt, dass an manchen der hier aufge-
zählten Stellen dem Zenodot bitteres Unrecht getan wurde, und es war
daher nicht schwer, denselben gegen diese harte Polemik in Schutz zu
nehmen und das Unzutreffende derselben nachzuweisen.
Und wer wird denn dem Aristonicus im Ernste glauben, dass Zenodot
nicht gewusst haben soll, dass bei Homer der Infinitiv für den Imperativ
eintreten kann, wie er tj 222 /'458 bemerkt, dass Zenodot über die Be-
2) Zu den Versen y 400
nag 6* Sq* fvfÄfAeXlijy niMlargatoy, oifxa/jLoy dy^gtoy,
OS ol 6t* i^iSfos naiSfoy ^y iy fA§ytt(ioiaiy
wird in den Schollen bemerkt und auch von Lud wich geschrieben: ol a^ot yvyaixag I'/oi;«t<i'.
6i6nfQ ov avytStoy 6 ZrjyoSoroc to ^iXoji^xyoy tov noujTov tovs dvo atixovs nfQiiygatpfy. Wie
kann der Umstand, dass der Dichter, um dem Telemachus den richtigen und passenden Begleiter
zu geben, den Sohn des so hochbetagten Nestor unvermählt darstellt, ^iXortxyoy genannt werden?
Das ist doch ganz unmöglich, richtig scheint dagegen, was hier in imseren Codd. gelesen wird:
tftXorexyoy. Nämlich der glückliche Gedanke, die glückliche Fiction von Seite des Dichters, alle
andern Söhne verheiratet, nur den Peisistratos unvermählt darzustellen. Das kann doch kaum
anders gegeben werden als mit dem Ausdruck (piXdjtj^yoy, der in den Schollen des Aristonicus
durchaus nicht vereinzelt ist und auch an einer andern sehr bezeichnenden Stelle gegen Zenodot
ins Feld geführt wird B 681 . . . tov 'Of^i^gov (piXotix^***^ taantg n(toot/nialofAiyov ^ , .
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646
deutung von aikcDg 21 584 nicht im Klaren gewesen sein soll , dass er
nicht gewusst haben soll, was atS^ovaa ist F 11 y 399. Ich könnte da
noch eine ganze Reihe von Bemerkungen aufzählen, die beweisen, welch
niedriger Standpunkt ihm in dieser Kritik angewiesen worden ist. Nichts
ist stärker, als der folgende Fall. Zenodot liest nämlich:
iV 609 sy^og* 6 Si (pgealv fioi x^9Vj ,^«y« ^ijknezo vixriv
O ^77 (og B(paT* evxo/Lteyog, fieya 3*€xXvb fijjriera Zevg,
Wenn also dem Zeugnisse des Didymus zu trauen ist, liest er in
beiden Versen /Ltfya, beidemal falsch nach unserem Ermessen; denn ho-
merisch müsste es ja fxdla heissen. Und nun hören wir einmal Dionysius
Thrax bei Didymus ß 1 1 1 . , . er yap T(p negl noaatriTiov xadixTirexai Ztjvo-
dinov wg riyvorixirtog oti %(jo j^fitya^ dvrl xov fifyaXüig XffiTKfog anoxQffrai.
na^i* o Stj xard xiva rdßv vno/iyrjfiaTioy fiereilfjtp&ai rb „ueya*^ dyrt xov
fisydixog. Also entweder Didymus hat uns an den beiden Stellen voll-
ständig falsch berichtet zu welcher Annahme aber durchaus kein Grund
vorliegt, oder aber Aristarch oder vielmehr seine Schüler haben sich
die Sache sehr leicht gemacht
Wie weit sich Aristarch selbst diesen Ton angeeignet und damit
seinen Schülern voranging, lässt sich bei der Mangelhaftigkeit unserer
Quellen kaum mit Sicherheit nachweisen, Pluygers (De Zenodoti
canninum Homericorum editione, Programm v. Leyden 1843) p. 4 hat
sich wenigstens bemüht, denselben von aller Schuld frei zu sprechen und
die scharfen und teilweise ungerechtfertigten Ausdrücke aus der ganzen
Anlage der Arbeit des Aristonicus zu erklären: „Quae vero argumenta
Aristarchus e diligenti Homerici sermonis observatione petita attulerat,
ut lectionem firmaret, quam e pluribus ejusdem fortasse auctoritatis
elegerat, rationemque daret, quare a Zenodotea recensione recedendum
esse censeret, ea Ari&tonicus, quae quodammodo adversus
Zenodotum proposita essent, arj fielov Aristakrchi explicans
retulit, et brevitati studens solenni quasi formula Zriro-
^oxog YQd(pBi .... dyyoriaag .... comprehendit." Gerne
wollen wir diese Möglichkeit zugestehen, und es soll auch nicht ge-
läugnet werden, dass wir doch auch wenigstens einige, wenn auch wenige
Anhaltspunkte aus unsern Scholien dafür anführen können. Allerdings
(]
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647
•
liegt dabei der missliche Umstand vor, dass wir auch hier nicht mit
absoluter Sicherheit über die mehr oder minder wortgetreue Wiedergabe
aus einem Commentare Aristarch's entscheiden können.
So 77" 507; iefierovg (poßhaS-ai^ insl Xinev aQfiax^ avaxrmv
a) Didymus: dia rov 7 „kiney*^^ ineiS'^ rä a^ffiara xäv dyaxxwv
ileiipS-riaay, rjiyrifxddifiaav. Ztivodorog dt dta lov ö „Xinor*^ : —
b) Ariston.: aii ZrjvoSarog y^aipei j^inel iLnov^^ ayvoäv ori t6 y^Xinev^
yvv ovx sOTiv ivixoyj alXä dyaXoyoy rd) ileicpß^aay rd aff/uaraj dione(}
j^xoG/LLTlS-ev^ (r 1) xal j^noifiivog d(pQadijiai duTfiayev"^ (/7'354), dyTi rov
diBTfjidyriaay,
, Freilich ist das Scholion des Didymus ein Textscholion , also ver-
kürzt, aber es ist doch bezeichnend, dass das Prädikat dyyovlyy nicht
gewählt ist.
Auch in dem ausführlichen Scholion des Didymus zu A^ 349 hören
wir kein Wort des Tadels; leider können wir das daselbst erhaltene
Scholion des Aristonicus nicht heranziehen, weil es zu sehr verkürzt ist;
hier hätte er wohl eher Recht gehabt, ein onsif dyyorjoaytsg etc. anzu-
bringen, und so mag er auch anderwärts einen viel energischeren und
kategorischeren Ton angeschlagen, ein xaxüg, ov xaläg, yskoiivg hinzu-
gesetzt haben, wo in seiner Vorlage in ruhigem und gemessenem Tone
die abweichende Lesart mitgeteilt und widerlegt worden war.
Aber wie dem auch sein mag, wir dürfen kaum dem Zenodot einen
so niedrigen Standpunkt anweisen und müssen uns daher von dieser Art
der Kritik freimachen und uns immer nach andern Gesichtspunkten um-
schauen, die vielleicht an solchen Stellen für ihn maassgebend und
entscheidend waren. •
2) Ein zweiter hochwichtiger, aber ketzerischer und verpönter Satz
muss zur Orientirung hier ebenfalls hervorgehoben werden: Aristarch
war über die Lesarten, Athetesen, Interpolationen des
Zenodot vollständig genau unterrichtet und wie mir
scheinen will, durch Autopsie, da er die Ausgabe des
Zenodot „gewiss nicht bloss von Hörensagen" gekannt
hat. Demnach hat derselbe auch in seinen vjiüuyrijuaTa
genau darüber referiren können. Daher verdient Aristo-
nicus, wenn er diese vno fivrifiai a des Aristarch als seine
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. X VH. Bd. lU. Abth. 84
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648
•
Hauptquelle betrachtet und secundäre Quellen nicht
heranzieht, mehr Glauben, als die Berichte anderer, die
sich nicht auf diese Hauptquelle allein stützen, sondern
noch andere aus andern weniger verlässigen Quellen ge-
schöpfte Mitteilungen geben.
Es muss in der Tat eine etwas eigentümliche Auffassung ganz selbst-
verständlicher Dinge herrschen, wenn man nur mit einer gewissen Scheu
einen Satz auszusprechen wagt, der sich so von selbst versteht, wie das
schwarz schwarz, und weiss weiss ist. Leider muss ich zu meiner Be-
schämung gestehen, dass ich selbst durch einen Mann, der diesen Studien
vollständig ferne stand , zum Glauben an das Mögliche, Natürliche und
Vernünftige bekehrt werden musste. Dieser Mann war der alte Spengel.
Bekanntlich gab. er sich in den letzten Jahren seines Lebens viel und
^em mit der Lektüre des Homer ab. Er gebrauchte da die wunder-
schöne Ausgabe Wolfs in Grossfolio, üeber die Maassen köstlich waren
seine Notamina über die homerische Frage. Ihn, den genauen Kenner
der Rhetorik, interessirte und begeisterte vor allem die n^fsaßtia. Ich
weiss nicht, was der alte Herr getan hätte, wenn ich eine andere Rede
als die dem ri&og des Ajas so wunderbar angepasste für die beste erklärt
hätte. Diese Rede musste einem Manne, wie er nun einmal war, weitaus
am meisten gefallen. Das Gespräch wendete sich bald auf alte und neue
Commentatoren. Da war Spengel nicht wenig überrascht, von niir zu
hören, dass weder Aristonicus noch Didymus das Original der Ausgabe
Aristarch's in Händen hatten, obwohl er es, wie er sagte, in seinen Vor-
trägen immer so genommen. Aber da war Spengel nun auch rasch re-
solvirt: „Wenn nun dem so ist, so sind Sie so vernünftig und nehmen den
ganzen Plunder und werfen ihn in's Feuer; denn mehr ist er nicht wert*.
Das Urteil ist allerdings rasch und hart. Die kaum geniessbaren Ari-
stotelescommentare mögen Spengel auch vorgeschwebt sein, aber es ist
doch durch und durch gesund und vernünftig! Anders stellt sich aber die
Frage bei Aristarch selbst! Dass er nämlich den Zenodot falsch ver-
steht, ist möglich, dass er ihn gar nicht versteht, ist auch möglich, dass
er ihn aber in allem Ernste nicht ordentlich kennt und über seine
Lesarten nicht genau und sicher unterrichtet ist — und sich dennoch
abmüht und abringt mit der Widerlegung derselben, ist eine reine ün-
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649
möglichkeit. Dieses Opfer des Verstandes kann ich nicht bringen und bin
demnach der Ansicht, dass Aristarch im Besitze der Ausgabe des Zenodot
vollständig genau über seine Arbeit unterrichtet war, gegenteilige Nach-
richten oder Mitteilungen, woraus man das Gegenteil schliessen könnte,
sind als unverbürgt und apokryph abzuweisen. Vergleichen wir daher
einmal die üeberlieferung, wie sie in unsern beiden Quellen vorliegt zu
-TS?:
TW ^' oi yoxpeiovTtg din^g xal noXifioio,
Dazu bemerkt Aristonicus : oti Ztivodoxog ygatpsi o^aiovr eg . bXtb dh
/jera nolvv XQ^^^^ noQfVOfisvoi ijß^eler axovnv eire jusrä nokvy XQ^^^^
axovorreg, iphvdog' fv&eiog yap dxovaarreg WQfirjaay. xal rb y^6\ffd^ dvelXti-
viaxov . ovTu) yap uu)&b Xiysir j^oipt di dtj fieresine^ (H 399). Nach
diesem Berichte stellt sich die Sache also: demnach sah Aristarch im
Originale der Ausgabe des Zenodot die Buchstaben: OWAIONTES^ Spiri-
tus- und Accentzeichen fanden sich an dieser Stelle nicht; denn sonst
wäre Aristarch über die Deutung nicht im Zweifel gewesen; wenn er
gerecht war und das war er hier, so gab es für die Erklärung dieser
Buchstaben nur 2 Möglichkeiten, entweder oxpa lorreg oder oi//' diovrsg.
beide sind von Aristarch versucht und beide als unzulässig abgewiesen
worden. Und dabei könnten wir uns auch beruhigen. Da kommt uns
aber das Scholion des Didymus in die Quere: 'A()iaraQxog (priai Zrjyoäoroy
yifacpsiv y^oxpaiovTBg*^ , 6 dt ^Em&hrig UroXs^alog „toJ ^' o% y ov xpav-
ovTsg^, xal loyor (prialv exeir rrjr ypayiyv. Also da hören wir auf
einmal von einer ganz anderen Variante, von einem wahren Kleinod „ov
iffavovreg^. Da giebt sich also der arme unglückselige Aristarch alle
erdenkliche Mühe, aus den Buchstaben des Zenodot Worte, aus den
"Worten Sinn zu ermitteln: und nun stellt sich auf einmal heraus
— o Jammer — das war vergebliche Liebesmühe: Zenodot hat ja gar
nicht so geschrieben und gelesen, sondern ov iffavovreg. Ich will mich
darüber nicht lange aufhalten und bemerke daher:
1) Aristarch hat ganz gut gewusst und wie man hier sieht, aus
Autopsie gewusst, was Zenodot las. Das waren die Buchstaben oder Worte,
die uns Aristonicus überliefert; die zweite Variante ov ^favomeg hat dieser
bestimmten Nachricht gegenüber keine Gewähr. Denn wenn Aristarch
nicht von vornherein in der glücklichen Lage gewesen wäre, sich über die
84*
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650
Lesarten seines Vorgängers genaue und richtige Kenntniss zu verschaffeB,
dann wäre er auch von Anfang an so vernünftig gewesen, eine so ver-
zweifelte Arbeit wie die Widerlegung derselben nicht in Angriff zu nehmen.
2) Die Variante ov xfjavoyreg können wir uns mit der grössten Wahr-
scheinlichkeit erklären. Wenn Zenodöt in der oben angegebenen Weise
von Aristarch widerlegt war, blieb den Feinden des Aristarch nichts
anderes übrig — und Ptoleraäus führt ja den bezeichnenden Beinamen
o 'Enid^hijg — als zu Erdichtungen zu greifen und sie möglicherweise
auch in einige Exemplare der zenedoteischen Recension einzuschmuggehi :
eine solche und nichts anderes ist das ov tpavorrsi;,
3) Ich habe viele schlechte Sachen von Zenodot gelesen; allein das
ov xpavoyjBg traue ich ihm doch nicht zu; denn es ist homerisch ganz
unerhört, und wenn der edle Ptolemäus diese Lesart mit der Bemerkung
begleitet: xal koyov f/f/, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn der
Vater sein Kind nicht verläugnet.
4) Wenn Aristonicus dieser verlogenen Schulweisheit keinen Zutritt
in sein Werk gestattete, dann ist das nur zu loben, weil er schon eine
sehr vernünftige und anerkennenswerte Kritik geübt hat.
Darum macht er auch seine Mitteilungen über Zenodot mit aller
Bestimmtheit, wir lesen immer, in Ilias wie Odyssee, ganz bestimmt, oti
Zrivodonog y()d(psi, TJ&frtjxer; nur eine einzige Stelle scheint dem zu wider-
sprechen E 249 250 ... doxfl dh ZrivoSarog tovtov scal rov iSfjg i^S-sttj-
xivaij aber ich möchte hier für den Auszug nicht einstehen; denn in der-
selben unbestimmten Weise spricht sich Didymus aus zu f 500 . . . o ^f
*AQiaraQxo^ . . . (^oxn dSsTfly rov SsvreQov arixov, während Aristonicus
auch an dieser Stelle mit aller Bestimmtheit spricht.
Indem wir also daran festhalten, dass Aristarch vollständig genau
über Zenodot's Ausgabe unterrichtet war, so dass uns Aristonicus mit
einer Bestimmtheit, die jeden Zweifel ausschliesst, über • dieselbe be-
richten konnte, müssen wir als dritten wichtigen Satz hervorheben:
3) Wenn auch Aristarch über den wirklichen und vor-
liegenden Tatbestand vollständig im Klaren war, so war
er über die Gründe, die seinen Vorgänger zu Aender-
ungen, Athetesen, Interpolationen bestimmten, fast voll-
ständig im Dunkeln und musste dieselben meistenteils
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651
durch Combination zu eruiren suchen und.hat da auch
manchmal, wie wir sehen werden, fehl gegriffen.
Die Sache, so auffallend sie scheinen mag, erklärt sich aus folgenden
aus unseren Quellen sich ergebenden unläugbaren Tatsachen: Zenodot
hat nämlich ausser seiner Ausgabe und seinem Glossenwerke Nichts
Schriftliches hinterlassen, das Aristarch und anderen Grammatikern als
sicherer Führer hätte dienen können. Dieselben waren daher bei der
Eruirung der Gründe so gut, wie wir, auf Vermutungen angewiesen,
deren Stichhaltigkeit zu prüfen unser Recht, ja unsere Pflicht ist. Das
erkennt man leicht, wenn man folgende Stellen des Aristonicus einer ge-
naueren Betrachtung unterzieht: H 127
og TKTtB ^ slffo/ierog fiiy^ iyi^S-eer (p ivl oXxip
ndrrwy ^Agysiior b^eiov yeverjv re roxoy re
las Zenodot statt fiey^ syri^sey jueydV karerep (/ifya d^Barevev A, aber
schon Spitzner vermutete richtig: jj^sya^) und nun fährt Aristonicus fort:
«1 av (pareQOQ iartr drej^yioxiog „/i€i(}6fievog^^ olov aT€(}6fisvog, 6 äs
XtfiTjQog t6 u€i(}saS-at ovx im rov ariQea&ai riS-TjOi, dkk^ int xov (xb^L-
^BO&ai ^xal i]fiiav fiBigBo rififjg^ (/ 616). ^Sor ovv BlpSfiBvog, ^(i«rrc3y.
Daraus ersieht man, dass Accent- und Spirituszeichen an dieser Stelle
fehlten, und dass also erst durch einen Schluss von dem jUB^dk^ BarBVBv
die von Zenodot angenommene Lesart fiBiQüiuerog ermittelt werden musste.
Nicht anders ist die Sache M 295 ff.
avzixa J' danida /ufv Jigoad^ box^to ndvrod* iiarjv
xaXtjr x^^^^^V^ B^rjkarov, i]y «per x^^^^^
TJkaOBV
Hier las Zenodot statt rjkaaBr i^ikaa^ und da ist bei Aristonicus weiter
bemerkt: i§ ov (pavBQog iari ro nQoxBiuByov yjikiog dvByvioxcog i^i^karov.
(fei Si SaöBiog, %va d^i&iiog ^rjkcoS^fi. Demnach musste auch hier erst
durch Combination eruirt werden, wie er das EZHAJTON gefasst wissen
wollte und man kann sich da nur freuen^ dass er es nicht so gefasst
hat, wie Aristarch. Dasselbe ist auch der Fall mit * 335
Bioojuai iS dkoS-BV /«ÄfTT^r OQOovaa &VBkkay
rj XBV dno T()(oiop XB(pakdg xal tbvx^o. TCtjai
(pkByjua xaxoy (po(}Bovaa.
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652
Hier schrieb ZQnodot statt bgoovaa ogaaaa. Daraus schliesst nun Ari-
starch mit Recht: sx äi rovrov (pavsQog iari dedsyfiByog %o eiaofiai
yvaHJOfiai xai to i] xev an 6 Tqwcdv ipiXdig areyycDXiog, ov ßovkerai da
yviSvai, a}Xa noQCvd^rai xaraaxevaaovaa.
Indem ich auf M 346 und ^37 verweise, will ich noch K 114 zur
Besprechung heranziehen:
fj J' äfjLvdig arriaaaa &eovg jtierä fivS-ov eeiney
las Zenodot S^sovg ^sla ^(ooyrag. Daraus schloss nun Aristarch: «1
ov (pavi(}6g iari xaxa ro ns^iana fitvov dveyvooxwg rj d^ äfivd ig^ %v^ /} «(^,
wg ixel rj xal xvav eija iv {^ b28). rjyyotjxB di, ori ini rioi nQOBiQTjfieyoig
ri&frat 7ta(/ XfutjQqf ro 17, ovx iv oi(fxfl i^ov. Der Schluss ist ganz richtig
und unabweisbar, noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass Aristarch einen
solchen Schluss machen musste. Man ist daher nicht wenig überrascht,
bei Didymus zu lesen . . , „ZrjvodoTog Si nB^fiianaoB xai Bifjilmaav, ^rifia
ixde^djiuyog, 6/ioi(og r(p „17 xal xvayfjjoiy*^ {A 528); die Sache kommt
allerdings auf dasselbe heraus, aber der Bericht ist doch mindestens in-
sofern ungenau, als er in uns eine falsche Vorstellung erweckt von der
Ausgabe des Zenodot, wie sie Aristarch vorlag. Auch Herodian spricht
M 295 in derselben Weise, wie Aristonicus: 6 Sh Zrjyodorog, ipriaiy (näm-
lich 'A()iaTa(}xog)y soixe \pildig n()0(psQea9^ai , ixdexoueyog T17V i^kaafji€yt]y,
ovx ev. So las Zenodot y 444:
llBQOevg Sdfiyioy «l/f.
Wenn Aristarch nur die Ausgabe Zenodof s hier ansah, so konnte er
gar nicht wissen, wie derselbe las, ob S^ dfiyioy wie wir, oder dduyioy.
Darum musste er sich nach einer anderen Quelle umsehen, von der uns
Aristonicus berichtet: ZrjyodoTog dt iy ralg dno d ylioaaaig xiS^riai rfjy
Xs^iv. Wenn nun also Aristarch an diesen und ähnlichen Stellen durch
die Einrichtung der Ausgabe Zenodots gezwungen war, erst durch Con-
jectur zu ermitteln, wie und was er gelesen wissen wollte, so werden wir
uns dementsprechend nicht wundern dürfen, wenn an einer grossen An-
zahl von Versen, die Gründe, die Zenodot etwa bestimmt haben können,
nur vermutungsweise von Aristonicus mitgeteilt werden, wie A 63 B 553,
641 J 104, 548, y 230 etc. Im Gegenteil könnte man eher auffallend
finden, dass an anderen Stellen wieder mit aller Entschiedenheit und Be-
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653
stimmtheit gesprochen wird, wie A 117 B 532 579 580 /'27 98 ^88
/'423 etc. Darf man da auch manchmal misstrauen, so muss doch mit
W. Ribbek (Philol. VIII p. 653) mit allem Nachdruck daran erinnert
werden, dass Aristarch vermöge der üeberlieferung durch Aristophanes
denn doch besser über manche Gründe und Motive des Zenodot unter-
richtet sein konnte, als wir heut zu Tage. Eine so maasslos kühne
kritische Tätigkeit, wie sie durch Zenodot besonders in dem Kapitel der
Athetesen und Zusammenziehungen inaugurirt worden war, rausste ja
von sich aus schon zur Forschung nach den Gründen reizen, ein so ent-
schiedenes und eingreifendes Auftreten geriet nicht so leicht in Vergessen-
heit, es muss weite Kreise gezogen haben; und unter solchen Verhält-
nissen ist eine Tradition durch Aristophanes sehr wohl denkbar und
erklärlich. Darum müssen wir auch an manchen . solcher Nachrichten
festhalten, weil ihnen eben noch eine gute Tradition zur Seite stehen
kann. Wer könnte heute die Aenderung Zenodots «93 285 /?359 (5^702
KQTftriv für SnaifTriv erklären ? kein Mensch ! Schwerlich auch Aristarch,
wenn er darüber nicht eine Art üeberlieferung gehabt hätte, die es ihm
eher möglich machte. So hören wir darüber bei Aristonicus zu y 313,
wo Nestor zu Telemachus spricht
yMl av^ (pLlog, uri dri&a dofioyy äno ifiV dXdkrjao
mit einer Bestimmtheit, die jeden Zweifel auszuschliessen scheint ovrog
6 Tonos dvensioe Zrjyo^oroy iy rolg tibqI rfjg dnodrifxiag TrjXefiaj^av dioXov
TTiy K{)^Trjr ivarn rrjs Sndqrrig noulv, oierai yap ix roi^ury zdry koyio7'
xard To aiWTKOjueyoy (?) dxrjxoFvat roy NiaxoQa na^d zov TtjXefiaxov , an
xal dkXaxoae 7TS(fi rov nar{fog nsvaofxevog naQsaxBvaaro nXelv. (fio xal iv
rfl d ^aipuj^iq (93) iy^aipe j^Tiiiuipa} (T ig K^rfftriy re xal ig Uvlov tj/ua'
S-oevTa^ xal fj l4&rirä dkXaxov „n^fiora uh ig TIvXov iXS^s, xslS-ev (\) (J* ig
Kq^Tjy TB 7ia(i 'idofABvfia ävaxja, dg yap (fetnaTog ^X&ev Id^oti^v ;faA;fo-
Xirwvix}y^ (a 284)^). So hätte ich auch aus diesem Grunde nicht den
3) Wenn Zenodot nun « 284, 285 las :
X€i$-fy 6*4^ l^n^v*' w nag* 'l^ofisr^a awaxta'
80 steht man geradezu vor einem ^tsel und ist sprachlos yor Staunen üher die Kühnheit einer
solchen Aenderung. Auch alle Versuche, auf eine andere Art, als die Alten die Sache zu erledigen,.
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654
Mut, den von Aristonicus so bestimmt angegebenen Grund zu der Athetese
von * 538 539
ai ^i n^raa&Biaat TBV^av q>dog ' avrctQ IdnolXiov
dvriog i^^'3^o(f€, Tqohjjv %va koiyor dXahcoi
als unifiutreffend abzuweisen, so sehr man sich auch sträubt, seiner An-
nahuie zu folgen; üti Zrivodonog rovg arixovg i]&htjxe, yeXoloy fjyovfiBvog
(fia nvXrig qnDri^snS-at rriy nokiy rov navrog tonov kvaiS^^fiov ovrog. Xey^i
(fi „Tft'^öF (fdüg*^ m*7t rov t^v aantKjiav rolg (pevyovai inoirjaav wg bv rm
jfipoojg (P ira^otan^ n^rjxev ävdga ßakcir^ (Z 6). Dabei ist doch auch zu
bedenken, dass Zenodot gleichfalls die Worte in 77 95
dkXa Tialiv x^fionäo&aiy in^r (paog iv VTjsnai
gestrichen hat.
Wenn wir nun auch daran festhalten und die Bestimmtheit der Mit-
teilungen uns aus dem angegebenen Grunde erklären, so verhehlen wir
uns aber durchaus nicht, dass wieder an anderen Stellen Aristarch resp.
Aristonicus, wo sie eben rein nur auf Vermutungen angewiesen waren,
entschieden fehl gegrififen haben und das selbst an solchen, wo man
ihren Ansichten meines Wissens bisher auch nicht den leisesten Zweifel
entgegengesetzt hat. Nichts ist bekannter, Nichts ist sicherer, als dass
Zenodot äid to dn^f^mg eine ganze Reihe der allerschönsten Verse ge-
erwieäen sich un^ troti^x wiederholter Bemühunfsreti als erfolglos, bis mir eine überraschend ge-
ecbeite Antwort einen meiner Schüler eine Handhabe bot. Ja wie kam denn Zenodot nur dazu,
dfm IdomeneuH tih ,«<1en n Her letzten** von Troja heimkehren zu lassen? Diese Frage habe ich
niir oft rergeblich gestellt. Und nun bin ich auch überzeugt, dass man an eine „Oretica editio**
(cf. Düntzer p. HM| nitbt deuken darf, die Lösung ist vielmehr eine viel einfochere und mir auf
folgende Weise emiö^lickt worden. Ich stellte nämlich an meine Schüler die Frage, was in der
öngirten Erzählung des Ody^seus y 256 — 286 besonders auffallend erscheinen müsse. Da wurde
diijin Hofort hervorgehoben, dass nach der Schilderung 269 und 270 die Flucht des Odysseus rein
unbegreiflich aei! Ein anderer aber bekämpfte die Fiction, die in 259 ff. gegeben ist und zwar
f^hr geschickt und durchaus logisch. Odysseus also tötet den Sohn des Idomeneus
ovvixä /Äi otiQfaat rjf }>fjf'6os ^&(Xe naa^f
T^itß i tc6og
Wie kann dan pausen — und diese Argumentation ist schlagend — nachdem bereits 10 Jahre
nach dem trojamEchen Kriege verflossen sind? Und das und Nichts Anderes hat sich auch
7.enodot vorgehalten: um nun üebereinstimmung zu erzielen, den Idomeneus als den Sfvraioc von
Troja s^urüekkebren lassen.
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655
strichen hat. Aristonicus giebt diesen Grund auch an und die meisten
Neueren haben sich ebenfalls seiner Ansicht in Betreff Zenodot's ange-
schlossen an folgenden 2 Stellen, ^88 ff. /'423ff.
Die Verse ^88 von Athene
Uavdaifov avTi&Bov (fi^TjjLteri], €i nov i(pev(joi.
BV(}e jivxaovoc: viov a/uviuord re x^fareQov rs
hat Zenodot zu folgendem Verse zusammengezogen
ITavSaQov arriS-eor diQri^ivri, bvqb dt rov^s.
Der Grund wird von Aristonicus angegeben: Soxwv ap&^fwnivov ro
T^ijtbIv elvai ' xaraXsloine d& xo y,di^7jfi€yTj^. Aber das ist rein unmöglich.
Das Scholion hebt ja mit den Worten xaraXiloine dt ro ^SilQrifxivri^ selbst
richtig hervor, dass mit der Aenderung der genommene Anstoss durchaus
nicht entfernt ist. Darum ist es also ganz sicher falsch, hier als Grund ein
dnQtjitg anzunehmen; denn dann hätte Zenodot das di^i]fisyt] ganz gewiss
entfernt oder entprechend geändert. Anstössig war ihm entweder die
Wiederholung des tvgt in so unmittelbarer Nähe von i(ptv(}oi oder, wie
wir später sehen werden, dass dasselbe Wort t(ptv{fOi nicht ganz unver-
ändert in der indikativischen Form icptvQt aufgenommen wird. Aber
Alles eher als ein — dn^tnigl
Aber vielleicht hat es auch mit dem von Aristonicus zu /' 423 so
sicher statuirten eine ganz andere Bewandtniss. Die Verse:
d/jKpinoXoi fitv imira S-owg im t(fya r^dnovro^
fi ^elg vipoQocpov &dkafiov xit dla yvvaixior.
rfi ^ä(fa diipQOv iXovaa (piXo/ifitidrig ^AtpifoSLiri
dvrP *AXt^aySQow &td xartS-rjxe (ptQovaa.
kyS-a xa&VQ 'EXtrrjy xovqti Jtog alym^oio
hat Zenodot zu folgenden Versen zusammengezogen:
dfKpLnoXoi fxiv tmira d^owg inl sffya r^dnovro.
avrfi S^ävrLov V^tv ^AXe^avS^oio äyaxrog
oaae ndXiv xXivaaa noaiv ^^vinant fAV&(p
der Gtund wird angegeben: än^tnig yap atJrcp icpairtto ro Tfj 'EXtyrj rriy
jicpQO^iTrjy SiipQov ßaardl^tiy. iniXiXtjarai dt ori j^^at tixaOTai xat xaxnji
Tfj fioQipfl rä TiQoarixoyra n^daati. Ich frage mich und andere, was
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. III. Abth. 85
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616
niuss dieser Zenodot für ein kurzes Gedächtniss gehabt haben! Ich frage
ferner, was wird der gute Zenodot mit den Versen in der Odyssee und
besonders im zweiten Teile derselben angefangen haben, wo die Athene so
vielfach die Kolle einer Dienerin übernimmt! Das kann also unmöglich der
(irund 2U dieser kühnen Aenderung gewesen sein. Nun ich möchte ihr
auch nicht das Wort reden, aber die Gedanken, von denen Zenodot aus-
gegangen, sind andere und wenn mich nicht Alles trügt, ganz aus-
gezeichnete. Von der in eine Alte verwandelten Aphrodite lesen wir
/'385ff,:
y^r/t iff utv iixvla naXaiyevBX n^foahmer
i]nxtit' H()ia xaXd, aahara Si /iiv (pikhaxey.
Sie hat also die Gestalt einer Dienerin angenommen; wenn nun der
Dichter sagt V. 423
dfKpiTioXoi jiuv ensira S^odig enl i'{yya x^anovro
was hat denn da — so argumentirt Zenodot ganz verstandesmässig scharf
— die Alte noch zu thun, ihre Rolle ist ausgespielt und sie soll dem-
nach thuHj was die andern autpinokoi eben auch thun, gar nicht zu reden
davon, das» sich vielleicht nach der Ansicht Zenodot's die nun folgende
so einzige und so eigenartige Scene besser ohne Zeugen abspielt. Ein
finyfnfg war ea aber sicherlich nicht, das denselben zunächst zu dieser
Aenderung veranlasste.
Indem wir uns also immer gegenwärtig halten, dass zwar die Alten
über manche Punkte genauer unterrichtet sein konnten, wie wir, aber bei
dem gänzlichen Mangel von erläuternden, von Zenodot's Hand geschriebenen
Coiiimentaren, eben so gut wie wir der Gefahr des Irrtums ausgesetzt
waren, werden wir, so gut es geht, entweder an der Hand der Alten,
oder durch eigene Combination die Gründe und Motive, die für Zenodot
bei der Gestaltung des Textes maassgebend gewesen zu sein scheinen, zu
eruiren und unter allgemeinen Gesichtspunkten zu betrachten und zu be-
leuchten suchen. Doch müssen wir vorher noch einige Worte über unsere
zweite Quelle, über Didymus, vorausschicken. Ich bin nun gerade' kein
besonderer Verehrer dieses Heiligen — es sollte mich ganz besonders
freuen, wenn ich ihn wirklich „entdeckt" haben sollte — und meine
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sogar mit Härtung, „wenn es bereits im Altert uin Zöpfe, Perrüken und
Haarbeutel gab, so hat Didymus welche getragen" (Vgh Härtung p. 145
zur Androm. 329). Aber gerecht müssen und wollen wir ihm doch
werden und setzen darum auch hier einige Hauptsätze, die hauptsächlich
den Unterschied unserer beiden Hauptquellen erläutern sollen, zur Orien-
tinmg der Leser voraus.
Während also, wie oben bemerkt, Aristonicus den
Zenodot nie lobend erwähnt, ja manchmal eine Kritik
an ihm übt, gegen die wir Einsprache erheben müssen,
ist Didymus, „frei von jedem blinden Autoritätsglauben*'.
gescheit und vernünftig genug, auch die V^erdienste des
Zenodot lobend' anzuerkennen und wir sind ihm dafür ausser-
ordentlich dankbar. Manchmal hat er ja wohl auch ein böses und ver-
urteilendes yMxdyg hinzugefügt, ja sich sogar einmal zu einem Y^lmur
verstiegen (iV^423), aber dafür hat er auch wieder an anderen Stellen
mit seinem Lobe nicht gespart. Dieselben verdienen daher unsere be-
sondere Beachtung. So meint er zu x IQ
ifjg iipa/ntjr fiaXaxolai yM&aTnojievo^ Liikamr
wo Zenodot „fialaxolair dusißoiusvoi;^ schrieb; xai ^nn xaiiitnrdit] i^
y()a(p7]' ov xad-ajiTsrai yag avToy, «Aa' ixersmi. Mit einem solchen Schüler-
urteile meinte der „grosse" Grammatiker die Sache abgefein: und der
soll eine Ahnung gehabt haben von der conservativen und bedeutenden
Kritik Aristarch's? Der letztere, welcher das Anf^djiToinru^ gewiss in
seinen maassgebenden Handschriften fand und darum ganz natürlich vor
einer Aenderung zurückscheute, hatte xat/dnrofiat bei Homer als eine
vox mediae significationis statuirt. Cf. Carnuth ß 39 Note und y 345. In
der späteren Zeit wird aber yM&dnjBa&ai fast immer ini Kaxov gebraucht
und von dieser falschen Voraussetzung ausgehend änderte Zenodot nicht
bloss an ;f 70, sondern auch, wie wir hier sicher vermuten dürfen, auch
an anderen Stellen und eine solche durch und durch unzulässige Aender-
ung nennt der heilige Didymus gar noch eine y^f^Jt^ardr i^ yymp^.
0 306 307
Tifioeg ^t TiQovTVil'av äokleeg, ^p;ff tTä^' "ExrvjiJ
fiaxifd ßißdg
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658
hat aus irgend einem Grunde (/' 2 flf?) dem Zenodot missfallen und er
schreibt dafür jnax^ä ßowy. Aus dem Zusammenhange (n^foikvti/ay) erkennt
man jedoch klar, dass ßißag das einzig richtige und mögliche ist Aber
diesmal müssen wir uns beugen vor dem Genie des Didymus; derselbe
empfiehlt das ßodjy mit den Worten: inel xal iiri^ q)rjaiy „int ^avros
ävoe /udka fieya^ (321). Als ich dieses las, habe ich mir an den Kopf
gegriffen. Was heisst denn avros an der angeführten Stelle? Verstand
Didymus am Ende gar darunter den Rektor? Das wäre wirklich ein
starkes Stück! Oder soll nur ein entsprechender Parallelismus der Dar-
stellung hergestellt werden? Ich weiss es nicht. Nur soviel ist klar,
dass eine unzulässige Lesart mit einem solchen Citate zu stützen, ein
Unsinn ist
Anerkanntermaassen ist eine der grössten Sünden, die Zenodot be-
gangen, sein Hang, die angeblichen anifenfi im Homer durch Athetesen
zu entfernen. Aus diesem Grunde mussten auch FI 667 — 683 fallen. An
vielen Stellen hat Aristarch gegen diese falsche und im Homer durchaus
unberechtigte Auffassung protestirt. Aber für einen Kopf wie Didymus
hat der grosse Philologe vergeblich gelebt. Man lese allen Ernstes:
firpime Se Zriv6doio<; 6{)&d)g i^&hr]X€ tovtovq' naQaXoyov yap rbv duBv9ij
Toiavra Siaxoveia&ai.
Ein arges Armutszeugniss desselben müssen wir auch P 149 con-
statiren :
71(54; xt av x^evQova (piora aawaeiag /.leO^ ofiiXov
dazu lesen wir: Sia rov v „/leO^ ofiiXoy^, 7ia(fa ^i ZrjyoSorKp ,jf^s9^ b/xi-
kov^, xal loyov sx^i, dvtl rov e^o) bfiilov, Aendert man und liest mit
Lud wich: Siä rov v r»!^^^ ofiiXov^ xal \byov ex^iy avrl rov e^io builov.
jia^ä St ZrjyoSoro) „fisd^ bfiiXov*^, so ist es doch auch unerhört, dass das
fied^ ojxilov durch t§co erklärt werden sollte. Lässt man die Worte in
unveränderter Stellung, so zeugen sie wieder gegen die Auffassung des
Didymus. Zenodot hat ja bekanntlich gar keine Erklärung gegeben,
wenn er aber u€&* b/uilov schrieb, so kann er es doch kaum anders er-
klärt haben als „mit einem Heerhaufen" „cum tuo agmine", wie es
Spitzner genommen.
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659
O 342 wird von Paris gesagt, der den Deiochoa getroffen;
Hiezu ist die Bemerkung erhalten tiv^t; ^iv nvuarmat^. Wenn man nur
wüsste, wer die Tivf.<i sind. Aber Ehre macht es dem Didymus, und er
könnte wirklich die Empfehlung einer so unerhört dummen Aenderung
geschrieben haben: y.al olxelov tovto FlaQidi,
Zu y^461
tßXaßtv iv 7itdi(p^ otl xelae ye (pe(jre(}ai fiaar
hat sich doch auch kein Mensch von seiner Weisheit imponiren lasseU;
die sich in folgenden Worten vernehmen lässt: Z/yroiSWüs,» Aai 'Ai^iaro'
(pavTjg „aV xel&i ys^. xal toriv dyaXoyoiTe^ov.
Dass ^492
vvficpag d*sx &akafxoyv Sdtdü}v vno Xafinofuvaoyy
tiyLvbov ava äari*
die Lesart Zenodot's j^k i^aXd/Ltovs^ von dem Brauche der späteren Zeit
diktirt und ungehörig in den homerischen Text eingeführt wurde, hat
man längst erkannt, trotz der weisen Bemerkung des /«i^ffVifpo*,: xal
k'arir ovx ani&avog fj ygaqr^.
Und so wird man sich auch noch lange besinnen^ die Lesarten Zeno-
dot's -^499
^vo ^^äy^(feg evnxtov uvhxa noivfi^
ävSijfOg oino(pd'iixivov
wo er „dnoxTa/uevov und JS* 565
xaaani^ov • fjiLa S^oXri dTa^nirbg ijav iiü avtriv
wo er „4' avTTiv^ las, auf die Empfehlung des Didymus hin in den Text
zu setzen. Bei der ersteren heisst es bei ihm . . . xal hv rmg nldazaig.
xal kariv ovx dni&avog fj yQaipri und bei der zweiten meint er xul ty^tt
loyov fi Y^aipri, Eines aber ist vor Allem klar, dass Didymus unmöglich so
urteilen konnte, wenn er einen genauen Einblick in das gegenseitige Ver-
hältniss der kritischen Methode der beiden Grammatiker gehabt hätte.
Davon ist an allen diesen Stellen aber auch keine SpuFj sondern das
gerade Gegenteil. Hält man nun diese Urteile zusammen mit denen, die
ich in meinem Aufsatze „Zu Aristarch und den Aristo nicusscholien der
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660
Odyssee" (Blätter f. d. bayr. Gymnasialsch. XXI p. 273—280, 390 ff.) ver-
öffentlicht habe, dann kann ich allerdings nicht in das alte Lied von
der diligentia, subtilitas, doctrina des Didymus einstimmen, werde aber
kaum mehr die Zeit erleben, wo man sich eingesteht, von wem man sich
hat eigentlich imponiren lassen.
Auch noch in einem zweiten Punkte, der oben schon teilweise be-
rührt worden ist, contrastirt Didymus ziemlich scharf mit Aristonicus,
indem er stellenweise nur mit einer gewissen Vorsicht
und Behutsamkeit die Lesarten des Zenodot mitteilt. So
^ 97 . . . eoixet' ovv r} «Vfpö Zi]VodoTOV slvai ij ,jOvS^ oys Jiglr koif^ioin
ßafifia^ X^^QCii; atpeSei^ J Z oi S( (paat Zriyodirteiov elvai rrjy yQaiprjy. Ist
diese Vorsicht von einer gewissen Kritik, die ja durch das vorliegende
Material geboten schien, diktirt, so ist sie nur zu loben, hat er sich aber
durch sekundäre und inferiore Quellen zu dieser Unbestimmtheit verleiten
lasaeDj wie in dem oben angeführten Falle pag. 649, dann war sie über-
flüssig und durchaus nicht angebracht.
Als letzter bemerkenswerther Unterschied der beiden Quellen sei
noch der folgende hervorgehoben : Während Aristonicus auch
nicht an einer einzigen Stelle irgend ein Urteil oder Aus-
spruch des Zenodot zu citiren weiss, ist Didymus glück-
licher und weiss sogar direkte Zeugnisse desselben bei-
zubringen.
Allerdings geschieht das nicht häufig ; aber man ist doch überrascht
bei ilim zu lesen 77 667 riS^hei Zrjro^oTog. aronov yotg ipfjOi (?) ror
ann^d^fi roiavra diaxovsXv, Befremdlich klingen auch die letzten Worte
-2" 39; o TÖJV Nri^ritdu)v ;fop04; (39 — 49) TiQorif^hriJai xal Tiaga Zr/voifoTa),
(hg '11 a lod Biov B^fJ^y /apa;fT^pof. Aber gern wollen wir zugeben,
dass das vielleicht auf die Schuld der Abschreiber zu setzen ist, so gut
wie bei den Scholien des Aristonicus (5^353?/ 13 i*22 23, über die man
jetzt Ludwich vergleichen kann. Anderes derart erklärt sich wieder
leicht aus einem Missverständniss, wie der Bericht des Eustathius // 475
bei Ludwich^).
4j Bei Aristonicus würde iT 256 eine einzige Ausnahme machen, wenn man mit M. Schmidt
stutt BTti tiytay €niu/uujy lesen würde. Ich kann mich nicht genug wundern, dasa diese falsche
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661
Also die Auszüge aus den Werken dieser beiden Grammatiker sind
unsere Hauptquelle für die Darstellung der Leistungen Zenodot's. Einige
markante Unterschiede glaube ich im Vorausgehenden genugsam hervor-
gehoben zu haben. Doch muss hier noch eines weiteren sehr bedeutenden
Umstandes gedacht werden, der die Beurteilung der Arbeit Zenodot's
manchmal sehr schwierig macht. Wie hat man sich nämlich zu ent-
scheiden, wenn Aristonicus und Didymus in ihren Berichten sich direkt
widersprechen? Zum Glück tritt der Fall nicht gar zu häufig ein; doch
liegt ein eklatanter Widerspruch an einigen Stellen vor und kann da
kaum durch Emendation entfernt werden. So E 734 — 736, wo von Ari-
stonicus bemerkt ist: oi doT6()iaxoi, ori eyrav&a fitv xakdjg xelrrai^ iv (fe
Tfj x6k(p uaxd (O 385) /urjös/xiäg (paivofurtjg d^iaxHag ov Seovrayg. o de
Zrivodinog rovrovg fitv dd-ertl^ ixeivovg de xaraXsinei . . . Verschieden
davon ist nun das Urteil des Didymus zu O 385 — 387 . . . rjd^hsi de
xal ^AQiOTOipdvrig • Zrjyodorog dt ovdt i'yijaipev. Auf Grund dieser Nachricht
vermutete Ludwich und man kann ja auch sehr leicht darauf kommen,
im Scholion des Aristonicus sei na^aleinfi zu schreiben für xarakeijiei.
Dagegen muss man sich aber immer vorhalten, wie auch anderwärts
Widersprüche zwischen den beiden Grammatilcern sich finden, die un-
möglich durch Emendation entfernt werden dürfen, sodann bildet aber
doch das äd^ersl und na^aUinn kaum einen richtigen Gegensatz, gar
Conjectur auch von Ludwich aufgenommen wurde. Die Sache verhält sich nämlich gewiss ganz
anders. Zu dem Verse
nargoc ifJiov ngog Swfjia 6at(pQOvog
bemerkt nämlich Aristonicus: ox^ ey ncttn tps^erat ^s/äov*^ dXV ovx ^s/dev*, ofiutg inC tiytoy d Z^vö-
6ojog ini ro /-f t^oy fieiaii^tjat. Nach dem Berichte des Didymus las nun Aristarch -iS' 1 18 nagjog
ifioio TtariJQ, Zenodot naxQog ifjifio Tiari^Q, Aristarch .ß 486 f4y^aai nai^og aolo, Zenodot f^y^cai
naxQog aiio, ebenso i* 290 Aristarch nntgog Sfdolo, Zenodot dagegen 7iaT(t6g t/u€io. Beachtet man
nun die von Aristonicus hier versuchte Argumentation, so sagt er doch genau nur das folgende:
In allen Ausgaben, auch in der Zenodot's steht ( 256 ganz richtig df^ov^ das Pronom. possessivum,
das Aristarch, wie es scheint, Zenodot gegenüber an vielen Stellen festhielt, auch Zenodot las
hier nicht sein sonst übliches Cf^fio^ gar nicht zu reden von ^f^fv, das Aristonicus mit den Worten
«AX* ovx ^if^Bv'^ ganz direkt abweist. Wenn nun — so ist doch der Gedankengang desselben —
die Schreibweise des Zenodot an den anderen Stellen berechtigt wäre, so müsste er auch hier der
Consequenz wegen ^/*fv lesen, da ifiuo gar nicht in den Vers geht. Darum kann er streng logisch
nur fortfahren ofnag ini xivtay, , dennoch ändert Zenodot an einigen Stellen". Und wie sollte
denn Aristonicus das „an einigen Stellen*^ anders ausdrücken, als auf die angegebene Weise ? oder
höchstens ini uail Es ist nichts anderes, als eine SchlagsteUe, die gegen Zenodot ins Feld geführt
wird, wie so oft bei Aiistonicus, cf. Lud wich T, p. 178, 25 ff.
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662
nicht zu gedenken des wichtigen Umstandes, dass nagalnnBi in den
Scholien schwer nachweisbar, zuletzt aber das allergewichtigste Bedenken,
dass eben Aristarch auch anderwärts, wie wir sehen werden, in der
Kritik der SupoifovfAsvoi von seinem Vorgänger abweicht. Gründe genug,
die uns na^aXeinH bedenklich erscheinen lassen. Allerdings ist und bleibt
es schwer zu entscheiden, wer uns hier die richtige üeberlieferung bietet;
ein sicheres und bestimmtes Urteil wird erst eine genaue Untersuchung
über die wiederkehrenden Verse ermöglichen.
Aber das schwierigste imd ein fast unlösbares Problem in einer Unter-
suchung über Zenodot's Homerrecension ist und bleibt wohl immer die
Handschriftenfrage. Sind wir ja doch nicht einmal über den Bestand
seines kritischen Apparates in hinreichender Weise unterrichtet, ganz
abgesehen von dem anderen hochwichtigen Umstand, dass wir über das
Alter der etwa von ihm benützten Handschriften gar nichts oder soviel
wie gar nichts wissen. Auch ein anderer Ausweg, aus den sämmtlichen
bei den griechischen Klassikern vor Zenodot erscheinenden Citaten durch
Vergleich den Wert oder Unwert seiner Ausgabe zu ermitteln, erweist
sich insofern als trügerisch, als die meisten Citate bei den Klassikern aus
dem Gedächtnisse gemacht zu sein scheinen und demnach kaum ein stich-
haltiges Urteil auf die Güte des ihnen vorliegenden Textes gestatten. So
sind wir also hier so ziemlich durchaus auf das schwankende und trügerische
Gebiet der Vermutungen gewiesen und seit den Zeiten von Fr. A. Wolf
ist man auch gar nicht sparsam damit gewesen. Wir verzichten daher von
vornherein, aus einigen kurzen Notizen bei Didymus den eventuellen Be-
stand seines kritischen Apparates zu reconstruiren und wenden uns lieber
einmal den Varianten zu, wie sie in den Ausgaben xarä noXsig uns über-
liefert werden. Ja wie klingen doch diese Namen wie 17 MaaaaXiunixri,
17 li())roXiXTi etc. durch die Weihe der Jahrhunderte empfohlen heilig und
ehrwürdig, wenn man sie in laienhafter Unschuld zum ersten Male in
seinem Leben hört. Wie würde — so ruft man sofort — unsere heutige
Philologie diese heiligen Urzeugen für den homerischen Text ausgeforscht
und ausgenützt haben! Sieht man aber ihre Aussprüche etwas genauer
an, so verschwindet der Respekt, den das Unbekannte in der Regel her-
vorbringt: insbesondere aber kommt, je länger man sich mit denselben
beschäftigt, der Glaube an ihr ehrwürdiges Alter immer mehr imd mehr
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663
ins Wanken; und die Urteile der Alten, die wir hin und wieder über
dieselben lesen, sind auch nicht derart, dass sie den ins Wanken ge-
kommenen Glauben wieder aufrichten könnten.
So lesen wir heute in unserem Texte N 363
Wir sind über den Vers vollständig im Klaren, nur können wir nicht
näher bestimmen, wo nach Homer die Stadt Kabesos zu suchen ist. Aber
da kommt uns zur rechten Zeit die ^pyoAi;f/y zu Hilfe, jene Ausgabe, die
/' 51 bei Didymus neben den ;fapit(rTTarai genannt ist und liest:
niipve ya() ^OS^QVovfia ^Exaßtjg vo&ov viby mvra
Da brauchen wir also Kabesos nicht mehr länger zu suchen — es
ist glücklich entfernt, ganz ähnlich, wie unsere librarii unverständliche
Eigennamen entweder bis zur Unkenntlichkeit entstellen oder einfach ganz
weglassen; denn um kein Haar besser ist dieses Prachtstück von einer
Variante! Um von andern sehr gewichtigen Dingen vm schweigen, wenn
Homer in dem gleich darauf folgenden Verse von Othryoneus sagt
og $a viov noXifioio fierä xliog d'kriXov&H
80 wird doch jeder so vernünftig sein und fragen, ja woher ist er denn
gekommen? Das musste der Dichter sagen und das hat er auch gesagt
Kaßriao&Bv evdov Bovta, Das und nichts anderes! Und wie urteilten die
Alten über diese Lesart: xal raxa av sit] afia^Ttnia xaz^ äyvoiar Tijg
Kaßrjaov.
So bieten die Städteausgaben zu den Versen * 454 X 45
^tjöeiv^ xal 7i€()dav rTjacoy i'ni Tyjke^andwy
die Variante: ytjaioy eni d^rilvz B^dmy, Dieselbe klang Lehrs so dumm
und unverständlich, dass er fragend rTjXvreQdcDy vermutete. Aber sie muss
gewiss mit Ludwich gehalten werden und Kallimachus scheint am Ende
etwas Aehnliches gefunden zu haben; denn wir lesen bei ihm &iilvtaTov
Tia^ioy. Schon die Alten haben sich vergeblich über das i>rfkVTi^dmv
den Kopf zerbrochen. Eine Vermutung derselben ging dahin Sut to
Afjfxyoy xal "luß^oy vnb ihjkeidiy ßaaiUma&ai. Demnach wäre eine
spätere und dem Homer durchaus unbekannte mythologische Version in
den Text hineingetragen worden, ähnlich wie Zenodot vielleicht gerade
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XVII. Bd. III. Abth. 86
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664
hier auf Handschriften fussend den Orestes zu seinem Rächeramte nicht
mit dem Dichter aus Athen, sondern nach den Späteren axp ano ^(oxtjwv
erscheinen lässt y 307. Richtig ist dagegen auch von den Alten bemerkt:
dk'jJ ovx slg Tavrag /biovov inajXovyro. Eine zweite etwas stichhaltigere
Vermutung derselben fasst das &rjlvTfQdwv als svyeiwy; vortrefflich ist
nun dieser Auffassung die homerische Vorstellung von der Unfruchtbar-
keit der Inseln entgegengehalten: aU' „oi; rig [ov yap ng ^ 607] rrjavjy
innriXaros ov^^ evlnjjiov " Dennoch werden sie es kaum anders als so
verstanden haben und heranziehen kann man höchstens nur 9^lvg if(}ai]
{e 467).
Eine der allermerkwürdigsten Nachrichten hören wir über die Aus-
gabe von Argos zu a 424, wo es von den Freiern heisst:
(^17 roTS xaxxeiorres eßav olxov St exaarog.
Dazu lautet das Scholion: eyioi „(^17 tot« xoifiriaavxo xal vnvov Sü){)ov
eXoyTO^, /Lt^eranoitjSrjyai (ff tpaaiy vtto IdQiOTOcpdvovg roy ari^oy. iy (Tf t/]
'AifyoUxfi n(fooTe&eiTai, Schon längst hatte ich mir in meiner Ausgabe
die Sache ebenso zurecht gelegt, wie jetzt Ludwich. Aristophanes muss
die Vulgata ^tj rore xaxxeiovxtg — e'xaoTog umgeändert haben in ^tj rote
xoiixTjaavTo xal vnyov dw^oy ekovxo und dabei ging er wohl von der Vor-
stellung aus, dass man von den Freiem, die auch auf den umliegenden
Inseln wohnten, nicht wohl annehmen könne, dass sie jeden Abend nach
Hause fuhren, mindestens hätte der Dichter erwähnen müssen, dass sie
in die Stadt gingen, wie /9 397. Gegen diese Annahme sind nun ver-
schiedene Diplen gerichtet wie /? 397
oi S^Bvdeiv djQyvvTO xaxd tixoXiv
oxt ovx ir T/7 ^Odvaaio)g olxlq ixoijudjvxo. Die Worte aber er xfj ligyolixfi
n^oax^&eixai können doch kaum anders heissen als „in der argolischen
Ausgabe ist der jusTanoiri&eig axixog hinzugesetzt". Aber da werden wir
ja zu ganz eigentümlichen Schlüssen geführt. Demnach müssen doch
diese Ausgaben der alexandrinischen Philologen rasch in Griechenland
Ruf bekommen haben. In Städten, die schon Exemplare aus früherer
Zeit hatten, beeilte man sich, davon Abschriften nehmen zu lassen oder
die eigenen Exemplare darnach zu revidiren? Ferner ist doch höchst
bezeichnend, dass man in der Ausgabe nicht den alten guten Vulgärtext
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665
entfernte, als man eine Revision vornahm, sondern den von Aristophanes
umgebildeten Vers beischrieb. Also müssen sie doch 2 Verse gelesen
haben, etwa, wie Ludwich p. 518 die Sache angenommen hat? Oder kann
man nQoajbd^Hxai vom Rande verstehen? Was hätte aber Aristophanes
zu diesem Verfahren gesagt, das seinem Gedanken durchaus nicht gerecht
wurde? Mögen darüber scharfsinnigere Köpfe entscheiden: ich vermag,
wie ich die Sache auch wende, aus diesem Berichte, wenn er anders
authentisch und unanfechtbar ist, nicht herauszulesen, dass diese Aus-
gabe durch besondere Qualitäten oder durch ihr hohes Alter empfohlen
wird.
Damit möchte ich nun noch eine andere Variante zusammenstellen,
die zu /2 30 erhalten ist:
Dazu ist nun von Didymus folgendes überliefert: na^^ *A{fi.axo(pavBi xai
Tioi rdir nokirixdiy „i] oi xe/^aQiofitva cJdJp' dyojLitivs*^ , Weim die Nach-
richt also zu a 4i4 richtig ist, so dürfte unter den nolmxai sicherlich
auch die Uqj^oXixtj gewesen sein; deim wie es scheint, ist sie auch hier
wieder dem Aristophanes gefolgt. Nimmt man aber das umgekehrte Ver-
hältniss an und folgte Aristophanes der i^(^oii;^, so wäre schon in dieser
Ausgabe das anstössige Wort entweder entfernt worden oder hätte viel-
leicht von Anfang an gar nicht darin gestanden. Wäre die letztere An-
nahme zutreffend, dann bleibt schwer zu erklären, dass sich Aristarch
dabei nicht beruhigt hat Daher kann er dieser Ausgabe kaum einen
bedeutenden Wert für die Gestaltung des Textes zugesprochen haben.
Wenn man bedenkt, wie tief und lebhaft Homer die Tier- und
Menschen weit erfasst und schildert und wie oft wechselseitige Uebertrag-
ungen von einer in die andere stattfinden, da wird man doch gegenüber
dem Verse 12 82
lp/«Tai cüjurjöTfioir tjV l^O^oi xfj^a (pe^fovaa
die Lesart der eviai rdiv xarä nokeig „«V l^S^oi nfifia (pi^fovaa^ durchaus
matt und unzutreffend finden müssen.
Die bisher besprochenen Varianten können kaum ein günstiges Urteil
erwecken weder für den Wert noch für das Alter dieser Städteausgaben
und wenn wir einige andere significante Abweichungen von der Vulgata
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in den Ausgaben von Massilia oder Chios einer genaueren Prüfung unter-
ziehen, so wird man unwillkürlich viel mehr zu der Vermutung gedrangt,
dass wirkliche oder vermeintliche Philologen bei der Fabricirung derselben
Pathen gewesen, als dass sich dieselben durch ungekünstelte Ursprüng-
lichkeit und würdig durch die Weihe des Alters einfuhren.
So wird die Ausgabe von Massilia von Didymus 29 mal erwähnt,
aber nur in 5 oder 6 Fällen, in welchen durchaus keine bezeichnenden
Verschiedenheiten in Frage stehen, ist Aristarch ihr gefolgt Die Ab-
weichungen von unserem heutigen Texte sind an manchen Stellen be-
deutend, wie iS 865 Fvifairi U/iiyri IT b9 fisravaariv 127 i(ja)7iy JS* 502
aiJKfxniQoiaiv inoinvvov etc., und doch haben sich von jeher die Heraus-
geber der Ilias gesträubt, mit solchen Lesarten ihren Text zu zieren.
Leider lassen sich, soviel ich bis jetzt sehe, nur 3 Stellen für unsere
Frage verwerten i2 304 T76 77 W 870.
Könnte also" dieser Ausgabe von Massilia vermöge ihres hohen Alters
ein ganz besonderer Wert zugesprochen werden, dann müssten die alexan-
drinischen Kritiker, dann müssten unsere Handschriften, dann müssten die
Versuche der modernen Philologie vollständig schweigen und wir hätten
nichts zu thun, als die Erlösung, welche uns diese Ausgabe gebracht,
dankbarlichst aiizuerkennen. Untersuchen wir demnach einmal die Variante
derselben zu 12 304
X^Qyißov dfKpinoXog n^oxoov S^afia ;f«(M7iy e/ovaa
der Vers wurde bekanntlich von Aristarch athetirt und Aristonicus be-
richtet uns: d&BTeixai uii na^d ro avvri&es aiTtp /«pyt/?ov xo dyyBlov
To vnodexofiBvov ro v^ujq, ws fifieig* rovxo df. avxog eicad-e xaXaiv Xißijia,
xb Sb xaxd xwv /«ipc5^ diSoixevov vSw^ x^(f^^ß^' Statt der Vulgata bietet
aber die Ausgabe von Massilia einen ganz anderen Text:
X^QVißoi' d/LKpinokog xa/j^irj fXBxd /epaty B^ovaa
So hätten wir also einen alten ehrwürdigen Zeugen! Lassen wir also
unsere anderen Zeugnisse bei Seite und sehen einmal diesem etwas ge-
nauer ins Gesicht: ich fürchte, seine Bürgschaft dürfte nicht allzuhoch
anzuschlagen sein. Es ist demnach hier ein Anstoss entfernt, der in
Xe()yißoy als axevog liegt und an dessen Stelle ;ffpv4/?a gesetzt in dem
Sinne, wie es sonst bei Homer vorkommt x6 xaxd xdiv /€ipc5i/ didofjLBvov
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667
v^wp, also das Händewaschwasser. Leider ist dieser Versuch durch uiid
durch unbrauchbar und verstösst in eklatanter Weise gegen die anschau-
liche Plastik der homerischen Schilderung, und darum dürfen und müssen
wir in demselben durchaus nicht eine Variante erkennen, die aus reiner
uralter Ueberlieferung stammt, sondern es scheint der missglückte Versuch
eines philplogunculus , der auf diese unzulässige und unglückliche Weise
den Dichter mit sich in üebereinstimmung bringen wollte. Einen solchen
Versuch dürfen wir kaum zu weit zurückdatiren, dieser Variante wenigstens
kann schwerlich das Gepräge ungesuchter und ungekünstelter Ursprüng-
lichkeit zugesprochen werden. Reicht aber die Ausgabe weit über Zeuo-
dot und die Alexandriner hinauf, dann ist eben nur zu constatiren, dass
wir die ersten philologischen Versuche in ihr zu erkennen haben ^ die
darum aber auch einer ganz besonders genauen Prüfung zu unterziehen sind.
So hat man auch an einer anderen Stelle diesem Zeugen kein Gehör
geschenkt, wo die Vulgata einen ganz anderen Text aufweist T76 77:
roXai (Jf xat fierSemer äva'i avSpdv lij^a/^ti/Ltvcor
avTO&ey i^ s^Qrjg ovS* iv fiiaaoiaiv avaardg
dafür bietet nun die Ausgabe von Massilia:
Tolai d^dviarafXBvog fieriipri xpeivDV ^^iya/ue/uvioy
/nfjyiv dyaaTevaxo)v xai v(f? thceog aKy^a ndGj(mv
Nach meinem Gefühle sind die Worte unseres Textes der Situation
vollständig entsprechend. Nur leere Allgemeinheiten und sonst gar nichts
kann ich dagegen in den Worten der Ausgabe von Massilia finden, ganz
abgesehen von dem wichtigen Umstände, dass sie die Anfangsworte der
Rede ihrer guten Beziehung berauben Sio innpsifH ynonawu^vog , kuIov
fiiv ioTiv iarwxa (frjfiTjyoQsly, (og drjkoyati xa&i^uevog. Hat man am Ende
gar ein änpsnig entfernen wollen, wie in der Chia T 96?
Mehr Anspruch auf Originalität könnte vielleicht die Ausgabe bean-
spruchen zu W 870, dort lesen wir heute in unserem Texte:
aneifXoixBvog (J'apa Mr^{fiovrig B§H{)va€ ;f€ipo<;
TO^ov drctQ (J^i) oiOTov ex^v ndhxi wg i&vyey
wozu dieselbe die Variante bietet:
(77ifp;fo^fyo^ ö^äpa Mrnfiovrig ine&rjxar^ olaroy
To^ip ' iv yap näaiv kx^r ndkaij wg X&vyev
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668
Für nanw bieten andere Codd. yj^oir, aber am Ende läset sich das
Tiaoiv doch halten „vor allen, vor aller Augen"? Mögen nun auch die
Varianten zu dieser ganzen Stelle aus alter Ueberlieferung geflossen
sein; aber an Vorzüglichkeit steht diese Gestaltung des Textes der von
Aristarch gewählten weit nach BneiyofiBvov ßovlerai rov MrjQiovrjV ixandaai
r^g ToiJ Ttvxffov ;f«£po4; ro ro^oy. Und da ist am Ende das i^ei^ae^ was
AnstoBs erregte und auf die angegebene Weise entfernt wurde.
Der 1 3 mal von Didymus erwähnten Ausgabe von Chios ist Aristarch
nicht ein einzigesraal gefolgt. Ueberblicken wir die bezeichnenderen
Yarianten, die hier in Frage kommen können, so bemerken wir einmal
zunächst an 2 Stellen ein aatpiatB^ov unserer heutigen Vulgata, I 349,
wo sie für das so sehr bezeichnete vxpoa* h^ye unseres Textes das schlechte
und matte, aber allerdings deutlichere vxfJCKf vxare, und 12 332, wo sie
für h -ifi^ior Jigocpareyre das matte xataßdvre bietet. Nichts anderes
aber als eine ganz ungeschickte und willkürliche Aenderung Ji« tu
aji^Bnt^ scheint mir T 96. Hier wird von der '^dtTj gesagt:
zal yä(f dri vv nore Zfjy* äoaro, roy ttsq agiarov
Dieses (fant muss hier Anstoss erregt haben und ist demnach durch
eine nichts weniger als schöne Aenderung in cpafiey entfernt worden.
Die allermerkwürdigste Nachricht über diese Ausgabe treffen wir aber
zu den schönen homerischen Versen P 134 — 136, wo von dem Löwen
gesagt ist:
(p (ki Tf- yrjnC äyovti avyayrrjaooyrai iv vlfi
arcTpft,' ijiasnfjQeg' 6 (Tf rs a&iyst ßke/ifiaivsi
71UP iJt rHniaxvvioy yaro) thcerai oaas xalvTirary
in folgender Ueberlieferung: naffä Zrjyo^oTcp xai er t/J Xia ovx 7]aay oi
y' ari/uL lamg ^ (paalr hvioi , oxi oi äQOsrsg Xiovreg ov axvjtivaycoyovaiv,
dlla S-rfuiai fwrai. xaxa ttt ro aQOBVixov xal im rrjg S-rjleiag rhaTcrai o
Iftov. xal mrip inixoiyoy. Ja wenn man nur wissen könnte, warum in
der Chia die schönen Verse fehlten. Auch die Alten werden da kaum über
Vermutungen hinausgekommen sein. Ist die oben geäusserte Vermutung
zutreffend, dann wäre damit das ziemlich junge Alter der Ausgabe con-
statirt. Denn die alte Zeit, die naiv die Dichtungen Homers genoss, dürfte
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doch kaum an den citirten Worten Anstoss genommen haben. Nur ein
Zeitalter, wo die auf wissenschaftlicher Basis allmählig sich aufbauenden
naturwissenschaftlichen Beobachtungen schon Einfluss gewonnen hatten,
konnte sein Verdikt sprechen über die schönen homerischen Verse aus
einem Grunde, dessen Stichhaltigkeit zu prüfen ich nicht in der Lage bin.
Bei der Dürftigkeit unserer Nachrichten und bei der geringen Anzahl
der uns aus diesen Städteausgaben erhaltenen bedeutenderen Varianten
können wir diese Ansichten nur mit aller Reserve vortragen und haben
auch einen schweren Stand, wenn wir nun von ihnen aus einen Schluss
auf die Arbeit Zenodofs machen wollen. Wissen wir ja doch nicht ein-
mal, ob sich alle diese Städteausgaben in seinem kritischen Apparate
befanden, und es ist ja an sich schon einleuchtend, dass sich die hand-
schriftlichen Hilfsmittel im Verlauf von 100 Jahren bis zu Aristarch be-
deutend vermehrt haben konnten. Doch dürfen wir vielleicht in Betreff
Zenodot's an folgenden Sätzen festhalten: Von den Städteausgaben scheinen
sich in seinem Apparate befunden zu haben die Ausgabe von Massilia,
der er T 76 gefolgt ist; vielleicht auch die Ausgabe von Chios, die ihin
in der Athetese von P 134 — 136 vorangegangen zu sein scheint. So
vielleicht auch die Argolike JS 39 — 49.
Diesen Ausgaben gegenüber ist er aber doch mit Kritik verfahren;
so ist er zwar T 76 in Constituirung seines Textes den Ausgaben von
Massilia und Chios gefolgt; hat aber den folgenden Vers, wo beide
Ausgaben mit einander übereinstimmten, nicht nach ihnen gelesen, und
lieber zur Athetese gegriffen. Insbesondere scheinen aber, wie wir viel-
leicht später noch ausführlicher darzulegen Gelegenheit haben, manche
dieser Ausgaben für ihn bestimmend gewesen zu sein zu mehr oder minder
uuifangreichen Athetesen, wie zur gänzlichen Weglassung von Versen, wie
P 134 — 136 -2*39 — 49, a 97 98: nQOTiS-erovyTO xar^ evia %(5v dyriygdcpwv
oi arixoi, xarä ^f ttiv Maao akiwr ix'^v otJJ' rjoav.
Man würde sich daher eine durchaus falsche Vorstellung machen
von der Arbeit Zenodot's, wenn man annehmen würde, dass er überall
nur aus rein subjektiven Belieben den müssigen Eingebungen seines
Geistes bei der Constituirung des Textes gefolgt sei. Dagegen sprechen
die eklatantesten Tatsachen.
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Für die handschriftliche Beglaubigung, wenn auch nicht für die
Richtigkeit seiner Versuche scheinen mir folgende Gesichtspunkte maass-
gebend zu sein.
1) Sowohl im Altertume, wie in der neueren Zeit hat man bei Be-
urteilung der Lesarten Zenodot's mit gutem Grunde auf die älteren
griechischen Dichter, auf Stesichorus, auf die Tragiker und andere
hingewiesen, die an gewissen Stellen denselben Homertext, wie Zenodot
vor sich gehabt zu haben scheinen. Indem ich in diesem Betreff auf
Düntzer pag. 45 ff. und auf die vortrefflichen Aufsätze von W. Rib-
beck Philologus 8 und 9 verweise, will ich hier nur einige wenige
Fälle zur Besprechung heranziehen: Herodian bezeichnet * 575 als
Lesart Zenodot's xvvvhxyfiiyy ^ und dann fahrt er fort: yMv Sxriai-
XO^o^ Jf EOixsv ovTcog avByvwxivai • (prial yovv „dnBiQsaioio xvvvldy'
fioio^ (frag. 85 Bgk.). So schrieb Zenodot für OUetg an allen Stellen
VJLfi'tf, Hesiod (frag. 771) und Stesichorus (82 Bergk.) und andere Dichter
acheinen ihm hier vorangegangen zu sein. Nun hat man Wunder ge-
meint, welch einen kolossalen Vorwurf gegen Aristarch erheben zu können,
dasa er an solchen oder ähnlichen Stellen seinem Vorgänger nicht ge-
folgt, sondern seinen Text anders constituirt! Darüber ist doch wahrhaftig
kaum ein Wort zu verlieren. Einmal wird die Nachricht nur unbe-
stimmt gegeben {ioixey etc.) und war an dem Homerexemplar des Stesi-
chorus, Sophokles etc. nicht mehr zu controliren. Desswegen war in
solchen Dingen die grösste Vorsicht nötig, ganz abgesehen davon, dass
die Honiertexte dieser älteren Dichter am Ende an Güte denen, welchen
Aristarch glaubte folgen zu müssen, weit nachstanden. Noch gefähr-
licher aber war dagegen die zweite Klippe, indem man dadurch sehr leicht
der Gefahr ausgesetzt war, Umbildungen imd Umformungen, neue Wend-
dungen, die diese Dichter rein de suo gegeben, nun in den Homer ein-
zuschwärzen.
Ich bin nun seit Jahren der Debatte über ^ 5 olooyolai re Sana ge-
folgt und zwar offen gesagt mit Widerwillen! Denn ich musste mir sagen
und sage mir heute noch, dass der Nachweis durchaus nicht zu er-
bringen ist, dass Aeschylus in seinem Homertexte dalra gelesen, ein
Aeschylus, ein Sophokles, ein Euripides — die sind natürlich nicht
im Stande gewesen, bei Leibe nicht, an einer solchen Stelle aus ihren
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eigenen Köpfen ein dalra zu produciren! Ganz besonders treftend will mir
das bei Aeschylus scheinen! Warum gehen wir denn nicht gleich so
weit und versuchen, mit Hülfe ihrer homerischen Phrasen uns ihre
Homerexemplare zu reconstruiren , eine schönere Variantensanimlung
könnte man sich gar nicht träumen lassen. Gut hat denn auch Düotzer
p. 111 auf Sophocles Ajas verwiesen 830
^t(p&(Ji xvalv TtQoßlriTog oliovolg &' sl co p
Also schon der arme Sophocles hat einen so erbärmlichen Homer-
text gehabt, wie wir und das schöne ^alra nicht gelesen! Auf diesem
Wege ist wohl auch das so unhomerisch als möglich klingende uvQog
äv&og von einigen in den Text eingeschmuggelt worden. 7 212 bemerkt
Aristonicus: oti er riOi ygacperai
avTCtQ inet jiVQog äv&og anenraro^ navaaro Jf tfli)^
Nach der Bemerkung Aristarch's: y^^^^^^ ^^ nvQog av&og mg jJotJYüi'
av&og rov Tioiijrov to nv^ ÖBivonoiriaavTog ist doch wohl darüber
kein Wort zu verlieren.
2) Ferner scheint sich aber auch noch aus einem zweiten Grunde
die Annahme handschriftlicher Autorität für Zenodot zu reclitfertigen,
nämlich aus seinen vermeintlichen Interpolationen. Hier muss man meines
Erachtens genau scheiden zwischen solchen, zu denen er durch seine
minder verlässigen Quellen verleitet wurde und denen, zu welchen ihn
seine Beobachtungen und seine Ansichten von der homerischen i{ifajrda
geführt zu haben scheinen. Zur Erläuterung des zuletzt Gesagten wähle
ich Z 136, wo es von Poseidon heisst:
dXXa fier^ avxovg -^k&e nakaKp (ponl ioixcig
dazu fügte Zenodot noch den Vers:
dyTiS-fqf <Poivixi onaovi IT7]lei(orog.
Handschriftliche Autorität vermag ich dem Verse nicht zuzu-
sprechen, glaube dagegen, dass er einer sehr guten Beobachtung und
einem teilweise sogar berechtigten Gedanken Zenodot's sein Dasein ver-
dankt. Derselbe erinnerte sich eben, wie in den meisten dieser Fälle
der Dichter nach einer bestimmten, mehr oder minder bekannten Person-
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wisa. XVH. Bd. III. Abth. 87
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lichkeit greift und er könnte demnach in der überwiegenden Mehrheit
der ähnlichen Fälle eine ganz gute Stütze finden. Nichtsdestoweniger
müssen wir uns doch sträuben, dem Verse einen Platz in unserem Texte
zu gönnen; er verdankt seine Existenz eben doch nur einem Einfalle,
wenn auch einem guten; denn der Gebrauch des Dichters ist in dieser
Beziehung doch kein durchgängiger und mit gutem Grunde wurde schon
von den Alten, die Zenodot's Gedankengang ganz gut errieten, ihm ent-
gegenhalten: eOTir ovy (og t6 „arJpi (Tf^aat; slxula^ [ß- 194) xal „^ejuag
rfCxTo yvvaixi^ (f 31 cf. y 288 n 157). Aber was für einen Grund sollte
er gehabt haben, iV' 805 den Vers hinzuzufügen:
liriv yd(} atpiv naoiv ixex^iro S-d^jae'C noXlip?
Ich wusste keinen aufzufinden, so sehr ich mich auch bemüht habe;
darum dürfen wir vielleicht hier annehmen, dass er einer minder zu-
verlässigen Quelle gefolgt ist, in welcher der für mich total unverständ-
liche Vers enthalten war.
3) Zu einer solchen Annahme wird man aber auch noch aus einem
dritten Grunde gedrängt, nämlich durch die genauere Betrachtung seiner
Athetesen, worauf im Vorausgehenden schon einmal hingewiesen worden
ist. Dieselben sind uns allerdings nur durch Didymus bezeugt, nichts-
destoweniger scheinen sie aber Grund zu haben. So hören wir über den
Vers ^142
avTog vvv nQoxalBoaai iiov xal TiecpQa^s fivd-oy
ovT€ Id^iaraQX^^ ^^^ ytQiarocpdyrjg ovre Zrivodoxog miaravrai rovxoy rby
arlxoy. Nun kann es aber, wie Lehrs^ p. 86 richtig gesehen hat, durchaus
kein sprachlicher Grund gewesen, warum speciell Zenodot den Vers ent-
fernte. „Nam Zenodotus certe ad vim vocis {niipQads) ne attenderat
quidem." Darum bleibt doch da nichts übrig, als mit Lehrs seine Zu-
flucht zu den Handschriften zu nehmen. Aber dieser Fall ist durchaus
nicht vereinzelt. So lesen wir zu /Vf 175 — 180: tiS-erovyro de xat naQa
lAQiaroifdyH* na^d Zrjyo^orq) ^i ov^t i^gdcpovro. Die Gründe, warum
Aristarch die Verse verwarf, kann man bei Aristonicus lesen: einer war
sicher auch der, dass Aristarch nur eine innrilajog nvkrj annahm. Nun
mag ja wohl auch Zenodot seine Gründe gehabt haben, aber der soeben
erwähnte war sicherlich für ihn nicht maassgebend; denn /Vf 340 liest er
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ja fidaag ijKpxBTo und nahm doch damit mehrere Thore an. Darum
wird man wohl auch bei dieser Athetese sich zu der Annahme hand-
schriftlicher Autorität verstehen müssen.
Aber auch eine genauere Betrachtung einiger Lesarten ist vielleicht
geeignet, uns zu derselben Anschauung zu bringen. Einer Reihe von
Varianten begegnet man bekanntlich bei den Einleitungsversen einer Rede
(vgl. Aristarch a. a. 0. p. 280). Dass Aristarch hier willkürlich vor-
gegangen und Aenderungen vorgenommen hat, scheint mir aus den dort
entwickelten Gründen unmöglich.
Nun hören wir, von Zenodot, dass er M 230 anstatt der Lesart
unseres Textes
Toy (T'ap' VTiodga Idvjv n^oaecpt] xo^wS-aioXog "^'Exrio^f
rar (pTJufißsT^ sTieira jusya^ xoQVi9aioXog "Extvd() las (vgl. auch Friedländer
zu ^ 148). Man hat auch nach Gründen sich umgesehen, aber dieselben
wollen mir kaum stichhaltig erscheinen. Vielmehr will es mir scheinen,
dass hier und an ähnlichen Stellen Zenodot, der doch sonst, wie wir
, sehen werden , eine sehr grosse Neigung zu dem efi(pavrixajT€(}ov hatte,
weniger zuverlässigen Quellen gefolgt ist; denn das dürfen wir denn
doch von vom herein annehmen — die Neigung desselben, der nachdrucks-
volleren Lesart vor der ihm matt erscheinenden den Vorzug zu geben,
berechtigt uns dazu — dass, wenn ihm an den angeführten Stellen die
bezeichnendere Variante vorgelegen wäre, er sicher dieselbe in seinen
Text würde eingeführt haben. An solchen Stellen, an denen wir uns von
vornherein vielleicht sehr stark variirende Ueberlieferung denken müssen,
mag also Aristarch besseren Quellen gefolgt sein. Daneben kann aber
auch nicht in Abrede gestellt werden, dass wir umgekehrt wieder an
anderen Stellen die bessere handschriftliche Beglaubigung in der Lesart
des Zenodot anerkennen müssen. Leider kann ich die rein formalen
Varianten beider Grammatiker nicht in die Untersuchung ziehen, weil
dieselben besser in einer Schematologie des Aristarch eine Stelle finden.
Aber auch bei anderen abweichenden Lesarten werden wir mit Not-
wendigkeit zu dieser Annahme gedrängt. Von diesem Standpunkte aus
wollen wir einmal iV^ 423 einer genaueren Betrachtung unterziehen. Von
dem durch Deiphobos getöteten Hypsenor sagt der Dichter:
87*
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züv ftiv B7i€id^ vnodvvTB dvio BQtriQBg ital(}ot
MriXiorevg *Exioio ndig xal ^log lildaicüQ
yfjag inl ykacpvgag (peQexTjr ßagia ax eva^ovra
In einem kürzeren Scholion des Aristonicus ist dazu bemerkt: on
Zrivoi^tnog y{m<fti ^axevaxovTa^ ivixdjg. Didymus: ovrcjog ^iä xov s „nrsyd-
/OKff", vv Jiö Tov a inl rov vexQov — ybXoIov ya^ — aii* ml rdiy
ßaoTaQuvjün\ Betrachtet man nun die hier vorliegende Ueberlieferung
frei von allen falschen Voraussetzungen, so ergiebt sich doch für die
Entscheidung der angeregten Frage soviel: orerdxoyra ist die allein
handschriftlich beglaubigte Lesart. Das wissen wir mit einer jeden
Zweifel auesch liessenden Sicherheit daraus, weil die ganze Stelle wort-
wörtlich, wenn auch vollständig unpassend aus 0 331 — 334 übertragen
ist. Unbekümmert nun um den Sinn liess Zenodot die handschriftlich
beglaubigte Lesart stehen. Ich denke nun, es macht dem Aristarch alle
Ehre^ wenn er diesen Unsinn zuerst erkannte; denn oreydxoyra von einem
Toten gesagt — ist doch ein Unsinn. Aber hier vergriff er sich in dem
Mittel der Heilung, indem er nun, um der Stelle aufzuhelfen, das ganz
unzulässige or^vdxoyre emendirte. Denn eine Aenderung, eine Verschlimm-
besaerung ist dieser ungehörige Dual, das zeigt uns klar die aus ö an-
geführte Stelle: darüber wird und kann man also nicht hinaus kommen.
Merkwürdig bleibt dabei allerdings immer das eine, dass Aristarch hier
nicht zu dem einzig richtigen Mittel, mit dem er ja sonst gar nicht
sparsam gewesen ist, gegriffen hat, nämlich zur Athetese. Ich sehe mich
also ausser Stande, den Satz, dass Aristarch nie sich Aenderungen des
Textes erlaubt hat, vollständig aufrecht zu erhalten und bis zu seinen
letzten Consequenzen zu verfolgen: im Gegenteil, betrachtet und über-
denkt man einige seiner überkühnen und gewaltsamen Athetesen, so wird
man ja von selbst zu einem Vergleiche und einem analogen Schlüsse in
Betreff seiner Textesgestaltung geführt: insbesondere scheinen mir aber
gerade diejenigen Lesarten desselben, die bei Aristonicus mit dem festen
und ständigen Ausdruck «p/io^fi empfohlen werden, wie A 204 212 xovxo
ds Tfl l4&tiy(} tJp^ao^fi diaßeßaiovv^ B 448 otibq ovx aQjLio^ei em dß-a-
ydrmy etc. einer erneuten kritischen Untersuchung gerade von diesem
Gesichtspunkte aus zu bedürfen.
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Da hätten also auch wir das Nauck'sche Ungeheuer, den Sünder und
Textverderber Aristarch glücklich herausgeklügelt. Nun in so starken
Ausdrücken wird man der Sache nicht gerecht. Aber ich habe nie be-
griffen und begreife wohl auch niemals, dass ein Philologe von der Grösse
und Bedeutung Aristarch's auf die conjecturalis emendatio sollte gänz-
lich verzichtet haben. Ich weiss auch nicht, welche Beglaubigung das
schöne Wort, das uns Porphyrion (ep. 2, 1, 257) von Aristarch überliefert
hat „Et hoc vetus esse dictum Aristarchi ferunt, qui cum iiiulta reprehen-
derit et in Homero, ajebat neque se posse scribere, quemadmodum
vellet neque velle, quemadmodum posset" in Anspruch netmeu kann;
aber ein Aristarch, der auf die Conjekturalkritik gänzlich verzichtet, ihr
überall und überall aus dem Wege geht, ist mir undenkbar. Den maass-
los kühnen Versuchen des Zenodot und den wenig glücklichen Gedanken
des Aristophanes gegenüber ist seine Kritik allerdings eine durchaus
conservative, ja selbst wenn man sie nicht im Gegensatz zu seinen beiden
Vorgängern und für sich allein betrachtet, muss sie auch im Grossen
und Ganzen als eine durchaus conservative. bezeichnet werden. Aber das
giebt uns denn doch noch lange nicht das Recht, zu behauptenj dass jeder
und jeder Lesart seiner beiden Vorgänger, über die er ein hartes Verdikt
gefallt, das Gewicht der handschriftlichen Beglaubigung fehlt. Allerdings
ist es ein eigenes schweres und schlüpfriges Feld das Kapitel über die
Codicum auctoritas bei den alexandrinischen Philologen! Stillschweigend
setzen wir da immer 2 Dinge voraus, deren Richtigkeit noch lange nicht
erwiesen. Unter dem Eindruck der Schilderung von den reichen und vorher
nie gesehenen Schätzen der alexandrinischen Bibliothek werden wir nur
zu leicht zu dem unumstösslichen Glaubensatz verführt, dass die Voll-
ständigkeit, Zuverlässigkeit des handschriftlichen urkundlichen Apparates,
wie er den alexandrinischen Philologen und Halbphilologen vorlag, wohl
niemals mehr erreicht worden ist. Allerdings ein Ziel „aufs innigste zu
wünschen". Aber wenn nur diese Schilderung nicht übertrieben! Ich
fürchte und fürchte immer, dass ihnen am Ende doch das eine und
andere hochwichtige monumentum gefehlt hat, gar nicht zu gedenken
des anderen Umstandes, dass die „Graecia mendax" den reichen Königen
von Alexandria manches zweifelhafte Gut um schweres Geld mag auf-
gebunden haben. Sodann huldigen wir, von einer zweiten kaum zu-
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lässigen Voraussetzung ausgehend, dem Glauben, dass auch schon die
ersten alexandrinischen Philologen, so gut wie nach einer Arbeit von
Jahrhunderten heute die Koryphäen unserer Wissenschaft sich unfehlbar
sicher auf dem so schwierigen und schlüpfrigen Gebiete der Beurteilung,
Wertschätzung und Kritik der Handschriften bewegen konnten. Aber
ob denn diese Voraussetzung so selbstverständlich und also unser Glaube
berechtigt ist, dürfte doch noch sehr die Frage sein. Wir kämen vielleicht
einen Schritt weiter in dieser schwierigen Frage, wenn nicht das Werk
des Didymus in einer so trostlos jämmerlichen Gestalt überliefert wäre.
Heute können wir mit den kurzen und leider nur vereinzelt erscheinenden,
den Wert oder Unwert der Ausgaben höchst summarisch abschätzenden und
rubricirenden Urteilen, wie ai x^^f^^^^'^^h «^ tlxaioTe^fai, so viel wie gar
nichts anfangen. Ja manchmal wird man ganz irre an denselben! Wer
hat sie mit diesen Prädikaten qualificirt? Kann und muss sein Urteil als
ein zutreffendes anerkannt werden? Und das sind Haupt- und Principien-
fragen, vor denen Alles andere zurücktreten muss, von denen Alles ab-
hängt. Wir müssen schweigen dazu und müssen uns auf gut Glück dem
getroffenen Entscheid unterwerfen. Aber auf einen Punkt will ich doch
aufmerksam machen, vielleicht regt er scharfsinnige Köpfe an, welche
möglicherweise die Frage dem Entscheid näher bringen. Wenn, wie wir an-
nehmen, so reiche und uuschätzbare Urkunden in den Hallen der alexandri-
nischen Bibliothek aufgestapelt waren, so würde doch damit die moderne
Philologie in anderer Weise manövrirt haben, wie Aristarch nach dem Be-
richte unserer Quellen, vorausgesetzt, dass dieselben wenigstens im Grossen
und Ganzen seinen Gedanken gerecht geworden sind. Betrachten wir
z. B. das Kapitel der Athetesen. Greifen wir nun eine heraus, die von
der gesammten modernen Philologie anerkannt ist, wie yi 78 — 83, zu
der Aristonicus bemerkt: a&erovvrai orixoi 8§, ori xpsvdog' ov y^Q Svvav-
Tai ndvTes top Jia ahiöoS-ai ßorjd-ovvra rolg TQvoaiv, a'kV oi riov ^^Ekkrjvcüv
ßorjO-oL xal ro „6 ^t roacpi Uaa&eig rar äilwv dndvBVV&s xa&et^ero^ (og im
rainro avvti&^foiOfiBvaiV avrdoy Xiysi, jiffosiQTjxe ät „ot (V äkloi ov atpiv nd-
geoav &eoi^ (75) • äno re rov 'Ülvjunov ov nagsiodyszai &€a)Qd)r rrjy inl
rfig TQoiag fid^riv^ dlV dno rfjg l^rjg^ oSsv did t(Sp i^g (183) fisraßaivsi
flg avToy. Diese von Aristarch hier entwickelten Gründe waren für
alle Herausgeber überzeugend und soweit kann man sich dabei beruhigen.
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Aber der Einspruch Heyne's zu den citirten Versen bleibt doch bestehen
und verlangt auch eine Antwort „Caussae memorantur in Schol. A non,
quas velles: rhapsodorum pannum esse, ab aliis ignorari,
nee in bonis exeraplaribus esse scriptos". Wenn wir eine
Antwort auf diesen berechtigten Wunsch versuchen, so sehen wir uns
vor die Alternative gestellt: Entweder war Aristarch nicht im Stande,
mit Handschriften zu operiren, weil er ihre Bedeutung für die Kritik
nicht recht erkannte und würdigte, oder aber er konnte nicht mit ihnen
operiren, weil keine solchen vorhanden waren, in denen die citirten
Verse fehlten mit Ausnahme etwa der Ausgaben des Zenodot und Aristo-
phanes. Um also bei dem ersten Falle zu bleiben, wenn die Verse in
maassgebenden Handschriften fehlten, so hätte ein moderner Philologe
kaum sein Hirn zermartert, um sie mit Gründen aus dem Felde zu
schlagen: ihm hätte ein desunt in X oder in libris genügt und alle
Achtung vor den mit solchem Scharfsinn eruirten Gründen: aber in der
diplomatischen Kritik ist doch ein solches Zeugniss viel bedeutender
und vollwichtiger, als eine ganze Legion von Gründen, wenn sie auch
noch so geistreich und scharfsinnig ausgeklügelt sind. Aber vielleicht
führt uns hier ein anderer Weg zu dem hochwichtigen Zeugniss hand-
schriftlicher Beglaubigung der Athetese. Zu den Versen lesen wir näm-
lich bei Didymus: xwxov^ xal 'Agiatocpayrig ri&hei* naga ^i Zrjro^oTip
ov^s iygdq)ovTo, Nun mag der eine und andere Grund auch schon für
Zenodot und Aristophanes entscheidend gewesen sein: aber oben S. 672
haben wir gesehen, dass wenigstens Zenodot gewisse Verse aus demselben
Grunde, wie Aristarch, nicht kann athetisirt haben und mussten uns
auch da für die Annahme handschriftlicher Autorität entscheiden. So
kann man sich am Ende auch erklären, dass sich Aristarch, wenn wir
anders recht berichtet sind, in diesem Sinn auf seine beiden Vorgänger
beruft wie bei Aristonicus 0 535 . . . o ^i Zrpfodoxog rovg tiqcjtovs rgeXg ov^i
tYQOLifBV, H b28 6 ^i Ztivodoxog ovdt iyQcttpBv avrov.ij) Unter dieser Voraus-
setzung nun, dass das wichtige diplomatische Zeugniss dem Urteile seiner
Vorgänger zur Seite steht, hat es dann sicher nichts befremdendes, wenn
sich Aristarch auch nach Gründen umsieht, um die handschriftlich gut
beglaubigte Athetese auch philologisch gründlich zu rechtfertigen, so gut
wie wir etwa heute sagen, diese und diese Worte fehlen in der Haupt-
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handschrift, sind darum unecht, aber auch an imd für sich betrachtet,
sind sie null und nichtig. So kann man sich ungefähr diese höchst
problematische Sache zurechtlegen und Niemand ist mehr überzeugt, als
der Verfasser, damit nur eine Vermutung ausgesprochen zu haben.
Aber auch sonst — und das ist nicht weniger merkwürdig — hören
wir bei allen Widerlegungen unglücklicher und verfehlter Lesarten Zeno-
dot's nie auch nur eine leise Andeutung oder einen kurzen Hinweis auf
eine Sünde gegen die maasgebenden Handschriften, sondern es sind immer
mehr oder minder gewichtige andere Gründe, die gegen ihn in's Feld
geführt werden : an manchen Stellen, wenn auch nicht an allen, will uns
dünken, hätte ein solcher kurzer Hinweis vollständig seinen Dienst getan.
Wenn sich dieses Verfahren aber unter gewissen Voraussetzungen auch
leicht erklären lässt, so muss doch auch daran festgehalten werden, dass
es Aristarch, wie es scheint, unmöglich war, überall auf Grund von
Handschriften gegen Zenodot zu operiren, weil er sich seine eigene und
selbständige Meinung von der Textgestaltung gebildet imd dann auch
unverbrüchlich und consequent daran festgehalten hat. So ist es ge-
kommen, dass die moderne Philologie einige wenige Lesarten des Zenodot
mit guten Gründen als die ursprünglichen und handschriftlich besser
beglaubigten nachzuweisen im Stande war.
Aber das ist gewiss nur in den allerseltensten Fällen vorgekommen;
Dem sonst von Zenodot regelmässig eingehaltenen Verfahren gegenüber
hatte Aristarch eine ganz andere bestimmt vorgezeichnete Aufgabe: die
Aufgabe einer gesunden vernünftigen conservativen Kritik. Mit so leichtem
Blute, wie Zenodot, hat er sich nicht über die Handschriften weggesetzt
und denselben vielfach mit schlagenden Gründen zu ihrem Rechte ver-
holfen. Denn Aenderungen, nichts als willkürliche Aenderungen oft
einer Einbildung oder Schrulle zu liebe gemacht oder dictirt von einer
unzutreffenden Vorstellung von der homerischen Sprache und Darstellung
muss man doch in den meisten der Lesarten Zenodof s erkennen. Kühn-
heit, Gewaltsamkeit, der krasseste Subjectivismus ist die Signatur seiner
Kritik. Als einem inonoiog ist ihm ja wohl auch viel eingefallen und
war er um dichterische Phrasen durchaus nicht verlegen; nur zu oft
hat er in diese Schatzkammer gegrüfen und daraus voll und reich ge-
geben. Dass aber die meisten seiner Lesarten nicht von Seite der hand-
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schriftlichen üeberlieferung empfohlen werden, wird sich uns am deut-
lichsten zeigen, wenn wir die Gründe, die für ihn bestimmend waren,
mit ziemlicher Sicherheit ermitteln können, nicht an einigen wenigen
Lesarten, sondern gleich an einer ganzen Reihe, die darum aber auch
geeignet ist, die kritischen Grundsätze desselben in gehöriger und zu-
treffender Weise zu beleuchten.
So hat den Zenodot, um damit zu beginnen und sein kühnes Ver-
fahren zu kennzeichnen, selbst die Notwendigkeit, wegen einer Conjectur
auch an einer zweiten Stelle zu ändern, was doch für den modernen
Philologen in der Regel ein sicheres Kriterium ist, von einer Aenderung
abzusehen, durchaus nicht abgehalten, auch an einer zweiten Stelle
seine Weisheit unterzubringen. Nur einmal finde ich dieses Verfahren
von den Alten hervorgehoben, nämlich bei Aristonicus zu 77 677: tni
Zrivodonog xal rovrov neQijiQrjxB rtj^dy t6 ov/iKpuivov iatnr(3 (666). Dass
damit Aristonicus die Athetese Zenodot's bezeugt, wie das Ludwich an-
genommen hat, I p. 414, vermag ich nicht einzusehen. In Misskennung
eines sehr wichtigen Kunstgesetzes, von dem uns Aristonicus mit den
Worten berichtet: ov rerotixav ovr. ort ra roiavja xara to OiioTKOusror
ivB^yyovfisya dal Tia^adex^ad^ai , xa&ani^) xal iy roTg indro) Tiegl xfig
"'Hffag (432) schrieb er 666
xal ror' ä(/ i^ "l^r/s TiQOoiipri Zevg oy tpiloy vloy
consequenter Weise musste er nun Ff 671
ßi] dt xai^ ^l(taiioy 6{)sa)y ig (pvloniv alyi^y
streichen, das ist das rrKfwy rö avjLKpuryov iavrw. Oben 666 heisst es
bei Aristonicus dieaxsvaxe und nun in demselben Gedankenzusammen-
hang: xal TOfCxoy n€(}ijj^r]X6. Aber wenn dies Verfahren meines Wissens
auch nur an dieser Stelle von den Alten hervorgehoben worden ist, wir
müssen es auch in manchen anderen Lesarten erkennen, mit welchen
man bisher nicht fertig geworden ist.
Beginnen wir nun mit (T 162, wo Peisistratus zu Menelaus spricht:
aviäg i/it 7iQoe7]Xt J'e^ftjyiog innora NiariOQ
Tip aua nofiTtüv ento&ai ' iildsro ^d(f ae Idia&ai.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. 111. Abth. 88
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Für das unzweifelhaft richtige, gute, allein handschriftlich be-
glaubigte *AJfTü hat Zenodot die rätselhafte Lesart ötero. Wir glauben
es gern, wenn es im Scholion heisst xaxtog. Aber was soll die Variante
bedeuten? Wie kam er dazu? Das ist nun höchst merkwürdig: Er wurde
dazu geführt durch eine schbn früher gemachte kühne Aenderung, die
oben berührt wurde, zu a 93 etc., wo er für -SWapT^yv regelmässig KQrixr]v
schrieb. Aristonicus bemerkt zu y 313, wo Nestor zu Telemachus spricht:
, , j öiEjai ya^ (nämlich Zenodot) ix rovroy rdiy loyiov (besonders /aj)
Sri&a) xaza rv aicjncijiieyoy dxrixoivai 7ia(jä rov Ti]i.€/.idxov ori xal dXXa-
)^üai Jit^l Tov nar^jog Tievoofuyoc; na^ftaxsvaoxo nXsly . . .: darum ändert
er ß 93 und 284 fCfjTjTrjy. Wenn nun Zenodot eine solche Vorstellung
von der änotfij^iia des Telemachus hatte und nun von Nestor las y 317
dÄÄ* ig fiiy Merelaoy iytb xelofiai xal ayioya^
80 stand für ihn fest, dass Telemachus nicht freiwillig und schon von
vornherein zu Menelaus gehen wollte, sondern von seinem ursprüng-
lichen Plane abwich und erst auf den Rat des Nestor die Reise zu
Menelaos machte, und wenn er nun gar von Telemachus hörte im Be-
richte an seine Mutter p 116:
dllü fiHg ^ATQBiSriy^ Sov{n xXeuov Meyelaoy,
Xjinoiai nQovn Bfixp B xai ciffjLLaai xoXXrjToToiy
m war ob ihm klar, dass das itk^ero „er (Telemachus) drückte den Wunsch
aus" unter diesen Verhältnissen unmöglich stehen und richtig sein könne;
denn Nestor war es ja, so argumentirt er, der ihm diese Reise empfahl
und das ist es und nichts anderes, was er mit seiner Aenderung otero
bezweckte, Zenodot muss demnach folgenden Sinn darin gefunden haben
„er {Nestor, der auch im Vorausgehenden Subject ist) war der Meinung,
dass er (Telemachus) dich besuchen sollte". Das ist nun allerdings xa-
xwg^ ja meinetwegen sogar xdxioxoy — aber ttiqsI to av^Kptoyov iavno.
So hat man auch ^ 404 zu beurteilen. Bekanntlich hat man sogar
gezweifelt j ob nicht der Lesart des Zenodot, der ^400 für fTakldg
Uärfyrj ^oißug 'AnoXXioy schrieb, eine alte sagenhafte üeberlieferung zu
Grunde liegt. Ich glaube das nicht und schliesse es aus einer zweiten
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Aenderung, die er desswegen am Texte vornehmen musste. Nämlich 404
schrieb er an Stelle unseres heutigen VerseSj wo es von Aegaeon heisst:
Alyalan^. 6 yag avre ßirj ov TTöTputf äjiiHywy
die Verse
Alyai(x)y\ 6 yap avTS ßiij noXv iptQTaTog älltnv
bnnoaaoi yaiov& vno Ta^rafim' t^vi^wn'ia.
Das ist aber ganz sicher eine willkürliche Aenderung, die sich sehr leicht
erklärt. Wenn er nämlich Vers 400 las
so war Vers 404 ov nargog absolut unverständlich; denn es sind ja in
dem Verse zwei eventuelle patres erwähnt. Darum rripu rb aviufiovor
iavT(p\
Dass seine Lesart zu ^439
yrd) d^'O^voaevg^ o oi oiki relog yMiä Kai^HOV tiX&kVy
wo er für rilog ßelog schrieb, trotz der Einsprache Aristarch's Verehrer
und Anbeter gefunden hat, ist nicht wunderbar. Dennoch ist sie nichts
als eine falsche und willkürliche Aenderung; das erkennt man aus
Vers 451, wo Zenodot für
(pßij ae Tslog S-avatoio )Ci/rift^rüi\ ovtf^ vndlv^ag
schrieb ßeXog S-avaroio^ „eine ganz unhomerisclie Redeweise'', dieses
„Todesgeschoss", wie W. Ribbeck ganz gut PhiloL IX, p. 47 bemerkt,
aber ein sicherer Fingerzeig, dass wir es auch an der ersten Stelle mit
einem unzulässigen Einfall zu thun haben — - /'/p*? rt» avj^nfmrQV invrq.
Und das könnten wir noch weiter verfolgen j wir verweisen aber
nur auf y 216 217 und wenden uns lieber zu ;^ 230 und 231
TriXiuax^, ndiov ae enog (fvyir V(i^og uduvjtDv
(ieJa d-eog y* id^iXiav xal rrjXoi^hr iivä{m nuwnm
Darüber hören wir: olnog o arixog (2^0) kayagih; ton* fJm (? kaum!)
Zrjfyodonog laiog jj^Bre^gatpe „Ttjkiuax' v^^uyui}^ utya rr^ntt, nolor HtTieg^ ;
TOT ^B dBVTB^OV 71BQtt]{)Bl TBi.B(Og Jl« 70 Ua/üiUroy aVTW TO j^tl /JTj ^BOi
ofe i&BloiBv^ (228). Nun es ist nicht wunderbar, wenn er der Consequenz
halber zur Athetese greift, wie oben FI 677, Aber das will mir durchaus
^9*
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nicht einleuchten, dass der Vers (231), wie wir ihn heute lesen und auch
Zenodot ihn wohl gelesen hat, einen Widerspruch enthalten soll gegen
el U7I fi^eol ag i&^kot&y? Auch in der Fassung ovd'' d S^mi mt; ti^fkotn^
vermag ich einen Widerspruch nicht einzusehen! Allerdings liegt aber
ein starker, ja sehr starker vor zu den Versen y 216 217, wie sie in
unerhörter Aenderung von Zenodot constituirt wurden:
Tig J'olc^' li X8 nori oq)t, ßlag dnor iasai i'k&mv
ri av ye fiovvog iaiy fj xal ovunayxBg jixmoi
Mit diesen Versen kann doch der Wortlaut :
^Bla dsog y\ iß^iXoy xal ttiXo&bv äyd^a aatvoat
nicht stimmen. Darum ztiqsI to av^ucpcjyov iavrcol
Und das ist das Verfahren eines engelreinen Librarius, der durch
seine Dummheit und Unfähigkeit vor den gewöhnlichen Abwegen ein-
gebildeter Gescheitheit geschützt war.
Prüft man ferner vom modernen philologischen Standpunkte aus
die von ihm in den Text aufgenommenen Lesarten in Beziehung auf
ihre buchstaben massige Aehnlichkeit und Möglichkeit mit den im Alter-
tum und auch jetzt gangbaren, so ist er allerdings manchmal dem ductus
litterarum gerecht geworden, die meisten seiner Lesarten aber entfernen
sich soweit vom Texte, dass man zu der Annahme gedrängt wird, dass
Zenodot mit diesem in der modernen Conjecturalkritik öo hochwichtigen
Gesichtspunkt gar nicht gerechnet hat. Beispiele der ersten Art sind:
So y 217. o yt =1 av ys, 276 a/ua =: drd, A 34 dzimv = dxtwy^ B 299
im =: in, i* 37 oipsLovreg = oipaiovxeg, P 595 Ttjy ^= yfjv^ A 439 451
xilog = ßikog, N" 71 tj^i^ia = i^f^^^^j A^ 643 ITvkai aiv7]g = KvXat-
u irrig, ö 207 eldfi = siTifj, 77 515 ndvxo& dxoveiy — irarx' iaaseovar.
Vielleicht sind auch manche dieser Lesarten in den von ihm befolgten
Codices gestanden, wie z. B. P 595 THIV = FHN. Schwerlich aber die
folgenden, in denen keine Spur von Aehnlichkeit mehr zu erkennen ist So
schreibt er für ineaßoliag J 159 imaro/iiag, für ar*p tzqv Z 285 tpilai^
7/TOp, für daifioya dioao) 0 166 nor/ior i(pr]0(o, für 'A^T^ing loxiaifia £ 53
d-araroto neXvj^a für nQoaao&Bv Xnnovg 0 533 taxiag 'inTiavg^ für fr/iypfh'
igezuay fi Ib Xya afjfia nikono, für &€(oy dixrfti dyaKTWy fi 290 ffikojv
dixrjji iraiffioy, für dcpilBa&e ys dovreg ^299 i&iktig difBlia&ai etc. In
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683
den letzten Fällen hat er, wie man sieht, meistenteils die Heilmig in
der Herübernahme anderer homerischer Wendungen versucht; aber auch
sonst hat derselbe an die Stelle von ihm missbilligter Lesarten andere
Halbverse gesetzt, ein auch von Düntzer p. 144 entschieden verurteiltes
Beginnen, wie M 444, N' 148, P 456 0 501 etc. Also vom Standpunkte der
Buchstabenähnlichkeit geprüft haben diese Lesarten absolut keine Wahr-
scheinlichkeit; ja auch sonst müssen in dieser Beziehung sehr starke
Missgriffe, die auf das gröblichste sowohl gegen die Sprache, wie den
Geist der homerischen Dichtung Verstössen, constatirt werden.
So schrieb er B 60 — 70 in den 3 von ihm hergestellten Versen
ähnlich wie -2*210 für äartoi; ix aiptjsifov äaiv norl a(per€(}oy — durch
und durch unhomerisch, da fiayjo&ai 7i{f6g ti nicht vorkommt.
In den von ihm /' 334 heillos misshandelten Versen las er:
djLt(pl J^ap' dijLLoiaiy ßaKsr^ aanida S-vaaavUaaav
^vaarvoBaoa ist absolut unmöglich, es wird vom Dichter nur von der
Aegis gesagt.
Nicht besser ist das aus /7 422 entnommene &ooi zu Z 112 und
von dem dfivvnov äaxtv Xcißrjy bemerkt Düntzer ganz richtig „ab Homeri
usu abhorret" p. 147. So ist zu seiner Lesart F114
^ d^afivdig xaXeaaaa S-wvg ^ela 'Qioovrag
sehr fein und geistreich von Düntzer bemerkt p. 150 „non soUicitus de
epitheto ^«la ^wovrag, quod hie, quum de parte tantima deorum agatur,
minus aptum videtur."
Höchst unglücklich ist auch seine Lesart X 378
liT()€i^r] TB xal älloi d()iar^eg Flavaxctiwv
und gut zurückgewiesen von Düntzer „at non vidit illum versum (// 327,
V' 236) non nisi in principum contione locum habere". D. p. 150.
ä:306
avrovg^ dl (poifBovaiv dfivuova ITrikeicaya
hat schon, wie es scheint, Aristophanes an dem ungehörigen avxovg An-
stoss genommen und dasselbe durch xalovg ersetzt.
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684
Dass ZV 609 ^tya ^ijXnero vLxriv und O 377 fity^ (PexXvi das .a*yß
ganz ungehörig für /laXa gebraucht ist, wurde bereits oben hervor-
gehoben.
Auch die banale Lesart 0 207 ti7i[] schlägt dem regelmässigen Ge-
brauche bei Homer in's Gesicht.
So ist auch seine Aenderung ß 55
avTä(} inti ^' rjye()9^sy üiLtriye(}ng x^iyh'oyro
von der ßovlri ye^ovriDv gesagt, durchaus unhomerisch.
Dass seine Lesart / 88
ivd^a dt nv(} xrjayro, Ti&hvro St dalra &aXiiar
auch dem Gedanken nach durchaus unzulässig ist, wurde schon im Alter-
tume richtig hervorgehoben: äronov yap d^alia^eiv rovi; ntv^H ärXrßif
%r[y ipvxTjv ßfßXrjjLtivovg.
Dergleichen willkürliche und ungeschickte Aenderungen sind natür-
lich nicht geeignet, Vertrauen zu Zenodot zu erwecken. Allein dem
gegenüber muss hervorgehoben und anerkannt werden, dass Zenodot
denn doch der erste war, der vermöge seines klaren und scharfen Ver-
standes Schäden der üeberlieferung entdeckte und ihnen vom philologisch-
kritischen Standpunkte aus zu Leibe ging. Wenn nun die Nachwelt
seinem grossen Gegner mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen Recht
gegeben hat und Recht geben musste, so ist es doch in vielen Fällen
weit weniger das positive Resultat, das damit seine Anerkennung fand,
als sie vielmehr bei den total von einander abweichenden Wegen der
beiden Kritiker denjenigen für den richtigen halten musste, den Aristarch
der üeberlieferung gegenüber eingeschlagen hat. Darum müssen wir
an einigen schlagenden Beispielen zu zeigen suchen, wie ganz verschieden
der Standpunkt Aristarch's von dem seiner Vorgänger w^ar und wählen
dazu 0 166 und £2 30.
In der so manches Auffallende enthaltenen Rede des Hektor (9 161 ff.
lesen wir unter anderen den Vers
ovSa yvralxag
ä^fig iv rrjeaai. na^fog toi ^ai/Liova ddauD
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685
Zenodot ist der erste gewesen, der den höchst auffallenden Aus-
druck bemerkt hat: daifLiova (fviaw und das, denke ich, macht ihm
doch alle Ehre. Er war nun der Ansicht, dass hier durch Eraendation
zu helfen sei und schrieb dafür noxixov i(priao}. Anders Aristophanes
und anders Aristarch. Sie griffen zur Athetese. Mit der Emendation
Zenodot's ist allerdings ein Anstoss entfernt, aber auf eine Weise, die,
wenn man ihr beistimmt, den Charakter der ganzen mehrfach anstössigen
Stelle vollständig alterirt, die uns ferner auch vollständig darüber im
Unklaren lässt, wie das merkwürdige und auffallende daiftova ^loau) in
den Text gekommen ist. So muss denn auch die moderne Philologie,
mag sie nun die Athetese anerkennen oder nicht, dem Verfahren des
Aristophanes und Aristarch insofern beistimmen, als sie in ihm eher den
richtigen Weg und die bessere Methode erblicken muss. Aber auch von
Aristophanes ist Aristarch bei Behandlung ähnlicher Stellen abgewichen;
das sehen wir deutlich /2 30 bei der Kritik des famosen Parisurteils
Das Wort ftaxi-oavvij war für Aristarch mit ein Grund, warum er
über die ganze Stelle die Athetese aussprach: yMt j^tf fiaxi-oavrt]'^ xoiywg
BJil yvyaixög fiayiq' didtJOXB d^avxip ov ravzrjy^ dXkd z^y xaXXioxriy rwy
rare 'EXeyrjv. 'Haio^ewg d^ iaily 17 If^i^' ixelyog yd(} n(}diTog ixifTJcfaTo ijjt
Tujy n^foLrov d^vyarf()ü)y Aristonicus. Aber Aristarch ist nicht der erste
gewesen, der an dem Worte Anstoss nahm, schon Aristophanes fand den
Ausdruck durchaus ungehörig und setzte an dessen Stelle „i] ol ;ff;fcfpia-
jiieya (TdJp' dyofiTjye.*^ Damit wäre nun allerdings wieder Heilung geschafft.
Hätte aber dieselbe Eingang gefunden, dann wäre unser Urteil über die
ganze Stelle vollständig verwirrt worden und so muss man auch hier dem
Verfahren Aristarch's, der über die sechs Verse die Athetese aussprach,
als dem besseren und vernünftigeren beistimmen, mag man sonst auch
über die Athetese denken, wie man will, und wir werden uns dabei auch
nicht durch das Urteil und die Weisheit des Didymus beirren lassen, der
sich hier in bekannter geistreicher Weise über die Lesart des Aristo-
phanes äussert: }cal rdxct fi&XXoy ovriog dy exoi' d&erel yd(} AqL-
ara()xog (Tia rrjy f.iaxXoavyr]y roy orixoy. Und Aristarch sollte
nicht vergeblich gelebt haben für einen solchen Helden!
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686
So steht also Aristarch gleich von Anfang ganz anders dem Texte
gegenüber, als Zenodot und auch Aristophanes , und das muss uns ein
wichtiger Fingerzeig sein, ihn von jedem pruritus conjectandi frei zu
sprechen.
Auch sonst sehen wir das Verfahren beider Kritiker total verschieden.
Ein klarer Beweis ist die Stelle von Pylaemenes A'' 643 656
eyd^a oi viog inäkro ITvlaifisreog ßaail'^og S,
Der offenbare Widerspruch mit £ 576 ist Zenodot nicht entgangen.
Er entfernte ihn durch Emendation, indem er E 576 KvXftijuevea schrieb,
ein Verfahren, das nahe lag, das wir aber am allerwenigsten aus den
oben entwickelten Gründen gut heissen können. Auch hier wich sowohl
Aristophanes, wie Aristarch von ihm ab nach dem Berichte der Scholien :
^A()iaTO(pavr]s dß-nel .... äd^erovvTai äfKpirrsQoi (Qb8 — 659) . . . . fl Jf
fievoicv oi arixoi ovroi, yorjTfoy ojuioyvuiay eJyai (E 576).
Wir müssen also daran festhalten, als einem für Zenodot ausge-
machten und feststehenden Satze, dass vielen wirklich oder angeblich ver-
dorbenen Stellen des Homertextes nur allein auf dem Wege der Emen-
dation zu helfen sei, und nun werden wir uns auch nicht mehr wundem,
wenn derselbe von dieser Voraussetzung ausgehend viel mehr als nach
unseren Begriffen nötig scheint, seine rein subjektiven Meinungen in
denselben hineingetragen hat.
Indem wir nun an den von den Alten schon aufgestellten Gesichts-
punkten teilweise festhalten, teils uns auch nach neuen umsehen, um
unter dieselben die Lesarten Zenodot's einzuordnen und so eine orien-
tirende Betrachtung zu ermöglichen, stellen wir denjenigen Gesichts-
punkt voran, der den Zenodot vielfach zu kühnen und falschen Aender-
ungen geführt hat, aber doch noch den Glauben an eine im Laufe
der Jahrhunderte stattgefundene sehr starke Cornmipirung des Homeri-
schen Textes durch die avyi]&Bia gestattet. Bei Aristonicus finden wir
diesen Gesichtspunkt betont in Ausdrücken, wie ov Xsyei J«, wg fifxslg
B 56. ov Xeysi (Tf avytiS-iog fiuly /'206 o dt Zrjyoiforog avyi^S-iog ^uly
rhaxf^y.
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J
687
So las Zenodot
A^ 10 VBio&kv ix x^fadir^g^ (foßforTO J* ot ypfVfi* ivrog
-2*247 eXffjS^cti* narrag ya^f e/* (poßüg^ ovrex' '^}[illsvg
T 14 Mvifuidovag ^ a^ia jjdj'jag eXtr (foßog
An diesen 3 Stellen ist (poßna&at und ffoßog unrichtig und in un-
homerischer Weise gebraucht, wie man aus Aristonicus ersehen kann.
Aber gerade solche Stellen lassen doch aua leichtesten den Glauben auf-
kommen, dass wir es hier nicht mit willkürlichen Aenderungen zu tun
haben, sondern dass sich in die vom Zenodot befolgten Codices eben der
Gebrauch der avvrj&eia eingeschlichen hat, der von Aristarch entweder auf
Grund besserer Quellen oder glücklicher Untersuchung und Beobachtung
entfernt wurde.
Zenodot las B 56
xXvT€, (piXoi^ d^eiov jLLot ivvny iov f)kB^^y \)v&f^g
So hat er hier das Wort ivvnnot^j das nach Ausweis unserer Lexica
bei den Späteren sowohl in Poesie wie in Prosa das gewöhnliche ist,
ganz unrichtig in den homerischen Text hineingetragen, wenn man nicht
vielleicht auch hier annehmen will, dass das Gewöhnlichere aus der
späteren Sprache Eingang gefunden hat in seine Codices*
Wenn er / 447 las
Tolov 07 e 7i(}iuT0V linov 'Eklatta xalhyvratxa^
SO hat ihn zu dieser Aenderung unzweifelhaft die falsche Auffassung des
viov in dem vorausgehenden Verse bestinimtj zu der er durch die m^rij-
&eia verführt wurde.
Wenn man die Lesart desselben zu iV' 627
fiä ip OLjrsoß^or äyovTtg, tnu tftXha&i Jii^f u i rfj
betrachtet, so ist man anfangs vollständig im Unklaren, warum er an
Stelle der durchaus tadellosen Vulgata öi/ja&^ dvayovTsg nun dieses
zweifelhafte Gut in seinen Text eingeführt hat. Rechnet man aber mit
dem von uns hier behandelten Gesichtspunkte , so wird wohl die Ver-
mutung das Richtige treffen, dass er auch hier der awrß^ia gefolgt, iat^
äyeiy und (pf^tir ist hier das Gewöhnliche, und Zenodot konnte sich dabei
auch auf homerische Stellen berufen, wie i' 216
jLii^ ri fioi oXx^v'f^^ xoUT^g im vTjog äyoyrtg,
Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wi89. XVII. Bd. III. Abth, 89
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688
Wenn er JS* 492 schrieb
pvfKpag ig f}aXdjitüvg datdiav vno XajxnofiBvaiay^
so ist längst erkannt worden, dass ihn zu dieser Lesart der Gebrauch
der späteren Zeit bestimmt hat, in welcher ja das die allgemeine
Sitte war.
Wir werden darum auch nicht überrascht sein, wenn die gewöhn-
licheren Formen von Nomina wie ß 658 ^HifaxUlog^ von Verben, wie das
in der späteren Zeit durchaus übliche (pQaaov -^83, wenn 7 9 ß^ßXtiajo
für ßtßoXriaro Eingang in seinen Text gefunden haben. Dasselbe lässt
sich constatiren bei dem Pronomen (Lds M 346 348 359, bei xbI&i
V^461 etc. Auch die von Aristonicus A 24, E 146 156 329, /' 211 ge-
tadelten Constructionen lassen sich unter diesem Gesichtspunkt begreifen.
Ebenso die von ihm B 187, Z 34, N 172, a 169 gewählten Verbindungen.
Dahin dürfte am Ende auch ^251 a% oi und /7 281 iknojuevai zu
rechnen sein.
Unter diesem Gesichtspunkte ist es auch begreiflich und sehr wohl
zu verstehen, wenn wir vielfach an Stelle poetischer und gewählter Aus-
drücke bei Zenodot die gewöhnlichen und prosaischen finden. Mag man
auch ^209 streiten über die Berechtigung von snsi oder cti, die
Lesart Zenodot's
ov juev ^^ xoSb finl^ov e/e* xaxoVy t] ore KvxXcDip
will mir doch durch und durch prosaisch erscheinen.
So darf man wohl auch bei der Variante i5 299
Tlfjre, (fiXoiy xal fieiyaj^ an ;f(>oyoi'* dlXa xal efinrjg
ganz abgesehen von der Unzulässigkeit der Bedeutung das hi aus der
Vulgärsprache erklären, wo es gerade in dieser Verbindung eine Rolle
spielte. Doch lässt sich auch hier bei der Leichtigkeit der Verschreibung
für int an die Autorität von Handschriften, aber allerdings von schlechten
denken.
Eine Vereinfachung und Erleichterung der Construction soll es am
Ende auch sein, wenn er Ä^ 153
dXX^ ifii Svjiiog drfjxe noXvrXi^ucüy noXefii^eiy
d-d(}asi i^iip. yevtfi Si vsioTaTog eaxov dndvriDV
für d^dgasv (o las und es natürlich mit noXs^iL^uy verband.
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689
So würde man kaum glauben, wenn es uns nicht ausdrücklich
überliefert wäre, dass Zenodot 77 697 in allem Ernste las:
Tovg sieg' oi S* äXXoi q>vya^e ßjvcooyjo exaaTog,
Aber im Zusammenhalt mit ähnlichen von ihm bevorzugten Wend-
ungen finden wir eine solche Lesart sowohl glaublich j wie begreiflich.
So ist auch F114 die von Aristarch und den meisten Ausgaben
festgehaltene Vulgata
17 iP äfxvdig arrjnaaa &eovg fietä fiv&oy eeinsv
aus diesem und kaum einem anderen Grunde durch Zenodot verdrängt
und dafür das gewöhnlichere hergestellt worden:
^ S*äfivdig xaXeaaaa d^eovg ^sTa ^looyrag
Ganz vulgär und trivial will uns klingen, wenn an Stelle des bei
Homer regelmässig stehenden sWij von ihm nnfj gelesen wird in der
Verbindung 0 207
iaS-loy xal ro rhvxrai, or' ä^ysXog aioifia eiufi^
Wie es scheint, ist auch ^841 durch seine Lesart
dXl^ oi?(T' (Lg 7ie{} aeV dueXi^aa} reiQOfiiyoio
der gewähltere und poetischere Ausdruck aelo fiB&riaa} verdrängt worden
und auch im Altertum war man dieser Meinimg: noirfiixu}Tt{Hn' Jt to
tTBQov. Der Grund mag vielleicht für Zenodot gewesen sein, dass ueS^aca
mit einem persönlichen Object vereinzelt ist. Denn gerade in der*
gleichen Dingen scheint derselbe ausserordentlich streng und rigoros
gewesen zu sein. So hat er /? 404
äXX^ iojuev, utj Sri&d ^lar^ißußjiisy oddlo
athetirt: Zriyodmog smi&iag d&trei Schol. M. Ich habe mich lange ver-
geblich hin und her besonnen, was wohl der Grund mag gewesen sein.
Mit ziemlicher Sicherheit möchte ich ihn jetzt dahin feststellen, dass
der Genet. bei SiarQißBiy bei Homer gar nicht und auch sonst selten
vorkommt.
So ist er auch Af 340 mit der Vulgata
xal TTvXfioy' naoai ya(> inw^oro^ rol cTt
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600
durchaus nicht iu's Reine gekommen. Es ist ganz schlechte und ver-
werfliche Prosa das udaag j^a^ hnipyjxOy das er an die Stelle gesetzt.
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, gewinnen nun folgende
kritisch vielfach behandelte Stellen ein erhöhtes Interesse. So /' 206,
wo Zenodot las
crijs; IVt;?' dyyt^Urjgj avy a^riufikip MsveXonp,
Arietarch
fffu hvhx^ uyy^Xiri^\ avy d(}r]i(pii,(p MeyeXdq)
Man liat in neuerer Zeit keinem von beiden geglaubt und aeV eye;^
uyyiUriv geschrieben. Ich habe dagegen Folgendes zu bemerken:
a) Nach dem obigen von mir dargelegten kritischen Grundsatze
besteht kaum ein Zweifel, dass Zenodot auch hier in der Herstellung
des Gewöhnlichen, der om^/jd^fia sich vergriffen hat; er wusste und kannte
nichts anderes als dyytlu} und nur dieses wollte er bei Homer gelten
lassen. Die Lesart otV i'yts^ dyyeXirjv hat als homerische oder besser ge-
sagt urhonierische auch nicht einen Schein von Wahrscheinlichkeit; denn
hätte dieselbe, wie jet^t angenommen zu werden scheint, in irgend einem
Codex oder Urcodex gestanden, dann hätte sie Zenodot, vorausgesetzt
allerdings, dass er im Besitze dieses Kleinodes war, ganz sicher acceptirt.
Das erhellt sehr einfach daraus, dass er ü 640 las
dyyfXirjv ofjfi'fö;?« ßij] ^HifaxXrittfi,
also mit diesem Sprachgebrauch vollständig vertraut ist.
b) Ferner will mir scheinen, dass denn doch an solchen Stellen, wie
/' 206, besonders aber A 140 diese Eigenschaft als äyyeXoi^ dieses schwere
persönliche Gewicht, ähnlich oder doch vergleichsweise wie bei den
späteren jifieoßeis- vom Dichter hervorgehoben werden konnte.
c) Hat nach den guten Ausführungen von Autenrieth zu /^ 206
und Anhang bei Hentze /'206 die Form dyyeUrjg ihre ganz gute ho-
merische Analogie in raairjg, yerjviTig. (Man vergleiche auch Lud wich H
p. 1U4 ff.)
Auch die nun vielfach von den Herausgebern gebilligte Form iolo
fiir ifjog O 138, A 393, T 342, SI 550 bekommt unter diesem Gesichts-
punkt betrachtet eine andere Beleuchtung f, ifjog war, um mit Hartl zu
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691
sprechen, ein verschollenes, der Sprache so unbekanntes Wort, dass selbst
die gelehrten Epiker es wieder aufzunehmen Scheu trugen." Hält man
damit zusammen die Art des Zenodot, das Ungewöhnliche durch Be-
kanntes zu verdrängen, so wird man kaum das eolo als die ursprüng-
liche handschriftliche Lesart statuiren können. Ausserdem klingen an
2 Stellen die Zeugnisse des Aristonicus so bestimmt, dass kaum ein
Zweifel gerechtfertigt sein dürfte, ü 138 i^yyorjxs ^e t^v Xi^iv und
£1 528 dia dh äyvoiav b Zrjyodonog ^soio^ y(}a(p€i. Zu bedenken ist
femer auch, dass sich o450, |505 die Bedeutung des solo gar nicht
aufrecht halten und verteidigen lässt. Kein Gewicht will ich auf den
Umstand legen, denselben jedoch nicht ganz übergehen, dass wenigstens
an einer Stelle ZV 246 der Nominativ ivg von ihm getilgt wurde, wo er
für d^BQiXTKov ivg dovQixXvz6<^ geschrieben hat, auch ein r/t; ist von ihm
einmal durch eine andere Wendung entfernt worden, P456, wo er für
üg tlnihv Xnnoiaiv iymyevaey fiivog fiv
jifiivog 7ioXvd^a(faeg ivfjxey^ gelesen hat.
Gerade diese Kunst, den gewählteren und wenn auch etwas dunkleren
poetischen Ausdruck durch einen gewöhnlichen Kalibers zu verdrängen,
diese Kunst, die ja auch heute bei uns so sehr im Schwünge ist, hat
Zenodot mit Meisterschaft geübt. Das ist denn auch der Fall gewesen
«132 und ?? 250, wo er für eXaag die gewöhnliche Lesart ikdaag {v 164)
herstellte; dieselbe ist schon im Altertum im Gegenhalt gegen die andere
verurteilt worden: oi Si ^Kkoag^' noirjTixwrfifoy yap. Demnach kann ich
dem Üdaag auch nicht die Spur handschriftlicher Beglaubigung bei-
messen und erkläre mir seine Entstehimg in der angegebenen Weise*).
4) Schwieriger scheint mir dagegen der Entscheid zu Y 138
si 6i X* ^'^(jrjc ^^/w<ri (J^dxns 5 *Poißog *Jn6XXuty,
wo wir bei Aristonicus lesen: öu ZrjvoSotog yQ(i(pn j,agxfi<n*. 6 6k "O/jtri^og t6 x«r' ttfi<pori()ü)y xtay
oyofiätwy uSi/Ätyoy ^rj/^a itM^i norf, to ijfQoy 7t()0Ta(ag oyofitt, fura^v idaafiy j,^x' ^ocf 2"*-
fÄOiig avfAßdXkftoy i)^f IxcefiayS^og* (E 744) xai ^^y^t* /^^^ c<V *Ax^Q^^^^ 11 vgupXkyB&wy xe ^iovai
KaSxvTos TB {x 513)' xai xovtto nenXioyaxBy *J}xf4dy, 6t6 xai JXxfdayucoy xaXfitat ovx ort ngtotog
avt^ iX9n*fftto, X 513 wird aus Alkman citirt jfKaaTfop taxiioy rttoXtay iXazti^fs xai IloXvd&vXfig*,
Aber diese Beispiele beweisen doch gegen Zenodot soviel wie gar nichts; es müsste doch hier
mindestens ein Beispiel aus Alkman angeführt werden, wodurch der Plural auch bei der disjunc-
tiven Verbindung statthaft wäre. In der citirten Stelle der Odyssee wird unsere Stelle mit dem
Plural «(»/wa« neben den anderen angeführt. Waren vielleicht die Alten glücklicher wie wir
und konnten Beispiele für die disjunktive Verbindung anführen?
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692
Mit diesem Bestreben des Zenodot, das Ungewöhnliche und Auf-
fallende EU, entfernen und dafür geläufigere entweder bei Homer oder
auch anderswo vorkommende Wendungen zu setzen, hängt wieder eine
andere Neigung desselben zusammen, an die Stelle von anai €l(}r]fisya
üblichere Worte einzuführen. Leider gestattet uns die Mangelhaftigkeit
unserer Quellen nicht zu beurteilen, bis zu welchem Grade Zenodot dieses
gefährliche Verfahren in Anwendung gebracht hat. Heute liegt aber
dasselbe doch unläugbar sicher in folgenden Fällen vor.
So hat ilm gewiss das im Homer vereinzelt stehende Desiderativum
J'S? oipdovreg^ zu der von Aristonicus allein uns verbürgten Aenderung
in o^faiöVTBg vermocht. Zenodot mag es wohl eher für otf/ diot/reg, als
för oipä topTB^^ genommen haben; hören wir doch auch ß 42, wenn anders
die Schollen zu der Stelle uns richtig berichten: yekoicog ygoipH Zijro-
3mog „^tor", ano rov dtscv, o kariv äxovBiV,
So steht in dem Verse O 470
vivi}f}v ^i§i(}(}rii€ veoarQOipov^ riv irs^rjoa
7i^üJto)% o(pQ^ ayf^oiTo &afiä d^^fVjaxovTas oiOTOvg
Tifküjiov an dieser Stelle ganz vereinzelt und ist gut verteidigt bei Aristo-
nicus „TO J* n^ioiop ioTi 7i(}(oiag* xal yd(} yfyorey ovrwg' rfj tiqo rav-
Tt]g ^^fpff vV^^^ ^^ ^^ vevgriyy vd^xrjae di^ (0 328). diars evkoyov ifj
i^g ixHVTjg n^wiag (i. e. mane) ivfjcp&ai^. Das Wort wurde ersetzt von
Zenodot durch das sonst beim Dichter vorkommende 77 q (6 riv (E 832,
n 500).
Aller Wahrscheinlichkeit nach hat auch das in F 11
iiorfjg ali^ovafjOiy BViC,avov, ctg Ju nar^i
ganz vereinzelt stehende iyi^aroy aus diesem Grunde ihm Anstoss erregt
und darum scheint er es durch icpi^ayoy ersetzt zu haben, wenn am Ende
auch zugegeben werden kann, dass die hier von Aristonicus an ihm ge-
übte Kritik kaum eine zutreflFende ist.
Manch ee mag ihm auch V 533
üxüir aiffiara '/.aXd, ilavvwy JiQooood^By Xnnovg
anstössig gewesen sein, aber das ganz unerhörte T^^onaoB^By muss doch
sein ganz besonderes Missfallen erregt haben; es ist wenigstens in der
ungehörigsten Weise ersetzt durch „ikavycuy wyJag Xnnovg^,
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693
Vielleicht ist das von ihm in A^ 551
durch na^amadoy verdrängte schon in seinen Codices gestanden; aber
71 fQiaza^oy, das nur an dieser Stelle vorkommt, ist ihm möglicherweisa
auch aus einem andern Grunde anstössig gewesen.
Darum würde ich auch Bedenken tragen -S^ 34
^ei^tg yd(f, firj Xaifioy dnainriaaig atdrigip
das nur noch tp 303 in tmesi vorkommende dnau/jatts durch die Lesart
Zenodot's dnatfiri^eis zu ersetzen. •
Leicht könnten diese Fälle noch vermehrt werden , aber ich denke,
sie werden genügen, um uns diesen bedenklichen kritischen Grundsatz
des Zenodot hinreichend zu illustriren. Leider bemerken wir ja auch
sonst an anderen Stelle — und deren sind gar viele ~ diese Kritik des
aa(phars(foy im schlimmen Sinn in einem solchen Uebermaasse
von ihm geübt, dass wir hier von einer ihn etwa annähernd oder hin-
länglich entschuldigenden Autorität der Handscliriften vollständig ab-
sehen und mit einer höchst unglückseligen und eingebildeten Schrulle
desselben rechnen müssen. In dieser Beziehung muss man sich auf starke
Dinge gefasst machen und wenn man auch anfangs den von den Alten
geäusserten Urteilen mit dem grössten Misstrauen gegenüber steht, schliess-
lich sieht man sich durch die Menge der einschlägigen Fälle gezwungen,
denselben zuzustimmen und sie als wohlbegründet anzuerkennen.
So überliefert uns Aristonicus zu dem Halbverse AM 48
üTi Zrjyodoriog yifdtpei „o de x^Oüaro noXXoy önioavu^. i^yyorjoe &f Sri ra
ifinsnriyoTa do^ara rfi danidi dyaxiOQovyjeg ^iartyaaoövaiyj iVö djionmfj.
Ganz ähnlich ist der Fall 77 160
xal z' dyekrjffoy iaon' dnb }C(}rjyt]g fiskayv^^uv
kdipoyzeg yXiooajjaiy difaiffiiy fiiXay vdw^
OTi Zrjyo^OTog y^dcpei y^Xdipayrtg^ did xov ä. Baoyjm Jf r/Ji; mnwKorfgf
xal ixlikvrai 17 i]u(paaig' oi fiey yd^ aiuaxog ifinffföQrßityoi xai &id SLipay
oQfKSyieg inl ri^y }C(ri^yriy aio^ovai ro naifdarrjua . inlay ijo e cJ* zbr
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694
ZrivüSoxov To i^g, de^afifvov dno x^yrjg iaatv ovx i'^ei ^e, äiX elg
x^rjvjp/ niofiBvoi noQhVin'rai. Zwar wundert man sich anfangs, dass die
Alten dem Zenodot Missverständnisse derart zutrauen; aber wenn sie
nun vor dergleichen Aenderungen standen, so blieb eben kein anderer
Erklärungsgrund übrig und wir können, wenn wir anders die Neigung
desselben zu n)öglichster Verdeutlichung der Worte des Dichters richtig
beobachtet haben, ihnen nur beistimmen.
So lesen wir Z 5 1 1 in dem schönen Vergleiche vom Pferde
o (f^ ayldtrjcpi nenoid-iog,
(njücpa i yovva (pe()ei juerd r^ ri&sa xal rofiov innwv.
Die Worte, die allerdings an einer Anakolouthie leiden, waren dem
Zenodot unerträglich, und sofort ist er mit einer Besserung bei der Hand,
wodurch das aacpfOTS^foy allerdings glücklich erreicht ist „^i/icp* id yovva
tp^Q^t^ und der Mann ist auch kühn genug, diese Aenderung zu wagen,
trotzdem dass es einige Verse darauf heisst
Und so ist von ihm an einer ganzen Menge von Stellen Structur
wie Periodisirung des Dichters in ganz eigenmächtiger und willkürlicher
Weise gemeistert und corrigirt worden und diesem Principe der Verdeut-
lichung im schlimmen Sinne hat er die grössten Opfer gebracht. Ich
hebe aus einer reichen Sammlung nur die schlagendsten Fälle hervor
und kann dabei die Vermutung nicht unterdrücken, dass er an manchen
Stellen, nur um seine eigene Auffassung und Erklärung zu sichern, dem
Dichter etwas nachgeholfen zu haben scheint. Darauf wird man geführt,
wenn man Lesarten betrachtet wie die zu ^413
lloar (V fr jiieaaoioi, fierd aipiai nfi^a Ti&tyr^g,
Die von Aristonicus vertretene Erklärung wird man kaum billigen
können: ov yap Uyei iavroTg nfjjna riS^evTcg oi T(}(5€g, dXkd rip ^üdvoasl.
Man wird vielmehr dem Zenodot beistimmen müssen, wenn er nfi^m von
Odyeseus versteht Dieser Sinn schien ihm aber in der vom Dichter ge-
wählten Ausdrucksweise nicht recht zum Vorschein zu kommen, darum
seine Schreibweise
flaar (Vir jusnaoioi fierd acpiai, nfjua (Tf lloar
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695
und nun war es doch Jedem klar, wie allein nur das nfjua hier gefaset
werden konnte. Von der Eigentümlichkeit einer solchen Structur schreckt
Zenodot durchaus nicht zuräck, wie man aus i\r 609 erkennen kann, wo
er las:
Aus demselben Grunde möchte ich auch der von ihm M 444 ge-
gebenen Lesart nicht einen Schein von handschriftlicher Autorität vindi-
ciren. Sehr lehrreich ist aber ihre Entstehung. Doch da müssen wir
etwas weiter ausholen. Vers 437 heisst es:
7i(}iv yüJ€ (T17 Zevg xvdog vniifTi{fov "Extoqi däxe
n()iafii^fl, og nQonog iai^karo relxog W/ot^cüv.
ijvoev ^e dianifvaiov T^iDsoni ytymvvjg'
y^o{fvvad^j innodafioi T(}(5€g, ^ywaO-e dh isTxog 440
*A()yeiü)y, yal tnjvoly ivihJB ^tamdatg nvif.^
(Lg (pdr^ inar(}vya)y, oi d^ ovaai navTsg äxovov,
i&vaav d^ inl Tel^og äoXXhg, oi jluv eneira
xifoaaavDv imßaivov dxaxf^^yoi ^ov^ar^ ix^yreg.
Da kann nun bei ;^ 439 ein Zweifel entstehen, wer denn eigentlich
ruft, Zeus oder Hektor, wer in dem Satze als Subject genommen werden
muss. Wir besinnen uns nicht lange und entscheiden uns kurzweg ge-
wiss im Sinne des Dichters richtig für Hektor. Anders die Alten, von
denen uns Aristonicus berichtet 439: ori im rov Jiög rovro (priaty, ovx
ml Tov "^'ExroQog' dio xai ini^yeyxey y^wg ipdr^ i7ior(fvya)y, oi S*ovaai
nayng äxovov.^ ^ 442: ati diä rovro evx(}iye(, yiyerai ro r'^g n(}0X€i/bL6yrjg
ä/LKfißoliag' ov yap Stj äXliog idvrayro ndyreg dxovsiy, bI jutj 6 Zsvg
in€(p(jüy7]osy. So suchten sich also die Alten zu helfen bei einer Sache,
die eigentlich für uns gar keine Frage ist. Nun ist es aber interessant
zu beobachten, dass Zenodot der erste war, dem ein Zweifel an dieser
Stelle aufgestiegen, und das muss man sagen, er hat für alle Zeiten
gründlich jedem Missverständniss vorgebeugt, wenn er nun las:
oi fiiy eneira
x(}oaoda}y imßaiyov, hntl O-eov k'xkvoy av^Tjy.
Aber das müssen wir doch als eine falsche Auffassung und eine
traurige Verirrung der Kritik bezeichnen und werden darum auch bei
Abh. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. X Vn. Bd. m. Abth. 90
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696
der Beurteilung ähnlicher Fälle uns vor einem rasch zustimmenden Ur-
teile hüten müssen ; denn diesem oacpianQov im schlimmen ^nn hat er
ja auch anderwärts seinen Tribut gezollt So in der schon oben be-
sprochenen Stelle ^439
yv(o ^ ^OdvaoBvg^ o oi ovri reXog xara xai^iov rjk&iv.
Aus seiner Lesart zu 451 erkennt man klar, dass es eine willkürliche
Aenderung ist. Der Grund ist wohl jetzt auch leicht einzusehen: die Un-
klarheit und Zweideutigkeit des Ausdruckes rilog xarä xal^iov sollte durch
die Lesart ßilog glücklich beseitigt werden.
Aus diesem Grunde mag er auch die in -2* 485 begegnende Con-
struction nicht geduldet haben. Dort lesen wir ohne jeden Anstoss:
iv dh ra rsl(}€a navxa, id t' ov(fay6g iajscpavcoTai.
Dem Zenodot muss aber diese Verbindung unerträglich gewesen sein, er
schrieb darum „oiJpayoy iarrKfixxai^ .
So möchte ich auch an 2 Stellen, wo man dem Zenodot unbedenk-
lich gefolgt ist, Einsprache erheben gegen die Ursprünglichkeit und Be-
rechtigung seiner Lesart. Zuerst Z285:
(pairjv scer (pQsv* areg nov öi^vog ixXeXad^iad^ai.
In diesem Verse müssen nämlich 2 Dinge den Anstoss Zenodot's
erregt haben, einmal die vereinzelt stehende Ausdrucksweise äxeg nov,
sodann aber auch der Verstoss gegen die Analogie, wenn er das Wort
vielleicht dtfQTiov gelesen, da es beim Dichter dre^fn^g heisst Aber haupt-
sächlich muss es die Unklarheit der ganzen Phrase gewesen sein, die ihn
zur Emepdirung eingeladen, und das aacpeareffoy war nun auch hier glück-
lich hergestellt mit den Worten:
(paifjv xey (plXor ^to(i öi^vog ixUXa&io&ai,
Gegen die Unzulässigkeit dieser Schreibweise scheinen mir hauptsäch-
lich zwei Gründe zu sprechen. Einmal entfernt sich diese „Emendation**
doch zu sehr buchstabenmässig betrachtet von der anderen Variante „ar^p
Tiof ", und leider mussten wir im Vorausgehenden constatiren, dass dieser
hochwichtige Umstand nur in den seltensten Fällen von Zenodot berück-
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697
eichtigt wurde. Der Hauptgrund, der dagegen spricht, scheint mir aber
der zu sein: Wäre die Lesart (piXor ^op von Seite der handschrift-
lichen Autorität empfohlen worden, so wäre auch Aristarch so vernünftig
gewesen, ihr zuzustimmen. Nimmt man sie heute in den Text auf, so
ist man sich doch wohl klar darüber, dass man eine Conjectur zu
Gnaden aufgenommen hat.
So kann ich mich unter diesem Gesichtspunkte auch an einer zweiten
Stelle nicht für Zenodot entscheiden und bin kühn genug, nach dem
Digamma gar nichts zu fragen. Es ist dies die vielbesprochene Stelle
0 526
Bv^ofiai iXjio/isyog Jii t' äHoiaiv t€ d^eoloiVj
die in dieser Fassung dem Zenodot anstössig war und der sie desswegen
also gestaltete:
tknojxai ev/ofierog Ja x äkXoiaiv re &€olair.
Dagegen habe ich aber Folgendes einzuwenden:
1) Wenn wir ^ 366 von Poseidon lesen, wo er den Argivern zuruft:
irfpyfloi, xal ^Tj avre ued^iefiev ^'Exroifi vixrjv
lT()iajLii^rjj %va v^ag ilj] xat xv$og ä()TiTai;
dkX^ o jutv ovTü) (pfjot xal «i;/rrai, ovvtx^ ^Axi-XXBvg
vrjvaly im yi.a(fv()fiai uevsi xsxolioueyog r]TO()^
so sind die Worte ohne Anstoss und für Jeden leicht verständlich. Man
kann in der Tat gar nicht begreifen, wie sie nur jemals zu Bedenken
Anlass gaben. Doch hören wir Aristonicus: ozi Zrjvo^orog y(}d<pei j,xat
kXTisrai.^ äfffio^fi J« zip TT^foawTKp rö ^vx^rai, xavx(ih:ai. Demnach liest
also Zenodot:
dXX^ 6 /Ahv oi/tco (p7]al xai Uneraiy ovvek' 'AxiXXevg.
Aber das ist doch ganz unerhört, schlägt jeder gesunden und ver-
nünftigen Auffassung in's Gesicht, so kann Homer an dieser Stelle in
diesem Zusammenhang unmöglich gesprochen haben. Desswegen ist
das „ einer ai^ nichts, gar nichts als eine willkürUche und durchaus un-
statthaft;e Aenderung des Zenodot! Darüber wird nun wohl bei Niemanden
auch nur der leiseste Zweifel herrschen. Warum machte aber Zenodot
eine solche Aenderung? Das ist auch klar, wenn wir das oben dargelegte
90»
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698
Ttj^Bi TQ avu(pwyov iavT(5 beachten. Einfach desswegen, weil er oben gegen
die Handschriften gelesen und geändert hat:
darum muss es auch hier von demselben Rektor heissen und, wenn
wir das traurige Kapitel von der durch Zenodot in den Homer einge-
führten Gleichmüssigkeit in billige Berücksichtigung ziehen, kann es nach
Zenodot gar nicht anders heissen, als eXnoiLtai evxoinsyog. So gut aber,
wie an der zweiten Stelle, ist es auch an der ersten eine durchaus un-
gehörige Aenderung, die wir nicht des Digamma's wegen in den Text
einführen dürfen. Für mich — und hoffentlich nicht für mich allein —
ist aber diese durch den verhängnissvollen Laut hervorgerufene Kritik
gerade an dieser Stelle ein schlagender Beleg, mit welcher Vorsicht man
dieses zweischneidige Schwert gebrauchen muss; denn
2) dass Zenodot mit dem Gespenste nicht gerechnet hat, ist ja von
vornherein klar, lässt sich aber zum Ueberflusse noch erhärten aus seiner
Lesart iV 609
jLieya J' ijXTieTO yixrjy,
3) Gegen ^i-lnofiai evxojLierog^ spricht aber auch die von den Alten
bemerkte und mehrfach hervorgehobene Fiction des Dichters, die sich
durchaus nicht abläugnen lässt, von der Aristonicus auch zu den Versen
i" 45 46 spricht:
iJfiJüi ufj dri fioi Tekeofi enog 6ß()i/iog "^'Extwq,
J>^c Tioj^ intjneiXrjaey iyl T()(veao^ dyo()eva)y
oTi ravta dyarff^i^Tai hTÜ ixflya „klTiofiai evxofieyog Jii^ (gegen die
falsche Lesart Zenodot's) y.al „jLiyrjjuoavyr] xig enena nv^og drjtoio
yH'h&O}^ cüv nv{}l yfjag^ (0 181). i^dxovara (fb iyeyeio naffd rotg noke-
niüig^ wg Kai ra 7if()l 'Of^()voyea {IV 375). Vgl. auch Aristonicus / 700.
Diese eigentümliche Gestaltung und Fiction des Dichters ist aber nicht
aufrecht zu erhalten, wenn man mit Zenodot liest „elnofiai BvxojLieyog^ .
4) Wie diese Fassung der Worte dem im stolzen Siegesbewusstsein
sich erhebenden Rektor gerecht werden soll, „ich hoffe, zu den Göttern
betend , dass ich . . . von hier vertreiben werde", vermag ich nicht ein-
zusehen. Hektor ist doch jetzt in einer Stimmung, wo ihm am Ende
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699
das Gebet des alten Dessauer viel näher läge „die Götter möchten neutral
bleiben". Und nun vergleiche man einmal mit diesem lahmen und
zahmen Ausdruck seine die stolzeste Siegeszuversicht atmenden Worte
in der prächtigen Rede 0 175 ff. Darum muss ich auch dem Urteile
des Aristarch einen sehr vernünftigen und guten Sinn zusprechen
. . . eknofiai BVxoixBVOi; ov xara rov ^'Exxo^fa roy ovrcog knrnffiivov
kiyei, kkni^ü) evxo/Ltsrog rolg &eolg' ijiieixfg Y^Q* rovvavxLov yaQ olxuov
fv/o/LLai iXnofievog, ;fai;/c5ua«. Ob man auch ilno/Lisyog Jii t' äXXoiaiv
TS S-Boiaiv mit Aristarch fassen muss „ikni^onoioviLierog vnb rov Jibg xal
T(jür äXXcoy &b(jjv^ will ich dahingestellt sein lassen. Diese Fassung und
Deutung klingt uns allerdings anfänglich sehr befremdlich. Aber ho-
merisch lässt sie sich durchaus rechtfertigen, man denke nur an /? 91
von der Penelope „Tiarrag jusr ^' elnei^ und die Datiwerbindung bei
Passiven ist ja auch nicht so selten bei dem Dichter. Vor allen Dingen
wird aber diese Auffassung der Entschiedenheit und Energie des Rektor
gerechter, als die gewöhnliche. Wenn er bereits oben so unzweideutig
gesprochen 175 ff.
yiyycoaxü) cT', ori fioi TiQocpifwy xazeyevoe K()oyiu)y
yixijy xal fiiya xvdog^ axoLQ Jayaoioi ye Jififia,
so kann man sich doch nicht so leicht mit der gewöhnlichen Auffassung
abfinden. So erkläre ich mir also die Aenderung des Zenodot und halte
sie aus den angegebenen Gründen für durchaus verwerflich.
Neben diesen hier hervorgehobenen und besprochenen Fällen be-
gegnet man noch einer Menge von Lesarten, die sich vielleicht auch
unter diesem Gesichtspunkte betrachten lassen M161 246(?), iV198(?),
O 134, Z 340, P214(?) etc. Auch das Gegenteil lässt sich an manchen
Stellen constatiren wie O 587 und an den von den Alten hervorgehobenen
Lesarten mit däidyorjToy H 153, A 413, 77202, P h\ etc. Aber die
Fälle, wo er vermöge dieses Grundsatzes glaubte, den Dichter verbessern
zu müssen, sind doch die häufigeren, und es scheint mir ganz selbst-
verständlich, dass er noch viel mehr, als wir heut zu Tage nachzu-
weisen im Stande sind, diesem falschen Grundsatze seinen Tribut gezollt.
Würden uns das auch nicht unzweifelhaft überlieferte Lesarten bezeugen,
wir hätten auch sonst noch Anhaltspunkte genug, um dies sein Ver-
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700
fahren erklärlich zu finden. So dürfte sich gewiss manches erklären aus
dem von ihm vielfach und mit Entschiedenheit festgehaltenen Gesichts-
punkte genauer wörtlicher Auffassung und Interpretation,
welche die Worte und ihren Zusammenhang aus sich selbst erklärt, ohne
sich der bequemen Hilfsmittel der Ellipse, Ergänzung, metaphorischer
Deutung etc. zu bedienen. In dieser Richtung ist ja auch Aristarch be-
merkenswert und von den vielen hier einschlägigen Stellen zeigt uns
kaum eine besser seine Art, als die von ihm A 133 134 vorgenommene
Athetese. Dort spricht Agamemnon
ij i&fXeigj (kpQ^ avrog sxUS Y^QOLg, avraQ c'a' avnog
Tio&ai ^evo/xeror, xeXsai J« jue TTjriV dnodovvai)
Die Gründe der Athetese lauten bei Aristonicus: oii evrekslg rfi aw-
f^^GSi xai rfi dtaroiq xal utj aQuo^ovr eg Idy a ^i f.iv ov i. Die letzten
Worte wollen uns nun gar nicht in den Kopf. Aber das ist leicht er-
klärlich j weil wir von Jugend auf an eine ganz andere Interpretation
der Stelle gewöhnt siüd, die auch jetzt noch in den meisten Ausgaben
— Franke ausgenommen — gehalten ist. Man ergänzt nämlich aus dem
Nonunativ yeQag den Genitiv des Wortes und erklärt demnach „der
Ehrengabe oder derselben beraubt". Das konnte aber kaum einem Griechen,
das konnte nimmermehr Aristarch einfallen; denn dsvo^isvog ist ihnen
ein 80 fester und bestimmter Begriff „dürftig", dass es ihnen gar nicht
beikaTHj hier an eine Ergänzung zu denken. Wenn nun Agamemnon im
Sinne Aristarch's sprach „aber dass ich nur so dürftig dasitze", so kann
raan sein Urteil „;fat fir^ äfffio^orreg ^Aya/Lteuvori^ ganz wohl begreifen.
Aber Zenodot scheint doch hierin viel weiter gegangen zu sein und
diesen an sich gesunden Grundsatz durch ängstliche Uebertreibung viel-
fach zum Schaden des homerischen Textes in Anwendung gebracht zu
haben. Beginnen wir mit einem locus classicus, / 131, dort spricht
Agamemnon
öcoau) (^ ejirä yvvalxag afivfiova fpya h^viotg
jieaßidag^ ag, ore yteaßov ivxriitierrjr eker avrog
B^eXojurjr, al xaXXei iiuxcor cfvXa yvvaixwv.
rag juev oi (TcürTCü, fierä (V i'aanai, i]r rirr^ ä7Triv(}ü)y,
xov(jrj B(}iafjog.
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701
Nun versteht Zenodot das ^bto. 3^ taot im „darunter j dabei
wird sein" nämlich unter den inra yvi'alxeg, ohne zu bedenken, dass
auch noch eine andere Auffassung möglich ist , die dem Dichter wolil
gestattet, die höchste und wichtigste Gabe in dieser selbständigen und
bedeutungsvollen Weise hervorzuheben. AUerdi nge bei dem ersten An-
blicke muss man es am Ende oder kann es doch wenigstens so fasseiij
wie Zenodot. Dadurch kam er aber nun in's Gedränge mit T245, wo
es in unserem Texte heisst:
ix J' äyoy alipa yvyalxag df,LVfiova t^a Wula^^
67it\ aräf) oyt^oarriy BQiariida xaXXiJidpfjor,
Diese Worte konnten nun bei der oben besprochenen Auffassung
des Zenodot nicht bestehen, darum änderte er
e% draf) eß^üjjdrrjy B{)iöriLda xaXXind^noif
und vom Standpunkt Adam Riese's ist dagegen auch gar nichts einzu-
wenden, aber das ist denn doch ein trauriger Beleg für den krassen
Subjectivismus des Vaters der ersten Homerausgabe, wenn er unbekümmert
um Stellen wie / 271, 638, wo Aristonicus zu vergleichen ist, nun einer
reinen Schrulle zu liebe in so rigoroser Weise den Dichter glaubte meistern
zu dürfen. Und das Letztere hat er nur zu oft getan und leider ist
dieses Beispiel nicht vereinzelt. Denn dieselbe Wahrnehmung können wir
auch machen 0 139, wo wir in unserem Texte lesen:
Tvdudri^ äye cftj airs cpoßoy J' €/f ^tiuyv/^a^ Xnnovg
Zenodot sagt sich hier, wie kann an der Stelle der Ausdruck aötB
gerechtfertigt sein! Nestor wie Diomedes sind ja bisher immer siegreich
vorgedrungen, darum ist das Wort avre „wieder^ unstatthaft und zu
lesen:
äy€ rwi (poßov dk
was, wie Aristonicus bemerkt, sprachlich durchaus unstatthaft ist.
Dieselbe Beobachtung können wir bei avtt machen ^ l 93. Dort
spricht Teiresias zu Odysseus
t/tit' avT\ CO dvaxriVB, Iitkov (pdog riikiow
rjlv&sg;
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1
702
Auch hier fasst Zenodot das aviB wörtlich, aber da ist es unzulässig,
weil Odysseus früher nicht in die Unterwelt gekommen ist, darum änderte
er auf gut Glück t/tif' aviws . . . ijXvS^eg^ eine Aenderung, die nicht
besser ist, als die zuerst genannte.
Nicht anders wird auch -T 230 zu beurteilen sein
k'yS-a cTf xal tot^ oXovto (^v(ü(^€xa (pdhrsg äQiaroi.
Auch hier muss er xal totb ganz wörtlich genommen haben und
da Nichts im Vorausgehenden der genauen Angabe entsprach, so änderte
er, indem er sich ziemlich weit von unserm Texte entfernte:
h'&a Sb xovQoi (ikayro dvwd^xa navztg äffiaroi.
Anders wird man sich auch kaum seine Lesart AT 98 erklären können
/titj Tol fihv xa/uarip di^tixoreg rJJf xal vnvtp
xoi/ttfjacoyrai, «rcrp (f/vkaxf/g inl Ttayx'^ Xdd-ioyrai,
Der Ausdruck ist durch Aristarch gut und vollständig richtig erkläzt
„I'ti Jf xai vvv Xfyo^^v vnvov jueOToy ov xov i^nvioxora^ dlkd roy noit
rb vnrcoTixbr iv avr(5 f/^ovra. Das hätte sich Zenodot auch sagen soll^i:
dann hätte er die Lesart der Handschriften gewiss nicht angetastet und
geändert in
xa/narq) dcffjxorfg ridn vnvcp
xoifiriao}vrai.
Aus demselben Grunde müssen wir auch seine Schreibweise zu A 2Si»
erklären. Dort spricht Achilleus:
;ff(>ai fny ov roi iyci ye jnaxtiao/iai eirexa xovffTjg
ovre aol oikf tip älk(p, inei ^^dipfXw&i ye ^ovreg',
die Worte infi u' dfpfXfaS^f yeSortfg waren ihm, wie es scheint, «ir-
stössig, wenn er sie mit den Versen verglich / 366 ff.
of|o/ia/, ofW I7,ax(fv yc yf(}ag (fi jnoi, og 7i«p idcoxer^
avrtg i(fvß()i^ü}y l7.fTo XQnmv Uyajj-ijuvwr
und darnach musste constatirt werden, was auch die Alten getsr
„Tce itihv ydp dkXa xaid xXf](füy tlaßsy rriy St Bffiarji^a iSaiQeror nci
\4yafiubarorog^ Aristonicus. Darüber war sich auch Zenodot vollstaadir
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703
klar und nun konnte der Halbvers gegenüber der klaren Wahrheit nicht
bestehen und musste einer ganz unerhört schlechten Correctur weichen:
ind ^' i&eleig diptkeaS-ai,
Aber so darf man einen Dichter, venu er seinem Helden die Sprache
der Leidenschaft in den Mund legt, nicht meistern und richtig ist bei
Aristonicus dagegen bemerkt . . . oijyfj J* xotvonoiel elg anavTag^ ^wg fi>
tÖv aiTfoy Tfjg a(f^ai()€afü)g dyvoiJiv.
Darum kann man auch Düntzer beistimmen, wenn er die Lesart
des Zenodot erklärt iV 546
ovTa& BTiatiag, 8iä Jf ipXhßa nänay kx€(faey
für «710 (fi (pXfßa „cum vena non a b scinderetur , sed dissecaretur"
D. p. 137. (Vgl. M79 -2" 210?)
Daraus erklärt sich sehr natürlich und wird begreiflich, dass Zeno-
dot aus demselben Grunde auch dem Principe huldigte, der Dichter
müsse „Alles" sagen, eine Annahme des xarä rb a Koncifieroy
sei unzulässig und abzuweisen. Wenn diesem gefährlichen Inter-
pretationsgrimdsatze eine Ausdehnung gegeben wurde, dass man sich
leichten Herzens über die schwierigsten Probleme damit - hinweghalf,
dann hat Zenodot nur Recht getan, mit demselben nicht zu rechnen,
sondern ihn mit aller Entschiedenheit abzuweisen. Anders stellt sich
dagegen die Sache, wenn derselbe im Interesse der Textkritik ange-
nommen und in bescheidenen Grenzen gehandhabt wird. Desswegen
verdient auch Aristarch durchaus keinen Vorwurf, wenn er diesen Inter-
pretationsgrundsatz zuerst aufstellte und gegen die Willkürlichkeiten des
Zenodot in Athetesen und Lesarten ausspielte. Es berichtet uns darüber
Aristonicus zu 4> 17
avid() 6 Siiyytvrig doQV /tiiy XLnBy avrov in^ ox&a
oTi dnoriS-erai fih tu (Topi; ^rjnSg, dyaXafißdyH Jf ov xard xb ^rjroyj
dkk^ vaxtQoy {67) avrcp (paiyerai x(f^l^^^og , 17 Jf dyacpoffd 7i(}bg Zriyodojov
dyvoovyra, ort nokkd J«t ngoa d ix^f^S^cti xarä rb nirnnW'
jL^evov ivBifyov fxtya.
Das Sündenregister Zenodot's in dieser Richtung ist bereits von
Anderen verfertigt worden, doch müssen wir der Vollständigkeit halber
Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVH. Bd. m. Abtb. 91
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704
hier noch einiges hinKufügen. So führte ihn dieser Grundsatz zur Athe-
tese von FI 432 — 458 . . . ovx alaS^oiueyog, bemerkt Aristonicus, öri
nokXa xaiä avun^^aatta X^yei 6 noiTjTTjg ainmiOfiSvioa ysyoyora xal ov dioy
ini^tiTtiVf TtiUi; fj uix^ur Hm^foo&BV (P 79) btiI tov 'Ülvfinov 7ia^axex(0(frixvia
vup im rijg '*i^f]g inriv.
Zu einer ungeschickten Aenderung und Athetese wurde er gefuhrt
n 666j wo er schrieb :
xal TUT^ ßf^' e^ 'Ifirig nffoaetpr] Zeug oy (puoy vioy
IV ix rrji; "t^r^g npvafpcDyfj xoy iy xw ^eSicp IdnoXXcjya, yeXoloy Jf X()aV'
yd^BiV dno r^jg 7J/^t,* roy Jia. ov ysyorixiy ovy, ort xa xoiavxa xaxa
Tu aiiunujfteyoy irf(jyoifieya (fei na^adixsa&ai^ xad-djiSQ xal iy rolg inayoj
.^tpi j^g ^'H(}ag (432) Aristonicus. Es war nur Consequenz dieser Aender-
ung, wenn Zenodot, wie wir oben gesehen haben, den Vers 677 strich.
Aus diesem Grunde erkläre ich mir auch seine Aenderung von 4> 335
Btatmat i§ alo&ey ^aX^niiy oifaovna &v€XXay,
wo Zenodot schrieb: uaouai ii aXo^ey /«ifTiiyv öffoaoa ^veXXay. Dazu
bemerkt Aristonicus: bx ^i ruvxov (paytQog inxi ^e^eyfifyog ro eiaofiai
yywnoitai. Der Grund scheint mir einzig und allein der gewesen
zu sein, dass Zenodot vom Dichter nun auch forderte, dass dieser Gang
der Hera, der wirklich auffallend genug bei uns fehlt, nun auch von
ihm angegeben und geschildert werden sollte. •
Aus demselben Grunde wurde er zu einer Interpolation geführt,
P456
wg elnwy Ynnoiai fisyog noXv&aQoig iyfjxsy
aVTog OvlvuJi6y(fe .ufr' dS'aydxoioi(?) ßsßrjxei
denn der zweite Vers scheint auf keiner handschriftlichen Autorität zu
beruhen und nur von Zenodot allein aus dem angeführten Grunde hinzu-
gesetzt worden zu sein. In dieser Beziehung sind auch einige andere
Lesarten desselben bemerkenswert, in welchen mir auch dieser Grundsatz,
dass der Dichter Alles sagen müsse, noch erkennbar scheint So ß 55
adm^ iuei ^' riY^QS^^y ofiriyfQhg t' iyiyoyxo
Tolai (P äy ioxa /Lieyog jiiexsiprj XQsiojy IdyafiB^ytJDy.
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705
Auch 7 23 — 31
iJTOi o y (jjg eljfwr xar^ a p ' bX^t o S-vjuor dj^eviov
Toloi (^ av lOT ajji Bvog luereipi] xp«rf(>04; JwiLii^^rjg,
Darum, denke ich, hätte Zenodot, wenn er auch nicht das Zeugniss
der Ausgabe von Massilia und Chios für sich gehabt hätte, schon aus
diesem Grundsatze geschrieben T 76:
Toloi J* dt^ iora u Bvog fiBricprj XQslioy IdyafiBfj^vvoy,
Auch an zwei anderen Stellen muss man, wie ich glaube, mit dieser
Art der Auffassung des Zenodot rechnen. So an einer der Odyssee, wo
schon von den Alten darauf hingewiesen wurde, nämlich i9^ 22 23
dsivog r' alSolog re xat ixTBkeaBur äi&Xovg
nolkovg, rovg <Paii]XBg ineiQTjaavT^ ^Odvafiog.
Wenn Aristarch den zweiten Vers athetirte, so ist das eine Todsünde
gegen Homer. Halten wir aber den Grundsatz des Zenodot fest, so werden
wir keinen Zweifel in das Scholion des Aristonicus setzen: (x&btbi Zrivo-
dortog' ov yap j,nokkoifg^ BrikBOBy iv 4>aiaxicf^ dkV iSiaxBVOB fiovov.
Dass es aber nach Zenodot auch sonst bei Homer ganz genau nach
dem Striche gehen müsse, sieht man klar an einer anderen Stelle, nämlich
^ 225 flf. Die Verse nämlich ^225 — 234, in welchen sich der Zorn und
die Leidenschaft des Achilleus in den stärksten Ausdrücken Luft macht,
wurden von ihm unbarmherzig mit dem Obelus versehen, wie uns Ari-
stonicus berichtet: on Zqvodofrog rovror tot ronov ti&BTtixBV Bwg rov „yai
jud toÖb axfimQov^ (234).
Ich selbst war auch früher mit Düntzer der Ansicht (D. p. 180),
Zenodot sei durch die starken Ausdrücke dazu veranlasst worden. Weit
gefehlt! Es muss nämlich nach ihm genau nach dem Striche gehen.
Wenn daher Athene — so argumentirt Zenodot — zu Achilleus sagt
Vers A 211
«AA' fi TOI BTiBOiv fiiy ovBiSiaoVy (og BOBrai tibq,
60 kann und darf dieser nichts anderes sprechen als
ral jud ioSb ax^7iT()or etc.
91*
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706
Wenn wir nun in der oben angegebenen Weise diese Kritik des
aaifioTBQov im schlimmsten Sinne von Zenodot geübt sehen, so begegnet
anderwärts wieder ein Verfahren, das man füglich gut daran anreihen
und im Zusammenhalt damit betrachten kann. Denn nicht bloss Deut-
lichkeit und Klarheit war es, was Zenodot zu Aenderungen oder Bevor-
zugung dieser oder jener Lesart bestimmte, sondern ihm war es auch
vielfach darum zu thun, Kraft und Nachdruck — das, was die
Alten ifKpayrixojreQoy nannten — in der Sprache des Dichters zu
ihrem Rechte zu verhelfen.
Beginnen wir mit ü i^
Tf^i^oitfyovg (T' int vrjvolv l(^c6y fXirjoey ^Axonov^;.
Dazu berichtet uns Didymus: „tV r/J *A^iaTO(pavovg }cat MaanaAuvrixi]
xai "AoYüXixfi ovTu)g i(ph(jfTo ,yXT e irojtiiyovg ^ im vrjvaly iSiüv^, Ver-
gleichen wir beide Varianten mit einander, so müssen wir dem Urteile des
Didymus unbedingt beipflichten, das er dahin abgiebt: xal ^ariv iuipayrt-
xiüT€(}oy Tov ^THQOjiifyovg^ . Aber dennoch werden wir Bedenken tragen,
die Lesart in den Text aufzunehmen, wenn sie auch durch die zweifel-
hafte Autorität der Maoaakiconxj] und i/(>yoA/x?j empfohlen ist. Denn
wenn nicht Alles trügt, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit erweisen, dass
sie nichts weiter ist, als eine des grösseren Nachdrucks wegen gemachte
Aenderung und dass Zenodot gerade in dieser Richtung dem Aristophanes
vorangegangen ist.
Man betrachte daher einmal unter diesem Gesichtspunkte folgende
Stellen mit den Lesarten des Zenodot. So lautet unser Text / 594
Tfxya (fe r' äXkoi äyovai ßad^v^ioyovg le yvyaXxag.
In dieser Fassung hat den Vers auch Aristoteles gelesen, Rhet. I, 7,
1365* 15, und er ist durch Düntzer gut verteidigt worden mit dem
Hinweise auf /' 301
äloxoi ^ äkloiai da^euy,
Zenodot ist der einzige gewesen, der hier Anstoss genommen und
zwar an älkoi. Das Wort muss ihm zu schwach und matt erschienen sein
und darum ersetzt« er es mit einem significanteren Begriffe und las
lixya fJf dri'Coi äyovai.
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?07
Vom dem mächtigen zu Thal eilenden Bergstrom singt Homer
A 492
Cüc; S* hn(n% Tikrid^iüv iKna/jog hbSLv^Sb xaxHOi
/jtludQffOvg xax* bpeaipir, ona^ousyog Jiog buß^to.
Damit konnte sich Zenodot nicht zufrieden geben, und es unterliegt
kaum einem Zweifel, dass ihm für die hier geschilderte Situation das
xaT€ioi zu schwach erschienen ist. Er forderte einen stärkeren und
kräftigeren Ausdruck und glaubte denselben gefunden zu haben in X 456
und darnach las er auch hier
Tiediovdi dirirai.
So sollte auch die Schilderung noch mehr Farbe und Leben be-
kommen P 595
xal tot' ofpa K(foyi(frj(; sler^ alyi&a &vaöavoBoaar
/xaQfiaQiriv, "I^tjy ^b xara yecpseaai xdXvipey,
doTffdipag (Tf fidka jueyak^ exTvns, r^y ^i rlya^tv.
Das TTjy (Tf riyaity schien ihm nach den vorausgegangenen Worten
einmal unnötig, dann aber auch viel zu schwach zu sein. Mit leichter
Aenderung stellte er daher hier y^v her, das nach jeder Richtung un-
gehörig ist und schon treffend von Aristarch widerlegt wurde.
Anders kann ich mir auch nicht * 2 erklären
Zdyd-ov ^irrjsyTog, ov d&dyarog rexero Zevg.
Das dd^dyarog bei Zeus schien ja selbstverständlich; wenn damit
etwas gesagt werden sollte, musste es auf Xanthos bezogen werden,
darum schrieb er hier ähnlich wie ß 741 d&dyaTov.
So muss ihm wohl auch ^34 von Chryses
ßfi S*dxiu)y naQa. S'lya 7ioXv(pXoioßoio S-aldaar^g
das dx۟)y, welches bei richtiger Interpretation ganz einzig angemessen
erscheint, zu schwach und nichtssagend erschienen sein. Darum änderte
er und las: d/Jioy,
So werden wir uns am Ende auch entscheiden müssen ö 501, wo
Hektor spricht
dXkd n()ly xvecpag ^X9^b^ to rvr iadiooB fjidXiaxa
"AffyBiovg xal y^ag inl ^Tj^filvi S^akdaaijg,
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708
Bezeichnender schien ihm wenigstens das entschuldigende Hemi-
stichion, welches Agamemnon gebraucht AT 45 und darum übertrug er
es auch an imserer Stelle und las
Id^HOVt; xal vfiag, emi Jiog hganno (pgr/y.
Man vgl. noch B 161(?) 667(?), 6 207(?), A^ 702, I 229(?), F331(?).
So wird es nach dieser Darlegung nichts Auffallendes mehr haben,
wenn wir Zenodot kennen lernen als einen abgesagten Feind wirklicher
oder vermeintlicher Tautologieen und wenn wir ihn demgemäsa be-
strebt sehen, mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln der Kritik sie
aus dem Felde zu schlagen. Auch die Alten haben das sehr richtig
erkannt und angemerkt. So E 194
xaXot 7iQ0)X07iayng veoxevxeeSj dfitpi (T* nenkoi
ati Zr[y6dozog fieridrixsy {ri&hTrixkv) a>g ravroXoYovvxog j^nQoyxonayBh;
vsoxsvxBeg^^ ayvowv ati irioxs napakki^Xiog xaaasi xäg lao^vra/tiovaag
le^eig. Ueber die Verse selbst vergleiche man Ludwig I p. 253.
Das scheint mir der Grund gewesen zu sein zu seiner kühnen und
unglücklichen Aenderung H 127
og noxe fi^ el(}6fieyog fiiy iyTj&eey (p iyl oix(p
navxioy j^Qyeicoy ipiior yeyerjy x€ xoxor t«,
wofür er schrieb
og noxB fiBigofiByog jiieydk^ boxbvbv (h ivi oixo).
Dem Zenodot müssen /i' slQo/Lteyog und e{)fwy als tautologische Begriffe
unerträglich gewesen sein und darum seine Lesart finifofisvog^ die in der
von ihm angenommenen Bedeutung bei Homer nirgends eine Stütze hat
In dieser Beziehung ist mir auch immer aufgefallen seine Schreib-
weise / 537
oiji S^ ovx BQQB^B Jiog xovQn fiByaloio
r/ MitBx* t] ovx evorjOBr
y,ixld&^^ ov^ BvoTiaBv^. Er meinte doch wohl, so zwei naheliegende, fast
tautologische Begriffe Iol&bxo und iraijaey könnten unmöglich durch ^ — ^
auseinander gehalten werden und eher sei der positive und der negative
Ausdruck mit derselben Bedeutung zu erwarten. An dieser Art der bei
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709
den griechischen Dichtem so gewöhnlichen Tautologie muss er demnach
keinen Anstoss genommen haben.
0
Ob wohl die mir imbegreifliche Lesart O 587 ^ ßovxoXoy äfiipi ol
avr(p diesem Grundsatze ihr Dasein verdankt, wird sich wohl schwerlich
mit Sicherheit ausmachen lassen.
Unter diesem Gesichtspunkte werden wir es auch natürlich finden,
wenn er den Wechsel im Ausdrucke liebte und bevorzugte und
ihn durch Aenderungen oder Aufnahme passender Lesarten zu erreichen
suchte. Wir geniessen mit voller Freude und Hingabe die schönen
Verse JT 177
T(p ^' ijys X9^ yMi.ov dkeiipafievtj, l^s ;fa/Ta<,-
ne^afieytij ;ff(KTi nXoxajuovg i'nke^e (paeirovg
xaküvg djußifoaiovg ix Xffdarog dS^avdroio,
Nicht so der Grammatikerwitz der Alexandriner Zenodot und Aristo-
phanes, von denen uns Didymus berichtet: ZrivoSorog xal IdifimoipavTig
„xalovg xal jj.eydkovg'^. Was mag diese Variante in's Leben ge-
rufen haben? Darauf haben uns die Alten eine Antwort imd, wie mir
scheint, auch eine richtige gegeben: IVa .aiy Ivnfi ro j^dfiß^oaioy^ avvexk
ov V. Sapienti sat!
Aus keinem anderen Grunde wüsste ich mir die von ihm beliebte
Lesart -2* 155 zu erklären. Dort lesen wir
"ExTiOf) xe [T()idfioio ndig (ployi eixelog dXxi^y.
TQig füiv fiiv fiBTonia&e noddyy Xdße (paidifiog ^Extwg.
Dafür hat nun Zenodot gegeben:
"Exra)() TB ITgiduoio ndig ovt eixekog dkxi^,
og fiir TQtg /XBxonia&B nodäv kdße xal /liy dvrsi.
Ich kann mir nichts Anderes denken, als dass ihm die Wiederholung
von "ExTü)() am Anfange des ersten und am Schlüsse des zweiten Verses,
also in so unmittelbarer Nähe anstössig war.
So wird man auch versucht, die merkwürdige und kaum verständ-
liche Lesart desselben zu £ 53 zu erklären, wo er für
dkk^ ov oi TOTB ys /(Mxliy^' ^'AqrtBfiig loxiaiQa
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710
schrieb: xv^^^^f*^^' ß-aydroio 7i&lü)(}a; denn, wie es scheint, war ihm auch
hier die Wiederholung nach 51 "A^rtfug amri anstössig und er entfernte
sie deBBwegen durch die angeführte Lesart.
Liest man deu Vers J^ 576 in seiner jetzigen Fassung
so würde man, wäre es uns auch nicht ausdrücklich überliefert, schon
unter diesem Gesichtöpunkt begreifen können, dass die Wiederholung des
nu^a in bo unmittelbarer Nähe dem Zenodot Anstoss erregen musste
und er dafür ^ta setzte.
Unter diesen UuiBtanden möchte ich auch für die Ursprünglichkeit
der LeBart des Aristarch // 12 eintreten
welcher ittlfJf Si- yvia gegenüber steht. Ich glaube nämlich, dass hier
nicht der Wechsel des Subjectes Anstoss erregte, sondern die Wieder-
holung derselben Worte Vers 16 Hyxo dt yvla. Dort aber liess sich
kva€ dh yvla nicht anbringen, weil unmittelbar vorausgeht 6 d^ i§ Xnnwy
Wenn nun auch in solchen Fällen Zenodot im Ausdrucke den Wechsel
liebt, so ist er doch weit entfernt, ihn überall mit Gewalt herstellen zu
wollen. Aber nach einer Richtung ist er ganz unerbittlich. Mit
unnachsichtiger Strenge huldigt er dem Principe der unbedingten
Gleichmässigkeit des epischen Stiles einerseits, andererseits
aber auch der Uebereinstimmung des Dichters mit sich selber,
und ich stehe nicht an, zu behaupten, dass die allermeisten seiner Aender-
ungen ihm von diesem Gesichtspunkte dictirt wurden.
So will er doch wohl zunächst den Dichter mit sich selbst in Ueber-
einstimmung bringen £ 809, wenn er liest von Tydeus
xovpQVi^ k'adfitiüjy npoxaki^BTO^ navra dHvixa
^riidiaig' roif} ot lyrnv innd^ffoS-og rja.
Äristonicus bemerkt unter anderem über den zweiten Vers : uetrixO^ri
ttd Stovraig ix ruv Uyautfiyorog loyov {J 390). Gewiss, aber für Zenodot
war bestimmend, dass uns über dieselbe Sache von demselben Dichter
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711
auch in gleicher Weise sollte berichtet werden. Aber das sieht doch
jeder, dass der Vers an dieser Stelle sowohl nach Gedanken, wie nach
Ausdruck unmöglich ist. In letzterer Beziehung ist ganz ausgezeichnet
im Scholion A bemerkt . . . xal ovx oloy rs BTJuptQsiv y^aol J* fixot uiy
iyco naga d^ Xarafiai ^^e (pvXaaau)'^. Dass der Vers aber ein willkür-
licher, durch keine handschriftliche Autorität geschützter Zusatz des
Zenodot ist, scheint sicher geschlossen werden zu müssen aus der Nach-
richt im Venetus A: rovxoi^ xbv orixov (808) ov^ evQ^o&ai xa&okov tpaalv
iy ralg Agiard^x^^' Denn wäre er durch irgend eine gute oder auch
mittelmässige Handschrift verbürgt gewesen, dann hätte ihn Aristarch
sicherlich nicht weggelassen, sondern nur mit dem Obelus versehen.
Ganz besonders lehrreich scheint mir in dieser Beziehung -S 155 ff,
"ExTü}() TS flffiafioio naii;, (pkoyl tixekog dhcrji/.
TQig fjLbv juiy jueroTiiO&s nodöiy Xdße (paidifxog "^'ExriDQ
ihcBfieyai fie/Ltauft:, itisya J« Tpioeaaiy ofioxka.
Mit dieser Fassung gab sich aber Zenodot durchaus nicht zufrieden
und schrieb:
"Extwf) XB riQidfioio indigy avi eixekog dXxi^y,
og fAiy x^lg fiexonia&s noddiy laße xal fiiy dvxeij
iXxijueyai /usfiaiog, xeipak^y (fi i &Vfibg dvuvyBi
nrjiai dyd axoXoneaai lafioyS^ dnakfjg dno ^siQTjg.
Meiner Ansicht nach war es kein anderer Grund, warum Zenodot
der Stelle diese Fassung gab, als weil er nun einmal der fixen Idee
huldigte, der Dichter müsse nun ein für allemal über dieselbe Sache in
derselben Weise sich aussprechen. Einen Anhalt dafür fand er in P 126,
wo es von Hektor heisst:
"E}n:a)() /xty FldxifoxXoy^ inet xlvxd x^v^^ dnrjVQa,
€lx\ ^'^' dji^ djjiioiiy xeipakrjy xdjuoi o^ii ;faix(f.
Das war der Grundgedanke, der ihn zu dieser Fassung veranlasste,
der Ausdruck desselben im Einzelnen stammt allerdings aus der von ihm
an diese Stelle versetzte Rede der Iris. Es sind wahrhaft goldene Worte,
die Aristarch gegen ihn angeführt: ov ydg vnb xovxoy xby xai^by b
"^ExxwQ ilxvaai xby UdxQoxXoy ißovksxo, iya alxiarjxai^ dki! sfinQoa&ey
Abb. d. 1. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVII. Bd. HI. Abth. 92
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712
{P 125). tWi (fi ll.avxog {P 140 ff.) ioi^eidtöB Tip jiffükekoinon ro adjfia rov
JSa^JiJjdovog rolg j4x<xiolg, tot« ibcvaai q>iX(yTi^iBlxai rov ITar^oxkoy elg dyn-
scarakla^n^ rov JSaffnTjifoyog, ovx slg alxiav. atav jidv ovv vötbqov 17 ^Igig
ktni] Tip *A/j^^^h ^^' ßovksTai 6 "^'Extio^ top FTaT^foxloy alxioaa&ai, vorjTwy
jtiTj TaJLTjS^i^g (javTTivy vnoipaiveir, akla naQOQixfjöai avTov elg t^v xaxa tiov
ßa^ßoti^toy vifyriv.
Darum drängt sich auch der Gedanke auf, dass nicht bloss wegen
dea iiiipavTrAiOTeQov 0 501 in dieser Fassung von ihm gegeben wurde.
Aganieiimon spricht nämlich K 42
X^Hü ßovXfjg ifii xal ob, (fiOTQBcpBg (o MBVBkaB^
x^QdaXBTig^ ij Tig xbv iffVOöBTai iJJ« aaioOBi
^AgyBiovg xal r^ag^ btibI /iiog iT()a7iBT0 (p()r]y.
Da nun auch Hektor in ähnlicher Wendung von einer Rettung
spricht W 501
To rvy iadioOB judkiOTa,
so ist es nicht undenkbar, dass er dieselbe Sache auch hier in denselben
Ausdruck kleiden wollte und darum auch schrieb:
jtiyyBiüvg xal yfjag, inBl Jiog hganeTO (p(fT^y.
Knüpfen wir daran nun auch einige Beobachtungen und Bemerk-
ungen über die von ihm verfolgte Gleichartigkeit des epischen Stiles.
Als schlagendes Beispiel präsentirt sich uns da / 660, wo unsere
Fassung lautet:
al J BTiinBi&ofiByai OTOQBOay kB^og^ wg ixBkBVOBy.
So spricht der Dichter aber sonst nie von den das Lager bereitenden
Mägden, sondern immer OToQBoay kixog iyxoyBovoai S2 648, tj 340, tp 291
und darum schrieb Zenodot auch hier:
al J' BTimBi&ü^Byai OTOQBOay kB/og iyxoyBOvaai.
Vielleicht war das auch der Grund zu seiner schon von den Alten
gerügten Aenderung /? 81
Sgxqv dyanffrjaag • olxrog (^' BkB kaoy anayTa^
wofür er schrieb: dax{)va &B()fid yjvoy^ was das gewöhnlichere ist
H 426, n% 211 235, (T 523, w 46. Aber wohl auch / 433 geändert?
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713
Möglicherweise wollte er aber auch die Trauer des in seinen Hoff-
nungen so bitter getäuschten Telemachus mit einem stärkeren Ausdruck
bezeichnet wissen.
Der Act der Betenden wird bei Homer geschildert mit dem regel-
mässig wiederkehrenden ;ff£pof<; dvaaxii^y A 450, / 275, ß 174, -2^75,
T254, V 355, p 239, v 97 (in anderer Versstelle ;ffV ui^iymv Ü 371,
« 527, e 366). Darum ist es mir schwer glaublich, dasa Zenodot das
vereinzelte dyanrdg -^351 sollte geschrieben haben und bekommt von
dieser Seite die Vermutung Ludwich's, dass er auch hier äfao/my ge-
geben, die schönste Bestätigung.
So möchte ich auch vermuten, dass ö 435
urjxhi vvv (frjiP av&i Xeycjfii&a
das avS-i ihm anstössig war und er darum die Worte in der Ftissung
schrieb, wie sie sonst gewöhnlich ist jyjurjxhi rvy ^^ ravja kfyajjuei^a^.
Wenn die Lesart des Zenodot zu 7' 100 nicht die ursprüngliche
war, woran man allerdings sehr wohl denken kann:
nyex^ ifi^g e(}i^og xat UksSdy<f(}ov IVfx' dxTjg.
so wurde gewiss das dgxfig von ihm vertrieben in Rücksicht auf den
Wortlaut von Z 356, il 28.
So möchte ich mir auch die Variante zu ,a 422 erklären, wo Ari-
starch mit den meisten Ausgaben las:
sx (ii OL ioToy ä(fai€ ninl rgoniy
und Zenodot sa^s (iriSe?) schrieb gewiss im Hinblick auf f 316, wie
Düntzer p. 128 richtig gesehen:
fieaoy di oi loxoy sa^c.
Vielleicht war das auch der Grund zu seinen Lesarten 77807, ¥^527,
7' 28, iV 610, rSlO. Ueberrascht ist man, das Gegenteil beobachten zu
können, wie F 273, B 484, E 53(?), Z 112 und an einigen anderen Versen.
Die interessanteste Stelle aber, wo er zu unserer grössten Ueberraschung
von diesem sonst so strenge eingehaltenen Principe abweicht, ist unstreitig
/' 334 335, wobei Aristonicus gegen Zenodot ausdrücklich darauf hin-
weist: üarc iyayriiog t(3 ^Ofiri^isctp bnXiOfiip {A 30 32, O 480) %*iJ^ n^o t'^s
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714
aonidog yap (partjaerai avaXafißaviay Tr[y n€(}ixe(pakaiav xat ^tpog firi f/aiy.
Die Verse nämlich, die uns die Rüstung des Paris schildern, hat derselbe
folgendermaassen gestaltet: Nachdem er 334 335
dfi(pl S* ä(/ diiuotaiv ßdXero Si(pog d^fyvQorjkov
xdlxeov, amaQ STisna adxog fxiya n arißa^ov rs
athetirt, Hess er die Worte folgen:
x(}aTl ^ M l(p&i/ii(p xwerfv evxvxrov kßijxey (336)
Yn7iov()iv' Stivov St Xocpog xa&vnB^&tv Bvai^y.
BÜkfTO J' äkxiuoy Byy^ogy o oi nald/UTjipiy dgri^H *
dfi(pl 3^ ap' uifiOiOiy ßdUr* donida d-vaaayosaoay.
Das ist nun ein überkühnes und verwegenes Umspringen mit dem
Texte und um so bemerkenswerter, als es, wie gesagt, von dem sonst von
ihm eingehaltenen Verfahren so auffallend abweicht. Zenodot muss daher
einen guten Grund gehabt haben, wenn er glaubte, den homerischen Versen
diese Fassung geben zu müssen. Ich kann Düntzer nicht beistimmen,
wenn er p. 184 bemerkt: „Qumn Zenodotus 7' 18 Alexandri gladium
tollendum putaret, hunc, altero etiam loco, ut sibi constaret, removendum
putavit, unde T 334 335 proscripsit". Das ist unmöglich; denn hier
handelt es sich ja um eine vollständige Neubewaffnung und da konnte
und musste ja notwendig von der früheren abgesehen werden. Hält
man sich aber gegenwärtig, wie „scharf verstandesmässig** Zenodot auch
sonst geurteilt hat, dann ist ein Anstoss schon zu finden. Und den
hat auch Zenodot gefunden, nämlich in der nun im Folgenden sich ab-
spielenden Kampfscene. Ist es denn nicht höchst merkwürdig und auf-
fallend, dass wir 360 lesen:
14t {fstdrig Si i^voodusyog §i(pog d(}yv^6rjkoy
nXfi^ey dyaoxofieyog xo^v&og (pdXoy ' d/LKpl ^ ap* avTjj
r^iX&d TB xat rsTQax&'d diar^V(ph exTieoe x^^9^
und kein Wort, keine Silbe hören, dass sich nun auch Paris mit einem
Schwerte verteidigt. Ist es nicht noch weit auffallender, dass, wenn
wir von Menelaus hören
?/ xal inat^ag xoQvS-og Xdßey innoSaoBirjg^
elxe S*iniar{}i\pag jubt^ ivxyij/uiSag ^Axctiovg
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715
in einer solchen Situation Paris nicht zu seinem Schwerte greift? Das
und nichts Anderes hat sich also Zenodot „scharf verstandesmässig" vor-
gehalten und da stand es für ihn fest: Paris hat kein Schwert gehabt
Darum also diese kühne und vermessene Aenderung, wodurch er sich
von seinem sonst energisch festgehaltenen Principe lossagte.
Diese Beobachtung von der durch Zenodot verfolgten Gleichmässig-
keit des Stiles ist vielleicht auch insofern von Wichtigkeit, als man von
derselben ausgehend nicht bloss 7' 364, 0 192 ov(favdy bvqvv als seine
Lesart annehmen darf, sondern auch an anderen Stellen wird er diesem
Grundsatze zu liebe bvqvv statt alnvy geschrieben haben.
Noch ein paar Worte möchte ich an dieses Kapitel anreihen, um
eine andere Art des Zenodot, die vielleicht damit im Zusammenhang
steht, zu beleuchten. Leider sind die Varianten nicht zahlreich genug,
um mit Sicherheit urteilen zu können. So wird uns zu dem Verse c^ 370
17 di fiBv Hyx^ arSaa snog; tparo (pwvriaar tb
als Lesart Zenodot's mitgeteilt fi di /j.01 ävxofiivrj. Das könnte ja mög-
licherweise eine alte Variante sein; allein man merkt doch die Absicht,
nämlich dasselbe oder doch ein ganz ähnliches Wort sollte das vorauf-
gehende :
ri a' oX(p B^^ovxi avrrjrrsro yoofpir irai(fa)y
wieder aufnehmen und aus diesem Grunde könnte es eben gerade so
gut eine von diesem Gesichtspunkt aus dictirte Aenderung sein. Be-
gegnen doch ähnliche, gegen die schon Aristarch sich gesträubt hat,
auch sonst So hören wir zu / 16
die Variante Sg o ye ^axQvxB(oy ; ich glaube dieselbe verdankt ihr Dasein
demselben Grundsatze, der daran festhielt, dass der Vers 14
tararo äaxQvx^(Jtyy äg xb xQrfvri fieXdvv^Qog
nur in der angegebenen Weise aufgenommen werden könne. Also unter
den xireg, von welchen uns Aristonicus berichtet, könnte auch Zenodot
gewesen sein, wenn er nicht die Verse gänzlich entfernt hätte. So ist
mir auch aufgefallen i? 13
i] ol nvQ avixaiB xal Biaco doQnov ixoOfiBi,
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716
Wir hören darüber: dS^enl Zrjvo^orog' rj^rj yag dne „^au (Jf oi
TitJp" (7). Das mag seine Richtigkeit haben; denn auf Tautologieen ist
Zenodot eben nicht besonders gut zu sprechen. Aber vielleicht war er
auch der Meinung, das obige (fau di oi tivq müsse in derselben Weise
wieder aufgenommen werden und da er, wie es scheint, das nicht durch
eine Aenderung bewerkstelligen konnte, griff er zur Athetese.
So bekommt vielleicht Licht eine der allerkühnsten Lesarten Zeno-
dot's, die mir aufgestossen ist. Es wird uns nämlich zu dem Verse
Z 349
nvxvov xai jLialaxov, og dno ;fi9^oroff vipocf ssQye
die Lesart Zenodof s überliefert
nvxvor xai /uakaxoy^ IV aTio x^oi^^g dyxa^fnS'i]r.
Ich möchte vermuten und glauben, dass Zenodot zu dieser Lesart
geführt wurde durch denselben Grundsatz gleichmässiger Entsprechung,
dass er aber hier nur umgekehrt verfahren ist und aus dem Verse 353
V7iy(p xai (piküTTjTi Safieig, e/6 (^ dyxäg äxoitiv
die betreffenden Worte glaubte heraufnehmen zu müssen. Vgl. noch
/Vf 295.
Eines der allertraurigsten Kapitel in der Kritik Zenodot's ist seine
höchst unglückselige Einbildung der dn^Bni]. Eine ausführliche Behand-
lung derselben müssen wir uns für die Beurteilung seiner Athetesen auf-
sparen; denn leider hat er dieser eingebildeten und nur zu zäh fest-
gehaltenen Schrulle zu liebe viel mehr zu Athetesen, wie zu Aenderungen
gegriffen. Doch sind die letzteren auch nicht gerade selten und wir
wollen dieselben hier zusammenstellen, ohne sie jedoch weiter, wie sie es
wohl verdienten, zu beleuchten. Beginnen wir demnach mit denjenigen
Stellen, in welchen Zenodot die eigentümliche Darstellung griechischer
oder trojanischer Helden glaubte von diesem Gesichtspunkte aus
bekämpfen zu müssen. So kann ich mir seine Lesart 77 7 1 0
üg (pdro, rfaTQox'Kog drsxd^sro nokkor öniaacjy
wo er Tiokkov in rvz&ov umänderte, aus keinem anderen Gesichtspunkte
erklären, wie aus diesem. So beschränkt und einfältig ist doch Aristarch
nicht, wenn er auch in dieser Beziehung kaum von Missgriffen frei-
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717
gesprochen werden kann, sondern richtig bemerkt er bei Aristonicus:
o J* avrog arixog xai inl tov Jiofiri^ovg xeixai (fi 443). xai evkoyoßg iscel
fihv y(fa(psTai rvr&or' oviunaQeari yap 17 ^Ad-rjyä nQoiQBnofiivri S-bo-
fiax^^y h^S-adB Sb 71 oXXoy, 7i(fO£yTsralTai yap o 'AxiXXsvg ^juaka xdv ye
(pikil ixasifYog "Anolliov^ .
Sonnenklar ist wohl auch, dass er aus diesem Grunde A 123 138
geschrieben hat
vliag AvTiuajroio xaxocpQoyog, og ^a juakiara
el fibv Sri Arxifidxoio xax6(p()orog vihg iaror.
Auch die Lesart, die uns O 342 von Paris einer Tat überliefert wird
(fBvyovT* iv nv fiar oia i , dia 7i(}o äi x^^^ hlaaaev,
die an Stelle des homerischen iv jiQOjudxoiai getreten ist, könnte man
wohl dem Zenodot zutrauen. Abwarten muss ich freilich, bis man dem
Manne, der diese Dummheit mit den Worten empfiehlt : xal olxelov rotro
Uaifidi „eine Bildsäule, und zwar eine eherne errichtet **.
Wenn nicht Alles trügt, muss aus diesem Principe auch die Lesart
desselben zu 77 202 erklärt werden. Dort spricht Achilleus zu seinen
Myrmidonen :
nayd^ vnb iativiS^iaov, xai fi^ fixidaad-B exaaxog.
Aristonicus schreibt nun über Zenodot: Zri^odmog tv noiwv y^dcpei
XO^ifig TOi) i „/Lirixidaa&€*^, kafißdvioy dno xrjg fiTfridog^ oloy ißcrukevead-B.
yiysxai J« ddiayorifrov. Gut hat dazu schon Spitzner bemerkt: „Vere-
cundiae militaris esse putavit firixidaa&ey sed Homeri milites libera vocis
contumacia utuntur".
Blasphemien gegen die Götter muss er gefunden haben in Aus-
drücken, wie y 228
ovx ar BfxoL ye
ik7io/Liey(p xd yiyoix^ ov^^ bI S-boI äg kS-ikoiBV
und von diesem Gesichtspunkte aus finden wir seine Lesart „el firi S-boI
mg B&ikoiBy^ sehr wohl begreiflich.
Auch die Umänderung, die er an dem Verse ^290
fi v&iov fi ^BcpvQoio dvoaiog^ 0% xb /aakiaxa
vfja ^taQaiovai d-B<5v dBxrjxi dydxxcjy,
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718
wo er yi<piXo}v äfscrin cVa/pcüj/" glaubte herstellen zu müssen, mag einmal
unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.
Auch seine Lesart Z Hb
&Biv6fiBvai ßovnX^yi ' Jidwaog (Jf /oAcod^«/^
für „(poßrj&eig*^ scheint ihm von diesem Gesichtspunkt dictirt worden
zu sein.
Erklären können wir diese Art der Auffassung viel eher, als ent-
schuldigen. War ja von den Zeiten Plato's an gerade gegen diese beim
Dichter hervortretenden angeblichen Ungehörigkeiten ein heftiger Feld-
zug eröffnet worden, und das Neue bei Zenodot ist nur das, dass er
ebenfalls im Banne dieser verfehlten Vorstellungen nun mit den Mitteln
der Conjecturalkritik und der Athetese sie womöglich aus dem Dichter zu
entfernen sucht. Aber auch nach einer anderen Richtung scheint er mir
zum Schaden der homerischen Gedichte einen durchaus nicht löblichen
Tribut demselben Zeitgeiste entrichtet zu haben. Wenn wir nämlich aus
dem später von Eratosthenes geführten Streite, wie er heute in den ersten
Büchern von Strabo vorliegt, uns einen Rückschluss auf eine frühere
Zeit erlauben dürfen, so ist dieser Kampf nicht entbrannt von heute
und gestern, sondern diese Fragen von der noXvjua&ia Homer's müssen
schon vorher aufgetaucht und vielfach ventilirt worden sein und gerade
leider in dem Sinn, dass man dem Dichter es nicht verzeihen konnte,
wenn eine bei Späteren begegnende mythologische Version bei ihm nicht
zu Tage trat. Und es schienen dann alle Mittel der Interpretation wie
der Kritik erlaubt, dieselbe nun dem Dichter aufzuoktroiren. So hat
sich denn auch Zenodot nicht auf die Höhe des Standpunktes von Era-
tosthenes aufgeschwungen, vielmehr treten uns Lesarten desselben ent-
gegen, aus denen man mit gutem Grunde eher auf die entgegengesetzte
Auffassung schliessen darf. Leider sind dieselben so vereinzelt, dass man
nur mit der grössten Vorsicht urteilen darf. Wir lesen heute bei Homer
ohne allen Anstand 77 233
Zbv äva Jiadvjvau^ Uelaayixe, rtjXo&i raicjy.
Es ist doch ganz gewiss nichts Anderes, als die fixe Idee, Homer
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719
müsse auch schon Kenntniss haben von der Vorstellung und Version der
späteren Mythologie, wenn Zenodot schrieb
Ztv äva, 4>r]yu)yaU
inu iy Jo)ddyfi TXQdxov (prjyog sjuayremro.
Derselben Vorstellung der Späteren huldigt er auch bei Gestaltung
von * 194 ff.
195 ov^f ßa&v^ifBi'tao uiya aS-eyog 'Sixeayolo^
«1 ov 7ie{) nayreg nma/Aol xal näaa &alaaoa,
worüber uns Aristonicus berichtet: ori ZriyoSorog avröy (195) ovx iyifacpe'
yiyerai dt 6 ^Ax^^fpog nrjyrj ruiy äkXwy nayrwy. eari de xaS-^ "^Üfirigoy
o ''Slxtayog 6 imdidovg näai ra ^BVfxara' Sio xal xarä ri/LH^y (prjaiy y^oiixt
Tig ovy noxafxäy dniriy^ yoaif? 'Slxsayoio** (Y 7).
So hat er auch die spätere Vorstellung in den Dichter hinein-
getragen, wenn er ^259
el fiTj JVvS dfArireiifa &sü}y iadioae xal äyd(}(Sy
änderte in iVi)| futirBt^a, wie sie erst bei Hesiod begegnet (vgl. W. Ribbeck
Philol. VIII, p. 685).
Anders wird man sich auch kaum erklären können ;' 307, wo es
von Orestes heisst
T(p öi oi oydodrtp xaxoy rjlvS-e diog ^Ogearrig
aifj dn^ ^A9"riyd(xxy ,
Denn wenn er „ai// dno <Pa}xriü}y^ schrieb, so wollte er doch ganz
sicher der später allgemein acceptirten Vorstellung auch bei Homer zu
ihrem Rechte verhelfen.
Vielleicht haben wir mit dieser Annahme zu rechnen auch A 400,
wo Zenodot schrieb:
"Hqt] t' i^di ffoasiddtoy xal 4^oißog "AnokXiDy.
Dass es eine Aenderung des Zenodot ist, wurde schon früher be-
merkt. Der Grund zu derselben ist an der Hand der Schollen ebenfalls
leicht zu finden. Wenn wir nämlich * 444 bei Aristonicus lesen : ori
"^ÜfirjQog ov 7iaQadido)aiy alxiay, dC r^y i&rjfxevoay ovxoi oi &tol ylaojiidoyxi,
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVIL Bd. m. Abth. 93
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720
so muss diese Mitt^ung eine polemische Spitze haben, die wir wohl mit V
zu 0 444: ri&iXriaav yap awStjoai rbv Jia j^IIoasiäatay xal ^Polßog irfjioi-
kojv^ mit der ersten Stelle in Verbindung bringen dürfen. Zenodot
wollte also die S^rjreia der beiden Götter damit motiviren und wurde
dazu vielleicht durch eine Vorstellung der Späteren verleitet.
Vielleicht war es ein anderer Grund, der ihn bestimmte Z114
Tvdiog^ ov Oi^ßfjai x^^V ^«^« yala xdlvifjev
zu athetiren; doch will ich wenigstens nicht verfehlen, darauf hinzu-
weisen, dass bei den Späteren eine andere Version der Sage im Gange
war, von der uns V berichtet: an ov xarä rovg TQayixovg ky 'EXevalri
fieTTjvixS'tioay ol ne^t Kanavia.
Sicherlich aber sind die Varianten d 366 Ev(}vy6firj, wie ff 17b
KlBodii^ri unter diesem Gesichtspunkte zu beurteilen. Das wie war,
wie es scheint, schon für die Alten ein Rätsel (J 366) und wir sind
auch nicht in der Lage, zu der Lösung desselben etwas beitragen zu
können. (W. Ribbek, Philol. IX, p. 73 Anm.)
Es würde nun noch erübrigen, eine Reihe von Lesarten Zenodot's
hier zusammenzustellen, wo nachweislich nur ein Anstoss ihn zu Aender-
ungen veranlasste, wie P 153, il 725, C 137, / 641, J 339 und andere.
Doch finden diese besser Platz am Schlüsse des Ganzen. Viel wichtiger
wäre hier das Kapitel der Athetesen; denn dasselbe muss gewissermaassen
die Probe bilden von den im Vorausgehenden aufgestellten Gesichts-
punkten. Ist es ja doch ganz selbstverständlich,- dass dieselben Principien,
welche Zenodot manchmal zu unglücklichen Aenderungen führten, ihn
auch zur Annahme von Athetesen oder Tilgung von Versen veranlagten.
Leider muss ich wenigstens jetzt auf diese Darstellung verzichten, so
glänzend ich auch meine Aufstellungen bestätigt gefunden habe. Denn
zuerst muss man der Lösung einiger Vorfragen näher treten, die man
entweder bis jetzt nur ganz kurz berührt oder überhaupt gar nicht auf-
geworfen hat. Und doch hängt von denselben so unendlich viel ab für
die richtige Darstellung dieser Seite der philologischen Thätigkeit Zeno-
dot's. Ist es ja doch gar nicht ausgemacht, ob wir den uns von Didy-
mus überlieferten Athetesen desselben so unbedingt Glauben schenken
dürfen! Denn es tritt uns hier in unseren Quellen ein Problem ent-
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721
gegen, das mir eines der schwierigsten zu sein scheint, die in diesen
Scholien begegnen. Nur um schar&innige Köpfe zum weiteren Nach-
denken zu veranlassen, soll es hier am Schlüsse noch zur Mitteilung
kommen.
Während wir nämlich in den ersten Büchern fast
durchaus, etwa nur mit Ausnahme von TIS, bei Aristoni-
cus von Athetesen Zenodot's hören, die mit ganz ge-
ringen Ausnahmen totale Miss- und Fehlgriffe sind -und
darum mit aller Entschiedenheit von Aristarch bekämpft
werden, tritt uns plötzlich zu unserer grössten Ueber-
raschung mit H 195 — 199 eine höchst befremdliche Er-
scheinung entgegen: da hören wir auf einmal und von hier
auch fast ganz regelmässig durch die Ilias hindurch von
Athetesen und Tilgungen des Zenodot und Aristophanes,
welche die Billigung und den vollen Beifall Aristarch's
gefunden. Die Quelle, der wir diese überraschende Mitteilung ver-
danken, ist Didymus und nur er allein verbürgt uns hier die durch-
schlagenden kritischen Leistungen der beiden Vorgänger Aristarch's.
Wenn es mir auch hier hauptsächlich nur um die Constatirung der Tat-
sache zu thun ist, so kann ich mich doch nicht enthalten, sie mit einigen
Bemerkungen zu begleiten. Mir scheint es nämlich absolut ungereimt
und ganz unbegreiflich, dass nun plötzlich mit dem siebentenBuche
der Ilias die Erleuchtung über den Zenodot gekommen sei, die es ihm
möglich machte, hier seinen beiden Nachfolgern die Fahne voraus zu
tragen. Bekanntlich geschahen ja im Altertume viele Zeichen und
Wunder und ich habe auch nichts dagegen, wenn man zu solchen auch
hier seine Zuflucht nehmen will. Versuchen wir rationell uns diesen
Tatbestand zu erklären, so wird es doch wohl das Nächstliegende sein,
eine Nachlässigkeit unserer Epitomatoren anzunehmen, die es versäumten,
auch in den ersten 6 Büchern der Ilias die Athetesen Aristarch's mit
dem hochwichtigen Begleitschein: iq&hTjvro xai na^a 'AQiarocpayei xai
Zrivodoxipj 6 ^€ Zrivodoxog ovdb syQacpcv avror, 6 Jf Zrjyo^orog rovg n^fio-
Tovg TQelg avSe sy^acpsv. Ja es kann sogar da manchmal der sündhafte
und verpönte Gedanke aufsteigen, das bei Aristonicus so oft begegnende
ad-tielrai, a&BTovvrai sei von dem ganzen Triumvirat zu verstehen. Es
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722
ist auch oben ein Ausweg versucht worden, der uns dahin führen könnte,
das wichtigere Zeugniss der handschriftlichen Beglaubigung gerade bei
den beiden Vorgängern Aristarch's zu suchen. Aber das hilft uns Alles
Nichts, gar Nichts. Die Tatsache ist nicht aus der Welt zu schaflfen:
den ausgezeichnetsten nach dem Zeugniss des Didymus von Zenodot vor-
genommenen Athetesen steht eine ganz lange Reihe solcher gegenüber,
verbürgt von Aristonicus, die damit absolut nicht stimmen wollen, die
uns den klaren Beweis liefern, dass hier Zenodot weder philologisches
Wissen oder Können, noch Respect vor der Ueberlieferung gezeigt hat
Bleibt hier auch der Ausweg übrig, dass Zenodot etwa mit dem
siebenten Buche der Ilias bessere handschriftliche Quellen hatte, so lässt
sich doch vielleicht mehr erhoffen von einer kritischen Zerlegung der
uns überlieferten Scholien AT 39 7 — 399, A" 240 und anderer, die uns den
Beweis erbringen muss, wo bei abweichender Ueberlieferng die Wahrheit
zu suchen ist. Wenn auch eine solche Untersuchung mit den grössten
Schwierigkeiten verbunden ist und in der Regel nur mit Illusionen endete
so muss sie doch im Interesse Aristarch's versucht werden; denn der-
jenige Mann, der den in dieser Untersuchung entwickelten Missgriffen
und Verkehrtheiten seines Vorgängers mit solchem Glück und solcher
Energie im Interesse des homerischen Textes entgegen trat, hat immer
Anspruch auf unsere Anerkennung, mag man sich auch in der neueren
Zeit noch so sehr von seiner Textesgestaltung entfernen und die leichte
Waare unbedeutender Quisquilien als den Ausfluss der höchsten Weisheit
in der übertriebensten Weise anpreisen. Die Gerechtigkeit erfordert den
leichtfertigen Urteilen der Gegenwart gegenüber, die nur immer eine
Seite des grossen Philologen im Auge behält und sie ausschUesslich vom
modernen Standpunkte aus beurteilt und bekritelt, eine strenge historische
Würdigung desselben seinen Vorgängern gegenüber und wenn sich die-
selbe dazu noch vergegenwärtigt, was Aristarch für die Erklärung
des Dichters geleistet, dann dürfte eine ganz andere Beurteilung und
Abschätzung derselben angezeigt erscheinen.
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Philologische Bemerkungen zu Aventins Annalen
und
Aventins Lobgedicht auf Albrecht IV.
von 1507
zum ersten Male herausgegeben.
Von
Wilhelm Meyer
aus Speyer.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. m
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I
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Philologische Bemerkungen zn Aventins Annalea
Die neue Bearbeitung des 1. Theiles unseres Catalogs der lateiniBchen
Handschriften führte mich auch zu den beiden Handschriften Nr. 219
und 220. Dieselben sind in dem gedruckten Cataloge von 1868 so
beschrieben: 219 et 220 in 2^. saec. XVI. 587 et 362 foL Joannis
Aventini Annaliura Boiorum libri VU. Auch in den handschriftlichen
Catalogen der Bibliothek sind sie unter Aventin vorgemerkt. Um micli
über den Werth der Handschrift rasch zu unterrichten, wollte ich in der
neuen, von Riezler besorgten, Ausgabe nachsehen, welche den 2. und
3. Band von Aventins Werken ausmacht. Doch ich sah nur, dass die
Handschrift nicht zur Kenntniss des Herausgebers gekommen war.
Das ist auch kaum ein Verlust für diese Ausgabe der Annalen gewesen.
Denn eine Prüfung zeigte, dass diese beiden Bände Anfangs aus dem Auto-
graph Aventins (A), weiterhin aus der Stuttgarter Copie (B) abgeschrieben
sind, also zu einer Zeit, wo A und B noch beisammen waren, d. h, wohl
noch zu Aventins Lebzeiten. Mindestens 6 verschiedene Hände haben
daran geschrieben, oflfenbar in ziemlicher Eile. Denn die Nachträge,
welche in der Handschrift A am Rande und auch in B stehen, haben
einige der Schreiber ganz, die andern zum Theil weggelassen; und im
Texte selbst haben sie hie und da gekürzt* Kluge Leute sind diese
Abschreiber gewesen; das verräth die Art dieser Kürzungen und Einzel-
heiten, wie die folgende. Am Schlüsse des 4. Buches werden geistlichen
Fürsten Vorwürfe gemacht, von denen einer nach Riezler (S. 674, 12)
lautet, quod inter eos sit inexplebilis honoruni cupido, certamen gloriae
et honoris, splendoris, cupidinis atque ambiüo potentiae. Da Riezler
94*
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726
hiezu nur bemerkt 'cupidis B*, so muss man meinen, in der Handschrift A
stünde das freilich ebenso unverständliche: cupidinis. Das ist irrig; auch
in A steht: cupidis; nur ist das schliessende s ein wenig erhöht; cupi-
dinis bezog Riezler aus den alten Ausgaben. Der Schreiber unserer
Handschrift hat das richtige 'cupiditas* gefunden; vgl. im Anfang des
5, Buches (S. 3, 5): Studium pecuniae, potentiae, splendoris cupiditas
cuncta regna evertunt.
Um diese neugefundene Handschrift von Aventins Annalen genauer
zu bestimmen, untersuchte ich die ersten Seiten des 2. Buches der Annalen
in Riezlers Ausgabe. Ich stiess da auf Folgendes: S. 116, 2 Hugo.,
iussu Georgii ducis latine perscripsü Boios; dazu notirt Riezler 'scripsit
principes Boiorum k\ Allein Aventins Autographe, sowohl das münchener
(A) als die wolfenbüttler Concepte (C), haben 'scripsit principes Boios;* das
gehört in den Text, da auch der Titel von Hauers Buch lautet 'Gesta
illustrium ducum Wawariae*. Z. 3 beginnt die Aufzählung der aus-
wärtigen Quellen bei Riezler *Latini veteres: vitae divorum'. Es 'muss
heissen 'Latini: Veteres vitae divorum*: 'Die Lateinischen. Die alten legend
und leben der heiligen*, übersetzt die Chronik. Z. 12 schreibt Rr. von
Ammian Ma reell in 'sub imperatoribus Constantio Juliane et Valentiniano
vixit, equo meruit', dazu in der Note 'nach Juliane folgt in B: Juviano*.
Das ist nicht nur unbedingt richtig (Aventin schreibt stets Juviano statt
Joviano) sondern es steht auch in A, wo Riezler es übersehen hat.
vixit ist in A radirt^ also aus dem Text zu streichen. Z. 19 liest man
mit Verwunderung ' Eugypius . . vixit . . Inpertuno consule romano* und
dazu die Note: Inportuno consule B. Hieher scheint sich zu beziehen
die Kandbernerkung in A: is fuit annus Chr. quingentesimus supra octa-
Yum* Wenn Riezler sich Z. 10 erkühnte Diocletianum zu schreiben,
während doch beide Handschriften Dioclitianum haben, so musste er auch
hier das nur durch eine Handschrift gebotene Inpertuno aufgeben; denn
es ist gerade so unmöglich, als Dioclitianum. Freilich steht es nicht
einmal in A, wenn man genauer zusieht. Auch im Folgenden hätte es
sich gelohnt s5U notiren, dass octavum in A durchgestrichen und septimum
beigeschrieben ist; dann verstünde man auch, warum in der Chronik
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727
steht *da burgermeister zu Rom was Importunus: das ist nach Christi
gepurt 507 jar . In der Abschrift von Cassiodors Chronik, welche Aventin
benützte, (sie ist den Stuttgarter Bruchstücken der Annalen hinten bei-
geheftet), sind diese Zahlen ebenfalls corrigirt. S. 118, 2 wird geschildert,
wie ein Stück des römischen Reiches nach dem andern verloren ging.
'Vandali Aphricam, Franci Burgundiones Gallias occuparunt' u. s. w. Das
steht in den Ausgaben und in der Stuttgarter Abschrift (B). In dem
Autograph Aventins (A) steht ein Stück mehr 'Vandali Aphricam, Alani
Suevi Goti Navarri Hispanias abstulerunt, Franci' etc. und
ebenso in der Chronik 'die Wandler haben dem alten roemischen reich
Africam, die Alander Schwaben Gutten und Navarn His-
paniam.. abgedrungen.
Bei diesen Stellen schien mir das Verfahren des Herausgebers bedenk-
lich. Er bevorzugt in unverständlicher Weise bald die Lesart der einen
bald die der andern Handschrift (vgl. 116, 2 perscripsit Boios und
19 Inpertuno); er hat Aventins Autograph nicht genau verglichen
(vgl. 116, 2 Boios. 12 Juviano. 13 vixit. 19 octavum: septimum u. 118,2);
er stellt die Copie B auf gleiche Stufe mit A, während dieselbe doch
an keiner Stelle besser, aber an etlichen schlechter ist als die (genau
verglichene) Handschrift A. Der hier geweckte Argwohn veranlasste mich
zu grösseren Untersuchungen. Hiefür wählte ich grössere Stücke des
2. Buches, weil wir hier Bruchstücke von Aventins Concept in der wolfen-
büttler und Stuttgarter Handschrift (C und D) , dann die ausführliche
deutsche Uebersetzung in der Chronik zur sichern Controle der Hand-
schriften A und B benützen können. In den Büchern 1, 3 und 4 habe
ich nur einzelne Punkte untersucht. Bei all diesen Untersuchungen wurde
mein Verdacht, Riezler habe sich bei der Ausgabe der Annalen des
Aventin von falschen Voraussetzungen leiten lassen, durchaus bestätigt.
Riezler hat, nach meiner Ueberzeugung, sich durch die Stuttgarter
Handschrift viel zu sehr beherrschen lassen. Dies in Einzelheiten nach-
zuweisen, ist eben keine erquickliche Aufgabe; allein es werden dabei
manche Schnitzel zur Besserung des aventinischen Textes abfallen und im
Ganzen eine richtigere Würdigung des aventinischen Werkes erreicht werden.*)
1) Ich benützte bei diesen Untersuchungen Aventins Autograph (A) in München; dann die
Stuttgarter und wolfenbüttler Handschriften des Entwurfes (C und D bei Riezler) und yon der
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728
Ein Herausgeber der Annalen des Aventin steht vor einer Aufgabe,
wie sie den Herausgebern neuerer Schriftwerke öfter sich bietet: er hat
nicht zu wenig, sondern zu viel Stoflf. Für die Annalen des Aventin
haben wir, ausser verschiedenartigen früheren Entwürfen und Studien, in
einer wolfenbüttler und einer Stuttgarter Handschrift grössere Bruch-
stücke des Conceptes, welches Aventin vom 5. Februar 1519 bis zum
Mai 1521^) in Abensberg ausarbeitete. Da Riezler auf die Benützung
dieser Concepte gänzlich verzichtete — ob mit Recht, werden wir später
sehen — , so beschränke ich mich hier auf die Betrachtung der beiden
Handschriften, welche er seiner Ausgabe zu Grunde legte. Die eine ist
von Aventin selbst geschrieben, jetzt in München Cod. latin. 282 — 287,
von Riezler mit A bezeichnet; Aventin hat diese Handschrift aus jenen
Concepten rein geschrieben in der kurzen Zeit von kaum 2 Monaten,
im Juni und Juli 1521.^ Die andere Handschrift ist die Stuttgarter
(Hist. fol. 407* — 407^), von Riezler mit B bezeichnet: eine Abschrift in
grossen deutlichen Buchstaben, wie sie jetzt im diplomatischen Verkehr
gebräuchlich sind, mit Correkturen von Aventins Hand. Die Herzoge
Wilhelm und Ludwig Hessen am 24. September 1524 an Aventin den
Befehl ergehen, 'dass die bairisch Chronigkhn . . auf unser costung lautter
abgeschrieben und, so die allso abgeschriben und beieinander ist, alsdann
Stuttgarter Copie der Annalen (B) den 2. Band, welcher das 2. Buch enthält. Die Benützung der
Stuttgarter und wolfenbüttler Handschriften ward mir durch die Güte der Bibliotheksrorstände
ermöglicht.
Collations- oder Editionsfehler gewöhnlichen Schlages, welche ich nicht berücksichtigen
werde, fehlen natürlich auch bei Riezler nicht. So haben 11 S. 140, 24 beide Handschriften A
und B Pisae nach Peru<»ia; also gehört es auch im Druck dahin. S. 217, 5 verschwören sich
gegen Commodus natürlich nicht 'tandem electus cubicularius Q. Aelius Laetus, praefectus prae-
torio\ sondern 'tandem Electus (Eclectus) cubicularius, Q.* etc. 291, 2 verwüsten die Germanen
nicht 'Graecias, Thessaloniam, Macedoniam', sondern Thessaliam. 295, 7 werden die Bela-
gerten, welche sich Auslass erkaufen wollen, nicht 'spoliati rursus ßomam tradnntur', sondern
truduntur. Oder im Anfang des 6. Buches (HI, 169, 12): Has ultimas tris rationes (contra
imperatorem) Hyldebrandus in vulgus edidit, reliquas sibi quidem perceptas. nequaquam imperita
multitudo, . . astu lactata, aures arrigebat. Es muss natürlich heissen 'reliquas sibi quidem per-
ceptas nequaquam (edidit). Imperita multitudo eto. Wie hier, hat Riezler sich leider oft durch
die alte Ausgabe, welche er für den Neudruck abcorrigirte, irre führen lassen.
1) Das 2. Buch begann er, wie die wolfenbüttler Handschrift Bl. 97 bezeugt 'Annalium
Boiorum Über secundus, 6. Kai. Julii incepi Abusinae*, eine Notiz, welche ich bei Riezler nicht finde.
2) Den Einband hat schon Aventin machen lassen; ebenso hat er die Bände foliirt.
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729
zu unsem Händen geantwort werd, auch die in ander frembd Hende nit
khomen noch druckhen lassen on unser beder sonder Vorwissen, Willen
und Zuelassen*. Aventin bemerkt in seinem Hauskalender ^) zu Ende
März 1525 'raagister Stephanus Gärtner de Bathavia rescribit chronica
sumptu principum in horto*. Dann zum 23. December 'finivit (nicht
finivi) chronicam\ So ist allerdings die Vermuthung Riezlers sehr wahr-
scheinlich, dass die Stuttgarter Handschrift diese von Gärtner im Jahre 1525
für die Herzoge geschriebene Copie sei.
In der Stuttgarter Conceptenhandschrift (D) befinden sich, was Riezler
nicht bemerkte, 2 Blätterlagen, welche von derselben Hand (Gartner's?)
geschrieben sind, wie jene Copie B. Da dieselben auch das gleiche Format
haben und ebenfalls von Aventin corrigirt sind, so sind es wohl zeit-
weilig verlorene und inzwischen ersetzte Bogen jener Reinschrift. Die
Ausgaben erschienen erst nach dem Tode Aventins und hängen alle
von dieser Stuttgarter Copie ab.^)
Man hatte erwartet, aus den Handschriften der Annalen Aventins
würden neue pikante, in den Ausgaben unterdrückte Stücke von beträcht-
lichem Umfang zum Vorschein kommen. Diese Erwartung zeigte sich
als nichtig. So hatte der Herausgeber die Aufgabe, den Text der Annalen
in möglichster Reinheit zu geben.
Dazu bedarf es ein richtiges Urtheil darüber, wie es mit dem hand-
schriftlichen Material steht.
Riezler hat seine Ansichten hierüber in dem Nachwort zu seiner
Annalenausgabe (Aventins Werke HI, S. 536 — 545) und schon vorher in
der Abhandlung über 'ein verlorenes bairisches Geschichtswerk des 8. Jahr-
hunderts' (Sitzungsberichte d. münch. Akad. phil.-hist. 1881, bes. S. 251)
dargelegt. Ich gebe hier die Hauptpunkte:
1) Das Original ist verloren; ich benützte die Abschrift (Cod. lat 27228), welche Halm bei
der Ausgabe noch nicht kannte. Halm hat ans diesem Calender die sorgfältigen Wittenings-
angaben Aventins, der viel Mühe auf solche Dinge verwandte, weggelassen. Sie sollten von einem
Sachverständigen geprüft werden; vielleicht beweisen sie, dass die gewöhnliche Meinung, ehemals
sei unser Klima rauher gewesen, nicht richtig ist.
2) In BetreflP der früheren Ausgaben schliesst sich Riezler (Nachwort S. 645) an Wiede-
mann S. 257 fgd. an. Dieser lässt die erste Ausgabe von 1554 aus dem Autograph A geflossen
sein. Das ist falsch. Schon diese Ausgabe ist aus deif bequemen Stuttgarter Reinschrift B
abgedruckt; nur in den Inhaltsangaben und Autorenregistem vor den einzelnen Büchern ist hie
und da A benützt.
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,S. 542 Unserer Ausgabe waren die Handschriften A und B, das Autograph im
engeren und das im weiteren Sinne, zu Grunde zu legen. Nur eine gleichmässige
und durchgehende Berücksichtigung dieser beiden Handschriften gestattet die letzte
Redaktion festzustellen, in welcher der Verfasser sein Werk hinterlassen hat. Denn
sowohl in A als in B hat Aventin hie und da, wiewohl nicht häufig, Verbesserungen
und kleine Zusätze eingetragen, die er in der andern Handschrift nachzutragen unter-
liess. Auch nachdem B schon geschrieben war, nahm er in A noch vereinzelte
Aenderungen vor, die sich in B nicht nachgetragen finden. Bis in die letzten Jahre
hat der Verfasser an dem Werke nachgebessert ; eine Randbemerkung (HI S. 504, 29)
zeigt, dass er die Handschrift A noch 1530 in Händen hatte. ^
„Wo A und B von einander abweichen, erkennt man fast ohne Ausnahme
leicht, ob die Aenderung bei Gelegenheit der Abschrift von Aventin selbst oder ob
sie nur durch Schreibverstoss, Missverständniss oder Unkenntniss des Copisten herbei-
geführt ward. Magister Stephan Gärtner hat im grossen und ganzen sehr sorgßLltig
copirt, scheint aber trotz seiner Magisterwürde nur eine mangelhafte Kenntniss des
Lateinischen besessen zu haben. Die groben Fehler, die diess verrathen, in den
Varianten zu verzeichnen, habe ich nicht für nöthig gefunden, sowie ich diess meistens
auch bei Schreibverstössen unterliess, die auf den ersten Blick als solche erscheinen.
Gärtner schrieb augenscheinlich zuweilen nach Diktat, sicher des Verfassers selbst,
zuweilen jedoch ohne solches. Auf Diktat deuten Varianten wie: vibratisque A,
fibratisque B; inter Oenum A, inter Rhenum B, auch Aenderungen, die ein Copist
nicht leicht eigenmächtig vornimmt, wie divinarum humanarumque B statt huma-
narum divinarumque A. Dagegen verrathen ebenso entschieden das Abschreiben
mehrere Stellen, wo undeutlich geschriebene Buchstaben der Vorlage A in B nicht
richtig aufgefasst sind."
,Aus dem Dasein zweier Autographe ergibt sich femer, dass wo beide
übereinstinmien auch Sonderbares, ja Fehlerhaftes im Texte beizubehalten war, wofern
dadurch nur der Sinn nicht geradezu aufgehoben wird oder aus anderen Gründen
eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass der Verfasser in A nicht mit Wissen und
Willen so geschrieben und in B nur die Correktur übersehen hat. Je mehr Eigen-
thümlichkeiten Aventins Latein, je mehr Seltsames, auch Ungenaues gegenüber den
Quellen insbesondere seine Eigennamen aufweisen, desto mehr schien es gerathen, an
einem durch doppeltes Autograph gesicherten Texte nur in den allerdringendsten
Fällen Verbesserungen vorzunehmen. In der Regel habe ich ganz ungewöhnliche
und fehlerhafte Formen durch ein sie unter dem Texte gegen den Verdacht von
Druck- oder Editionsfehlem zu sichern gesucht. Vielleicht hätte dies noch etwas
häufiger geschehen sollen; wenigstens hat mein Recensent v. Oefele in der Historischen
Zeitschrift auch einige Lesarten, die durch beide Autographen als richtig gesichert
sind, als Drack- oder Editionsfeliler bezeichnen zn müssen geglaubt; sowohl A als B
hat Bd. n, 158, 8 Arcdata, nicht Aredata; 480, 38 celeberrime (erst von jüngerer
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731
Hand mit verblasster Tinte corrigirt in celeberrimo) paschaliuni festo die; 436, 4
deditios, nicht dediticios.^
«Die Orthographie wird man in meiner Ausgabe vielfach schwankend finden.
Ich folge darin nur Aventin, dessen Schreibweisen nicht nur zwischen A und B,
sondern auch innerhalb derselben Handschrift häufig wechseln. Hat der Herausgeber
in Fällen, wo die Grundlagen der Edition weniger sicher sind, das Recht, ja die
Pflicht eine einheitliche Rechtschreibung durchzuführen, so befindet er sich doch in
anderer Lage gegenüber zwei Autographen des Autors; durch eigenmächtige
Durchführung einer einheitlichen Rechtschreibung würde er in diesem Falle leicht zu
grundlosen Folgerungen Anlass geben.*
Ich füge hiezu noch eine Stelle aus Riezlers Abhandlung (Münch. Sitzungsber.
vom 7. Mai 1881, S. 251): „Die Stuttgarter Handschrift (B) ist eine unler Aventins
Aufsicht gefertigte, hie und da mit Einträgen und Correkturen von seiner eigenen
Hand versehene Abschrift eines Schreibers, der entweder gar keine oder nur höchst
mangelhafte Eenntniss der lateinischen 8prache besass, aber ziemlich sorgfaltig arbeitete.
Diese Copie sollte allem Anschein nach den definitiven, bei einer etwaigen
Publikation zu gründe zu legenden Text bieten;* hiemit vgl. ebenda
S. 255. 256.
Dies sind Riezlers Ansichten über die Handschriften von Aventins
Annalen. Die meinen beruhen auf folgenden Hauptpunkten: die Stutt-
garter Copie B ist werthlos; sie ist nachlässig und ungeschickt abgeschrieben,
von Aventin ein Mal nachlässig durchgelesen und corrigirt, dann nicht
weiter von ihm beachtet. Dagegen ist die münchner Handschrift A
durchaus von Aventin im Jahre 1521 selbst geschrieben und war von
1521 an sein Handexemplar, in welches er Alles eintrug, was er an
seinen Annalen zu bessern hatte, und aus welchem er auch den Wortlaut
der deutschen Chronik gearbeitet hat. Für die Veröffentlichung oder
für den Druck fertig waren also Aventins Annalen nur ein Mal, im
August 1521, bei Vollendung der Reinschrift A. Von da an hat Aventin
stets für seine Annalen geforscht, aber deren Fassung niemals wieder
abgeschlossen. Weder im Jahre 1525, als auf Befehl des Herzogs, was
eben in Aventins Autograph stund, abgeschrieben wurde (B), waren sie druck-
fertig, noch (A) bei seinem Tode; diejenigen begehen also ein Unrecht an
Aventin, welche ihn verantwortlich machen für die Mängel, welche die
Form des gedruckten Textes entstellen, oder für die Widersprüche,^ welche
zwischen dem Inhalt der Annalen und der Chronik vorhanden sind.
Abh. d. l. Ol. d. k. Ak. d. Wisa. X VH. Bd. III. Abth. 95
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732
I.
Zwei Grundsätze sind es, welche Riezler bei der Feststellung des
'I extes hauptsächlich geleitet haben : 1) dass die AbschriftB einem
Autograph gleich zu achten sei, 2) dass dieselbe den definitiven,
bei einer Ausgabe zu gründe zu legenden Text biet«.
Dem ersten Satze gegenüber behaupte ich: die Stuttgarter
Abschrift ist eine ungeschickte und nachlässige Abschrift,
ist von Aventin nachlässig durchcorrigirt und verdient
neben dem Autograph A keine Beachtung. Ein Blick in die
Stuttgarter Copie, von der ich das 270 Blätter starke 2. Buch der
Annalen vor mir habe, genügt zu dem Beweise, dass der Copist zwar
schön, aber thöricht und nachlässig schrieb; so schrieb er auf einer
Seite madere, ignolatibus, idfio für invadere, ignorantibus, adfici. Latein
muss nach den damaligen Verhältnissen ein Schreiber, der für den Herzog
ein lateinisches Werk von 7 Bänden abschrieb, verstanden haben. So
fallen diese zahlreichen Fehler seiner Nachlässigkeit zur Last.
Nun ist die wichtige Frage, ob Aventin diese schlechte Abschrift
so sorgfältig durchcorrigirt habe, dass sie einem eigenen Auto-
graph gleich stehe. Diese Frage ist entschieden zu verneinen. Das
beweisen schon die groben Fehler von B, welche Riezler S. 542 erwähnt,
ohne sie in der Ausgabe zu verzeichnen. Dass Aventin diese stehen liess,
ist kein gutes Zeichen. Dann hat Riezler unter dem Texte eine Reihe
von Fehlern notirt, welche der Copist in B geschrieben, Aventin aber nicht
corrigirt hat. Endlich hat Riezler bei seiner üeberschätzimg von B die
Handschrift A nicht genau verglichen; an den nicht umfangreichen Stellen,
welche ich nachverglich, fand ich überall Spuren davon.
Die Versehen auf S. 116 und 118 sind oben notirt; von S. 126 und 127 werde
ich unten handeln: hier haben der Schreiber und Riezler öfter Wörter, ein Mal
einen Satz in A tibersehen. S. 73, 29 Alpes., insuperabiles : inexuperabiles A. C.
74, 6 Bononia.. ipsis Boiolx>nia dicta: ab ipsis A.C. 74, 9 canitur Brennum . .
belligeratum : esse hat A mehr. (74, 16 hat A inhabitaruntque , was also
nicht nur in die Note, sondern* in den Text gehört). 213, 33 uti pecudes et oves
deprensi in cavea multi a multitudine hostium trucidarentur (!) B Rr: inulti A.
215, 34 nequaquam loqui, quae sentiebas, at (!) sentii'e, quae loquebare, licebat
B Rr: aut AD. 217, 4 proditus a suis occubuit B Rr: sociis A D. 288, 8 inanis
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733
gloriae B Kr: gloriolae A D. S. 289/90 wird das Verkommen des römischen
Heeres geschildert: romanomm militum numerum deminuere; in demortuorum locum
tirones non suf&cere; cum hostibus pacisci, quibus tamen promissa praemia negabant,
ut in romanas provincias illi incursarent: so vollkommen richtig die beiden Auto-
graphe D und A; der Copist von B liess nicht nur *in' nach ut weg sondern auch
*tirones', und schrieb den Unsinn *inde mortuonim locum non sufficere\ den Riezler
nachdruckt, während Aventin selbst in B wenigstens 'in demortuorum* gebessert
hat. 292, 14 duas filias suas Honorio imperatori despondet B Rr: suas deinceps A D.
292, 20 Vessogetae primi foedus exuunt, relicta Thracia . . rectam in Italiara tendunt
B Rr: relictaque A D; recta in in It. A, recta in It. D richtig. 562, 31 Mogonciaci . .
terrae motus extitit, templo divi Urbani etmuris prostratis B Rr: divi Albani AD.
Im Anfange des 6. Buches hat Aventin öfter mit üncialschrift geschrieben
*(Conpendium) Conmentaria rerum Germanicarum', wodurch er offenbar nachträglich
das Wesen dieses Buches bezeichnen wollte. S. 169 (6. Buch) hat Riezler Z. 12
treis, Z. 17 tres geschrieben: A hat an beiden Stellen *tris'. (170, 14 Contra
Caesar et alii . . nitebantur nee animi tamen romanorum pontificum frangebantur,
quominus maiores necessitudines conpararent, quibus cogi possent imperatores etc, so
Riezler; A dagegen vollkommen richtig: frangebantur, sed admonebantur, quo maiores.
In B ist wahrscheinlich *sed admonebantur vergessen und dann 'minus' zugesetzt
worden.) 170, 24 et A: ac Riezler. 172, 9 nemo huic quisquam A: quisquam
übersah Riezler. 175, 25 ibidem A: ibi Riezler. 175, 28 Chunegundae A.
175, 32 absque liberis ante matrem anno . . quinto absque liberis obiit; das erste
absque liberis ist in A unterstrichen, war also wegzulassen: Riezler hat das zweite
weggelassen. 176, 5 institutus est A: est fehlt bei Riezler. Im Schluss des
6. Buches S. 236, 29 principes Boiariae . . ad Danubii Rhenique coufluenta (!) domin-
antur Riezler: fluente A. Im Anfang des 7. Buches S. 239, 29 errant longe:
longe übersah Riezler. 241, 9 divoque A: que fehlt bei Riezler. 242, 2 hat
auch A Volophjldae (nicht: da). 242, 15 hat A wie B Manogoldi. 26 annalis A,
30 ducatuum A. 243, 10 Oto A. 243, 17 Ranios 18 Raniorum 25 Raniis A:
Riezler 17 Ranos und 25 Ranis, 18 Raniorum. 244, 8 Sabinensis A, ebenso der
von Riezler selbst citirte Hansitz. 245, 1 ist minore nach Otone zugesetzt in A.
246, 4 Gariotruda A. 246, 15 Christi servatoris et liberatoris A : servatoris
übersah Riezler. 246, 23 Adolaeda A, 31 Lambacum A. Diese Beispiele von wenigen
Seiten des 3. Bandes der riezlerschen Ausgabe beweisen, dass er auch in diesem Bande
das Autograph A geringschätzig behandelt und nicht genau verglichen hat.
Daraus mag bemessen werden, wie Viel der Copist bei der Abschrift
mid auch Riezler noch bei der Vergleichung von A übersehen hat. Wie
wenig Aventin an der völligen Correktheit der Abschrift B lag, mögen
noch folgende Thatsachen beweisen.
95*
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In A steht nach 166, 17 eine genealogische Tafel der Maria; der Copist in B
hat sie weggelassen, aber wenigstens eine halbe Seite leer gelassen; Riezler druckt
sie aus A ab.^) Dann steht in Aventins Autograph, nach S. 168, 32 mortalium, eine
Tafel der Könige Judäas bis zu dessen Untergange, mit historischen Notizen. Schon
ursprünglich, (also sicher als B abgeschrieben wurde) stand sie da; das beweist der
Umstand, dass sie eine ganze Seite in A einnimmt, Aventin aber in diesem Bande
der Annalen keine leeren weissen Seiten gelassen hat. Der Copist in B lässt sie
spurlos weg, Riezler lässt sie auch weg und bemerkt nur in der Note *In A folgt
hier mit der Randbemerkung *Ex Josepho, Philone, Maccabae p., Eusebio' eine theil-
weise sehr wirr durcheinandergeschriebene Reihenfolge jüdischer Hohepriester und
Könige, welche in B nicht aufgenommen, für welche dort auch kein Raum offen
gelassen ist.' Aventin bemerkt in der Abschrift B bei keiner von beiden Lücken
auch nur ein Wort. Er hat aber beide Tafeln gewollt, und Riezler hätte sich die
Mühe nehmen sollen, auch die zweite zu entziffern. Das beweist auch der Umstand,
dass die zweite Tabelle in der Chronik verarbeitet ist: S. 731—735, 744, 762, 770.
Mit welchen Augen Aventin die Copie B ansah, das zeigen auch die Inschriften,
die sich in grosser Zahl z. B. im 5. Kapitel des 2. Buches finden. Bei diesen
Inschriften ist es von Wichtigkeit, die Zeilenabtheilung zu kennen. Wie Riezler
hierüber denkt, erkenne ich nicht; z. B. bei der grossen Inschrift S. 150, 10 (Momm-
sen 5890) setzt er gar keine Zeilenstriche, bei einer andern S. 151, 29 (Mommsen 5906)
nach jedem Worte; bei einer dritten S. 153, 8 (Monunsen 5936, Chronik S. 702,31;
also fehlt sie nicht in den Annalen, wie Lexer meint) nur einen, nach den ersten
2 Buchstaben, während es doch gerade hier wichtig ist die Zeilentheilung der Hand-
schriften zu kennen, da die Inschrift sonst verloren ist; wesshalb auch Mommsen im
Nachtrag S. 1050 die Zeilentheilung von A notirt hat. In diesem Nachtrag, der
Riezler entging, hat Mommsen auch mit richtigem Gefühl von der münchner Hand-
schrift (A) geurtheilt *ex quo descriptus est moderante auctore Stuttgartiensis (B), ut
hie (A) in Aventinianis fundamentum crisis primarium habendus sit\ Doch, wie auch
Riezler über die Wichtigkeit der Zeilenabtheilung denke, das ist sicher, dass Aventin
dieselbe erkannt hat, und diese Erkenntniss sowie die Genauigkeit seiner Angaben,
wie sie bis zu den Inschriftenforschern unserer Zeit selten war, gereicht ihm zu
besonderem Lobe. So weit wir seine Abschriften mit den Originalen vergleichen
können, sehen wir ihn in seinem Autograph A bemüht, die Zeilenabtheilung der
1) Chronik S. 729, 29 'damit ditz verstentlicher sei, folgt hernach der stani*: so schrieb
Aventin a. 1527. Später setzte er zu 'Ist iezo druckt und im latein ausgangen zu Augspurg;
man hat in überal fall, dörfb vil müe hir in wider abzumalen'. Diesen Druck glaube ich in
München gefunden zu haben. Es ist eine Tafel, deren Oberstück fehlt, jetzt 1,10 Meter hoch,
0,525 breit, ein kräftiger Holzschnitt, unten liegt Adam und aus ihm erhebt sich der Stamm-
baum. Links unten der Titel 'Arbor genealogiae Christi. I. B. E. H. A.', rechts *Aug. Vindel. ex
officina Alex. Weyssenhom MDXXIX.* Das Blatt scheint unbekannt zu sein.
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Originale getreu einzuhalten; dagegen in der Copie B ist hievon keine Spur.
Diesen grossen Fehler der Abschrift hat Aventin natürlich erkannt; er hat aber
keinen Versuch gemacht, denselben zu verbessern. Das beweist einmal, wie wenig
ihm an dieser Abschrift lag, dann aber, um hierauf vorzugreifen, dass er nicht daran
dachte, seine Annalen in der Stuttgarter Abschrift drucken zu lassen.
Wie nachlässig Aventin die Abschrift B durchcorrigirte, dafür ein Beispiel.
Aventin hat, sonderbarer Weise, auch abgesehen von der eigentlichen Thätigkeit auf
dem Feld der Geschichte, mehrfach dieselben StoflFe angefasst, wie Mommsen; so die
Inschriften; dann fand er die zuletzt von Mommsen edirte Chronik Cassiodors in der
regensburger Handschrift 14613^) und tiberliess die Ausgabe seinem Lehrer Joh. Cus-
pinian, vgl. Werke I, S. 604 und 648 ; das Stück einer Abschrift dieser regensburger
Handschrift (etwa a. 400 bis zu Ende) mit Noten Aventins findet sich jetzt noch am
Ende der Stuttgarter Conceptenfragmente. Auch auf das Verzeichniss der Provinzen
des römischen Reiches, das Mommsen bearbeitet hat, richtete Aventin sein Augenmerk
und wollte es nach der Freisinger Handschrift (Clm. 6243; vgl. Werke I, S. 640.654)
herausgeben ; der Entwurf zu dieser Separatausgabe findet sich in unserer latein. Hand-
schrift 281*) von Bl. 8 an mit dem Titel: Romani imperii descriptio atque regiones
et provinciae harumque urbes insigniores ex libro secundo annalium Boiorum Joannis
Aventini. Dieses Verzeichniss hat er in dem 4. Kapitel des 2. Annalenbuches ver-
arbeitet (S. 137 ffl.). Daselbst heisst es S. 142, 32, dass Cari IV. und Sigmund die
Dauphine ^primogenito regis Fraucorum dono dederunt. tabulas legi Luthetiae Parisi-
orum in coenobio divi Victoris'; dazu schrieb Aventin an den Rand (von A) Codicillos et;
dann schrieb er einen anderen Nachtrag an den Rand, die Worte S. 143, 7 Novem
populorum provincia cuius et hieronymus meminit eins urbes ausci elusates convennae
consoranni meminit et marcellinus. Diese Worte sind um die Worte ^Codicillos et*
so herum geschrieben, dass convennae mit codicillos et eine Zeile bildet. Dann sah
Aventin, dass die Worte *Novem . . marcellinus* weiter hinunter passten : S. 143, 6
zwischen Cadurci und Britannia, und deutete das durch ein Zeichen an. Der Schreiber
von B fügte die Randnote dem Zeichen folgend richtig S. 143, 7 ein, schrieb aber
die Worte codicillos et ruhig zwischen convennae consoranni, obwohl jene 2 Worte
in A mit ganz anderer Tinte geschrieben sind. Wie Aventin das las, blieb er an
dem thörichten codicillos hängen. Hätte er in seinem Autograph nachgesehen, so
hätte er gesehen, dass die beiden Wörter codicillos et hinaufgehörten vor tabulas
1) Er hat also jedenfalls auch den hierin erhaltenen Hermannns Contractus nnd die Breves
notitiae S. Emmerami benützt.
2) Daselbst S. 13 sind Notizen über Ereignisse der Jahre 1527 und 1529; solche über 1528
sind in der Stuttgarter Concepthandschrift (D) Bl. 200. Diese hat Riezler nicht gedruckt, ähnliche
ans A und der wolfenbüttler Concepthandschrift hat er gedruckt (Werke III, S. 531). Die erwähnte
lat. Handschrift 281 enthält dann noch besonders auf Bl. 16 einen Entwurf zu einem Leben von
Sand Hainrich, Bl. 22 zu einer Geschichte der Grafen von Abensberg.
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S. 142, 32. Dazu war er aber zu bequem; darum radirte er einfach codiciUos aus.
So fehlt jetzt in B codicillos ganz und zwischen convennae und Consoranni steht
et. Riezler hat den Text noch weiter verschlechtert, indem er den Provinznanien
Novem populorum nicht erkannte und drucken liess 'in secunda Aquitania numerantur
Averni (so B und Rr,l^ A und Cod. 281 richtig Arvemi) Rutheni Cadurci, novem
populorum provincia, cuius et Hieronymus meminit
Demnach hat Aventin im Schluss des Jahres 1525, wo er niit Eifer
den Homer im griechischen Texte las, nicht eben viel Mühe auf die
Correktur der schlechten Reinschrift B verwendet. Dieselbe war voll
thörichter Wortformen, viele einzelne Wörter und Satztheile fehlten.
Aventin las lässig; hiebei entgingen ihm viele auffallende Thorheiten;
die meisten merkte er und besserte sie. Wenn er an ganz unverständ-
liche Wörter kam, schaute er meistens in sein Autograph und sah dann,
dass Wörter gänzlich entstellt, oder Randnoten an der falschen Stelle
eingesetzt oder gar ganze Satzstücke ausgelassen waren; das besserte er
dann nach seinem Autograph. Oft sah er aber auch in seinem Auto-
graph nicht nach, sondern half sich, wie an der besprochenen Stelle mit
Tilgung des unverständlichen Wortes. Dann blieben Wörter weg, welche
er aus seinem Autograph ergänzt hätte, wenn er sich eben die Mühe
genommen hätte, dort nachzusehen.
So steht es mit der Abschrift B, dem sogenannten zweiten Auto-
graph. Sie ist leichtsinnig geschrieben und flüchtig von Aventin corrigirt.
Mir ist unverständlich, wie Riezler daran denken konnte, sogar in ortho-
graphischen Dingen auf diese Abschrift auch nur Rücksicht zu nehmen,
geschweige ihr zu folgen und z. B. S. 137, 19 simulachraque oder
142, 2. 28 sepulchro zu schreiben (nach B) mit der Note 'simulacraque' A,
sepulcro A u. s. w. Das sind Kleinigkeiten, aber sie Verstössen gegen
die 'ratio*.
Allein die Abschrift könnte doch Vorzüge vor dem Autograph
besitzen. Wenn wir Druckbogen unserer eigenen Schriften lesen, fällt
uns hie und da Neues ein und wir setzen es noch ein ; so könnte Aventin
in der Abschrift hie und da interessante Zusätze gemacht haben; diese
müssen dann natürlich von seiner Hand geschrieben sein. Für eine
andere Art von Vorzügen der Abschrift öffnet Riezler die Pforte mit
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der Bemerkung 'Gärtner schrieb augenscheinlich zuweilen nach Diktat,^)
sicher des Verfassers selbst*. Für den Zusatz 'sicher des Verfassers selbst*
gibt es nicht nur keinen sichern, sondern gar keinen Grund. Für das
Abschreiben wurde Gärtner vom Herzog bezahlt und er fertigte dieselbe
'in horto* Aventins. Aventin hatt^ genug Aerger mit der Correktur,
zum Diktiren war seine Zeit zu kostbar. Doch das sind alles nur Wahr-
scheinlichkeitsgründe. Mit der Hypothese von etwaigen mündlichen Mit-
theilungen Aventins an den Schreiber könnte viel Missbrauch getrieben
werden. Dieselben müssten natürlich in dem Autograph A fehlen und
in B von der Hand der Copisten geschrieben sein. Ich will zur Probe
die Stellen, an denen schon der Copist in B das Richtige haben soll,
während im Autograph A das Unrichtige stünde, im 2. Buche sämmtlich
durchgehen, so viele ihrer Riezler zu den 212 Druckseiten notirt, und
so weit ich sie nicht schon oben behandelt habe. Man beachte bei diesen
Stellen besonders, wie Riezler das Autograph A zurücksetzt und die
Copie B begünstigt.
Einige Stellen will ich vorweg nehmen. S. 300, 8 heisst es in B und bei
Riezler ^Gaensericus cum Vandalis Carthaginem invadit capitque. Franci txaiecti (Clo-
done regulü) Rheno Belgicam secundam vastant, patentes Atrebatum terras quoque
pervadunt, Tornacum et Cameracum urbes diripiunt; Saxones Britanias incursant'.
Dazu gibt Riezler die Noten *Clodone duce A* und ^patentes . . pervadunt fehlt in A\
Wenn das wahr ist, dann ist die unbedingte Herrschaft für A verloren; denn da die
Worte in B von der ersten Hand geschrieben sind, so müsste der Copist eine andere
Quelle als das Autograph A gehabt haben, und das könnte nur Aventin selbst sein.
Allein Riezlers Angaben sind falsch. Allerdings lautet der Columnentext in A (fol. 6)
nur: Franci traiecto | rheno belgicam secundam vastant Tornacum | et cameracum
urbes diripiunt, S. Br. ine. Aber an den Rand neben traiecto hat Aventin ein Zeichen
gemacht und dazu geschrieben *supra pag. 5 Clodone duce*. Auf Bl. 5* steht, eben-
falls am Rande, *infra pag. 6 clodo francorum regulus patentes attrebatum (so schreibt
1) Riezler (Nachwort 8. 642) schliesst dies aus Varianten wie vibratis: fibratis; inter Oenum:
inter Rhenum. Die Philologen wissen, dass solche Dinge doch trügen können. Wenn wir schreiben,
arbeitet neben dem Auge oft das Ohr mit und passiren uns solche Fehler. Wer z. B. liest 'Da
Aventin weder Copist noch bloss trockener Analyst sein wollte oder konnte etc.', der würde
wetten, das könne nur ein Hörfehler für Annalist sein, also müsse dieser Text diktirt sein:
und würde sich doch irren. Denn diese Stelle in Riezlers Nachwort (S. 598) ist aus DölHngers
Rede (wo das richtige 'Annalist' steht) von Riezler copirt worden und ist von seiner Feder weg
vor die Augen des Setzers gewandert.
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Aventin öfter) terras quoque pervaserat\ Diese Worte wollte also Aventin im Ablativ
absolutus auf Bl. 6 eingefügt haben. Dem Fingerzeig folgte der Copist; doch hätte
Aventin selbst wohl duce statt regulo festgehalten. Also hier bewahrt A seinen Rang.
An einer andern Stelle 250, 2 ist Oalerius von den Persem geschlagen, 'reparatis
tamen ex Gerraanis et limitaneis Histri exercitibus copiis, rursus Persas adoritur. ipse
in Armenia maiore cum duobus equitibus (Zeile 5) exploravit hostes et cum viginti
milibus militum supervenit castris hostium ; subito innumera Persarum agmina adgressus
Narseum regem turpi fuga saluteni quaerere cogit ; uxore eins ac filiabns potitur. .
haec pacis conditio (ZI. 11).. duravit. ita terra marique parta victoria etc. Riezler
bemerkt *Z1. 4 In A femer fundit, superat, ad intemecionem delet*. Hier scheint
also ein Unsinn der Handschrift A in B gebessert zu sein, Vohl nach dem Diktat
des Verfassers selbst'. Doch ein Blick in die Handschrift A gibt derselben vollkommen
Recht. Der Columnentext lautete ursprünglich nur: rursus Persas adoritur, fundit,
superat. Ita terra etc. (Z. 4 und 11). Da kommt das Breviarium des Rufus in
Aventins Hände. Daraus schreibt er rechts an den Rand von A die Worte 'Ipse . .
adgressus' und schiebt sie durch Zeichen vor ^fundit superat' ein. Dann schiebt er
nach superat aus Rufus 'ad intemecionem delet' ein und schreibt links an den Rand
wieder aus Rufus die folgenden Worte 'Narseum . . duravit'. Die Worte 'fundit
superat ad intemecionem delet' gehören also in die Z. 6 nach aggressus, wo sie sogar
noth wendig sind und natürlich auch in der Chronik stehen (kam., mit 20000 über
die Persier, so on zal waren, griff ir wagenpurg an, schlueg si, erleget si, gewan die
wagenpurg . . Narseus entran kaum). Der leichtsinnige Copist übersah diese Worte,
Aventin merkte beim flüchtigen Durchlesen nicht ihr Fehlen, Riezler bemerkte sie in A,
wusste aber nichts damit anzufangen. Leicht erklärt sich der wirkliche Vorzug
der Abschrift vor dem Original an zwei andern Stellen. S. 159 hat B drei Inschriften
und S. 253, 29 eine Inschrift, welche in A fehlen. Allein an beiden Stellen hat
Aventin in A so viel an den Rand und zwischen die Zeilen zugeschrieben, dass er
sich selbst durch Zahlen zu helfen suchte; diese Inschriften, welche er auf der ent-
sprechenden Seite seines Handexemplars nicht mehr unterbringen konnte, hatte er,
wie er das auch sonst that, auf Blättchen beigelegt, welche jetzt verloren sind. Also
auch hier ist die Copie nicht besser als das Original.
Jetzt will ich die übrigen vermeintlichen Fehler von A im .2. Buche jrasch, aber
sämmtlich durchgehen. Ueber S. 116 vgl. oben S. 726. 116, 30 inlustris A:
richtiger Accusativ; vgl. Aventins Werke I, S. 400,35. 117, 4 rerum divinamm
humanarumque B Rr: r. hum. divinarumque A; der Copist hat in B entweder aus
Leichtsinn oder Frömmelei umgestellt. 121, 22 licet in A halb durchstrichen;
darum hat der Copist in B zuerst nichts, dann als er bei legatur die Nothwendigkeit
einer Conjunction einsah, quamvis über die Zeile geschrieben. 122, 28 muueribus
B Rr: m» quippe A, richtig. 123, 3 Marobudum . . nunc Pragam dicimus B Rr:
Marobodum A; aber Riezler selbst dmckt III, p. 367, 27 Praga . . quondam Marobodum
vocata. 141, 6 Bergamum, Comum B Rr: Comum Bergomum A; Stellung gut,
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Bergomum auch sonst bei Av. 142, 20 Chatalauni Rr, Gathalauni B: Cathelauni A,
ohne Anstand. 148, 29 quos Horatius Gelonos appellant A: adpellat B Er; selbst-
verständliche Correktur des Schreibers. 153, 8 *D M* B Rr : *M D' A ; leichte Correktur
des Schreibers. 154, 26 'P AEL' B Rr: so auch A, nicht PLAEL, wie Riezler
sagt. 172, 33 Marcum . . Paulus coUegam vocat B Br, schlechte Correktur des
Schreibers: adiutorem A; ad Philem. 24 'Marcus. . adiutores mei*. 173, 21 Vinde-
licorum et Boiariae (urbes) fuisse reperio Bathaviam ; Aureatum in vicnra abiit, Augusta
Vindelicorum interiit: A hat (in der Zeile, nicht am Rand) nach Bathaviam *Augustam
Tiberii, Fruxinum quae extant*. Diese Wörter sind richtig und sachlich nothwendig;
vgl. Chronik S. 792, 7; der Copist Hess sie aus Leichtsinn weg; Riezler fehlte, dass
er sie nicht in den Text setzte. 175, 11 peroranti . . sententiae suppetebant A D:
suppeditabant B 72r, überflüssige Aenderung des Copisten. 180, 7 setzte Rr antea,
210, 27 und 224, 19 ante aus B in den Text: an der ersten Stelle hat A ante, an
den beiden andern antea, ebenso gut. 192, 34 redigere statum B Er: A ebenso
gut *st. red.' 196^ 37 subsecuta B Er: subsecuta est A, richtig. 198, 27 sie
Er richtig: si A falsch, doch auch in B hat erst Aventin das c zugesetzt. 214,36
timebat B Er: tim. Marcus in A ist unbedenklich. 215, 19 quae mihi aperte
norainare religio est B Er statt des ebenso guten *q. nom. ap. mihi rel. est' in A.
219, 10 uti B Er statt ut A. 224, 36 oratores, quos .venales linguae non esse,
sed gratis agere constitit so Er mit B, falsch: venalis A richtig. 226, 21 rescripsit
B Er: rescr. Caesar A ebenso gut. 238, 7 ut B iZr: uti A. 242, 18 sepulchra
B Er: sepulcra A. 255, 7 sub pallio et capillis (gleich Lactanz V, 2) A, am
Rande barba: s. p. et barba ac c. B Er. 263, 31 hat A Arbitione (nicht Arbi-
trone) = B Er. 268, 2 hat der Copist Litodorus so gut wie A; erst eine spätere
Hand schrieb Vitrodorus an den Rand. Aventin übersetzt aber noch in der Chronik
Leitdurn kunig Widwers sun*. S. 269 und 270 die verschiedenen Formen von
Hariobandes schrieb der Copist aus A ab; erst Aventin machte in B Ringeln über
die n. 285, 6 hat B Er Francorum richtig: A das falsche Franconum; die Correctur
lag dem Copisten sehr nahe, da Francos voran geht und folgt. 300, 30 steht
Arleato in B so gut als in A: erst Aventin hat in B Arelato gebessert. 304, 21
scheint auch B vor der Correctur das falsche tuis (A) gehabt zu haben. 314, 2
Litomarus Raenomarus et Richarius Er nach B: Raenarius A, richtig, da auch in der
Chronik steht *Leutner, Rainer, Reicher . 318, 33. 34 schrieb der Copist dasselbe,
was in A steht; erst Aventin corrigirte in B das, was Er druckt.
Demnach hat der Copist von B neben Aventins Autograph keine
weiteren schriftlichen oder mündlichen Mittheilungen von Aventin erhalten
oder, mit anderen Worten, Alles, was in der Stuttgarter Reinschrift von
der Hand des Copisten geschrieben steht, ist für uns neben Aventins Auto-
graph A völlig werthlos, und Riezler hätte aus B nichts in den Text
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 96
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setzen, nichts in den Noten erwähnen sollen, was nicht Aventin mit
eigener Hand hineincorrigirt hat. Allein Riezler ist von dem Nebelbild
des *z weiten Autographs oder des Autographs im weitern Sinne* (B) so
befangen, dass er selten unterscheidet, ob Etwas in demselben von der
Hand des Copisten oder erst von Aventin geschrieben ist.
Bieten nun Aventins eigenhändige Bemerkungen in der Reinschrift B
Etwas, was nicht schon in seinem Autograph steht? Zum ganzen 2. Buche
der Annalen sind es folgende Dinge: S. 201 hatte der Copist ZI. 1 Traianus..
3 urbes ausgelassen; Aventin merkt die Lücke, schreibt aus seinem Auto-
graph die übersehenen Zeilen an den Rand und, da ihm ein Uebergang
hübsch erschien, setzt er nachträglich noch 'Porro* in B vor die mit
Trajanus beginnende Zeile. 182, 15 Nero in Todesgefahr ruft 'Qualis
artifex pereo*. Obwohl ihm der schimpflichste Tod droht, ist er doch
zu feige, sich selbst zu tödten, und ruft bei Sueton: Vivo deformiter ac
turpiter. Aventin schrieb ^segnitiem suam his verbis increpat: vivo
deformiter turpiter , mit einer Lücke nach turpiter sowohl in seinem
Concept (D) als in der Reinschrift A. Diese Lücke, welche sogar noch
der Copist in B festhielt, füllte Aventin beim Durchlesen von B aus mit
pereo. Das liegt allerdings so nahe, dass Aventin auch in der Chronik
auf dieselbe Füllung der Lücke in A verfiel 'ich leb in grossen Schanden
und sterb schendlich*. Die dritte Stelle ist 178/9: beim Durchlesen
von B schien Aventin ein Zusatz gut. Er schrieb also an den Rand
von B 'alii Babyloniam Aegypti intelligunt, quae nunc Alchairum est,
antiquis Memphi8\ Da ihm dieser Zusatz wichtig schien, trug er ihn
auch in seinem Handexemplar A am Rande nach, mit einer freien
Aenderung 'alii Babyloniam Aegypti intelligunt, quae nunc Alchairum
vulgo est, vetustis Memphis*. Dazu mag man noch rechnen 206, 2
wo Aventin, statt des guten 'enecavit* in A, in B das ebenso gute 'enecant*
corrigirt hat. In der Chronik übersetzt er enecavit 'Barcobab . . erwürget ßi\
Diese 4 Stellen sind die einzigen, welche ich als Herausgeber aus
dem 270 grosse Blätter enthaltenden 2. Bande der Stuttgarter Copie
anführen würde, und auch diese nicht im Texte, sondern in den Noten. ^)
1} Wie erwähnt, enthält die Stuttgarter Conceptenhandschrift (D) im Anfang zwei Lagen,
welche von der nemlichen Hand geschrieben sind, welche B schrieb, und welche ebenfalls yon
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741
Statt dessen ist Riezler in wer weiss wie vielen orthographischen
Dingen der nichtsnutzigen Copie gefolgt, hat viele Fehler derselben in
den Noten angeführt, welche er alle hätte weglassen können, hat an
Stellen, wo man schwanken kann, meistens die Lesart von B in den
Text, die von A in die Noten gesetzt und hat aus üeberschätzung der
Copie das Original nicht mit der entsprechenden Genauigkeit verglichen.
Diese Vorliebe für die Copie kann bei Riezler nur aus der Ansicht
entsprungen sein, Mass diese Cogie den definitiven, bei einer
etwaigen Publikation zu gründe zu legenden Text bieten
s o 1 1 1 e\ Für diese Ansicht gibt es absolut keinen Grund, gegen dieselbe
genug, wie den S. 735 erwähnten, dass Aventin sich geschämt hätte, die
Inschriften so drucken zu lassen, wie sie in B geschrieben sind und wie
er sie selbst dort gelesen hat. Die Stuttgarter Abschrift ist eine schlechte
Copie des Autographs, welche von Aventin ein Mal nachlässig durch-
gelesen und nachlässig corrigirt ist. Er hatte sie ja nicht aus eigenem
Antrieb oder für sich fertigen lassen, sondern auf Befehl der Herzoge
und für dieselben, welche dabei ausdrücklich verboten, diesen Text ohne
ihre besondere Erlaubniss durch Abschrift oder Druck weiter zu ver-
breiten. Doch wenn auch Aventin überhaupt um solche Textesverderb-
Aventin selbst durchcorrigirt sind. Dieses von Riezler übergangene Parallelstück zu B, welches
S. 80, 5 — 43, 15 des 1. Buches enthält, bestätigt die obigen Schlüsse über B. Es ist wiederum
direkt aus A abgeschrieben, hat aber nicht die Varianten von B, sondern andere. Der umstand,
dass Aventin auch dieses Stück durchcorrigirt hat, müsste dasselbe in Riezlers Augen zum 3. Auto-
graph machen, wobei er freilich noch mehr ins Gedränge kommen möchte. Mir scheinen daraus
nur folgende eigenhändige Bemerkungen Aventins in die Noten zu gehören : S. 34, 3 setzt Aventin
nach nusquam *id* zu. Eine interessante Stelle ist 34, 30. Aventin eifert gegen die Form
Bavarus: eo nomine proavos nostros, tanquam infausto omine ignominiaeque nota, quae et in
proverbium cesserit, abstinuisse compertum habeo; so haben die Wolfenbüttler Concepte, und der
Columnentext von A und unser Fragment. Dann schrieb Aventin an den Rand dieses Fragnientes
und den der Handschrift A 'omnis bavarus avarus ; endlich mit anderer Tinte in A ^b nimirum avaro
additum emptum a Boiis esse"; nur diesen 2. Zusatz schrieb der Copist in B ab (nach cesserit)
und nur diesen hat Aventin in die Chronik genommen : sam si das b kauft haben zu dem 'Avarus*
80 im latein geitig haist. 37, 9 hat Riezler mit B in Alpibus Transnostoni geschrieben; in
unserm Fragment hatte der Copist in seinem Leichtsinn diese Wörter vergessen ; Aventin ergänzt
'i. A. Tranostoni*; da nun derselbe Aventin in dem Concept (D) und in dem Autograph A Tra-
nostoni geschrieben hat, so wird wohl auch Riezler diesen drei wirklichen Autograpben mehr
Recht geben als seinem 'Autograph im weitem Sinn'. 40, 3 zu der Charakterisirung der
Baiem als 'agri, pecoris magis quam belli cultores' schreibt Aventin an dem Rand unseres Frag-
mentes die schmeichelhafte Bemerkung *quos optimos etiam Aristoteles censet'.
96*
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742
nisse, wie sie die Copie entstellen, sich nicht viel gesorgt hätte, so ist
doch sicher, dass er sich um diese Copie nicht weiter gekümmert hat
Auf die Einlieferung des Annalentextes hin (Anfang 1526) erhielt
Aventin ein halbes Jahr später den herzoglichen Befehl, eine deutsche
Uebersetzung des Annalentextes, die Chronik, auszuarbeiten. Noch im
Jahre 1526 begann er und bis Ende 1527 war das 1. und 2. Buch fertig,
deren Reinschrift im Januar und April 1528 an den Hof abgeliefert
wurden. Der Text der Chronik weicht häufig stark von dem der Annalen
ab. Zu den zahlreichen Zusätzen un5 Aenderungen ist das Autograph A
benützt. Die Copie und die darin enthaltene Fassung des Textes hat
also Aventin schon 1 — 1^2 Jahr nach ihrer Entstehung nicht im geringsten
berücksichtigt. Demnach ist gar nicht daran zu denken, dass Aventin
in dieser Abschrift den endgiltigen oder zu veröffentlichenden Wortlaut
seiner Annalen anerkannt hätte. Also dürfen auch wir es nicht thun.
Für uns hat diese Copie fast nur den Werth, dass wir unterscheiden
können, welche Aenderungen und Zusätze im Autograph vor, und welche
nach 1525 entstanden sind.
So können wir uns endlich von der Abschrift, welche in der Aus-
gabe von Aventins Annalen viel Schaden gestiftet hat, zum Autographe
Aventins selbst wenden.
IL
Wie Ayentin zur Darstellung der bairlschen Geschichte kam.
Die 6 Bände, in welche Aventin anno 1521 seine Annalen rein
geschrieben hatte, waren sein grosser Schatz. Sie enthielten das Werk
seines Lebens, in strengerem Sinne als man gewöhnlich meint. Denn
darüber herrscht noch sonderbare Unklarheit, wann und wie Aventin
dazu gekommen ist, die Geschichte Baierns zu schreiben. Vogt in
der Biographie Aventins (Werke I, S. XV) schreibt den guten Gedanken
eigentlich den bairischen Herzogen zu, indem er sagt 'Aus diesen (ver-
schieden grammatischen und ähnlichen) Arbeiten wurde Aventin durch
seine Ernennung zum bayrischen Historiographen (im Jahre 1517) her-
ausgerissen, die ein verdienter Lohn für seine Treue und Hingebung
als Erzieher gewesen ist und ihn als Schriftsteller auf eine Bahn
geführt hat, welche seiner ganzen Anlage und geistigen Richtung am
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743
meisten entsprach*. Dass das ein grober Irrthum ist, bat schon Riezler
gesehen. Derselbe schiebt den Beginn dieser Arbeiten weiter hinauf
(Werke III, S. 546): „Schon in Paris (a. 1503) hatte Aventin nach dem
Zeugnisse Michael Hummelbergers lebhafte Theilnahme für historische
Studien bewiesen; er selbst erwähnt, dass er auf der dortigen Bibliothek
Urkunden gelesen. Der Beginn einer entschiedenen Richtung auf histo-
rische Thätigkeit fällt jedoch, soweit wir sehen können, erst mit seiner
Anstellung als Prinzenerzieher zusammen. Als er mit seinen Zöglingen
in Burghausen weilte (1509 — 1511), spürte er mit Eifer und Erfolg
geschichtlichen Aufzeichnungen und Alterthümern nach . . . Diese Anfübr-
ungen genügen, um zu zeigen, dass Aventin schon vor dem Antritt seiner
in offiziellem Auftrage unternommenen Forschungsreise (1517 und 1518)
mehrere Jahre hindurch aus Klöstern und Städten des Baierlandes reichen
Stoff zusammengetragen hat, wobei ihm seine Stellung am Hofe gewisa
auch schon förderlich war." Auch hier kommen wir also nicht hinaus
über den 'Beginn einer entschiedenen Richtung auf historische Thätigkeit
erst in der Zeit seiner Anstellung als Prinzenerzieher. ^)
In Wahrheit haben wir aber die deutlichen Beweise, dass Aventin
bereits in der Zeit, wo wir überhaupt zuerst mit seiner schriftstellerischen
Thätigkeit Fühlung bekommen, nicht nur Neigung für historische Studien,
sondern den ausgesprochenen Plan zur Geschichte Baierns in sich trug,
und wir dürfen schliessen, dass zur Förderung dieses Planes er mit festem
Willen in die Nähe der Fürsten zu kommen suchte. Das Glück war
allerdings seinem Streben ausserordentlich hold; allein Aventin durfte
sagen, er sei seines Glückes Schmied gewesen. Die Bewunderung für
den Mann muss wachsen, wenn wir erkennen, dass er selbst in seiner
Jugend den Plan zu dem Werke entworfen hatte, dessen Vorbereitung,
Ausführung imd Weiterführung dann den Hauptinhalt seines Lebens
gebildet hat.
Nicht äusserliche Zufälle bestimmten Aventin zur Wahl dieser Lebens-
aufgabe, sondern die Wurzeln seines gewaltigen Strebens gehen tiefer, in
den damaligen deutschen Humanismus. Das Wiederaufleben
der klassischen Bildung hatten die europäischen Völker unstreitig den
1) Auch Wegele, Geschichte d. deutschen Historiographie, 1886, S. 263 kommt nicht weiter.
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744
Italienern des 14. und 15. Jahrhunderts zu danken. Um so merkwürdiger
ist die Erscheinung, dass im Schluss des 15. Jahrhunderts manche deutsche
Humanisten die italienischen gering schätzten und verkündeten, wie das
Imperium, sei auch die höhere geistige Bildung auf die Deutschen über-
gegangen. Demgemäss verachteten sie Land und Leute Italiens, lobten
Griechenland und dessen Sprache und Literatur — ein nicht zu unter-
schätzender Umstand für die Entwicklung der griechischen Literatur- und
Sprachstudien, — priesen aber vor Allem Deutschland und kamen so
nothwendiger Weise dazu, auch die Vergangenheit Deutschlands zu erheben.
Wäre es damals überhaupt in der Mode gelegen, Hermann der Cherusker
hätte schon damals sein Denkmal im teutoburger Wald erhalten können.
Diese sonderbare Richtung der Geister, deren Schirmherr Kaiser
Maximilian wurde, hatte die segensreiche Wirkung, dass die deutsche
Geschithte eifrig erforscht wurde. An der Spitze dieser Richtung stand
Conrad Geltes und, mit welchem Eifer und Stolz er die Vergangen-
heit des deutschen Volkes erforschte, könnten schon seine Arbeiten über
die Germania des Tacitus, seine Ausgaben der Roswitha und des Guntherus
Ligurinus zur Genüge darthun. Er rühmt sein deutsches Vaterland und
seine eigene Kenntniss desselben und schildert es gern in Vers und Prosa.
In einem grossen epischen Gedichte wollte er die Thaten des Theoderich,
in einem grossen historisch-topographischen Werke, der Germania illustrata,
Deutschland schildern. Für unsere Zwecke ist es besonders belehrend
zu betrachten seine Panegyris ad duces Bavariae, d. h. ein Gedicht und
eine Rede, welche er 1492 beim Antritt seiner Professur in Ingolstadt
vortrug. In einem Gedichte in Hexametern lobt er Baiern, und ver-
spricht die Geschichte der bairischen Fürsten zu besingen:
Sed sua gesta canam totum Ventura sub orbem,
dum mihi victuro concedant fila sorores
et mea Maeonio resonabunt carmina plectro.
Tunc atavos proavosque canam clarosque parentes
felicemque Palatina cum prole Philippura.
Weiterhin lobt er den Eifer des Fürsten für die Pflege der Wissen-
schaften und der Poesie und verkündet, dass die deutsche Jugend bald
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nicht mehr in Italien, sondern die Jugend Italiens in Deittschland die
höhere Bildung suchen werde:
nunc iuvenile decus non nöstra relinquet
regna nee Italicas olim migrabit in oras
ob studia et mores legumque agnoscere nexus
morborumque lues, fato poscente sed nitro
Italiens properet Germanas visere terras.
Die Rede beginnt er mit der Erkläruilg, er würde lieber nicht
lateinisch sprechen, wenn in Deutschland noch, wie in Urzeiten, Griechisch
gesprochen würde; wie er zum Studium des Griechischen auch weiterhin
auffordert. Später erklärt er, die deutschen Gelehrten sollten sich
schämen, dass sie die griechischen und lateinischen Geschichtswerke nicht
kennen, aber vor Allem desswegen, dass Land und Leute und Geschichte
ihres eigenen Vaterlandes ihnen so fremd seien, während auswärtige
Historiker dieselben mit erstaunlichem Fleisse erforscht hätten. Diese
Worte, welche genau auf Aventin passen, lauten: Magno vobis pudori
ducite Graecorum et Latinorum nescire historias et super omnem im-
pudentiam regionis nostrae et terrae nescire situm sydera
homines montes antiquitates nationes denique, und später:
Pudeat . . neminem inter vos hodie inveniri qui res Germanica virtute
gestas aetemitati commendet. Weiterhin ruft er die Deutschen auf, die
von fremden Völkern zerstückten oder geraubten Grenzprovinzen wieder
zu erobern. Die Rede schliesst mit der Aufforderung an die studirende
Jugend, das Studium der edeln Wissenschaften eifrig zu pflegen, auf dass
sie selbst schaffen könnten und als Geschichtschreiber oder Dichter sich
Ruhm, ihrem Vaterlande Ehre erwürben.
Das ist der Boden, aus welchem Aventins Geist seine erste Nahrung
gesogen hat, und, wenn wir Aventins früheste Thätigkeit genauer be-
trachten, so ist kein Zweifel, dass Conrad Geltes sein geistiger Vater war.
Kaum 20 Jahre alt, hörte ihn Aventin an der Universität Ingolstadt.
Dann während des dreijährigen Aufenthaltes an der wiener Universität
pflegte er mit ihm den engsten Verkehr. So schreibt er in sein Tage-
buch *a. 1500 Viennae literis operam dedi contubemalis Chunradi Celtis*
und 'a. 1502 7 Decemb. Venit Chunradus Celtis ad me Apsbergunum.
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equitavi cum eo . . et Radesbonnam. 28. Dec. Angylostadium equitavimuß'.
Die frühesten Gedichte Aventins sind ganz nach der Art und in den
Dichtungsformen des Geltes, imd noch die letzte That seines Lebens, die
Ausarbeitung der Germania illustrata, ist nur die Ausführung eines
von Conrad Geltes entworfenen Planes.^)
Daran kann kein Zweifel bestehen, dass Aventin die ganze Richtung
seines Geistes dem Gonrad Geltes verdankt. Ja, ich glaube, wir müssen
weiter gehen und annehmen, dass er mit ihm schon den Plan entworfen
hat, den er dann sein Leben hindurch verfolgte, die Darstellung
der Geschichte Baiern s. Denn, wo wir zuerst auf eigene Thätig-
keit Aventins stossen, tritt uns dieser Plan in voller Ausbildung entgegen.
In Paris 1503 studirt er schon Urkunden der Kaiser Karl IV. und Sig-
mund. Kaum in seine Heimath zurückgekehrt, sammelt er schon 1507
eifrig römische Inschriften in Baiern^) und richtete in demselben Jahre
ein grosses Gedicht an den Hof, worin er die Urgeschichte Baierns und
einzelne Stücke der spätem Geschichte berührt und, wie oben Geltes, dem
Herzog verspricht, wenn ihm nur so viel Leben gegönnt sei 'quantum
sat facta tuorum (maiorum) dicere, perpetuas aequabunt carmina laudes'.
Noch deutlicher enthüllt er diesen Plan in einem andern Gedicht (Nr.V,
S. 623 im 1. Band von Aventins Werken), dessen ursprüngliche Fassung
Halm nicht der Angabe werth fand. In dem Autograph Aventins, der
lat. Handschrift 1138 in München, beginnt dies Gedicht: Alberto mea
principi Thalia | perfer vota tui brevis poetae . . weiterhin soll die Muse
dem Fürsten erzählen, welche Länder Aventin gesehen (brevis Naus visus
ist wohl die Nahe) und welche Wissenschaften und Sprachen (gleich Geltes.
Latein, Griechisch und Hebräisch) er studirt habe. Dann schliesst Aventin
'Tenes favorem | promissum. teneris ducem canenti | Musis hoc satis est;
1) Wie alles Andere, so hat Aventin auch die Abneigung gegen die Geistlichkeit von
Celtes gelernt. Die conservativen Scholastiker, deren Stützpunkt Italien war, konnten den
Neuerern, welche in den Wissenschaften und schönen Künsten Griechenland, in der Geschichte
Deutschland weit über Italien stellten, nur als Gegner erscheinen. Den Angriffspunkt für ihre
Feindschaft fanden sie in der Sittenlosigkeit der damaligen Geistlichkeit. Wie bei Celtes finden
wir desshalb auch bei Aventin schon in seiner ersten Schrift einen heftigen Angriff auf die Geist-
lichen: in den späteren werden sie immer schärfer.
2) In Fr. v. Oefele's Annalen von 1511 sind den vorangehenden Inschriften die Jahre bei-
geschrieben, in welchen Aventin eine jede gefunden hat.
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levi susurres | flatu principis auribus sereni: | Si dux annuet, acta Nori-
corum I cum terris referam ducum disertis | victuris quoque
praeparabo chartis . . Joannes Aventinus cecinit Ingolstadii MD VIII divo
Maximiliano a deo coronato feliciter imperante'. Also schon im Jahre
1507 und 1508, in den ersten Schriften Aventins, tritt sein Vorsatz, die
Geschichte Baierns nebst der Beschaffenheit des Landes darzustellen, klar
zu Tage. Erlaubt ist der Schluss, dass Aventin diesen Plan schon von
Wien mitgenommen hatte; sicher aber ist, dass er schon 1507 den Plan
zu seinem Lebenswerke entworfen hatte.
Aventins Annalen von 1509 und 1511.
Aventin war a. 1507 unstreitig der tüchtigste Humanist in Baiern.
Er hatte in Wien gesehen, wie seine Lehrer Geltes, Guspinian und der
Hofhistoriograph Stabius am Hofe Maximilians für ihre Forschungen zur
deutschen Geschichte glänzende Anerkennung und Hilfe fanden. Desshalb
scheint er, damals noch Privatgelehrter, direkt nach der Stelle 'als Er-
zieher der Söhne des Herzogs Albert gestrebt zu haben, weil er so seinen
Plan, die bairische Geschichte zu bearbeiten, am besten verwirklichen
konnte. Dies Mal war das Glück dem Würdigen günstig. Im Jahre 1509
wurde er wirklich Erzieher der Prinzen und lebte mit denselben 1509
und 1510 hauptsächlich in Burghausen; 1511 zog er mit ihnen nach
München, bald nach Ingolstadt. In diesen Jahren hat er nicht nur
Inschriften, Urkunden, Chroniken und andere historische Schriften ge-
sammelt, sondern schon seinen Plan zum ersten Male ausgeführt. Diesen
ersten Versuch finde ich in einem Concept, welches der 1. Band
seiner Adversarien enthält. Auf dem ersten Blatt standen ursprünglicli
nur die Worte 'Annales Bavariae ducum | et Caesarum Germaniae | In
arce Burghausen collecti. | Joannis Aventini sum. | 'Avi^ov yMi antxov.
Contine et Patere. | Die Blätter 2 - 6* enthalten eine Topographie und
Urgeschichte Baierns bis 530, welche der nüchterne Entwurf zu dem
hochtrabenden Text der nächsten Ausarbeitung von 1511 sind. Auf der
Rückseite des 6. Blattes steht 'hos annales in coenobio Monosenensi inveni
diligentissimos omnium quos unquam legerim'. Sie beginnen mit 508
und scheinen dazu bestimmt gewesen zu sein, die Fortsetzung der
Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 97
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Annalen zu bilden. Dieser erste Versuch ist also 1509 oder 1510 in
Burghausen gearbeitet.
Wie eifrig Aventin seinen Plan verfolgte, zeigt das nächste Werk,
in welchem er denselben verwirklichen wollte. Dasselbe ist jetzt im
Besitze des Freiherrn Edmund von Oefele, welcher in Aventins Werken
III, S. 554 — 556 darüber berichtet und auch mir freundlichst die Be-
nützung desselben gestattet hat Dasselbe hat den Gesammttitel 'Vetustates
Romanae annalesque ducum Bavariae | A Joanne Aventino philosopho*) |
Conlectae\ Hierauf enthält die Handschrift prächtig geschriebene Copien
römischer Inschriften in Baiem; dann 4 Bücher bairischer Geschichte
mit den Buchtiteln ^Annalium ducum Bavariae Über V etc. ; die Erzählung
ist hier so viel als möglich annalistisch. An den Rand der prächtigen
Reinschrift sind die darin benützten Quellen geschrieben. Auf Bl. 10*"
und 17'' sind 2 Gedichte geschrieben; Bl. 17*" das schon oben (S. 746)
erwähnte Gedicht über seine Reisen, Studien und sein Vorhaben, die
bairische Geschichte zu schreiben, doch in der Fassung, wie sie von Halm
gedruckt ist; fol. 10** das Lobgedicht auf den Herzog Wilhelm (Werke I,
S. 623 Nr. VI) mit anderm Titel 'Vialmo Bavariae atque Rheni principi
clarissimo Joannes Aventinus. Am Schlüsse steht in der Handschrift
eine Strophe mehr:
Externos soliti vincere tam diu,
Fatali, metuo, fine quiescimus:
(Vanus sim precor augur)
Jam nostris premimur malis.
Idve/^ov xal äjis^ov.
Da diese Strophe in dem Einblattdruck von 1511 fehlt, es aber
schwer zu denken wäre, warum Aventin diese Unglückstrophe nachträg-
lich sollte zugesetzt haben, so wird wahrscheinlich, dass die Reinschrift
der Annalen vor diesem Einblattdruck von 1511 gefertigt ist.
Auf der Rückseite des 1. Blattes steht das noch nicht veröffentlichte
Widmungsgedicht, welches ich mit der gütigen Erlaubniss des Freiherm
Edmund von Oefele hier mittheile.
1) Auch Celtes nannte sich gern einen philosophus.
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Vialmo principi Bavariae atque Rheni
clarissimo Joannes Aventinus.
Adfero, Germanis princeps clarissime terris,
Bavarico reperi quae monumenta solo.
Romula quingentos gens hie dominata per annos
Haec posuit regni maxima signa sui.
Mox fera dux Theodo conmittit proeiia Boius
Vindelico Latios pellit ab orbe viros.
Bavariamque vocant, quam Martia Roma diserta et
Graecia Vindelicum dixerat ante diu.
Hie decies centum iam Saxones atque Suevi
Regnarunt annos indigenaeque duces.
Quattuor haec obiter deduximus usque libellis
Et brevius quam res dicier illa queat.
Oeia sed nobis, dux optime, qualia Flacco
Fecerat Augustus Vergilioque suo:
Experiar vires; plenis tunc aequora velis
Sulcabo, toto tunc Helicone fruar.
TiXog. jivix^v >^olI dmxov.
Dieses Gedicht ist wichtig; minder weil es die Theilung dieses
Werkes in 2 Abschnitte, Inschriften (V. 1 — 4) und Geschichte (V. 5 — 12),
klar ausspricht; vielmehr, weil Aventin selbst diese Darstellung für zu
kurz erklärt und verspricht, die ihm jetzt gegönnte Zeit zu eifrigen
Studien und ausführlicher Darstellung der bairischen Geschichte auszu-
nützen, ein Versprechen, das et» vollauf erfüllt hat. Die Zeit dieser
Schrift ist bestimmt durch Aventins Worte, welche sich gegen den Schluss
(Bl. 184) finden 'anno salutis 1511 hos annales Monachi perscribebamus*.
Wie Ayentin seinen Stoff sammelte.
Diese Annalenversuohe waren treffliche Vorübungen. Aventin konnte
dabei schon an vielen Punkten wahrnehmen, wo es fehle und worauf es
ankomme. Jene Jahrzehnte waren sehr wichtig für die Erschliessung
des klassischen Alterthums. Aus den europäischen Bibliotheken wurden
zahlreiche Schriften des Alterthums ans Licht gezogen, darunter auch
97»
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manche Geschichtswerke, wie z. B. ein Theil des Tacitus. Dieser reiche
Stoff wurde eifrigst durchforscht und speciell die Darstellung der alten
Geschichte führte dazu, die Nachrichten der einzelnen Schriftsteller zu
sammeln, zu sichten und ordnen, die widersprechenden zu prüfen und
gegen einander abzuwägen.
Das rege Schaffen im Gebiete der klassischen Literatur machte
Aventin klar, wie die mittelalterliche Geschichte anzufassen sei. Diese
Erkenntniss ergriff den rechten Mann zur rechten Zeit. War seine frühere
eifrige Beschäftigung mit den römischen Inschriften eigentlich nur eine
gelehrte Spielerei gewesen, welche er in den Annalen von 1511 höchstens
zu dem kurzen Satze verwerthen konnte, dass die Römer einst lange in
diesen Gegenden sassen, so hatte sie doch seinen Sinn rege gehalten für
reine Quellen der Geschichte. Seine Stellung mid seine Aufenthaltsorte
machten es Aventin leicht, Urkunden und Quellenschriften der deutschen
und bairischen Geschichte in Archiven und Bibliotheken zu sehen. Auf
diese Weise wurde Aventin inuner mehr zu jener Art und Weise der
Forschung geführt, welche ihm den Beinamen des Vaters der neueren
Geschichtsforschung verschafft hat. Seine Annalen und seine Chronik
sind erst lange nach seinem Tode, 1554 und 1566, veröffentlicht worden;
zu seinen Lebzeiten hat er nur kleine Schriften veröffentlicht, deren
meistens unbedeutender Inhalt wenig wirken konnte. Allein der weit-
verbreitete Ruf, dass da ein Geschichtsforscher lebe, welcher es für nöthig
halte, Urkunden und Quellenschriften aus den Bibliotheken zu sammeln
und auf diese erst die Darstellung der mittelalterlichen Geschichte zu
begründen, dieser Ruf hat für die Entwicklung der modernen Geschichts-
forschung mehr gewirkt.
Eine Anzahl kleiner Arbeiten, welche Aventin in den Jahren 1512
bis 1517 beschäftigten, geben einmal den Beweis, dass er sein Versprechen,
die bairische Geschichte ausführlich darzustellen, im Geiste festhielt und
dass er die Aufspürung von Inschriften, Urkunden und historischen Quellen-
schriften aller Art immer eifriger verfolgte, d. h. dass seine Methode der
Geschichtsforschung sich immer deutlicher ausbildete. Das Jahr 1517
brachte die entscheidende Wendung. Seine Thätigkeit als Erzieher ging
zu Ende, und er verschaffte sich die Ernennung zum Hofhistoriographen,
zugleich aber einen Einlassbefehl für die Bibliotheken des Herzogthums.
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Aventin stand jetzt am Ziel seiner Wünsche. Es war ihm die Möglich-
keit geboten, für seine Lebensaufgabe, welche er liebte und durch die
früheren Versuche aufs genaueste kennen gelernt hatte, reichen neuen
Stoff zu durchsuchen und dann das Gefundene, frei von andern Ver-
pflichtungen wie von Geldsorgen, in Ruhe zu verarbeiten. Das Suchen
in den Bibliotheken dauerte bis Ende des Jahres 1518. Im Februar 1519
begann Aventin die Verarbeitung des bisher gesammelten Stoffes, welche
bis in den Mai 1521 währte.
Die Aiinalen von 1521: Concepte und Reinschrift.
Die Vorbereitung der neuen Bearbeitung der bairischen Annalen ist
zu finden in den Verweisen, welche den Rand seiner Annalen von 1511
bedecken. Da ist eine Menge von Schriften notirt, welche für den
betreffenden Gegenstand auszunützen seien. Auch sind an diesen Rändern
schon eine Anzahl Stellen der Annalen im ersten Entwurf geschrieben.
Seinen eigentlichen Entwurf arbeitete Aventin auf Bogen von der
jetzt noch üblichen Grösse aus. Bruchstücke dieses Entwurfes fanden
sich bis jetzt in Wolfenbüttel und in Stuttgart. Das wolfenbüttler Bruch-
stück (Sign. 19. 22. fol., von Riezler mit C bezeichnet) umfasst das ganze
erste Buch und den Anfang des zweiten, d. h. S. 1 — 121 von Riezlers
Ausgabe (nicht S. 34 — 121, wie Riezler sagt). Die Stuttgarter Hand-
schrift (Hist. fol. 404, von Riezler mit D bezeichnet) umfasst Stücke
des 2., 3. und 4. Buches. Diese wichtige Handschrift verdient genauere
Beschreibung, als sie bei Riezler im Nachwort S. 538 gefunden hat.
I. Fol. 1 — 14 enthalten ein Verzeichniss der von Aventin benützten
Quellen, hauptsächlich der handschriftlichen, da z. B. die antiken Schriftsteller,
nicht erwähnt sind.
Dieses Verzeichniss sollte gedruckt und commentirt werden; denn es ist nicht
nur wichtig für die genauere Kenntniss Aventins, sondern auch für die Kunde unserer
mittelalterlichen Geschichtsquellen. Dasselbe ist allerdings erst nach 1566 in Com-
burg geschrieben, (vielleicht von Erasmus Neustetter; vgl. Heyd's Notiz in Aventins
Werke III, S. 541), allein der, welcher es ausarbeitete, benützte dabei einen etwa
34 Blätter starken Index, hinter welchem wahrscheinlich eine wichtige Schrift Aventins
verborgen ist. Denn am Schluss dieses Quellenverzeichnisses sind einige andere, nicht
minder wichtige Verzeichnisse beigefügt *Ab Aventino libri ediii et promissi', dann
*Ab Aventino praestita*. In diesen letzten Abschnitt ist genannt *Index Germanicus
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eorum, quae Aventinas mandato ducum Bavariae conquisivit. Wahrscheinlich ist
dieser Index in dem vorliegenden benutzt. Aus Riezlers Ausgabe und besonders aus
seinem Nachworte kann man sehen, wie schwierig es oft ist Aventins Quellen zu
finden, wie wichtig anderseits manche dieser Quellen sind : um so willkommener muss
ein so sicherer Führer sein. Dann hatte der Verfasser die Collectaneenbände Aventins
vor sich, welche sich nicht in München befinden, und eine Reihe von Schriften, welche
Aventin verfasst oder besessen hatte. Die Wichtigkeit dieser Notizen beweise nur
ein Beispiel. Riezler hat (in den Sitzungsberichten der münchner Akademie 1881
und Aventins Werke III, S. 576) ausführliche Untersuchungen angestellt über ein
von Aventin benutztes, jetzt verlorenes Geschichtswerk des 8. Jahrhunderts von
einem gewissen Creontius. In unserm Verzeichniss steht S. 7* ^F. 4. p. 1; F. 31.
p. 1. (d. h. El. 4* und 31* des benützten Index) Vita Thassaloni III scripta a Creontio,
qui Thessalono fuit ab epistolis, incipit ab anno Christi 771 usque ad annum 796*.
Dieser scharf begrenzte Titel scheint mir der richtige zu sein. Die Erwähnung der
sonst fehlenden Collectaneenbände lässt hoffen, dass dieselben sich in Comburg befanden
und dass bei einigem Suchen diese Miscellaneenbände oder andere Manuskripte Aven-
tins sich noch finden, am ehesten in der Stuttgarter Bibliothek.
IL Bll. 17—32 enthalten das oben (S. 729 u. 741) besprochene Stück der
Annalen (Buch I, S. 30, 5—43, 15); Bl. 29 gehört vor 25, Bl. 28 nach 32, da das
äusserste Doppelblatt der Lage zum innersten geworden ist.
III. Bll. 33 — 138 enthalten die Bruchstücke des wichtigen, eigenhändigen Ent-
wurfes Aventins zur Chronik (von Lexer mit 0 bezeichnet), und zwar Bl. 33 — 68 aus
dem zweiten, Bl. 69 — 76 aus dem vierten, Bl. 77 — 138 aus dem ersten Buche.
IV. Bll. 139 — 194 enthalten die Bruchstücke des Entwurfes der Annalen und
zwar Bl. 139-148 (5 Doppelblätter) = Buch II, S. 169, 11—183, 26; dann Bl. 149
bis 158 (5 Doppelblätter) und 159—166 (4 Doppelblätter) = Buch II, S. 207, 20
bis 238, 33; dann Bl. 167—174 (4 Doppelblätter) = Buch IV, S. 561, 14-570,25;
dann Bl. 175-182 (4 Doppelblätter) = Schluss des III. Buches 408, 11—418; dann
Bl. 183—188 (3 Doppelblütter) = Buch II, S. 284, 15—294, 29; endlich Bl. 189
bis 194 (3 Doppelblätter) = Buch II und III, S. 324,6—332, 1.
V. Bll. 195—200 (3 Doppelblätter) Cassiodors Chronik, vom Jahr 385 an bis
zu Ende mit dem Zusatz, den Mommsen, (Ber. d. sächs. Ges. VIII, 1861, S. 571)
gedruckt hat. Der Text ist aus der Regensburger Handschrift, welche Aventin ent-
deckt und seinem Lehrer Cuspiniau zur Herausgabe überlassen hatte (vgl. oben 8. 735)
von einem Andern abgeschrieben, doch von Aventin mit Noten versehen. Auf Bl. 200
sind chronologische Notizen und eine lange Notiz über Ereignisse in Ungarn a. 1528
von Aventin geschrieben.
VI. Bll. 201—206 und 207 und 208 (3 + 1 Doppelblätter) Auszüge aus
Heiligenleben besonders der Merovinger- und Karolingerzeit mit einem Index der hier
vorkommenden Namen. Bl. 207 Genealogische Tafel der ältesten Witteisbacher.
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753
In diesem Entwürfe hatte Aventin natürlich vielfach geändert und
zugesetzt. So war es natürlich, dass er nach Beendigung des Entwurfes
sofort, im Juni 1521, die Reinschrift begann, welche er schon am
1. August 1521 beendete. Schon die Kürze der auf diese Reinschrift
verwendeten Zeit lässt keine grossen Aenderungen erwarten. In der
That stimmt der Wortlaut, welchen man aus dem Entwürfe zusammen-
stellen kann, ziemlich genau überein mit dem Wortlaut, welchen die
Reinschrift, unsere münchner Handschrift, A = Cod. lat. 282 — 287,
ursprünglich enthält. Diesen Text kann man den Columnentext von A
nennen, im Gegensatz zu den zahlreichen spätem Randnoten.
Bei diesem schnellen und langweiligen Abschreiben würden jedem
Menschen Versehen passirt sein. Auch Aventin sind nicht eben wenige
derselben passirt, welche der Copist in der Stuttgarter Handschrift B
meistens getreu nachgeschrieben hat. Riezler lässt sich nun bald vom
richtigen Gefühle leiten und corrigirt sie, wie Buch II, 145, 19 Justi-
nianus statt Rust. (AB), 249, 33 intra.. flumina statt fluminibus (AB),
279, 20 armis victricibus statt victribus (AB), bald lässt er sich von
seinem unglückseligen Prinzipe, die Gopie als zweites Autograph zu ver-
ehren, dazu verleiten, solche groben Schreibfehler festzuhalten, nur dess-
halb, weil sie eben nicht allein in A, sondern auch in B stehen; (vgl.
Werke III, S. 543 = oben S. 730/1), während es eigentlich eine Beleidigung
Aventins ist, wenn man Fehler wie Arcdata statt Aredata (Chronik),
Quintili Varre, in celeberrime (statt celeberrimo) paschalium festo die,
deditios (statt dedititios) seinem Unverstände, und nicht seiner irrenden
Hand zuschreibt Hie und da freilich corrigirt Riezler sogar vollkommen
richtige Wörter, welche in beiden Handschriften stehen, wie Buch III,
S. 376, 3 duos filios, während A und B duo haben (vgl. Werke I, 410, 28).
Solche Irrthümer des Autographs A leichter zu erkennen, dazu
kann sowohl die Vergleichung der Concepte C und D als die der deutschen
Umarbeitung in der Chronik helfen, von welchen beiden Hilfsmitteln
Riezler keines benützt hat. Dieselben können auch sonst auf die richtige
Spur führen. So hat Riezler S. 178, 31 has ego pugnas ad contentiosos
in palestram relego, coniecturas humanas; certi nihil adferre possem. Im
Concept D steht Ego nach relego; des Übeln IQanges willen hat Aventin
in A es weggestellt; dieser Umstand schon, wenn nicht der Sinn und
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754
die Interpunktion in A, hätte Riezler zeigen können, da» 'coniecturas
mit adferre* zu verbinden ist: relego. Coniecturas humanas, certi nihil
adferre possera.
Natürlicher Weise hat Aventin bei der Reinschrift von A auch hie
und da Wörter vergessen, deren Fehlen nicht gerade einen Unsinn
erzeugt, also von ihm weder beim spätem Durchlesen von A noch bei
der üebersetzung gemerkt wurde.
So berichtet Aventin (Buch II, S. 211, 33) Chatti ac Chaiici . . Gallias inrum-
punt.., Rhetos.. pervagantur. Britani quoqiie rebellant; contra hos Agricola missus
est. in Ghillias . . proficiscitur Didius Julianus, qui post imperavit. Noricorum . . duces . .
ab hostili incursatione Rhetias . . vindicarunt : so schreibt Aventin in A und darnach
in der Chronik. Im Concept steht nach imperavit der Satz 'tumultuariis auxiliis pro-
vincialium hostibus restitit; Chattos Chaucosque debellavit, welcher Satz auch in der
Vita Didii steht, aus der auch das Uebrige entnommen ist. S. 214, 22 verum in
Oriente Avidius Cassius rebellavit, coactus Marcus orientem petiit: so A und die Chronik.
Im Concept steht (aus derselben Quelle mit abgeschrieben) nach rebellavit 'seque
imperatorem adpellavit*. Beide Sätze hat Aventin, nach meiner üeberzeugung , beim
flüchtigen Abschreiben tibersehen und hätte sie gewiss ergänzt, wenn er das gemerkt
hätte. Allein, da durch diese Versehen kein Unsinn entsteht, gehören solche Dinge
nur in die Noten.
Buch II, S. 288, 15 wird Theodosius geschildert, irascebatur sane facile rebus
indignis, sed cito flectebatur. in summa., vivum christiani principis exemplar fuit;
so Riezler. In dem Concepte D folgt auf flectebatur *Corrigi se atque adytu (== adyto,
nicht aditu) arceri a divo Ambrosio summa civilitate pertulit'. Dieselben Worte hat
Aventin in der Reinschrift A geschrieben, doch die Worte atque bis summa unter-
strichen. Das Unterstreichen der Worter bedeutet bei Aventin bald Tilgung, meistens
Hervorhebung oder Zusammengehörigkeit. Der Copist in B nahm es hier für Tilgung
und schrieb nur ab ^corrigi se civilitate pertulit* was dann Aventin durchstrich, wess-
halb Riezler Alles ohne jegliche Bemerkung weglässt. Dagegen übersetzt Aventin
selbst in der Chronik *lit gar gern, das in sand Ambrosius in etlichen dingen straft
und änderst underricht* und beweist damit, dass er den vollen Wortlaut des Conceptes
und des Autographs haben wollt« und dass Riezler denselben in den Text hätte
setzen sollen.
So lassen sich die Concepte vielfach verwerthen, um den Text von
Aventins eigenhändiger, am 1. August 1521 vollendeter Reinschrift zu
controliren. Aber die Fehler, welche Aventin bei dieser schnellen Rein-
schrift unteriiefen, sind nicht besonders viele.
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755
Weiterffihrung der Annalen ?on 1521.
Diese Reinschrift bot einen abgeschlossenen Text; allein Aventin
ruhte nicht Neue Drucke, neue Funde boten ihm in den nächsten
Jahren neuen Stoff. Diesen verarbeitete er in seinem Handexemplar A,
indem er Manches änderte, sehr Vieles zusetzte. Die Zusätze in A
sind im ersten Buche nur bei der Eigennamenliste sehr zahlreich, sonst
spärlich; im 2. und 3. Buche massenhaft; im 4., 5., 6. und 7. Buche
wenige. An manchen Stellen ist ein förmliches Wirrwarr von solchen
Zusätzen entstanden, und das Einzige, was ich an dem Copisten der
Handschrift B lobenswerth finde, ist das, dass er sich in diesem Wirrwarr
meistens zurecht fand und selten einen Zusatz an der unrechten Stelle
einschob.
Riezler ist an solchen Stellen hie und da ein Unglück passirt; so führt er
z. B. zu 352, 26 in der Note die Worte *fuere autem Cucullae Norici superioris
oppidum' als neue Randnote von A an, während er dieselben Worte bereits im Text
gedruckt hat, und dieselben auch in A natürlich nur ein Mai stehen. S. 74 müssen
die Zeilen 1(3 — 18 inhabitaruntque . . Senegallica nach Z. 7 reliquerunt stehen; dann
folgen Z. 7 in Suevorum — 15 refert. Hierauf folgt, wie Aventin durch den Beisatz
*causa* nach refert bezeichnet hat, Z. 19 Causa. Mir ist auch nicht wahrscheinlich,
dass Z. lt)~18 in der Handschrift B wirklich fehlen, wie Riezler angibt, da der Satz
in den alten Ausgaben steht, welche aus B abgedruckt sind.
Die A und B geineinsiimen Besserungen und Nachträge.
Das Schicksal, welches den Annalentext in den Ausgaben betroffen
hat, zwingt uns, diese Randeinträge in Aventins Handexemplar für die
Betrachtung in 2 Klassen zu sondern. Die Ausgaben vor Riezler sind
eigentlich nur Abdrücke der Copie B, und auch Riezler setzt Alles das
in den Text, was die Copie B hat. Der Copist hat aber alle Correkturen
und Randeinträge, welche er in A vorfand, einfach in den Text genom-
men, und desshalb stehen jetzt alle Einträge, welche damals, als B ab-
geschrieben wurde, schon an den Rand von A geschrieben waren, auch
bei Riezler einfach im Text. Nach Riezlers Worten (Werke III, S. 545)
^Soweit Randnachträge der Handschrift A in B in den Text aufgenommen
sind (ein seltener Fall), waren sie selbstverständlich auch von mir
Abh. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. Ü8
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756
in den Text einzureihen*, sollte man meinen, die Zahl dieser Randeintrage
sei gering. Allein das ist nicht richtig; im 2. und 3. Buche sind diese
Randeinträge, welche schon der Copist vorfand und einschob, sehr zahlreich.
Wenn ein Wort oder Satz einmal in der Copie steht, so kümmert
sich Riezler nichts darum, ob dieselben erst durch Correktur oder Nach-
trag in Aventins Handexemplar gekommen sind. Und doch zeigt reiflichere
Ueberlegung oft, dass eine Nachricht davon sehr nützlich wäre.
Schon die erste Seite der Annalen gibt ein deutliches Beispiel hievon. Unter
den Authores domestici sind hier genannt 'Fretbulphus et Schritovinus, antiquissimi
Boiorum historiographi'. Diese Autoren werden in den Annalen nur noch ein einziges
Mal genannt : S. 63, 4 'Schritovinus et Frethulphus tribuunt eum\ Ueber diese beiden
Autoren stellt Riezler selbst (Werke III, S. 561—572) lange Untersuchungen an und
findet selbst hier 'schwierige, wiederholt erwogene, noch nie befriedigend beantwortete
Fragen'. Er kommt zu dem Resultat, dass mit Fretulphus der um 1481 schreibende
Füetrer, mit Schritovinus der wenig ältere Schreitwein gemeint sei, dass also der
Ausdruck 'antiquissimi historiographi' fast Schwindel sei; freilich findet sich auch die
Angabe, welche S. 63, 4 denselben zugeschrieben wird, nicht in denselben. Nun bemerkt
Riezler selbst in dem Nachwort S. 561 'Aventin scheint hier bezüglich seiner Quelle
keine ganz sichere Erinnerung gehabt zu haben. Darauf deutet, dass er in der Hand-
schrift A zuerst schrieb: Albertus Boiemus eum tribuit; dies ist durchstrichen und
am Rande corrigirt: Schritovinus et Fretulphus tribuunt eum\ Riezler macht damit
weiter nichts, weil in der von ihm bevorzugten Copie B alles in Ordnung scheint;
jene Correktur fand er nicht einmal würdig, in den Noten unter Aventins Text
erwähnt zu werden. Nun stehen aber auch jene Worte im Anfang der Annalen in
Aventins Autograph erst am Rand; in der Columne bietet dafür sowohl das Con-
cept (C) als das Autograph A : Albertus Boiemus decurio Laureacensis et Bathavensis
a consiliis Otonis primi praefecti praetorio Rheni ducisque Boiorum. Also an den
beiden Stellen der Annalen, an denen allein die räthselhaften antiquissimi Boiorum
historiographi vorkommen, hatte Aventin ursprünglich den Albertus Boiemus genannt
Von diesem kannte er Schriften, die uns verloren sind; so nennt er unter den Schriften,
welche er entdeckt habe, (Werke I, S. 640) 'Jordanus episcopus integer cum adnota-
tionibus et commentariis Alberti Boemi*; (dieser Jordanus kann nur der alte Gothen-
geschichtschreiber sein; vgl. Chronk IV, S. 674 Jordanus der bischof). In der Zeit
Albert des Böhmen muss Aventin sich geirrt haben; hier und in jenem Brief an
Leonhard v. Eck schreibt er Otonis primi, in der Vorrede zum 7. Buch hat er zuerst
geschrieben Otonis quarti, dann quinti corrigirt. Vielleicht hat ihn später die Erkenntniss
dieses Irrthums veranlasst, den Albertus aus der älteren Geschichte ganz zu streichen
und dafür kurzweg den Fretulphus und Schritovinus zu setzen, welche er für die
deutsche Chronik ausnützte. Wie dem auch sei, jedenfalls, sind die angeführten
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757
Correkturen für die Entscheidung dieser Frage wichtig; aber aus Riezlers Ausgabe
erfahrt man davon so viel wie Nichts.
In der Vorrede zum 6. Buch der Annalen bekämpft Aventin die Habsucht der
KirchenfQrsten und bringt S. 171, 9 vor *Xistus quartus pöntifex maximus* habe
Albrecht dem IV. und dem Lande unentgeltlich gestattet, auch am Freitag Eier,
Käse und Milch zu gemessen. Dann heisst es bei Riezler *extat diploma, cur Regino-
burgensium personatus vicarius contra edictum summi pontificis, non veritus eins
fulmep, illa nos a se emere cogit atque nostra nobis vendit hasque nundinas demum
ante triennium abhinc instituit'. Was soll das heissen? Die ganze Kraft der aven-
tinischen Rede ist so dahin. Aventin wirft vielmehr den Satz hin *extat diploma'
(nemlich Xisti pontificis); dann föhrt er mit der unwilligen Frage weiter: Cur Regino-
burgensium personatus vicarius . . illa nos a se emere cogit atque . . vendit ? Da
*instituit' in A zu 'instituere* corrigirt ist, so ist mit *Hasque' ein neuer Satz zu be-
ginnen. Aber der Anfang dieses Satzes ist nur durch Correktur hergestellt; zuerst
hatte Aventin geschrieben: Cur Xistus Prisingius (ein Sixtus Preysing war um 1521
Vicar) Reginoburgensium personatus pontificulus illa nos a se emere cogit? Dieses
beissende Wortspiel hätte zum mindesten ein Plätzchen in den Noten verdient.
Durch Kenntniss der Zusätze wird das Verständniss von Aventins
Worten, seiner Quellen und damit seiner Verarbeitung dieser Quellen oft
deutlich. Das ist aber eine wichtige Sache.
So druckt Riezler S. 118, 11 einfach: postremo omnium demum ad Germanos,
gentem fidei conmissae (sicuti ait Tacitus) patientiorem, terrarum dea gentiumque,
Roma, cui par est nihil et nihil secundum, cum fascibus et aquilis conmigravit.
Hier merkt der Philologe vielleicht Etwas von Versen; der Historiker merkte sie
nicht, obwohl Aventin in der Columne geschrieben hatte caput mundi roma, dann
in 2 Zeilen an dem Rande nachtrug: Terrarum dea gentiumque Roma | Cui par est
nihil et nihil secundum, ein Cifat aus Martial, das ihm so sehr gefiel, dass er es
vneder in der Chronik (S. 620) nicht nur deutsch, sondern sogar lateinisch ausschrieb.
Belehrend ist auch folgendes Beispiel. S. 172, 21 berichtet Aventin von den
ersten Glaubensboten:
I II
Lucius Cyrenensis in Vindelicia et Rhetüs Lucius Cyrenensis in Vindelicia et Rhetiis
provinciisque Histro conterminis chri- provinciisque Histro conterminis chri-
stianae pietatis sementem fecit, quae 3 stianae pietatis sementem fecit, quae
paulatim radices egit atque succrevit oc- paulatim radices egit ac succrevit oc-
culto velut arbor aevo. 5 culto velut arbor aevo ^crescens in Gala-
thiam hoc est Gallias Germaniasque. Ti"
7 tiAS in Dalmatiam, üa divus Faulte
narrat^ profectus est. ^yThomam Ger-
9 manis et Scythis praedicasse^ testis est
98*
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(Dorotheus et^ getilgt in A) Sophronius.^*'
opidatim tum conmuni omnium suflFragio 11 opidatim tum communi omniuni sufiragio
delecti sunt sacerdotes, qui populum quis- delecti sunt sacerdotes, qui populum quis-
que suum docerent. verum postea ob dis- 13 que suum docerent. verum postea ob dis-
cordiam et impostorum fraudem, qui sub cordiam et impostorum fraudem, qui sub
obtentu ceremoniarum religionem nun- 15 obtentu ceremoniarum religionem nun-
dinabantur, complacitum est caput et dinabantur complacitum est caput et
unum qui caeteris praeesset constituere. 17 unum qui caeteris praeesset constituere.
maiorumitaquecivitatiura sacerdotes ponti- maiorum itaque civitatium ponti-
fices, Aquileiae patriarches Laureaci 19 fices, Aquileiae patriarches Laureaci
archimystes creatus est. In actis divorum archimystes creatus est. in actis divorum
et pontificum Laureacensium scriptum 21 et pontificum Laureacensium scriptum
lego, divum Marcum, iego, divum Marcum, ^quem divus Patdus
23 advutoreni suum vocat cuiusque meti-
tionem et in epistola ad Timotheum et
25 Philemonem scripta facit\ „in Norito
primo Aquileiae et in finitimis provinciis Laureaci''
rudimenta disciplinae christianae tradi- 27
disse ipsumque postea Alexandriam Ae-
gypti conmigrasse relictis in nostris 29
regionibus Hermagora Fortunatoque in-
digenis, qui posthac philosophiae nostrae 31 philosophiae nostrae
mysteria interpretarentur. mysteria ^interpretatum fuisse.
Was hier unter I steht ist der Wortlaut des Conceptes (D) von 1519 und des
Columnentextes der Reinschrift A von 1521 ; nur steht in der letzteren Z. 4 ac,
fehlt Z. 12 sacerdotes, steht Z. 29 concessisse. Nach dem Jahre 1521 hat Aventin
die Zusätze Z. 5, 8, 22 gemacht, dann in seinem Handexemplar Z. 26 primo bis 30
regionibus unterstrichen, Z. 30 Hermagora bis 31 posthac durchstrichen und Z. 25
in Norico Laureaci sowie interpretatum fuisse an den Rand geschrieben. Die Zusätze
Z. 5, 8, 22 sind ohne Belang; ich führte sie nur an, damit man sehe, dass die von
dem Copisten B in A vorgefundenen Zusätze nicht selten sind, wie Riezler sagt. Da-
gegen bemerkenswerth war die Aenderung in Z. 26 — 32. Wäre die hier genannte
Quelle verloren oder ihre Kenntniss sonst wichtig, so würden wir durch den abge-
kürzten Text der IL Spalte ganz irre geführt werden. Nur diesen letzteren Text
aber (dazu Z. 23 coUegam und eiusque) geben die Copie B und die Ausgaben ohne
irgend eine Bemerkung.
Aventin bietet uns freilich schon jetzt wenige Notizen, die uns
anderweitig nicht besser überliefert wären. Die Zahl derselben und
somit der sachliche Werth seiner Geschichtswerke wird sich von Jahr-
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zehnt zu Jahrzehnt noch vermindern. Dagegen werden seine Werke als
wichtigste Glieder in der Entwicklung der deutschen Geschichtsschreibe-
kunst schon jetzt hoch geschätzt und immer beachtet werden. So ist
das zweite Buch, worin das römische Kaiserreich im Kampfe mit den
Germanen geschildert wird, abgesehen von einigen jetzt verlorenen In-
schriften, sachlich schon jetzt werthlos, und doch ist und bleibt diese
Erforschung und Verarbeitung des riesigen Materiales eine denkwürdige
That der deutschen Geschichtschreibung. Will man aber Aventins Kunst
richtig beurtheilen, so ist nichts noth wendiger als die Kenntniss der von
ihm verarbeiteten Quellen. Kellerbauer hat zum 2. Buch der Annalen
hiezu Vieles beigetragen; allein er arbeitete mit unnöthigen Schwierig-
keiten. Er hatte dabei offenbar nur die Ausgaben zur Hand. So citirt
er viele überflüssige Stellen, und die richtigen sind in Riezlers Ausgabe
nicht immer am richtigen Platze notirt. Mit dem Handexemplar Aventins
vor Augen lässt sich diese Arbeit richtiger und leichter machen. Wer
z. B, sieht, dass im Autorenregister des 1. Buches, S. 2 Z. 18^ — 25, die
Stelle über Velleius erst später eingesetzt worden ist,^) dass also Aventin
den Velleius bei der Reinschrift des Columnentextes von A noch nicht
kannte, der wird bei sehr vielen Zusätzen des 1. und 2. Buches der
Annalen einen sichern Führer haben; vgl. unten die Stelle über Varus.
Oefter schützt nur die Untersuchung von Aventins Autograph davor,
ihm Unrichtigkeiten oder Widersprüche zuzuschreiben.
S. 152, 17 sah auch Riezler ein, dass, wenn man der Copie B folge, 1 oder
2 Inschriften fälschlich in das Praetorium Aetolingonum verlegt würden. S. 246, 27
schrieb Aventin zuerst nur eine Mtinzinschrift (Z. 28) ohne weitere Notiz, dann
schrieb er an den Rand Caspar Vinozero ex Strubiis attulit nebst einer andern Münz-
inschrift (Z. 29). Der Copist von B und nach ihm die Ausgaben machen die Sache
so, als ob Caspar Vinozero beide Münzen Aventin gebracht hätte. S. 124, 5 schrieb
Aventin zuerst: Sycambri . . M. LoUium cum copiis profligant incremantque, in igno-
niiniam populi romani viginti centuriones crucibus adfigunt. Hier hatte er zwei
Stellen vereinigt: Florus 4, 12 Sicambri.. viginti centurionibus incrematis (jetzt liest
man da : in crucem actis) und Dio 54, 20 Sicambri , . quosdam Romanorum in cruceui
egerant. Später las Aventin im Velleius ^clades sub LoUio . . amissa legionis quintae
1) Zeile 24 daselbst schreibt Biezler, ich weiss nicht wesshalb, praefecti fabrum, tribum,
castrorum, legati statt des richtigen praefecti fabrum, tribuni castrorum, legati, was Handschriften
und Ausgaben haben.
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aqui1a\ Er unterstrich nun 'incremantque' und schrieb an den Rand: aquila quintae
legionis potiuntur. Der CJopist schrieb und alle Ausgaben drucken: profligant, aquila
quintae legionis potiuntur incremantque, in ign. etc., obwohl das eine grosse Thorheit
der Sigambrer gewesen wäre. Aventin selbst zieht sich in der Chronik so aus der
Verlegenheit 'erlegten den . . Lollium mit seinem volk und versprenten ihn ; gewunnen
ein adler . . hingen an einen galgen . . 20 haubtleut'; das hat wenigstens Sinn.
Die Correkturen und Zusätze, welche der Copist von B schon in A
vorfand, sind also in manchen Theilen der Annalen sehr viele. Schon
die angeführten Gründe beweisen, dass die Kenntniss dessen, was im
Autograph A vor der Correktur stand, oder dessen, was erst nach 1521
zugesetzt wurde, nicht nur für den Herausgeber, sondern oft auch für
den Leser wichtig wäre. In der Copie B steht aber überall ein glatler
Text und demnach auch in den Ausgaben.
Die nar in A erhaltenen Nachträge und Besser angen.
Ich gehe jetzt zu den Aenderungen und Zusätzen über, welche
Aventin erst dann in sein Handexemplar eintrug, als die Copie B schon
abgeschrieben war, von denen also in B und in den Ausgaben vor
Riezler keine Spur ist. Riezler hebt im Nachwort zuerst den Werth
dieser Randeinträge hervor und schliesst S. 545 *^Mit Ausnahme der
gnm unbedeutenden ^ die im Verhältniss zu den übrigen spärlich sind,
wurden desshalb diese Randeinträge in die Noten unter dem Texte auf-
genommen. Leider hat Riezler sich hier beträchtlich geirrt. Das Auto-
graph A enthält zum 2. und 3. Buche sehr viele längere Einträge, wie
Riezler nur einen zu Bd. II, Seite 220 abdruckt. Schon im Anfange hatte
Riezler die Geduld verloren und bemerkt S. 239 Z. 21 *Am Rande in A,
wie in der Folge häufig kirchengeschichtliche Nachrichten, die nichts
Eigenthümliches bieten , wozu zu ergänzen ist 'und desshalb weggelassen
wurden\
In Wahrheit hat Riezler noch nicht die Hälfte, vielleicht nur ein
Drittheil der betreifenden Randeinträge mitgetheilt.^) Nur ein kleiner
1) Sogar im 8., 9. und 10. Capitel des 3. Baches, wo Riezler in diesen Randnoten den
Sparen des Creontius nachging, hat er manche weggelassen; so gibt er von den beigesetzten
Jahreszahlen einen Theil an, einen Theil nicht. Dann fehlen bei ihm kleine, aber interessante
Einträge, wie z. B. (bei S. 379, 25) 716 Theodo Romam. innndatio cometae fames pesti-
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761
Theil davon betrifft reine Kirchengeschichte; sehr viele behandeln die
allgemeine Geschichte ; so z. B. Stücke über den Kampf zwischen Maxentius
und Constantinus, im 3. Buch fast der ganze Schluss von Beda's Chronik.
Dem Anfang des Capitel 53 des 2. Buches (S. 297) sind z. B. Bemerk-
ungen beigeschrieben, welche alle in der Chronik übersetzt sind und
dort füllen S. 1135, 17—27; 1127, 16—20. 26—32; 1126, 19—25
und 29; 1118, 12 — 21. Auch Correkturen finden sich, von denen in B
keine Spur ist, welche doch sehr Beachtung verdienen. So wird z. B.
S. 209 der Scheiterhaufen eines Kaisers geschildert. Da ist zunächst ein
mächtiger Quadr'atbau, aussen mit Gemälden und Statuen geziert, innen
mit Brennstoffen gefüllt. Nun fährt Aventin fort Hnfra vero alterum
minus positum, forma et ornata persimile erat, tercium item et quartum
semper superiore contractius ac deinceps alia, donec ad extremum, quod
est omnium brevissimum, perveniatur. Die ganze Schilderung ist ent-
nommen aus der von Ang, Politianus gefertigten lateinischen Uebersetzung
des Herodian (4, 2). Nachträglich merkte Aventin das Thörichte dieser
Schilderung, änderte infra zu supra, superiore zu inferiore und strich ac
bis perveniatur durch; in der Chronik hält er die Besserungen supra
und inferiore fest, übersetzt aber die durchgestrichenen Worte. Aventin
hat so schon den richtigen Sinn gewonnen, den Scaliger später im Text
des Herodian dadurch herstellte, dass er statt vn Ueivco (infra) corrigirte
in kxüv(p (supra). Riezler gibt den falschen Text und notirt nicht, dass
infra zu supra corrigirt ist. Hier kann doch Niemand zweifeln, dass
der Wortlaut von A und nicht der von B als endgiltige und gegebenen
Falles zu druckende Fassung anzusehen ist.
lentia. Terrae motus crebri Cometae duo mense Januario 15 dies . . sarraceni. S. 382, 16 — 18
Pluthnida . . concitabat steht am Rande, dazu der weitere Nachtrag 'cum Sweinhylda nepte*, der
bei Riezler fehlt, aber in der Chronik verwerthet ist. Zu S. 385, 27 '729 Cometae duo appa-
ruerunt* (ygl. Chronik S. 88?). S. 395, 27 Bonifacius Gebolibum Mogontinum pontificem tribu
sacerdotum movet. pater huius öeroldus itidem Mogonciaci episcopus, occisus praelio a Saxonibus
fuerat; dazu notirt Riezler nur 'So (Mogonciaci) B; in A neben durchstrichenem Mogonciaci: Vangi-
onum archiepiscopus*. Aber Ayentin hat ausserdem beigeschrieben 'Geroldus archiepiscopus
Wormatiae sub se habuit XTI episcopatus', und vernünftiger Weise auch zu 'Mogontinum' die
Correktur: Vangionum. Dass das seine endgiltige Textesfassung ist, also unbedingt in den Text
der Annalen gehört, beweist die Chronik 'die Saxen . . erschluegen . . Gerold, den erzbischof yon
Wormbs". 404, 14 depopulatur: tributum ab uniuscuiusque capite exigit setzt Aventin in A
zu, 417, 20 uxor (Thessaloni) Litopyrga in sacratarum foeminarum coetu degere iussa est:
cum filiabus sagt Aventin am Band von A.
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Die Quellen der Bandeinträge.
Ich habe bis jetzt einen Unterschied festgehalten zwischen den Nach-
trägen, welche der Copist von B schon a. 1525 abschrieb, und jenen,
welche er noch nicht vor sich hatte, also zwischen denen, welche bei
Riezler im Texte stehen, ohne dass der Leser weiss, dass sie in dem
Autograph erst nach dem Jahre 1521 nachgetragen sind, und jenen,
welche Riezler unter dem Texte abgedruckt oder ganz mit Stillschweigen
übergangen hat. Für Aventin gab es natürlich diese Scheidung nicht.
Nach Vollendung der Reinschrift trug er alle ihm gut dünkenden Bes-
serungen in sein Handexemplar A ein; Anfangs versuchte er noch, alle
dem Columnentexte einzugliedern, nachher wenn die Masse zu sehr wuchs,
that er dies nicht immer. Beispiele von solchen roh eingeflickten, ja
der Umgebung widersprechenden Randeinträgen aus dem Texte von B
und von Riezler werde ich unten vorbringen; wollte man die übrigen
Randbemerkungen von A in den Text einschieben, gäbe es noch mehr.
Wie wichtig diese Randeinträge sein können, hat Riezler im Allge-
meinen (S. 544 seines Nachwortes) und in der Abhandlung über das
bis jetzt verlorene Geschichtswerk des Creontius, dessen genaueren Inhalt
ich oben (S. 752) glaube ermittelt zu haben, an einem besonderen Bei-
spiele gezeigt. Schwierig zu lesen sind diese Nachträge allerdings
oft; so hat Riezler die wichtige Stelle aus Creontius 2 Male gedruckt
(in den Sitzungsberichten S. 254 und S. 410 der Ausgabe), und doch
hat er nicht Alles richtig gelesen; so ist enecant statt enecavit zu lesen,
dann iustum i t a acceptum statt etiam ; tulere ist sicher und keine Lücke
folgt; nach excitavit folgt 'victi sunt Longobardi a Venedis, deinde et
Carolo*. In der Nähe beginnt S. 404 die Note mit eundem imperator
(pater Riezler) und S. 412 ist procuratorem zu lesen.
Riezler hat die Entzifferung dieser Randeinträge sich dadurch er-
schwert und jedes Reizes beraubt, dass er die zwei Hilfsmittel nicht
benützte, welche er hätte benützen sollen. So ist z. B. die fast 1 Seite
lange Note zu S. 220 im Ganzen und im Einzelnen bei Riezler gefälscht
Der ganze Streit ging gegen die Christen, welche Ostern '14 luna mensis
Martii* feiern wollten, wesshalb die ganze Sekte den Namen Quarto-
decimaner erhielt; allein an den beiden Stellen, wo Aventin diese wichtige
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763
Zahl 14 schrieb, druckt Riezler '9', während er nur die von ihm selbst
citirten Schriftsteller nachschlagen durfte, um die richtige Zahl
zu finden; von den Einzelheiten will ich nur die eine erwähnen, dass
Riezler den Johannes mit einem 'aureum lurainar (durfte ein Prinzen-
.erzieher einen solchen Sprachfehler machen?) in fronte* aufmarschiren
lässt, während Aventin selbst ihm 'das gülden plech an sein gestirn'
setzt, und Riezler mit Hilfe der citirten Quellen auch in A das richtige
*auream laminam* hätte lesen können.
Die Entstehung der Chronik.
Diese letzte Stelle führt uns hinüber dazu, dass Riezler bei der
Bearbeitung des lateinischen Annalentextes sich gar nichts darum geküm-
mert oder gar nicht daran gedacht hat, ob und wie Aventin selbst
seinen Annalentext in der Chronik übersetzt habe. Das ist
nach meiner Ansicht die Hauptursache der üeberschätzung der Copie B
und der übrigen Fehler, welche Riezlers Ausgabe der Annalen im Grossen
und Kleinen entstellen.
Ehe ich auf das Verhältniss der Annalen zu der Chronik näher
eingehe, muss zuerst die Entstehung der Chronik näher beleuchtet
werden, wie die Notizen im Hauskalender, der Wortlaut und die Unter-
schriften der Chronik sie ergeben, Anfang des Jahres 1526 wurde die
von den Herzogen geforderte Copie der lateinischen Annalen fertig. Die
Wirkung deutet an die Notiz des Hauskalenders ^): 1526 5. Juni Mona-
chium equitavi vocatus a duce Ludovico. 10 iussus vertere in vernaculam
linguam chronica*. Die Reinschrift des 1. Buches hat die Ueberschrift
^angefangen zu Abensperg zue sunnabenden a. 1526' und die Unterschrift
'beendet zu Abensberg am suntag vor dem neuen jar am 30. tag des
christmanets im jar 1527'. Die Notizen des Hauskalenders '1528 Jan. 1
Erasmus . . 2 Landesutam cum Hb. 1 0 Abusinam redeo' sind also wohl
so zu deuten: am 1. Januar übergab Erasmus Prims Aventin die voll-
endete Reinschrift; mit dieser reiste Aventin am 2. Januar an den Hof,
von wo er am 10. zurückkehrte. Die Monate September bis December
1) Die Notiz *1522 Nov. coepi annales vertere in vernaculam* kann sich auf unsere üeber-
setzung nicht beziehen.
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 99
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764
des Jahres 1527 hatte Aventin im Hause des Georg Prims in Regens-
burg mit der Bearbeitung der Chronik zugebracht (verto in Germanicam
linguam chronica). Da nun auch das 2. Buch der Chronik im Jahre 1527
entstanden ist (vgl. S. 830, 31. 694, 13. 706, 21. 711, 30), so sind die
Notizen des Hauskalenders '1528 April 23 Schirlingam peto. praesentatus
scriptus lib, ab Erasmo Prims* wohl dahin zu deuten, dass Prims bis
dahin das 2. Buch rein geschrieben hatte und Aventin es den Herzogen
überreichte. Die folgenden 6 Bücher der Chronik sind nach dem Zeug-
niss der lieber- und Unterschriften in der Reinschrift erst in den Jahren
1531 — 1533 fertig geworden-
Die Ausarbeitung der beiden ersten Bücher der Chronik ist zeitlich
wie formell von jener der übrigen Bücher weit geschieden. Jene 2 Bücher
umfassen 1184 Druckseiten, diese 6 Bücher nur 603 Seiten. In den Jahren
1527 — 1530 hatte eben Aventin den Plan zu einer allgemeinen deutschen
Geschichte gefasst und beschränkte desshalb in den Büchern der Chronik,
welche er nach dieser Zeit bearbeitete, die Erzählung so viel als möglich
auf die bairische Geschichte.
Terhältniss der Annalen zur Chronik.
Vergleichen wir nun den Wortlaut der Chronik mit dem der
Annalen, so ist zunächst klar, dass Aventin sich um den Wortlaut
der Stuttgarter Copie B aus dem Jahre 1525 absolut nichts kümmert;
diese war für ihn verschollen und vergessen. Dagegen war offenbar das
Autograph A sein Handexemplar und aus ihm stellte er den deutschen
Text der Chronik her. So erst gewinnen alle, auch ganz kleine Notizen,
in denen Riezler nur Spielereien oder Federproben finden kann, ihren
wahren und beträchtlichen Werth. Z. B. S. 118, 30 hat der Columnen-
text von A, dann B und Riezler: ortus Alba Atys, Aty Capys, Capy
Capetus. Lexer gibt S. 587, 2 nach seinen Handschriften 'von künig
Alba künig Atys oder Egyptus, von künig Aty künig Capys, von künig
Capy künig Calpetus* und bemerkt dazu 'Epitis Handschrift Tf, dann
Capetus Ännalen\ er war also im Unklaren, warum Aventin in der Chronik
andere Formen setze. Das Räthsel löst A, wo am Rande steht 'Epytus
Ovid.*, darunter '^gy^^ dann 'Calpetus Ovid.* und an der andern Seite
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765
'Ovidium in Fastis lege*; dort (4, 44) steht *^Proxiinu8 est titulis Epytos,
Alba, tuis* und: Et tuus est idem, Calpete, f actus avus. Wie hier im
Kleinen, so oft im Grossen. Das ist sicher: wollen wir die Grundlagen
der aventinischen Chronik genau kennen, so müssen wir zunächst die
Handschrift A der Annalen genau kennen. Das ist aber aus den bis-
herigen Ausgaben nicht möglich.
Nur eine auffällige Thatsache tritt hiebei ans Licht. Die Entstehung
des breit ausgeführten zweiten Buches und der kürzer gefasßten folgenden
6 Bücher der Chronik können wir begreifen, wenn wir uns dieselben un-
mittelbar aus Aventins Handexemplar A gearbeitet vorstellen. Im 2. Buche
hat Aventin die massenhaften Randbemerkungen breit, im 3. Buche kur^
verarbeitet und noch manches Neue, was seine unermüdlichen Forsch-
ungen boten, hineingearbeitet. Das erste Buch der Annalen hat in
Aventins Handexemplar nur in der Namensliste viele, sonst wenige Nach-
träge. Diese wenigen sind freilich in der Chronik verwerthet; so z, B,
die von Riezler S. 59 gedruckte Note bei Lexer S. 128, 10—17 (122,25),
woraus Riezler hätte sehen können, dass in A Öotho statt Botho und
termaximus statt tum maximus geschrieben ist. Allein im Grossen und
Ganzen ist der Wortlaut des 1. Buches der Annalen in dem 1. Buche
der Chronik so umgestaltet, dass dieser letztere nicht unmittelbar aus
Aventins Handexemplar der Annalen entstanden sein kann. Auch Aven-
tins eigenhändige Concepte des 1. Buches der Chronik (0) zeigen zwar
viele Correkturen, doch nicht so viele, wie eine solche Umformung sie
veranlassen musste. Es muss noch ein Zwischenglied gegeben haben, in
welchem Aventin in lateinischer oder deutscher Sprache die neue Fassung
des 1. Buches der Chronik entworfen hatte.
A?eutin als Darsteller.
Ehe ich die letzten Schlüsse ziehe, seien einige Vorbemerkungen
gestattet. Aventin besass nicht nur ausdauernden Fleiss im Sammeln,
sondern starken künstlerischen Sinn für die Sichtung des Stoffes, und nicht
mindern Eifer für den künstlerischen Aufbau seines ganzen Werkes als
für den künstlerischen Ausbau der einzelnen Theile. Er war nicht einer
jener geschmacklosen Spiessbürger, welche in der mittelalterlichen Ge-
schichtschreibung und besonders in den Städtechroniken, vor allem in
öS*
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766
den närnbergern, sich so lästig machen; sondern gebildet in dem Kreise
der feurigsten Humanisten lehrte er persönlich und in Schriften die
Regeln der Grammatik und Rhetorik. Aber ein gründlicher Leser der
Annalen könnte oft bezweifeln, ob Aventin wirklich ein Künstler der
Darstellung gewesen sei. Denn Geschmacklosigkeiten, Unklarheiten, ja
Widerspräche der Darstellung finden sich in den Annalen nicht selten.
An manchen dieser Geschmacklosigkeiten sind freilich nur der Copist
von B und die von ihm abhängigen Herausgeber Schuld; so 391, 7:
regulus Boiorum septem aedes atratis druidibus construxit; unum propter
Menenlacum Noricorum, sex in inferiore Boiaria iuxta Danubium con-
struxit. Bathaviae etc. Aber Aventin hat in seinem Autograph nur das erste
construxit, dann darüber ein *a' geschrieben und ein anderes 'a* zwischen
Danubium und Bath. gesetzt, d. h. er wollte das Verbum construxit an
die letztere Stelle, an den Schluss des Satzes, versetzen; der Copist
schrieb es thörichter Weise auch an der ersten Stelle.
Besonders sind öfter einzelne Sätze geschmacklos eingeflickt So
erklärt Aventin S. 295, 1 nach einer Abschweifung *8ed ad Vessogetas
et Alaricum et historiam redeundum est'. Doch erst 3 Zeilen weiter
beginnt die Geschichte Alarichs 'Alaricus arcta Romam obsidione claudit';
dazwischen stehen in der geschmacklosesten Weise die Notizen: moritur
inter haec Arcadius imperator orientis, frater Honorii, relicto successore
filio Theodosio haerede imperii orientalis; decedit ab orbe servato anno 411
Basso et Philippo consulibus. Ein würdiges Seitenstück dazu bietet
S. 360, 27 Eodem tempore imperator Justinianus morbo adfectus, non
compos mentis, Byzantii obiit, declarato prius Justine, nepote ex filia,
Caesare. Herminigyldus Vessogotorum rex, filius Levigyldus," Richaretus,
alter filius, ab Leandro ab Arrhiana impietate convertuntur ad pietatem
veram. apud novum principem (d. h. Justin) — uti fit in aula — Narses
eunuchus authoritate, qua valuit apud Justinianum, caruit etc. Durch
die Bemerkung, dass die thörichten Einschiebsel im Autograph am Rand
stunden, hätten die Herausgeber an beiden Stellen die Schuld Aventins
wenigstens mildern können. In der Chronik sind diese Geschmacklosig-
keiten beseitigt.
Ein sprechendes Beispiel, wie es mit den Quellen und dem Geschicke
des Annalentextes steht, bietet das Stück der Annalen, worin Aventin den
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germanischen Krieg und die Niederlage des Varus geschildert hat. Dess-
halb sei mir zmn Schlüsse noch gestattet, dieses Beispiel ausführlich zu
behandeln.
Zu diesen 2V« Seiten (Buch II, S. 125, 32 — 128, 15) bemerkt Riezler nur,
dass die Copie B S. 126, 5 Vellius und S. 128, 5 induxit statt des richtigen Velleius
und indixit habe; dann dass Aventin (in A) S. 127, 4 magnae nicht habe und
S. 128, 13 mestum habe, wo er selbst dem Copisten von B zu Liebe magnae und
moestum annimmt. Wenn wir diese Kleinigkeiten gelesen haben, meinen wir, im
Uebrigen gäbe uns Riezlers Text einen ebenso glatten als festen Boden. In Wahr-
heit ist derselbe ganz anders.
S. 125, 33 steht das thörichte nam wohl in B, aber nicht in A und ist zu
streichen. 126, 4 hat Aventin imminere^ der Copist und Riezler inminere,
126, 11 intra Italiam Aventin: inter der Copist und Rr. 126, 15 victores iierm&ni
Aventin in A aus Sueton Tib. 16 (vgl. Chronik 607, 28): der Copist und Rr. über-
sahen victores, 126, 26 ist zu theilen datur Tiberio tribunicia potestas in quin-
quennium, delegatur et Oermaniae pacandae status: Riezler setzt das Komma nach
'potestas'. 126, 29 schrieb Aventin in A nach Sueton paremque: der Copist und
Riezler übersahen das que. 126, 31 ist zu theilen: saepius revocatus perseveravit
tamen, metuens ne etc. (vgl. Sueton): Rr. setzt das Komma vor 'tamen\ 127, 21
Aventin hat an den Rand geschrieben 'Üuysburg cum daventria urbes liberas tribuit
Rudolphus imperator (?) theoderico clevensi comiti', was er in der Chronik (S, 605, 10)
übersetzt: Riezler schweigt davon. 128, 3 Aventin Sidhuc*, der Copist und Rr.
*aduc\ 128, 12 hat allerdings Aventin sich verschrieben: Quintili Varre, während
er sonst natürlich Varus und auch in der Chronik 'Quintili Vare* schreibt; dass der
Copist Varre nachschrieb, ist nicht zu verwundern, wohl aber, dass Riezler so Etwas in
den Text setzte. Warum hat er denn S. 169, 21 signa cum Varo amissa geändert,
wo doch auch seine beiden Handschriften Vario haben? 128, 14 schreibt Riezler
sogar *cum hoc ad occidentem . . geruntur' mit dem Copisten, während Aventin richtig
kaec schrieb. Diese Dinge finden sich auf 2^« Seiten nachzutragen. Sie bestätigen
mein oben ausgesprochenes ürtheil, dass der Copist der Handschrift B sehr ungeschickt
und unaufmerksam abgeschrieben, dass Aventin diese schlechte Abschrift nachlässig
durchgelesen, und dass Riezler in übermässiger Hochschätzung dieser schlechten Ab-
schrift das Handexemplar Aventins A, welches hier alleiii zu berücksichtigen ist,
nicht genau genug verglichen hat.
Doch das mag man philologischen Kleinkram nennen! Allein das ganze Stück,
wie es bei Riezler steht, ist nicht nur Aventins, sondern jedes tüchtigen Historikers
unwürdig. S. 126, 4 steht 'fuitque tum sub Tiberio in Germania praefectus equitum
P. Velleius Paterculus, scriptor historiarum* und nur 1*/* Zeilen später schon wieder
'Paterculus annalium scriptor quaestor partem exercitus a Roma traditi ab Augusto
ad Tiberium perduxit'. Dann heisst es Z. 14 Pannonii rebellarunt, nemine dubitante,
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quin victores Germani iuncturi se Pannoniis fuerint, nisi prius Dlyricum debellatum
esset ; Z. 23 ad tutelam ripae Rheni . . servi manumittuntur ; Z. 26 Tiberio delegatur
et Germaniae pacandae status: allein im Vorausgehenden hat Aventin weder von
Siegen der Deutsehen noch von einer Bedrohung des Rheines ge8prc»chen. Diese
Stücke sind also unverständlich und desshalb thöricht. Prüft man Aventins Hand-
exemplar, so wird Alles klar und Aventins Ehre einigermassen gerettet.
In Aventins Handexemplar folgte ursprünglich, im Coluranentext S. 125, 32
nach *Defuncto Druso' sofort mit 127, 3 Germaniae magls victae bis 128, 13 lugubrem
die Schilderung der Niederlage des Varus. Mit dem Uebergange 'Sub idem tempus
cum haec ad occidentem inter Rhenum Albimque geruntur orientis ab ora non minus
ferociter Danubius Sausque saeviunt* folgte dann 126, 9 — 16 esset und 23 ad —
127, 2 redegit, d. h. die Schilderung des pannonischen Krieges. Wir wissen jetzt, dass
die Ereignisse sich anders folgten ; allein, da der pannonische Krieg sich durch mehrere
Jahre hinzog und die Nachrichten über denselben ziemlich wirr sind, so konnte Aventin
leicht zu jenem chronologischen Irrthum kommen. Wie er die Thatsachen gruppirt
und die Quellenstellen verwerthet hatte, das war ganz geschickt; insbesondere die
berührten Stellen von den Germani victores, der tutela Rheni und der pacanda
Germania waren am vernünftigen Platze, da vorher der Sieg des Arminius geschil-
dert war.
Diese Fassung hatte Aventin im Jahre 1519 concipirt und dann im Jahre 1521
in der ersten Hälfte des Juni reingeschrieben, (Columnentext in A). Nachher machte
er sich daran, den im Jahre 1520 erschienenen Velleius für seine Annalen zu ver-
werthen. Hieraus sah er, dass nach dem Tode des Drusus zunächst Tiberius gegen
Marbod in Böhmen kämpfte, dann sich gegen die Pannonier wenden musste, welche
sich in seinem Rücken empört hatten, und dass der Kampf des Arminius und Varus
ziemlich spät, in das Ende des pannonischen Krieges, fiel. Also schrieb er aus
Velleius eine Reihe Zusätze an den Rand, zunächst die Schilderung des Kampfes
gegen Marbod (S. 125, 32 fratre.. 126, 9 fuit), dann stellte er in seinem Columnen-
text den Pannonierkrieg vor den des Varus (S. 126, 9 orientis bis 127, 2 redegit
vor 127, 3 Germaniae etc.) und schrieb zu beiden Stücken wiederum Zusätze aus
Velleius an den Rand (S. 126, 16 occupata.. 23 militem, 127, 19 totidem alae sex
cohortes und 30 atrocissima bis 34 contrucidatus).
Es ist wahr, nimmt man das Alles zusammen, so entsteht der thörichte Text,
wie er in B rein geschrieben und bei Riezler gedruckt steht. Nun ist die vrichtige
Frage, ob Aventin diese Fassung hätte drucken lassen. Gelesen hat er sie allerdings
in der Reinschrift B; dass er aber das Ungeschickte dieser Fassung eingesehen hat
und sie vor dem Drucke umgearbeitet hätte, das zeigt die Art und Weise, wie er
dieses Stück in der Chronik gefasst hat. Dort wird der Kampf gegen Marbod und
der Ausbruch sowie der erste Schrecken des pannonischen Aufstandes geschildert,
dann aber sofort der Kampf des Varus mit seinem schrecklichen Ausgang, wobei die
beiden Notizen über Velleius an ganz passenden Stellen untergebracht werden (S. 601, 28
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und 603, 21). So findet Aventin einen trefflichen Uebergang zur weiteren Schilderung
des pannonischen Krieges, wobei sogar jene Stelle des Sueton *nemine dubitante, quin
victores Gerraani iuncturi se Pannoniis fuerint, nisi prius lUyricum debellatum esset*
(eigentlich ^Niemand zweifelte, dass die siegreichen Deutschen sich mit den Pannoniem
verbündet haben würden, wenn diese nicht schon vorher vernichtet gewesen wären')
durch eine falsche Uebersetzung (Niemant zweiflet daran und besorgten es auch die
Roemer, die Teutschen umb den Rein, so nun das roemisch reich geschlagen hetten,
würden zu den an der Thonau stossen, wo nit e iezgenante land und leut, umb die
Sau Dra und Thonau ligeud, bestritten würden) zwar auf den Kopf gestellt, aber eben
damit gut verwerthet wird.
Hiebei ist allerdings, wie wir jetzt wissen, die richtige Reihenfolge
der Thatsachen mehrfach verkehrt; allein Aventin konnte nicht bei jeder
Thatsache von Neuem die Quellen untersuchen; er arbeitete eben mit
dem Stoffe, den er in seinem Handexemplar der Annalen sich zusammen-
geschrieben hatte. Aber die Kunst des Meisters, welcher das riesenhafte
Material gesammelt und zu dem grossen Bau gefügt hatte, zeigt sich
auch in der Art, wie er diesen Baustein in der Chronik behauen und
dem Ganzen eingefügt hat. Wäre er dazu gekommen, selbst seine Annalen
drucken zu lassen, so hätte er die Ungeschicklichkeiten des in der Copie
und jetzt in den Drucken gegebenen lateinischen Textes ebenso gewiss
weggeräumt, als er sie in der Chronik weggeräumt hat.
Die Annalen sind kein druckfertiges Werk.
Damit tritt die Frage vor uns, gibt es eine endgiltige, so zu
sagen, eine druckfertige Fassung des Annalentextes? Auf
diese Frage, welche bis jetzt noch Niemand, gestellt hat, lautet die
Antwort: nein. Nur noch ein Einzelbeweis sei hier angereiht. S. 392, 13
lässt Riezler Aventin schreiben: Theodericus quoque rex tum obiit, Hyl-
dericus frater eins a Carolomano et Pipino substituitur, und 1^/2 Seiten
nachher schon wieder: 393, 39 Moritur eodem tempore Theodericus rex
Francorum.. Hyldericus frater eins regio nomine donatur a Carolomano
et Pipino ducibus Francorum. Diese selbst eines mittelmässigen Schrift-
stellers unwürdige Tautologie hat Aventin bemerkt, denn er schreibt
zur 2. Stelle an den Rand 'supra\ Hätte er seinen Annalentext end-
giltig feststellen wollen, so hätte er oben oder unten gestrichen. Da er
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dies nicht that, so ist klar, dass er selbst nicht daran dachte, die Fassung
seiner Annalen, wie sie in A vorliegt, sei abgeschlossen.
Bis jetzt habe ich zu Beweisen Stellen gewählt, welche in der Ab-
schrift B und in Folge dessen im Texte aller Ausgaben stehen. Doch
um diese Fassung, welche Aventin in der Copie durchlas, kümmerte er
sich selbst Nichts, wie oben sattsam bewiesen ist. Ihm waren die weiteren
Ergänzungen in seinem Handexemplar sehr wichtig. Sollten aber diese
sämmtlich in den Columnentext von A eingereiht werden, so würde
jeder Leser bekennen, es könne keine Rede davon sein, dass ein halb-
wegs vernünftiger Schriftsteller die Form einer solchen Darstellung für
fertig und abgeschlossen gehalten hätte.
Zu demselben Ergebniss führen andere interessantere Betrachtungen
über den Inhalt. Wir haben oben gesehen, wie Aventin mit eisernem
Fleisse sein Leben hindurch seine Erkenntniss der bairischen Geschichte
erweiterte und berichtigte und, wie er öfter darnach rang, seine Gedanken
und Kenntnisse in die richtige Form zu giessen. Dem ersten Entwürfe
in Burghausen folgte die Ausarbeitung von 1511 in München. Die Ränder
dieses Schriftstückes sind bedeckt mit Vorstudien zur nächsten Ausarbeitung
von 1519 — 1521. Die Reinschrift der hier geschaifenen Fassung ist
wiederum mit mehr oder weniger Nachträgen und Aenderungen angefüllt
worden in den Jahren 1521 bis 1526, resp. bis 1531. Was war denn
die Chronik für Aventin Anderes als eine neue Fassung seines Lebens-
werkes? Und was Anderes ist der Columnentext des Autographs A mit
all seinen Nachträgen und Aenderungen als das Concept für diese Fassung
der bairischen Geschichte, welche uns in der Chronik vorliegt?^) Nicht
die Annalen, sondern die Chronik Aventins enthält für uns die letzt-
willige Fassung seiner bairischen Geschichte. In allen Fällen, wo die
Chronik den Annalen widerspricht oder mehr gibt als jene, haben wir
in der Chronik Aventins wahre Ansicht zu erkennen. Wäre Aventin
dazu gekommen, nach der Chronik seine Annalen druckfertig auszuarbeiten.
1) Man yer^essse doch nicht den Schluss der Annalen 'Ego, usus consilio Horatii Quintilia*
nique, ne editio praecipitetur decimumque prematur in annum, opus inchoatum diligentius repetitum
tanquam lector perpendero atque arbiter honorarius diiudicaro (dafür hatte Aventin zuerst ge-
schrieben: emendaro cognovero). Diese Worte, mit welchen Aventin im Jahre 15*21 die Reinschrift
seiner Annalen schloss, hat er später nicht durchgestrichen oder geändert.
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80 wäre diese Fassung nicht auf das Handexemplar A, sondern zunächst
auf die Chronik fundirt worden.*)
Entwürfe und unfertige Schriften herauszugeben ist freilich keine
angenehme Sache. Allein wer einmal die unfertigen Annalen Aventins
aus seinem Handexemplare herausgeben wird, kann einen Trost darin
finden, dass eben dadurch Aventins Ehre als Darsteller gewahrt bleibt,
und dann vor Allem, dass so erst die nothwendige und die beste Grund-
lage geschaffen wird für die richtige Erkenntniss der Chronik. Denn
die Chronik ist nicht nur die Blüthe von Aventins historischem Schaffen,
sondern sie wird auch immer mehr als Sprachdenkmal geschätzt werden.
Die Erforschung der Chronik muss aber stets von einer vollständigen
Kenntniss des Annalentextes ausgehen, wie er in Aventins Autograph (A)
vorliegt.
Ergebnisse.
Meine Untersuchungen ergeben also Folgendes: Die Stuttgarter Ab-
schrift B ist sehr nachlässig abgeschrieben und von Aventin nachlässig
durchcorrigirt. Durch ihre Bevorzugung hat Riezler den Wortlaut der
Annalen vielfach geschädigt. Dieselbe kann bei einer Ausgabe gänzlich
bei Seite gelassen werden, da selbst einzelne hier vorkommende Bemerk-
ungen Aventins nicht mehr Werth haben als einschlägige gelegentliche
1) In der Geschichte der deutschen Sprache bezeichnet das 16. Jahrhundert einen
gewaltigen Umschwung und Aufschwung. Die Ursache liegt nicht in Luther, sondern in dem
oben (S. 744 u. 745) gezeichneten sonderbaren Wesen der deutschen Humanisten. Die Begeisterung
für die Gegenwart und Vergangenheit Deutschlands fQhrte sie dazu, auch die deutsche Sprache
zu pflegen. Ayentin ist im Kleinen ein Beispiel des Grossen. Bis 1519 hat er sich der deutschen
Sprache in seinen Schriften nicht bedient, von da an immer mehr, so dass er das Lateinische
fast aufgab. Der damalige Umschwung der deutschen Sprache ward neben andern durch eine
Kraft bewirkt, welche mir noch nicht genügend erkannt zu sein scheint. In den deutschen
Schriften des 16. Jahrhunderts tritt uns eine Fülle von bildlichen Ausdrücken und packenden
Redewendungen entgegen, von denen sich in den früheren deutschen Schriften keine Spur findet.
Das ging nach meiner Ansicht so zu. Wie es im 17. und 18. Jahrhundert gestattet wurde, aus
dem Italienischen oder Französischen beliebig viele Ausdrücke herüberzunehmen, so wurden im
16. Jahrhundert ausserordentlich viele auffallende Bilder und Redewendungen der lateinischen
und griechischen Sprache wörtlich Übersetzt und vom damaligen Zeitgeist als berechtigte
Neuerung zugelassen. Während nun die im 17. und 18. Jahrhundert eingeführten Fremdwörter
stets als Fremdlinge erkannt und so beim Umschwung des Zeitgeistes leicht ausgestossen werden
konnten, sind jene wörtlich übersetzten Redewendungen, Bilder und Sprüchwörter uns so in Fleisch
und Blut übergegangen, dass sie jetzt als urdeutsch gelten.
Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. X VII. Bd. IIL Abth. 100
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Notizen seiner CoUektaneen, die ör in sein Hauptwerk nicht aufnahm.
Eine abschliessende, gegebenen Falls zum Druck bestimmte Fassung des
Annalentextes enthält diese Copie durchaus nicht.
Dagegen kann durch eine genaue Ausnützung der von Aventin selbst
geschriebenen und b.enützten münchner Handschrift A der Wortlaut der
Annalen an vielen Stellen berichtigt upd um viele Zusätze bereichert
werden. Aber auch der Annalentext, welcher sich so zusammenstellen
lässt, ist nicht abgeschlossen oder druckfertig. Allein derselbe ist die
wichtige, nächste Vorstufe zu dem Hauptwerke Aventins, der Chronik.
In der Chronik hat uns Aventin nicht nur die letzte und reifste, sondern
auch die einzige formell abgeschlossene Fassung des Werkes hinterlassen,
zu welchem er in seiner Jugend, wahrscheinlich im Verein mit Celtes,
sicher aber vor 1507 unter dem Einflüsse der für Deutschland begeisterten
Humanisten^ den bestimmten Plan entworfen, und an welchem er, ebenso
sehr von der Kraft seines Willens getrieben als von der Gunst des Ge-
schickes gefördert, sein Leben lang geschaifen hat. Diese in frühen
Jahren von ihm selbst gewählte Lebensaufgabe war die Geschichte des
bairischen Volkes und Landes; seine übrigen Schriften sind nur Beiwerk
hiezu gewesen.
Aventins Wesen und Schaffen ist hier theilweise anders als bisher
dargestellt worden. Ich hoffe, dass dieses Bild sich als richtig und wahr-
heitsgetreu bewähren wird, und freue mich, dass die stärkere Beleuchtung
das Bild dieses bedeutenden Meisters der Geschichte schöner und bewim-
derungswürdiger erscheinen Hess.
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Aventin's Lobgedicht auf Albrecht IV. von 1507,
zum ersten Male herausgegeben.
Die oben (S. 725) genannte Abschrift der Annalen Aventins ist für
die Annalen fast werthlos; allein sie birgt doch einen Schatz, den wir
jetzt heben wollen. Dem ersten Bande derselben, Cod. lat. 219 (Buch I — IV
der Annalen enthaltend), ist am Schlüsse nach dem 4. Buche noch eine
Blätterlage beigeheftet, in welcher das nachstehend gedruckte Gedicht
geschrieben steht, und zwar von einer Hand, welche auch sonst in diesen
zwei Bänden vorkommt. Demnach ist auch diese Blätterlago vor Aven-
tins Tod und wohl in seinem Hause abgeschrieben.
Dieses bis jetzt übersehene Gedicht ist wichtig. Es ist ein Werk
Aventins^J und, da es in den Hundstagen des Jahres 1507 abgeschlossen
ist, überhaupt die älteste Schrift, welche wir bisher von ihm kennen.
Es ist ferner das weitaus grösste Gedicht, welches wir von Aventin be-
sitzen, das einzige in Hexametern geschriebene und, von dem Uebrigen
abgesehen, für die Erkenntniss seines Geistesganges (vgl. oben S, 746)
wichtig durch das Versprechen, die hier gegebene kurze Skizze der
bairischen Geschichte sei er gewillt durch eine ausführliche Darstellung
zu ersetzen. Der Geist, welcher in diesem Gedichte waltet, zeigt ilurchaus
den Schüler des Conrad Celtes.
Der Inhalt dieses Gedichtes, sowie der übrigen kleineren Gedichte
aus dieser Zeit (in dem 1508 geschriebenen Heftchen, Clm. 1138, finden
1) Erwähnt finde ich dasselbe nirgends bei Aventin. Nur hat er einige ViTne tUmua (\g\.
zu V. 268) an dem Rand seiner Annalen von 1511 citirt.
lüu*
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sich 5 = Werke I, S. 617 — 623, Nr. I — V) ergab sich aus dem, was
kurz vorher in Baiern geschehen war.
In den vorangehenden Jahrhunderten war Baierns Kraft hauptsäch-
lich durch wiederholte Theilungen und die Kämpfe um solche gebroclien
worden. Von den drei Staaten, welche bei der letzten Theilung 1430
sich ergeben hatten, Baiern -Ingolstadt, Baiern - Landshut und Baiern -
München, war Baiern - Ingolstadt 1447 durch Heinrich den Reichen von
Baiern - Landshut besetzt worden. Sein Enkel, der letzte männliche
Sprosse der Linie Baiern - Landshut , Georg der Reiche, hatte, gegen
frühere Verträge, in seinem Testamente sein Land dem Ruprecht von
der Pfalz, dem Manne seiner Tochter Elsa, verschaffen wollen. Nach
dem Tode Georgs (1503) brach nun zwischen Baiern - München und der
Pfalz der Krieg um Baiern - Landshut aus, der mit seinen Schrecken an
dem letzten, aber deutlichsten Beispiele Allen zeigte, welches Unheil aus
diesen Theilungen und Erbfolgestreitigkeiten erwachsen könne. Nachdem
Ruprecht und Elsa gestorben waren, gelang es endlich Albrecht im
Frieden 1505 die drei Theile für immer zu vereinigen. Das schmerz-
liche Andenken an die Greuel dieses Krieges wurde damals in München
durch die Freude über diese endliche Vereinigung der getrennten Theile
weit überboten.
Werden von Aventin schon in den erwähnten kleineren Gedichten
besonders die Greuel des Krieges und im Gegensatze die Segnungen des
ruhmvollen Sieges und Friedens geschildert, so bilden dieselben ganz
den Stoff unseres grossen Gedichtes.
Im ersten Theile, V. 1 — 226, werden die Schrecken des Erb-
folgekrieges geschildert. Nach einer Anrufung der Muse (1 — 10) wird
erwähnt die Ursache des Krieges: die Dreitheilung Baierns von 1430
(11 — 22); die Wegnahme Baiern -Ingolstadts durch Heinrich den Reichen
von Landshut 1447 (23 — 31) und das gesetzwidrige Bestreben seines
Enkels, Georg des Reichen, die Linie Baiern -München von der Nachfolge
in Baiern - Landshut zu verdrängen (V. 32 — 67). Natürlich ist, dass
hiebei die Landshuter Fürsten nur von ihren schlechten Seiten dar-
gestellt werden.
Dann wird geschildert, wie nach Georg des Reichen Tod (1503) der
Krieg ausbricht und Ruprecht von der Pfalz den grössten Theil von
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Baiern -Landshut besetzt (V. 68—80). Der greuel volle (V. 81 — 85) Krieg
wird genährt durch den thörichten Wankelmuth des Volkes (V. 86^ — 115)
und auch nach dem Tode Ruprechts (V. 116 — 143) und Elsas (V, 144
bis 149) dauert er noch fort. Auf dem Reichstage zu Augsburg wird
Albrecht dem IV. das Land zugesprochen (V. 150 — 167) und aus allen
Theilen Deutschlands sammelt sich ein Heer (V. 168 — 200), um die Pfalz
zu züchtigen (V. 201 — 209). Doch glückt es Albert, gliicklichen Frieden
und Sieg zu erlangen (V. 210—228).
Dichterische Abschweifungen erlaubt sich hier Aventin besonders
V. 90 — 115, wo er die unstete Volksgunst in gehäuften Bildern malt;
dann in V. 116 — 143, wo er schildert, wie der Schatten Ruprechts nur
unter der Berlingung Einlass in die Unterwelt erlangt, dasa ein Anderer
für ihn Bürgschaft leistet, er werde nicht, wie Herkules und Andere,
Unfug in der Unterwelt anstiften; endlich in V. 168 — 200, wo die einzelnen
deutschen Stämme ausführlich aufgezählt werden.
Im zweiten Theile, V. 227 — 413, werden die Ahnen Albrechts und
er selbst gepriesen. Nach einer Einleitung, in welcher Aventin verkündet,
ein anderes Mal wolle er dio Thaten der bairischen Fürsten ausführlichj
jetzt nur in Kürze darstellen (229 — 249), schildert er einzelne Helden
des bairischen Fürstenstammes: Theodo (250— 253), Thessolo (254 — 257),
Heinrich den Heiligen (277—300), Ludwig den Bayern (302 — 312) und
endlich Albrecht den HI. (313—318).
Albrecht den IV. rühmt Aventin besonders wegen seiner feinen
Bildung (326 — 330) und wegen des Eifers, mit welchem er Wissenschaft
und edle Künste in Baiern verbreite (331 — 380), wobei Aventin sich eine
ausführliche Aufzählung der 9 Musen und ihrer Obliegenheiten gestattet
(333 — 377). Dann rühmt er noch Albrechts Regententugenden (38 1 ^396)»
seine keusche Gemahlin (397 — 399) und seine Kinder (400) und schliesst
das Lobgedicht mit einem Segenswunsche.
Die Sprache des Gedichtes ist dem Stande des Adressaten gemäss
ziemlich hochtrabend und machte das Verständniss des Gediclites und
die richtige Interpunktion für die erste Ausgabe zieuiHch schwierig.
Desshalb schien es gut, Erläuterungen beizufügen. Der Text selbst scheint
nur an wenigen Stellen verdorben zu sein. Natürlich hat Aventin seine
Ausdrücke aus den alten Klassikern entlehnt; doch das thun unsere
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heutigen Latinisten ja auch; es schien also zwecklos, den Ursprung ein-
zelner Phrasen oder Versstücke zu notiren. Bei den Mühen der Ausgabe
hat mir mein Freund Dr. Ludwig Traube gute Hilfe geleistet.
FELICITATI DOMVS BAVARIAE CONSECRATVM
INVICTI INVICTO PRINCIPIS et Domini, Domini
Alberti, Comitis Rheni Palatini, Inferioris ac
superioris Bavariae Ducis Genio, eiusque Sobolis
generosae felici indoli dedicatura.
Principis invicti Saturnia dicere versu
Saecula, fert animus: quantum prudentia magnis
Divitiis praestet sanctaeque superbia paci
Caedat, et infandi fuerit quae causa doloris.
5 Gratior haut motos potuit componere fluctus.
Ne fragiles tanto succumbant pondere vires,
Musa, precor, coeptis faveas. procul e&te prophani;
Lingua nocens rabidum digitis conpesce labellum
Vipereoque vomens vulpinum pectore virus.
10 Pythius ecce sacerdotis quatit incola mentem.
Facta tribus Dominis communis Norica tellus
Principium belli, civilis origo tumultus
Prima fuit, caeco praebens alimenta furori.
üna satis lux est, unus videt omnia Phoebus;
15 Triplex infernas deterret Cerberus umbras;
Dissidet infami dilapsus degener uno
Augurio numerus: canos sors altera tinxit.
NuUa movet vetulos pacis reverentia gallos;
Mit M bezeichne ich die Handschrift. Im Geltes ; später thut er dies nicht mehr und nennt
Titel ist der Stil der römischen Inschriften nach- Noricum nur das Land jenseits des Inn: Oest-
geahmt. 4 caedat schreibt Aventin oft statt reich, Steiermark, Kärnten, Tirol. Auch von den
cedat. 5 haut schrieb ich^ aut M; d. h. haud umgeformten Eigennamen, wie Honoricns statt
potuit gratior quam Albertus lites componere. Hainricus, deren er später viele hat, finden sich
11 durch den straubinger Vertrag von 1430. hier natürlich nur wenige. 16, 17 Was hier
11 'Norica* nennt Aventin Baiern hier und in gegen die Zahl '3' gesagt wird, verstehe ich
den Gedichten von 1608 nach der Mode des nicht. Mit sors altera bezeichnet Ovid Metam.
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Foedera nulla ligant, septo quos clauseris una;
20 Improba spectantum stimulis atque ore voluptas
In fera soUicitat . resides adsumere vires
Proelia, non animos mittit requiescere fessos.
Protinus arcanis sortitus nomina numrnis
PoUuit Hainricus cognato sanguine pactum
25 Foedus et in celsa patruelem durior arce
Detinuit clausum, misero dum serius aequo
Stamina lanificae ruperunt puiia sorores
Umbra et ad Eiysios aufugit libera campos.
Empta dolo iustam fecit victoria causam.
30 Purpura fit proprio nimium satiata cruore,
Et soror et coniunx Jovis est Juno addita Teucris.
Inviso peior succedit saepe tyranno
Haeres, et veterem vincunt praesentia ludum
Crimina, venturos cumulat fortuna dolores.
35 Inpia barbaries caecique superba nepotis
Nescia mens veri, Veneris malesana libido
Ambitione nova nimium vetitisque Hymenaeis!
Invidia vexante ducem, superaret avitum
(Fata vetent!) facinus (quid non sibi dira cupido
40 Permittit?), gelido flavos Aquilone Boemos
Armat, et bis rosea Titanis iungit in ora
Sarmatiae claros reges Hunnique ferocis,
Principis Austriacae magni quoque Cassiomiri
Progeniem, gener atque adfinis stemmatis huius.
45 (Ipse sed uxorem, sacra cui dedit unctio nomen,
9, 676 das weibliche Geschlecht; canos tinxit = und die Vermählung seiner Tochter Elsa mit
förbte die grauen fiaare? 23 Heinrich der Ruprecht; 'nepos (Georgii) ex sorore et gener
Reiche von Landshut hielt Ludwig den Gebarte- Rupertus, pontifex antea Frisingensis* nennt ihn
ten in Burghausen gefangen, wo derselbe 1447 Aventin im Kalender (35 — 37); dann: da der
im Alter von 81 Jahren starb. Hierauf besetzte Neid Georg antrieb, die Unthat Heinrich des
Heinrich Baiem- Ingolstadt. 35 So glaube Reichen zu überbieten (38 — 39), so verschaffte
ich interpungiren zu sollen : zuerst ein unwilliger er sich viele Bundesgenossen (40 — 65) , damit
Ausruf über die Treulosigkeit Georg des Reichen Albrecht der IV. von der Erbfolge femgehalten
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Non Cytherea Venus, divum ceu Sacra prophanus,
Antiquos veterum mores iraitatus avorurn,
Deserta viduam conclusit adulter in arce,
Dignam connubio, dignam meliore raarito:
50 Huius erat genitrix, toto qua niaior in orbe
Foemina nulla fuit, Romano sanguine creta.
Sextus ab Haynrici numeratur stipite ramus,
Septimus Ausonia fuerat qui Caesar in aula.
Rex quoque frater erat, felix diademata regum
55 Vidit et ipsa trium partu regina beato
Quos peperit, reges licuit sperare nepotes).
At Venetos dites pluvio sibi destinat austro.
Hesperio tepidus qua surgit vesper Olympo:
Praecipitem Rhodanum Rhenique fluenta superbi
60 Atque Ararim socio perdentem nomen in amne
Et tacitum Matronam, cuius Sequana nigris
Tardus adauctus aquis Nortmanni fertur in aequor
Teutonis a bimari Cymbrum regione profecti,
Protenus averso violenter fönte retorquens,
65 Et pecus et dominos insanis obruit undis.
Tantum irae, tantum bilis conceperat atrae,
Legitimos solio reges turbare paterno.
Perpetua at mundi series maiorque potestas
lUusere minas, subito repulere nefandam
70 Vim, raptore truci tenebrosa in tartara merso.
Fit gemitus; terror campani personat aeris.
Ictibus assiduis horrendum mugit inane
Mobile pulsatum longoque volumine tractum.
Supremos nondum cineres absconderat urna,
75 Nondum aniraam Maiae praescripta sede locaiat
würde (67). 46 Georg der Reiche, vermählt 61 Caesurlose Hexameter kommen in diesem
mit Hedwig, der Tochter Casimirs von Polen Gedichte Aventins einige vor; vgl. 85, 98, 352,
nud Elisabeths, Kaiser Albert des H. Tochter, 374, 396. Der Schluss ist regelmässig d. h. nur
hielt diese in Burghausen eingeschlossen, wie durch Wörter von 2 oder 3 Silben gebildet, und
bei Oefele Script. 11, 568 Sunthemius berichtet. die wenigen Schlusswörter von 4 oder 5 Silben
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t
Filius aut virga meritis addixerat umbris:
Callidus incautas astu gener occupat urbes
Continuo praesul Boiorum Phrysius olini,
A requie fracta dictum cui nomen adhaeret,
80 Invisor superum, pacis contemptor et aequi.
Dum sibi spem falsus perituro firmat in auro,
Deminuit vires, invitat praeda latronem,
Et profugus gladios innoxia vibrat in ora
Ruris, adusta procul villarum culmina fumant:
85 In lucos fugitivis squalent arva colonis.
Fusilis in duplicem decrevit cantharus ansam,
Et res in geminas partes diducitur anceps.
Victrix causa deis placuit rigidoque Catoni,
Addidit invalidae robur sed inertia causae.
90 Candida mentitur vultus cerussa venustos,
Rugosamque cutem faciunt caerometa moUera,
Unctus et ingrato properat sine murmure currus:
Sic etiam (magnis liceat componere parva)
Mobile funesto semper corrumpitur auro
95 Vulgus et incautum, volucris ceu carmine linguae
Decipitur blandae, crassis obtutibus haerens
Vertere in absentes oculos sortisque futuras
Atque agilis secretos mentis adire recessus
Nescit et arcanis rationes promere rebus,
100 Callidus ut varias pictor simulare figuras.
Mortales caeci fabro peiore creati
Prima quidem laeti coelum clamoribus implent
(Haud aliter quam, si ruri conspectus in agris
Forte lupus, serös vicinia tota molossos,
sind Eigennamen (37, 43, 183, 229, 275). 79 *Ru- hat zwei Handheben' scheint so viel zn bedeu-
pertus, Georgii gener, pontifex antea Frisingen- ten als 87 'Jede Sache hat zwei Seiten*,
sis, vi et dolo Landeshutam . . . occupavit*. Även- 89 ordne: sed inertia addidit robur invalidae
tin im Kalender. Ruetprecbt, qui ocium causae. 91 d. h. ceromata. 100 *ut* oder
quietemque frangit: Aventin Ännalen Buch I, *at' ist zu schreiben und 'est' zu ergänzen; die
S. 29, 19. 85 das Feld liegt brach, da die Handschrift hat 'aut' und 'pictore*. 104 lupus
Bauern in die Wälder fliehen. 86 'Der Kessel sc. est ; serös = noctu ; oder ist 'saevos* zu
Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. IH. Abth. 101
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105 Nomine quenque vocans, praedonem hortatur in unum),
At postquara scopulis abies illisa pependit
Navis et humores haurit superata nocentes,
Stat pecus attonitum, cupiunt dare vela retrorsum,
Coguntur pavidi cursus iterare relictos
110 Et niraium spretos gaudent contingere portus.
Instabilis veterem toUit fortuna favorem,
Inclyta et infando sordet cognomine virtus.
Tanta fides vulgi, tanta est constantia plebis,
Praecipue fortis bitiae dum pocula libat.
115 Quin referam pagi ludibria vana iocosi?
Venerat ad Ditis proscripti claustra Ruperti
Umbra levis precibus quae aditum poscebat amicis.
Pallida cui Stygii commissa est porta tyranni,
Et genus et nomen vitamque priorem
120 Portitor inquiritque Charon. ubi singula dicta,
'Maxima venisti Jovis aequus ad atria nostri*
Janitor 'hospes* ait 'sine fraude doloque maligno?
Nota fidem faciat securo sponsio tutam.
Haud alia ad manes descendes lege profundos.
125 Est satis (audisti) Aleiden timuisse furentem;
Aeneamque pium saevi Hyppolitique parentem
Thesea tartaream audaces turbaöde quietem/
111 a refert contra: 'NuUi o violanda per aevum
Numina mortali, timidos deponite vultus.
130 Debetur vobis, vestrum est, quodcunque sub orbe
Nascitur aethereo; vos mundi vera potestas.
Vos stabili rerum longissima regna tenetis
Lege, tarnen, senior, mi sit tua certa volimtas.
schreiben? 114 d. h. viciae. 115 Näher ausgefallen. 125 Zu timoisse ergänzt mein
liegt es zu schreiben 'quid referam*, als quin Freund Meiser me und verweist auf V. 129
mit *um nicht* zu übersetzen. 116 'proscriptus timidos deponite vultus und Servius zu Virgil
Bupertus cum suis' und 'in Augusto (19.) Ru- Aen. 6, 392 quando Hercules ad inferos des-
pertus cum filio Georgio moritur dissenteria' cendit, Charon territus eum statim suscepit.
Aventin im Kalender a. 1504. 117 besser: 133 misit M.
precibusque. 119 Ein Wort, wie 'poscit'; ist
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Dives Lethaea residet Georgius aula,
135 Inter Germanos sacro ditiasimus auro
Qui fuit ac facili Boios ditione beatos
Pressit et ad Stygias fatis urgentibus undaa^
Heu citius, supera nuper correptus ab aura:
Hunc, precor, admoneas titulia et nomine nostro,
140 Creditor an genero fido charoque nepoti
Unu8 adesse velit. superos narrabo relictos
Tristitiamque animi grata novitate morabor.'
Cardo patet facilis; socer est et avnncultis auctor.
Sed defuncta brevi fatum comitata mariti
145 Uxor adest, quae cum nulla mercede recepta eat;
Nee vir nee genitor voluit epondere rogatue.
Ora deae summit, facta et letalis Enyo
Tentat pacatos passim fera praelia miscens
SoUicitare duces sancitani f ran gare pacenu
150 Caesaris hos magni nunquam contenipta potestas
Inpune, ante diera morti devoverat atrae,
SoUicitae curaeque charao natique labores,
Exitus acta probat; doiiünae eontemptor habenae
Felici raro sua claudit funera fato,
155 Cura deum mundus; Jovis est quaecunque poteatas*
Qui sua communi mensura vendere poscit,
Non cupit emptores iniusta f allere libra.
Est locus Almanno Latus notissimus orbe
Cladibus, (Augustam nostri dixere parentea),
160 Qua Lycus, Hunnorum maduit qui sangiiine Vinda.
Vindelicus Rhetho qua distat fluinine, quaque
Bellatura suam cogit Germania pubem,
Sensibus hie imis legum vener anda potestas ■
Concilio procerum Romano iure poritis
140 nepoti: vgl, zu W. Sb. 144 'Elsa moH' tentia Augnstae pro Albeito qtiinto Monachii
tur in Septembri (17)': Aventin im Kalender duca dui^i Arentin im Kalender &. 1i^04; vf^h
a. 1504. 147 Bummere schreibt Aventin haußg. den EinblBttdrnck in München (Einbl, V, 10 =
152 cnrae et labores nati sunt. 158 *sen- Weiler Regiert. ^01) R«em. kün^L Majestät ur-^
101*
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165 Pluribus est versata diu; sed iusta triumphuiu
Causa dedit iustum; melior sapientia nummos '
Vicit, et Alberto consensit curia iusto.
Mox iuvenes lectos animosa Suevia nüttit
Coniurata aniraos hostis frenare superbos.
170 Vindeiicis iuncto properavit milite Rhetus,
Doctus Amazonias humero librare secures,
Eminus ut dubiuni nee quicquara tale timentein
Torta teres (callet) sub vertat fraxinus hostem.
Noricus Eoo duplex cum Pannone venit.
175 Impiger annosas fagos contempsit et Elsam
Vitiferum Tribochus campique reliquit aprici
Jugera, Gallorum pingui madefacta cruoro,
Dum furit ingratus Friderico Caesare Narbo
Atque Arelas spectare argentea lilia nummo.
180 Nigra sed in mortem formata est luna virilem,
nia Sigesmundus commisit regna futuro
Francigen um regi; signis Delphina vocamus.
Audax flavorum venit genus üsipiorum.
Ferratas acies miratur Neccare Bacchus,
185 Deseruitque Rhenum viridi parvum incola valle.
Arabiguus siccam Santho despexit arenam.
Pauper et incomptus torvo cum Hessone liber
Francus adest, aquilas primo qui funditus oris
Germana Latiis pilo virtute refixit
190 Signaque perpetuas Manni Romana parentis
tail. 168 'Alberto foedere iuncti erant im-
perii cives, Wirtinburgensis dux, landgravius
Hassiae , qui mulctayit Rhenum ; oppida Hassö
omnia combussit. Caesar Hagenau imperio re-
cuperavit* Aventin im Kalender a, 1504; ygl.
den Einblattdruck in München 'Vermerckt die
hilf herczog Albrechten und h. Wolfgangen
y. baim zu gut'. 178 Zu rergleichen scheint
Annal. VIT, 528, 23 Litavicus delphinus cum
Armeniacis et Delphinis Elisatium intrat, Sui-
tonum cohortem, non tarnen inultam, multitu-
dine obruit et longe pluribus amissis contrueidat,
dumque domum reduces Galli repetunt, a Sile-
stadiensibus gravi clade adfecti sunt. 181 Vgl.
Annal. Buch 11, 142, 29 regnum Arelatense, nunc
Delphinatus, Carolus IV, fiiius eins Segimundua
primogenito regis Francorum dono dederunt.
codicillos et tabulas legi Lutetiae Parisiorum
(a. 1503). 187 Die Hscht. hat 'incompto',
dann nach einer Lücke \o\ 188 d. h. qui
primo pilo (Allen voran) Germana virtute aquilas
Latiis oris funditus refixit et signa Romana ad
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Atque Tuisconis supplex suspendit ad aras.
Cum Belgis Celtas Almannae subdidit aulae,
Ausonio Galli maduerunt sanguine campi.
Hoc vocat imperium Francorum Gallica rura
195 Francigenasque suos adsertor Teuto nepotes.
Fulgentes armis equites venere Cherusci,
A quibus Augusto respublica Caesare magnum
Accepit vulnus: triplici legione perempta
Cum duce Plutonis stiparunt atria mortes.
200 Cum Tungris Sorabes festinavere Salonae.
Altus amor recti, magnus respectus honesti
Omnibus, ingenuus praedonis fastus iniqui
Nee mansura diu invitis possessio divis
Barbara tantum animos movit; mens omnibus una
205 Justitia stabili fidei duce et auspice sacro
Propulsare nefas, ferro rescindere acuto
Foemineum dedecus, facinus muliebre, Leoni
Rhenano digitis comu resecare protervum
Et caveae clatros rhombis signare vetustis.
210 Sed Ducis Alberti probitas super aethere nota
Casibus et subitis rerum prudentia velox,
In sua sceptra solo Boium meliore redacto,
Postquam est et clypeis exuta Boemia pictis,
Innocui sortem populi miserata malignam,
215 Militibus tantum bonitas licuisse perosa:
Perpetuae mites pacis divertit ad artes,
aras Manni suspendit. 202 ingenuos M, welche Fusi Boemi prope Batisbonam a Caesare Maxi-
Nominativfomi ich Aventin nicht zutraue. miliano' Aventin im Kalender. Diesen Sieg hat
208 Dem rheinischen Löwen die mit Krallen Geltes in einem Musenspiel gefeiert, das 1504
üppigen Ballen zu beschneiden und das Gitter zu Wien deklamirt wurde. Auf dem vorgesetzten
des Käfigs mit den altbairischen Wecken zu Holzschnitte 'Strategema regium contra Boe-
versiegeln. 'Leo Rhenanus domitus a Caesare* mannos' tragen nur die Böhmen grosse Schilde
Aventin Kalender a. 1504. 209 clatres M, und im Texte werden sie genannt 'gcns clypi-
doch caveae . . clathros Horaz Ars P. 473. feris male aana in armis*. Demnach galt es
212 vgl. den Kalender in Werke I, S. 661, 18— 19, als sonderbare Eigenthümlichkeit der Böhmen,
wo Z. 17 in der ersten Abschrift 'Vilispirum' dass sie sich noch der Schilde bedienten.
(Vüsbiburg) steht. 213 'Sept. 12 a. 1504
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Maior et exiguis cessit victoria nummis,
Quae, nisi vana fides vatura, meliore sonori
Nominis auspicio seraper fataliter haeret.
290 Rhene^ quid insanis, alienas, improbe, rippas
Inpetis et doniino cupis esse iniuriua Hystro?
Bavvarae Abudiaco vetus extat regia gentis:
Te moveat pietas, nostris es fontibus ortus,
Noricuö austriacis Isarus te sustulit undis.
225 Jani tibi parce, precor. tellus diis sancta supremis
Bavvara. conversa nocuit sibi fraude voluptas.
Seniper ab excelso venit victoria coelo
Principibus Bois, patrum tut^Ua nepotes.
Laudabunt alii claram Rhodon aut Mytilenen
230 Albanoaqiie patres atque altae raoenia Romae,
Dura licet, patriae celebremus nomina terrae
LaudibuB exiguisque feremus ad astra parentes.
Gratus ad Albertum descendet carmine vates
Et calanio rerum properabit carpere surama.
235 Si superos hedera tempus vinxisse iuvabit
Castaliduuique gregem lauro donasse virenti .
Et Binet exilis casa paupertasque maligna
(Antra Camoenarum tenui sunt clausa poetae)
SpirituB ante diem fragiles nee deseret artus:
240 Maior ab aeternis nascetur gloria Musis
Et maiora dabunt maiores carmina vires.
Nanqiie Bacro nusquam Phoebus deest rite vocanti
Numine tain ]>raesens; faciles pietate coacti
Ingenio superi tribuunt sua munera pigro.
245 0 tantum illa dies, quae nil nisi corporis huius
Jus habetj expectet, quantum sat facta tuorum
Dicere : perpetuas aequabunt carmina laudes.
Haec scripta interea Musis et Apolline nullo
Carmina certa pii reverenter pignora sunto.
217 d. h.' exiguiej divitiia Alberti* 218 d. h. bei Eelheim. 232 d. h. mit uoeerm schwachen
quae «eqaitur Doujen sonoruni. 222 Abach Lobe. 244 ingenuo M. 249 d. h- pii^tatis
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250 Fortis ab Almanno ducens genus Hercule darum
Hercyniae saltus, genitorem, flumina liquit
Cmn iuvenum lecto superans examine fauces
Danubii Theodo. Latium concusserat orbem.
Clara viri soboles fatis maioribus aptus
255 Thessolo Romanos victricibus exuit armis,
Et liquidas rutilo tinxerunt sanguine rippas
Apsus et Ausoniis demissus ab Alpibus Oenns.
Norica quae quondam, depulsis terra colonis,
Bawara dicta fuit, penitus quod faucibus imis
260 Verba trahens oris vasto producit hiatu.
Unde Caput gentis facto cognomine dixit
Hospes Hiantopolim Latius, quam cardine verso
Forte Ratispontem mutata voce vocamus.
Nobile Francorum meruit victoria sceptrum.
265 Magna quod Ausonii Germania libera semper,
Aerius Arsacidum regno Parthique ferocis,
Inperii repulit vires alto obiice Rheno
Danubioque vago (peregrinus quatenus oras
Claudit et Euxenio mutat septemfluus undas
270 Aequore Romanos riserunt arva minaces),
Francia mutato veteri cognomine facta est.
Magnus in Almanna regum fortissimus aula
Carolus unde satus Germano semine surgit
meae. 251 flumine M. 257 Apsus, die
Abens. 258 In den Annalen von 1511 (im
Besitze des Freiherm E. v. Oefele, vgl. oben 748)
hat Aventin nachträglich im Anfange diese
3 Verse 268 — 260 an den Band geschrieben
nebst einer Note über den Ursprung des Na-
mens Bavarus , welche zur Erklärung dieser
Verse imd zum Vergleiche mit Aventins spä-
teren Ansichten (Ann. Buch I, S. 34) dienlich
ist: Quomodo a veteribus Bavari adpellati. Ba-
varus nomen futile ac vanum, semidocto vulgo
protritum, nee latinum nee germanicum, recens
est nuper ab imperitis usurpari coeptum. nus-
quam apud veteres, nusquam in vetustis exem-
plaribus literis legibus tabulis invenio. semper
Boioarios, aliquando et Boiarios scriptum lego.
In bibliotheca annalibusque Regioburgorum tradi-
tur, eam urbem Gynostadium hoc est Hiatus-
polim oppidanosque Wawaros quondam cogno-
minatos esse ob hiatum oris hiulcamque ac
barbaram praecipue duarum particularum Wie
Wo pronunciationem, id quod nostro aevo in
ea urbe crebrum est. ita certe Wawariae voca-
bulum in monumento divi Hemerami insculptum
videmus. 266 feroceis M; Germania repulit
vires acrius quam regnum Arsacidum. 270 arva
riserunt = nationes contempsenmt
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Et duo Bavaricae praesentia numina terrae
275 (Sancta Radesbonnae monstrantur Mausolaea):
Regius ArnolphuSj magni quoque frater Othonis
HaimricuSj tumidas Hystri t^uem fecit ad undns
Fraiicomm prinii Chunradi filia regia
Gen tili faiietum nato generoBa parentem.
2Ö0 Qui proceruiii primus, tanti non Hominis haei*es,
Francophora fasces suscepit sorte Latinos»
Omnipotens iustos meruit fortuna trimuphos;
Appula cum Daums, Calabri loca culta Galaesi
Sycanias urbes Etlmaeaque regna Pelasgis
285 Abstulit ac dictis iussit parero Latini.
Albis ubi tnagnus saevit, (quo liniite beilax
Semper in ambiguaö scissa est Germania partes),
Connnus est Getici perpessus frigora coeli;
Victor et in medio posuit tentoria campo,
290 Vistula qua lentus rapidusque Suevus oberrant.
Pannonaa inmites demissa grandine coelo
Terruit et domitos Romana lege coegit.
Kupibus a Scythiae profugos Hunnosque palantes
Summovet atque statas compellit figere sedes,
295 CalvuB ubi late sinuoso tiexus in austruni
Caecius anfractu socio curvatur ad Eurum
Danubio (Augustae proceruni fortiasimus aulae
Suscipit Albertus gentiö genns unde vetustum
Austriacae)j Phoebi radiis quae matutinis
300 Proxima Teutonico eignata est nieta colono»
276 Aventin { Werke I, 129) : Arnulphus, herzog
in BRim^ 9137, li^t zue Kegene^>urg. 270- — 278
Hier bat At entin, wie ich glaube, zwei Heinriche
noch züäammenjfeworfen, welche er »piitt^r richtig-
unfceraebied; v^L %. B. Ann. Buch V, S. 26, 18-
DiniH Honoricns jAecuncIus impemtor Pius felii
caemr auf^stiii? regulu!^ Boiorum, fitiu» Honorict
secundi öt Gisalae^ filiae Chunradi rej^s Bur-
gundionum, nepo« Honorici primi, fratria ger-
moni imperatorin Otonis Magni* In Regenaburi?
ist sowohl der Groasvater, der Eaijier, ala der
Vater begraben; vgl. Aventinsa Werke I, 12-**
277 Aventin Annai Buch V^ y. 26: natu>< est
— Heinrieus imp, — AbudiiMJ (vicua eist et arx
Boiariae inferions in ripa Dnnubii), 2H4 d, h,
Aetnaeaque. 285 LutiniJtV 2!r*0 Aventin
Ann. Buch I, 46 Gutallus, qui et Suema et
Odera. 295 AnnaL IV, p. 450: sopra Caecimn
niontcni, qui Calvua (Kahlenberg) e-^t, reperio
HuDitiam proprio nominari, intra Avariara.
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Innumeros taceo; tenui, die, tibia flatu,
Die Hludvieum atavum, felicis gnata Rudolphi,
(Qui tumidos iusto devieit Marte Boemos
Caesar et Austriacae reparavit stamina gentis),
805 Quem peperit, dominae maior qui gloria Roiiiae,
Legibus augustis firmans populariter orbera,
Inperiosa senis violenti fortiter ora
Fert hylaris; tumidas fregit elementia buUas.
Pannonas edomuitque ferum Rhenique leonem
310 Egit ad extremos fugitivura enare Britannos;
(A vietore duplex suseepit Saxone nomen
Anglia cum Pietis tellus divisa eolonis).
Quid patrem Albertum? eui einetus ubique nivosis
Montibus Hereyniae pugnax diadema Boemus
315 Detulit et solio dignum meliore probavit;
Sed pia nobilitas non eapta eupidine eaeeo
Se speetans vieit, tenui prudentia regnat.
Rarior aeternam peperit vietoria famam.
Ohara duei soboles, genitorem nomine maior
820 Vietriei referens, (praestanti eorpore vires
Pectoris ingenuas iunxit Venus alma nepoti;
Non speeiem fallax peregrinam foenerat aurum).
Dum iuvenis dulees, rerum meliora seeutus,
Inlecebras patriae linquit, non degener agris
825 Incubuit notis, exeelsas oeyus Alpes
Nobilitas superans, sapientis tendit ad urbes
Italiae eultas; duplicem seetatur Ulyxem.
Sanctus Aventino iuvenem de eolle Senatus
Extulit et dominae decoravit gratia Romae.
330 Unde saeras patriam secum deduxit ad urbem
302 Annal. VII, 333, 25: Mathylda (Rudolphi 327 vgl Aventin AnnaJ, VII, 530 'Nicolaus Cusa
imp. filia) peperit Litayicum IV Caesarem au- Alberto, parenti heroum nostrorum, tum in Italia
guatum, unde orijjrinem patemam ducunt nostri et Romae literia studenti opus de globo dedi-
reguli. 305 = qui , major gloria dominae cavit*. Chronik im Ende 'Albrecht . . war der
Romae , fert. 308 tumidos M. 315 vgl. lateinischen Sprach vor andern teutschen forsten
Chronik VIII, S. 572. 317 d. h. tenui loco. wol kündig. Man hat in für den witzigsten
Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. m. Abth. 102
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Pyerides, ans Phoebum temploque dicavit,
Herculeos comites, magnarum numina reruin.
Os tenerum Clio culto sermone figurat,
Scabricie linguam, dentes rubigine purgat.
335 Euterpe vacuo tenuis quae notio spectro
Conponit, penitus sensu sie exuit omni
Et duplici metas inquirit calle latentes.
Fecimdo memori iungit Polymneia vultu
Connubio sacris numeris dominantia verba,
uo Ore regit populum, dictis et pectora fingit.
Ut solet indomitum magnetis carmine ferrum
Omnipotenti trahi, domino velociter haeret
Quodque suo, celeris damnat plebs inscia cursus.
Melpomene Samiis abacos onerasse figuris
345 Gaudet et humores rimoso condere cribro.
Omnia posthabet, ut numeris conponat Olympum.
Terpsichore gemino Septem discrimina vocum
Pamasso condit, plausus imitata sororum:
Et spacium numeris signans arguta sonoriff
350 Doria separat a Phrygiis et Lydia miscet.
und weisisten fürsten im tentschen Land gebal-
ten. 332 Herculeos comites, nicht 'Herculeas',
da auch Phoebus mitgerechnet wird. 333 — 377
Die Namen und die Geschäfte der neun Musen
sind schon Yon den antiken Dichtem und Künst-
lern verschieden ausgetheilt worden. Leider
konnte ich nicht finden, welcher — wahrschein-
lich modernen — Darstellung Aventin hier ge-
folgt ist. Jene Lehre von der Musik des Welt-
alls, der Harmonie der Sphären, welche beson-
ders bei Martianus Capella Buch ü, § 117—126
mitspielt, klingt auch hier durch. 333 ge-
schrieben ist in der Zeile latio, darüber culto M.
334 scabriciae M ; vgl. über diese Reinigung
des Mundes Martianus Cap. § 226. 335 'Eu-
terpe gestaltet im wesenlosen Scheine, was duf-
tiges Bild ist, so beraubt sie gänzlich allen
Sinnes und sucht auf zwieföltigem Pfad (Doppel-
flöte) verborgene Ziele (Wirkungen) zu erreichen*
Traube. Bei Capella II, §. 125 handelt diese
Muse von der Philosophie. Damach sind Aven-
tins Worte vielleicht so zu deuten: E. erfssst
das flüchtige Wesen der unfassbaren geistigen
Vorstellungen (Phantasiebilder), löst von allem
Sinnlichen los und erforscht geheime Dinge auf
zwiefachem Wege (der reinen und der Natur-
philosophie). 338 Die Poesie? Polymnia, be-
gabt mit gedächtnissreichem Blicke, bindet zu
fruchtbarer Ehe gebiet-ende Worte in heilige
Rythmen (d. h. der Text ist die Hauptsache,
die Melodie Nebensache). Wie der Zauber des
Magnets Eisen fesselt, so hält sie die Menge
von unbedachtem Handeln zurück. 344 Die
höhere Mathematik. Sie bedeckt Tafeln mit
pythagoreischen Figuren, kann Flüssigkeiten in
einem Sieb festhalten und die Himmelsräume
berechnen. 346 conponit M. 347 Die eigent-
liche Musik. Auf den zwei Höhen des Pamass
lauscht sie auf die Gesänge der Schwestern,
unterscheidet die 7 Töne und die verschiedenen
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Ipsa graves primum monachi resonare pedum vi
Nervös et peregrinas distraxisse per urbes
Edocuit vacuasque argenti inflare cicutas
Ignotos cantus, qui solo Caesare digni.
355 ütilior cunctis elementa Thalia Camoenis
Commodat, omne suis specialis mensurat et umbra
Instituitque globum manibus parere peritis.
Cuncta probans mentem sibi consentire superbam
Cogit et a propriis inimicus luditur armis.
360 Templa deurn certo lucentis Urania arces
Describit radio varios coelique labores
Spectat et humanos casus solatur ab astris
Aetheris antiquos renovans post saecula mundos.
Sublimes Herato rutilanti vertice tangit
365 Ignes, sed medio figit sub pondere plantam:
Quis volucris pigrum stabili, scrutatur, Olympi
Lege polum vertat, speciosa singula mente
Quisquis continuet, tristisve Diespiter alto
Nubila concutiat, nubes sie igne chorusco
370 Dividat atque cavas; cum terris aethera miscet,
Secernens dominis moriturum sensile diris;
Quicquid agit toto, spectat, rex Juppiter orbe.
Optima Calliope mortales temperat actus.
Tongeschlechter. 351 Aventin Aimal. Buch III,
S. 404, 20: Constantini Copronymi imperatoris . .
ad Pipinum munus: organon. dentis ex albo
plumbo conpactum est, simul et foUibus isflatur
et manuum pedumque digitis palsatur. ^Sie
lehrte zuerst, starke Saiten (am Pedal) ertönen
zu lassen unter dem kräftigen Fusse des Mönches,
sie in fremde Städte zu verbreiten und hohle
Silberröhren zu erfüllen mit nie gekanntem, nur
des Kaisers würdigem Schalle*. 353 yanos
argentique M, variasque schrieb Traube in Hin-
blick auf die verschiedene Grösse der Orgel-
pfeifen; ich zog vacuasque vor. Vgl. Lucrez V.
1379 Zephyri . . sibila . . Agrestes docuere cavas
inflare cicutas. 355—359 Nach Traube's Auf-
fassung ist Thalia auch hier als Muse des Schau-
Spiels geschildert: Nützlicher als die andern
Musen verbreitet Thalia die Bildung und misst
alles in zutreffendem (suis) Lichte und Schatten-
bild und lehrt die Welt sich fügen erfahrener
Hand. Da sie alles aufweist, zwingt sie über-
müthigen Sinn ihr beizupflichten und (so) wird
der Böse mit eigner Waffe geschlagen. Diese
Erklärung hat mich nicht befriedigt; vielleicht
ist doch an eine mathematische Disciplin, wie
die Geometrie, und an Kunststücke, wie die des
Archimedes, zu denken. 360 Astronomie.
364 Physik. 36^ aber ihre Sohle heftet sie
auf die in der Mitte befindliche Erdenmasse.
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Ipsa sui spectatrix, vultu semper eodem,
375 Laeta sibi, summam censet doluisse malonim
Seque polo dignam fingens virtutibus ambit
Imperiosa deum atque animis coelestibus infert.
In medio recubans divinum conspicit orbem
Phoebus et aethereos inspirat in arte furores
880 Magnanimosque duces factis extendere famanri.
Principis Alberti tantis formata magistris
Haesit ubique comes pietas generosa parenti,
Loniter et viduam Boium nutrivit in oris.
Fraternos mitis tribuit prudentia fa«ce8.
385 Et misero facilis dementes commodat aures,
Semper ubique suis praesens, non scriba potentes
Vexat avarus opes; dotales non habet arcas
Maior amica; deum non auspex comparat aras
Foedus adulterio, (mystae sibi cuncta superbi
390 Indulgere solent; vertunt in Candida nigrum).
Nata domi sordent; Scythicis celebratus ab arvis
Princeps Albertus, procermn meliore senatu
Nobilior, tenui vixit prudenter in aula,
Pectore non humili sortem perpessus utramque.
395 (Difficile non est sapienter vivere magnis
Divitiis; inclusam possidet arca Minervam).
Sancta duci coniunx Augustis edita divis
(Est scelus infami castos laudarier ore
Mores): fatalis vivunt concorditer annos
400 Et ducibus Boiam replent feliciter aulam.
Non alias voluit deus et fortuna coire
374 Philosophie ? 378 orbem d. h. der Mu8en. Herrschaft. 388 Diese Erbitterang über die
380 vielleicht ist hier ein Vers ausgefallen. verdorbenen Sitten der Geistlichen drückt Aven-
383 Aventin Chronik VIII, 596: Anna von tin in seinen spätem Schriften immer stärker
Braunschweigk, so ain lange zeit hernach gelebt, aus. Conrad Celtes hatte die gleiche Ansicht,
zu Münichen gehaust hat und gestorben ist. 397 *uzor Kunegundis, filia Friderici et Leo-
384 Albrecht hatte anfänglich wegen der Herr- norae Caesaris et soror Maximiliani Caesaris
J4i hilft /ieuiVH'h v'n^le Streitigkeiten mit seinen ingressa est coenobium' Aventin im IlauskcUen-
Brikkm; a. 14Ö7 ol^erliess ihm Sigmund die der a. IbOS. 401 vgl. V. 1—5. Mit der Unter-
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Norica regna sibi. Boio sub praeside tali
Saecula neverunt Parcae melipra peractis;
Largior et cupidi satiatis undique votis,
405 Tempore quae longo fruges inviderat agris,
Agricolae pleno respondet Copia cornu.
Mitior aethereos animat modo Spiritus orbes.
Martia cmn Phrygiis alternant Doria Musae
Atque pii sacro recinunt Helicone poetae,
410 Norica dictatis comitantur saxa iocosis:
"Maximus Albertus numerosa prole beatus
Nestoreos videat felix cum coniuge soles
Et soboli rerum generosae tradat habenas."
Divo Maximiliano a Deo Coronato imperante aerae Christianae
anno MDVU.
Ad patrios Norici Apsi tumulos cecinit Joannes Aventinus.
Exacuat radios Phoebi dum Syrius ardens
Atque calor uimius corpora nostra gravat.
Schrift vffl. die oben (S. 747) citirte: Joannes 'Exacuat etc,': Äventin im Kalender: a. 1507
Aventinus cecinit a. 1508 divo Maximiliano a Juni Abensperg; Juli Abensperg. Exacuit?
deo coronato feliciter imperante. Unterschrift
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