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Full text of "Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften ..."

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ABHANDLUNGEN 



DER 



KÖNIGLICHEN 



AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 

zu BERLIN. 



1899-1900. 



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ABHANDLUNGEN 



DER 



KÖNIGLICHEN 



AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 

ZU BERLIN. 



AUS DEN JAHREN 

1899 UND 1900. 



MIT 23 TAFELN. 



BERLIN 1900. 

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 



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Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. 



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I nhal t 



öffentliche Sitzungen S. vii — xi. 

Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 gelesenen Abhandlungen S. xi — xxvii. 

Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1899 und 1900 

und neue Preisausschreibungen S. xxviii — xxxvn. 

Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 erfolgten Geldbewilli- 
gungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaft- 
licher Unternehmungen S. xxxviii — xlv. 

Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 erschienenen im Auftrage 
oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder heraus- 
gegebenen Werke S. xlvi — l. 

Veränderungen im Personals tande der Akademie im Laufe der Jahre 

1899 und 1900 S. li— lvi. 

Verzeichnifs der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des Jahres 1900 S. lvh — lxvi. 



^ Abhandlungen. 

• 'S» Physikalisch - mathematische Classe. 

^ Physikalische Abhandlungen. 

.• Schulze: Hexactinelliden des Indischen Oceanes. IIL Theil. (Mit 

O 7 Tafeln.) Abh. I. S. 1-46. 

I ^ Wa l d k y e r : Die Kolon - Nischen , die Arteriae colicae und die Arterien- 

oC* felder der Bauchhohle , nebst Bemerkungen zur Topographie des 

Duodenum und Pankreas. (Mit 4 Tafeln.) Abh. IL S. 1—64. 

^ Philosophisch -historische Classe. 

-M? DiELs: Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia libellus. Abh. I. S. 1—40. 

^ Dümmler: Radbert's Epitaphium Arsenii. (Mit 1 Tafel.) .... Abh. II. S. 1-98. 

Vahlen: Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius . . Abh. III. S. 1—60. 






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VI 

Anhang. 

Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter. 
Physikalische Abhandlungen. 

F. Schaudinn: Untersuchungen über den Generationswechsel von Tri- 

cho9phaerium si^oldi Sehn. (Mit 6 Tafeln.) Abh. I. S. 1—93. 

K. Schumann: Die Verbreitung der Cactaceae im Verhältnifs zu ihrer 

systematischen Gliederung. (Mit 2 Tafeln.) Abh. II. S. 1-114. 

R. Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems 

der Affen. (Mit 3 Tafeln.) Abh. III. S. 1-49. 



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Jahre 1899 und 1900. 

Öffentliche Sitzungen. 

1899. 

Sitzung am 26. Januar zum Gedächtnifs Friedrich's IL und 
zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers 

und Königs. 

Der an diesem Tage Vorsitzende Secretar Hr. Vahlen lieh in 
der Festrede, mit der er die Sitzung eröffnete, zuerst dem dop- 
pelten Anlafs der Festfeier Worte dankbarer Erinnerung und patrio- 
tischer Gesinnung und beleuchtete sodann im Anschlufs an den 
Briefwechsel Friedrich's des Grofsen mit d'Alembert die persön- 
lichen Beziehungen des Königs zu dem Gelehrten und die damjt 
zusammenhängende Forscher- und Schriftsteller-Thätigkeit Fried- 
rich's an einigen Punkten. 

Darauf wurden die Jahresberichte erstattet: über die »Samm- 
lung der griechischen Inschriften« — über die »Sammlung der 
lateinischen Inschriften« — über die » Aristoteles -Commentare« 

— über die »Prosopographie der römischen Kaiserzeit« — über 
die »Politische Correspondenz Friedrich's des Grofsen« — über 
die »Griechischen Münz werke« — über die »Acta Borussica« 

— über das »Historische Institut in Rom« — über den »The- 
saurus linguae latinae« — über die »Kant -Ausgabe« — über das 



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VIII 



»Wörterbuch der aegyptischen Sprache« — über die »Ausgabe 
der Werke von Weierstrafs« — über die »Kartographische Auf- 
nahme von Pergamon« — über die »Ausgabe des Ibn Saad« — 
über die »Humboldt«-, »Savigny«-^ »Bopp«-, »Eduard Gerhard «- 
und »Hermann und Elise geb. Heckmann Wentzel« -Stiftungen. 
In dem Bericht über die zuletzt genannte Stiftung w^aren auch 
die Berichte über die »Ausgabe der griechischen Kirchenväter« 
und über das »Wörterbuch der deutschen Rechtssprache« ent- 
halten. 

Sodann berichtete der Vorsitzende über die seit dem letzten 
Friedrichs-Tage im Januar 1898 in dem Personalstande der Aka- 
demie eingetretenen Veränderungen und theilte zum Schlufs mit: 
1. dafs die Akademie die Helmholtz- Medaille ihrem Mitgliede Hrn. 
Rudolf Virchow zuerkannt, und 2. dafs Seine Majestät der Kaiser 
und König den zum Andenken an den Vertrag von Verdun ge- 
stifteten Preis für das beste in den Jahren 1893-97 erschienene 
Werk über deutsche Geschichte dem ordentlichen Professor in der 
theologischen Facultät der Universität Leipzig D. Albert Hauck 
för seine Kirchengeschichte Deutschlands verliehen habe. 

Sitzung am 29. Juni zur Feier des Leibniz'schen Jahrestages. 

Hr. Di eis, als Vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung mit 
einer Festrede über Leibniz und das Problem der Universalsprache. 

Daraufhielt das seit dem letzten Leibniz -Tage neu eingetretene 
Mitglied der physikaUsch- mathematischen Classe Hr. von Richt- 
hofen seine Antrittsrede, die von Hm. Auwers als Secretar der 
Classe beantwortet wurde. 

Schliefslich verkündete der Vorsitzende das Ergebnifs der letzten 
Ausschreibung des Preises aus dem Cothenius'schen Legat, die für 
1902 erneuert wurde, ferner die Preisausschreibung aus der Graf 



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IX 



Loiibat-Stiftung für 1901^ die Preisaufgabe der Charlotten -Stiftung 
für 1900 und einen Besehlufs der philosophisch -historisehen Classe 
betreffend die Eduard Gerliard- Stiftung. 

1900. 

Sitzung am 25. Januar zum Gedächtnifs Friedrich's IL und 
zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers 

und Königs. 

Der an diesem Tage Vorsitzende Secretar Hr. Waldeyer er- 
öffnete? die Sitzung mit einer Festrede, in der er, nachdem er des 
Anlasses der Feier gedacht hatte, die äufsere F>sclieinung Fried- 
rich's des Grofsen nacli den vorliegenden Berichten der Augen- 
zeugen und den vorhandenen Bildnissen schilderte, die mit der 
im Hohenzolleni- Museum befindhchen Todtenmaske verglichen 
wm-den. 

Darauf wurden wie im Vorjahre die Jahresberichte über die 
akademischen Unternehmungen und die mit der Akademie ver- 
bundenen Stiftungen erstattet (s. oben). Weggefallen war der Be- 
richt über die »Kartographische Aufnahme von Pergamon« wegen 
Beendigung des Unternehmens, lünzugetn^ten Berichte über die 
»Ausgabe des Codex Theodosianus« — über den »Index rei mili- 
taris imperii Roman i« — und über die »Nyassasee- und Kinga- 
gebirgs- Expedition«, letzterer in dem Jahresbericht der Hermann 
und Elise geb. Ileckmann Wentzel-Stiftung enthalten. 

Weiter verkündete der ^^orsitzende eine Preisaufgabe über die 
»Geschichte der Autobiographie« für 1905 aus einer Stiftung des 
Stadtrates Prof. Dr. Walter Simon in Königsberg, und berichtete 
schliefslich über die seit dem letzten Friedrichs-Tage im Januar 
1899 in dem Personalstande der Akademie ehigetretenen Verän- 
derungen. 



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Zweihundertjahrfeier am 19. und 20. Mäi*z. 

Auf Anordnung Seiner Majestät des Kaisers und Königs und 
unter Theihiahme AUerhöchstdesselben wurde am 19. März die 
zweihundertste Wiederkehr des Tages, an welchem Kurfürst Fried- 
rich 111. die Erriclitung der Akademie beschlossen hatte, im Weifsen 
Saale des Königlichen Schlosses durch ehien mit aller Feierlich- 
keit einer grofsen Staatsaction umkleideten Festact gefeiert. Am 
folgenden Tage wurde eine Festsitzung im grofsen Sitzungssaale 
des Abgeordnetenhauses abgehalten, in welcher Hr. Harnack in 
einer Festrede die zweihundertjährige Wu'ksamkeit der Akademie 
schilderte und alsdann die von zahlreichen inländischen und aus- 
wärtigen wissenschaftlichen Körperschaften zur Beglückwünschung 
entsandten Abordnungen empfangen wurden. 

Ein ausführlicher Bericht über die Zweihundertjahrfeier ist von 
dem zur Zeit derselben Vorsitzenden Secretar Hrn. Auwers zu- 
sammengestellt und von der Akademie besonders herausgegeben 
worden. 

Sitzung am 28. Juni zur Feier des Leibniz'schen Jahrestages. 

Hr. Auwers, als Vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung 
mit einem Vortrage, in welchem er, von Leibniz' »Preceptes pour 
avancer les sciences« ausgehend und an eine bei gleichem Anlals 
bereits 1878 gegebene Darlegung der bisherigen und der weiter er- 
forderten Durchführimg der Leibniz'schen Vorschläge im Bereich der 
praktischen Astronomie anknüpfend, die Bedeutung und die Noth- 
wendigkeit einer »Allgemeinen Geschichte des Fixsternhimmels« 
erörterte und dieselbe zugleich als neues akademisches Unternehmen 
ankündigte. 

Darauf hielten die seit dem letzten Leibniz-Täge neu eingetre- 
tenen Mitglieder ihre Antrittsreden, zuerst die Mitglieder der philo- 



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XI 



sophisch-historischen Classe Hr. Scheffer-Boichorst und Hr. von 
Wilamowitz-Moellendorff, denen die Secretare der Classe, Hr. 
Diels und Hr. Vahlen. antworteten, dann die Mitglieder der physi- 
kalisch-mathematischen Classe Hr.Branco undHr.Helmert. Diesen 
antworteten die Secretare Hr. Wald ey er und Hi\ Auw^ers. 

Schliefslich verkündete der Vorsitzende die Ergebnisse der 
letzten Ausschreibungen des Preises der Steiner'schen Stiftung und 
der Charlotten -Stiftung, die beide erneuert wurden, jene für 1905, 
diese für 1901, weiter eine neue Preisaufgabe aus dem von Mi- 
loszewski'schen Legat für 1903, die Ertheilung des Preises der 
Diez-Stiftung und endlich einen Beschlufs der philosophisch -hi- 
storischen Classe betreffend die Eduard Gerhard -Stiftung. 



Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 gelesenen 

Abhandlungen. 

1899. 
Physik und Chemie. 

Paschen, Prof F., und Wanner, H., eine photometrische Methode 
zur Bestimmung der Exponentialconstanten der Emissions- 
function. Vorgelegt von Planck. (Gl. 12.Jan.; »S.-B.) 

Landolt, über Versuche zur Bestimmung der Rotationsdispersion 
concentrirter übersättigter Lösungen von Rechtsweinsäure. 
(Gl. 16. Febr.) 

van't Hoffund H. M. Dawson, Untersuchungen über die Bildungs- 
verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere 
des Stafsfurter Salzlagers. XII. (Gl. 6. April; S.B.) 



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XII 



van't Hoff und Dr. W. Meyerhoffer, Untersuchungen über die 
Bildungsverliältnisse der oceanisehen Salzablagerungen, ins- 
besondere des Stafsfurter Salzlagers. XllL (Cl. 20. April; 
*S. B.) 

Paschen, Prof. F., über die A^eitheilung der Energie im Spectrum 
des schwarzen Körpers bei niederen Temperaturen. Vorgelegt 
von Planck. (G.S. 27. April; S.B.) 

Planck, über irreversibele Strahlungsvorgänge. Fünfte Mittheilung 
(Schlufs). (G. S. 1 8. Mai; S. B) 

van't Hoffund H. M. Dawson, Untersuchungen über die Bildungs- 
verhältnisse der oceanisehen Salzablagerungen, insbesondere 
des Stafsfurter Salzlagers. XIV. (Cl. 15.Juni; S.Ä) 

Fischer und Dr. F. Ach, über die Isomerie der Methylharnsäuren. 
(G.S. 22.Juni;.S.2i. 13.Juü.) 

Kohlrausch und M. E. Maltby, das elektrische Leitvermögen 
wässriger Lösungen von Alkali- Chloriden und Nitraten. (Cl. 
20.Juü;S.7?.) 

Holborn, Prof L., und Dr. A. Day, über die Thermoelektricität 
einiger Metalle. Vorgelegt von Kohlrausch. (Cl. 20.JuU; 
S. B.) 

Kohlrausch, über den stationären Temperaturzustand eines von 
einem elektrischen Strome erwärmten Leiters. (G.S. 27. Juli; 
S. B.) 

Jaeger, Prof. W., und Dr. H. Diesselhorst, Wärmeleitung, Elektri- 
(utätsleitung, Wärmecapacität und Thermokraft einiger Me- 
talle. Vorgelegt von Kohlrausch. (G.S. 21.iw\i\ S.B.) 

Warburg, über positive und negative Spity.enentladung in reinen 
Gasen. (Cl. 19.0ct.; >S.2i.) 

van't Hoff und D. Chiaraviglio, Untersuchungen über die Bil- 
dungsverhältnisse der oceanisehen Salzablagerungen, insbe- 
sondere des Stafsfurter Salzlagers. XV. (Cl. 2.Nov.; *S./i.) 



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Xlll 



Paschen, Prof. F., über die Vertheiluiig der Energie im Spectrüin 
des schwai'zen Körpers bei höheren Temperaturen; Vorgelegt 
von Planck. (G.S. T.Dec; Ä;Ä 21.Dec.) 

van't Hoff und N. Kassatkin, Untersuchungen über die Bild ungs- 
verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere 
des Stafsfurter Salzlagers. XVI. (Cl. li.Dec; S.B.) 

Wilson, H. A., Untersuchungen über die Bildmigsverhältnisse der 
oceanischen Salzablagerungen, msbesondere des, Stafsfurter 
Salzlagers. XVII. Vorgelegt von van't Hoff. (Cl. H.Dec; S.B.) 

Mineralogie und Geologie. 

Salomon, Dr. W., neue Beobachtungen aus den Gebieten des 
Adamello und des St. Gottliard. Vorgelegt von Klein. (Cl. 
12.Jan.; .S.ii- 19. Jan.) 

Leiss, C, über eine Methode zur objectiven Darstellung und Photo- 
graphie der Schnittcurven der Indexflächen und über die Um- 
wandlung derselben in Schnittcurven der Strahlenflächen. 
Vorgelegt von Klein. (Cl. 12. Jan.; *S. -ö. 19. Jan.) 

Rosenbusch, über Euktolith, eui neues Glied der theralithischen 
Eff'usivmagmen. (G. S. 9. Febr. : S. B.) 

Leiss, C, über die objective Darstellung der Schnittcui-ven der 
Strahlenflächen. Vorgelegt von Klein. (Cl. 2. März; !^.B.) 

Klein, Optische Studien. I. (G.S. 23.Mäi-z; G.S. 13. April; S.B. 
13. April.) 

Botanik und Zoologie. 

Schwendener, über die Contactverhältnisse der jüngsten Blatt- 
anlagen bei Lhiaria sparia. (Cl. 2.Febr,; Ä.Ä) 

Schwendener, über den Öffnungsmechanismus der Antheren. (Cl. 
2.Febr.;^\Ä) 



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XIV 



Schulze, zur Histologie der Hexactinelliden. (Cl. 16. März; S.B.) 
Ludwig, Jugendformen von Ophiuren. (CL Iß.März; *S.Ä) 
Möbius, über die auf der deutschen Spitzbergenfahrt gefangenen 

Pantopoden. (CL 20. April.) 
Loh mann, Dr. H., Untersuchungen über den Auftrieb der Strafse 

von Messina mit besonderer Berücksichtigung der Appen- 

dicularien und Challengerien. Vorgelegt von Möbius. (CL 

20. April ;-S.Ä) 
Engler und Dr. L. Diels, über die systematische Gliederung und 

Verbreitung der Gattung Combretum, insbesondere der afri- 

canischen Arten. (CL 4.MaL) 
Küster, Dr. E., über Gewebespannungen und passives Wachsthum 

bei Meeresalgen. Vorgelegt von Schwendener. (CL 15. Juni; 

S.B. 2. Nov.) 
Rodewald, Prof H., und Dr. A. Kattein, über die Herstellung 

von Stärkelösungen und Rückbildung von Starkekömem aus 

den Lösungen. Vorgelegt von Schwendener. (Cl. 6. Juli; 

S. B.) 
Schwendener, über die Schumaim'schen Einwände gegen seine 

Theorie der Blattstellungen. (ß.S. T.Dec; S.B.) 

Anatomie und Physiologie. 

Munk, Weiteres über die Ausdehnung der Sinnessphären an der 
Grofshimrinde. (G.S. 9. Febr.) 

Waldeyer, über Neurone und Neuropil. (CL 2. März.) 

Thilenius, Dr. G., vorläufiger Bericht über die Eiablage und erste 
Entwickelung der Hatteiia puncldla. Vorgelegt von Wal- 
deyer. (CL 16.Mäi-z;.S.i^.) 

Heymons, Dr. R., über bläschenförmige Organe bei den Gespenst- 
heuschrecken. Vorgelegt von Schulze. (CL 15.Juni; ^\ö.) 



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XV 



Hertwig. ().. über den Einflufs der Temperatur auf die Entwicke- 

lung thierischer Eier. (GL 6. Juli.) 
Engelmann, über die Innervation des Herzens. (G.S. 9.Nov.) 
Engelmann, über die Hypothese von Muskens zur Erklärung der 

chronotropen Wirkungen der Herznerven. (G.S. 7.Dec.) 
Krause, Dr. R., Untersuchungen über den Bau des Centralnerven- 

systems der AfTen. Vorgelegt von 0. Hertwig. (G. S. 

7.Dec.; Ahh.) 
Munk, über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grofs- 

hirnrinde. (Cl. li.Dec; S.B.) 

Anthropologie. 

Virchow, die Bevölkerung der Philippinen. Zweite Mittheilung. 

(Cl. 12.Jan.;.S.Z?. 19. Jan.) 
Virchow, ein Flachbeil aus Jadeit von der Becker Haide am 

Niederrhein. (Cl. 30. Nov.; S. B.) 

Astronomie und Geophysik. 

Lüdeling, Dr. G., über den täglichen Gang der erdmagnetischen 

Störungen an Polarstationen. Vorgelegt von v. Bezold. (Cl. 

16.März;ÄZ?.) 
von Bezold, über die Zunahme der Blitzgefahr während der letzten 

sechzig Jahre. (G.S. 23. März; S.B.) 
Wilsing, Prof. J., über die Deutung des typischen Spectrums der 

neuen Sterne. Vorgelegt von Vogel. (Cl. 4. Mai; *S.jB.) 
von Bezold, über die Sonnenstrahlung in der Atmosphäre und 

das Polarlicht. (Cl. 15. Juni.) 
Hartmann, Dr. J., über die relative Helligkeit der Planeten Mars 

und Jupiter nach Messungen mit einem neuen Photometer. 

Vorgelegt von Vogel. (Cl. 20. Juli; S.B.) 



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XVI 



Wilsing, Prof. J., über den Einfliifs des Dmcks auf die Wellen- 
längen der Linien des WasserstofFspectrums. Vorgelegt von 
Vogel (G.S. 27.Ju[[;S.B.) 

Auwers, über die Genauigkeit der astronomischen Ortsbestim- 
mungen. (GL 16. Nov.) 

Mathematik. 

Lipschitz, Bemerkungen über die Differentiale von symbolischen 
Ausdrücken. (Cl. 16.Febr.; .S.Ä) 

Hamburger, Prof. M., über die singulären Lösungen der alge- 
braischen Differentialgleichungen hciherer Ordnung. Vorge- 
legt, von Fuchs. (G.S. 23. Febr.; S.B.) 

Fuchs, Bemerkungen zur Theorie der associirten Differentialglei- 
chungen. (G.S. 9.März; .S.J9.) 

Frobenius, über die Composition der Charaktere einer Gruppe. 
(Gl. 6.April;.S.J9.) 

Frobenius, über die Darstellung der endlichen Gruppen durch 
lineare Substitutionen. IL (Gl. I.Juni; Ä^.) 

Koenigsberger, über die Irreductibilität algebraischer Functional- 
gleichungen und linearer Differentialgleichmigen. (Gl. 20. Juli; 
S.B.) 

Koenigsberger, über die Ii-reductibilität algebraischer Differential- 
gleichungen. (G. S. 26. Oct. ; .S. B. ) 

Philosophie. 
Stumpf, über den Willensbegriff. L (Gl. 12. Jan.) 
Diels, zur Geschichte des Begriffes Element. (G.S. 27. April.) 
Dilthey, Ideen zu einer Bildungslehre und Classification der philo- 
sophischen Systeme. (Gl. 20. Juli.) 
Stumpf, über die Tiefenunterschiede der Gesichtsempfindungen. 
(G.S. 23. Nov.) 



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XVII 

Geschichte. 

Koser, über den Übergang Preufsens zur constitutionellen Re- 
gierungsform. (GL 16. Febr.) 

Harnack, das Aposteldecret (Act. 15,29) und die Blafs'sche Hypo- 
these. (GL 2. März; S.B.) 

Harnack, über den ui*sprüngUchen Text Act. Apost. 11, 27. 28. 
(Gl. 6.April;.S\Ä) 

Lenz, Beiträge zur Kritik der Gedanken und Erinnerungen des 
Fürsten Bismarck. (Gl. 20. April.) 

Geffcken, Dr. J., eine gnostische Vision. Vorgelegt von Harnack. 
(Gl. 20.Juli;.S.i?.) 

Dumm 1er, über eine Synodalrede des Papstes Hadrian's II. (Gl. 
19.0ct.;.S.Ä) 

Weinhold, über die Bedeutung des Haselstrauchs im altgerma- 
nischen Gultus und Zauberwesen. (Gl. 2. Nov.) 

Lenz, zweite Mittheilung zur Kritik der Gedanken und Erinne- 
mngen des Fürsten Bismarck. (Gl. 16. Nov.) 

Harnack, vorläufige Bemerkungen zu dem jüngst syrisch und 
lateinisch publicirten »Testamentum domini nostri Jesu 
Ghristi«. (Gl. 30.Nov.; .S.Ä) 

Kos er, über die Kosten der preufsischen Kriegsführung im Sieben- 
jährigen Kriege. (G.S. 21.Dec.) 



Rechts- und Staatswissenschaft. 

Pernice, zum römischen Gewohnheitsrechte. (Gl. 4. Mai.) 
Brunn er, die Vergabungsfreiheit im westgothischen, burgundischen 

und salfränkischen Rechte. (Gl. I.Juni.) 
Schmoller. über die Gröfse der Bevölkerung in älterer und neuerer 

Zeit. (G.S. 13. Juli.) 



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XVIII 



Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie. 

Schmidt, K, methodologische Bemerkungen über die Behandlung 

der Texte Kant's. (G.S. 19. Jan.) 
Tob 1er, die Legende vom heiligen Julianus in altfranzösischen 

Versen. (G.S. 23. Febr.) 

Classische Philologie. 

Vahlen, Bemerkungen zum Ennius. (Gl. 16. März; S.B.) 
Schmidt, J., die elischen Verba auf -em und der urgriechische 

Declmationsablaut der Nomina auf -evs, (Gl. 6. April; S.B.) 
Hirschfeld, Anlage und Abfassungszeit der Epitome des Florus. 

(GL15.Juni;ÄÄ) 
von Wilamowitz-Moellendorff, Platon's Gorgias und die Rede 

des Polykrates gegen Sokrates. (G.S. 26.0ct.) 
Reitzenstein, Prof. R., zwei neue Fragmente der Epoden des 

Archilochos. Vorgelegt von Diels. (Gl. 2. Nov. ; S. B. 1 6. Nov.) 
Schmidt, J., über die griechischen Praesentia auf -ickw, (GL 

14.Dec.) 
de Boor. Prof G.. Bericht über eine Studienreise nach Italien, 

Spanien und England zum Zw^ecke handschriftlicher Studien 

über byzantinische Glu'onisten. Vorgelegt von Diels. (Gl. 

l4.Dec.; S.B.) 

Archaeologie. 

Kekule von Stradonitz, über das Bruchstück einer Portrait- 
statuette Alexander's des Grofsen. (Gl. 2. März; S.B. 16. März.) 
Gonze, über die Thore der Königsstadt Pergamon. ((t.S. 23. März.) 
Schrader, Dr. IL, die Opferstätte des pergamenischen Altars. Vor- 
gelegt von Gonze. (Gl. 6. Juli; S.B.) 



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XIX 

Orientalische Philologie. 

Sachau, Studie zur Syrischen Kirchenlitteratur der Damascene. 

(Cl. 2.Febr.;^\i^. I.Juni.) 
Belck, Dr. W., und Dr. C. F. Lehmann, Bericht über eine For- 
schungsreise durch Armenien. Vorgelegt von Diels. (Cl. 

2.Yehr.;S.B. 9. Febr.) 
Schrader, über die hemerologische Tafel U Rawl. 32. 33. Erster 

Theil. (G.S. S.Juni.) 
Er man, zwölf Ostraka aus den Königsgräbern zu Theben. (('1. 

6. JuU.) 
Schäfer, Dr. H., Bruchstück eines koptischen Romans über die 

Eroberung Aegyptens durch Kambyses. Vorgelegt von 

Erman. (G.S. 27. Juli; .S.Ä) 
Belck, Dr. W., und Dr. C. F. Lehmann, zweiter Vorbericht über 

eine Forschungsreise in Armenien. Vorgelegt von Sachau. 

(G.S. 27.3u\i;S.B.) 



1900. 
Physik und Chemie. 

Landolt, Untei'suchungen über etwaige Änderungen des Gesammt- 

gewichtes chemisch sich umsetzender Körper. (Cl. 1 I.Jan.) 
Planck, über Entropie und Temperatur strahlender Wärme. (G.S. 

22. Febr.) 
Fischer, über aromatische Derivate der Harnsäure. (Cl. l.März;S. J9.) 
Vater, Prof. H., einige Versuche über die Bildung des marinen 

Anhydrites. Vorgelegt von van't Hoff. (Cl. 15. März; S.B. 

29. März.) 
Ladenburg, Prof. A., und Dr. C. Krügel, über das Krypton. 

Vorgelegt von van't Hoff. (G.S. 22. März; S.B.) 



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X.X 



Quincke, über Volumenänderungen durch magnetische Kräfte. 
(CL 29. März; .^.Ä 19. April.) 

Lummer, Prof. ()., complementäre Interferenzerscheinungen im 
reflectirten Lichte. Vorgelegt von Kohlrausch. (CL 19. April; 
S.B. 8. Mai.) 

van't Hoff und E. F. Armstrong, Untersuchungen über die Bil- 
dungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbe- 
sondere des Stafsfurter Salzlagers. XVIII. (G.S. 31. Mai; S.B.) 

Kohlrausch, über Fortschritte, welche sich mit Bezug auf die 
Messung hoher Temperaturen bei neueren Arbeiten der 
IIH. Holborn und Day in der Physikalisch -Technischen 
Reichsanstalt ergeben haben. (Cl. 14. Juni.) 

Runge, Prof. C, und Prof F. Paschen, über das Zeeman'sche 
Phaenomen. Vorgelegt von Planck. (Cl. 14. Juni.) 

War bürg, über die Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung 
in Sauerstoff. (Cl. il.Juü; S.B) 

Ladenburg, Prof. A., und Dr. C. Krügel, über das Krypton. 
Zweite Mittheilung. Vorgelegt von van't Hoff. (Cl. 5. Juli; 
S.B.) 

Gold stein, Prof E., über die Phosphorescenz anorganischer chemi- 
scher Praeparate. Vorgelegt von Warburg. (G.S. 26.JuU;iS.ß.) 

Grün mach, Prof L., experimentelle Bestimmung von Capillaritätii- 
constanten condensirter Gase. Vorgelegt von Warburg. (G.S. 
26. Juli; S.B.) 

Rubens, Prof H., und Prof. F. Kurlbaum, über die Emission lang- 
welliger Wärmestrahlen durch den schwarzen Körper bei 
verschiedenen Temperaturen. Vorgelegt von Kohhausch. 
(G.S. 25.0ct.;.S.Ä) 

Kohlrausch, über das elektrische Leitvermögen von Lösungen der 
AlkaU-Jodate und eine Formel zur Berechnung von Leit- 
vermögen. (G. S. 8. Nov. ;S.B.) 



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XXI 



Holborn, Prof. L., und Dr. A. Day, über die Ausdehnung von 
Platin, Platiniridium, Palladium, Silber, Nickel, Eisen, Stahl 
und Constantan in hoher Temperatur. Vorgelegt> von Kohl- 
rauseh. (G.S. S.Nov.; .S.ß.) 

van't Hoffund Dr. H. von Euler-Chelpin, Untersuchungen über 
die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, 
insbesondere des Stafsfurter Salzlagers. XIX. (Cl. 15. Nov.; 
S.B.) 

Fischer, über die Ester der Aminosäuren. (Cl. 29. Nov.; ^\ R) 

Basch, E. E., künstliche Darstellung des Polyhalit. Vorgelegt von 
van't Hoff. (Cl. 29. Nov.; S.B.) 

Fischer, Synthese der a, 5-Diaminovaleriansäure. (Cl. 13.Dec.; 
S.B.) 

van't Hoffund H. A. Wilson, Untersuchungen über die Bildungs- 
verhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere 
des Stafsfurter Salzlagers. XX. (G.S. 20.Dec.; .S. ß.) 

Mineralogie und Geologie. 

Klein, das Krystallpolymeter, ein Instrument für krystallograph isch- 
optische Untersuchungen. (Cl. 29. März; N.Ä) 

Klein, die neueste Vermehrung der Mineraliensammlung der König- 
lichen Friedrich -Wilhelms -Universität. (Cl. 3. Mai.) 

Rinne, Prof. F., Beitrag zur Petrographie der Minahassa in Nord- 
Celebes. Vorgelegt von Klein. , (Cl. 3. Mai; S.B.) 

Baumhauer, Prof H., über die krystallographischen Verhältnisse 
des Jordanit. Vorgelegt von Klein. (G.S. 3 I.Mai; X /^.) 

Sauer, Prof A., geologische Beobachtungen im Aarmassiv. Vor- 
gelegt von Klein. (Cl. 14. Juni; S.B. S.Juli.) 

Branco, die geologische Bedeutung des Rieses bei Nördlingen. 
(G.S. 25.0ct.) 



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XXII 



Bauer, Prof. M., Beiträge zur Kenntnifs der niederhessischcn Ba- 
salte. Vorgelegt von Klein. (Cl. l.Nov.; .S'.Ä 15. Nov.) 

Cohen, Prof. E., Zusammenfassung der bei der Untersuchimg der 
körnigen bis dichten Meteoreisen erhaltenen Resultate. Vor- 
gelegt, von Klem. (Cl. 13.Dec.; S.B.) 

Botanik und Zoologie. 

Schulze, Hexactinelliden des Indischen Oceanes. III. Theil. (Cl. 

15.Febr.;^&Ä.) 
Mob ins, über die Grundlagen der aesthetischen Beurtheilung der 

Säugethiere. (Cl. 15. März; S. B.) 
Engler, über die Vegetationsverhältnisse des Ulugurugebirges in 

Deutsch- Ostafrika. (G. S. 22. März; S. B.) 
Seh wendener, die Divergenzändeiungen an den Blüthenköpfen 

der Sonnenblumen im Verlaufe ihrer Entwicklung. (G.S. 

22. Nov.; N./?.) 

Anatomie und Physiologie. 

Waldeyer, über die Kolon-Nischen und die Arterienfelder der 
Peritonaealhöhle. (G. S. 1 8. Jan. ; Abk.) 

Hertwig, 0., über den Zustand der Entwickelungslehre im 16. 
bis 18. Jahrhundert. (Cl. 17. Mai.) 

Fritsch, Prof. G., vergleichende Untersuchungen menschhcher Au- 
gen. Vorgelegt von Engelmann. (Cl. 17. Mai; S.B. 14. Juni.) 

Kali seh er, Dr. 0., über GrofshuTiexstii*pationen bei Papageien. 
Vorgelegt von Munk. (Cl. 5. JuU; Xi?.) 

Bickel, Dr. A., und Dr. P. Jacob, über neue Beziehungen zwischen 
Hirnrinde und hinteren Rückenmarks wurzeln hinsichtlich der 
Bewegungsregulation beim Hunde. Vorgelegt von Engel- 
mann. (G.S. 12.Juü;^^/i.) 



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XXIIl 



P^ngelmann, über die Natur der herzschwächenden Nervenwir- 
kungen und des Phaenomens der »Treppe«. (CL 19. Juli.) 

Munk, über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grofshim- 
i-inde. Zweite Mittheilung. (Cl. 19. Juli; &Z?.) 

Klaatsch, Prof. H., der kurze Kopf des Muscukis biceps femoris. 
Seine morphologische und stammesgeschichtliche Bedeutung. 
Vorgelegt von Waldeyer. (Cl. 19.Juü; S.B. 26.JuU.) 

Tonkoff, Dr. W., experimentelle Ei-zeugung von Doppelbildungen 
bei Triton. Vorgelegt von 0. Hertwig. (Cl. 19. Juh; *S. 5.) 

Munk, über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grolshirn- 
rinde. Dritte Mittheilung (Schlufs). (Cl. 29. Nov.) 

Lewandowsky, Dr. M., über die Automatic des sympathischen 
Systems nach am Auge angestellten Beobachtungen. Vor- 
gelegt von Engelmann. (Cl. 13.Dec.; *S.jB.) 

Waldeyer, weitere Beiträge zur topographischen Anatomie der 
Bauchhöhle. (G.S. 20.Dec.; Ab/i.) 

Astronomie, Geographie und Geophysik. 

Vogel, über die im letzten Decennium in der Bestimmung der 
Sternbewegungen in der Gesichtslinie erreichten Fortschritte. 
(Cl. 29. März; .S. 5. 19. April.) 

von Bezold, über klimatologische Mittelwerthe für ganze Breiten- 
kreise. (G.S. 12.Juh.) 

Zwölf Briefe von Bessel an Olbers. (G.S. 12.JuU; S.B.) 

von Richthofen, über Gestalt und Gliederung einer Grundhnie 
in der Morphologie Ost- Asiens. (Cl. IS.Oct; .S.J9.) 

Helmert, zur Bestimmung kleiner Flächenstücke des Geoids aus 
Lothabweichungen mit Rücksicht auf Lothkrümmung. Erste 
Mittheilung. (Cl. 1 . Nov.; N. B.) 



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XXIV 



Mathematik. 
Fuchs, über eine besondere Gattung von rationalen Curven mit 

imaginären Doppelpunkten. (Cl. l.Febr.; N.U.) 
K Otter, Prof. F., die von Steklow und Liapunow entdeckten in- 

tegrabelen Fälle der Bewegung eines stanen Köi-pers in 

einer Flüssigkeit. Vorgelegt von Fuchs. (Cl. LFebr.; S.B.) 
Krause. Prof. M., über eine Classe von Differentialgleichungen 

zweiter Ordnung, welche durch elliptische Functionen inte- 

gi-irbar sind. Vorgelegt von Fuchs. (Cl. 15. März; S.B. 

29. März.) 
Landsberg, Prof G., zur Theorie der algebraischen Functionen 

zweier Veränderlicher. Vorgelegt von Frobenius. (G.S. 

5.April;.S\Ä.) 
Gordan, Beweis fiir den Satz, dafs die Ludolph'sche Zahl tt eine 

transcendente Zahl ist. (Cl. 19. April.) 
Frobenius, über die Charaktere der symmetrischen Gruppe. (G.S. 

26.April;N. 1^.10. Mai.) 
Koenigsberger, über das erweiterte Newton 'sehe Potential. (Cl. 

13.Dec.:>\7^, 20.Dec.) 

Philosophie. 
Dilthey, über Beziehung und Zusammenhang der Ideen Schleier- 
machers über Cultur und Staat. (Cl. 5. Juli.) 

Kunstwissenschaft. 
Stumpf, über Tonsystem und Musik der Siamesen. (G.S. 8. Nov.) 

Geschichte. 
Harnack, über die beiden Recensionen der Geschichte der Prisca 
und des Aquila in Act. Apost. 18, 1-27. (Cl. ll.Jan.; 
S.B.) 



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XXV 



Scheffer-Boichorst, das Gesetz Kaiser Friedrich's II. »De re- 
sigiiandis privilegiis«. (G.S. S.Febr.; *S. 71 S.März.) 

llarnack, Bericht über die Abfassung der »Geschichte der König- 
lich Preufsischen Akademie der Wissenschaften zu BerUn«. 
(G.S. 8.Febr.;XÄ) 

Harnack, das Magnificat der EUsabet (Luc. 1, 46-55) nebst 
einigen Bemerkungen zu Luc. 1 und 2. (Ci. 17. Mai; S.ß.) 

Dümmler, Radbert's Epitaphium Arsenii (gewöhnlich Vita Walae 
genannt). (Gl. 19. Juli; Äbh.) 

Köhler, der thukydideische Bericht über die oligarchische Um- 
wälzung in Athen im Jahre 411. (G.S. 26. Juli; S.B.) 

Harnack, zu den Amherst- Papyri. (Gl. l.Nov.; N. Z?.) 

Kos er, über eine ungedruckte Redaction der »Memoires depuis la 
paix de Hubertsbourg jusqu'ä la fin du partage de Po- 
logne« Friedrich's des Grofsen. (G.S. 6.Dec.) 

Lenz, ein Capitel aus der Geschichte Bismarck's. (Gl. 13.Dec.) 

Köhler, zwei Inschriften aus der Zeit Antiochos' IV. Epiphanes. 
{C[.n.Dec.;S.B.) 

Rechts- und Staatswissenschaft. 

Pernice, über die sogenannten res communes omnium. (Gl. 15. Febr.) 
Brunn er, über die erbrechtliche Stellung der Weiber bei Lango- 
barden, Westgothen und Salfranken. (Gl. 3. Mai.) 
Schmoller, über die Ausbildung einer richtigen Scheidemüiizpolitik 
vom 14.— 18. Jahrhundert. (G.S. 21. Juni.) 

Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie. 

Schmidt, E., deutsche Reimstudien. I. (Gl. 11. Jan; S.B. B.Mai.) 
Tob 1er, der provenzalische Su'ventes »Senher n'enfantz, f'il vos 
platz«. (Gl. 29. März; S. 5.) 



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XXVI 



Weinhold, die Zeitpaitikeln des schlesischeii Dialekts. (Cl. IH.Oct.: 

S.B.) 
Schmidt, E., das Verhältnifs der deutschen Volksschauspiele zu 

Marlowe's Tragical history of Dr. Faustus. (Cl. 15. Nov.) 



Classische Philologie. 

Vahlen, über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 

(Cl. l.m&Yz; Äb/f.) 
von Wilamowitz-Moellendorff, die sechste Rede des Antiphon. 

(Cl. 19. April; S.Z?.) 
Hatzi dakis, zur Betonung der griechischen Composita, deren 

zweiter Theil ein Verbaladjectiv trochäischer Messung ist. 

(G.S. 26. Apvi\; S.B.) 
Di eis, neue Ausgabe der pseudoaiistoteüschen Schrift de Melisso 

Xenophane Gorgia. (G.S. 10. Mai; Äbh.) 
von Wilamow^itz-Moellendorff, neue Bruchstücke der hesio- 

dischen Kataloge. (Cl. 19. Juh; .S.^. 26.JuU.) 
('rönert, Dr. W., der Epikureer Philonides. Vorgelegt von Diels. 

(G.S. 2o.Oct.; S.B.) 
Hatzidakis, Umwandlung eines Potentialis in Plusquamperfect 

und Perfect. (Cl. 1 . Nov. ; S. B. 29. Nov.) 
Köhler, ein Nachtrag zum Lebenslauf des Epikureers Philonides. 

(G.S. 8.Nov.;N.^.) 



Archaeologie. 

Borchardt, Dr. L., Bericht über einen Einsturz im Amonstempel 
von Karnak am 3. October 1899. Vorgelegt von Erman. 
(Cl. ll.Jan.;^\/^. l.Febr.) 



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XXVIl 



Kekule von Stradonitz, vorläufiger Bericht über die von den 
Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet 
(Cl. l.Febr.;N.i{. 15. Febr.) 

Schuchhardt, Dr. C, das Römercastell bei Haltern an der Lippe. 
Vorgelegt von Conze. (G.S. S.März; N.Ä. 5. April.) 



Orientalische Philologie. 

Erman, die Flexion des aegyptischen Verbums. (G.S. 18. Jan.; 

S.B. 5. April.) 
Schrader, über die hemerologische Tafel II Rawl. 32. 33. Zweiter 

Theil. (Gl. 15. März.) 
Er man, über einen von W. GolenischefF unlängst veröffentlichten 

Papyrus. (G.S. D.April.) 
Sachau, über die Quellen von Ibn Saad's Geschichtswerk. (Cl. 

1 4. Juni.) 
Weber, A., Vedische Beiträge. VIII. (Cl. 14. Juni; S.B.) 
Lehmann, Dr. C. F., Bericht über die Ergebnisse der von Dr. 

W. Belck und Dr. C. F. Lehmann 1898/99 ausgeführten 

Forschungsreise in Armenien. Vorgelegt von Schrader und 

Sachau. (Cl. 14.Juni; N.^.) 
Erman, über den Papyrus P 3027 des aegyptischen Museums. 

(Cl. 29. Nov.) 



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XX VIII 



Bericht über den Erfolg der Preisausschreibiingen für 1899 und 

1900 und neue Preisausschreibungen an den Leibniz- Tagen 

1899 und 1900 sowie am Friedrichs-Tage 1900. 

Preisaufgabe aus dem Cotherdus' sehen Legat 

gestellt w der Leihniz - SHzung am 29, Juni 1899. 

In der Leibniz -Sitzung des Jahres 1896 hat die Akademie aus 
der (vothenius- Stiftung die folgende Preisaufgabe ausgeschrieben: 
»Die Königliche Akademie der Wissenschaften wünscht eine 
auf eigenen Versuchen und Beobachtungen beruhende Ab- 
handlung über die Entstehung und das Verhalten neuer 
Getreidevarietäten im Laufe der letzten 20 Jahre.« 

Bewerbungsschriften, welche bis zum 3LDecember 1898 er- 
wartet wurden, sind nicht eingegangen. 

Auf Vorschlag der physikalisch -mathematischen Classe stellt 
die Akademie die Preisfrage unverändert abermals. Bewerbungs- 
schriften sind spätestens am 31. December 1901 im Bmeau der 
Akademie, Berlin NW. 7, Universitätsstrafse 8 , einzureichen. Die- 
selben können in deutscher, lateinischer, französischer, englischer 
oder itahänischer Sprache abgefafst sein. 

Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen, 
welches auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen 
und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufserlich wieder- 
holt ist. Schriften, welche den Namen des Verfasser nennen oder 
deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. Ebenso 
können Schriften, welche in störender Weise unleserlich geschrie- 
ben sind, durch Beschlufs der Classe von der Bewerbung aus- 
geschlossen werden. 

Die Verkündung des Urtheils erfolgt in der Leibniz -Sitzung 
des Jahres 1902. 



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XXIX 



Der ausgesetzte Preis beträgt 2000 Mark. Aufserdem über- 
nimmt die Akademie, wenn der Preis ertheilt wird und der Ver- 
fasser die gekrönte Preisschrift in Druck zu geben beabsichtigt, die 
Drucklegung oder die Kosten derselben in der nach ihrem Ermessen 
geeigneten Form. 

Sämmtliche Bewerbmigsschiiften nebst den zugehörigen Zetteln 
werden ein Jahr lang vom Tage der Urtheilsverkündung ab fiir 
den Verfasser aufbewahrt und einem jeden Verfasser, welcher sich 
als solcher nach dem Urtheil des Vorsitzenden Secretars genügend 
legitimirt, die seinige gegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt. 
Ist die Arbeit als preisfähig anerkannt, aber nicht praemürt, so kann 
der Verfasser innerhalb dieser Frist verlangen, dafs sein Name durch 
die Schrift;en der Akademie zur öffentlichen Kenntnifs gebracht 
werde. Nach Ablauf der bezeichneten Frist steht es der Akademie 
frei, die nicht abgeforderten Schriften und Zettel zu vernichten. 



Preis der Graf Louhat' Stiftung. 

ausgeschieben ann 29. Juni 1899. 

Die Akademie wird am Leibniz-Tage im Juli 1901 aus der 
Graf Loubat- Stiftung einen Preis von 3000 Mark an diejenige ge- 
druckte Schrift aus dem Gebiet der Geschichte von Nordamerica, 
insbesondere dessen Colonisation und neuerer Geschichte bis zur 
Gegenwart, zu ertheilen haben, welche unter den ihr eingesandten 
oder ihr anderweitig bekannt gewordenen als die beste sich er- 
weist. Sie setzt demgemäfs den I.Januar 1901 als den Tennin 
fest, bis zu welchem Bewerbungsschriften an sie eingesandt und 
in Berlin eingetroffen sein müssen. Statutenmäfsig dürfen nur 
solche Schriften praemürt werden, welche innerhalb der letzten 
10 Jahre erschienen sind. Als Schriftsprache wird die deutsche, 
englische, holländische, französische und spanische zugelassen. 



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XXX 



Preisaufgabe der Charlotten -Stiftung 

vom 29. Juni 1899. 

Nach dem Statut der von Frau Charlotte Stiepel geb. Freiin 
von HopfFgaiten errichteten Charlotten -Stiftung für Philologie wird 
enie neue Aufgabe von der ständigen Commission der Akademie 
gestellt: 

»Die griechischen Doppelnamen in Aegypten, mit Aus- 
schlufs der römischen Vor- und Geschlechtsnamen, sollen 
aus der Litteratur, den Inschriften und der Papyi'us- und 
Ostraka-Uberüeferung, soweit sie veröffenthcht ist, zu- 
sammengestellt und Umfang und Entwickelung dieser 
Sitte in den Grundzügen dargelegt werden. Man wünscht 
durch diese Aufgabe die Am'egung zu geben zu einer 
späteren zusammenfassenden Untersuchung über dieNomen- 
clatur der griechisch-römischen Epoche, namentlich mit 
Rücksicht auf die Cognomina (Signa). <^ 

Die Stiftung ist zur Förderung junger, dem Deutschen Reiche 
angehöriger Philologen bestimmt, welche die Universitätsstudien 
vollendet und den philosophischen Doctorgrad erlangt oder die 
Prüfung ftir das höhere Schulamt bestanden haben, aber zm* Zeit 
ihrer Bewerbung noch ohne feste Anstellung sind. Privatdocenten 
an Universitäten sind von der Bewerbung nicht ausgeschlossen. 
Die Arbeiten der Bewerber sind bis zum I.März 1900 an die 
Akademie einzusenden. Sie sind mit einem Denkspruch zu ver- 
sehen; in einem versiegelten, mit demselben Spruche bezeichneten 
Umschlage ist der Name des Verfassers anzugeben und der Nach- 
weis zu liefern, dafs die statutenmäfsigen Voraussetzungen bei dem 
Bewerber zutreffen. In der öffentUchen Sitzung am Leibniz-Tage 
1900 (oder in der an ihre Stelle tretenden Festsitzung) ertheilt die 
Akademie dem Verfasser der des Preises würdig erkannten Arbeit 



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XXXI 



das Stipendium. Dasselbe besteht in dem Genüsse der Jahreszinsen 
des Stiftungscapitals von 30000 Mark auf die Dauer von vier Jahren. 

Preisauff/ahe des Hrn. W. Simon. 

verkündet in der Friedrichs- Sitzung am 25, Januar 1900, 

Hr. Stadtrath Prof. Dr. Walter Simon in Königsberg hat der 
Akademie die Summe von 7500 Mark zur Ausschreibung einer 
Preisaufgabe betr. eine Geschichte der Autobiogi'aphie zur Ver- 
fügung gestellt. Im Einvernehmen mit dem Stifter hat die Aka- 
demie beschlossen, diese Aufgabe in folgender Form zu stellen: 
»Es wird eine Geschichte der Autobiographie im streng- 
sten Sinne (mit Ausschlufs aller Memoirenlitteratur) ge- 
wünscht. 

Von den weniger hervorragenden Werken dieser Litte- 
raturgattung, die nur kurz und ohne erschöpfende Voll- 
ständigkeit zu charakterish-en sind, soll die Darstellung 
hinfuhren zu den typischen Hauptwerken der wichtigsten 
europäischen Culturnationen. Diese sollen ausfuhrlich 
analysirt und ihre Nachwu-kung in der weiteren Ent- 
wickelung dieser htterarischen Form verfolgt werden.« 
Der ausgesetzte Hauptpreis beträgt 5000 Mark. Einer etwa 
enigehenden zweiten des Preises würdigen Arbeit wird ein Accessit 
von 2500 Mark zuerkannt. 

Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, 
französischer, enghscher oder italiänischer Sprache abgefafst sein. 
Schiiften, die in störender Weise imleserlich geschrieben sind, 
können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung 
ausgeschlossen werden. 

Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruch wort zu bezeichnen 
und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den 
Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufserhch 



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XXXII 

zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassei-s 
nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung aus- 
geschlossen. Zurückziehung einer eingeHeferten Preisschrift ist nicht 
gestattet. 

Die Bewerbungsschriften sind bis zum Sl.December 1904 im 
Bureau der Akademie, Berlin NW. 7, Universitätsstr. 8, einzuliefern. 
Die Verkündigung des Urtheils erfolgt hi der Leibniz- Sitzung des 
Jahres 1905. 

SämmtUche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung 
eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden 
ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von 
der Akademie für die Verfasser aufbewahrt und einem jeden der- 
selben, welcher sich als solcher nach dem Urtheil des Vorsitzenden 
Secretars genügend legitimut, die seinige gegen Empfangsbeschei- 
nigung ausgehändigt. Ist die Arbeit als preisfähig anerkannt, aber 
nicht praemiirt, so kann der Verfasser mnerhalb dieser Frist ver- 
langen, dafs sein Name durch die Schriften der Akademie zur 
öfFentUchen Kenntnifs gebracht werde. Nach Ablauf der bezeich- 
neten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten 
Scliriften und Zettel zu vernichten. 

Preis der Steiner^ sehen Stiftuuf/y 

verkllndet in der Leibniz 'Sitzung am 28. Juni 1900. 

In der Leibiiiz-Sitzung am 4. JuU1895 hat die Akademie für 
den Steiner'schen Preis die Aufgabe gestellt: 

»Es soll irgend ein bedeutendes, auf die Lehre von 
den krummen Flächen sich beziehendes, bis jetzt noch 
nicht gelöstes Problem möglichst mit Bemcksichtigung der 
von J. Steiner aufgestellten Methode und Principien voll- 
ständig gelöst werden. 



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XXXIll 



Es wird gefordert, dafs zur Bestätigung der Richtig- 
keit und Vollständigkeit der Lösung ausreichende ana- 
lytische Erläuterangen den geometrischen Untei^suchungen 
beigegeben werden. 

Ohne die Wahl des Themas emschränken zu wollen, 
wünscht die Akademie bei dieser Gelegenheit die Auf- 
merksamkeit der Geometer auf die speciellen Aufgaben 
zu richten , auf welche J. Steiner in der allgemeinen An- 
merkung am Schlüsse seiner zweiten Abhandlung über 
Maximum und Mmimum bei den Figuren in der Ebene, 
auf der Kugelfläche und im Räume überhaupt hinge- 
wiesen hat.« 
Eine Bearbeitung ist fiir dieses Thema nicht eingegangen. 
Den Statuten der Steiner'schen Stiftung gemäfs hat die Aka- 
demie den liiermit frei gewordenen Preis von 6000 Mai-k zm* An- 
erkennung hei-vorragender in den letzten Jahren veröfFenthchter 
geometrischer Arbeiten verwendet. Derselbe wird je zu einem 
Drittel zuerkannt: 

1. Hrn. Karl Friedrich Geiser, Professor an der Eidgenössi- 
schen polytechnischen Schule zu Zürich, für seine scharfsinnigen 
Einzeluntersuchungen auf dem Gebiete der Geometrie und seine Ver- 
dienste bei Herausgabe eines Theils der Steiner'schen Vorlesungen; 

2. Hm. David Hilbert, Professor an der Universität Göttingen, 
fiir seine tief eindrmgenden Untersuchungen über die Axiome der 
Geometrie und für die Förderung, welche die analytische Geo- 
metrie durch seine Ai-beiten über die Invarianten theorie erfahren hat; 

3. Hrn. Ferdinand Lindemann, Professor an der Universität 
München, welcher durch seine berühmte Abhandlung über die 
Quadratur des Kreises sowie durch seine Bearbeitung der Vor- 
lesungen über Geometrie von Clebsch sich besondere Verdienste 
um die Geometrie erworben hat. 



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XXXIV 



Zugleich aber wiederholt die Akademie die unbearbeitet ge- 
büebene obenstehende Preisaufgabe für das Jahr 1905. Für die 
Lösung derselben wird von neuem ein Preis von Vieitausend Mark 
und ein Accessitpreis von Zweitausend Mark ausgesetzt 

Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, 
französischer, enghscher oder italiänischer Sprache abgefafst sein. 
Schriften, die in störender Weise unlescrhch geschrieben sind, 
können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung 
ausgeschlossen werden. 

Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchvvoit zu bezeichnen, 
und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerhch den 
Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufser- 
lich zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers 
nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung aus- 
geschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist 
nicht gestattet. 

Die Bewerbungsschiiften sind bis zum 31.December 1904 im 
Bureau der Akademie, Berlin NW. 7, Universitätsstr. 8, einzuhefern. 
Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz- Sitzung des 
Jahres 1905. 

Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung 
eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden 
ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der 
Akademie für die Verfgtsser aufbewahrt. Nach Ablauf der be- 
zeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgefbrdeiten 
Schriften und Zettel zu vernichten. 

Preis der Charlotten- Stiftung. 

Zur Bewerbung um das Stipendium der Charlotten -Stiftung 
sind zwei Bearbeitungen der von der akademischen Commission am 
29. Juni 1899 gestellten Aufgabe ^Uber die griechischen Doppel- 



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XXXV 



namen in Aeg\^ten« rechtzeitig eingelaufen. Die eine ti-ägt das 
Motto: 

»Das höchste Gut des Mainies ist sein Volk, 
Das höchste Gut des Volkes ist sein Staat, 
Und seine Seele lebt in seiner Sprache. <i 
die zweite: 

^ Di) nidium facti qui coepit habet: sapere aude.<ü 

Die letztere behandelt in durchdachter und geschlossener Dar- 
legung eine Seite der Aufgabe, die Bedeutung der theophoren 
Doppelnamen, dagegen sind die anderen Erscheinungen derDoppel- 
namigkeit, namenthch mit Rücksicht auf das römische System, 
weniger beachtet und der chronologische Gesichtspunkt nicht ge- 
nügend hervorgehoben w^orden. 

Die Arbeit mit dem deutschen Sinnspmch ist den vei-schie- 
denen Arten der Nomenclatur sorgfältig nachgegangen und be- 
müht gewesen die Zeitalter zu scheiden. Aber leider ist sie nur 
halb vollendet und das Vollendete nicht überall in die Tiefe 
dringend. 

So erscheint keine der beiden Bearbeitungen des Preises 
würdig. Da aber die Commission in beiden beachtenswerthe 
Keime zur Lösung der Aufgabe gefunden hat, so w^iederholt sie 
das Thema in folgender Form: 

»Die Führung doppelter Personennamen bei den Griechen 

und namentlich bei den Aegyptem soll untersucht und 

insbesondere eine eingehende Darlegung der Ursachen 

und des Gebrauchs der alternativen Doppelnamen, die 

sich hauptsächlich durch die Formel 6 Ka\ charakterisiren, 

gegeben werden.« 

Die Stiftung der Frau Charlotte Stiepel, geb. Freün von HopfF- 

garten, ist zur Förderung jungen dem Deutschen Reiche angehö- 

riger Philologen bestimmt, welche die Universitätsstudien vollendet 



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XXXVI 

und den philosophischen Doctorgrad erlangt oder die Prüfung für 
das höhere Schulamt bestanden haben, aber zur Zeit ihrer Bewer- 
bung noch ohne feste Anstellung sind. Privatdocenten an Uni- 
versitäten sind von der Bewerbung nicht ausgeschlossen. Die 
Arbeiten der Bewerber sind bis zum I.März 1901 an die Aka- 
demie einzusenden. Sie sind mit ehiem Denkspruch zu versehen; 
in einem versiegelten, mit demselben Spruche bezeichneten Um- 
schlage ist der Name des Verfassers anzugeben und der Nachweis 
zu liefern, dafs die statutenmäfsigen Voraussetzungen bei dem Be- 
werber zutreffen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen 
oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen. 
In der öffentlichen Sitzung am Leibniz-Tage 1901 ertheiit 
die Akademie dem Verfasser der des Preises würdig erkannten 
Arbeit das Stipendium. Dasselbe besteht in dem Genüsse der 
Jahreszinsen des Stiftungscapitals von 30000 Mark auf die Dauer 
von vier Jahren. 

Preis der Diez-Sti/tunfj. 

Der Vorstand der Diez- Stiftung hat beschlossen, den aus 
der Stiftung im Jahre 1900 zu vergebenden Preis im Betrage von 
1800 Mark dem Dr. Wilhelm Meyer -Lübke, ordentlichem Pro- 
fessor der romanischen Sprachen an der Universität Wien und 
MitgUede der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften daselbst, 
für seine »Romanische Syntax«, Leipzig 1899, zuzusprechen. 

Preisaufgabe aus dem von Miloszeicsld^ sehen Legat. 

Die Akademie stellt die folgende Preisaufgabe aus dem von Hrn. 

von Miloszewski gestifteten Legat für philosophische Preisfragen: 

»Die Entwickelungsgeschichte des Hegerschen Systems 

soll mit Benutzung der auf der Königlichen Bibliothek zu 

Berlin befindlichen Manuscripte HegePs dargestellt und 



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XXXVII 



historisch verständUch gemacht werden. Hierbei soll ins- 
besondere berücksichtigt werden die Ausbildung seines 
Pantheismus, seiner dialektischen Methode, der Anord- 
nung der Kategorien in der Logik und seines Verfahrens, 
die Gestalten des geschichtlichen Lebens in einen philo- 
sophischen Zusammenhang zu bringen,« 
Der ausgesetzte Preis beträgt Zweitausend Mark. 
Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, 
französischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefafst sein. 
Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, 
können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewer- 
bung ausgeschlossen werden. 

Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spmchwort zu bezeich- 
nen, und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerhch 
den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel 
äufserhch zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Ver- 
fassers nennen oder deutUch ergeben, werden von der Bewerbung 
ausgeschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist 
nicht gestattet. 

Die Bewerbungsschriften sind bis zum 3L December 1902 im 
Bureau der Akademie, Berlin NW. 7, Universitätsstr. 8, einzuüefem. 
Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz -Sitzung des 
Jahres 1903. 

Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung 
eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden 
ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von 
der Akademie fiir die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der 
bezeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgefor- 
deiten Schriften und Zettel zu vernichten. 



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XXXVUI 



Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 erfolgten Geld- 
bewilligungen aus akademischen Mitteln zur Ausföhrung 
wissenschaftUcher Unternehmungen. 

Im Laufe des Jahi'es 1899 wurden bewilligt: 

720Ö Mark dem Mitgliede der Akademie Hrn. Di eis zur Fortsetzung 
der Herausgabe der griechischen Conunentatoren des 
Aristoteles. 

3300 » dem Mitgliede der Akademie Hi-n. Kirch ho ff zur Fort- 
setzung der Sammlung der griechischen Inschriften. 

6000 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Koser zur Fortfüh- 
rung der Herausgabe der poUtischen CoiTespondenz 
König Friedrich's IL 

3600 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Mommsen zur Her- 
ausgabe des Codex Theodosianus. 

2500 » dem Mitgliede der Akademie Hm. Engler zur Fort- 
setzung der Monographien africanischer Pflanzenfamilien. 

1500 » Demselben zu Vorarbeiten für ein Werk »Das Pflanzen- 
reich« (Regni vegetabihs conspectus). 

3600 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Harnack zu weiteren 
Vorarbeiten für die zum bevorstehenden Jubiläum ab- 
zufassende Geschichte der Akademie. 

1000 » dem correspondirenden Mitgliede der Akademie Hni. 
Gerhardt zur Fortsetzung der Herausgabe der Mathe- 
matischen Cori-espondenz Leibnizens. 
400 » Hrn. Dr. Leon Asher in Bern zu Untersuchungen über 
die Eigenschaften und die Entstehung der Lymphe. 

1000 » Hrn. Prof Dr. Max Bauer in Marburg zur geologisch- 
petrographischen Bearbeitung der hessischen Basalte. 



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XXXIX 



800 Mai-k Hm. Dr. Johannes Böhm m Berlin zu Studien über die 
Gliederung der Kreidefbrmation des nördlichen Harz- 
randes. 

1000 » Hm. Prof. Dr. Hugo Conwentz in Danzig zu Unter- 
suchungen über das Vorkommen der Eibe in der 
Gegenwart und Vergangenheit. 
800 » Hm. Dr. Alfred Denker in Hagen i. W. zur Heraus- 
gabe eines Werkes über die Anatomie des Gehörorgans 
der Säugethiere. 

1000 » Hm. Prof. Dr. Bruno Hofer in München zu Unter- 
suchungen über die Krebspest. 
500 » Hm. Dr. Rudolf Krause in Berlin zu Untersuchungen 
über den Bau des Centralnervensystems. 

1000 » Hm. Karl Leiss in Steglitz bei Berlin zu kiystall- op- 
tischen und spectrophotographischen Versuchen. 
500 » Hm. Prof. Dr. Friedrich Paschen in Hannover zu Ver- 
suchen über die Energie im Spectiimi des schwarzen 
Körpers. 
500 » Hm. Schuldirector Dr. Richard Piers ig in Annaberg 
zur Erforschung der Hydrachniden-Fauna des Schwai-z- 
waldes und der Bayerischen Alpen. 

2000 » Hm. Dr. Bernhard Rawitz in Berlin zu Forschungen 
über das Gehörorgan und das Centralnervensystem der 
Cetaceen. 

4700 » Hm. Dr. Friedrich Ristenpart in Kiel zur Fortführung 
der Vorarbeiten zu einem Thesaurus positionum stel- 
lanim aflfixarum.^ 



* Dieses vom Beginn ab als ein akademisches geplante und sachlich dem 
entsprechend geführte Unternehmen ist im Jahre 1900 unter der Bezeichnung einer 
»Geschichte des Fixsternhimmels« auch formell zu einem solchen der Akademie ge- 
worden. Für dasselbe sind seit dem 1. April 1900 jährlich 7200 Mark im Etat der 
Akademie ausgeworfen. 



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XL 

1500 Mark Hrn.Prof.Dr.Adolf Schmidt in Gotha zur Fortfühining 
seiner Bearbeitung des erdmagnetischen Beobachtungs- 
materials. 
800 » Hm. Prof. Dr. Otto Taschenberg in Halle zur Samm- 
lung von Nachträgen liir seine »Bibüotheca zoolo- 
gica«. 
800 » Hm. Prof. Dr. Bernhard Weinstein in Berlin zur Ver- 
öfFentUchung der Ergebnisse seiner Beobachtungen über 
Erdströme und Erdmagnetismus. 

1000 » Hrn. Prof Dr. Gustav Bauch in Breslau zu Studien 
über die Reformationsgeschichte. 

2000 » Hrn. Prof Dr. Konrad Burdach in Halle zur Fort- 
setzung seiner Untersuchungen über Ursprung und 
Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache und 
des deutschen Humanismus. 

1000 » Hrn. Dr. Wilhelm Crönert in Halle zu einem Aufent- 
halt in Neapel zum Zweck des Studiums der Hercu- 
lanensischen Rollen. 

1200 » Hm. Dr. Franz Eulenburg in Breslau zu Untersuchun- 
gen über die Frequenz der deutschen Universitäten 
in früherer Zeit. 

1200 » Hrn. Prof Dr. Friedrich Kauffmann in Kiel zu einer 
Reise nach Itaüen und England zum Zweck von Hand- 
schriftenvergleichungen ftir die Herausgabe des »Opus 
imperfectum in Matthaeum«. 
600 » Hm. BibHothekar Dr. GustafKossinnain Gross - Lich- 
terfelde zu einer archaeologischen Forschungsreise in 
Deutschland. 

1000 » Hrn. Dr. Wilhelm Kroll in Breslau zur Herausgabe 
der Commentarii in Piatonis rem publicam des Pro- 
clus. 



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XLl 



1000 Mark Hm. Dr. Karl Friedrich Lehmann in Berlin zur 
Fortführung seiner mit Dr. W. Belck unternommenen 
Forschimgsreise durch Armenien. 

1500 » Hrn. Prof. Dr. Nikolaus Müller in Berlin zur Heraus- 
gabe der altjüdischen Inschiiften Italiens. 

1800 » Hm. Dl". Max Reich in Berlin zur Sammlung und Ver- 
zeichnung handschriftlicher Erasmus- Briefe. 

1500 » Hm. Dr. Ernst Schäfer in Rostock zu einer Reise 
nach Spanien zum Zweck von Forschungen auf dem 
Gebiet der spanischen Refoimationsgeschichte im 
16. Jahrhundert. 

3000 » Hm. Dr. Friedrich Schwally in Strafsburg zur Druck- 
legung seiner Bearbeitung des Kitäb al Mahäsin val 
Masäwi des Ibrahim ibn Muhammad al Baihaqi. 
400 » Hm. Bibliothekar Dr. Georg Steinhausen in Jena zur 
Drucklegung des 2. (Schlufs-) Bandes seines Werkes 
»Deutsche Privatbriefe des Mittelalters«. 
500 » Hm. Staatsarchivar Dr. Kurt Treu seh von Buttlar 
in Dresden zur Sammlung und VeröfFentUchung deut- 
scher Hofordnungen des 16. Jahrhunderts. 



Im Laufe des Jahres 1900 wurden bewilligt: 

2300 Mark dem Mitgliede der Akademie Hrn. Engler zur Fort- 
setzung der Arbeiten für das »Pflanzenreich«. 

7200 » dem MitgUede der Akademie Hrn. Diels zur P'ort- 
setzung der Herausgabe der griechischen Commenta- 
toren des Aristoteles. 

3300 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Kirchhoff zur Fort- 
setzung der Sammlung der griechischen Inschriften. 



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XLII 

6000 Mark dem Mitgliede der Akademie Hrn. Koser zm* Fort- 
führung der Herausgabe der politischen Correspondenz 
König Friedrich's IL 

4000 » dem Mitgliede der Akademie Hrn. Mommsen zur Fort- 
setzung der Arbeiten für die Herausgabe des Codex 
Theodosianus. 

4000 » dem Mitgliede der Akademie Hm. Branco zu einer 
geologischen Untersuchung des Nördlinger Rieses. 
800 » Hrn. Prof. Dr. Emil Ballowitz in Greifswald zu Unter- 
suchungen über den Bau des Geruchsorgans der Wirbel- 
thiere. 
500 » Hrn. Prof. Dr. Theodor Boveri in Würzburg zu Ver- 
suchen auf dem Gebiete der Zelltheilungs- und Be- 
fruchtungslehre. 
970 » Hrn. Prof Dr. Maximilian Braun in Königsberg zu 

Studien über Trematoden. 
300 » Hrn. Lehrer Philipp Fauth in Landstuhl zur Ver- 
vollständigung seiner Hülfsmittel fiir Mond-Beobach- 
tungen. 

4000 )) Hrn. Dr. Karl Holtermann in Berlin zu einer 
Reise nach Ceylon zum Studium der Mangrove -Vege- 
tation. 
400 » Hrn. Dr. Otto Kalischer in Berlin zur Fortsetzung 
seiner experimentellen Untersuchungen über das Grofs- 
him der Papageien. 

1500 » Hrn. Prof Dr. Ludolf Krehl in Greifsvvald zur Aus- 
führung von Respirationsversuchen. 
400 » Hm. Dr. Paul Kuckuck in Helgoland zu Untersuchun- 
gen über die Fortpflanzung der Phaeosporeen. 

1200 » Prof Dr. Otto Lehmann in Kai-lsruhe zur Fortfüh- 
rung seiner Untersuchungen über flüssige Krystalle. 



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XUII 

1400 Mark HH. Prof. Dr. F. Paschen und Prof. Dr. K. Runge 
in Hannover zur HeschafFung eines Halbring -Elektro- 
magneten. 
500 » Hm. Dr. Karl Peter in Breslau zur Herstellung von 
Normentafeln die Entwickelung der Eidechsen be- 
treffend. 
1 0000 » Hm. Dr. Julius Romberg in Berlhi zu einer geologisch- 
petrogi*aphischen Untersuchung des Gebietes von Pre- 
dazzo. 

1500 » Hrn. Prof. Dr. Wilhelm Salomon in Heidelberg zur 
Fortsetzung sehier geologisch -mineralogischen Unter- 
suchung der Adamello- Gruppe. 

2500 » Hrn. Prof Dr. Adolf Schmidt in Gotha zur Fortfüh- 
rung seiner Bearbeitung des erdmagnetischen Beob- 
achtungsmaterials. 

1250 » zur Herausgabe eines 1. Hefles von Resultaten dieser 
Bearbeitung. 

2000 » Hrn. Dr. Leonhard Schnitze in Jena zu Untersuchun- 
gen üb(T die Herzthätigkeit der wirbellosen Thiere. 
400 » Hm. Prof Dr. Heinrich Simroth in Leipzig zur 
monographischen Bearbeitung der Familie der Vagi- 
nuhden. 

1000 » Hrn. Prof Dr. Julius Tafel in Würzburg zm- Fort- 
setzung seiner Arbeiten über die elektrolytische Re- 
duction. 

1100 » Hrn. Prof. Dr. Alexander Tornquist in Strafsburg 
zur Drucklegung seines Werkes über das Vicentinische 
Triasgebirge. 

1000 » Hm. Prof Dr. Alfred Voeltzkow in Strafsburg zur 
Anfertigung von Zeichnungen für den zweiten Theil 
seiner Entwickelungsgesehichte des Krokodils. 

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XLIV 



1000 Mark Hm. Prof. Dr. Johannes Walther hi Jena zur Druck- 
legung seines Werkes über das Gesetz der Wüstenbildung. 
800 » Hrn. Dr. Benno Wandolleck in Dresden zu Unter- 
suchungen über das Abdomen der Dipti^ren. 
600 » Hrn. Prof. Dr. Karl Appel in Breslau zur Herausgabe 
von Petrarca's Trionfi. 

1800 » Hm. Oberbibliothekar Dr. Karl de Boor in Breslau 
zur Fortführung seiner byzantinischen Studien, insbe- 
sondere der Bearbeitung der constantinischen Excerpte. 

1500 » Hrn. Charles Upson Clark in München zur Vor- 
bereitung einer neuen Ausgabe des Ammianus Mar- 
cellinus. 
850 » Hrn. Prof. Dr. Leopold Cohn in Breslau zu einer Reise 
nach Italien zum Zweck der Vergleichung von Hand- 
schriften des Philo. 
800 » Hrn. Dr. Franz Diekamp in Münster i. W. zu einer 
Reise nach Rom zum Zweck der Vergleichung von Hand- 
schriften der Doctrina patrum de verbi incamatione. 
500 » Hrn. Dr. Ferdinand Heuckenkamp in Halle zur Her- 
ausgabe des Quadrilogus von Alain Chartier. 
400 » Hrn. Dr. Max Ihm in Halle zu einer Reise nach England 
zum Zweck der Vergleichung von Handschriften des 
Suetonius. 

3000 » Hrn. Oberlehrer Dr. Johannes Kirchner in Berlin zur 
Drucklegung seiner attischen Prosopographie. 

1800 » Hrn. Oberlehrer Dr. Johannes Kromayer in Strafsburg 
zur kartographischen Aufnahme griechischer Schlacht- 
felder, namentlich der Caesarischen imd Tiiumviral- 
Epoche. 

1600 » Demselben zur Herstellung und Herausgabe der von 
ihm aufgenommenen Karten. 



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XLV 

700 Mark lim. Oberlehrer Dr. Theodor Kükelhaus in Düssel- 
dorf zu Studien über Faucan. 

2000 » Hrn. Prof. Dr. Ernst Leumann in Strafsburg zur Her- 
ausgabe des 1. und 3. Theiles seiner »Übersicht über 
die A vasyaka - Litteratur « . 

2000 » Hrn. BibUothekar Dr. Julius Lippert in Berlin zur Her- 
ausgabe von Qifti's »Tarih al-Hukamä«. 

2500 » Hrn. Dr. Oskar Mann m Berün zu einer Reise nach 
Vorderasien zum Zweck des Studiums der kurdisch- 
neupersischen Dialecte. 
500 )) Hrn. Dr. Ludwig Nix in Bonn zu einer Reise nach 
England zum Zweck der Vergleichung der arabischen 
Handschriften des ApoUonius Pergaeus. 

1200 » Demselben zur Drucklegung der arabisch erhaltenen 
Schriften des ApoUonius Pergaeus. 
900 » Hrn. Dr. Max Reich in Berlin zur Fortführung seiner 
Arbeiten fiir die Sammlung der handschriftlichen Briefe 
des Erasmus. 
700 » Hrn. Oberlehrer Dr. Wilhelm Schmidt in Helmstedt 
zu einer Reise nach Italien zum Zweck der Vergleichung 
von Handschriften des Heron von Alexandria. 
800 » HH. Prof. Dr. Hermann Suchier und Prof. Dr. Her- 
mann Fitting in Halle zur Herausgabe des provengali- 
schen Rechtsbuches lo Codi. 

1000 » Hm. Prof. Dr. Friedrich Wiegand in Erlangen zu Reisen 
zum Zweck der Herausgabe des sogenannten Homiliars 
Karl's des Grofsen. 
700 » Hm. Dr. Karl Wilhelm Zettersteen in Lund zur Her- 
ausgabe von reUgiösen Dichtungen des syrischen Dich- 
ters Balai. 



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XXVI 



Verzeichnifs der in den Jahren 1899 und 1900 erschienenen 

im Auftrage oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten 

oder herausgegebenen Werke. 

Harnack, Adolf. Geschichte der Königlich Preulsischen Akademie 
der Wissenschaften zu Berlin. Bd. 1. Hälfle 1.2. 2. 3. Berlin 
1900. 

Die Zweihundertjahrfeier der Königlich Preufsischen Akademie der 
Wissenschaften am 19. und 20. März 1900. Berlm 1900. 4. 

Das Pflanzenreich. Regni vegetabilis conspectus. Im Auftrage der 
Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften hrsg. von A. Eng- 
ler. Heft 1—3. Leipzig 1900. 

Das Tierreich. Eine Zusammenstellung und Kennzeichnung der 
rezenten Tierformen. Hrsg. von der Deutschen Zoologischen 
Gesellschaft, seit Lief. 10: In Verbindung mit der Deutschen 
Zoologischen Gesellschaft hrsg. von der Königlich Preufsi- 
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Lief 10. 11. 
Berlin 1900. 

Commentaria in Aristotelem graeca. Vol. 3. Pars 2. Alexandri in 
Aristotelis meteorologicorum übros commentarium ed. Michael 
Hayduck. Vol. 4. Pars 6. Ammonii in Aristotelis ana- 
lyticorum prior um hbrum I commentarium ed. Maximilia- 
nusWallies. — Vol. 5. Pars 1. Themistii analyticorum poste- 
riorum paraphrasis ed. Maximilianus Wallies. - Vol. 5. 
Pars 2. Themistii in Aristotelis physica paraphrasis ed. Hen- 
ricus Schenkl. — Vol. 5. Pars 3. Themistii librorum de 
anima paraphrasis ed. Ricardus Heinze. - Vol. 12. Pars 2. 
Olympiodori in Aristotelis meteora commentaria ed. Guilel- 
mus Stüve. Vol. 18. Pars 1. Eliae in Porphyrii isagogen 



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XLVII 

et Aristo telis categoiias commentaria ed. Adolfus Busse. 
Berolini 1899. 1900. 

Coi-pus inscriptionum latinarum. Vol. 13. Pars 1. Fasel. Inscrip- 
tiones trium Galliarum et Germaniarum latinae ed. Otto 
Hirschfeld et Carolus Zangemeister. Pars 1. Fase. 1. 
Inscriptiones Aquitaniae et Lugdunensis ed. Otto Hirsch- 
feld. Vol. 15. Pars 2. Fasel. Inscriptiones urbis Romae 
latinae. Instrumentum domesticum ed. Henri cus Dressel. 
Pars 2. Fasel. Berolini 1899. 2. 

Politische Correspondenz Friedrich's des Grofsen. Bd. 25. 26. Ber- 
lin 1899. 1900. 

Inscriptiones graecae insularum maris Aegaei. Fase. 2. ed. Guilel- 
mus R. Paton. Berolini 1899. 2. 

Kant's gesammelte Schriften. Bd. 10. 11 = Abth. 2: Briefwechsel. 
Bd. 1.2. Berlin 1900. 

Die antiken Münzen Nord -Griechenlands unter Leitung von F. Im- 
hoof-Blumer hrsg. Bd. 1. Dacien und Moesien bearb. von 
Behrendt Pick. Halbbd.l. Berlin 1899. 

Thesaurus linguae latinae editus auctoritate et consilio Acade- 
miarum quinque Germanicamm Berolinensis Gottingensis 
Lipsiensis Monacensis Vindobonensis. Vol. 1. Fasel. Lipsiae 
1900. 4. 

Ergebnisse der Plankton- Expedition der Humboldt- Stiftung. Bd. 2. 
G.d. Hansen, H. J. Die Cladoceren und Cirripedien. — 
Bd. 2.11. b. Apstein,C. Die Alciopiden und Tomopteriden. 
Kiel und Leipzig 1899. 1900. 4. 

Vocabularium iurisprudentiae Romanae editum iussu Instituti Sa- 
vigniani. Vol. 1. Fase. 3. Berolini 1899. 

Knod, Gustav C. Deutsche Studenten in Bologna (1289—1562). 
Biographischer Index zu den Acta nationis Germanicae uni- 
versitatis Bononiensis. Berlin 1899. 



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XI-VlIl 



Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahr- 
hunderte. Hrsg. von der Kirchenväter- Commission. Origenes. 
Bd. 1. 2. Hrsg. von Paul Koe tschau. Leipzig 1899. (Unter- 
nehmen der Wentzel-Stiftung.) 

Altmann, Wilhelm. Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410—1437). 
Bd. 2. Lief. 3. Innsbruck 1900. 4. 

Anaritii in decem übros priores elementorum Euclidis commentarii. 
Ex intei*pretatione Gherardi Cremonensis in codice Craco- 
viensi 569 servata ed. Maximilianus Curtze. Lipsiae 
1899. 

Ascherson, Paul, und Graebner, Paul. Synopsis der mittel- 
europäischen Flora. Lief. 3— 13. Leipzig 1897—1900. 

Bethe, Albrecht. Die Locomotion des Haifisches (Scyllium) und 
ihre Beziehungen zu den einzelnen Gehimtheilen und zmn 
Labyrinth. Bonn 1899. Sep.-Abdr. 

Bürger, Otto. Reisen eines Naturforschers im tropischen Süd- 
amerika. Leipzig 1900. 

Denker, Alfred. Vergleichend -anatomische Untersuchungen über 
das Gehörorgan der Säugethiere nach Corrosionspräparaten 
und Knochenschnitten. Leipzig 1899. 4. 

Franz, Julius. Die Figm* des Mondes. Königsberg in Pr. 1899. 2. 
Sep.-Abdr. 

Freuden thal, J. Die Lebensgeschichte Spinoza's in Quellen- 
schriften , Urkunden und nichtamtlichen Nachrichten. Leipzig 
1899. 

Gebhardt, Bruno. Wilhelm von Humboldt als Staatsmann. Bd. 2. 
Stuttgart 1899. 

Ginzel, F. K. Spezieller Kanon der Sonnen- und Mondfinsternisse 
für das Ländergebiet der klassischen Altertumswissenschaften 
und den Zeitraum von 900 vor Chr. bis 600 nach Chr. Berlin 
1899. 4. 



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XLIX 

Hansen, Joseph. Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozefs im 
Mittelalter und die Entstehung der gi'ofsen Hexenverfolgung. 
München und Leipzig 1900. 

Heronis Alexandrini opera quae supersunt omnia. Vol. 1. Druck- 
werke und Automatentheater griechisch und deutsch hrsg. 
von Wilhelm Schmidt. Vol. 2. Fase. 1. Mechanik und Kat- 
optrik hrsg. und übers, von L. Nix und W. Schmidt. Leipzig 
1899. 1900. 

Hesse, Richard. Untersuchungen über die Organe der Licht- 
empfindung bei niederen Thieren. IV. V. Leipzig 1898.99. 
Sep.-Abdr. 

Hübner, Aemilius. Inscriptionum Ilispaniae christianarum supple- 
mentum. Berolini 1900. 4. 

Jahn, G. Sibawaihi's Buch über die Grammatik übers, und er- 
klärt. Bd. 2. Hälfte 1. 2. Berlin 1900. 

Laehr, Heinrich. Die Literatm' der Psychiatrie, Neurologie und 
Psychologie von 1459 bis 1799. Bd. 1. 2,1.2. 3. Berlin 1900. 

Der Briefwechsel von Gottfried Wilhelm Leibniz mit Mathematikern. 
Hrsg. von C. J. Gerhardt Bd. 1. BerUn 1899. 

Linck, G. Die Pegmatite des oberen Veltlin. Jena 1899. Sep.- 
Abdr. 

Monogi'aphieen afrikanischer Pflanzen - Familien und -Gattungen 
hrsg. von A. Engler. III. IV. Combretaceae. Bearb. von 
A. Engler und L. Diels. — V. Sterculiaceae afiicanae. Bearb. 
von K. Schumann. Leipzig 1899. 1900. 4. 

Procli Diadochi in Piatonis rem publicam commentarii ed. Guilel- 
mus Kroll. Vol. 1. Lipsiae 1899. 

Rawitz, Bernhard. Die Anatomie des Kehlkopfes und der Nase 
von Phocaena communis Cuv. Leipzig 1900. Sep.-Abdr. 

Medicinisch-klimatologische Erfahrungen im 

Eismeer. Berlin 1900. Sep.-Abdr. 



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Rawitz. Bernhard, lieber Megaptera boops Fabr., nebst Bemer- 
kungen zur Biologie der norwegischen Mystacoceten. Berlin 
1900. Sep.-Abdr. 

Schulze, Franz Eilhard. Amerikanische Hexactinelliden nach 
dem Materiale der Albatross-Expedition. Text und Atlas. 
Jena 1899. 4. 

Schweinfurth, Georg. Aufnahmen in der östüchen Wüste von 
Aegypten. Ser. 1. Karte 1—5. BerUn 1899. 1900. 

Joannes Nicolai Secundus Basia. Mit einer Austvahl aus den Vorbil- 
dern und Nachahmern hrsg. von GeorgEllinger. Berlin 1899. 

Steinhausen, Georg. Deutsche Privatbriefe des Mittelalters. Bd. 1. 
Berlin 1899. 

Voeltzkow, A. Wissenschaftliche Ergebnisse der Reisen in Mada- 
gaskar und Ostafrika in den Jahren 1889-95. Bd. 2. Heft 1. 
Frankfiirt a. M. 1899. 4. 

Walther, Johannes. Das Gesetz der Wüstenbildung in Gegen- 
wart und Vorzeit. Berlin 1900. 

Weinstein, B. Die Erdströme im deutschen Reichstelegraphen- 
gebiet und ihr Zusammenhang mit den erdmagnetischen Er- 
scheinungen. Text und Tafeln. Braunschweig 1900. 8. und 4. 

Wernicke, Carl. Atlas des Gehirns. Abt. 2. 20 Horizontalschnitte 
dm-ch eine Grosshimhemisphäre, hergestellt und erläutert von 
Paul Schröder. Text und Tafeln. Breslau 1900. quer-4. 

Wilcken, Ulrich. Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien. 
Ein Beitrag zur antiken Wirtschaftsgeschichte. Buch 1. 2. 
Leipzig und Berün 1899. 

von Wolff, Ferdinand. Beiträge zur Geologie und Petrogi*aphie 
Chile's unter besonderer Berücksichtigung der beiden nörd- 
Uchen Provinzen Atacama und Coquimbo. Berlin 1899. 



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u 



Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe der 

Jahre 1899 und 1900. 

Es wurden gewählt: 

zu ordentlichen MitgUedern der physikalisch -mathematischen 
Classe: 

Ferdinand Freiherr von Richthofen, bisher correspondirendes 

Mitglied, am 23. Mäi^z 1899, bestätigt dmch K. Cabmetsordre 

vom 3. Mai 1899, 
Hr. Wilhelm Branco am 23. November 1899, bestätigt durch 

K. Cabinetsordre vom 18. December 1899, 
» Robert Helmert am 21. December 1899, bestätigt durch 

K. Cabinetsordre vom 31. Januar 1900; 

zu ordentlichen Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe: 



Hr. Paul Scheffer-Boichorst 
» Ulrich von Wilamowitz-Moellen- 
dorff, bisher con-espondirendes Mit- 
glied, 



am 13.Juü 1899, 

bestätigt durch 

K. Cabinetsordre vom 

2. August 1899; 



zu auswärtigen Mitgliedern der physikalisch -mathematischen 
Classe: 

Sir George Gabriel Stokes in Cambridge, bisher con-espondu*en- 
des Mitglied, am 13. April 1899, bestätigt durch K. Cabi- 
netsordre vom 22. Mai 1899, 

Hr. Wilhelm Hittorf in Münster i.W., bisher correspondirendes 
Mitghed, 



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LII 



Lord Kelvin in Netherhall, Largs, bisher correspondirendes Mitglied, 
Hr. Marcel in Berthelot in Paris, 
» Eduard Suefs in Wien, 

» Karl Gegenbaur in Heidelberg, bisher correspondirendes Mit- 
glied, 
)) Eduard Pflüger in Bonn, bisher correspondirendes Mitglied, 
sämmtüch am 21.December 1899, bestätigt durch K. Cabi- 
netsordre vom 5. März 1900; 

zu auswärtigen Mitgliedern der philosophisch-historisclienClasse: 

Hr. Theodor Nöldeke in Strafsburg, bisher correspondirendes Mit- 
glied, 

» Friedrich Imhoof-Blumer in Winterthur, bisher coiTCspon- 
direndes Mitglied, 

)) Theodor von Sickel in Rom, bisher correspondirendes Mitglied, 

» Rudolf Haym in Halle a. S., 

» Gas ton Paris in Paris, bisher correspondu'endes Mitglied, 

» Pasquale Villari in Florenz, 

» Max Müller in Oxford, bisher correspondirendes Mitglied, 

» Franz Bücheier in Bonn, bisher coiTespondirendes Mitglied, 
sämmtlich am 7. December 1899, bestätigt durch K. Cabi- 
netsordre vom 5. März 1900; 

zu Ehren -Mitgüedern der Gesammt- Akademie: 

Chlodw^ig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 
Hr. Adalbert Falk in Hamm (Westfalen), 

» Gustav von Gossler in Danzig, 
Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin, 
Hr. Friedrich Althoff in BerUn, 

» Richard Schöne in Berlin, 



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LIII 



Frau Elise Wentzel geb. Heckmann in Berlin, 

sämmtlich am 21.December 1899, bestätigt durch K. Cabi- 

netsordre vom 5. März 1900, 
Hr. Konrad Studt in Berlin am 15. März 1900, bestätigt durch 

K. Cabinetsordre vom 17. März 1900, 
» Andrew Dickson White in Berlin am 25. October 1900, 

bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 12. December 1900; 

zu correspondu-enden Mitgliedern der physikalisch -mathema- 
tischen Classe: 
Hr. Oskar Brefeld in Breslau am 19. Januar 1899, 
)) Ernst Pfitzer in Heidelberg am 19. Januar 1899, 
» Eugenius Warming in Kopenhagen am 19. Januar 1899, 
)) Gottlieb Haberlandt in Graz am 8. Juni 1899, 
» Hermann Graf zu Solms-Laubach in Strafsburg am 8. Juni 1899, 
» Julius Wiesner in Wien am 8. Juni 1899, 
» Karl Chun in Leipzig am 18. Januar 1900, 
» Johann Wilhelm Spengel in Giefsen am 18. Januar 1900, 
» Dmitrij Mendelejew in St. Petersbiu*g am 8. Februar 1900, 
» Julius Thomsen in Kopenhagen am 8. Februar 1900, 
» Clemens Winkler in Freiberg (Sachsen) am 8. Februar 1900, 
» Ernst Wilhelm Benecke in Strafsburg am 8. Februar 1900, 
» Albert Gaudry in Paris am 8. Februar 1900, 
» Friedrich Schmidt in St. Petersburg am 8. Februar 1900, 
» Johannes Strüver in Rom am 8. Februar 1900, 
» Alfred Gabriel Nathorst in Stockholm am 8. Februar 1900, 
» Ludwig Radlkofer in München am 8. Februar 1900, 
» Melchior Treub in Buitenzorg am 8. Febi-uar 1900, 
» Ludwig von Graff in Graz am 8. Februar 1900, 
» Josiah Willard Gibbs in New Haven, Conn., am 22. Fe- 
bniar 1900, 



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LIV 



Hr. Gabriel Lippmann in Paris am 22. Februar 1900, 
» Henry Augustus Rowland in Baltimore am 22. Februar 1900, 
» Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam am 22. Fe- 

bmar 1900, 
» Max Fürbringer in Jena am 22. Februar 1900, 
Sir John Burdon-Sanderson in Oxford am 22. Februar 1900, 
Hl*. Nils Christofer Duner in Upsala am 22. Februar 1900, 
» Paul Gordan in Erlangen am 22. Februar 1900, 
» Franz Hertens in Wien am 22. Februar 1900, 
» Henrik Mohn in Christiania am 22. Februar 1900, 
» Friedrich Schottky in Marbm-g am 22. Februar 1900, 
» Woldemar Voigt in Göttingen am 8. März 1900; 

zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch -historischen 
Classe: 
Hr. Max Heinze in Leipzig, 
» William James in Cambridge, Mass., 
» AVilhelm Wundt in Leipzig, 
» Friedrich Blafs in Halle a. S., 
» Ludwig Friedländer in Strafsburg, 
» Georgios N. Hatzidakis in Athen, 
» Frederic George Kenyon in London, 
» Albert Hauck in Leipzig, 
» John Pentland Mahaffy in Dublhi, 
» Heinrich Nissen in Bonn, 
» Albert Sorel in Paris, 
» Julius Wellhausen in Göttingen, 
» Gustav Gröber in Strafsburg, 
» Richard Ileinzel in Wien, 
» August Leskien in Leipzig, 
» Adolf Mussafia in Wien, 



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LV 

Hr. Eduard Sievers iii Leipzig, 

» Leon Heuzey iii Paris, 

» xVlexander Stuart Murray iii London, 

)) Francis Llewellyn Griffith in Ashton under Lyne, 

» Victor Baron Rosen in St. Petei-sburg, 

)) Emile Senart in Paris, 

» Vilhelm Thomsen in Kopenhagen, 

» Karl von Amira in München, 

» Karl Theo.dor von Inama-Sternegg in Wien, 

» Emile Levasseur in Paiis, 

» Frederic William Maitland in Cambridge, 

» Richard Schroeder in Heidelberg, 
sämmtlich am 18. Januar 1900. 

Gestorben sind: 

das ordentliche Mitglied der physikaüsch-mathematischenClasse: 
Hr. Karl Friedrich Rammeisberg am 28. December 1899; 

das ordentliche Mitglied der philosQphisch- historischen Classe: 
Hr. Heinrich Kiepert am 21. April 1899; 

das auswärtige Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe: 
Hr. Robert Bunsen in Heidelberg am 16. August 1899; 

das auswärtige ^Mitglied der philosophisch -historischen (lasse: 
Hr. Max Müller in Oxford am 28. October 1900; 

das Ehren -Mitglied der Gesammt- Akademie: 
Hr. Adalbert Falk in Hamm (Westfalen) am 7. Juü 1900; 



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LVI 



die coiTespoiidirenden Mitglieder der physikaliscli - mathema- 
tischen Classe: 
Hr. Franz von Hauer in Wien am 20. März 1899, 

» Gustav Wiedemann in Leipzig am 24. März 1899, 
Sil' Edward Frankland m Reigate, Surrey am 9. August 1899, 
Hl'. Eugenio Beltrami in Rom am 18. Februar 1900, 
» Elwin Bruno Christoffel in Strafsburg am 15. Mäi-z 1900, 
» Willy Kühne in Heidelberg am 11. Juni 1900; 

die correspondirenden Mitglieder der philosophisch - historischen 
Classe: 
Hr. Ferdinand Wüstenfeld in Hannover am 8. Febi'uar 1899, 
» Karl Immanuel Gerhardt in Halle a. S. am 5. Mai 1899, 
» Stephanos Kumanudes in Athen am 31. Mai 1899, 
» Wilhelm Pertsch in Gotha am 17. August 1899. 
» Felix Ravaisson in Paris am 18. Mai 1900. 



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LVII 



Verzeichnifs 



der 



Mitglieder der Akademie der Wissenschaften. 

Am Schlüsse des Jahres 1900. 



I. Beständige Secretare. 

GewAhlt von der 

Hr. Auwers phys.-math. Classe . . . 

- VcJden phil.-hist. - ... 

- Diels phil.-hist. - ... 

- Waldeyer phys.-math. - ... 



Datum der Königl. 
Bestitigung 

1878 April 10. 
1893 April 5. 

1895 Nov. 27. 

1896 Jan. 20. 



IL Ordentliche Mitglieder 

dtr pbysUaluch-DiathcButUeheii CluM der philoMphitch-historiMhoi CUwe "*'""jfeSiümi|''*'"" 

Hr. AWrecht Weber 1857 Aug. 24. 

- llieodor Mommsen .... 1858 April 27. 

- AMf Kirclüioff 1860 März 7. 

Hr. Arthur Auwers 1866 Aug. 18. 

- Rudolf Virchow 1873 Dec. 22. 

- Johannes Vahlen 1874 Dec. 16. 

- Eber/utrd Schröder .... 1875 Juni 14. 

- Alexander Conze .... 1877 April 23. 

- Simon Schwendener 1879 Juli 13. 

- Hermann Munk 1880 März 10. 

- Adolf Tobler 1881 Aug. 15. 

- Hermann Diels 1881 Aug. 15. 

- Hans Landolt 1881 Aug. 15. 

- WUfielm Waldeyer 1884 Febr. 18. 

h 



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LVIII 



der physiUlisch.maihematUehen CIum der philosophisch- historiseben ülasse ^**"*BMtiI["un^"*'''" 



Hr. Alfred Pemice 1884 April 9. 

- Heinrich Brunner .... 1884 April 9. 

- Johannes Schmidt .... 1884 April 9. 
Hr. Lazarus Fuclis 1884 April 9. 

- Franz Eil/iard Schulze 1884 Juni 21. 

- OUo Hirschfeld 1885 März 9. 

- Wilhelm von Bezold 1886 April 5. 

- Eduard Sacliau 1887 Jan. 24. 

- Gustav Schmoller .... 1887 Jan. 24. 

- WiUiebn DiUlwy 1887 Jan. 24. 

. Karl Klein 1887 April 6. 

- Karl Möbius 1888 April 30. 

- Ertist Dammler 1888 Dec. 19. 

- Virich Köhler 1888 Dec. 19. 

- Karl Wein/iold 1889 Juli 25. 

- Adolf EngUr 1890 Jan. 29. 

. Adolf Harnack 1890 Febr. 10. 

- Hermann Karl Vogel 1892 März 30. 

- Hermann Amandtts Schwarz 1892 Dec. 19. 

- Georg Frobenius 1893 Jan. 14. 

- Emil Fisclier 1893 Febr. 6. 

- Oskar Hertwig 1893 April 17. 

- Max Planck 1894 Juni 11. 

- Karl Stumpf 1895 Febr. 18. 

- Erich Schmidt 1895 Febr. 18. 

- Adolf Erman 1895 Febr. 18. 

Friedrich Kohlratisch 1895 Aug. 13. 

- EmU Warbtirg 1895 Aug. 13. 

- Jakob Heinrich vant Hoff 1896 Febr. 26. 

- Reinliold Koser 1896 Juli 12. 

- Max Lenz 1896 Dec. 14. 

- Theodor Wilhelm Engehnann 1898 Febr. 14. 

- Reiniwrd Kektde von Stradonitz 1898 Juni 9. 
Ferdinand Frhr. von Richthofen 1899 Mai 3. 

- Paul Scheffer 'Boichorst . . 1899 Aug. 2. 
Ulrich von Wilamowitz- 

MoeUendorff 1899 Aug. 2. 

Hr. WUhehn Branco 1899 Dec. 18. 

- Robert Hehnert 1900 Jan. 31. 



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MX 



III. Auswärtige Mitglieder 



der physikaUMeli'inathemfttischen Glaste 



der philotophitch • historischen CUsse 



Hr. Cluuies Hennite in Paris 

Hr. Otto von BölUlingk in Leipzig 

- Albert von Koelliker in Würz- 

burg 

- Eduard Zeüer in Stuttgart 

- ^öw:üo«P<!?</^n^o/ir in München 

Sir George Gabriel Stokes in Cambridge 

Hr. TfieodorNöldekemStvtkCshuTg 
Friedrich Imhoof-Blumer in 

Winterthur 

Theodor von Sickel in Rom . 

- Rfidolf Hayin in Halle a. S. 
Gaston Paris in Paris . . 

- Pasqtiole Villari in Florenz . 

- Franz Bücheier in Bonn. . 

Hr. WiUielm HUtorf in Münster i.W 

Lord Kelvin in Netherhall, Largs 

Hr. Marcelin Bertlielot in Paris 

- Edfuird Suess in Wien 

- Karl Gegenbaur in Heidelberg 

- Edftard Pßüger in Bonn 



Datum der Königlichen 
Bestitigmig 

1884 Ja^ 2. 

1885 Nov. 30. 

1892 Mär/ 16. 

1895 Jan. 14. 

1898 April 4. 

1899 Mai 22. 



1900 März 5. 



IV. Ehren-Mitglieder. 



Datum der Königliehen 
Bestitigung 



Earl of Crawford and Balcarres in Dunecht, Aberdeen .... 1883 

Hr. Max Lehnann in Göttingen 1887 

fjudtvig Boltzinann in Leipzig 1888 

Se. Majestät Oskar IL, König von Schweden und Norwegen . . 1897 

Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-SchiiHngsßlrst 

Hr. Gustav von Gossler in Danzig 

Hugo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin 

Hr. Friedrich AUhoff in Berlin 

- Richard Schöne in Berlin 

Frau EUse Wentzel geb. Ileckrnann in Berlin ' 

Hr. Konrad Studt in Berlin 1900 

- Andrea^ IHckson White in Berlin 1900 



Juli 30. 

Jan. 24. 

Juni 29. 

Sept. 14. 



1900 



März 


5 


März 


17 


Dec. 


12 



h* 



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LX 



V. Correspondirende Mitglieder. 

P h ys i ka 1 isc h - III at he ma tische Classe. 

Datum der Wahl 

Hr. Ernst Abbe in Jena 1896 Oct. 29. 

- Alexander Agassiz in Cambridge, Mass 1895 Juli 18. 

- Adolf von Baeyer in München 1884 Jan. 17. 

. Friedrich Beilstein in St. Petersburg 1888 Dec. 6. 

- Ernst Wilhelm Benecke in Strafsburg 1900 Febr. 8. 

- Eduard van Beneden in Lüttich 1887 Nov. 3. 

- Oskar Brefeld in Breslau 1899 Jan. 19. 

- Otto Bütscidi in Heidelberg 1897 März 11. 

Sir John Burdon - Sander son in Oxford 1900 Febr. 22. 

llr. StanisUw Cannizzaro in Rom 1888 Dec. 6. 

- Karl Chun in Leipzig 1900 Jan. 18. 

- Al/onso Cossa in Turin 1895 Juni 13. 

- Linffi Cremona in Rom 1886 Juli 15. 

- Gaston Darboux in Paris 1897 Febr. 11. 

- Riduird Dedekind in Braunschweig 1880 März 11. 

- Nils Christo/er Duner in Upsala 1900 Febr. 22. 

- Ernst ElUers in Göttingen 1897 Jan. 21. 

- Adolf Ftck in Wür/.burg 1898 Febr. 24. 

. Rudolf FitHg in Strafsburg 1896 Oct. 29. 

- Walter Flemming in Kiel 1893 Juni 1. 

- J/or Farbringer in Jena 1900 Febr. 22. 

- Albert Gaudry in Paris 1900 Febr. 8. 

Sir Archibald Geikie in London 1889 Febr. 21. 

Hr. Josiali Willard Gibbs in New Haven, Coiin 1900 Febr. 22. 

- Wolcott Gibbs in Newport, R. 1 1885 Jan. 29. 

Sir David Gilt, Königl. Sternwarte am Cap der Guten Hoffnung. 1890 Juni 5. 

Hr. Patd Gordan in Eriangen 1900 Febr. 22. 

- Ludwig von Graff in Graz 1900 Febr. 8. 

- Gottlieb Haberlandt in Graz 1899 Juni 8. 

- Jtäius Dann in Wien 1889 Febr. 21. 

- Victor Mensen in Kiel 1898 Febr. 24. 

- Richard Hertwig in München 1898 April 28. 

- Wilhelm His in Leipzig 1893 Juni 1. 

Sir Joseph DaÜon Hooker in Sunningdale 1854 Juni 1. 

William Huggins in London 1895 üec. 12. 

Hr. Leo Koenigsberger in Heidelberg 1893 Mai 4. 



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LXl 

Datum der Wahl 

Hr. Karl von Kvpffer in München 1896 April 30. 

- Michel Lhnf in Paris 1898 Juli 28. 

- Franz van Leydig in Bothenburg o. d. T 1887 Jan. 20. 

- Gustaf Lindstrlhn in Stockholm 1898 Juli 28. 

- Gabriel Lippmann in Paris 1900 Febr. 22. 

- Rudolf Lipschitz in Bonn 1872 April 18. 

- Moritz Loewy in Paris 1895 Dec. 12. 

- Hubert Ludwig in Bonn 1898 JuH 14. 

- EUutliire Mascart in Paris 1895 JuH 18. 

- Dmitrij Metidelefeiv in St. Petersburg 1900 Febr. 8. 

. Franz Mertens in Wien 1900 Febr. 22. 

. rienrik Mohn in Christiania 1900 Febr. 22. 

- Alfred Gabriel Nalliorst in Stockholm 1900 Febr. 8. 

- Karl Neumann in Leipzig 1893 Mai 4. 

- Georg Neumayer in Hamburg 1896 Febr. 27. 

- Simon Newcoinb in Washington 1883 Juni 7. 

- Max NoeÜier in Erlangen 1896 Jan. 30. 

- WiUielm Pfeffer in Leipzig 1889 Dec. 19. 

- Ernst Pßtzer in Heidelbei^ 1899 Jan. 19. 

- Emüe Bcard in Paris 1898 Febr. 24. 

- Henri Poincari in Paris 1896 Jan. 30. 

- Georg Quincke in Heidelberg 1879 März 13. 

- Ludwig Radlkofer in München 1900 Febr. 8. 

- William Ramsag in London 1896 Oct. 29. 

Lord Rayleigh in Witham, Essex 1896 Oct. 29. 

Hr. Friedrich von Recklingfiausen in Strafsburg 1885 Febr. 26. 

- Gustaf Retzius in Stockholm 1893 Juni 1. 

- Wilhelm Konrad Röntgen in ^München 1896 März 12. 

- Heinrich Rosenbusch in Heidelberg 1887 Oct. 20. 

- Ilenry Augustus Roivland in Baltimore 1900 Febr. 22. 

- George Salmon in Dubhn 1873 Juni 12. 

- Georg Ossian Sars in Christiania 1898 Febr. 24. 

- Giovanrti Virginio SchiapareUi in Mailand 1879 Oct. 23. 

- Friedrich Schmidt \u St. Petersburg 1900 Febr. 8. 

- Friedrich Schottky in Marburg 1900 Febr. 22. 

Hemumn Graf zu Sohns - Laubach in Strafsburg 1899 Juni 8. 

Hr. Johann Wilhelm Spengel in (iiefsen 1900 Jan. 18. 

- Eduard Strasburger in Bonn 1889 Dec. 19. 

- Johannes Strüver in Rom 1900 Febr. 8. 

- Otto von Struve in Karlsruhe 1868 April 2. 

- Julius Thomsen in Kopenhagen 1900 Febr. 8. 



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LXII 

Datum der Wahl 



Hr. Attgust Toepler in Dresden 1879 März 13. 

- Melchior Treiib in Buitenzorg 1900 Febr. 8. 

- Gustav Tscliermak in Wien 1881 März 3. 

Sir William Turner in Edinburg 1898 März 10. 

Hr. Woldemar Voigt in Göttingen 1900 März 8. 

. Karl von Voit in München 1898 Febr. 24. 

- Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam 1900 Febr. 22. 

- Efigenius Warming in Kopenhagen 1899 Jan. 19. 

. Heinrich Weber in Strafsburg 1896 Jan. 30. 

- August Weismann in Freiburg i. B 1897 März 11. 

- Julius Wiesner in Wien 1899 Juni 8. 

- Heinrich Wild in Zürich 1881 Jan. 6. 

- Alexander William Wüliamson in High Pitfold, Haslemere . . 1875 Nov. 18. 

- Clemens Winkler in Freiberg (Sachsen) 1900 Febr. 8. 

- Johannes Wislicenus in Leipzig 1896 Oct. 29. 

- Adolf WüUner in Aachen 1889 März 7. 

- Ferdinand Zirkel in Leipzig ... 1887 Oct. 20. 

- Karl Alfred von ZiUel in München 1895 Juni 13. 

Philosophisch -historische C lasse. 

Hr. Wiaxehn AJUwardt in Greifswald 1888 Febr. 2. 

- Karl von Amira in München 1900 Jan. 18. 

- Graziadio Iscda Ascoli in Mailand 1887 März 10. 

- Tlieodor Aufrecht in Bonn 1864 Febr. 11. 

- Ernst Immanuel Bekker in Heidelberg 1897 Juli 29. 

- Otto Benndorf in Wien 1893 Nov. 30. 

- Friedrich Bloss in Halle a. S 1900 Jan. 18. 

- Ingram Bywater in Oxford 1887 Nov. 17. 

- Afitonio Maria Ceriani in Mailand 1869 Nov. 4. 

- Karl Adolf von Cornelius in München 1897 Oct. 28. 

- Edward Byles Cowell in Cambridge 1893 April 20. 

- Liopold Delisle in Paris 1867 April 11. 

- Heinrich Den^ in Rom 1890 Dec. 18. 

- WU/iehn Dittenberger in Halle a. S 1882 Juni 15. 

- Louis Ducliesne in Rom 1893 Juli 20. 

- Bem/iard Erdmannsdörffer in Heidelberg 1897 Oct. 28. 

- Jtdius Fhker Ritter von Feld/iaus in Innsbruck 1893 Juli 20. 

- Kuno Ftsclier in Heidelberg 1885 Jan. 29. 

- Paid Foucart in Paris 1884 Juli 17. 

- Ludung Friedländer in Strafsburg 1900 Jan. 18. 

- Tlheodor Gomperz in Wien 1893 Oct. 19. 



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LXIII 
Datum der Wahl 

Ilr. Francis Llewellyn Griffith in Aslitoii luider l-.ynr 1900 Jan. 18. 

- Cni^tav Gröber in Strafsburg 1900 Jan. 18. 

- WUlwlm van Hartel in Wien 1893 Oct. 19. 

- Georgias N. Haizidakis in Athen 1900 Jan. 18. 

- Albert Hauch in Leipzig 1900 Jan. 18. 

- Karl von Hegel in P>langen 1876 April 6. 

- Johan Ludvig Heiberg in Kopenhagen 1896 März 12. 

- Max Heinze in Leipzig 1900 Jan. 18. 

- Richard Heinzel in Wien 1900 Jan. 18. 

- Antoine HSron de Vülefosse in Paris 1893 Febr. 2. 

- Leon Heuzey in Paris 1900 Jan. 18. 

- Hermann von Holst in Chicago 1889 Juli 25. 

- TliiophUe HofnoUe in Athen 1887 Nov. 17. 

- Vatroslav Jagid in Wien 1880 Dec. 16. 

William James in Cambridge, Mass 1900 Jan. 18. 

- Karl Theodor von Inaina - Sternegg in Wien 1900 Jan. 18. 

- Ferdinand Justi in Marburg 1898 Juli 14. 

- Karl Justi in Bonn 1893 Nov. 30. 

- Panagiotis Kabbadias in Athen 1887 Nov. 17. 

- Georg Kaibel in Göttingen 1891 Juni 4. 

- Frederic George Kenyan in I^ondon 1900 Jan. 18. 

- Franz KieUtom in Göttingen 1880 Dec. 16. 

- Georg Friedricii Knapp in Strafsburg 1893 Dec. 14. 

- Sigismund WiUielm KöUe in London 1855 Mai 10. 

- Basil Latyscliew in St. Petersburg 1891 Juni 4. 

- August Leskien in Leipzig 1900 Jan. 18. 

- Emile Levasseur in Paris 1900 Jan. 18. 

- Giacomo Lumbraso in Rom 1874 Nov. 12. 

- John Pentland Mah^ in Dublin 1900 Jan. 18. 

- Frederic Wiüiam Maitland in Cambridge 1900 Jan. 18. 

- Gaston Maspero in Paris 1897 Juli 15. 

- Konrad von Maurer in München 1889 Juli 25. 

- Adolf Michaelis in Strafsburg 1888 Juni 21. 

- Alexander Stuart Murrcy in London 1900 Jan. 18. 

- Adolf Mussafia in Wien 1900 Jan. 18. 

- Heinrich Nissen in Bonn 1900 Jan. 18. 

- Julius Oppert in Paris 1862 März 13. 

- Georges Perrot in Paris 1884 Juli 17. 

- Wilhelm Radioff in St. Petersbui^ 1895 Jan. 10. 

- Victor Baron Rosen in St. Petersburg 1900 Jan. 18. 

- Richard Schroeder in Heidelberg 1900 Jan. 18. 



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LXIV 



Daiiiin der Wahl 



Ilr. t>niil Schürer in Göttingeu 1893 Juli 20. 

- Ernile Senari in Paris 1900 Jan. 18. 

- Eduard Sievers in Leipzig 1900 Jan. 18. 

- Christoph von Siffwart in Tübingen 1885 Jan. 29. 

- Albert Sorel in Paris 1900 Jan. ,18. 

- Friedrich von Spiegel in München 1862 März 13. 

- William Stubbs in Oxford 1882 März 30. 

Sir Edward Maunde Tltompson in London 1895 Mai 2. 

Hr. Vühelm Thomsen in Kopenhagen 1900 Jan. 18. 

- Hermann Usener in Bonn 1891 Juni 4. 

- Girolamo ViteUi in Florenz 1897 Juli 15. 

- Kurt WachsmtUli in Leipzig 1891 Juni 4. 

- Heinrich Weü in Paris 1896 März 12. 

- Jtditis WelUiausen in Göttingen 1900 Jan. 18. 

- Ltidvig Wimmer in Kopenhagen 1891 Juni 4. 

- WiUvelm Wundt in Leipzig 1900 Jan. 18. 

- Karl Zangemeister in Heidelberg 1887 Febr. 10. 



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LXV 



Wohnungen der ordentlichen MitgHeder. 

Hr. Dr. AuwerSj Prof., Geh. Ober- Regierungs-Rath, Lindenstr. 91. SW. 

- von Bezold, Prof., Geh. Ober- Regierungs-Rath, Lützowstr. 72. W. 

- BrancOj Prof., Geh. Bergi*atli, Passauerstr. 5. W. 

- Brunner j, Prof., Geh. Justiz -Rath, Lutherstr. 36. W. 

- Conze j, Professor, Villen -Colonie Grunewald, Wangenheimstr. 1 7. 
r Biels, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Magdeburgerstr. 20. W. 

- DiltJiey^ Prof., Geh. Regierungs-Rath, Burggrafenstr. 4. W. 

- Dümmler^ Prof., Geh. Ober -Regierungs-Rath, Kaiserin Augusta- 

Str. 75/76. W. 

- Engelmann, Prof., Geh. Medicinal- Rath, Neue Wilhelmstr. 15. NW. 

- Engler ^ Prof., Geh. Regierungs-Rath, Motzstr. 89. W. 

- Ermanj Professor, Steglitz, Friedrichstr. 10/11. 

- Fischer j Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hessische Stralse 1-3. N. 

- FrobeniuSj Professor, Charlottenburg, Leibnizstr. 70. 

- Fuc/iSj Professor, Geh. Regierungs-Rath, Rankestr. 14. W. 

- Harnack^ Professor, Fasanenstr. 43. W. 

- Helmertj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Potsdam, Geodätisches 

Institut. 

- Hertwig^ Professor, Geh. Medicinal -Rath, Villen -Colonie Grunewald, 

Wangenheimstr. 28. 

- Hirschfeld j Professor, Charlottenburg, Carmerstr. 3. 

- vanH Hoff, Professor, Charlottenburg, Uhlandstr. 2. 

- Kekale von Stradonitz, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Landgrafen- 

str. 19. W. 

- Kirchhxffj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirchstr. 23. W. 
- - Klein, Prof., Geh. Bergrath, Am Karlsbad 2. W. 

- Köhler, Professor, Königin Augusta-Str. 42. W. 

- Kohlrausch, Professor, Charlottenburg, Marchstr. 25**. 

- Koser, Prof., Geh. Ober -Regierungs-Rath, Charlottenburg, Harden- 

bergstr. 20. 

- Landolt, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Albrechtstr. 14. NW. 

- Lenz, Professor, Augsburgerstr. 52. W. 

- Möhius, Prof., Geh. Regierungs-Rath, Sigismundstr. 8. W. 



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LXVI 

Hr. Dr. Mortmiserij Professor, Charlottenburg, Marchstr. 8. 

- Munk, Professor, Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirehstr. 4. W. 

- Pernw£j Prof., Geh. Justiz -Rath, Genthinerstr. 13^. W. 

- Planck j Professor, Achenbachstr. 1. W. 

- Freiherr von Richthofen^ Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kurfursien- 

str. 117. W. 

- SachaUj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Wormserstr. 12. W. 

- Sc/iefer-Boichorstj Professor, Nümbergerstr. 71. W. 

- Erich Schmidt j Professor, Derfflingerstr. 21. W. 

- Joh, Schmidt j Prof., Geh. Regierungs-Rath, Lützow-Ufer 24. W. 

- Schmoller j Professor, Wormserstr. 13. W. 

- SchradcTj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Kronprinzen -Ufer 20. NW. 

- Schulze^ Prof., Geh. Regierungs-Rath, Invalidenstr. 43. N. 

- Schwarz^ Professor, Villen -Colo nie Grunewald, Humboldtstr. 33. 

- SchwendeneVj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Matthaeikirehstr. 28. W. 

- Stumpfe Professor, Nürnbergerstr. 14/15. W. 

- ToblcTj Professor, Kurfiirstendamm 25. W. 

- Vahlen^ Prof., Geh. Regierungs-Rath, Genthinerstr. 22. W. 

- VirchoWj Prof., Geh. Medicinal-Rath, Schellingstr. 10. W. 

- Vogel j Prof., Geh. Ober -Regierungs-Rath, Potsdam, Astrophysikali- 

sches Observatorium. 

- WaldeyeVj Prof., Geh. Medicinal-Rath, Lutherstr. 35. W. 

- Warburg j Professor, Neue Wilhelmstr. 16. NW. 
- - Weber, Professor, Ritterstr. 56. SW. 

- Weinlwldj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Hohenzollernstr. 15. W. 

- von WUammDÜz-Moellendorffj Prof., Geh. Regierungs-Rath, Westend, 

Eichen-Allee 12. 



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PHYSIKALISCHE 



ABHANDLUNGEN 



DER 



KÖNIGLICHEN 



AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 

zu BERLIN. 



AUS DEN JAHREN 

1899 UND 1900. 



MIT 11 TAFELN. 

BERLIN 1900. 

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 



GEDRUCKT IN DER REICH8DRUCKERBL 



IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 



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Inhalt, 



Sohulze: Hexactinelliden des Indischen Oceanes. III. Theil. (Mit 

7 Tafeln.) Abh. I. S. 1-46. 

Wa l d e t e r : Die Kolon - Nischen , die Arteriae colicae und die Arterien- 
felder der Bauchhohle, nebst Bemerkungen zur Topographie des 
Duodenum und Pankreas. (Mit 4 Tafeln.) Abh. II. S. 1—64. 



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Hexactinelliden des Indischen Oceanes. 



m. Theil. 



Von 



H" FRANZ EILHARD SCHULZE. 



Phy*.Mh. 1900. I. 



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Gelesen in der Sitzung der pliys.-inath. Classe am 15. Februar 1900 

[Sitzungsberichte St. VIII. S.lOl]. 

Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 10. Mai 1900. 



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In den Jahren 1894 und 1895 berichtete ich in den Abhandlungen der 
Akaclemie über einige indische Hexactinelliden , welche während der Jahre 
1 885-1 895 von den In vestigator- Expeditionen der Marine Survey oflndia 
erbeutet und mir zur Bearbeitung anvertraut waren. Jetzt lege ich der 
Akademie die Bearbeitung einerneuen Hexactinelliden -Collection vor, welche 
mit demselben Schiffe während der Jahre 1 895-1 898 in den indischen Ge- 
wässern erhalten wurde. Für die Überlassung dieses aus etwa 40 Stücken 
bestehenden werthvoUen Materiales zur wissenschaftlichen Untersuchung^ bin 
ich dem Director des Indian Museum in Calcutta, Hrn Dr. A. Alcock, zu 
grofeem Danke verpflichtet. 

Im Ganzen fand ich darin 1 3 verschiedene Species , von welchen 7 bis- 
her noch nicht bekannt waren und daher hier ausfuhrlich beschrieben und 
charakterisirt werden sollen , während die übrigen 6 Arten zwar schon in 
der ersten Sendung vertreten und in meinen beiden früheren Mittheilungen 
eingehend berücksichtigt waren, daher auch jetzt nur eine kurze Beliand- 
lung erfahren sollen, aber doch noch einiges Neue bieten werden. Von 
den 9 Gattungen, zu welchen die 13 Species gehören, sind 2 neu. Zur Grün- 
dung einer neuen Familie fand sich keine Veranlassung. 

Wie bei den früheren Expeditionen des Investigator, hat sich auch 
diesmal die Gegend der Andamanen als besonders reich an Hexactinelliden 
erwiesen. Von den 1 2 Stationen , welche jetzt überhaupt derartige Tiefsee- 
spongien geliefert haben, gehören 7 zur nächsten Umgebung der Andamanen, 
eine befindet sich in der Bai von Martaban , 3 in der Nähe des Cap Comorin 
und eine mitten in der Bai von Bengalen. 

1* 



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4 F. E. Schulze: 

Indem ich eine übersichtliche Zusammenstellung der Untersuchungs- Er- 
gebnisse bis an das Ende der Arbeit verschiebe, gebe ich zunächst die 
specielle Beschreibung der einzelnen Arten. 

Pheronema raphanus F. E. Seh. 

1894. Pheronema raphanus F. E. Seh., in den Abhandl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1894. 

S. 8 -13 und Tafel I. 
1894. Pheronema circumpakUum F. E. Seh., ebenda S. 13— 17 und Tafel II. 

Im Jahre 1 894 hatte ich nach einem bei den Andamanen in 436 bis 
531™ Tiefe gefundenen, ziemlich stark laedirten Schwamm von Taubenei- 



a h 

Junget Exemplar von Fktrontma raphanut F. E. Seh. in natflrlirher Grfifse , trocken. 

gröfse die Species Pheronema drmmpalatam aufgestellt. Da ich jetzt 
mehrere, ebenfalls von den Andamanen stammende, aber bedeutend besser 
erhaltene Exemplare gleicher Art untersuchen konnte, vermag ich nicht 
nur meine im Jahre 1894 gegebene Beschreibung etwas zu erweitem, son- 
dern vor Allem auch nachzuweisen, dafe jenes damals als Repraesentant 
einer besonderen Species angesehene Stuck ebenso wie die mir jetzt vor- 
liegenden, ihm gleichenden Exemplare sämmtlich Jugendformen der von 
mir schon im Jahre 1894 beschriebenen und ebenfalls aus dem Indischen 
Oceane stammenden Species Pheronema raphanus F. E. Seh. darstellen. 

Wie aus einer Vergleichung der obigen beiden nach Photographien 
angefertigten Abbildungen a und b mit der in meiner ersten Abhand- 



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HexactinelUden des Indischen Oceanes. 5 

lung über indische HexactinelUden in Fig. i auf Tafel 11 gegebenen Abbil- 
dung hervorgeht, ist in der letzteren der Schwanunkörper in Folge un- 
genügender Erhaltung nicht in der natürlichen Form , sondern zu schlank 
dargestellt. Auch tritt dort der Umstand nicht genügend deutlich hervor, 
daß» die obere Randpartie des Körpers ganz ebenso wie bei den grofSsen 
Exemplaren von Pheronema raphanus F. E. Seh. mit einer ziemlich brei- 
ten, dichten und nahezu glatten Seitenrandzone versehen ist, unterhalb 
welcher erst das poröse Hautnetz auftritt, mit dem hier wie dort die 
mittlere und untere Partie der Seitenfläche gedeckt erscheint. Die fast 
die Länge des Körpers erreichenden Marginalia welche aus der deutlich 
hervortretenden oberen Randkante emporstehen, bilden nicht, wie dies an 
dem früher allein bekannten, ungenügend erhaltenen Stücke schien, eine 
zusammenhängende Reihe, sondern sind ebenso wie bei den grofseu Phero- 
nema raphanus F. E. Seh. -Exemplaren auf 5 (ausnahmsweise auch 6) Nadel- 
gruppen vertheilt, zwischen welchen breite Lücken frei bleiben. Höchstens 
lassen sich bei Lupenbetrachtung auch an den gewöhnlich etwas eingebogenen 
Randsaumnadel- In terstitien einige ganz zarte und kurze Marginalnadeln 
nachweisen. Ferner hebe ich noch besonders hervor, dafs bei allen besser 
erhaltenen Exemplaren zahlreiche zerstreut stehende, ebenfalls spitz aus- 
laufende Prostalia lateralia aus der ausgebauchten Partie der seitlichen Körper- 
fläche ringsum in radiärer Richtung quer vorragen und nicht selten an 
Länge den marginalen Pallisadennadeln gleiclikommen. 

Von diesen Jugendformen liegen mir jetzt im Ganzen 9 mehr oder 
minder wohl erhaltene vollständige Exemplare verschiedener Gröfse nebst 
einigen Bruchstücken vor. Das oben in den zwei Ansichten a und b ab- 
gebildete Stück gehört zu den kleineren. Einige der Bruchstücke rühren 
von einem apfelgroXsen Exemplare her. Das kleinste Stück der ganzen Serie 
hat einen kegelförmigen Körper von 8"°™ Länge und 5°*°* gröfster oberer Breite. 
Von der gleichmälsig kreisförmigen Randkante seiner schwach vertieften, mit 
quadratischem Gitternetze gedeckten, oberen Endfläche stehen in ungefähr 
gleichen Abständen 5 lineare Gruppen von je 3-5 spitz auslaufenden Margi- 
nalia etwa 5"°* weit empor. Aus der Seitenfläche starren einzelne unregel- 
mäfsig zerstreute Prostalia lateralia gleichen Charakters radiär heraus, und aus 
der stumpfen Basalspitze ragt ein Büschel von circa 20°^ langen Basalia 
hervor. Bei den nächstgröfseren Stücken von circa. 15°^ Körperlänge hat die 
Breite etwas unterhalb der oberen Marginalkante so zugenommen, dafs 



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6 F. E. Schulze: 

sie der Eörperlfinge gleichkommt. Dieses Verhältnifs bleibt bei wachsender 
GröXse der Exemplare entweder ziemlich unverändert, oder es kann die 
Breite sogar die Länge des gestaucht -rübenförmigen Körpers noch etwas über- 
treffen, wie das ja auch bei den völlig ausgewachsenen Exemplaren von 
Pheronema rapharms gewöhnlich der Fall ist. Dabei wird das ursprünglich 
zugespitzte basale Ende allmählich stumpfer imd rundet sich immer mehr 
ab. Die 5 (selten 6) linearen Gruppen von 30-50°*° langen und bis o°f"5 
dicken oxydiactinen Marginalia sind überall durch breite, mit der GröXsen- 
zxmahme des Körpers allmählich an Ausdehnung wachsende Lücken ge- 
trennt, welchen fast stets eine geringe Goncavität der Randkante ent- 
spricht. An diesen komn^n dann entweder gar keine oder nur ganz kurze 
und zarte Marginalia vor. Merkwürdig ist es, dais die Länge und Stärke 
der in Gruppen stehenden kräftigen Marginalia bis zu einer gewissen 
Körpergrölse der Schwämme zunimmt, so dafe sie bei walnufsgrofsen 
Stücken bis zu 4*^ und darüber hervorragen, dann aber weder an Länge 
noch an Dicke wachsen, ja bei ausgewachsenen, überfaustgrofsen Stücken 
sogar meist kürzer und schwächer erscheinen. Ahnlich verhält es sich 
mit den Prostalia lateralia. Dagegen nehmen die den Wurzelschopf 
bildenden Basalia während des Wachsthumes des Schwammes nicht nur 
an Länge und Dicke sondern auch an Zahl gleichmäisig zu , wobei auch die 
Menge der einzelnen gesonderten Bündel, in welchen dieselben zu je 10—20 
gruppirt sind, stetig wächst. 

Die Zunahme der Nadeln an Dicke und Länge während der Wachs- 
thumsperiode findet sich auch bei den übrigen Macroscleren , besonders 
den oxypentactinen Hypodermalia sowie bei den Uncinaten, während die 
microscleren Nadeln, nämlich die wenigen parenchymalen Microoxyhexactine, 
die verschiedenen Pinule und die Amphidiske weder eine individuelle 
Gröfsenzunahme während des Wachsthumes erfahren , noch bei den älteren 
Schwämmen principiell gröfser angelegt werden, als bei den jungen. 
Freilich variirt die absolute Gröfse der Macramphidiske sowohl bei den 
jungen wie bei den alten Exemplaren recht erheblich; doch zeigt die Anlage 
jedes einzelnen Amphidiskes, welche bekanntlich in einem dünnen Axen- 
stabe mit beiderseitiger Endverbreiterung besteht, immer schon die definitive 
Länge der fertigen Nadel; welche letztere dann nur noch durch die An- 
lagerung neuer Kieselmasse ihre Verstärkung und die Ausbildung der 
Endglocken mit den Zinken erfahrt. Die Gestalt der zweizähnigen Anker 



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HexactineUiden des Indischen Oceanes. 7 

ist, abgesehen von geringen Differenzen in der Biegung der Ankerzähne, 
überall gleich. Jene vierzähnige Ankerform, welche ich früher bei dem 
PA. circumpalatum benannten Stücke (freilich auch nur einmal) fand, konnte 
ich jetzt weder bei den zur Untersuchung verwandten jüngeren noch 
bei den ausgewachsenen grofsen Stücken nachweisen; doch hat dies wahr- 
scheinlich seinen Grund in der groCsen Seltenheit jener Ankerform bei 
xmserer Species. 

Zur Ergänzung meiner früheren Angaben über die Nadeln der aus- 
gewachsenen Stücke von Pheranema raphanus Y.E.Sch. will ich noch hervor- 
heben, dafe bei denselben nicht alle Dermalpinule oben so breit abgerundet 
enden, wie dies in den Figuren 5-7 der Tafel II meiner ersten Mittheilung 
im Jahre 1894 dargestellt ist. Vielmehr laufen sie nicht selten am Ober- 
ende in einen mehr oder weniger schlanken, sehr leicht abbrechenden 
Stachel aus. Diese schmächtigere Pinulform mit schlankem Endstachel ist 
bei den jüngeren Exemplaren die häufigere und bei den kleinsten Stücken 
sogar die Regel. Im Übrigen lassen sich keine wesentlichen Unterschiede 
zwischen den entsprechenden Microskieren der kleinen und grofsen Stücke 
wahrnehmen. 

Die Zusammenstellung aller bisher bekannt gewordenen Fundorte von 
Pheronema raphxmus F.E.Sch. ergiebt, dafs sie sämmtlich bei den Andamanen 
erbeutet wurden, und zwar die beiden von mir im Jahre 1894 zuerst be- 
schriebenen Stücke in 316" bez. 530" Tiefe — I2®37'N, 92®i9'E — , 
das Anfangs von mir als PÄ. circumpolaivm bezeichnete junge, taubeneigrofse 
Exemplar in 436 - 5 3 1 "^ Tiefe, ferner die jetzt untersuchten 8 jungen Schwämme 
von HaselnufB- bis Wallnufüsgröfse nebst einigen völlig ausmazerirten Frag- 
menten eines etwa faustgrofsen Exemplares in 741" Tiefe imter I3®2 7'N, 
93®i4'30"E, sowie endlich das erbsengrofse kleinste Exemplar nebst 
einigen Bruchstücken eines apfelgrofsen , also halberwachsenen Individuums 
vor der Westküste der Andamanen in 436-531" Tiefe.^ 



^ Ich benutze hier die Gelegenheit, um darauf aufmerksam zu machen, dafs in mei- 
nen beiden früheren Mittheilungen über die auf den Investigator - Expeditionen erbeuteten 
HexactineUiden in einigen Fällen die den Objekten beigegebenen Nummern auf die Stationen 
des Schiffes bezogen sind, während sie sich auf die Katalognummern des Museums beziehen 
sollen. Glücklicherweise ist dieser Irrthum nicht von Bedeutung, weil überall der Fundort 
auTserdem (gewohnlich durch die Bezeichnung der geographischen Länge und Breite) deutlich 
angegeben ist 



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8 F. E. Schulze: 

Hyalonema masoni F. E. Seh. 

1894. Hexactinellideu des indischen Oceanes in den Abhandl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1894. 

S. 31-37 und Tafel VI. 

Von der Species Hyalonema niasoniy welche ich in meiner ersten Mit- 
theilung über indische Hexactinelliden (in den Abhandl. d. K. Preuls. Akad. 
d. Wiss. 1894, S. 31-34) charakterisirt und beschrieben habe, findet sich 
ein von den Andamanen stammendes, zu einer nur 5°™ dicken rundlichen 
Platte von etwa 6*" Breite zusammengedrücktes Bruchstück. Wahrscheinlich 
handelt es sich dabei um einen Theil der verhältnifsmSTsig dünnen margi- 
nalen Trichterplatte , welche bei dieser Species weit über die konische untere 
Körperhälfte emporragt. 

Es mag genügen, darauf hinzuweisen, dafs die Spicula dieses Schwamm- 
stückes in Form, Gröfse und Anordnung so völlig übereinstimmen mit 
denjenigen des früher von mir beschriebenen, gut und vollständig er- 
haltenen Originalexemplares , dafs an der Speciesübereinstimmung nicht ge- 
zweifelt werden kann. Doch will ich hier die Gelegenheit benutzen, darauf 
hinzuweisen, dafs bei den Macramphidisken die in der ersten Beschreibung 
angegebenen Höcker des cylindrischen Axenstabes auch fehlen können, so 
dafs der letztere gar nicht selten völlig glatt erscheint, und dafe die der- 
malen und gastralen Pinule sowohl bei diesem Stücke als auch bei dem 
Originalexemplare oft weniger zugespitzt enden, als dies in den Figuren 2 und 3 
der meiner ersten Beschreibung beigegebenen Tafel VI dargestellt ist. Zwar 
ist der in dem knospenförmigen Endtheile stets vorhandene Centralconus 
nicht gerade sehr dick, fehlt jedoch kaum irgendwo ganz. Weniger deutlich 
tritt der Centralconus an dem schlankeren Distalende der Marginalia auf. 
Die hier sowohl wie bei dem Originalexemplare an der Innenfläche der 
gröfseren Kanäle überall reichlich vorhandenen kanalaren Pentactinpinule 
gleichen zwar im Übrigen den Dermal- und Gastralpinulen , haben aber viel 
spärlichere, nach oben zu an Länge abnehmende Seitenstacheln und sind am 
Distalende stets in eine schlanke Spitze ausgezogen. 

Als Fundort dieses Bruchstückes von Hyalonema masoni ist angegeben 
i3^50'30"N, 93®26'E (bei den Andamanen), und eine Bodentiefe von 911". 



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HexdcüneViden des Indischen Oceanes. 9 

Hyalonema rapa spec. nov. 
Tafel I. 

Eine neue Hyalonema -Speeies, welche nur durch ein einziges, leidlich 
gut erhaltenes Exemplar vertreten ist, filllt sofort durch den schlanken, 
kegelförmigen Körper von ziemlich derber Consistenz auf. Derselbe hat 
eine Länge von 7*" und an dem quer abgestutzten oberen Ende eine 
Breite von 3*^. Aus seinem verjüngten unteren Ende ragt ein 17**" langer, 
aber nur etwa 5"" dicker, schwach gedrehter Basalnadelschopf hervor, 
dessen 20-30 abwärts etwas divergirende Nadeln kaum die Stärke von i"" 
erreichen. An der oberen Körperendfläche, welche sich nicht mittels 
einer prominenten Randkante von der seitlichen Kegelmantelfläche absetzt, 
sondern in dieselbe mit einem abgerundeten Rande übergeht, bemerkt 
man eine derbe Hautschicht mit unregelmäisigen, faltenartigen Einziehungen. 
Eine geringe, excentrisch gelegene Erhebung entspricht dem darunter be- 
findlichen zugespitzten oberen Centralconusende des Basalschopfnadelbündels. 
Das quadratische Gitternetz der Dermalmembran der Seitenfläche ist gröiSsten- 
theils abgerieben und tritt nur an einzelnen Stellen deutlich hervor, während 
es an der gastralen oberen Endfläche zwar vollständig erhalten , aber so stark 
zusammengedrängt ist, dals dieselbe fast ein sammetähnliches Ansehen ge- 
winnt. Bemerkenswerth ist der Umstand, dals an den stärker arrodirten 
Partien der Seitenfläche derbe, längsgerichtete Oxydiactine von 6-15™"* 
Länge und über o°V°5 Dicke zu Tage treten, welche schon dem blofsen Auge 
aufibllen und eine schwach bogenförmige oder leicht gekniete Biegimg 
aufweisen (Tafel I Fig. 3). Bei genauerer Untersuchung zeigt es sich, dafs 
diese grofsen kräftigen, glatten Bogennadeln im Parenchyme und zwar vor- 
wiegend dicht unter der Haut ziemlich reichlich vorkommen. Von macro- 
scleren Parenchymalia sind zunächst die überall zahlreich vorhandenen, 
meistens zu Strängen aggregirten, seltener isolirt liegenden, schlanken, 
schwach gebogenen oder geraden, glatten Oxydiactine von 300-400 ju Länge 
(selten länger) zu nennen, welche hier wie bei den übrigen Hyalonema- 
Arten bald ganz glatt, d. h. ohne jede Centralanschwellung, bald mit einer 
solchen oder mit 2 bez. 4 scharf abgesetzten Centralbuckeln versehen sind. 
Dazwischen treten mehr vereinzelt glatte Oxyhexactine verschiedener Gröfse 
(von 500- 800 ju) auf. Diesen gleichen im Charakter die kräftigen, glatten 
Oxypentactine ähnlicher Gröfse, welche zur Stütze der Dermalmembran 
Phy8.Abh. 1900. L 2 



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10 F. E. Schulze: 

als Hypodermalia überall unter der Haut in regelmäfsiger Anordnung vor- 
kommen, während ich entsprechende Oxypentactine unter der Gastral- 
membran vermisse. In den centralen Partien des Körpers und besonders 
in der Nähe des centralen Axenstranges der langen Basalia kommen 'nicht 
selten glatte amphityle oder tylostyle Nadeln von der Lange und dem 
Charakter der gewöhnlichen Oxydiactine vor, deren kolbig verdicktes Ende 
verschiedene Form zeigen kann, aber niemals scharf abgesetzt ist. 

Als microsclere Parenchymalia kommen in (je nach den Regionen) 
wechselnder Menge mäXsig starke und nahezu glatte, 120-14OJU grofse 
Oxyhexactine vor, deren Strahlen gegen das spitze Ende zu entweder eine 
gleichmäfsige, wenngleich schwache Biegung zeigen , oder in sehr geringem 
Grade winkelig abgebogen sind. In den Grenzschichten der Subdermalräume 
und mancher zuführenden Kanäle treten sie besonders reichlich und nach 
Art echter Canalaria in anscheinend einschichtigem Lager auf, kommen 
aber auch im eigentlichen Parenchyme, wenngleich spärlicher und mehr 
unregelmäfsig zerstreut vor, vielleicht in bestimmter Beziehung zu den 
engeren Kanalästen. Die auf den Balken der netzförmigen Dermalmembran 
reichlich vorhandenen oxypentactinen Dermalpinule haben ein gerades 
Basalkreuz, dessen mäfsig starke, feinhöckerige Strahlen etwa 40 ju lang und 
am Ende zugespitzt sind. Der freie, durchschnittlich 150JU lange, gleich- 
mäfsig zugespitzte Radialstrahl weist mäfeig kurze, schwach abstehende 
Seitenstacheln auf, welche auf der Grenze des glatten unteren und des 
stacheligen mittleren Drittels am längsten sind und nach dem oberen dünnen 
spitzen Ende zu allmählich abnehmen (Tafel I Fig. 6). Ganz ähnlich, nur 
etwas kürzer (120 fi) und schmächtiger, sind die kanalaren Pentactin- 
pinule gebaut, welche in den gröfseren Ausgangskanälen, jedoch viel 
weniger dicht als auf der äufseren Haut, vorkommen (Tafel I Fig. 7). Be- 
deutend länger dagegen (etwa 350 ju und darüber) und auch etwas kräftiger 
sind die im Übrigen durchaus gleicligebildeten oxypentactinen, selten oxy- 
hexactinen Gastralpinule, welche auf der Gittermembran der oberen 
gastralen Endfläche dicht gedrängt stehen und dieser das sammetartige 
Ansehen verleihen (Tafel I Fig. 8). Die auf der niedrigen Grenzfirste 
zwischen der Dermal- und Gastralmembran vorstehenden schmalen, oxydiac- 
tinen Marginalia mit kurzen Seitenstacheln am freien Endtheile konnten 
nicht genauer studirt werden, da sie schlecht erhalten und besonders stark 
abgestofsen waren. 



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HexactmeUiden des Indischen Ocecmes. 11 

Die Macramphidiske, welche ich hier nicht sowohl in der Dermal- 
membran selbst als unterhalb derselben und im tieferen Parenchyme un- 
regelmälsig zerstreut und nicht gerade sehr häufig finde, erreichen die 
erhebliche Gröfse von 6cx)ju und darüber, während manche noch nicht 
halb so lang sind. Ihr bald ganz glatter, bald mit wenigen kleinen, zer- 
streut st-ehenden , zugespitzten Höckern unregelmäfsig besetzter Axenstab ist 
nicht cylindrisch , sondern im mittleren Theil erheblich schmäler als an den 
beiden ganz allmählich sich verdickenden Endpartien. Die nur etwa 120/i 
langen und ebenso breiten Endschirme erscheinen halbkugelig gewölbt. 
Ihre 8 lanzettförmig auslaufenden Schirmzinken sind von nur mä&iger Breite 
(Tafel I Fig. 13). 

Die hauptsächlich zwischen den Basalkreuzen der kanalaren Pentactin- 
pinule, und zwar ziemlich reichlich vorkommenden Mesamphidiske von 
50-60JU Länge haben einen cylindrischen , mit imregelmäfsig zerstreuten 
spitzen Höckern besetzten , mäisig starken Axenstab, welcher oft noch eine 
abgesetzte centrale Verdickung aufweist. Ihre mehr oder minder tief glocken- 
f^^rmigen Endschirme zeigen gewöhnlich 10 schmale und in ihren geraden 
Enden fast parallel liegende zugespitzte Zinken (Tafel I Fig. 9 und 10). 

Zwischen diesen Mesamphidisken, aber auch in der Dermal- und Gastral- 
membran und gelegentlich hier und da im Parenchyme kommen in recht 
wechselnder Menge Micramphidiske der gewöhnlichen Art mit halb- 
kugeligen, 10-12 zinkigen Endschirmen vor. Ihre Länge beträgt gewöhn- 
lich nur etwa 20/i, kann aber auch steigen, so dalB man besonders bei 
gleichzeitiger Verlängerung der Schirmzinken Übergangsformen zu den klei- 
neren Mesamphidisken finden kann (Tafel I Fig. 1 2). 

Am zugespitzten unteren Körperende sind die bekannten Acantho- 
phore der Hyalonemen, wenn auch nur spärlich, zu finden. Zwar wechselt 
die Zahl ihrer kräftigen, meistens etwas gebogenen Strahlen von 6-2, doch 
wiegen die Stauractine vor. Gewöhnlich zeigen nur die etwas verdickten 
feeien Strahlenden den Stachelbesatz , während die übrige Partie glatt bleibt. 

An den in ihrem freien Theile gröfstentheils schlecht erhaltenen basalen 
Schopfiiadeln lassen sich keine bemerkenswerthen Abweichungen von den 
bekannten Eigen thümlichkeiten anderer Hyalonema -Arten wahrnehmen. 

Gefunden ist das hier beschriebene einzige Exemplar von HyaUmerna 
rapa in der Bai von Bengalen — io®i2'N, 9 2^ 30' 30" E — in einer Tiefe 
von II 09°*. 

2* 



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12 F. E. Schulze: 

Hyalonema martabanense nov. spec. 
Tafein. 

Von einer neuen HyalonemaSpecies, welche ich nach ihrem Fundorte, 
dem Golfe von Martaban, Hyalonema martabanense nenne, liegen drei an 
derselben Stelle erbeutete Stücke vor. Der Körper des am wenigsten lädir- 
ten, aber seines Basalnadelschopfes völlig beraubten Exemplares stellt 
einen abgestutzten Kegel von lo'" Länge dar, dessen breites oberes Ende 
7"", dessen schmaleres unteres 3T5 im Durchmesser mÜBt. Die ziemlich 
stark zerdrückte , mit um^egelmäfeigen Vertiefungen versehene und mehrfach 
verletzte seitliche Kegelmantelfläche geht unten durch einen gleichmäßig 
abgerundeten Rand direct in eine etwas eingedrückte, gleichartige untere 
Endfläche über, während sie sich gegen die ganz differente, seitlich etwas 
überhängende obere Endfläche mittels eines deutlich markirten marginalen 
Grenzsaumes scharf absetzt (Tafel II Fig. i). Diese obere Grenzfläche, welche 
in der Mitte eine starke Einsenkung, im äufseren Theile dagegen ringsum 
eine flache, wallartige Erhebung mit überhängendem, scharfkantigem Auisen- 
rande zeigt, hat im Gegensatze zu der unregelmäfsig grubigen und mit 
deutlichem Hautnetze überspannten Seiten wand eine gleichmäfsig sam met- 
ähnliche Oberfläche, in welcher jedoch tiefe rundliche, 2-3"" weite, 
scharfrandige Vertiefungen oder Löcher auffallen. Die letzteren sind ganz 
unregelmäisig vertheilt und stellen die AusfluGsöfihungen der gröfseren 
ableitenden Kanäle dar. Die nämlichen Form- und Oberflächen Verhält- 
nisse läfst ein zweites, weniger gut erhaltenes, kleineres Stück erkennen, 
welches durch starke seitliche Compression und Arrodirung stark gelitten 
und auch den Basalschopf verloren hat, während das dritte Stück aus 
einer ziemlich formlosen, stark zusammengedrückten ovalen Platte von der 
Gröfse eines menschlichen Ohres besteht und offenbar nur als ein Fragment 
anzusehen ist. 

Unter den macroscleren Parenchymalia fallen die schon mit blo&em 
Auge erkennbaren , sehr schwach gebogenen oder leicht geknieten , glatten 
spindelförmigen Oxydiactine von 6—12"" Länge und 150— 25OJU Breite auf, 
deren Enden nur selten ganz scharf zugespitzt, gewöhnlich mehr oder 
weniger stumpf oder auch wohl ganz abgerundet sind. Von einer ab- 
gesetzten centralen Anschwellung oder entsprechenden Buckeln habe ich 
an ihnen niemals etwas bemerkt. Sie finden sich hauptsächlich unter oder 



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Hexactineläden des Indischen Oceanes. 13 

doch in der Nähe der Haut in longitudinaler Lagerung. AuUserdem kommen 
in groXser Menge ähnlich geformte, aber viel kürzere und entsprechend 
schmächtigere Amphioxe von /^ooSoofi und darüber vor, welche, bald 
isolirt, bald zu Zügen, Strängen oder weitmaschigen Netzen aggregirt, den 
Schwammkörper in verschiedener Richtung durchsetzen und besonders 
parallel der Oberfläche hinziehen. Dieselben sind , wie die entsprechenden 
Nadein der meisten Hyalonemen, theils ganz glatt, theils mit einem ab- 
gesetzten centralen Ringwulste, theils ebenda mit zwei sich gegenüber- 
stehenden, seltener 4 gekreuzten Buckeln versehen. Auch kommen hier 
und dort, besonders aber in der Nähe des axialen Basalnadelstranges 
derartige diactine Nadeln ohne centrale Verdickimg oder Höcker vor, 
welche an einem oder beiden Enden statt der Zuspitzung eine terminale 
Kolbenbildung aufweisen (Tafel II Fig. 1 3 und 1 4). Die überall im Paren- 
chyme reichlich vorhandenen microscleren Oxyhexactine von etwa 100 fi 
Durchmesser sind entweder glatt oder ganz schwach rauh. Ihre mäfsig 
starken, vom Kreuzpunkte bis an das freie Ende gleichmäfsig zugespitzten 
Strahlen zeigen in der distalen Hälfte eine sehr deutliche, gleichmäfsige 
Biegung (Tafel II Fig. 11). Während in der Gitterwand der (dem ge- 
fältelten Kammerlager zxmächst gelegenen) Theile des zu- und ableitenden 
Kanalsystems nur diese Oxyhexactine vorkommen, treten weiterhin, an der 
Innenfläche aller grölseren Kanäle kanalare Pentactinpinule auf, welche 
zunächst klein, schmächtig und ziemlich spärlich, in dem weiteren Theile 
der Kanäle dagegen kräftiger, länger imd reichlicher werden. Auf dem 
dermalen Balkennetze des ganzen Körpers stehen dicht nebeneinander 
Pentactinpinule, deren mä&ig starke, gerade, schwachhöckerige Basalstrahlen 
sich bis an das spitze, freie Ende allmählich verschmälem und eine Länge 
von 40-5OJU erreichen. Zuweilen kommen dazwischen auch Hexactin- 
pinule mit mehr oder weniger kurzem, inneren Strahle vor. Der nicht 
besonders starke , mit ziemlich kurzen Seitenstacheln in gewöhnlicher Weise 
besetzte, spitz auslaufende Distalstrahl mifst durchschnittlich 200 fi. Sehr 
aufiällig ist es, daXs zwischen diesen Dermalpinulen gewöhnlicher Art 
ziemlich reichlich beiderseitig spitz auslaufende, gerade Diactinpinule von 
500-6cx)ju Länge vorkommen, welche einen 300-400 ju langen, mit 
kurzen, ziemlich anliegenden Seitenstacheln besetzten, freistehenden Distal- 
strahl, einem bedeutend küi"zeren, glatten oder nur gegen das spitze Ende 
etwas höckerigen inneren Strahl und im Centrum vier abgesetzte, kreuz- 



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14 F.E. Schulze: 

weise gestellte Buckel aufweisen (Tafel IT Fig. lo), also durchaus den oxy- 
diactinen Marginalia anderer Hyalonemen gleichen. 

Von grofsem Interesse ist der Umstand, daXs die ganze obere Körper- 
endfläche solche, den Marginalia anderer Hyalonemen gleichenden Oxy- 
diactinpinule trägt. Dieselben haben hier eine etwas gröJisere Länge 
(1000-1500JU) als in der dermalen Seitenhaut, wo sie nur vereinzelt vor- 
kommen, während sie hier dicht nebeneinander stehen. Die zwischen 
ihnen nur spärlich vertretenen gastralen Pentactinpinule, stimmen bis auf 
eine etwas gröfsere Länge (2CX)-300ju) mit den dermalen Pentactinpinulen 
(Tafel II Fig. 9) überein. Dieser dichte und gleichmäJGsige Besatz mit Oxy- 
diactinpinulen ist es auch, welcher der freien Gastralfläche ihren eigen- 
thümlich sammetartigen Charakter verleiht. 

Von Amphidisken sind alle drei Kategorien reichlich vorhanden, die 
Macramphidiske sogar in zwei wesentlich verschiedenen Formen. Im 
Parenchyme kommen unregelmälsig zerstreut mälsig häufig Macramphidiske 
von 500-1 000 ju Länge vor, deren meistens glatter, zuweilen auch im 
Centrum mit einem Wirbel von 4-8 kleinen zugespitzten Höckern und 
mehreren unregelmäfsig vertheilten Domen besetzter Axenstab, im mittleren 
Theile verschmächtigt, sich gegen beide Enden hin allmählich verdickt. 
Die lialbkugelig gewölbten Schirme haben eine Breite von i20-i6oju und 
eine etwas geringere Länge. Ihre 8 nicht besonders breiten schaufei- 
förmigen Zinken spitzen sich lanzettartig zu (Tafel II Fig. 18). Die andere 
Form der Macramphidisken ist bedeutend kleiner (nur 80-1 00 ju lang). 
Sie zeichnet sich hauptsächlich durch flachgewölbte Schirme mit je 5, 
seltener 6, kräftigen breiten schaufeiförmigen Zinken und durch den mit 
rundlichen Buckeln mehr oder minder reichlich besetzten cylindrischen 
Axenstab aus (Tafel II Fig. 15-17). Sie kommen ebenfalls vereinzelt im 
Parenchyme, spärlich in der Wand grösserer Kanäle, sehr häufig aber 
in der Dermalmembran und in der Gastralmembran vor. In diesen netz- 
förmigen Grenzmembranen stehen sie mit ihrer Längsaxe rechtwinkelig 
zur Fläche orientirt, mit der einen Hälfte im Schwammkörper eingebettet, 
mit der anderen frei über die Oberfläche vorragend (Tafel II Fig. 3). Die 
Mesamphidiske, welche hauptsächlich in der membranösen Innenwand der 
grölseren Kanäle vorkommen und hier auch häufig ähnlich wie die Ma- 
cramphidiske in der dermalen und gastralen Grenzmembran rechtwinkelig 
zur Fläche gestellt sind, wechseln erheblich in der Gröfse, von 40-70 /i 



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HexactmelKden des Indischen Oceanes. 15 

und darüber. Ihr schmaler cylindrischer Axenstab zeigt in der Mitte eine 
abgesetzte Ringverdickung oder einen Wirtel von (gewöhnlich 4 kreuz- 
weise gestellten) zugespitzten Buckeln und aufserdem zahlreiche kleinere 
Höcker in unregelmäfisiger Vertheilung. Die tief glockenförmigen Scliirme 
haben meistens 10 schmale lange Zinken (Tafel II Fig, 4-6). Micram- 
phidiske gewöhnlicher Form und Grö&e (20-40 ju) sind besonders reich- 
lich in der Dermal- und Gastralmembran , spärlicher in der Kanalmembran 
oder im Parenchyme zu finden. 

Da die Basalschopfnadeln bei allen drei Exemplaren ausgerissen waren, 
kann ich von denselben nichts aussagen und nur berichten, dass die Gröfse 
der Rüsöffnung am unteren Ende des Schwammkörpers darauf schliefsen 
l&fst, dafs der Nadelschopf in der Nähe des Austrittes etwa 8°" dick ge- 
wesen sein muls. Die in der vorstofsähnlichen Umrandung dieser Öffnung 
in Menge zu findenden Acanthophore erscheinen vorwiegend als mit groben 
Stacheln dicht besetzte Stauractine und Diactine verschiedener Gröfse. 

Besondere Erwähnung verdienen endlich die hier und dort (speciell 
unter der Gastralmembran) , wenngleich nicht gerade häufig anzutreffenden 
glatten, concentrisch geschichteten Kugeln verschiedener Gröfse (bis zu \ 20 fi 
Durchmesser und darüber), »Kieselperlen«, wie ich sie schon bei ver- 
schiedenen Hexactinelliden gefunden und beschrieben habe (Tafel II Fig. 12). 

Der Fundort dieser Form ist — I3®7'N, 94^44*1 5" E — in der Bai 
von Martaban, wo eine Tiefe von nyi*" gemessen war. 

Hyalonema lamella spec. nov. 
Tafel III. 

Südwestlich von Cap Comorin (Südspitze von Ceylon) sind an zwei 
nicht weit von einander entfernten Orten in Tiefen von 787™ und 1530™ 
einige plattenförmige Schwammfragmente gefimden, welche ich aus unten 
näher zu erörternden Gründen einstweilen zur Gattung Hyalonema stelle, 
obwohl ich zugebe, dafs bei dem Mangel des unteren Körpertheiles die 
Entscheidung über die systematische Stellung nicht' ganz einwandsfrei er- 
folgen kann. 

Das am besten erhaltene (in 787" unter 7^ 17' 30" N; 76^ 54' 30" E 
erbeutete) Stück stellt eine etwa handgroXse, mälsig derbe, aber ziemlich 
brüchige Platte von 5-8™°' Dicke dar, welche in der Mitte wie ein Buch- 
deckel einfach zusammengefaltet erscheint. Die beiden nahezu gleich 



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16 F.E. Schulze: 

grofsen und einander fast bis zur Berührung genäherten länglichen Plat- 
tenhälften, deren jede etwa 6*"" breit und 9*™ lang ist, gehen an dem 
5 ''" langen Faltungsrande unter so scharfer Biegung in einander über, da& 
der äufsere Dickendurchmesser der ganzen Falte nur etwa 2*"" beträgt. 
Der längere freie, seitliche Plattenrand läuft zwar nahezu parallel mit 
dem Faltungsrande, zeigt aber einen schwach welligen Contour und eine 
dem natürUchen Grenzsaume entsprechende (meistens noch deutlich er- 
haltene) Zuschärfung, welche durch eine Zone von mit blofsem Auge 
allerdings kaum sichtbaren Marginalia ausgezeichnet ist. Nach oben zu 
geht dieser freie laterale Rand ganz allmälich in den ebenfalls deutlich 
zugeschärften und mit Randsaumnadeln versehenen, convex ausgebogenen, 
kurzen oberen Randtheil über, welcher sich am Faltungsrande von dem 
entsprechenden Oberrande der anderen Plattenhälft;e durch eine ziemlich 
tiefe Einkerbung absetzt. Nach unten zu geht der laterale Seitenrand an 
jeder Plattenhälfte bis zur äullseren imteren Ecke, von wo aus der stark 
zerrissene Unterrand dann schräge zum Faltungsrande hinzieht (Tafel III 
Fig. 1). Dieser zerrifsene untere Rand entspricht wahrscheinlich der Linie, 
in welcher das vorliegende Stück von dem übrigen Theile des Schwamm- 
körpers abgerissen ist. 

Die flache Aufsenfläche der ganzen Platte wird von einer dichten 
sammetartigen Hautschicht gedeckt, deren Netznatur sich nur undeutlich 
ausprägt. Noch gleichmäfsiger und sammetähnlicher erscheint die innere 
(gastrale) Plattenfläche, deren schwach reticulirte Deckschicht die ablei- 
tenden Kanäle undeutlich durchschimmern läfst. 

Einige kleinere Bruchstücke, welche nicht weit von diesem grofsen 
Stücke — 7^34'3o''N, 76^o8'23"E — in 1530" Tiefe gefunden sind 
und ihrer Spiculation nach zweifellos zu derselben Species gehören, be- 
stehen aus fest zusammengedrückten dünnen Platten mit unregelmäfsig 
gerissenen Seitenrändern. Ihre beiden Seitenflächen zeigen hier und da 
noch Reste der Deckschicht in Form einer feinmaschigen Netzplatte. 

Das parenchymale macrosclere Stützgerüst wird fast ausschliefslich 
von glatten, nach beiden Enden allmählich sich zuspitzenden, geraden 
oder ganz schwach gebogenen, macroscleren Oxydiactinen gebildet, welche 
meistens zu netzartig verbundenen Strängen bündelweise locker aneinander- 
gereiht, seltener ganz isolirt, den plattenförmigen Schwammkörper in ver- 
schiedener Richtung durchsetzen. Die Länge dieser oxydiactinen Paren- 



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HexactinelUden des Indischen Oceanes. 17 

chymalia betrftgt durchschnittlich 1-2"°", doch kommen auch gröfeere, bis 
zu 6°*" und darüber, vor. Ihre Dicke variirt von 6-20 fi. Während die 
meisten keine abgesetzte centrale Erhebung aufweisen, zeigen einige daselbst 
eine ringfönnige Verdickung, andere zwei gegenüberstehende, seltener 4 
im Kreuz gestellte Buckel. Nicht unerheblich tragen zur Festigung des 
ganzen Schwammkörpers auch die bis zu i"" langen Radialstrahlen der 
kräftigen oxypentactinen Subdermalia und Subgastralia bei. 

Als microsclere Parenchymalia treten zahlreiche Oxyhexactine mit 
mälsig starken, glatten, im äufseren Drittel umgebogenen Strahlen auf 
(Tafel III Fig. 8). Die Gröfee dieser Nadeln variirt von 80-1 20 /lc und 
beträgt meistens etwa ioo/lc. Beachtenswerth ist, dafe die oxyhexactinen 
Parenchymalia hier zwar überall im Parenchyme, wenn auch ziemlich 
unregelmäfsig zerstreut, vorkommen, sich aber in besonders dichter Lage 
in der nächsten Umgebung der subdermalen Lakunen an den von diesen 
letzteren ausgehenden zuleitenden Kanälen finden, wo sie sogar oft die 
typische radiäre Stellung echter Canalaria zeigen (Tafel III Fig. 2). Dieser 
auffällige Umstand hat in mir die schon früher geäulserte Vorstellung be- 
festigt, dafs die oxyhexactinen Parenchymalia der Hyalonemen aus echten 
Canalaria hervorgegangen sind. Auffilllig ist der Umstand, da ßs nicht alle 
größeren Kanäle, sondern eben nur die zuleitenden mit solchen Nadeln 
dicht umgeben sind, während diese letzteren bei den ableitenden Kanälen 
fehlen und daselbst, wie wir sogleich sehen werden, durch gewisse Formen 
von Amphidisken ersetzt sind. Beide Oberflächen der Platte sind gleichmäfsig 
dicht mit schlanken Pentactinpinulen besetzt, deren 4 rechtwinkelig ge- 
kreuzte tangentiale Basalstrahlen durchschnittlich etwa 50 /i lang, ziemlich 
kräftig und nach dem zugespitzten Endtheile zu mit kurzen, distad ge- 
richteten Zacken besetzt sind, während der verschieden lange, frei vor- 
ragende Radialstrahl mälsig kurze, schwach abstehende Seitenstacheln auf- 
weist, welche im mittleren Dritttheil am längsten sind, nach dem spitzen 
Distalende aber sowie nach dem glatten Basalende zu allmählich an lüngc 
abnehmen. Zuweilen kommt auch noch ein einwärts gerichteter Radial- 
strahl verschiedener Länge vor, welcher den basalen Tangentialstrahlen 
zu gleichen pflegt. Der Unterschied zwischen den Pinulen der dermalen 
Auisenfläche imd denjenigen der gastralen Innenfläche liegt wesentlich nur 
in der Länge des radialen Distalstrahles , welcher bei den Derinalpinulen 
etwa 200 /Lc, bei den Gastralpinulen dagegen 400-600 /i und darüber lang 
Phys.Abh. 1900. L 3 



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18 F. E. Schulze: 

ist (Tafel III Fig. 9 und 10). Da die zugeschärfte freie Randkante des 
Schwammes nicht gut erhalten ist, kann ich über die wahrscheinlich ver- 
loren gegangenen Marginalia nicht« Bestimmtes aussagen. 

Die in der Dermalmembran fehlenden , dagegen übemll im Parenchyme 
zerstreuten, kräft;igen Macramphidiske haben eine Durchschnittslänge von 
350/i (300-400 /i). Ihr nach beiden Enden verdickter, im allgemeinen 
glatter Axenstab zeigt gewöhnlich an seinem centralen Theile einige meist 
im Kreise geordnete, kleine, spitze Zacken. Die ziemlich flach gewölbten 
(nur etwa 60 /i hohen), durchschnittlich 120/i breiten Endschirme weisen 
8 breite schaufeiförmige Ankerzähne auf (Tafel III Fig. 3). 

In grofser Menge und bestimmter Anordnung treten eiförmige Mesam- 
phidiske verschiedener Gröfse (durchschnittlich 40-60 /i lang) auf. Ihr 
schlanker, überall reichlich mit kleinen spitzen Zacken besetzter Axenstal» 
trägt in der Mitte einen Wirtel von etwas stärkeren, meist gebogenen 
Stacheln. Die tief glockenförmigen Endschirme haben 8-12 (gewöhnlich 10) 
lange schmale Zinken (Tafel III Fig. 5 -7). 

Bemerkenswerth ist der Umstand, da& diese Mesamphidiske auch hier 
wie bei H. rapa und martabanense in einschichtiger Lage die gröfseren ab- 
leitenden Kanäle auskleiden. Zwar liegen sie in meinen Schnitten meistens 
ohne bestimmte Orientirung, doch möchte ich annehmen, dafs sie im leben- 
den Schwämme vorwiegend rechtwinkelig zur Kanalwand und zwar in der 
Weise geordnet stehen, dass die eine Hälfte in das Parenchym, die andere 
in das Kanallumen hineinragt. An den engeren Zuleitungskanälen fehlt 
diese Auskleidung mit Mesamphidisken (Tafel HI Fig. 2). 

Von den nur etwa 20/i grofsen Micramphidisken mit kurzen halb- 
kugeligen vielzinkigen Endschirmen finde ich nur verhältnifsmäfsig wenige 
in der Dermal- und Gastralmembran unregelmäfsig zerstreut. Noch spär- 
licher sind dieselben im Parenchyme des Choanosomes vertreten (Tafel III 
Fig. 4 und 2). 

Gilt es nun, trotz des Fehlens der unteren Körperpartie nebst Basal- 
schopf aus den mitgetheilten Untersuchungsergebnissen einen Schlufs auf 
die systematische Stellung der betreffenden Art zu machen, so kommt zu- 
nächst die Frage in Betracht, ob ausreichende Gründe vorhanden sind, si(* 
in eine der bekannten Hyalonematiden- Gattungen zu stellen, oder ob es 
sich etwa um den Repraesentanten einer ganz neuen Gattung handelt. Da 
zu letzterer Annaljme weder aus der Form des Bruchstückes noch aus 



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HexactimlHden des Indischen Ocearies. 19 

seiner Spieulation irgend welche Gründe zu entnehmen sind, so kommen 
nur die bekannten drei Gattungen Pheronema (incl. Poliopoyon)^ Hyalonema 
und Semperella in Frage. Da nun die ausgeprägte Plattenform zwar ganz 
wohl zu der blattähnlichen Gestalt eines Pheronefna (Poliopogon) aviadou 
oder der plattenförmigen Trichterwand mancher Hi/alonema' Arten ^ wie z.B. 
Hyalonema rnasoni passen würde, keineswegs aber zu der langgestreckten 
Kolbenform, welche för die Gattung SempereUa charakteristisch ist, so erscheint 
die letztere Gattung ausgeschlossen, und zwar um so mehr als derselben zahl- 
reiche üncinate als typische Nadeln zukommen, welche hier ganz fehlen. Der 
letztere Grund macht auch die Aufnahme in die Gattung Pheronema (incl. 
Poliopogon) unmöglich. Es bleibt daher nur die Gattung Hyalonema übrig, 
auf welche auch sämmtliche aufgefundenen Nadeln, besonders die paren- 
chymalen Oxyhexactine mit den gebogenen Strahlen sowie die eigenthünir 
liehe Anordnung der Mesamphidiske hinweisen. 

Bedenken könnte höchstens die sonderbare (gekniffte) Faltung der 
jedenfalls als oberer Theil der Kelchwand aufzufassenden Platte sowie die 
von der gewöhnlichen Kreisform abweichende, schräg abfallende Form ihres 
freien (Marginal-) Randes erregen. Doch scheint mir beides, selbst wenn 
es nicht eine rein zufällige Abnormität darstellen sollte, kein Grund zur 
Ausschlielsung unserer Art aus der Gattung Hyalonema zu sein, wo ja eine 
schräge, ja sogar ziemlich steil abfallende Form des Kelchrandes auch sonst 
vorkommt, z. B. bei dem von Ijima jüngst entdeckten japanischen Hyalo7ierna 
reßexum Ijima. 

Der Fundort des stark zusammengefalteten, handgrofsen Platt(»n- 
fragmentes liegt, wie schon oben berichtet, südwestlich von Cap Comorin 
— 7^i7'3o"N; 76^54'3o"E — in 787" Tiefe. Die übrigen, stark zu- 
sammengedrückten, kleineren, flachen Bruchstücke mit unregelmafsig ge- 
rissenem Rande sind ebenfalls südwestlich von Cap Comorin — 7°34'3o"N; 
76^08' 23"E — erbeutet. 

Lophophysema inflatum nov. gen., nov. spec. 
Tafel IV und V. 

Von allen bekannten Hyalonematiden unterscheidet sich die jetzt zu 
beschreibende Form so wesentlich in Gestalt und Bau, dafs ich mich ge- 
nöthigt sehe, sie trotz ihrer nahen Verwandtschaft mit Hyalonema in der 



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20 F. E. Schulze: 

Nadelbildung zum Repraesentanten einer neuen Gattung zu machen, welche 
ich Lophophysema {Xo<f>os = Schopf und (pvctiiia = Auftreibimg) nenne. 

Die Gestalt und Gröfse des nur in einem einzigen, etwas lädirten 
Exemplare vorliegenden, lockeren und weichen Schwammkörpers, dessen 
basaler Wurzelnadelschopf nur noch in einigen kurzen Resten erhalten ist, 
läfst sich im zusammengefallenen Zustande nach dem Herausnehmen aus 
dem Spiritus (wobei er etwa einen Suppenteller föUt) kaum erkennen. Um 
ihn in seinem natürlichen Zustande zu sehen, brachte ich die mit starkem 
Alkohol durchtränkte, zunächst als formloser Klumpen erscheinende Masse 
vorsichtig in ein mit sehr schwachem Alkohol geföUtes grofses GlasgeßUs. 
Hier schwamm nun der mit dem leichten starken Alkohol gefällte 
Körper zimächst flach ausgebreitet an der Oberfläche, begann aber alsbald 
langsam (mit dem derberen und durch die Schopfiiadelfragmente stärker 
beschwerten Basalende abwärts gerichtet) zu sinken, wobei der besonders 
lockere obere Theil , durch einige gefangene Luftblasen getragen , längere Zeit 
oben gehalten wurde. In diesem gelockerten Zustande wurde der Schwamm 
durch den hiesigen, in der Wiedergabe von Spongien geübten Maler, 
Hm. Krohse , sorgfältig in natürlicher Gröfee gezeichnet. Die Zeichnung ist 
hier auf der Tafel IV, auf -^ verkleinert, in Reproduction wiedergegeben. 

Wenn sich hierbei auch sofort ergab, dafs der aufserordentlich lockere 
und leicht zerreifsbare oberste Theil des Schwammkörpers nicht genügend 
erhalten war, um seine Begrenzung sicher festzustellen, so konnten doch 
die meisten anderen Form- und Bauverhältnisse, zumal an den etwas derberen 
mittleren und unteren Körperregionen hinreichend sicher erkannt werden. 
Zunächst zeigte sich deutlich, dafs der flach kegelförmige, etwa 23*™ breite 
Theil durch einen fast i*"" weit frei hervorragenden Marginalsaum sich 
scharf absetzt von dem kuppelartig aufgetriebenen größeren, oberen Körper- 
theil, dessen Gipfel zwar etwas zerrissen, aber doch noch gröfstentheils 
erhalten ist. Das quer abgestutzte unterste Körperende wird von einem 
einige Millimeter weit vorstehenden höckerigen Ringwalle umsäumt, welcher 
eine offenbar durch Ausreifsen des Basalnadelschopfes vertiefte Rifsfläche von 
circa 3*""" Durchmesser begrenzt. 

Aus dieser zerrissenen Vertiefung ragen noch die Stümpfe von einigen 
stricknadeldicken Basalnadeln etliche Centimeter weit frei hervor. Oberhalb 
des sich deutlich abhebenden Ringwalles dieser Rifsstelle breitet sich seitlich 
ein System von breiten, radiär gerichteten und durch verschiedene Seiten- 



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HexactineUiden des Indischen Oceanes. 21 

äste verbundenen derben Riffen nach aufsen bis nahe an den erwähnten 
marginalen Grenzsaum hin aus , zwischen welchen Riffen sich unregelmäfsig 
verzogene, glatte, rundliche Lücken von Finger- bis Daumenbreite be- 
finden. Doch bleibt eine Randzone von i-i-^*^ Breite unmittelbar unter- 
halb des Marginalsaumes von solchen gröfseren Eingangsöffnungen frei. 

Ganz anders sieht der oberhalb des marginalen Grenzsaumes sich er- 
hebende, viel gröfsere und bedeutend weichere Körpertheil aus. Derselbe 
durfte im Leben etwa die Gestalt eines niedrigen Bienenkorbes mit oberer 
Abflachung oder schwacher centraler Einsenkung gehabt haben. Sein Quer- 
durchmesser beträgt ungefähr 22"°, seine Höhe wahrscheinlich etwa 18*"". 
Er war (zweifellos in ganzer Ausdehnung) überzogen von einem jetzt freilich 
nur noch an der Seiten wand im Zusammenhange erhaltenen, oben aber 
zerissenen und defekten Hautnetze, dessen zahlreiche rundliche Maschen 
durchschnittlich die Weite von 3-10"°* haben, während seine Balken eine 
geringere Breite zeigen. Am spärlichsten und kleinsten sind diese Lücken 
unmittelbar oberhalb des marginalen Randsaumes, von wo sie aufwärts 
allmählich an Durchmesser zunehmen. Durch zahlreiche einwärts gerichtete 
platten- und fadenförmige Bälkchen und Stränge steht dieses (gastrale) 
Hautgitter in fester Verbindung mit einem reich entwickelten inneren Systeme 
von grofsen Taschen und nach oben zu schwach verästelten blind endigenden 
Röhren nebst deren blindsackförmigen Seitendivertikeln. Die weiten Eingangs- 
öffnungen dieser zum Theil kinderhandgrofsen Taschen und der verästelten 
Röhren befinden sich an der schon beschriebenen flach -konischen Unterseite 
des Schwammes. Durch sie tritt das Wasser von unten her in die Räume des 
zuleitenden Kanalsystemes ein, während die zwischen den Wandungen der 
letzteren befindlichen, ebenfalls reichlich von Verbindungsbälkchen durch- 
setzten, jedoch untereinander überall in offener Höhlen Verbindung stehenden 
Lücken und Spalten des ableitenden Gangsystems sämmtlich in den (sub- 
gastralen) dicht unter der (gastralen) Hautnetzplatte befindlichen Raum und 
durch deren zahlreiche Lücken an der convexen Oberseite des Schwamm- 
körpers direct nach aufsen münden (Tafel V Fig. i). 

Das ganze Kanalsystem, wie es hier schematisch in einer Skizze, Tafel V 
Fig. I, wiedergegeben ist, gestaltet sich also in der Hauptsache ähnlich 
demjenigen der Rosselliden- Gattung Auhchone, speciell Aulochone cylindricay 
welche von mir im Challenger- Report 1. c. S. 168 u. ff. beschrieben und 
ebenda auf Tafel 66 in Fig. 2-4 in Abbildungen dargestellt ist. 



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22 F.E. Schulze: 

Die bis zu i°^ dicke Wandung der weiten verästelten Zuleitungskanäle 
und ihrer seitlichen bez. terminalen blinden Divertikel besteht hauptsächlich 
aus dem reich gefältelten Kammerlager nebst den beiden mit kanalaren 
Pentactinpinulen besetzten Grenzhäuten, deren eine (die dermale) dem zu- 
leitenden, deren andere (die gastrale) dem ableitenden Wasserstrome zu- 
gewandt ist. 

Die zahlreichen macroscleren , geraden oder schwacli gebogenen, 
schlanken, glatten Oxydiactine, welche zu Zügen aggregirt oder einzeln, 
meistens parallel den Grenzflächen, aber auch in verschiedenen anderen 
Richtungen das Parenchym der Körperlamellen durchsetzen, gleichen im 
Allgemeinen den entsprechenden Nadeln der meisten HyaUmema- Avten^ 
überschreiten jedoch nur selten die Länge von i*"" und erreichen niemals 
jene Dimensionen, wie wir sie an den grofsen Bogennadeln (Balken) von 
Hyalonema toxeres, rapa^ martabanense mid anderen kennen. Neben ganz 
glatten Nadeln dieser Art giebt es auch hier solche, welche in der Mitt« 
eine mehr oder weniger deutlich abgesetzte Ringverdickung oder zwei bez. 
vier sich gegenüberstehende Buckel mit den entsprechenden Kreuzkanälen 
besitzen. Macrosclere Oxyhexactine entsinne ich mich nicht gesehen zu 
haben. In der Nähe des als oberer Endtheil des Basalnadelschopfes den 
Körper senkrecht durchsetzenden Centralconus finden sich häufig gerade 
oder gebogene , glatte Diactine mit kolbenartig verdickten Enden ; und zwar 
sind bald beide Enden zu Kolben umgewandelt (Tafel V Fig. 9), bald nur 
ein Ende, während das andere allmählich spitz ausläuft. Auch kommen 
hier nicht selten Diactine vor, welche an beiden Enden oder nur an einem 
einfach abgerundet, daher im letzteren Falle als Style zu bezeichnen sind. 

Zur Stütze und Festigung des Weichkörpers dienen ferner die unter 
der Dermalmembran überall häufig zu findenden, kräftigen oxypentactinen 
Hypodermalia, während solche Nadeln unter der Haut der gastralen 
Grenzflächen fehlen. Als mikrosklere Parenchymalia sind die hier übrigens 
nirgends reichlich vorhandenen Oxyhexactine mit geraden mittelstarken 
Strahlen zu nennen, welche letzteren entweder ganz feindomig oder nur 
schwach rauh erscheinen. Die Länge der Strahlen beträgt gewöhnlich 
60 /Lc, kann aber hier und da auch bis zu Sofx steigen (Tafel V Fig. 4 
und 5). Sowohl an der unteren dermalen Oberfläche als auch an allen 
freien Grenzflächen der zahlreichen Taschen und Kanäle, als endlich 
an der Aufsen- wie Innenfläche des oberen (gastralen) Gitternetzes finden 



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HexactineUiden des Indischen Oceanes. 23 

sicli in mehr oder weniger dichter und regelmäßiger Aufstellung schlanke 
Pentactinpinule, deren glatte oder schwach rauhe gleichmäfsig zugespitzte 
Basalstrahlen 40— 50/i lang sind, während ihr mäXsig kurze schräge Seiten- 
donien führender, freier Strahl icm3-28o/lc und darüber mifst. Im All- 
gemeinen zeigen die Pinule der freien unteren Dermal- und der freien 
oberen Gastralflächen größere Dimensionen als die auf den Grenzflächen 
der inneren Kanalwände befindlichen (Tafel V Ifig. 7 und 6). Die letzteren 
stehen um so weiter auseinander und erscheinen dabei um so kleiner und 
schmächtiger, je enger das Lumen der Taschen, Gänge oder Spalten ist, 
in welches sie hineinragen. 

Die in einfacher oder doppelter dichter Lage am äufseren Rande des 
Marginalsaumes hervorstehenden oxydiactinen Marginalia haben durch- 
schnittlich die Gesammtlänge von 600 /i, wovon nur 1 03-200 /i auf den 
gleichmäfsig zugespitzten glatten Innenstrahl, dagegen 400-500 auf den 
mit recht kurzen schrägen Seitenstacheln besetzten, Ullmählich spitz aus- 
laufenden freien Distalstrahl kommt. Vom Centrum ragen vier kreuzweise 
gestellte, ziemlich hohe und in eine kleine Endspitze auslaufende Buckel 
vor (Tafel V Fig. 8). 

Die etwa 200 fi langen Macramphidiske sind nur ganz vereinzelt im 
Parenchyme zu finden. Ihre ungefSiir loo/i breiten, mittelgrofsen , meist 
halbkugeligen Endschirme zeigen acht breite schaufelförmige Zinken. Mesam- 
phidiske fehlen. Micramphidiske gewöhnlicher Form und Gröfse kommen 
zahlreich in den Grenzhäuten vor. 

Die den Angehörigen der Gattung Hyalonema ganz allgemein zu- 
kommenden Acanthophore fehlen auch hier am Austritte des basalen 
Nadelschopfes nicht. Es sind (wie gewöhnlich) dicke, entweder in ganzer 
Ausdehnung oder doch an den Enden mit kräftigen Zacken besetzte Nadeln, 
vorwiegend Stauractine (Tafel V Fig. 11), aber auch andere Derivate des 
Hexactines bis zu Diactinen herab. Von den langen stricknadelförmigen 
Basalia, welche oben den über 15*"" weit in den Schwammkörper empor- 
ragenden schlanken Centralconus bilden, sind zwar nur einige Reste vor- 
handen, doch läfst sich erkennen, dafs sie durchaus den Bau und die 
Anordnung wie bei Hyalonema haben. Manche dieser Wurzelschopfnadeln 
sind über einen Millimeter stark. 

Gefunden ist das einzige Exemplar von Lophophysema inflatufn westlich 
von den Andamanen — i3^5o'3o"N, 93^26'E — in 911*" Tiefe. 



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24 F. E. Schulze: 

Euplectella regalis spec. nov. 
Tafel VI Fig. 1-9. 

Das in Spiritus mäfsig gut erhaltene, einzige Exemplar einer neuen, 
Ijima's Euplectella imperialis nahestehenden Euplectella" Art stellt eine schwach 
ausgebauchte, gerade, biegsame Röhre von kreisförmigem Querschnitte dar. 
Die nur wenig vorgewölbte terminale Siebplatte wird von einer quer ab- 
stehenden, etwa 5™" hohen, schmalen und nach aufsen zugeschärften, rand- 
standigen Ringmanschette umsäumt. Das schwach verjungte untere Röhren- 
ende läuft in einen verfilzten Basalschopf aus. Die Gesammtlänge beträgt 
mit Einschlufs des Basalnadelschopfes etwa 40*"°*, der gröfste Querdurch- 
messer des mittleren Röhrentheiles 7*"", des oberen Endes 6"", des Basal- 
schopfes etwa 4T5. 

Die 2-3™'" dicke Röhren wand ist von zahlreichen kreisrunden, glatt- 
randigen Wandlücken durchsetzt, welche sämmtlich im Grunde seichter^ 
kraterförmiger Vertiefungen der aufsen netzförmig aufgewulsteten , innen 
ziemlich glatten Wandung liegen. Jede Lücke ist von einer verschieden 
breiten, glatten, irisähnlichen Ringmembran umgeben. Wenn die Anordnung 
dieser Wandlücken auch keine ganz regelpaäfsige ist, so tritt doch an den 
meisten Partien besonders des oberen und mittleren Körpertheiles ihre 
Stellung in vorwiegend rechtwinkelig gekreuzten Longitudinal- und Trans- 
versalreihen deutlich hervor (Tafel VI Fig. i und 2). Die Gröfse der Lücken 
nimmt ebenso wie ihre Distanz ziemlich gleichmäßig vom oberen bis zum 
unteren Röhren ende zu. Dicht unterhalb der Randmanschette sind sie kaum 
jinm ^^j|. ^^^ stehen nur etwa 2™^ auseinander, während sie im unteren 
Theile des ganzen Schwammkörpers oft über 2°*."5 grofe und 6-8*™° von 
einander entfernt sind. Zwischen den Wandlücken erheben sich aufsen 
distad zugeschärfte Leisten und RiflTe von recht wechselnder Höhe (3-6™" 
und darüber), welche bald in querer Richtung, bald schräge und zwar oft 
rein diagonal oder in niederiger Spirale, seltener longitudinal verlaufen, 
mannigfach mit einander anastomosiren , sich auch hier und da in Reihen 
vop flach kegelförmigen Erhebungen auflösen , und im Ganzen unregelmä&ig 
entwickelt sind. Im Allgemeinen nimmt die Höhe der Riffe vom oberen 
Ende bis zur Mitte der Röhre zu, um nach unten wieder etwas abzu- 
nehmen. Wälirend die ziemlich unregelmäfsig höckerige äufsere Oberfläche 
der Röhren wand überall kleine, rundliche, noch nicht -J-"™ breite und 



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Hexacänelüden des Indischen Oceanes. 25 

etwa ebensoweit auseinander! iegehde Grübchen, als Eingangsöffnungen 
zuführender Kanäle deutlich erkennen oder doch durch die zarte Dermal- 
membran durchschimmern läfst, finden sich an der viel glatteren Innen- 
flache zwischen den abgerundeten Rändern der Wandlücken zwar ebenfalls 
zahlreiche aber minder dicht gedrängte kleine , kreisförmige und glattrandige 
Öffnungen ableitender Kanäle von recht verschiedener Weite. Oft sieht 
man eine einfache oder doppelte Längsreihe bez. Querreihe solcher bis zu 
1°"" weiter Öffnungen zwischen je zwei benachbarten Wandlückenreihen 
und neben oder zwischen diesen noch eine Anzahl kleinerer in mehr un- 
regelmä&iger Vertheilung (Tafel VI Fig. 2). 

Die uhrglasförmig vorgewölbte terminale Siebplatte zeigt das nämliche 
unregelmäfsige Netzwerk dünner platter Balken mit plattenartiger Ver- 
breiterung mancher Netzknoten, wie bei allen übrigen EuplecteUa- Arten. 
Der Durchmesser ihrer unregelmäfsig vieleckigen , seltener mehr abgerundeten 
Maschen variirt zwischen 2 und 5"™ (Tafel VI Fig. 8). 

Der derbe basale Nadelschopf, welcher sich an der AuXsenfläche des 
trichterförmig zugespitzten unteren Röhrenendes aus den longitudinalen 
Nadelsträngen der Röhre bildet und unten zu einem compacten Faser- 
bündel vereinigt, weicht in keiner Weise von demjenigen anderer be- 
kannter Euplectella -S^ecies (etwa Eupledella aspergillum) ab. Der ganze 
schlauchförmige Schwammkörper ist biegsam und besonders in seinem 
oberen und mittleren Theile so schlaff, dafs er beim Herausnehmen collabirt, 
während das trichterförmige untere Ende fester erscheint. 

Die -J— ^"^ breiten Haüptstützbalken des ganzen Schwammkörpers 
bestehen aus rechtwinkelig gekreuzten longitudinalen und transversalen 
Fasersträngen , welche zum größten Theil gebildet werden von jenen kräf- 
tigen, bis 200 fi starken Stauractinen , deren ziemlich gerade Longitudinal- 
strahlen mehrere Centimeter, im unteren Theile sogar übe^ 5*"" lang werden, 
während die der Röhrenkrümmung entsprechend gebogenen Transversal- 
strahlen selten länger als 3""" sind. Da die letzteren dicht an der inneren 
Wandfläche hinlaufen, die longitudinalen dagegen jenen aufsen quer auf- 
liegen, etwa wie die Eisenbahnschienen auf ihren Schwellen, so müssen 
die beiden Strahlenpaare dieser Stauractine stets im entgegengesetzten 
Sinne von der idealen Cylindermantelfläche vom Nadelcentrum aus abbie- 
gen. Besonders sind es die Transversalstrahlen , welche bald nach ihrem 
Abgange vom Kreuzcentrum sich einwärts biegen, während die longitu- 
Phys.Abh. 1900. I. 4 



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26 F.E. Schulze: 

dinalen oft fast in derselben geraden Linie bleiben. Nieraals fand ich hier 
einen fünften distalen Strahl wie er den Prinzipalnadeln mancher anderen 
Kuplectella ' Arten zukommt. Als Comitalia legt sich diesen stauractinen 
Principalia eine wechselnde Zahl von weit dünneren, glatten, langen Triac- 
tinen und Diactinen dicht an, deren Strahlen mit einer kleinen kolben- 
förmigen, rauhen oder kurzstacheligen, zugespitzten Anschwellung enden. 
Bei den Triactinen erscheint der etwa von der Mitte der langen und 
meistens ziemlich geraden Nadel nahezu rechtwinkelig abstehende dritte 
Strahl weit kürzer als die anderen beiden und meistens etwas gebogen. 
Während die Distanz der so zusammengesetzten circulären Hauptstränge 
vom oberen Rande bis zum unteren Ende ziemlich continuirlich zunimmt, 
weichen die ebenso beschaffenen longitudinalen Hauptstränge bis etwa 
zur ausgebauchten Mitte der ganzen Röhre auseinander, um sich dann 
abwärts wieder zu nähern. Hierdurch nehmen die von diesen Haupt«trän- 
gen gebildeten rechtwinkeligen Maschen, welche oben und in der Mitte 
nahezu quadratisch erscheinen, nach dem unteren Ende zu eine mehr 
langgezogene Rechteckform an. Dasselbe tritt hier und da auch in dem 
mittleren Röhrentheile an solchen Stellen ein, wo die Zahl der Längs- 
stränge sich durch Spaltung nachträglich vermehrt hat. 

Die in doppelter gekreuzter Spirale die Röhrenwand durchsetzenden 
diagonalen Faserzüge, welche theils zwischen den transversalen und longi- 
tudinalen hindurchziehen, theils aufsen von den letzteren gelegen sind, be- 
stehen nur aus dünneren langen Triactinen und Diactinen mit Endkolben. 
Sie verlaufen in der Regel so, dafe sie gleichsam die Ecken der quadra- 
tischen oder rechtwinkeligen Hauptmaschen abschneiden und deren Mitteltheil 
zur Bildung einer Wandlücke frei lassen. Dabei bilden sie selbst schräge oder 
spiralige Reihen von Quadraten, welche, mit den Seiten aneinanderliegend, ab- 
wechselnd je eine. Wandlücke und je eine Kreuzung eines Longitudinal- und 
Transversalstranges enthalten, aber in der Längs- oder Querrichtung des 
Schwammkörpers sich als gleichartige Quadrate mit den Ecken aneinanderreihen. 

Verbreiterte Diagonalstränge tragen gelegentlich auch zur Stütze der 
Seitenwände der äufseren Riffe wesentlich bei. Da, wo die Röhrenwand 
sich schroff (fast rechtwinkelig) in die terminale Siebplatte umbiegt treten 
statt der kräftigen Stauractine nahezu gleichstarke und ebenso glatte 
Triactine, Pentactine oder selbst einseitig entwickelte Hexactine auf. Von 
den Triactinen verläuft dann ein Strahl longitudinal in der Röhrenwand, 



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IlexacäneUiden des Indischen Oceanes. 27 

während die beiden anderen, rechtwinkelig abgehend, in der Randkante 
liegen. Tritt hierzu noch ein in die Randmanschette und ein weiterer 
in die Siebplatte eindringender Strahl, so haben wir das Pentactin, an 
dem häufig noch ein rudimentärer, kolbig endender sechster Strahl als 
kurze Fortsetzung des longitudinalen Wandstrahles auftritt, wodurch dann 
die Überleitung zum Hexactin gegeben ist. Auch diese Hauptstütznadeln 
der Randkante sind von zahlreichen dünnen triactinen oder diactinen Co- 
mitalia umgeben. 

Alle diese Stütznadeln können nun untereinander verlöthet, d. h. durch 
verbindende Kieselmasse fest vereinigt sein. Dies geschieht in allen älte- 
ren Partien des Körpers da, wo sich die Nadeln am meisten nähern, 
und zwar, bei parallel liegenden Nadeln, durch eine Reihe von leiter- 
sprossenähnlichen Synapticula. Da der Verlöthungsprocefs dem Alter der 
Regionen entsprechend von unten nach oben vorschreitet, so ist das trich- 
terförmige, im Basalschopfe verborgene, Unterende schon fest und starr 
geworden, während der mittlere Theil des röhrenförmigen Körpers noch 
bi(^am und der obere sogar noch weich erscheint. 

Abweichend von allen bisher erwähnten Nadeln erscheinen die Haupt- 
stütznadeln der terminalen Siebplatte, in welcher hier noch keine Ver- 
löthung Platz gegriffen hat. Es sind dies in ihrem Mitteltheile winkelig 
gebogene, kräftige, glatte Oxydiactine, welche gewöhnlich an der Stelle 
des Axenkreuzes eine mehr oder minder deutlich abgesetzte Anschwellung 
besitzen. Sie erreichen eine Länge von mehreren (6 und darüber) Millimetern 
und eine Dicke von etwa 80 /i. Der Grad der Biegung dieser derben Nadeln 
variirt aufserordentUch. Während einige nahezu gerade erscheinen, bilden 
andere, entsprechend der Form der Maschenecken des Balkennetzes, einen 
stumpfen, rechten oder selbst spitzen Winkel mit allerdings stark abgerundetem 
Scheitel. An der Randkante pflegt der eine Schenkel der hier nahezu recht- 
winkeUg gebogenen Nadeln in die terminale Siebplatte , der andere Schenkel 
in die Seitenwand der Körperröhre hineinzuragen. Die Hauptmasse der 
Balken des Siebplattennetzes wird aber nicht von diesen dicken Prinzi- 
palnadeln sondern von zahlreichen langen, dünnen Comitalia gebildet, 
welche bündelweise jene begleiten und umlagern. Dieselben gleichen 
durchaus den Comitalia der Röhrenwand und bestehen ebenso wie jene aus 
schlanken Triactinen und Diactinen; jedoch überwiegen die letzteren bei 
Weitem. Selten finden sich dazwischen gleichartige lange Stauractine, 



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28 RE. Schulze: 

Pentactine oder gar Hexactine, wälirenJ eingestreute kürzere derbe Oxy- 
hexactine und Oxypentactine häufig sind. 

Zur Stütze des Parenchyms dient stellenweise auch der verlängerte 
Proximalstrahl der oft recht kräftigen, degenförmigen , hexactinen Hypo- 
dermalia; was besonders auftallig wird bei den kammartigen Riffen und 
bei der oberen Randmanschette. 

Als parenchymale microsclere Intermedia sind zu nennen die nur hier 
und da, und auch dann immer nur spärlich zu findenden zarten oder doch 
recht schlanken Oxyhexaster von etwa loo/i Gesammtdurchmesser , deren 
kurze schmale Hauptstrahlen sich in je 3 oder 4 lange, schmächtige, mäfsig 
stark divergirende Endstrahlen spalten (Tafel VI Fig. 6). 

Ganz vereinzelt zeigen sich in der Nähe der äufseren Oberfläche (viel- 
leicht auch in der äufseren Haut selbst gelegene) schlanke Sigmatocome 
von 80 /Lc Durchmesser. Jeder ihrer mäfsig starken cylindrischen, etwa 8 /i 
langen Hauptstrahlen verbreitert sich am Ende etwas und theilt sich dann 
in 6—8 randständige dünne Endstrahlen, welche, im Kranze gestellt, eine 
schlanke s- förmige Biegung zeigen und zusammen einen mäfsig breiten 
Kelch bildet. Während ihre schwach kelchblattartig gebogene proximale 
Hälfte sehr dünn und fadenförmig erscheint, verdickt sich die ausgebogene 
äufsere Hälfte etwas, um schliefslich wieder zugespitzt auszulaufen (Tafel VI 

Fig. 5)- 

Ausdrücklich hebe ich hervor, daß? ich von jenen als Graphiocome 
(früher Gmphiohexaster) bezeichneten gröfseren Parenchymalia, welche bei 
Eupledella imperalis Ijima und Eupkctella Oweni Marshall in oder unter der 
Haut so häufig vorkommen, hier nichts gefunden habe. 

Die als Grundlage des Dermalskelets für alle Euplectelliden typischen 
degenförmigen hexactinen Hypodermalia kommen hier überall (jedoch in 
sehr verschiedener Stärke und Gröfse) vor. Ihre Strahlen sind zwar in der 
Hauptsache glatt, zeigen jedoch am distalen Endtheile in der Regel eine 
Rauhigkeit oder einen Besatz mit kurzen Stacheln. Nur der frei über die 
Haut vorragende äufsere Radialstrahl pflegt in längerer Ausdehnung, oft 
bis in die Nähe des Kreuzungspunktes der Nadel , mit kleinen Zacken oder 
Stacheln besetzt zu sein. Neben diesem äufeeren Radialstrahl treten zuweilen 
der Länge nach dicht anliegende, rauhe, oxydiactine Comitalia mit centraler, 
abgesetzter, knotenförmiger Verdickung auf; in der Regel aber hängt an 
dem äufseren zugespitzten und rauhen Distalende jedes dieser degenförmigen 



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HexacänelUden des Indischen Oceanes. 29 

Hypodermalia je ein typisches Floricom von 80-1 oo/i Durchmesser, dessen 
zu je 7-8 in einem Kelche vereinigte Endstrahlen in eine seh wach abge- 
setzte, handfbrmig- gebogene Endplatte mit etwa 7 kleinen Randzähnchen 
ausgehen (Tafel VI Fig. 3 und 4). 

Die je nach der Gegend sehr verschieden starken und langen Hypo- 
gastralia stellen stets einfache glatte Oxypentactine mit mehr oder minder 
stark verlängertem Radialstrahl dar, deren vier unter sich nahezu gleich- 
lange Tangentialstrahlen in der Gastralmembran selbst liegen. Ähnlich, 
aber gewöhnlich erheblich schwächer sind die entsprechend gelegenen oxy- 
pentactinen Canalaria, an denen auch nicht selten ein sechster, in das 
Kanallumen gerichteter Strahl zur Entwicklung kommt, der zwar niemals 
lang wird, aber doch die betreffenden Canalaria zu Hexactinen macht. 
Eine merkwürdige Entwickelung haben die Hypogastralia an der Innen- 
kante der irisähnlicben Wandlückenringmembranen erfahren, indem sie hier 
zu gedrungenen Pentactinen, seltener Hexactinen, mit dicken und kurzen 
(nur etwa loo/i langen), kegelförmigen, unter sich nahezu gleich langen 
Strahlen geworden sind (Tafel VI Fig. 7). Auch an dem Innenrande der 
Maschen der terminalen Siebplatte finden sich derartige Pentactine oder 
Hexactine mit kurzen, starkverdickten, kegelförmigen Strahlen. Im Übrigen 
weicht der Bau des Weichkörpers der Siebplatte und seine Spiculation 
nicht wesentlich von demjenigen des übrigen Körperparenchymas und dessen 
Nadeln ab. Die Nadeln des Basalschopfes zeigen keine erhebliehen Ab- 
weichungen von denjenigen der meisten übrigen Euplectella-Avten. Zalil- 
reich sind die bekannten Kolbenanker mit mehreren (5-12) zurückgebogenen 
glatten Randzähnen des Endkolbens (Tafel VI Fig. 9). Einfache Pentactin- 
anker mit Axenkanal in den 4 Querstrahlen , wie sie bei Euplectella asper- 
gülurn und Euplectella shnplex vorkommen, habe ich hier nicht bemerkt. 

Die indische Eupkctella regalis F. E. Seh. scheint demnach am nächsten 
verwandt zu sein mit der japanischen Euplectella imperialis Ijima, von 
welcher Ijima im Jahre 1894 eine kurze vorläufige Mittheilung im Zoolo- 
gischen Anzeiger Nr. 459 veröffentlicht hat. Als wichtigste Unterschiede 
dürften folgende in Betracht kommen. Alle gröiseren Stücke von Euplec^ 
tella imperialis zeigen eine schwache einseitige Krümmung im mittleren 
Theile des röhrenförmigen Körpers, während das allein bekannte, jeden- 
falls nicht mehr junge Exemplar von Euplectella regalis ganz gerade ist. 
Die gedrungenen kräftigen Nadeln der die Wandlücken irisartig umgebenden 



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30 F. E. Schulze: 

Membran sind bei Eupleclella imperialis hexactin , bei Euplectella regaUs vor- 
wiegend pentactin. Während sich im Parenchyme von Euplectella imperialis 
zahlreiche Graphiocome (Graphiohexaster) finden, fehlen diese bei Euple<!lella 
regalis. 

Gefunden ist Euplectella regalis in nur einem Exemplare bei den An- 
damanen — 13^27'N, 93® 14' 30" E — in einer Tiefe von 741". 

Regadrella decora spec. nov, 
Tafel VI Fig. 10-18. 

Die Fragmente, welche der folgenden Beschreibung zu Grunde liegen, 
würden kaum ausgereicht haben zu einer genügenden Artcharakteristik, 
wenn sich nicht hier eine eigenthümliche , bisher erst einmal beobachtete 
Nadelform gefunden hätte, welche von Ijima bei seiner Regadrella okmoseana 
entdeckt und als »Oxytetraster« bezeichnet worden ist. Ich Ähre die 
von Ijima im Jahre 1896 im Zoologischen Anzeiger Nr. 504 gegebene 
kurze Beschreibung der Regadrella okinoseana hier wörtlich an: 

»Similar to Regadrella phoenix in form and in general arrangement of 
spicules, but with the foUowing characteristic features: 

The Spaces between parietal openings (up to 3"" in Diameter and 
3-15""' distant from one another) are elevated into irregulär ledges and 
protuberanc^s that may attain a height of 20"°'. A broad cuff surrounds 
the arched terminal sieve-plate. 

Distal ray of sword-shaped hypodermals short and mostly rounded 
at end. This and paratangentials sparsely beset with prickles near ends. 

Among the parenchymal diacts, there occur in abundance Oxyhexacts 
with finely spinous rays of o™!°o65-oTi4 length. 

Rosettes are present in three forms: i) oxytetrasters or occasio- 
ally oxyhexasters, 2) graphiohexasters and 3) floricomes. In what I 
have called oxytetrasters the principals form a regulär cross and 
the terminals, usually 4 in number to each principal, end in a 
point after a diverging, somewhat wavy course. Floricomes simil- 
arly shaped as in Regadrella phoenix. 

Of several specimens coUected, but one is in a perfectly injured con- 
dition. The latter is 185"" long and 77"^" broad at the cuff.« 

Mein Material besteht nur aus dem in Fig. 10 der Tafel VI abgebil- 
deten kelchförmigen Basaltheile, welcher mit einer derben Fufsplatte einem 



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Hexactinelhden des IndiscJien Oceanes. 31 

KoralleDstücke aufsitzt und aus wenigen locker zusammenhängenden Bruch- 
stücken der röhrenförmigen Seitenwand des Schwammkörpers. Die Wandung 
des schwach seitlich comprimirten Basalkelches zeigt einige glattbegrenzte 
kreisrunde oder ovale Lücken von etwa 1°*"" Weite ohne regelmässige An- 
ordnung. Die ziemlich gleichmäßig gewölbte, von einer Dermalmembran 
überdeckte Aulsenfläche des Kelches läCst ein unregelmäJGsiges Netz grober 
Skeletbalken durchschimmern, während an der Innenfläche ein diesen 
letzteren entsprechendes Leisten werk vorspringt, dessen Maschen mehr oder 
weniger tiefe Gruben wechselnder Breite umschlie&en. Im Grunde einiger 
der tie&ten Gruben befindet sich je eine der erwähnten rundlichen Wand- 
lücken. Die ebenfalls etwas seitlich zusammengedrückte steinhai*te Fuls- 
platte ist durchsetzt von dem bekannten engmaschigen Kieselgittergerüste, 
welches in dem Basaltheile aller festsitzender Euplectelliden zu finden 
ist und meistens noch die durch zahllose Synapticula verbundenen oder 
einfach verlötheten derben Skeletnadeln erkennen läfst. Das aus diesem 
engmaschigen Gittergerüste sich erhebende lockere und ziemlich grofs- 
maschige Stützbalkennetz der Körperwandung zeigt zahlreiche kräftige, 
glatte Oxydiactine von verschiedener (1^5-2*^) Länge und 100-200 /lc Dicke, 
welche gewönhnlich schwach gebogen oder gekniet sind. Begleitet und 
dicht umkleidet sind diese dicken Prinzipalnadeln von zahlreichen schmäch- 
tigen Diactinen gleicher Länge. Die hierdurch gebildeten Faserstränge ver- 
binden sich entweder mittelst einfachen Aneinanderlegens oder durch reich- 
liche Entwickelung von Synaptikula zu einem Netzgerüste mit stark ge- 
streckten longitudinalen Maschen. Die feste Vereinigung nimmt nach unten 
hin allmählich zu und föhrt schlielslich zu jener starren Festigung des 
basalen Theiles, welche in der harten Fulsplatte ihren Höhepunkt erreicht. 
Zwischen diesen faserähnlichen dünnen Diactinen kommen ziemlich reich- 
lich kürzere, glatte Hexactine gleichen Kalibers, . seltener Triactine oder 
Pentactine vor, welche Nadeln sämmtlich im basalen Theile der Kelch wand 
gleich&lls dem Verlöthungsprocesse verfallen. Die überall im Parenchyme 
vorhandenen und meistens rechtwinkelig zur Wandoberfläche orientirten 
schlanken Oxyhexactine von etwa 150/i Strahlenlänge zeigen gewöhnlich 
am Distaltheile der Strahlen kleine Höcker oder Rauhigkeiten, während der 
proximale Theil glatt bleibt; seltener sind die Strahlen in ganzer Länge 
rauh oder höckerig, zuweilen sogar stachelig. Als microsclere Parenchy- 
malia sind durch das ganze Choanosom zerstreut in reichlicher Anzahl jene 



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32 F.E.Schulze: 

I 

schon von Ijima bei seiner Regadrella okinoseana erwähnten merkwürdigen 
Oxytetraster oder Oxystauraster, wie ich sie lieber nennen möchte, vor- 
handen. Von jedem der vier rechtwinkelig gekreuzten und in derselben 
Ebene gelegenen glatten cylindrischen Hauptstrahlen, welche etwa lo/i 
lang und 3 /i dick sind , strahlen am schwach verbreiterten Distalende ge- 
wöhnlich 4 (seltener 5 oder 6) allmählich sich zuspitzende, glatte, gerade, 
oder an der Basis leicht ausgebogene Endstrahlen von etwa 35/1 Länge in 
der Weise divergirend aus , dafs die von einer flach vorgewölbten Endkuppe 
des Hauptstrahles eingenommene Mitte frei bleibt. Im Gegensatze zu den 
im Allgemeinen ähnlich gestellten, mehr oder minder stark divergirenden 
Endstrahlen der meisten Hexaster, bei denen sämmtliche Endstrahlen eines 
Hauptstrahles unter nahezu gleichen Winkeln divergiren , weichen hier die- 
jenigen beiden Endstrahlen, welche den beiden Seitenflächen des flachen 
Staurasters entsprechen, in ihrer Richtung stärker von der Axe ihres Haupt- 
strahles ab, als die drei übrigen Endstrahlen desselben Büschels; ja sie 
stehen nicht selten fast rechtwinkelig zu der Hauptebene des ganzen StÄU- 
rasters, während die übrigen nur etwa einen Winkel von 45® mit der 
Ax:e ihres Hauptstrahles bilden. Durch dieses Querabstehen der seitlichen 
Endstrahlen' von der Hauptebene des Kreuzes wird offenbar der Mangel 
der hier nicht ausgebildeten beiden Hauptstrahlen einigermafsen ausgeglichen. 

Die degenfÖrmigen oxyhexactinen Hypodermalia sind meistens kräftiger 
als die parenchymalen Oxyhexactine. Ihr äüfserer Kadialstrahl erreicht eine 
Länge von 120/1 und besitzt ein feinhöckeriges Ende, während die 4 ähnlich 
gestalteten Paratangentialstrahlen etwa 200 fx lang sind, und der Radialstrahl 
etwa 400 ju mifet. 

Das Vorkommen voii Bündeln sehr feiner, gerader, über lOOjU langer, 
Rhaphiden ähnlicher Kieselhaare in der Subdermalregion beweist um so 
sicherer die Gegenwart yon Graphiocomen , als daneben auch die zugehörigen 
Centralstücke zu sehen sind, deren sechs schlanke Hauptstrahlen am Ende 
je ein Querscheibchen mit kurzen Bruchstücken abgebrochener Endstrahlen 
an der Aufsenfläche tragen. Übrigens sah ich gelegentlich auch intakte 
Nadeln der Art. Zahlreich finden sich die bekannten, verschiedenen 
Euplectelliden- Gattungen, speciell auch der Gattung Regadrella eigenen 
Floricome, welche hier jedoch nur 72-80/1 im Durchmesser haben. Jeder 
ihrer 6 Kelche besteht aus 7-9 S-förmig gebogenen Endstrahlen, deren 
bandförmige Endplatte gewöhnlich nur 3, seltener 5 oder gar 2 Rand- 



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HexactineUiden des Indischen Oceanes, 33 

zacken (Krallen) trägt. Die cylindrischen Hauptstrahlen sind nur etwa 
lo/i lang. 

Die Gastralmembran wird gestützt von pentactinen Hypogastralia, 
deren Dimensionen nach den einzelnen Regionen wechseln. Meistens 
sind die 4 (200/1 und darüber langen) Tangentialstrahlen glatt und nur 
am schwach kolbig verdickten Ende etwas höckerig, während der ähnlich 
gebildete Radialstrahl erheblich länger als diese zu sein pflegt.. An Stelle 
des nicht entwickelten radialen Distalstrahles findet sich meistens ein ein- 
facher Höcker oder Knopf. 

In der die Wandlücken umgebenden Ringmembran treten derbe, rauhe, 
höckerige oder selbst stachelige Hexactine und Pentactine von nur 100-150/1 
Strahlenlänge auf. Die Dicke der stacheligen Strahlen beträgt an der 
Basis 8-20 ju und darüber. 

Obwohl es sich bei der hier gegebenen Beschreibung nur um einige 
kleine Bruchstücke handelt, ist es doch nach der grofsen Übereinstimmung 
der Nadeln und besonders der so eigenartigen Oxystauraster mit denjenigen 
von Ijima's japanischer Regadrella okinoseana kaum zu bezweifeln, dafs beide 
Formen sehr nahe verwandt, wenn nicht vielleicht gar identisch sind. Ob 
das letztere wirklich der Fall ist, wird sich wohl erst an der Hand von 
Ijima's ausführlicher, mit Abbildungen versehener Darstellung sicher fest- 
stellen lassen , da jetzt immerhin noch einige, wenn auch nur geringfügige 
Differenzen bestehen. Als solche möchte ich folgende hervorheben. Ijima 
giebt an, dafs bei seiner neuen Art neben den Staurastern auch ähnliche 
Hexaster im Parenchyme vorkommen, von welchen ich nichts habe finden 
können. Andererseits erwähnte Ijima jene von mir als »Balken« bezeichneten 
gebogenen oder geknieten grofsen und starken Oxydiactine nicht, welche 
mir unter den parenchymalen Principalia aufgefallen sind. Auch vermisse 
ich die von Ijima hervorgehobene ungewöhnliche Kürze des Radialstrahles 
der Hypodermalia. 

Ich sehe mich daher genöthigt, fiir diese Form einen besonderen 
Speziesbegriff neben Ijima's Regadrella okinoseana trotz der offenbar sehr 
grofsen Ähnlichkeit beider aufzustellen. Eine andere Frage ist es, ob 
beide Arten in die Gattung Regadrella gehören, obwohl doch die ganz 
eigenartigen Oxystauraster (oder Tetraster) bei der westindischen und nach 
Topsent auch im Golfe de Gascogne gefundenen Regadrella phoenix 0. Schm., 
dem einzigen bisher bekannten Vertreter dieser Gattung, nicht vorkommen, 
Phy8.Ahh. 1900. L 5 



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34 F. E. Schulze: 

vielmehr dort durch die merkwürdigen Onychaster vertreten sind. Da aber 
Form und Bau des ganzen Schwammkörpers sowie sämmtliche übrige Nadel- 
formen im Wesentlichen übereinstimmen und wenigstens bei der von Ijima 
beschriebenen Spezies neben den Oxystaurastem auch Oxyhexaster vor- 
kommen, so kann man alle drei Arten zunächst wohl unter dem gemein- 
samen Gattungsbegriff Regadrella vereinigen. 

Gefunden ist Regadrella decora südwestlich von CapComorin — 7** 1 7 ' 3o"N, 
76^54' 3o"E — in 787"* Tiefe. 

Dictyaulus elegans F. E. Seh. 

1895. Dictyaulus elegant F. E. Seh. in Abhandl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1895 S.36— 42 

und Tafel IV. 

Zu der bereits im Jahre 1895 von mir beschriebenen' indischen Species 
Didyaulus elegans gehört das etwa 18™* lange und 11*^ breite röhrenförmige 
obere Endstück mit terminaler Siebplatte eines wahrscheinlich über einen 
halben Meter langen Exemplares dieser prächtigen Euplectellide. Aus dem 
Umstände, dafs auch dieses Stück ebenso wie das früher von mir unter- 
suchte etwa auf der Grenze des oberen und mittleren Drittels quer ab- 
gerissen ist, iSfst sich vielleicht schlie&en, dals die Befestigung des ganzen 
Schwammes am Meeresgrunde zu stark ist, um seine leichte Auslösung aus 
dem Boden zu erlauben, dafs er demnach nicht in der Weise wie die 
Euplectella^ Holascus u. a. mit einem kurzen Nadelschopfe im Schlamme 
wurzelt, sondern wahrscheinlich ähnlich wie Taegeria^ Walteria u. a. an 
einem festen Körper angewachsen ist. 

In der Gestalt und im Bau stimmt das vorliegende Stück so voll- 
ständig mit dem von mir früher beschriebenen, allerdings erheblich kleineren 
überein, dafs ich meiner ersteren Schilderung nur wenig hinzuzufügen habe. 
Höchstens wäre zu erwähnen, dafs entsprechend dem höheren Alter dieses 
bedeutend gröfseren Exemplares die Körperwand (durch weitgehende Ver- 
löthung der das Hauptskeletgerüst bildenden Principalia und Comitalia) 
viel fester und starrer geworden ist als dort, dafs in dem unregelmäfsigen 
Balkennetzwerke der hier nur flach gewölbten terminalen Siebplatte nicht 
ein einziger sternförmiger Centralknoten , sondern mehrere solcher Ver- 
dickungsknoten vorkommen, und dafs die Maschen dieses ganzen Netzes 

^ HexactinelUden des Indischen Oceanes II. Abhandl. d. K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1895 
S. 36-42. 



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HexactineBiden des Indischen Oceanes. 35 

weiter erscheinen als bei jenem bedeutend kleineren Exemplare. Auch 
meiner firöheren Darstellung von der Spiculation habe ich nach genauer 
Durcharbeitung dieses grö&eren Stückes nur wenig hinzuzufügen. In Bezug 
auf die microscleren intermediären Parenchymalia möchte ich noch be- 
sonders hei-vorheben , dafs im Gegensatze zu den überall sehr reichlich 
vorhandenen Discohexastern und Codonhexastern die Sigmatocome und Dre- 
panocome nur äufserst selten vorkommen ; so dals man nicht etwa deshalb, 
weil man diese beiden Nadelformen nicht in jedem Praeparate antrifft, 
schlielsen dürfte, dafs eine andere Species vorläge. Die zur Stütze der 
oberen Randmanschette dienenden Nadeln bestehen hauptsächlich aus den 
in einer oder wenigen Reihen angeordneten, radiär vorstehenden, degen- 
fbrmigen, hexactinen Hypodermalia, deren besonders kräflig entwickelter 
äufserer Radiastrahl mit etwas di^tad gerichteten kleinen Zacken mehr 
oder minder reichlich besetzt ist und mit allmählicher Zuspitzung endet. 
Endlich möge noch hervorgehoben werden, dais sich unter den macro- 
scleren Oxydiactinen der terminalen Siebplatte auch starke schwach ge- 
bogene Nadeln von 200 ju und darüber Dicke befinden. 

Gefunden ist das hier beschriebene Oberende eines grofsen Didyaulus 
elegans SSW von Cap Comorin — 7'*5'45"N, 75'*4'E — in 1316'" Tiefe, 
während das früher von mir beschriebene kleinere Exemplar derselben Art 
bei den Laccadiven — io**47'45"N, 72^*40' 2o"E — in 1290"* Tiefe er- 
beutet war. 

Lophocalyx spinosa spec. nov. 
Tafel VII. 

Ein im ganzen rundlicher, unregelmälsig gestalteter Körper von 30-40"° 
Durchmesser läüst an seiner Oberfläche eine ziemlich glatte, gleichmäßig 
gewölbte Region erkennen , welche sich mit einem theilweise vorragenden 
Randsaume durch eine rinnenartige Vertiefung von dem übrigen mehr 
höckerigen und mit einem gröfseren zapfenfBrmigen Vorsprunge versehenen 
Theile absetzt. Sowohl von dem Randsaume als auch von den vorragenden 
Partien der höckerigen Region stehen zahlreiche gerade oder schwach ge- 
bogene Nadeln von etwa o""."*! Dicke in vorwiegend radiärer Richtung, 
theils zu lockeren Bündeln gruppirt, theils vereinzelt, 20-30°° weit frei vor 
(Tafel VII Fig. i und 2). Zwar sind die meisten dieser Prostalia abgebrochen, 
doch lälst sich an einigen noch ein allmählich zugespitztes Ende, an anderen 
eine terminale vierzähnige Ankerbildung erkennen. Obgleich ein deutlich 



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30 F.E.Schulze: 

markirtes Osculum fehlt, lassen sich doch in der rinnenartigen Vertiefiing 
hier und da rundliche, glatt begrenzte Öflfnungen von 2-3°" Weite und an 
anderen Regionen mehrere kleinere Lücken unter der Haut erkennen , welche 
mit Wahrscheinlichkeit als Ausströmungsöffnungen angesehen werden können. 
Im Innern findet sich ein System von 3-4*"" weiten Höhlungen , welche ohne 
Zweifel dem ableitenden Kanalsysteme angehören. 

Da die Körperform und die Stellung der vorragenden Nadeln an manche 
Thenea- Arten erinnert, so glaube ich diese Spongie ähnlich wie jene orientiren 
zu dürfen und nehme an, dals die convexe glatte Oberflächenpartie der 
Oberseite des Schwammköi*pers entspricht, während die von den übrigen 
Oberflächenregionen abstehenden Prostalia als Wurzelschopfnadeln zur Be- 
festigung im Boden dienten. 

Die in verschiedener Richtung den Körper einzeln oder bündelweise 
durchziehenden, gröfstentheils aber parallel der Oberfläche oder senkrecht 
zu dieser orientirten macroscleren Parenchymalia principalia sind schlanke, 
glatte Oxydiactine von sehr wechselnder, oft 3°*" und darüber betragender 
Länge, welche in der Regel an beiden Enden einfach zugespitzt sind, zuweilen 
aber auch rauhe oder höckerige, leicht angeschwollene Enden besitzen 
(Tafel VII Fig. 15 und 16). In der Mitte dieser fast stets schwach gebogenen, 
selten geraden Nadeln findet sich häufig eine mehr oder weniger scharf abge- 
setzte ringförmige Verdickung. Von hexactinen macroscleren Parenchymalia 
habe ich nichts gesehen. 

Die kräftigen oxypentactinen Hypodermalia besitzen meistens gerade 
oder schwach gebogene glatte Strahlen mit etwas rauhen, mäfsig zugespitzten 
Enden ; doch kommen zwischen ihnen auch solche vor, deren vierParatangential- 
strahlen gleichmäisig stark zurückgebogen sind (Tafel VII Fig. 3), also zur 
Ankerbildung fuhren. Bemerkens werth ist der Umstand, dafs die schon 
oben erwähnten , weit vorragenden , grofsen prostalen Anker (Tafel VII Fig. 1 4) 
diesen pentactinen Hypodermalia (von dem Grössenunterschiede natürlich ab- 
gesehen) gleichen. Diese Übereinstimmung fuhrt zu der Vorstellung, dafs 
es sich dabei um vorgeschobene und zugleich stark vergrößerte Hypodermalia 
handelt. 

Als microsclere Parenchymalia kommen schwach rauhe, geradstrahlige 
Oxyhexactine , ferner Hemioxyhexaster und echte Oxyhexaster, alle von etwa 
lOOju Durchmesser, in bekannter typischer Anordnung neben dem gefalteten 
Kammerlager vor. Die an Zahl überwiegenden Hemioxyhexaster zeigen etwa 



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IlexactineUiden des Indischen Oceanes. 37 

in der Mitte des Strahles eine einfkche Gabelung in zwei ziemlich stark 
divergirende und gleichmäfisig sich zuspitzende, gerade, rauhe Endstralilen. 
Bald ist nur ein Strahl, bald sind zwei oder mehrere von der Gabelung be- 
troflfen. Weniger häufig, aber von ganz gleichem Charakter sind die au 
allen Strahlen gegabelten Oxyhexaster sowie die einfachen Oxyhexactine. 

Unterhalb der beiden Greuzhäute, also sowohl in dem subdermalen 
wie subgastralen Trabekelwerk , findet sich , wenn auch nicht gerade häufig, 
die ungemein zierliche, von mir unlängst als Strobiloplimiicom bezeichnete* 
Nadel von etwa 80 ju Durchmesser, welche ich auch bei Lophocalyx phi- 
lippinensis, Sympagella nux und Calycosoma validum angetroffen habe (Tafel VII 
Fig. 1 2 und 1 3). 

Einen sehr eigenartigen, bisher auch nur bei Lophocalyx philippinensis 
bekannten Charakter zeigen die stacheligen stauractinen Autodermalia durch 
ihre gleichmäfsige Krümmung nach der Kugelfläche. Die cylindrischeu 
Strahlen dieser 150- 200 ju grolsen Stauractine haben ein abgerundetes 
Distalende und sind ringsum dicht mit kurzen Stacheln besetzt (Tafel VII 
Fig. 4-7). Bei manchen dieser stacheligen Autodermalia erhebt sich an 
der convexen Aufsenseite vom Kreuzungspunkte ein ebenfalls mit Stacheln 
besetzter, aber ganz gerader und am Distalende abgerundeter, cylindrischer 
fünfter Strahl, welcher radiär nach aulsen vorsteht (Tafel VII Fig. 4 und 3). 
Auch kommt sowohl bei diesen pentactincn als auch bei den einfachen stau- 
ractinen Nadeln hier und da ein vom Centrum an der concaven Seite, also ein- 
wärts vorspringender stacheliger Höcker als Andeutung eines nicht entwickel- 
ten sechsten Strahles vor (Tafel VII Fig. 7). Die noch nicht ganz ausgebil- 
deten Autodermalia erscheinen schmächtiger als die übrigen, aber ganz glatt. 

Als Autogastralia treten in gleichmäfsiger Ausbildung und regelmäfsiger 
quadratischer Anordnung kräftige degenförmige Oxyhexactine an der Innen- 
wand der ableitenden Hohkäume auf. Ihre allmählich sich zuspitzenden, 
schwach rauhen vier Tangentialstrahlen messen etwa lOOjU. Mit ihnen 
stimmt der innere Tangentialstrahl überein , während der frei vorragende, 
ebenfalls zugespitzte Radialstrahl sich durch stärkere Rauhigkeit auszeichnet 
(Tafel VII Fig. 8). 

Bei der weitgehenden Übereinstimmung fast sämmtlicher Nadelformen 
mit denjenigen von Lophocalyx philippinensis F. E. Seh. kann es meines 

* Amerikanische Hexactinelliden. 1899. 8. 29; Tafel IV, 3 und 4. 



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38 F. E. S c H u L z E : 

Erachtens nicht zweifelhaft sein , dafs der hier beschriebene Schwamm trotz 
seiner abweichenden Körperform und trotz des nach auDsen frei vorragenden 
Radialstrahles mancher Autodermalia in die Rosselliden- Gattung Lophocalyx 
zu stellen ist. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dafe durch 
den vorstehenden Radialstralil mancher Autodermalia eine Annäherung an 
die Familie der Asconematiden gegeben zu sein scheint. Hat sich doch 
schon wiederholt gezeigt, dafs die Grenze zwischen Rosselliden und Ascone- 
matiden keine scharfe ist. 

Gefunden ist das einzige vorhandene Exemplar von Lophocalyx spinosa 
westlich von den Andamanen in 436-531" Tiefe. 

Farrea occa Bwbk, Carter. 

An einem Büschel abgebrochener -HyafoTi^Twa- Wurzelschopfnadeln von 
Handlänge und 0^5—1°"* Dicke sitzt ein dichotomisch verzweigter und mit 
einem anastomosirenden Röhrensysteme versehener kinderfaustgrofser Stock 
von Farrea occa Bwbk, Carter. 

Obwohl der gröliste Theil so völlig ausmacerirt ist, dafs nur das zier- 
liche Diktyonalgerüst in typischer Ausbildung vorliegt, sind doch an einigen 
Partien noch hinlängliche Reste des Weichkörpers erhalten, um sämmtliche 
freie Nadeln, welche für die weitverbreitete Species Farrea occa Bwbk, 
Carter charakteristisch sind, in typischer Ausbildung erkennen zu lassen. 

Gefunden ist dieses Stück bei den Andamanen in 238-458" Tiefe. 

Einige ganz ausmacerirte Bruchstücke von einer wahrscheinlich auch 
zur Species Farrea occa Bwbk gehörigen Farrea sind aufserdem südwestlich 
von Cap Comorin — 7®i7*3o"N, 76^*54' 3o"E — in 787"* Tiefe gefunden. 

Aphrocallistes beatrix J. E. Gray. 
Obwohl es nach den Auseinandersetzungen, welche ich 1895 in meiner 
zweiten Mittheilung über Hexactinelliden des Indischen Oceanes in den Ab- 
handl. d. K. Preufs. Akad. d. Wiss. 1895 S. 68 und ff. und 1899 in meinen 
americanischen Hexactinelliden 1899 S. iio gegeben habe, möglieh er- 
scheint, dass sich die specifische Trennung der bisher unter der Bezeich- 
nung Aphrocallistes beatrix J. E. Gray und Aphrocallistes bocagei Perc. Wright 
als gesonderte Arten betrachteten Formen künftig nicht wird aufrecht er- 
halten lassen, so will ich doch hier noch der bisher gebräuchlichen Auf- 
fassung folgen und als Aphrocallistes beatrix J. E. Gray zwei bei den Anda- 
manen gefundene, leider ganz ausmacerirte Kelchstücke beschreil>en , von 



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HexactineUiden des Indischen Oceanes. 39 

denen das eine 3*^ lang, unten 10™", oben 24"*™ breit ist, während das 
andere 4""° lang, unten 8"*°* und oben 15*"" breit ist. An beiden Stücken 
fehlt die zweifellos trichterförmige Basis, welche bei dem ersteren, zunächst 
zu berücksichtigenden Stücke unmittelbar unterhalb einer das Kelchlumen 
quer durchsetzenden weitmaschigen Gitterplatte abgebrochen ist, so dafs 
letztere jetzt die untere Öffnung dieses Bruchstückes theilweise schliefet, 
während die bedeutend weitere, obere Apertur hier nicht durch eine quer 
ausgespannte, sondern eigenthümlich trichterförmig eingezogene Siebplatte 
abgeschlossen ist. Der obere Kelchrand zeigt übrigens keine Bruchmarke, 
sondern endet gleichmäfsig zugeschärfl mit natürlicher Oberfläche. Die 
in 8-10 ziemlich unregelmäßigen Längsreihen angeordneten radiären Seiten- 
divertikel der Kelch wand sind gröfstentheils nur ganz niedrige , 3-5"^ hohe, 
halbkugelige Ausbauchungen, welche meistens an der abwärts gerichteten 
Seite von einer kreisrunden Usur durchbohrt sind. Nur am unteren Ende 
und dicht unterhalb des oberen Kelchrandes finden sich vereinzelt etwas 
längere EÄdialdivertikel, welche theils noch blind, theils abgebrochen oder 
mit terminaler runder Usur enden. 

Das andere, mehr röhrenförmige Stück weist nur eine Siebplatte auf, 
welche das Kelchlumen in einiger Entfernung oberhalb des unteren Bruch- 
randes quer durchsetzt. Am oberen Ende findet sich ebenfalls ein zackiger 
Bruchrand. Auch hier stellen sich die in unregelmäfsigen LÄngsreihen und 
wenig deutlich ausgeprägten Querreihen angeordneten Seitendivertikel fast 
sämmtlich als nur ganz niedrige Ausstülpungen der Kelchwand von 3-5"*" 
Höhe dar, welche fast alle an der Unterseite eine kreisrunde Usur aufweisen. 
Vereinzelt scheinen jedoch auch hier etwas längere, jetzt allerdings abge- 
brochene Radialtuben vorhanden gewesen zu sein. 

Während das erstere, breitere Kelchstück bei den Andamanen — 13® 
15'N, 93®io*E — in 362°* Tiefe gefunden ist, stammt das zweite, mehr 
röhrenförmig gestaltete, schmälere Stück zwar ebenfalls aus der Nähe der 
Andamanen, aber aus einer Tiefe von 434-541". 

Aphrocallistes hocagei Perc. Wright. 

Von der weitverbreiteten und recht polymorphen Species Aphrocallistes 
bocagei Perc. Wright ist aufser mehreren gröfstentheils bis auf das Diktyonal- 
gerüst ausmacerirten Bruchstücken ein mit dem Weichkörper erhaltener 
Stock von Faustgröfee erbeutet. Derselbe zeigt die für die Species charak- 



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40 F. E. Schulze: 

teristischen, schon mehrfach beschriebenen Bau- und Structurverhältnisse 
und gleicht im Allgemeinen dem von mir im zweiten Theile meiner Hexacti- 
nelliden des Indischen Oceanes auf Tafel VIII in Fig. i abgebildeten Stücke. 

Er besteht aus 6 ziemlich normal entwickelten Kelchen von Finger- 
länge, deren jeder mit einer gröfseren Zahl radiär abstehender handschuh- 
fingerförmiger Wandausstülpungen von 3-5*™" Breite und 10-20"™ Länge 
besetzt ist. Wenn auch die Zahl und Stellung dieser blindschlauchförmigen, 
im Allgemeinen nach oben zu allmählich an Länge zunehmenden Divertikel 
keine ganz regelmäfsige ist, so läfst sich doch bei ihnen eine Tendenz 
zur Wirtelbildung und Etagenstellung nicht verkennen. Der Abstand 
der funfstrahligen Wirtel von einander nimmt nach oben allmählich zu bis 
auf etwa 10°^. Auch kann man eine Neigung der Hauptröhre zur Bildung 
von 5 flachen Längsfalten und dementsprechend eine ungefähre Anordnung 
der den ausgebauchten Falten entsprechenden Divertikel in 5 Längsreihen 
nachweisen. 

Einige dieser Divertikel sind dichotomisch gegabelt, die meisten jedoch 
einfach gerade oder schwach gebogen. Bei manchen findet sich am Ende 
eine oflEenbar secundär durch Resoi-ption entstandene runde Öffnung. Da- 
durch , dafs fast alle auf ein anderes von einem benachbarten Kelche aus- 
gehendes Divertikel terminal oder seitlich treffen und mit demselben ver- 
schmelzen, ist eine feste Verbindung sämmtlicher Kelche unter einander zu 
einem zusammenhängenden Gerüste entstanden. Von den oft beschriebenen 
queren Gittersepten kommen den meisten Kelchen ein oder zwei zu, ohne 
jedoch regelmäfsig — etwa jedem Wirtelinterstitium entsprechend — auf 
einander zu folgen. Bald spannt sich eine derartige Gitterplatte zwischen 
zwei auf einander folgenden Divertikelwirteln aus, bald heftet sie sich 
gerade über dem Eingang zu einem Divertikel an die Kelch wand an, 
wobei dann nur durch eine gröfsere rundliche Lücke an den Ansatzstellen 
des Septums der Ausweg aus dem Divertikel in die Kelchhöhle frei- 
gehalten wird. 

Hinsichtlich des feineren Baues von Skelet und Weichkörper habe ich 
keine wesentlichen Abweichungen von den früher von mir gemachten Angaben 
und Darstellungen bemerkt. Zu einer gründlichen histologischen Untersuchung 
des Weichkörpers genügte übrigens der Erhaltungszustand desselben nicht. 

Der oben besonders berücksichtigte faustgrofse Stock ist bei den Anda- 
manen — I3®I7'N, 93**7*E — in 165°* Tiefe, einige völlig ausmacerirte 



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llexactineüiden des Indisclien Oceanes, 41 

kleinere Kelchstücke gleichen Charakters sind südwestlich von Cap Comorin — 
7^17*30", 76**54'3o"E — in 787" Tiefe, und mehrere vereinzelte Bruch- 
stücke bei den Andamanen in 238-458" und in 434-541" Tiefe gefunden. 



Differentialdiagnosen der neuen Arten und tabellarische Zusammen- 

stellung der Fundorte. 

Für die hier als neu aufgestellten und zum ersten Male beschriehenen 
Arten lassen sich auf Grund der vorstehenden Mittheilungen folgende kurze 
Differentialdiagnosen aufstellen : 

Hyalonema rapa F. E. Seh. 

Die in ziemlich reichlicher, jedoch nach den Regionen wechselnder 
Zahl vorhandenen intermediären, parenchymalen Oxyhexactine von 120— 140 ju 
Gröfse haben mälsig starke, nahezu glatte, schwach gebogene Strahlen. 
Die Demialpinule haben mäfsig kurze Seitenstacheln und sind durchschnittlich 
15OJU lang, Gastralia ähnlich, doch etwa 3 50 jU lang. Sehr lange (600 ju) 
Macramphidiske mit kurzen halbkugeligen, 8 zinkigen Endschirmen. In der 
Wand der gröfseren ableitenden Kanäle zahlreiche schmale Mesamphidiske, 
deren tiefglockenförmige Endschirme gewöhnlich 10 lange schmale Zinken 
haben. Unter der Haut kommen stark gebogene Diactine von 12""" und 
darüber Länge vor. 

Der schlank kegelförmige Körper endet oben ohne scharfen Marginal- 
rand mit einer queren Endfläche, ohne abgehobene Siebplatte. 

Hyalonema martabanense F. E. Seh. 

Die reichlich vorhandenen parenchymalen intermediären Oxyhexactine 
sind durchschnittlich loo/i grofs und haben mäfsig starke, schwach rauhe 
oder nahezu glatte, deutlich gebogene Strahlen. 

Sowohl zwischen den etwa 200 jU langen und mäfeig kurzstacheligen 
dermalen Pentactinpinulen als auch (und zwar hier besonders reichlich) 
zwischen den längeren Pentactinpinulen der gastralen Endfläche kommen lange 
Diactinpinule von 500— 6oOf>t vor, welche den Marginalia anderer Hyalonema- 
Arten gleichen. Aufser langen parenchymalen Macramphidisken von 
500-1000 jU Länge, deren halbkugelige kurze Endglocken 8—10 mäfsig 
breite Zinken haben, finden sich in der Dermal- und Gastralmembran zahl- 
Phys.Ahh. 1900. I. 6 



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42 F. E. Schulze: 

reiche kräftige Macramphidiske von nur 80-200/1 Länge, deren kurze und 
breite Endschirme nur 5-6 breite schaufelformige Zinken aufweisen. In 
der Wand der gröfeeren Ableitungskanäle kommen zahlreiche Mesamphidiske 
mit tiefglockenförmigen Endschirmen vor. Unter der Haut finden sich starke, 
gebogene Diactine von 6-12*"™ Länge. Der einem abgestutzten Kegel 
gleichende Körper endet oben mit einer queren, schwach vertieften End- 
fläche ohne abgehobene Siebplatte. 

Hyalonema lamella F. E. Seh. 
Die reichlich vorhandenen parenehymalen intermediären Oxyhexactine 
haben eine Durchschnittsgröfse von lOOjU. Ihre mäfsig starken glatten 
Strahlen zeigen eine sehr deutliche Biegung in dem distalen Theile. Die 
mit nur mäfsig kurzen Stacheln versehenen Dennalpinule sind etwa 200 ju lang, 
während die sonst ähnlichen Gastralpinule 400-600/1 messen. Im Parenchyme 
kommen häufig 300— 400 ju lange Macramphidiske mit kurzen, aber breiten 
Endschirmen vor, welche 8 breite schaufeiförmige Zähne aufweisen. Die 
in der Wand der gröfseren Ableitungskanäle zahlreich vorhandenen Mesam- 
phidiske haben Eiform. Die allein bekannte zusammengefaltete Platte scheint 
der Trichterwand des Körpers zu entsprechen. 

Lophophysema inflatum F. E. Seh. 
Von dem flachtrichterförmigen unteren Dritttheile des Körpers erhebt 
sich ein kuppel- oder bienenkorbähnlich gestalteter Obertheil, dessen mit 
netzartiger Haut überzogene Oberfläche der Gastralfläche entspricht und 
durch einen schmalen vorspringenden Ringsaum von der mit weiten Eingangs- 
öffnungen versehenen unteren Dennalfläche abgegrenzt ist. Zwischen den 
von unten her in den Schwammkörper eindringenden , schwach verästigten 
taschenähnlichen Zuleitungskanälen und dem aus reichlich communicirenden 
Spalten und Gangen bestehenden ableitenden Kanalsysteme liegt die viel- 
fach gefältelte Grenzplatte, welche das Kammerlager enthält. Ihre (innere) 
Dermalfläche ist ebenso wie die (äufsere) Gastralfläche mit kurzzackigen, 
1 00-300 ju langen Pentactinpinulen besetzt, wie denn überhaupt die Form 
und Anordnung der Nadeln im Allgemeinen derjenigen der Gattung -Hya&>n<?7wa 
gleicht. Als intermediäre Parenchymalia kommen mäfsig häufig Oxyhexactine 
mit geraden rauhen Strahlen von 6o-8ojU Länge vor. Macramphidiske 
von etwa 200 jU Lange mit halbkugeligen Endschirmen sind nur vereinzelt 



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HexactineUiden des Indischen Oceanes. 43 

im Parenchyme zu finden. Mesamphidiske fehlen. Micramphidiske der ge- 
wöhnlichen Form und üröfse sind in den Grenzhäuten hnuiig. 

Aus dem etwas abgestutzten unteren Ende ragt ein Schopf langer Basal- 
nadebi hervor, dessen ol)eres Ende wie hei Hyalonema im Schwammkörper 
einen Centralconus bildet. 

Euplectella regalis F. E. Seh. 
Schwach ausgebauchte gerade Röhre mit Ringmanschette. Wandlücken 
annähernd regelmäfsig in longitudinalen und transversalen Reihen geordnet. 
Aufsere Leisten quer, schräge oder spiralig, im Ganzen unregelmäfsig. Das 
Wandgitter ist gestützt von stauractinenPrincipalia mit anliegenden triactincn 
oder diactinen Comitalia. In der Ringmembran der Wandlücken kräftige 
Oxypentactine mit kurzen konischen Strahlen. Als intermediäre Parenchymalia 
kommen aufser den reichlich vorhandenen Oxyhexastern auch vereinzelt 
Sigmatocome von 80 ju Durchmesser, dagegen keine Graphiocome vor. Die 
an dem frei vorstehenden Strahle der Hypodermalia hängenden Floricome 
haben an jedem Hauptstrahle 6-8 Endstnihlen mit schwach abgesetzter 
bandförmiger, meist 7 zähniger Endplatte. 

Regadrella decora F. E. Seh. 
Ähnlich der Regadrella okinoseana Ijima; doch kommen als intermediäre 
Parenchymalia nur Graphiohexaster und zahlreiche Oxystauraster, aber 
keine Oxyhexaster vor. Der in das Parenchym hineinragende innere 
Radialstrahl der hexactinen Hypodermalia ist nicht viel länger als der frei- 
vorragende Distalstrahl. Bei den oxypentuctinen Hypogastralia findet sich 
an Stelle des atroplürten sechsten Strahles in der Regel ein Höcker oder 
Knopf. Unter den Principalia der Wand kommen zahlreiche dicke, 2*""* 
lange, gebogene oder gekniete oxydiactine Balken vor. 

Lophocalyx spinosa F. E. Seh. 
Der klumpige, mit verschiedenartigen Vorsprüngen versehene Körper 
stellt nicht wie die nahe verwandte Form Lophocalj/x phäippinensis F. E. Seh. 
einen einfachen Kelch mit grofsem runden Osculum dar, sondern zeigt 
unterhalb des theilweise überstehenden zugeschärften Seitenrandes der con- 
vex gewölbten Oberseite eine Rinne. Aus dem zugeschärften Seitenrande, 
sowie von den unteren Vorsprüngen ragen lange spitze Nadeln, von den 
letzteren auch vierzähnige Anker in verschiedener Richtung hervor. Aufser 
den subdermalen und subgastralen Strobiloplumicomen treten im Parenchym 



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44 



F. E. Schulze: 



als Intermedia zahlreiche Oxyhexaster, Hemioxyliexaster und Oxyhexactine 
auf. Als Autodermalia finden "sieh neben einfachen, gebogenen, stacheligen 
Stauractinen auch ähnliche Nadeln mit ausgebildetem distalen Radialstrahle, 
also Pentactine. Die Gastralia sind degenförmige rauhe Oxyhexactine mit 
verlängertem frei vorragenden Strahle. 



Ordnet man das oben beschriebene Material nach den Fundorten , so 
ergiebt sich folgende Tabelle: 



Fundort 



Tiefe in 
Metern 



Species name 



a 

s 

s 






— i3^i5*N, 93010'E — 

- i3^i7*N, 93^7» E - 

— 13^27'N, gfj^'scTE — 

- i3^5o'N, 93^26'E — 
Andamanen 

Andamanen 



Andamanen 
Bai von Martaban — i3®7*N, 94^44* i5"E — 
Bei Cap Comorin — 7®5*43"N, 75®4*E — 

Bei Cap Comorin — 7®i7'3o*N, 76^54' 3o"E — 

Bei Cap Comorin — 7^34' 3o"N, 76^08* 23"E — 
Bai von Bengalen — io®i2'N, 92^30* 30" E — 



362 
165 

741 
911 

238-458 

436-531 

485 
1171 
1316 

787 

1530 
1109 



AphrocaUistes beatrix J. E. Gray. 

AphrocaUistes hocagei Perc. Wright. 

Pheronema raphanus F. E. Seh. 
Hyalonema (tffine F. E. Seh. 
Euplecteüa regaUs F. E. Seh. 

HyaUmema masoni F. E. Seh. 
Laphophysema ir^UUum F. E. Seh. 

Farrea occa Bwbk. 

AphrocaUistes hocagei Perc. Wright. 

Pheronema raphanus F. E. Seh. 
Lophocalyx spinosa F. E. Seh. 
AphrocaUistes beatrix J.,E. Gray. 
AphrocaUistes hocagei Pere. Wright. 

HyaUmema affine Marshall. 

HyaUmema martahanense F. E. Seh. 

Dictyaulus elegans F. E. Seh. 

Hyalonema lameüa F. E. Seh. 
BegadreUa decora F. E. Seh. 
AphrocaUistes hocagei Perc. Wrigth. 

HyaUmema UimeUa F. E. Seh. 

HyaUmema rapa F. E. Seh. 



Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich in Übereinstimmung mit den 
Resultaten meiner früheren Untersuchungen, dafii der nördliche Tlieil des 



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Hexactmeläden des Indischen Oceanes. 



45 



Indischen Oceanes besonders reich sein mufs an Amphidiscophoren , von 
welcher Gmppe sich in unserer doch verliältnifsmäfsig kleinen (nur 13 Arten 
umfassenden) Collection nicht weniger als 6 Arten in drei verschiedenen 
Gattungen gefunden haben. 

Von den 3 bekannten Familien der lyssacinen Hexasterophoren fehlen 
die Asconematiden ganz, Während 3 Euplectelliden- Arten in 3 verschiedenen 
Gattungen und nur eine Rossellide gefunden ist. Auch aus der Gruppe der 
Dictyoninen kommen nur 3 (weit verbreitete) Arten vor. 



TafelerU&nmg. 



Tafel I. 

Hyalonema rö^o'spec. nov. 

Fig. I . Seitliche Totalansicht in natürlicher 
Grofse. 

Fig. 2. Senkrechter Durchschnitt der oberen 
Randpartie. Vergr. y. Combinationsbild. 

Fig. 3. Grofses gebogenes Oxydiactin. Ver- 

Fig. 4 und 5. Intermediäre parenchymale 
Oxyhexactine. Vergr. ^p. 

Fig. 6. Dennalpinul. Vergr. ^. 

Fig. 7. Canalarpinul. Vergr. ^. 

Fig. 8. Gastralpinul. Vergr. ^. 

Fig. 9 und IG. Mesainphidiske. Vergr. '^. 

FigJii und 12. Micramphidisk in Aufsicht ' 
und Seitenansicht. Vergr. ^. 

Fig. 13. Macrainphidisk. Vergr. ^. 

Tafel n. 

Hyalonema mariahanense spec. nov. 

Fig. T . Schräge Seitenansicht Naturliche 
Grofse.' 

Fig. 2 
theiles. 

Fig.3. 
Seitenrandes. 

Fig. 4-7- 



Schräge Ansicht des unteren End- 
NatQrliche Gröfse. 
Senkrechter Durchschnitt des oberen 
Vergr. y. Combinationsbild. 
Mesamphidiske. Vergr. ^. 



Endschirmes 
300 



Fig. IG. 
Fig. 



Ver- 



Fig. 8. Aufsicht des 
Micramphidiskes. Vergr. 

Fig. 9. Dennalpinul. Vergr. ^. 
Marginal. Vergr. ^. 
Parenchymales Oxyhexactin 

Fig. 1 2 . Kieselkugel. Vergr. ^. 

Fig. 13 und 14. Parenchymale Diactine aus 
der Nähe des Axenstranges. Vergr. ^^. 

Fig- 15 — 17. Kürzere Macram phidiske. 
Vergr. -'~ 

Fig. iS.Lingeres Macramphidisk. Vergr.^. 

Tafel ni. 

Hyalonema lamella spec. nov. 

Fig. I : Bruchstück von Hyalonema lamella, 
wahrscheinlich ein Theil des oberen Kelcli- 
randes. Natürliche Gröfse. 

Fig. 2. Senkrechter Schnitt durch den 
oberen Rand. Vergr. ^. Combinationsbild. 

Fig. 3. Macramphidisk. Vergr. ^. 

Fig. 4. Micramphidbk. Vergr. ^. 

Fig. 5 — 7 . Mesamphidiske. Vergr. ^^. 

Fig. 8. Parenchymales Oxyhexactin. Ver- 

Fig. 9. Dennalpinul. Vergr. ^. 
Fig. IG. Gastralpinul. Vergr. ^. 



Phys.Abh. 1900, I. 



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46 



F. E. Schulze: UexactttieUiden des Indischen Oceanes. 



Tafel IV. 

Lophophysema inflatum gen. nov., 

spec. nov. 
Seitenansicht in naturlicher Grofse. 

Tafel V. 

Fif^. I. Schema eines Längsdurchschnittes 
von Lophophyffema inflatum^ um das Ver- 
hältnifs der zuleitenden und ableitenden Kanäle 
zu verdeutlichen. Vergr. - . 

Fig. 2. Durchschnitt der Kanal wand. Links 
dermale , rechts gastrale Fläche. Vergi'. y« 
Combinationsbild. 

Fig. 3. Durchschnitt des Marginalsaiunes. 
Unten dennale, oben gastrale Fläche. Vergr. —. 
Combinationsbild. 

Fig. 4 und 5. Parenchymale inteimediäre 
Oxyhexactine. Vergr. ^. 

Fig. 6. Canalares Pentactinpinul. Vei-gr. ^^. 

Fig. 7. Dermales Pentactinpinul. Verjgr. ^^. 

Fig. 8. Oxydiactines Marginal. Vergr. ^. 

Fig. 9. Parenchymales Diactin aus der 
Nähe des Conus centralis. Vergr. -^. 

Fig. 10. Macramphidisk. Vergr. ^^. 

Fig. 1 1 . Stauractines Acanthophor. Vergr. ^. 

Tafel VI. 
Fig. 1—9. Euplectella rpgalia spec. nov. 

Fig. I. Eine Hälfte de^ oberen Fundes mit 
Marginalsaum und Siebplatte. Natfirliche 
Gröfse. 

Fig. 2. Ein Stuck aus der mittleren Partie 
des Körpers. Aufsere und innere Fläche. 
Natürliche Grofse. 

Fig. 3. Ein Wirtel von Floricom - End- 
strahlen. Aufsicht. Vergr. '^. 

Fig. 4. Seitenansicht eines Floricom -End- 
strahlenwirtels. Vergr. '^. 

I^'ig' 5« Sigmatocom. Vei-gr. ^^. 

Fig. 6. Oxyhexaster. Vergr. -°^. 

Fig. 7. Kralliges Oxyj)entactin aus der 
Ringmembran einer Wandlücke. Vergr. ^—, 

Fig. 8. Theil der terminalen Siebplatte mit 
Marginalsaum. Aufsicht Natürliche Gröfse. 



Fig. 9. Unteres EInde einer basalen Kolben- 
ankemadel. Vergr. -'^. 

Fig. 10—18. Regadrella decora spec. nov, 

Fig. 10. Basaltheil des röhrenförmigen 
Körpers. Natürliche Gröfse. 

Fig. II. Senkrechter Wanddurchschnitt. 
Vergr. ^. Combinationsbild. 

Fig. 12. Aufsicht eines Floricom - End- 
strahlenwirtels. Vergr. ^. 

Fig. 13. Einzelner Endstrahl eines Floricomes 
in Seitenansicht. Vergr. ~. 

Fig. 14. Floricom mit zwei Endstrahlen- 
wirtein in Seitenansicht. Vergr. '^. 

Fig. 15. Oxystauraster in Flächenansicht. 
Vergr. ^. 

Fig. 16 und 17. Oxystauraster in Kanten- 
ansicht. Vergr. ^— . 

Fig. 18. Gebogenes macroscleres Diactin. 

Tafel VII. 

Lophocalyx spinosa spec. nov. 

Fig. I . Schräge Aufsicht. Natürliche Gröfse. 

Fig. 2. Ansicht von unten. Natürliche 
Gröfse. 

Fig. 3. Wanddurchschnitt. Vergr. y. Com- 
binationsbild. 

Fig. 4. Autodermalpen tactin. Vergr. ^. 

Fig. 5. Autodermals tauractin. Aufsicht. Ver- 

Fig. 6. Autodennalstauractin. Sehnige An- 
sicht. Vergr. ~. 

Fig. 7. Autodermalstauractin. Kantenan- 
sicht. Vergr. ^. 

Fig. 8. Autogastrales llexactin. Vergr. ^. 

Fig. 9 — 1 1 . Ilemioxyhexaster. Vergr. ^. 

Fig. 12. Strobiloplumicom. Vergr. '^. 

Fig. 13. Längsschnitt eines Strahles mit 
F]ndstrahlen von einem Strobiloplumicom. 
Vergr. 13 Schema. 

Fig. 14. Unteres Ende einer vien^ähnigen 
basalen Ankernadel. Vergr. ^, 

Fig. 15 und 16. Enden von zwei macro- 
scleren parenchymalen Diactinen. Vergr. ^. 



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K. Preuss Akad. d Wissonsch, 



•Phvs \bli 1900 



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K. Prouss Akad. d Wissensch 



Phvs. Abh. n)iH) 




Hvalonema lamoUa K H. Seh 



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K. Preuss Akad. d WisscMisch. Phvs. Abb lOlK) 



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K. Prouss Akad. d Wissonscli. 



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K. Pifuss Akad (i. WisscMiscli 



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FF.Srhiilzp- Hoxaotincllidcn des indischein Oceanes \ll. 



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Die Kolon- Nischen, die Arteriae colicae und die 

Arterienfelder der Bauchhöhle, nebst Bemerkungen 

zur Topographie des Duodenum und Pankreas. 



Von 

W. WALDEYER. 



Phys. Abh. 1900. IL 



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Gelesen in der Gesammtsitzung am 20. December 1900 

[Sitzungsberichte St. Uli. S. 1141]. 

Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 25. März 1901. 



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Jr ür die Bestimmung der Lage der Baucheingeweide , vor Allem der an 
der hinteren Bauch wand befindlichen, sind in den bisherigen Veröffent- 
lichungen bei Weitem noch nicht alle Hülfspunkte erschöpfend behandelt 
worden. Insbesondere erschien mir das Verhalten des Duodenum imd des 
Pankreas zum Colon transversum einer erneuten Darstellung bedürftig, 
indem sich einfache Lagebeziehimgen hervorheben lassen, die bisher nicht 
gebührend berücksichtigt sind. Diese Beziehungen dürften, obzwar auch an 
\md für sich nicht ohne Interesse, namentlich bei operativen Eingriffen 
für eine schnelle und sichere Orientirung Bedeutung haben. 

In zweiter Reihe ist ein bestimmtes Verhalten der von den Bögen der 
Arteriae colicae umschlossenen Felder zu einer Anzahl der retroperito- 
naeal gelegenen Organe nicht wohl zu verkennen. Nennen wir diese Felder 
Arterienfelder, Areae arteriacae, so kann man sagen, dals in diesem 
oder jenem Arterienfelde bestimmte Organe mit einer gewissen Regelm&fsig- 
keit gelagert sind. Auch hier dürften sich filr die praktische Verwerthung 
Anhaltspunkte finden lassen. 

Als Nebenergebnifs der nach dieser Richtung hin gefilhrten Unter- 
suchimgen wurden bestimmtere Vorstellungen über die Verästelungsweise 
der Arteriae colicae gewonnen. Es darf bei den so sehr verschiedenen 
Beschreibungen des Verlaufes imd der Verästelung dieser Arterien, wie sie 
in der Litteratur niedergelegt sind und sich aus den Abbildimgen ergeben, 
wohl der Mühe werth erscheinen, von diesem Gegenstande eine Darstellimg^ 
zu liefern, welche versucht, mit möglichster Annäherung an die Durch- 
schnittsform ein typisches Bild zu entwerfen. 



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4 W. Waldeyer: 

Ich werde zunächst auf die Lagebeziehungen zwischen Duodenum und 
Pankreas einerseits und Colon transversiun andererseits, dann auf die Ver- 
ästelung der Arteriae colicae und in dritter Linie auf die topographischen 
Beziehungen der Arterienfelder eingehen. Sonach gliedere ich die nach- 
stehende Abhandlung in folgende Kapitel: 

I. Lagebeziehungen des Colon transversum zum Duodenum und Pankreas. 

1. Allgemeines; die Kolon-Nischen. 

2. Form- und Lage-Verhältnisse des Duodenum im Besonderen. 

3. Die zum Pankreas führenden Wege. 

n. Die Arteriae colicae. 

in. Die Arterienfelder der Bauchhöhle. 

Zur Erklärung der Betitelung dieser Abhandlung will ich vorweg noch 
bemerken, dals das Duodenum rechterseits , imd ein grolser Theil des Pan- 
kreas linkerseits in mehr oder weniger tiefen Nischen gelegen sind, welche 
sich durch das Überhängen des Colon transversimi imter diesem Darm- 
stücke an der Basis des Mesocolon transversum bilden. Ich nenne diese 
Nischen die »Kolon-Nischen«; sie werden durch die Radix mesenterii von 
einander getrennt. Die rechtsseitige kann passend als Duodenalnische, 
die linksseitige als Pankreasnische bezeichnet werden. 



L Lagebeziehungen des Colon transversum zum Duodenum und Pankreas. 

I. Allgemeines; die Kolon-Nischen. 

Wie soeben bemerkt, belege ich mit dem Namen Kolon-Nischen 
jene beiden sehr wohl bekannten Taschen oder Recessus , welche dadurch 
entstehen, dafs das Colon transversum mit seinem Mesocolon von der Hinter- 
wand der Bauchhöhle in einer im Allgemeinen nach vor- und abwärts 
gehenden Richtimg mehr oder minder stark zur vorderen Bauchwand hin 
vorspringt, während in der Mitte die Radix mesenterii und die Flexura 
duodenojejunalis, einem medianen Septiun nicht unähnlich, vorragen, wozu 
noch die Wirbelsäule mit den vor derselben gelegenen grofsen Gefafestämmen, 
gleichfalls als mediane Trennungsgebilde der Bauchhöhle hinzutreten. Links 
und rechts von der Wirbelsäule imd der Gekröswurzel entsteht somit je 



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Die kohn' Nischen u. s. w. 5 

eine Tasche oder Nische, welche lateral durch die stärker vorspringenden 
Theile des Colon ascendens und descendens (dicht unterhalb der Flexura 
coli dextra et sinistra) begrenzt werden. Beide Taschen sind am tiefsten 
unmittelbar zu den Seiten der Wirbelsävde, und man gelangt von vom imd 
unten her bequem in dieselben hinein, wenn man das Colon transversum 
mit seinem Mesocolon ein wenig nach vom anzieht und emporhebt. Eine 
sehr gute Vorstellung von diesen Nischen liefert das von Steger in Leipzig 
gefertigte His'sche Modell des Situs viscerum (23), wenn man in diesem 
Modelle das isolirte Querkolonstück an seinen Platz bringt. Auch sind 
Formolpraeparate , wie wir dieselben seit dem Bekanntwerden dieses vor- 
trefflichen Härtungsmittels in der Berliner anatomischen Anstalt in aus- 
giebigster Weise verwenden, sehr geeignet, eine klare Vorstellung von diesen 
Nischen gewinnen zu lassen. In jüngster Zeit hat Dr. Frohse, Volontär- 
assistent an der genannten Anstalt, ein neues Gipsmodell in Lebensgröfse 
gefertigt, bei welchem besondere Rücksicht auf die topographischen Be- 
ziehungen der beiden Taschen genommen wurde. 

Ich bin mir wohl bewufst , dafs ich mit dieser Schilderung nur voll- 
kommen Bekanntes gegeben habe. Es ist indessen für die richtige Wür- 
digung vieler anatomischer Verhältnisse, insbesondere topographischer, nicht 
unwichtig, auf ihr Bestehen ausdrücklich hinzuweisen und sie durch eine 
passende Namengebimg auszuzeichnen. Auch wird sich weiter unten aus 
der Besprechung der Litteratur ergeben, dafs die in Rede stehenden Bil- 
dungen, wenn auch bekannt, doch nicht die Berücksichtigung gefunden 
haben, welche sie meiner Meinung nach verdienen. 

Dais mit der Aufstellung dieser Taschen als besonderer Gebilde sich 
ein Gewinn for die klare Darstellung der Topographie des Duodenum und 
des Pankreas erzielen lässt, hoffe ich im Nachfolgenden zu zeigen. 

Die rechtsseitige Kolon-Nische oder Duodenalnische wird be- 
grenzt nach oben vom Beginn des Colon transversimi und dem entsprechen- 
den Mesocolon, da wo letzteres im Ganzen quer, und dabei leicht auf- 
steigend, über die Pars descendens duodeni hinwegzieht. Lateral bildet 
das oberste Stück des Colon ascendens die Grenze, medial die Wurzel des 
Gekröses, insbesondere die Vena mesenterica superior. Die Tasche öffnet 
sich nach unten. 

In die Tasche ragt hinein, \md zwar von oben her, rechts ein Stück 
des Duodenum, welches ich als dessen Pars infracolica bezeichne 



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6 W. Waldeyer: 

— weiter unten werde ich genauer auf die Theile und Lageverhältnisse des 
Duodenum eingehen — . Zwischen dieser Pars infracolica duodeni und dem 
Kolon, gegen dessen Flexura dextra hin, zeigt sich ein schmaler, beson- 
ders vertiefter Recessus der Tasche, der mit dem Namen Recessus re- 
nalis belegt sein mag. Seine Geräumigkeit wechselt so wie seine Gestalt. 
Bald ist er flach und pyramidenförmig mit dem blinden spitzen Ende 
nach oben und hinten gerichtet, bald mehr rinnenförmig und schmal. In 
ersterem Falle hat bequem ein Mannsdaumen in ihm Platz, in letzterem 
knapp ein kleiner Finger. In diesem letzteren Falle rückt natürlich die 
Pars infiracolica duodeni nahe an das Colon ascendens heran. Die Gröfse 
der Duodenalnische sowohl wie die des Nierenrecessus wechselt mit dem 
FüUimgszustande der sie begrenzenden Darmabschnitte. 

Vom Nierenrecessus aus kann man bequem das untere Ende der 
rechten Niere durchföhlen und erreichen; aus ihm tritt, und zwar genau 
aus dem Winkel zwischen Duodenum und rechter Niere , der rechte Ureter 
hervor. An der linken Grenze der Duodenalnische gegen die Mittellinie 
des Körpers hin, und zwar am Ende der Pars infracolica duodeni, da, 
wo das Duodenum unter die Gekröswurzel tritt, stöfst man, wie ich 
nochmals hervorhebe, unmittelbar auf die Vena mesenterica superior. Die 
gleichnamige Arterie ist links neben ihr gelegen. In den Beziehungen 
dieser vier Theile: des unteren Endes der rechten Niere, des rechten 
Ureters, des Duodenum und der Vena mesenterica superior zu der 
Duodenalnische liegt deren topographische Wichtigkeit, und man orientirt 
sich sehr leicht von dieser Tasche aus über die genannton Theile. Der 
Grund, warum ich den Namen »Duodenalnische« vorschlage, ist der, dafs 
das Duodenimi den bei Weitem gröfsten Theil der Tasche einnimmt und 
bei Aufdeckung derselben am leichtesten wahrgenommen wird. 

Die linksseitige Kolon-Nische oder Pankreasnische wird be- 
grenzt nach oben vom Mesocolon transversum, nach rechts von der Pars 
ascendens duodeni und von der Flexura duodenojejunalis nebst dem Anfange 
der Gekröswurzel, nach links vom Colon descendens bis zur Flexura coli 
sinistra hinauf. Wegen des nach rechts gerichteten Laufes der Radix me- 
senterii eröflEhet sich die Tasche nach unten und rechts; sie ist gewöhn- 
lich etwas weniger geräumig als die Duodenalnische, aber ein wenig tiefer, 
da meist die linke Hälfte des Querkolon stärker vorspringt als die rechte; 
auch ist ihr blinder Grund höher gelegen, da die Flexura coli sinistra 



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Die Kolon- NiscJien u. s. w. 7 

weiter hinaufreicht als die Flexura dextra. Die hintere Wand bildet das 
parietale Bauchfell mit den hier befindlichen Verzweigfungen der Arteria 
mesenterica inferior. 

In diese Nische ragen hinein von oben und vorn das Corpus pan- 
creatis und der Anfangstheil von dessen Cauda, dahinter und darunter 
in wechselnder Ausdehnung das untere Ende der linken Niere, in rund- 
licher Gestalt. Beide Organe sind von der Tasche aus leicht durchzu- 
fühlen; die Niere erweist sich dem Gefiihl als ein mehr glatter und fester 
Körper, sie erscheint auch weniger beweglich als das Pankreas. Aus der 
Tasche tritt nach unten, ähnlich wie rechts, der Ureter hervor. 

Wenn das Colon transversum in seiner gewöhnlichen Lage sich befindet, 
dann ist derTheil des Pankreas, welcher in den Taschenraum hineinschaut, 
nur von geringer Ausdehnimg, etwa 3*^ von links nach rechts messend 
und etwa i"""* von hinten nach vom in die Tasche vorragend. Das in die 
Tasche hineinschauende Nierenstück ist erheblich gröfser als das des Pan- 
kreas; auch ist dieses Taschenstück der linken Seite fast dreifach so grofs 
als das entsprechende der rechten. Endlich ist auch das Stück des Duo- 
denum, welches an der Begrenzung der Tasche theilninmit, mindestens 
ebenso umfangreich als das Taschenstück des Pankreas. Hebt man aber 
das Colon transversum sammt seinem Mesocolon in die Höhe und schlägt 
es (ohne zu starke Zerrung) nach hinten zurück, so vergröfsert sich das 
Pankreasfeld ganz erheblich. Man sieht dann das Pankreas, falls das Meso- 
colon nicht allzu fettreich ist, deutlich durch das letztere hindurchschim- 
mern; bei fettlosen Mesocola kann man selbst die Pankreasläppchen er- 
kennen, insbesondere an Kinderleichen. Man kann femer ohne zu starkes 
Nachdrängen die Stelle erreichen, wo das Pankreas die Milz berührt und 
von hier aus das letztere Organ palpiren. Ja, noch mehr: drängt man 
das Mesocolon transversum stärker nach oben , so dafs sich der Pankreas- 
körper um seine Längsaxe dreht, so kann man von der linken Kolon- 
nische aus die Stämme der Vasa lienalia erreichen; besonders leicht 
ist dies bei Kindern der Fall. 

Das eben über das Verhältnifs des Pankreas zvu* linken Kolon -Nische 
Gesagte hat mich denn auch bewogen , als einfachere Bezeichnung fiir diese 
Nische den Namen »Pankreasnische« in Vorschlag zu bringen. Das Pan- 
kreas ist in der That dasjenige Organ, welches hauptsächlich von dieser 
Nische aus erreichbar ist; die Nieren sind von beiden Nischen aus zu 



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8 W. Waldeyer: 

palpiren und eignen sich daher nicht ftlr eine unterscheidende Namen- 
gebung. Ich weifs auch sehr wohl, dafs, wenn das Pancreas inferior gut 
ausgebildet ist, man das letztere zu einem kleinen Theile auch von der 
rechten Tasche aus erreichen kann; doch ist das Pankreas für die linke 
Kolon -Nische, ebenso wie das Duodenum für die rechte, der am meisten 
augenf&Uig vorspringende Theil, so dafs ich bei der Wahl eines charakteri- 
sirenden (zweiten) Namens nicht zweifelhaft sein konnte. 

Aus der Darstellung der beiden Taschen und der von ihnen aus er- 
reichbaren Organe ergiebt sich wohl ohne Weiteres die bereits Eingangs 
erwähnte Berechtigung, sie als besondere Abschnitte des Bauchraumes hin- 
zustellen imd zu benennen. In der That ist bei der Berücksichtigung 
dieser Taschen, wovon sich Jeder an der Leiche sofort überzeugen wird, 
die Orientirung über die unteren Abschnitte der Nieren, die oberen Stücke 
der Ureteren, das Corpus nebst der Cauda pancreatis xmd das Duodenimi 
(in den betreffenden Abschnitten desselben) eine so einfache und natür- 
liche, dafe man die beiden Nischen als wichtige topographische Merk- 
stellen ftir die Bauchhöhle und ihre Organe gern wird anerkennen wollen. 
Ich zweifle auch nicht, dafe bei Laparotomien am Lebenden die Berück- 
sichtigung dieser beiden Nischen för eine Reihe von operativen und dia- 
gnostischen Encheiresen ihren Werth haben wird. 

Nochmals betone ich, dafe ich mir wohl bewufst bin, mit dem Ge- 
sagten nichts thatsächlich Neues beigebracht zu haben; die Rechtfertigung 
meiner Beschreibung suche ich vielmehr darin, dafe man in den Hand- 
büchern der systematischen und topographischen Anatomie, sowie auch in 
den Spezialabhandlimgen über die Topographie des Bauchraumes und der 
hier in Betracht kommenden Organe vergebens nach einer verwerthbaren 
eingehenden Darstellung und richtigen Würdigung dieser Nischen sucht. 
Eine bemerkenswerthe Ausnahme macht Henke; doch berücksichtigt er 
Manches nicht, was ich hervorgehoben habe, und die hier besprochenen 
Nischen sind auch nur Theilstücke der gröfseren Räume, in welche er in 
sehr richtiger topographischer Auffassung die Bauchhöhle zerlegt. Ich gebe 
im Nachfolgenden kvu'z das, was ich in der mir zu Grebote stehenden 
Litteratur über die in Rede stehenden Verhältnisse gefunden habe. 

Die älteren LehrbQcher und die Spezialabhandlimgen über die beti*efrenden Korper- 
theile haben so gut wie nichts über die Kolon - Nischen und die von ihnen aus wahrnehm- 
baren und erreichbaren Organe mitgetheilt. Erst in Luschka's grofsem Werke (36) heifst 
es (S. 20): »Sie (die Fossa duodenojejunalis) hat ihre Lage neben dem linken Umfange des 



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Die Kohn- Nischen u. s. w. 9 

dritten Lendenwirbels, also da, wo das Pankreas mit der Aorta und der linken Niere eine 
mehr oder weniger tiefe »Nische«^ begrenzt«. S. 30 wird angegeben, dafs man auf den 
drei bekannten Wegen (durch das Omentum minus, durch das Ligamentum gastrocolicum 
und durch das Mesocolon transversum) zum Pankreas vordringen könne. Dafs man aber 
von der Pankreasnische her bereits das Pankreas sehen und palpiren kann, wird nicht er- 
wähnt. Die drei Wege, welche zum Pankreas führen, bespricht Luschka auch in seiner 
Anatomie des menschlichen Bauches (37); hier sagt er aber von den Nischen nichts. 

Die topographische Bedeutung des Mesocolon transversum, indem es eine quere 
Scheidewand in der Bauchhohle bildet, durch welche die Organe der Oberbauchgegend von 
denen der Mittel- und Unterbauchgegend geschieden werden, ist schon oft gewürdigt worden, 
ohne dais jedoch dabei der geschilderten Nischen gedacht worden wäre. Die Beziehungen 
des Mesocolon zum Pankreas und zum Duodenum werden zum Theil gut und richtig dar- 
gestellt, zum Theil jedoch auch unrichtig, oder sie werden übergangen. Hyrtl (25) er- 
wähnt die Scheidewandstellung des Mesocolon und gedenkt der alten Bezeichnung »Dia- 
phragma secundarium«, die dieser Gekrostheii deshalb bekommen hat. Wenn aber Hyrtl 
sagt (a. a. O. S. 208, Th. I), dafs das Mesocolon transversum in seiner Wurzel den unteren 
queren Theil des Zwölffingerdarms einschliefse, so ist das nicht korrekt. 

Richtig ist J. von G erlach *s (14) Bemerkung, dals das Mesocolon transversum vor der 
Mitte des absteigenden Duodenalstückes beginne; es stimmt aber nicht, wenn weiterhin 
gesagt wird, dafs, weil das Querkolon mit seiner (rechtsseitigen) Flexur vor dem absteigenden 
Duodenalstück herziehe, der untere Theil der Pars descendens duodeni keinen Bauchfeil- 
überzug habe; wenigstens ist das nicht genau. Davon, dafs Nischen gebildet werden und 
dafs man von diesen aus bei Erhebung des Colon transversum verschiedene Eingeweide, 
insbesondere ein Duodenalstück, sehen kann, ist nichts erwähnt. 

Klar und bestimmt spricht Debierre (9) von den >deux ^tages abdominaux qui re- 
sultent de Texistence du mesocolon transverse« (P. II, p. 389) und sagt (P. II, p.414): »Son 
mesocolon forme une cloison horizontale, qui sepai-e le foie, la rate et Testomac, qui sont 
au dessus, de Tintestin gröle qui reste au dessous«. In Bezug auf das Duodenum ist diese 
Äufserung («intestin gröle«) zu allgemein gefafst; der Nischen wird nicht gedacht, obwohl 
sie in der Abbildung, Fig. 238, gut hervorti-eten. P. 819 1. c. heifst es bei Debierre nur, 
dafs die »troisi^me portion du Duodenum« unter der Ansatzwurzei des Mesocolon trans- 
versum gelegen sei; von den Beziehungen der übngen Theile des Zwölffingerdarmes zum 
Kolon bez. Mesocolon transversum ist nicht die Rede. 

Bezüglich des Pankreas soll auch der Angabe Sappey's (50) gedacht sein, bei dem 
es — T. IV, p. 284, edit. III — heifst: »Le bord infferieur (du Pancreas) repose sur la iame 
inferieure du mesocolon transverse qui le s^pare des circonvolutions les plus elevees de 
Tintestin grde«. Der Taschen geschieht keine Erwähnung. 

Raub er (43) stellt das Lageverhältnifs des Duodenum zum Colon transversum inso- 
fern nicht völlig richtig dar, als er angiebt, dafs die untere »Hälfte« des Duodenum 
unterhalb des Colon transversum liege (S. 506, 5. Aufl.), denn man darf fast zwei Drittel 
des Duodenum als unterhalb des Mesocolon transversum befindlich annehmen. In der Figur 816, 
^•753« Th. I ist indessen das Verhältnifs völlig richtig dargestellt; auch sind die Kolon- 
Nischen auf der Figur 804 sehr wohl zu sehen, werden jedoch nicht besprochen. 



^ Die Anfuhrungszeichen habe ich hinzugesetzt. 
Phys.Abh. 1900. IL 



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10 W. Waldeyer: 

In Rüdinger's grofsem topographisch -anatomischen Werke (47) ist von der topo- 
graphischen Bedeutung des Colon transversum und seines Mesocolon nicht die Rede; da- 
gegen heifst es in dem 189 1 erschienenen «Cursus der topographischen Anatomie« (48): »Ganz 
zweckai&fsig kann man die Bauchorgane topographisch in eine unterhalb des Colon trans- 
versum und oberhalb desselben gelegene Gruppe eintheilen«. Es findet sich indessen über 
die Kolon • Nischen und Ober die Lage des Duodenum mm Mesocolon transversum nichts 
Genaueres, ebensowenig, wie in dem gröfseren Werke. 

Auch W. Krause (34) macht auf die Bedeutung des Querkolon und seines Mesen- 
terium als einer Scheidewand aufmerksam (S. 544). Es wird jedoch nicht gesagt, dafs ein 
Theil des Duodenum unterhalb dieser Scheidewand gelegen sei. 

Richtig ist dies wiederum von Joessel (27) angegeben worden, bei welchem es 
(a. a. O. S. 227) heifst: «Diese ganze unterste Abtheilung und mit ihr die H&lfte des ver- 
ticalen Theiles (des Duodenum) liegt also unterhalb des Mesocolon transversum«. 

In den Specialabhandlungen von Treves (60 und 60a), von Fromont (12) und 
Cohan (7) habe ich über die Kolon - Nischen nichts gefunden; die Beziehungen des Meso- 
colon zum Duodenum sind, soweit darauf eingegangen wird, richtig angegeben. 

Bei Birmingham (3) finden wir eine gute Abbildung der Theile, wie sie in den 
Kolon - Nischen liegen; besprochen werden letztere nicht. Ebenso sind von Abbildungen zu 
citiren die von Gubarow (Moskau), welche von D. J. Cunningham (8, vol. I, p.466) 
mitgetheilt wird, und die von Merkel (40a, Fig. 168). Gubarow 's Original stand mir nicht 
zur Verfügung, ebensowenig die Arbeiten von R. Harms (15) und Dwight and Rotch (toa), 
sowie die Lehrbücher von Macalister und Luther Holden, so dals ich nicht angeben 
kann, inwieweit daselbst etwa die Nischen Berücksichtigung gefunden haben. 

Merkel uod Cunningham gehen auf die Kolon -Nischen nicht ein. 

Näher kommt Th. Jonnescu (30) der Sache. Zunächst finden wir bei ihm in den 
Figuren iio und iii zwei sehr gute Abbildungen, und p. 334 sagt er bei Besprechung des 
Mesocolon transversum: »II forme une cloison horizontale interpos^e k Tintestin gr^le d*une 
part^ au foie, a l'estomac et a la rate d'autre part. 11 divise la cavit^ abdominale en deux 
^tages, un superieur, dont il forme le plancher, etage gastro-spl^no-h^patique; un autre 
inferieur, dont il forme la voüte, ^tage intestinal. — Pour le bien voir, il faut ouvrir Tar- 
ri^re-cavite des epiploons, dont il forme une des parois, en incisant le ligament gastro- 
colique le long de la grande courbure de Testomac. Alors, en attirant le colon transverse 
en avant , on tend le mesocolon transverse qui est oonstitu^ de la fa^on suivante. — II pre- 
sente k considerer: deux bords, deux faces et deux extremites: — le bord posterieur, pa- 
rietal ou racine, concave en arri^re, s'^tend entre les deux reins; il passe sur la face an- 
terieure de la portion descendante du duodenum, sur la t^te du pancreas, au-dessus de 
Tangle duodenojejunal et le long du boi'd inferieur du corps du pancreas. — La plupart des 
auteurs disent que la portion horizontale inferieure du duodenum est contenue dans T^paisseur 
de ce bord; ceci n'est pas exact, car, comme nous Tavons deja dit, une partie. la moiti6 
environ, de la portion descendante, toute la portion prevasculaii-e ou horizontale et la 
portion ascendante du duodenum sont situees au-dessous de la racine du mesocolon trans- 
verse«. Freilich auf die Kolon -Nischen geht, wie man sieht, Jonnescu auch nicht ein, 

O. Hildebrand in der zweiten Auflage seines Grundrisses der chirurgisch -topo- 
graphischen Anatomie, Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1900, erwähnt (S. 232 und 233) zweier 
»Nischen« der Bauchhöhle ; doch sind das andere, als die hier betrachteten Kolon - Nischen. 
Sie sind für die Nieren bestimmt; die eine liegt hinter der Leber und unter dem Ligamen- 



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Die Kolon-Nischen u. s. w. 11 

tum hepAtoduodenale uud birgt die rechte Niere, die andere, zur linken Niere gehörig, 
liegt hinter dem Magen und der Milz. Ich erwähne diese Nischen hier deshalb, weil die 
Nieren, wie wir gesehen haben, auch in die Kolon -Nischen hineinreichen. 

F. W. Uenke (19) ist, man kann es wohl sagen, der Erste, welcher auf die topo- 
graphische Bedeutung der Kolon -Nischen genauer eingeht; ich filhre die betreffenden SteUeo, 
die vielleicht Wenige gelesen haben mögen, wörtlich an. Nachdem Uenke die Wuneln 
der drei langen Gekröse, des D&nndarm- Mesenterium, des Mesooolon und der Flexura 
iliaca beschrieben hat, fährt er fort: »Durch den Verlauf dieser di*ei Anheftungslinien der 
Radices der Mesenterien wird die im Übrigen von parietalem Bauchfelle bekleidete Vorder^ 
flache der hinteren Bauchwand und der ihr anliegenden retroperitonealen Organe in vier 
iast vollkommen abgegrenzte Bezirke getheilt, vor denen sich die Mesenteneo selbst und 
die an ihnen hängenden Dirme hin- und herbewegen können* An der Leiche lassen sie 
sich ohne alle Praeparation abwechselnd blolslegen, wenn man die Mesenterien und die an 
ihnen hängenden Därme abwechsdnd nach der einen oder anderen Seite der Radioes hin- 
wegschlägt« «Das ganze Gebiet unterhalb der Badix des Mesocolon wird durch die 

parallellaufenden (Radices m.) der zwei unteren Mesenterien, an denen Dünndarm und 
Flexura iliaca hängen, in drei Stucke zerlegt: 1. das Dreieck rechts oben zwischen Mesocolon, 
Radix des Dünndarms und Colon ascendens. Darin liegt die Biegung des Duodenums nach 
links, das untere Ende der Cava und ein Stück des rechten Psoas und Ureter; 2. den langen 
Streifen, der sieh zwischen beiden Radices entlang schrt^ von links und oben, vom Meso- 
colon uud Colon descendens nach rechts und unten zum Beckeneingange und der rechten 
Leistengegend herabzieht. In diesem liegen von links oben nach rechts unten das untere 
Ende der linken Niere, ein grofser Theil des linken Psoas und Ureter, die obere Hälfte der 
linken und der ganze Verlauf der rechten Vasa iliaca, zwischen beiden das Promontorium 
uud der Eingang in das kleine Becken« u. s. w. 

Weiterhin heifst es vom Mesocolon transversum (S. 324 unten), dafs es »zwischen dem 
vom herumgebogenen Darme, der an ihm hängt, und der hinten quer über die Bauchwand 
laufenden Radix, an wekher es hSngt, so von hinten nadi vom durch den Bauch ausge- 
spannt ist^ da£s es ihn in einen oberen und unteren Raum theilt. Nur ist, wenn dk Mitte 
des Halbbogens, den der Darm beschreibt, etwas herabhängt, natürlich auch die Platte (das 
Mesocolon m.) etwas vorn herunterhängend gespannt, so dafs ihre untere Seite etwas nach hinten, 
die obere nach vom si^t; unter Umständen kann es aber auch umgekehrt sein, besonders links «. 

Auf die Bedeutung der Kreuznngsstelle des Mesocolon transversum and der Radix 
meseoterii mit den in ihr eingeschlossenen Gefälsen geht Henke S. 326 ein: 

»Der Hauptansgangspunkt der Vei*ästelungen der Gefälse ist die Stelle, wo die Mitte 
der Radix des Mesocolon und das obere Ejide von der des Dünndarmmesenteriums am Ende 
des Duodenum zusammenkommen« u. s. f. Femer ist S. 346 zu vergleichen, wo die Ver- 
hältnisse beim Bande besdurieben werden. 

Wie man sieht, hat Henke in seiner Beschreibung der von mir betonten Nischen 
gedacht. Er nennt sie »Dreiecke«, und beschreibt sie in viel grofserer Ausdehnung, geht 
aber auch darauf ein, was in ihnen gelegen ist Indessen dürfte durch die Beschränkung 
auf die nisebenfSrmigea Spitzen der Dreiecke, welche idi meino^ Darstelhmg zu Grunde lege, 
die chirurgische Bedeutung dieser Lagerungen besser hervortreten; auch wird man die Er- 
wähnimg der rechten Niere in der rechten Kolon- Nische bei Henke vermissen. 

Die eingehenden Untersuchungen Erik Müller's (39) Ober die Lage des Darmkanals 
beim Foetus nehmen auf die Henke'sche Eintheilung de» Bauchraums Bezug und heben 



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12 W. Waldeyer: 

das Verhalten des Mesocolon transversum und der Radix mesenterii zu den betreffenden 
unter und neben ihnen gelegenen Organen (Nieren, Duodenum u. a.) in ähnlicher Weise 
hervor. Doch betont auch Müller nicht die Nischenfonn der unterhalb des Mesocolon 
transversum gelegenen Räume. Jedenfalls ist er aber an Henke unmittelbar anzureihen, 
wenn es sich um die Angabe derjenigen Autoren handelt, welche auf die in Rede stehenden 
Lagerungsverhältnisse näher eingegangen sind (vergl. insbesondere a. a. O. S. 52 und 53). 
Es mag noch erwähnt sein, dafs E. Müller das Duodenum zur Hälfte oberhalb, zur 
Hälfte unterhalb des Mesocolon transversum gelegen sein läfst, was, wie hervorgehoben 
wurde, nicht zutrifft. 

Auch die nach der von Henke im Archiv für Anatomie und Physiologie veröffent- 
lichten Abhandlung (18) erschienenen Arbeiten von Weinberg (62) und Mall (40) knüpfen 
an die Henke 'sehe Eintheilung des Bauchraumes an. Weinberg bezeichnet unter An- 
derem die verschiedenen von Henke aufgestellten Unterräume als »Nischen«; näher gehen 
beide Autoren jedoch auf das hier behandelte Thema nicht ein, ebensowenig Lemaire (35a), 
welcher indessen in seiner Figur i (l. c. p. 19» 20) die Nischen gut abbildet. 

Abbildungen der beiden Kolon -Nischen gebe ich hier nach Zeichnungen 
von Kinderleichen auf den Tafeln lU und IV. Taf. lH bringt beide Nischen, 
allerdings durch das weit zurückgelegte Mesocolon transversum so eröffiiet, 
dafs der Nischen- Charakter fast verloren gegangen ist. Dasselbe gilt von 
Taf. IV. Die linke Nische ist weit in Taf. 11 eröffnet; man sieht in diesen 
Figuren die in der Beschreibung genannten Theile: Duodenum, Nieren, 
Ureteren, Pankreas (Dd., R., U. und P,.). 

2. Form- und Lage-Verhältnisse des Duodenum im Besonderen. 

Die Beschäftigung mit den Kolon-Nischen liefs mich bald erkennen, 
dafs för die Auflfindimg des Duodenum in der Leiche, sowie fftr operative 
Eingriffe in der Bauchhöhle, eine andere als die übUche Eintheilung imd 
Beschreibimg dieses Organs, eine Beschreibung, die ich schon seit einer 
Reihe von Jahren in meinen Vorlesungen gebe, einige Vortheile zu bieten 
scheint. Beschreibt man das Duodeniun in der alten Weise, nach Prae- 
paraten, wie sie nach Wegnahme des Colon transversum, des Magens 
und des Dünndarms, unter Erhaltung des Pankreas und der grofsen 6e- 
fäfsstämme gewonnen werden, also nach Praeparaten, die eine möglichst 
ausgiebige Freilegung des Organs bezwecken, dann rechtfertigt sich die 
übliche Unterscheidung in eine Pars horizontalis superior. Pars de- 
scendens. Pars horizontalis inferior und Pars ascendens, welche 
letztere in der scharf geknickten Flexura duodenojejunalis ihr Ende er- 
reicht, während der Beginn des Duodenum durch den resistenten Pylorus- 
ring deutlich sieht- und fiihlbar markirt ist. Der IJb ergang der Pars horizon- 



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Die Kolon- Nischen n. s. w. 13 

talis superior in die Pars descendens wird durch die Flexura duodeni 
prima bezeichnet; am Übergänge der Pars descendens in die Pars horizon- 
talis inferior liegt die Flexura duodeni secunda, und zwischen der 
Pars horizontalis inferior und ascendens kann die Flexura duodeni tertia 
unterschieden werden. 

So weit die übliche Beschreibimg, welche auch den Thatsachen voll- 
kommen Rechnimg trägt. Will man aber den topographischen Beziehungen 
des Duodenum Ausdruck geben, so empfiehlt es sich, zunächst zwei gröfsere 
Abschnitte des Organs zu unterscheiden: eine Pars supracolica un3 eine 
Pars infracolica. Richtiger wäre es vielleicht zu sagen: Pars suprameso- 
colica und Pars inframesocolica , da die ein wenig schräg über die Pars 
descendens duodeni hinwegziehende Ansatzlinie des Mesocolon transversima 
diese beiden Stücke von einander scheidet. Aber die ersteren beiden 
Namen sind hinreichend bezeichnend imd empfehlen sich durch ihre gröfsere 
Kürze. Die Pars supracolica ist ausgezeichnet dadurch, dafs ihr in der- 
selben Höhe das Pancreas superior, gleichsam als Fortsetzung nach links 
hin, entspricht; denn auch dieses ist oberhalb der Ansatzlinie des Meso- 
colon gelegen. Der Pars supracolica duodeni entspricht ungefähr ein Drittel 
des gesammten Zwölflfingerdarmes , während die übrigen zwei Drittel der 
Pars infracolica angehören. Letztere wird nun wieder durch die über die- 
selbe hinweglaufende Gekröswurzel und die in dieser eingeschlossenen Vasa 
mesenterica superiora in eine rechte imd linke Hälfte getrennt, die man 
passend als Pars infracolica dextra und sinistra unterscheiden kann. 
Will man den topographischen Verhältnissen noch eingehender Rechnung 
tragen, so könnte als besonderes Stück der die beiden Partus infracolicae 
verbindende, von der Radix mesenterii verdeckte Theil des Duodenum als 
Pars submesenterialis unterschieden werden. 

Es scheint mir nicht im wichtig, darauf noch besonders aufitnerksam zu 
machen, dafs das Duodenum in seinem Verlaufe zweimal verdeckt wird, 
einmal in seinem absteigenden Theile durch das Mesocolon transversum, 
das andere Mal in seinem unteren Querstücke durch die Radix mesenterii. 
Da, wo diese beiden Gekröszüge nahezu rechtwinklig auf einander stofsen, 
liegt die wichtige Durchtrittspforte der grofsen MesenterialgefSise zu ihrem 
Bette hinter dem Pankreas und zur Entstehungsstelle der Pfortader, Grund 
genug, um auf dieses topographische Verhältnils besonders hingewiesen zu 
haben. Man vergleiche hierzu die vorhin angeführten Sätze F.W. Henke's 



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14 W. Waldeyer: 

• 
und die weiter unten mitzutheilenden Angaben von W. His sen. Schliefe* 
lieh sei noch hervorgehoben, dafe die Pars infiracolica ainistra ebenso in die 
Unke Kolon-Nische hineinschaut, wie die Pars infracolica dextra in die rechte. 

Legt man diese Eintheilung des Duodenum, welche seinen Beziehungen 
zu den gro&en topographischen Abschnitten der Bauchhöhle entspricht, 
und ebenso dem Verhältnifs zu den grofeen Geiröszügen und Blutgefafeen, 
und damit auch der Entwickelungsgeaehiehte Reclmung trägt, seiner Be- 
schreibung au Grunde, so wird, wie xoich eine langjährige Er&hrung lehrt, 
die Auffindung der einzelnen Theile des Organes nicht unwesentlich er- 
leichtert. Maa kann überdies, je nach Bedürfiiife, leicht die ältere, rein 
deskriptive EintheUung des Organes in jene von mir vorgeschlagene hinein- 
bringen: 

Die Pars supraeolica umfaTst die Pars horizontalis superior, die Flexura 
duodeni prima und die obere Hälfte der Pars descendens — so ist es we- 
nigstens das Gewöhnliehe — ; die Pars infracolica dextra umfafet den Rest 
der Pars descendens, etwa die Hälfte der Pars horizontalis inferior, nebst 
der Flexura duodeni secunda; die Pars infracolica sinistra schliefet in sich 
den Rest der Pars horizontalis inferior, d. i. die Pars submesenterlalis ^ die 
Flexura tertia duodeni und die Pars ascendens. So kämen denn auf jeden 
der drei von mir unterschiedenen Hauptabschnitte (Pars supraeolica. Pars 
infracolica dextra. Pars infracolica sinistra) je drei Abschnitte der alten 
Zählung, wobei aber, wie das ja auch thatsäehlich der Fall ist, das ab- 
steigende und das untere Querstück durch die Gekrösansätze je in zwei 
gesondert zu zählende Theile halbirt werden und die Flexurae duodeni mit- 
zuzählen sind. Beispidisweise kämen auf meine Pars supraeolica die Pars 
horizontalis superior, die Flexura duodeni prinia und die Pars supraeolica 
der Pars descendens u. s. f. 

Man sieht aus den zahlreichen Veröffentlichungen, welche gerade die 
letzten Jahre über die Form- und Lageverhältnisse des Duodenum gebracht 
haben (Citate s- weiter unten), dafe man mit der Fassung der bisherigen 
Beschreibungen noch nicht recht zufrieden ist; ob ich mit meinem V(m> 
schlage diese Befriedigung erwecken werde, mufe die Zukunft lehren. Jed^- 
falls dient er dazu, die Theile des Duodenum leichter auffinden zu lassen, 
und damit wird der Abdominalchirurgie sicheriich gedient. Es scheint mir 
iur diese kaum von Wichtigkeit, ob das Duodenmn eine Ringforaa, U-Form 
oder V-Form habe, ob die Pars horizontalis inferior der Autoren mit Recht 



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Die Kolon- Nischen u. s. w. 15 

ihren Namen fllhre , oder gleich von ihrem Beginne ab aufWärts sich wende, 
ob es zweckmäfsig sei , eine Pars horizontalis superior zu unterscheiden oder 
nicht. Wichtiger scheint es mir, auch in der Beschreibung und Namen-» 
gebung die Thatsachen zu konstatiren, dafe das Duodenum theils oberhalb, 
theils unterhalb des Colon (oder Mesocolon) transversum gelegen sei , und 
dais es zweimal in seinem Laufe verdeckt werde, einmal in seinem ver- 
tikalen Theile durch das Mesocolon transversum, das zweite Mal in seinem 
unteren horizontalen Theile durch die Radix mesenterii und die in ihr 
eingeschlossenen grofsen Gefäfse (Vasa mesenterica superiora). Dem hat 
auch His (23) bestimmten Ausdruck gegeben: »Das Duodenum ist bekannt- 
lich ein Hauptkreuz fär Anfanger, weil ohne vorangegangene Praeparation 
seine verschiedenen Abschnitte nicht gleichzeitig zu Überschauen sind. Da 
es erst vom Mesocolon transversum imd dann vom Beginn des Mesente- 
rium gekreuzt wird, so lassen sich auch mit Bezug auf die Bauchü^be- 
kleidung drei Abschnitte daran unterscheiden . . . Der obere Theil , ober- 
halb des Ifcsocolon liegend, umfafst die Pars superior und einen Theil der 
Pars descendens . . .« u. s. f. — Der zweite, (untere) Theil des Duodenimi 
wird nicht nälier besprochen* 

Da ich noch einige andere Punkte in der Anatomie des Duodenum auf 
Grund meiner Praeparate behandeln möchte , ist es erforderlich , die neueren 
Litteratur -Angaben über diesen Darmabschnitt eingehender mitzutheilen; 

Die bessere Erforschung der Lage, Form und der Theile des Duodenum beginnt mit 
den ausgezeichneten Abbandlungen von Treitz (58, 59), Toldt (SS-^S?), W.Braun« (4) 
und Schiefferdecker (51). Durch Festlegung der Übergangsstelle des Duodenum in das 
Jcgunum mittels des von ihm entdeckten Musculus suspeDSorius duodeni hat Treitz das distale 
Ende des Duodenum scharf bestimmt und Toldt (1879) wies dann nach» dafs diese Über* 
gangssteile» die Flezura duodencjcyunalis, beim Foetus der Umbeugungsstelle in die Nabel** 
schleife des Darmes mitspricht, und schon beim seehswöchentliehen Embryo an die hintere 
Leibeah6hlenwand befestigt jst Während Husch ke in der zweiten Auflage des Sömmer- 
ring'schen Handbuches der Anatomie bereits richtig die Lage und den Lauf der Pars hori- 
zontalis superior duodeni angiebt, ist wohl Treitz (59) der Erste, der eine Pars asoen- 
dens duodeni abbildet und angiebt» dafs die Flexura duodenojcjunalis oft wieder bis zum 
Niveau des Pylorus aufsteige. Crureilhier (7a) erwähnt (p* 136) eines Falles« wobei 
sich ein aufsteigender distaler Theil fand: »Chez un si:yet, j'ai trouve une quatrikne 
portton qui se portait de bas en haut» et qui avait deux centinn^tres et demi de loogueur; 
en Sorte que le duodenum d^crivait une troisi^me courbe a cavit^» dirig^ a droite«. Toldt 
ist jedoch, wie mir scheint» der Erste gewesen» weicher diesen au&teigenden Theil als einen 
beständigen beschrieben und benannt hat. Es heifst bei ihm (57) S. 36: 

•Hinsichtlich der Benennung der einzelnen Abschnitte des Zwölffingerdarmes kann ieh 
mich dem Vorgange von Schiefferdecker» welcher das Duodenum in eine Pars superior» 



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16 W. Waldeyer: 

media und inferior eintheilt, nicht anschlielsen , weil diese Namen die wesentlichen Lage«' 
eigenthümlichkeiten nicht gut bezeichnen. Ich halte es för zweckmäfsiger, die alten Namen: 
Pars horizontalis superior. Pars descendens und Pars horizontalis inferior 
beizubehalten und für den durch seine Lage und Richtung besonders ausgezeichneten End- 
theil die Bezeichnung Pars ascendens duodeni oder aufsteigendes Endstück des 
Zwölffingerdarmes zu gebrauchen. »Diesen letzteren Ausdruck habe ich schon im Jahre 1879 
(56) verwendet und seither auch beim Unterrichte beibehalten.« 

Man kann noch eine ganze Reihe von älteren Autoren, unter denen Luschka (37) 
und insbesondere W. Braune (4) nicht vergessen sein sollen, citiren, die entweder eine 
aufsteigende vierte Portion des Duodenum abbilden oder beschreiben , oder als gelegentlichen 
Befund notiren, indessen kommt es darauf weniger an, sondern darauf, dass man einen 
solchen Theil als beständige reguläre Bildung anerkennt und benennt; dies fallt, wie ich 
meine, Toldt zu. Als ein beständiges Verhalten beschrieben hat den aufsteigenden Theil 
auch schon W. Braune 1877, aber nicht besonders benannt Jedenfalls sind Bruce Young 
(65) und Fr. Treves (60a) nicht im Rechte, wenn sie sich ^o ausdrücken, als ob Bruce 
Young (1884) zuerst die Pars ascendens als ständig unterschieden und benannt habe. 

W. Braune (4) brachte durch seine Darstellung die vereinzelt — s. das vorhin Be- 
merkte — bekannt gegebene Thatsache, dafs das distale Ende des Duodenum wieder das 
Niveau des Anfanges, also des Pylorus, erreiche, zu allgemeiner Anerkennung, und machte 
somit auf eine Form des Duodenum, die Ringform, aufmerksam, welche von ihm statt 
der bisher anerkannten Hufeisenform als die typische hingestellt wird. >So kommt, heifst 
es bei Braune, in dem Verlaufe des Duodenums die Bildung eines offenen Ringes zu Stande, 
welcher vom Pylorus ausgehend, bis in die Nähe desselben unter der unteren Magenwand 
wieder zurückläuft, um dann nach vorwärts in den Tractus des Jejunums und Ileums weiter 
zu ziehen.« 

Schiefferdecker (51) hat vor Allem die wichtigen Verschiedenheiten bestimmt, 
welche in der skeletotopischen Lagerung des Duodenum zu beobachten sind; dann weist er 
mit Recht die zu grosse Verallgemeinerung einer Ringform zurück. Die Form des Duo- 
denum ist abhängig sowohl von dessen Länge, als auch von dem verschieden hohen Be- 
ginne der Pars verticalis Schiefferdecker (descendens autt u. BNA.). Von der Pars inferior 
duodeni BNA. (horizontalis inferior autt) behauptet Schiefferdecker, a. a. O. S. 338, dafs 
sie eigentlich immer eine Pars ascendens sei. Auf diesen Punkt werde ich weiter unten 
näher eingehen. Femer beschreibt Schiefferdecker genau und mit Begründung ihrer 
Entstehung die U-Form und die V-Form des Duodenum, freilich ohne sie besonders zu 
benennen — die betreffenden Namen sind später von Th. Jonnescu (29) gegeben worden. 
Die Figur 3 Taf. XVI bei Schiefferdecker kann als Darstellung einer der Ringform sich 
nähernden U - Form gelten ; eine V- Form giebt Fig. 2 derselben Tafel. In den Beschrei- 
bungen Schiefferdecker's sind in der That alle wichtigen Punkte, welche die Form des 
Duodenum und seine Skeletotopie betreffen, enthalten. Was die Bezeichnungen Schieffer- 
decker's anlangt: Pars superior, media und inferior, so komme ich darauf zurück. 

Jonnescu (28—30) nimmt drei Hauptformen des Duodenum an, die er auch beson- 
ders benennt (s. das vorhin Gesagte): i. Type annulaire parfait, 2. Type en U, 
3. Types en V. Jonnescu erkannte, worin ich ihm beipflichte, dafs die Ringform vor- 
wiegend dem kindUcheu Alter (von der Geburt bis etwa zum 7. Jahre) eigen ist; selbst- 
verständlich sind die letzten Foetalmonate hinzuzurechnen. Die beiden anderen Formen gehören 
der folgenden Lebenszeit an; sie werden nur selten in dem ersten Kindesalter gefunden. 



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Die Kolon -Nischen u. s. w. 17 

Eingehend bespricht Jon n esc u auch die syntopischen Beziehungen des Duodenum 
(1. c. p. 67, IV, Rapports). Er betont vor Allem die Lage der Pai*s descendens zur rechten 
Niere: »Quoi qu*il en soit, on peut dire que la portion descendante du duodenum 
est toujours franchenient pre renal«. Weniger kurz und bestimmt lassen sich die 
Beziehungen der Pars ascendens zur linken Niere ausdrücken: Es kommt niemals zu einer 
festeren Aneinanderlagerung beider Oigane; es hängt vielmehr von der Form und der Aus- 
dehnung der Pars ascendens ab, wie weit die Niere mit ihr in Berührung tritt. Bei der 
U-Form ist die Berührung, wie leicht einzusehen, ausgiebiger als bei der V'-Form. »En 
resume«, sagtJonnescu (I.e. p. 70), »les deux portions verticales du duodenum 
meritent le nom de renales, mais la droite, si je puis m'exprimer ainsi, est plus 
renale que la gauche. Quant aux uret^res et aux vaisseaux spermat'iques qui les 
cotoyent, ils sont, des deux c6tes, couverts par Tanse duodenale.* 

In seiner Bearbeitung des »Darmtractus* in dem grofsen Anatomie -Werke von Poirier 
(30) — sie trägt kein Datum — geht Jonnescu gleichfalls sehr eingehend auf das Duodenum 
ein. Er giebt dazu mehrere vortreffliche Abbildungen. Die von ihm hier verwendeten Be- 
zeichnungen der Theile des Zwölffingerdarmes sind: Portio prima s. subhepatica, 
Portio descendens s. praerenalis, Portio horizontalis s. praeaortica. Letztei^e 
Bezeichnung, »praeaoi-tica« (und auch »praevasculai'is«), findet sich vorzugsweise in der 
früheren Abhandlung, fehlt aber auch in Poirier's Handbuche nicht. P* 255 finden sich 
bei der Besprechung des Verhaltens des Bauchfells zum Duodenum auch die Bezeichnungen : 
Partie sus-mesocolique und sous-mesocolique. »Le duodenum est croise, comme 
nous Tavons dit, par la racine du mesocolon transvei*se et par celle du mesentere: le meso- 
colon transverse passe sur sa portion descendante, et immediatement au-dessus de Tangle 
duod^no -jejunal, il divise le duodenum en deux parties: l'une sus-mesocolique, formee 
de la premiere portion de Tangle sous - hepatique et de la moitie superieure de la portion 
descendante; Tautre sous-mesocolique situee au -dessous du mesocolon transverse, croise 
en echarpe la portion horizontale.« Dieser letzte Satz »croise en echarpe la portion hori- 
zontale« ist nicht verständlich; das kann sich doch nur auf die Radix mesenterii, nicht auf 
die Portion sous-mesocolique des Duodenum beziehen, und von der ist doch die Rede. 
B^ scheint ein Diiickfehler vorzuliegen. Besser verständlich ist die Darlegung dieser Ver- 
hältnisse in der früheren Abhandlung (1889, Nr. 29). Nachdem Jonnescu hier angegeben 
hat (p. i8u. 19), dafs das Mesocolon transversum den Bauchraum in eine obere und untere 
Abtheilung (etages) zerlege, fahrt er fort, (p. 19): »Le duodenum fait relief sur la paroi 
posterieure des deux etages abdominaux; son angle superiear et une partie de sa branche 
descendante fönt partie de l'etage superieur; le reste de sa portion descendante, toute sa 
portion preaortique ainsi que Tascendante et souvent m6me Tangle duod^no -jejunal, ap- 
partiennent a Tetage inferieur. Quelquefois pourtant, Tangle duodeno -jejunal est contenu 
dans Tepaisseur möme de la cloison m^socolique«. — Ich habe dieses Letztere bis jetzt nicht 
constatiren können. — Jonnescu fährt fort: »Donc, les auteurs sont ä c6te de la realite, 
en disant que la portion horizontale inferieure du duodenum est contenue dans l'epaisseur 
du mesocolon transverse, ou est situee sous le feuillet inferieur de ce meso«.' 



^ Ich finde in den französischen Werken theils die Schreibweise Colon, theils Colon 
(ohne den Accent). Sappey, dem Mehrere folgen, will den Namen Colon von icci>\i;ft>, ich 
hemme, ableiten, darauf Bezug nehmend, dafs der Darminhalt im Colon sich langsamer be- 
wege, in seinem Vorrücken gehemmt werde; dann wäre die Schi^eibweise »Colon« richtig. 
üiys.Ahh. 1900, IL 3 



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18 W. Waldeyer: 

Die Bezeichnungen: »sus-mesocolique« und »sous-mesöcolique« gebrauchen auch 
Roud (46) und Juvara, Assistent Jonnescu's und Schüler Poirier's (32, p. 278). Sonst 
habe ich diese Namen nicht gefunden, obwohl das betreffende Lagevei'hältnifSv wie begreif- 
lich, noch mehrfach erwähnt wird. 

Beiläufig sei gesagt, dafs in dem spanischen Lehrbuche der Anatomie von J. Calleja 
y Sänchez und F. Oloriz (6), welches sich meist an Sappey's Lelirbuch anlehnt, die 
Bezeichnungen: porcio primera , superior o hepätica, segunda, media 6 renal, und ter* 
cera, inferior 6 pancreätica gebraucht werden, obwohl Sappey dieselben nicht hat. Die 
Winkel (Biegungen) zwischen der I. und II. Portion und II. und III. Portion bezeichnen die 
spanischen Kollegen als »recodo hepatico- und »recodo renal«. Es ist also in diesen B^ 
Zeichnungen schon der wichtigen Lagebeziehungen zu Leber und rechter Niere Rechnung 
getragen. — H. Hartmann (17), welcher zur selben Zeit wie Jonnescu (1889) der Societe 
anatomique de Paris seine Untersuchungen über das Duodenum mittheilte, bildet gut die 
Pars infracolica ab^ und nimmt drei Formen des Zwölffingerdarms an, das «Duodenum coude«, 
welches der U-Form entspricht, das Duodenum en spii*e, am meisten der Ringform gleichend, 
und das Duodenum angulaire gleich der V-Form. Besonders beschäftigt er sidi mit dem 
Nachweise der Pars ascendens. In der sich an Jonnescu*s Vortrag knüpfenden Dis- 
cussion vertheidigt Hart mann die Annahme einer besonderen Pars horizontalis superior, 
während Jonnescu diese nicht für zulässig erklärt hatte. £s sei dieser Abschnitt des 
Duodenum, meint Letzterer, so kurz und gehe so rasch in die obere Krümmung über, 
dafs man als ersten (proximalen) Theil nur eine «Courbure sous-hepatique« annehmen solle. 

Ballowitz (i) will die V-Form Jonnescu*s als eine besondere nicht gelten lassen. 
Am häufigsten komme vor die U-Form; daneben müsse die Ringform angenommen werden, 
die auch vorzugsweise als die infantile zu gelten habe. In dritter Reihe kämen die Über- 
gangsformen zwischen den beiden Genannten. Der Unterschied zwischen der U-Form und 
der V-Form sei nur ein gradueller; er werde bedingt durch die verschiedene Ausbildung 
der unteren Umbiegung, und diese wieder werde beeinflufst durch die mehr oder weniger 



Wie mir aber mein Kollege Hr. H. Diels mittlieilt, konnte Kolon von einer Wurzel >icd\« 
abgeleitet werden, welche vielleicht etwas »Grosses, Starkes, Dickes« bedeutet, wie in tcoKoa-' 
<r6s (?), icoXos hei fst auch -stumpf, abgestutzt«. Abweichend hiervon hält Hr. Job. Schmidt 
för möglich, dais koKov mit tcoKeov, icoKeos (Schwertscheide) verwandt sei. Hr. Diels machte 
mich noch auf eine Stelle des Aristophanes aufmerksam, aus welcher die Quantität der 
ersten Silbe von tcoKov klar hervorgeht, denn o und <a wird sonst von den Abschreibern 
leicht verwechselt. Die Stelle, Aristoph., »Ritter« 455, lautet im Text und in der Über- 
setzung von Droysen: 

vm* avTov avSpetorara Kai Nur immer tapfer zugehaun! 

yacrrpt^e Kai rois evrepots Schlag um den Bauch 

Kai ToTs KoKots {v — v — ) Ihm das Gedärm 

;^cim0s KoKq -ror avSpa. Und Eingeweid* 

Und gerb' das Fell ihm weidlich. 
KoKots und Ko\a (Fut. I von KoKaCetv) sind, wie Hr. Diels bemerkt, Wortspiele, welche die 
Schreibung »<cd\ov« noch bekräftigen; dies ist auch in der Übersetzung hervorgehoben 
worden. — Die Ableitungen des Wortes »Colon, Kolon« in dem bekannten medicinischen 
Lexikon von Kraus wären demnach nicht zutreffend. 



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Die Kohn- Nischen u. s. w. 19 

horizontale Richtung des ersten Abschnittes der Pars ascendens. Ballowitz stimmt Schief- 
ferdecker zu, wenn dieser den unteren horizontalen Duodenum - Theil der Autoren von 
vom herein immer etwas ansteigen läfst. Die drei Bezeichnungen Schiefferdecker's: 
Pars superior, media und inferior sind aber auch ihm wie Toi dt (s. vorhin) zu indiffei^ent 
Eine vollendete Ringform hat er übrigens auch in einigen Fällen bei Erwachsenen gefunden ; 
bei Weitem die meisten der von Ballowitz untersuchten Duodena (lo unter 12) hatten 
die U-Form. Damit stimmen auch die Angaben von Th. Dwight (10), der unter 70 Fällen 
3 2 mal dieser Form begegnete, aber auch 21 mal der V-Form, 4 mal der Ring- und 5 mal 
der C-Form, d. h. der Hufeisenform der älteren Autoren. — Bemerkenswerth ist auch die 
Angabe Dwight 's (p. 519): The usual Statement, that the third part crosses the aorta 
presumably with no peritoneum intervening, and that the fourth ascends on its left, is in- 
correct. Jonnesco admits that this last part is much less firmly attached than the second 
and third, so that it slides easily. He states that when the fourth part ascends vertically 
it lies on the lower third or quarter of the left kidney, and that in the V-shape it only a 
little touches the kidney. He says that the second part is prae- renal, and the fourth also; 
but if the expression may be excused, it is less prae- renal (vergl. p. 17). »Tn point of 
fact,« fährt Dwight fort, »it is only exceptionally that the fourth part is prse- renal at all. 
Tn the 54 cases already mentioned, the duodenum was on the right on the Aorta tili just 
before the terminal flexure 26 times. It was wholly on the right 6 times. The fourth part 
lay in front of the aorta 11 times and the third part actually crossed the aorta 11 times. 
In many of the cases in which the gut lay on the front of tlie aorta es it ascended, or 
just before the final flexure, and in some of those in which the third part crossed the 
aorta, a fold of peritoneum lay between the two.« 

Die beiden Abbildungen von N. Bishop Harm an (16) geben eine gute Vorstellung 
von dem Verhalten des Mesocolon transversum zum Duodenum. 

MerkeTs (40a) Beschreibung (S. 532/33) mufs als für die meisten Fälle zutreffend 
angesehen werden, und mag sie deshalb hier mitgetheilt sein: »Der weitere Verlauf dieses 
Darmstückes wird meist als ein hufeisenfSrmiger beschrieben. Danach unterscheidet man 
auch eine Pars superior, descendens und inferior (es sind dies die von BNA 
angenommenen Namen m.), doch wäre es irrig, wenn man die Form des Duodenum als 
eine in allen Individuen gleichbleibende ansehen wollte. Beim Embryo stellt dasselbe ein 
gerundetes, mehr als einen Halbkreis beschreibendes Darmstück dar. Auch beim Erwach- 
senen kann es in dieser Form verharren und dann eine Art Spirale beschreiben , wobei der 
obere Theil dei' Windung den hinteren, der untere den vorderen Theil der Spirale dar- 
stellt Diese Form ist aber nicht die gewöhnliche. Im Laufe des Wachsthums zieht sich 
vielmehr der abgerundete Kontur des Duodenal ringes meist nach unten rechts in die Länge, 
so dafs aus dem Kreise eine U-Form, in extremen Fällen selbst eine V-Form entsteht. 
Das U wendet seine Concavität nach oben und ganz wenig nach links. Zu dieser Grund- 
form ^ommen noch einige weitere Biegungen hinzu«. Merkel beschreibt nun die Bie- 
gung der Pars superior, die Flexura duodeni superior, die Biegung der Pars descendens 
nach hinten, die Flexura duodeni inferior, als welche er den ganzen unteren Verbindungs- 
schenke] des U nimmt. Der aufsteigende Schenkel des ü ist nach der Form der Wirbel- 
säule gebogen. — Den Namen »Pars horizontalis inferior« lehnt Merkel in der An- 
merkung zu S. 534 ausdrücklich ab; er läfst seine Pars inferior stets über die V. cava 
inferior und die Aorta hinweggehen, wenigstens giebt er keine Ausnahmen an; dieser 
Theil des Darms liege zwischen diesen Gefäfsen und den Vasa mesenterica superiora wie 

3* 



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20 W. Waldeyer: 

in einer Gabel, welche ihn von oben umfasse. Ausdrucklich wird angegeben, dafs unten 
gegen die Flexura duodeni inferior hin, zwischen Kolon und Radix mesenterii, ein Stück vom 
Bauchfell glatt überzogener DuodenalHäche sichtbar werde, wenn man Colon transversum und 
Dünndarm entfernt hat. (PZine »Entfernung« dieser Theile ist nicht nöthig; es genügt, 
das Colon transversum mit seinem Mesocolon ein wenig in die Höhe zu heben und etwaige 
Dünndarmschlingen, die dort lagern, bei Seite zu schieben; ich bemerke dies hier aus- 
drücklich, weil das Wort »Entfernung« so gedeutet werden könnte, als müfsten die ge- 
nannten Theile weggeschnitten werden.) — Näher geht Merkel auf die Beziehungen zwischen 
Colon transversum, Mesocolon transversum und Duodenum nicht ein, erwähnt auch nicht 
der Ausdrücke: Pars supra- und inframesocolica. 

Bei Metten heim er (38) begegnen wir der auffallenden Angabe, dafs bei Neugebo- 
renen das Mesocolon transversum nicht die Pars desceridens, wie bei Erwachsenen, sondern 
die Pars horizontalis inferior kreuze. Ich will hierzu gleich bemerken , dafs ich dies bei den 
von mir untersuchten Neugeborenen nicht gesehen habe; die Kreuzung bildet zwar bei Neu- 
geborenen gewöhnlich eine mehr schräg aufsteigende Linie als bei Erwachsenen, liegt jedoch 
— so war es wenigstens in meinen Fällen stets — auf der Pars descendens. 

Folgende Punkte, hinsichtlich derer, wie aus der vorhergehenden Über- 
sicht hervorgeht, verschiedene Meinungen bei den Autoren noch bestehen, 
seien nach den Ergebnissen meiner eigenen Untersuchungen hier nun be- 
sprochen : 

Zunächst das Vorhandensein einer besonderen Pars horizontalis 
superior duodeni, dann die Annahme einer besonderen Pars hori- 
zontalis inferior und die einer Flexura duodeni tertia, endlich die 
Bezeichnung des unteren Duodenalstückes als einer Pars praevascularis, 
insbesondere Pars praeaortica (Jonnescu). 

Meines Erachtens kann kein Zweifel darüber bestehen, dafs man eine 
Pars horizontalis superior duodeni im Sinne der früheren Autoren beibehalten 
müsse, und kann ich Jonnescu nicht beipflichten, wenn er an ihre Stelle 
einfach eine Flexura subhepatica duodeni setzen will. Die fiir mich be- 
stimmenden Gründe sind folgende: Zunächst kann man in der weit über- 
wiegenden Zahl der Fälle, wenn das Duodenum in der Leiche in dem- 
jenigen Zustande angetroffen wird, in welchem man es auch beim Lebenden 
gewöhnlich voraussetzen darf, d. h. nicht stark durch Gase und Inhalt aus- 
gedehnt, feststellen, dafs vom Pylorus aus das Anfangsstück des Duodenum 
in einer ganz bestimmten Richtung und ungefalir 3 — 4*^" weit (beim Er- 
wachsenen) am rechten Rande der Wirbelsäule nach hinten und rechts zieht, 
ehe es in die Pars descendens umbiegt; diese Richtung ist im Wesent- 
lichen horizontal. Sie kann einmal etwas nach aufwärts oder auch ein 
wenig nach abwärts sich wenden, will man sie aber benennen, dann kann 



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Die Kolon 'Nischen n. s. w. 21 

keine andere Bezeichnung als »horizontal« oder »quef « gewählt werden. Es 
kommen, das soll ja nicht geleugnet sein, Fälle vor, wo der Darm sofort 
vom Pylorus ab sich in die Pars descendens umkrümmt; aber die Mehr- 
zahl hat doch den Entscheid zu geben. Ferner ist, gleichfalls überwiegend 
häufig, die Umbiegungsstelle (Flexura duodeni prima) der Pars horizontalis 
superior duodeni in die Pars descendens so deutlich ausgeprägt als Winkel 
oder schärfere Biegung, dafs eine Vernachlässigung des oberen Winkel- 
schenkels nicht gerechtfertigt erscheint. Endlich dai'f man aber auch wohl 
eine andere Thatsache, die freilich mit der Formbildung nicht zusammen- 
hängt, nicht übersehen, die nämlich, dafs dieses Anfangsstück des Duo- 
denum durch die Anwesenheit der Brunner'schen Drüsen und durch den 
Mangel an Kerckr Inguschen Falten vor allen anderen Theilen des Zwölf- 
fingerdarmes ganz besonders ausgezeichnet ist. Ich vermag es daher nicht 
als eine Verbesserimg der Beschi*eibung des Duodenum anzusehen, wenn 
man diesen Theil aus der Nomenklatur verschwinden lassen will. 

Nehmen wir eine P«rs horizontalis superior, oder, mit Schieffer- 
decker und den BNA, einfacher eine Pars superior an, dann mufs 
auch eine Flexura duodeni prima (superior BNA) bestehen bleiben.^ Denn 
eine Pars descendens wird von Allen zugestanden. 

Soll man nun auch eine Pars horizontalis inferior bestehen lassen, 
oder schlechthin von einer Pars inferior reden, wie es Merkel, Schieffer- 
decker u. A. thun, oder mit Ballowitz eine Pars superior, descen- 
dens imd ascendens annehmen, w^elche letztere bei der U-Form dem 
unteren Verbindungsstücke des U + dem rechtsseitigen Schenkel desselben 
, entspreche? 

Die BNA schlagen einen Vermittelungsweg ein, indem sie als Haupt- 
theile eine Pars superior, descendens und inferior unterscheiden , an letzterer 
aber als Untertheile eine Pars horizontalis (inferior) und ascendens 
zulassen. Meines Erachtens entspricht diese Bezeichnimg auch den That- 
sachen am besten. Schon aus der Litteratur haben wir ersehen können, 
dafs die XJ-Form die häufigere ist. Nun ist aber in einer ansehnlichen 
Zahl von Fällen das untere Verbindungsstück der beiden U- Schenkel recht 
grofs, mitunter so lang wie einer der beiden U- Schenkel selbst. Man 



* Warum ich hier »prima« vorziehe und nicht den BNA folge, wird sich alsbald 
ergeben. 



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22 W. Waldeyer: 

kann dann in der Duodenalnische ein erhebliches Stück dieses Verbindungs- 
bogens sehen , der bis zur Kreuzungsstelle mit dem Mesenterium mitunter 
völlig horizontal läuft, oder doch so wenig ansteigt, dafs man nur ge- 
zwungen und einem Princip zu Liebe hier schon von einer Pars ascendens 
reden könnte. Vergl. hierzu Dd. Taf. UI und die ausgezeichneten Abbildungen 
von W. Braune (4). Für diese Fälle trifft es nicht zu, dafe, wie Schieffer- 
decker und Ballowitz behaupten, das dritte Duodenalstück gleich von 
Anfang ab etwas aufsteigend verlaufe, und diese Fälle sind, meinen Er- 
fahrungen nach , doch zu zahlreich , um vernachlässigt werden zu können. 
Besonders zu beachten scheint mir in dieser Hinsicht auch das Verhalten 
des Duodenum beim Foetus, von dem Braune (4) in seiner Figur 11 eine 
treffende Abbildung gegeben hat. 

Da vielfach bei den Beschreibungen darauf Grewicht gelegt wird, dafs 
das Duodenum vor der Untersuchung gut gehärtet worden sei , so möchte 
ich hier die Frage aufwerfen, ob nicht die Formol- oder Chromsäure -Er- 
härtung, oder die stärkere Füllung eines Rohres solche delikate Formver- 
hältnisse, wie wir ihnen hier offenbar begegnen — es geht dies ohne Weiteres 
aus den zahlreichen einander widersprechenden Angaben guter Beobachter 
hervor — derart abändern, dafs sie nicht mehr denen entsprechen, wie wir 
sie im Leben anzunehmen haben. Man kann auch mit solchen Verfahren 
des Guten zu viel thun. Ich halte fiir topographische Untersuchungen 
immer noch das Meiste von der vorsichtigen Blofslegung der Theile bei 
frischen Leichen normal gebauter gesunder Individuen ; und fiir diese habe 
ich das Gresagte zutreffend gefunden. Selbstverständlich wird man sich 
auch anderer Verfahren (Gefrieren, Härten, Injiciren, Durchleuchten u. s. w.) 
bedienen; aber die einfache Inspektion unveränderter Theile darf nicht ver- 
nachlässigt werden und mufs immer zur Kontrole dienen. 

Lassen wir nun, wie ich es mit den BNA empfehlen möchte, eine 
Pars horizontalis inferior gelten, dann kommt noch eine vierte Portion 
des Zwölffingerdarmes als Pars ascendens hinzu, und damit auch noch 
eine weitere Flexur, die ich die Flexura duodeni tertia zu nennen 
vorschlage (vergl. -hin Tafel IIIu. IV) und so zugleich erkläre, weshalb ich vor- 
hin den Namen »Flexura prima« und nicht »superior« gebraucht habe. 
Die Flexura secunda wäre dann der Übergang von der Pars descendens 
in das Verbindungsstück des U; sie wäre beständig vorhanden, und zwar 
bei der V-Form als spitzer Winkel. Die Flexura tertia träfe für diejenigen 



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Die Kohn-Nisclien u, s. w. 23 

Fälle zu, wo wir eine Pars horizontalis inferior und ascendens zu unter- 
scheiden hätten und läge zwischen beiden. Sie ist in diesen Fällen in der 
That auch sehr deutlich und wird gut gesehen, wenn man die Radix 
mesenterii so nach rechts hin umlegt, daJs die Pars ascendens duodeni 
klar hervortritt. Als vierte Flexur besteht dann die Flexura duodenoje- 
junalis. 

Ich gehe noch in Kürze auf den Namen »Pars praeaortica« in der 
Darstellimg Jonnescu's ein. 

Es fragt sich, ob ich nach meinen Befunden zustimmen kann, der 
Pars horizontalis inferior allg^nein den Namen »praeaortica« (oder prae- 
vascularis) als einen zweiten passenden zuzulegen. Ich kann mich dazu 
nicht entschliefsen , wenigstens nicht in dem kaum eingeschränkten Um- 
fange, wie Jonnescu in seiner früheren Abhandlimg, aber auch in dem 
betreffenden Kapitel des Poirier'schen Handbuchs, wo es p. 247 (I. Aufl.) 
heiGst: »la troisieme (portion), horizontale, psusse devant la veine cave 
et l'aorte: c'est la portion horizontale ou preaortique« ; p. 252/253, wo 
diese Portion horizontale genauer beschrieben wird, ist indessen der Name 
»preaortique« nicht mehr gebraucht. — Der Name würde meines Erachtens 
niu* fiir die U-Form des Zwölffingerdarmes passen, denn nur hierbei geht 
der untere horizontale Schenkel meist vor der Aorta her, nicht aber bei 
der V- Form, bei der es, wie auch Jonnescu völlig richtig angiebt, nicht 
die Pars horizontalis inferior, sondern die Pars ascendens ist, welche 
»en echarpe« die Aorta kreuzt. Aber selbst bei der Ringform oder bei der 
U-Form habe ich Fälle beobachtet, in denen keine Kreuzung der Aorta 
stattfiuid, sondern, wo sich der aufsteigende U- Schenkel nur der rechten 
Seite der Aorta anlegte. Sonach ist es wohl besser von dem Zunamen 
»Pars praeaortica« gänzlich abzusehen. 

Die von Braune (4) und Merkel (40a) hervorgehobene Eingabelung 
des Duodenum zwischen den Vasa mesenterica superiora und der Aorta, 
welche auch Jonnescu betont (in Poirier's Handbuch 1. c. p. 253), findet 
denmach zwar in der Mehrzahl der Fälle, jedoch nicht immer statt. 

Schließlich berühre ich noch die Vorstellimg Colli er 's (The Duode- 
num: a syphon-Trap. The Lancet. London 1887, p. 308), dafe das Duodenum 
durch seine Form wie ein Wasserverschlufs einer Leitung wirken müsse 
und uns vor dem Zurücksteigen der Darmgase schütze. Dabei ist nun ver- 
gessen, dafe zu einem Wasserverschlusse auch Wasser in einer bestimmten 



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24 W. Waldeyer: 

Menge und Lagerung gehört, und solches oder eine ähnliche Flüssigkeit ist 
im Duodenum meist nicht in einer genügenden Menge und nicht in der er- 
forderlichen Lagerung vorhanden. Auch kann man Gasblasen unschwer durch 
Druck auf den Dann durch das Duodenum nach jeder Richtimg treiben, so 
dafs ein Motus antiperistalticus das Hindemlfe leicht überwinden dürfte. Eher 
könnte noch die Eingabelung des Duodenum zwischen die genannten grofsen 
Gefäfse hier angeföhrt werden; da sie aber nicht constant ist, ist sie auch 
wohl ohne besondere Bedeutung. 

Man kann Collier's Ausftihrungen kaum ernst nehmen; auch Ballo- 
witz (i) hat bereits darauf hingewiesen, dafs fiir die Behinderung des 
Zurücktretens von Darmgasen in den Magen wohl andere Momente eine 
gröfsere RoUe spielen dürften. 

3. Die zum Pankreas führenden Wege. 

Angesichts des zunehmenden Interesses, welches die Chirurgen dem 
Pankreas widmen, möchte ich dem Vorstehenden noch einige Wahr- 
nehmungen und Erwägungen über die Topographie dieses Organes hinzu- 
fögen, welche sich mir bei den beti'effenden Praeparationen aufgedrängt haben. 

Bekanntlich giebt es fiinf Wege, auf denen man anatomisch wie operativ 
zum Pankreas gelangen kann, drei intraperitonaeale und zwei extraperito- 
naeale. Die drei intraperitonaealen Wege sind meines Wissens zuerst von 
Luschka (36) hervorgehoben worden, a. a. 0. S. 30, wo es heisst: »Obwohl 
das Pankreas von der kleinen Curvatur aus nach Zerreifsung des Omentimi 
minus leicht erreichbar ist, so gelingt die möglichst vollständige Freilegung 
bei Obductionen doch am besten so, dafs man das grofse Netz nebst Magen 
und querem Grinmidarme gegen den Brustkorb zurücklegt und dhs zwischen 
der hinteren Bauchwand und dem Colon transversum sich anspannende 
Peritonaealblatt in querer Richtung durchschneidet, oder aucli zwischen dem 
Colon transversum und der grofsen Curvatur des Magens in die Höhle des 
Netzbeutels eindringt«. 

J. von Gerlach (14) hat dann wieder auf diese Wege hingewiesen. 
Er sagt a. a. 0. S. 703 : »Um in den Hohlraum der Bursa omentalis, also zur 
Ansicht des Pankreas zu gelangen, stehen drei Wege offen: Trennung des 
kleinen Netzes, des Mesocolon transversum und des Ligamentum gastro- 
colicum. Von diesen ist der letztere weitaus der empfehlenswertheste. 
Es wird in seiner ganzen Länge das Ligamentum gastrocolicum entweder 



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Die Kohn- Nischen u, s, w. 25 

eingeschnitten oder, was bei dessen Dünne ebenso leicht geht, eingerissen, 
der Magen nach oben, das Quercolon nacli unten geschlagen, worauf die 
vordere Fläche des Pankreas vor der Wirbelsäule frei zu Tage liegt». 

Die beiden Chirurgen, welche sich in der jüngsten Zeit wohl am meisten 
mit dem Pankreas beschäftigt haben und uns auch werthvolle Beiträge zur 
Topographie desselben lieferten, R. U. Krönlein (35) und W. Körte (33) 
schliefsen sich auch vom chirurgischen Standpunkte Ger lach an; vom ana- 
tomischen aus dürfte wohl kein Widerspruch erhoben werden. Krönlein 
hat bei einer von ihm ausgefiihrten und so klar beschriebenen Operation 
(Entfernung eines Angiosarkoms aus dem Pankreaskopfe) , dafe man jedem 
Messerzuge folgen kann und ein plastisches Bild des ganzen Operationsfeldes 
vor sich sieht — sie wird sicherlich so wie die fast gleichzeitig ausgeführte 
Operation von Biondi ihre Bedeutung in der Geschichte der Pankreas- 
chirurgie behalten — , diesen Weg eingeschlagen. Nur glaube ich, dals es 
zu viel gesagt ist, wenn Krönlein meint (S. 29), dafs bei Tumoren des Pan- 
kreaskopfes ein anderer Weg kaimi eingeschlagen werden könne. Jeden- 
falls kommt hier auch noch der Weg durch das Omentimi minus in Be- 
tracht, wenn ich mir auch die Schwierigkeiten nicht verhehle, welche die 
gröfsere Enge des zur Verfügung stehenden Feldes und die chirurgisch 
sehr imbequeme Verästelung der Arteria coeliaca hier bereiten müssen. 
Ohnehin sind ja Operationen am Pankreaskopfe viel schwieriger wegen 
dessen festerer Lage, der Ausfahrungsgänge der Leber und des Pankreas 
selbst und vor allem auch noch, wie ich besonders hervorheben möchte, 
wegen der Vena portae, welche hinter dem Pankreaskopfe aus ihren 
Wurzelvenen entsteht und auf einer ansehnlichen Strecke noch hinter dem 
Kopfe verläuft. Es sind aber doch Fälle bekannt, und werden weiterhin 
sicherlich vorkomimen, dafs Kysten oder feste Neoplasmen des Pankreas sich 
unter das kleine Netz hin wenden, so dafe sie von hier aus am besten zu 
erreichen sind. Das wird eben in concreto beurtheilt werden müssen. — 
Vollständig aber wird man Krönlein beipflichten, wenn er die Ansicht 
Paul Ruge's (49), dafs der Weg durch das Omentum minus vorzuziehen 
wäre, ablehnt. 

Was den dritten Weg, den durch das Mesocolon transversum zu bahnen- 
den, anlangt, so scheint mir für diesen Krönlein auch wieder zu weit 
zu gehen, wenn er (a. a. 0. S. 30) sagt: »Die gewöhnlichen topographisch- 
anatomischen Bilder sind nach Praeparaten gezeichnet, bei welchen das Colon 
nys, Abk. 1900. II. 4 



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26 W. Waldeyek: 

transversum mit seinem Mesocolon nach oben imij?eschlagen und letzteres von 
unten durchtrennt ist. Allein, da dieser Weg von dem Chirurgen 
schon wegen der eminenten Gefahr einer Verletzung der Meso- 
colongefässe nicht eingeschlagen werden darf, wenn eine aus- 
giebige Blofslegung des Pankreas beabsichtigt wirdS so sind 
diese Zeichnungen und Bilder für chirurgisch -praktische Zwecke nicht recht 
brauchbar.« Ich konune alsbald hierauf zurück. 

W. Körte spricht sich, a, a. 0. S. i8, ebenfalls dahin aus, dafs man 
in der Mehrzahl der Fälle den Weg zwischen Magen und Querkolon unter 
Durchtrennung des Ligamentum gastrocolicum zu wählen haben werde. »In 
selteneren Fällen, föhrt er fort, geht der Weg oberhalb des Magens durch 
das kleine Netz, oder unterhalb des Colon durch das untere Blatt des Meso- 
colon. Bei letzterem Vorgehen müssen grofse Gefäfee sorgfältig geschont 
werden, da ihre Unterbindung die Gangrän eines Theiles des Dickdarmes 
leicht nach sich zieht.« Dies war u. A. in dem von Krönlein operirten 
FaUe eingetreten. Merkel (40a), welcher eine vortreflFliche Abbildung 
(Fig. 182) des Pankreas in seinen wichtigen und mannigfachen Beziehungen 
zu den grofsen Unterleibsgefäfsen giebt, spricht sich am entschiedensten 
für den Zugang zum Pankreas durch das Ligamentum gastrocolicum aus 
(S. 538): »Der einzig gangbare Weg ist der zwischen grofeer Curvatur des 
Magens und Querkolon«. Der Weg durch das Mesocolon transversum sei 
ganz zu verw^erfen , da man gezwungen sei , erhebliche topographische Stö- 
rungen vorzimehmen , da das Querkolon die Übersicht imnöthig verenge 
und da eine Trennung des Quorkolon -Mesenteriums chirurgisch keineswegs 
gleichgültig sei. Dies bezieht sich offenbar auf den von Krönlein ver- 
öffentlichten Fall mit nachfolgender Gangrän des Querkolon. 

Um zunächst bei dieser so merkwürdigen und verhängnifsvollen Gan- 
grän zu verweilen, so scheint mir die Ursache derselben noch nicht völlig 
klar gestellt. Krönlein zählt (mit dem seinigen) sieben Fälle auf, in denen 
nach intraserösen Operationen in der Oberbauchgegend Gangrän des Colon 
transversum auftrat, so dafs diese Gefahr eine von den Chirurgen schon 
recht gefiirchtete ist. Nun sind aber sechs Fälle unter diesen nach schweren 
Magen -Pylorusresektionen vorgekommen, wobei Adhaesionen zwischen Quer- 
kolon und Magen mühsam durch trennt werden mufsten. Dafs es dabei, selbst 



Der gesperrte Druck Lst von mir veranlafst. 



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Die Kolon- NiscJien u. s. w, 27 

unter Beobachtung der gröfsten Vorsieht, zu ausgiebigeren Läsionen der 
eigenen KolongefU&e , welche im Mesocolon transversum zu ihrem Darm- 
theile verlaufen, kommen kann, wird Niemand bezweifeln, imd dann nimmt 
es nicht Wunder, wie auch Czerny, Courvoisier und Rydygier (citirt 
bei Krönlein, a. a. 0. S. 25) betont haben, dafs Gangrän eintritt. Anders 
liegt die Sache freilich in dem hochwichtigen Falle von Krönlein. Hier 
war zwar auch das Querkolon vom Magen abgetrennt worden, aber so leicht, 
dafs jede Schädigung der Arkaden der Speisungsarterien des Colon dicht am 
Mesenterialrande des Darmes absolut ausgeschlossen war. Nur entschlois 
sich Krönlein, um der Gefahr einer Nachblutung zu entgehen, die Arteria 
und Vena colica media zwischen doppelter Ligatur zu durchschneiden. Die 
Gangrän des Kolon, welche als Todesursache (Patientin starb am sechsten 
Tage nach der Operation) bei der Obduktion festgestellt wurde, entsprach 
dem Gebiete der durchgeschnittenen GefäXse, und Krönlein steht nicht 
an, die Ausschaltung derselben för die Gangrän verantwortlich zu machen. 
Ich mul^ nun bekennen, dafs, auch zugegeben, es sei die Unterbin- 
dung der G^ßUse in diesem Falle die Ursache der Gangrän gewesen, das 
Eintreten der Gangrän, falls weiter nichts mitgewirkt hat, mir doch noch 
räthselhaft bleibt. Denn bei dem Verfaliren Krönlein's waren alle Anasto- 
mosen der Querkolon -Arterien, welche ja besonders reichlich sind, er- 
halten. Auch die von Litten in seiner wichtigen Arbeit über die Folgen 
des Verschlusses der Arteria me^senterica superior (35^) gegebene Erklärung 
der dann regelmäfsig eintretenden Gangrän der betroffenen Darmtheile kann, 
so beachtenswerth xmd gut begründet sie ist, fiir diesen speciellen Fall 
doch wohl nicht als ausreichend angesehen werden. Litten fand freilich 
auch nach isolirtem Verschlusse von Asten der A. mesenterica superior Gan- 
grän des regionären Darmabschnittes; das war aber bei den Ästen der 
A. mesenterica inferior nur selten der Fall. Insbesondere die der Arteria colica 
media entsprechende Arterie ist meines Wissens auch noch nicht experi- 
mentell imtersucht worden, obwohl der Krönlein'sche Fall als eine Art 
Experimentum crucis sich anführen läfst. Immerhin glaube ich, dafs hier 
vielleicht ein bis jetzt noch unbekannter Faktor mitgewirkt hat. Zu bedauern 
ist, dafe bei der Sektion die anatomischen Verhältnisse der Querkolon -Ar- 
terien nicht genügend mehr festgestellt werden konnten; vielleicht be- 
standen da Anomalien, welche Aufechlufs zu geben im Stande gewesen 
wären. Sicherlich ist auch eine Verlagerung und Exponinmg eines so 



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28 W. Waldeyer: 

grofsen schweren Darmstückes, wie es das Colon transversum darstellt, selbst 
bei aller Sorgfalt, welche anzuwenden möglich ist, nicht gleichgültig — 
und solche Operationen erfordern ihre Zeit! Ich fiige dies hier nur an, 
um zu erweisen, dafs noch nicht Alles klar ist und dafs vielleicht die Aus- 
schaltung einer Querkolon -Arterie an sich keine so immittelbare Gefahr 
der Gangrän mit sich fiihrt. Jedenfalls fordert der Fall auf, noch einmal die 
Litten 'sehen Experimente, insbesondere für das Querkolon, zu wiederholen. 

Ich möchte nun mit meiner Besprechimg dieses Falles einen Hinweis 
auf den Querkolon -Weg zum Pankreas verbinden und in dessen Verurth ei- 
lung nicht so weit gehen, wie Krönlein und insbesondere Merkel es thun. 
Besonders empfehlen will ich ihn zwar nicht, aber auch nicht diskredi- 
tiren. Durch die nachfolgenden kurzen Darlegungen wünsche ich die Chi- 
rurgen zu veranlassen, ihn fiir geeignet erscheinende Fälle zu prüfen, wie 
ja denn auch W. Körte ihn für solche FäUe sich offen hält. 

Wie Taf. I zeigt, bietet sich in dem Felde Funmittelbar über der Flexura 
duodenojejunalis eine grofee Strecke dar, in welcher man, selbst durch queres 
Einschneiden des Mesocolon, ohne Arterienverletzimg unmittelbar auf das 
Corpus pancreatis (P,) kommen kann. Ein grofser Theil des Pankreaskopfes 
(P) kann durch einen längs- oder querlaufenden Schnitt in der Area zwischen 
Art. colica media und colica dextra , oder einem an ihrer Stelle gewöhnlich 
vorfindlichen Ramus colicus (Taf. IV) erreicht werden. Das Feld V zeigt die 
Beziehungen zum Pankreaskörper auf den Tafeln I, 11 und III, V, auf Taf. IV. 
Nun ist es ja auch völlig zulässig, eine andere als die quere Schnittrichtung 
zu wählen, wenn sie nur hinreichenden Raum schafft; jedoch möchte ich, 
was die Topographie des Pankreaskörper anlangt, darauf aufmerksam 
machen, dafe sehr oft in dem Felde V — s. z. B. Taf. II und III — die 
grofsen Venae mesentericae dicht am unteren Pankreasrande bogenförmig 
zusanumen treten. 

Ein weiterer Punkt, den ich berühre, ist das weite Hinabreichen des 
Pankreaskopfes, so dafs das Organ ^x^ förmig oder bogenförmig erscheint 
(vergl. Taf. I u. III, P). Seit His' bekannter Arbeit ist es ja gewöhnlich 
so beschrieben und auch abgebildet worden, so auch in der angezogenen 
Figur von Merkel; aber da dieses Verhalten in den Figuren von Krönlein 
und Körte nicht deutlich hervortritt, während ich es an den von mir be- 
nutzten Leichen fast stets gut ausgeprägt fand, wollte ich doch noch ein- 
mal darauf hingewiesen haben. 



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Die Kolon 'Nischen ti. s. w. 29 

Am Klarsten übersieht man dieses Alles an Leichen magerer Kinder, 
deren Gefäfse injicirt sind; man hat nur nöthig, das Mesocolon transversum 
hinanfzuschlagen imd die dünnen Därme bei Seite zu schieben; grofee 
Zerrungen sind dabei gar nicht nöthig. Nach solchen Praeparaten sind die 
Figuren auf den Tafeln I— IV getreu nach der Natur gezeichnet. Das Pankreas 
ist bei derartigen Leichen genau so deutlich zu sehen, wie es hier ab- 
gebildet ist, ebenso die übrigen Organe. Hat man sich erst bei solchen 
günstigen Objekten die nöthige Sicherheit im Auffinden der Theile ver- 
scliafft, so kann man dieselben auch an ungünstigen Leichen Erwachsener 
mit starker Fettentwickelung ohne sonderliche Mühe wiedererkennen. Dafs 
bei dieser Haltung des Colon imd Mesocolon transversimi irgend welche 
erhebliche topographische Stönmg unterlaufe, welche — denn darauf kommt 
es ja an — das Vorgehen bei einer Operation erschwere, glaube ich ver- 
neinen zu dürfen. 

Ich bemerke noch, dais J. Israel (31) in einem sehr bemerkenswerthen 
Falle von beweglichem Pankreas zur Eröffiiung einer Pankreaskyste den 
oberen Weg durch das kleine Netz eingeschlagen hat. In einem zweiten 
Falle zeigte sich, dafs es nicht möglich war, weder von diesem oberen 
Wege aus, noch durch das Ligamentum gastrocolicum (wegen fester Ver- 
wachsung des Magens mit dem Ciolon transversum) zu einer Pankreaskyste 
zu gelangen. Israel schlofs die Operationswimde \md punktirte mit bestem 
Erfolge in der Parastemallinie unterhalb des linken Rippenbogens. In 
ähnlichen Fällen könnte wohl an den dritten Weg durch das Mesocolon 
transversum gedacht werden; dafs dieser immer gangbar sei, ist selbst- 
verständlich damit nicht gesagt. 

Auf die beiden »extraperitonäalen« Wege (von der rechten und linken 
Weiche aus) gehe ich hier nicht näher ein. 



n. Die Arteriae colicae. 

Bevor auf die Darstellung der Arterienfelder der Bauchhöhle einge- 
gangen werden kann, müssen die Arteriae colicae, welche aus den beiden 
Arteriae mesentericae ihren Ursprung nehmen, einer Besprechimg unter- 
zogen werden, denn es dürfte kaum Arterien des menschlichen Körpers 
geben, welche einer so verschiedenen Beschreibung unterliegen, wie die 
genannten. Die Ursache hierför mag wohl in den zahlreichen, zum Theil 



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30 W. Waldeyer: 

jedoch nur unbedeutenden Abweichungen, welche diese Arterien darbieten, 
gefunden werden, zum Theil auch in mifsverständlicher Anwendung einmal 
vorhandener Bezeichnungen, die man beizubehalten wünschte, endlich viel- 
leicht auch darin, daJfe der Beschreibung zu wenig Praeparate zu Grunde 
gelegt wurden. Immerhin kann man, wenn man von kleineren Abweichun- 
gen in den Beschreibungen absieht, die Darstellungen der Autoren von 
den betreffenden Arterien in einige Haupttypen zusammenfassen, die ich 
im Folgenden in Kürze angebe. 

A. Kolongebiet der Arteria mesenterica superior. 

Die aus der A. mesenterica superior entspringenden Äste för das 
Kolon, Caecum, den Processus vermiformis und das distale Ileumende 
werden von der Mehrzahl der Autoren auf zwei verschiedene Weisen be- 
schrieben, die wir als Typus A und als Typus B unterscheiden wollen. 

Der Typus A nimmt drei Arteriae colicae an, welche entweder 
gesondert aus der Arteria mesenterica superior entspringen , oder von denen 
zwei — meist die beiden unteren — mit einem gemeinsamen Stamme 
aus ihr herv^orgehen. Dabei wird das letzte Ende der Hauptarterie, wie 
es in das untere Ileum ausläuft, nicht mit hierher gerechnet imd fuhrt 
keinen besonderen Namen. Diese drei Arteriae colicae werden verschiedent- 
lich benannt, als prima, secunda und tertia, oder als superior, media 
und inferior, wobei unter prima = superior das am meisten kopfwärts 
entspringende Gef&fs zu verstehen ist. Die deutschen Autoren bezeichnen 
die A. colica superior als Colica media, die Colica media der anderen 
Autoren als Colica dextra und die Colica inferior der letzteren als Ileo- 
colica; fiir diese wird auch von einigen, z.B. von Fr. Reinke (44), der 
Name Ileocoecalis gebraucht. • 

Dieser Darstellung begegnet man bei Beaunis und Bouchard (2), 
bei Calleja y Sänchez y Oloriz (6), bei Debierre (9), Henle (21), 
C.E. Hoffmann (24), W.Krause (34), Luschka (37), Poirier(4i), Quain 
(42), Rauber (43), Reinke (44), Romiti (45), Rüdinger (47), Sappey 
(50), Stieda (53), Testut (54) und Theile (52). Immerhin sind auch 
diese Autoren, zu denen ich leicht noch hätte andere fügen können, in 
einzelnen Angaben wieder unter sich verschieden. Theile giebt die ein- 
gehendste Beschreibung, ebenso Hildebrandt Weber (22), der auch hier- 
her gehört. 



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Die' Kohn- Nischen u. s.w. 31 

Ich lasse Tlieile's Darstellung, um ein bestimmtes Beispiel zu geben, 
hier folgen: 

S. 179 wird die »obere Gekrospulsader, Mesenterica s. Mesaraica superior«, als ein 
4i Linien dicker und 7 — 8 Zoll langer Stamm beschrieben, der in schwach nach links 
convexem Bogen allmählich in ein liniendickes Ende auslaufe; dieses >£nde« wird nicht 
besonders benannt. Als Äste werden aufgeführt: 

1. A. pancreatico-duodenalis inferior. 

2. 10—15 grofsere und 8—12 kleinere Dünndarmpulsadern, Aa. intestinales. 

3. »A. ileo-colica, als ein gegen li Linien dicker Ast, welcher der 5.-8. gröfseren 
DQnndarmpulsader gegenüber entspringt, gegen den Blinddarm herabsteigt und sich in einen 
auf- und einen absteigenden Ast theiit, die unter einander bogenförmig verbunden sind. 
Der absteigende oder Rrummdarmast, Ramus iliacus, vereinigt sich mit dem Ende 
der oberen Gekröspukader und giebt noch Dünndarmaste an den letzten Theil des Krumm- 
darmes. Der aufsteigende oder Grimmdarmast, Ramus colicus, vereinigt sich mit der 

rechten Grimmdarmpulsader Es werden als grolsere und deshalb besonders benannte 

Zweige der A. ileo-colica noch aufgeführt die Wurmfortsatzpulsader, A. appendicalis 
und die Blinddarmpulsader, A. coecalis. 

4. A. colica dextra, colica dextra media (Tiedemann, Tab. 23 Nr. 20). Sie ist ein Ast 
von I— i-)- Linien Dicke, entspringt bald aus dem Stamme der oberen Gekröspulsader ober- 
halb der A. ileo - colica , bald ist sie ein Ast der mittleren Grimmdarmpulsader (Nr. 5), bald 
ist sie (und nach M. J. Weber wäre dies der gewohnlichere Fall) mit der Hüftgrimmdarm- 
pulsader (A. ileo-colica) verbunden. Sie verlauft nach rechts gegen den aufsteigenden 
Grimmdarm, theiit sich früher oder später in einen absteigenden und aufsteigenden Ast 
zur V^erbindung mit der A. ileo-colica und A. colica media und versorgt den rechten 
Grimmdarm. 

5. A. colica media (Tiedemann, Tab. 23 Nr. 16), mittlere Grimmdarmpulsader, ent- 
springt den oberen Dünndarmpulsadern gegenüber als ein i— i^^ Linien dicker Ast, dringt 
zwischen den Blättern des Quergrimmdarmgekröses nach vorn und etwas nach rechts, 
theiit sich bald in einen rechten und linken Ast (Ramus anastomoticus dexter et sinister), 
die sich mit der Colica dextra und der Colica sinistra vereinigen und versorgt den queren 
Grimmdarm«. 

Diese Beschreibung entspricht zweifellos in vielen Fällen den That- 
sachen; es fragt sich nur, ob sie das getreueste Durchschnittsbild giebt. 
Man mufs an ihr aussetzen, dafs einfach gesagt wird, die A. colica media 
versorge den queren Theil des Grimmdarms ; das ist nicht genau genug. 
Sie versorgt im Durchschnitt nur die rechte Hälfte des Querkolon, femer 
die Flexura coli dextra und noch das oberste an diese Flexur stofeende 
Stück des Colon ascendens (vergl. hierzu die Figur 934 des Atlas von Toldt 
(S. 578) n. Auflage, welche dieser Beschreibung entspricht, ferner meine 
Zinkographie b, S. 44 dieser Abhandlimg, sowie meine Tafeln I und II). 
Diese hier gegebenen Abbildungen entsprechen gleichfalls der Th eile 'sehen 
Beschreibung: aber man sieht zugleich aus allen den angezogenen Figuren, 



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32 W. Waldeyer:'. 

dafs die Angaben Th eile 's über das Versorgungsgebiet der A. colica media 
nicht genau sind. 

Luschka und C. E. Hoffmann lassen die Arteria colica dextra (»moyenne« der 
franzosischen Autoren) sehr häufig aus der Ileocolica (inf^rieure) entspringen — das 
stimmt ziemlich mit der Angabe M. J. Weber's — , Testut nur manchmal (quelquefois). 
Die Namen superior, media, inferior gebrauchen die genannten spanischen Autoren (6), in- 
dem sie drei »Arterias colicas derechas« beschreiben. In der Abbildung des spanischen 
Lehrbuches, welche die Tiedemann-Sappey'sche ist, sind aber nur zwei Arterien zu 
sehen. — Seltsam muthet es an, wenn ein so genauer Autor wie Qua in (p. 463) sagt: 
■ that the Ileocolica is not always distinct from the termination of the superior mesenteric«. 

In dem Po irier' sehen Handbuche wird die Henle'sche Figur reproducirt und die 
Colica media der deutschen Autoren als »Artere du Colon transverse« bezeichnet. Diese 
Bezeichnung dürfte sich nicht empfehlen, da, wie schon vorhin bemerkt, dieses Gefafs auch 
noch Äste zum Colon ascendens sendet. Die beckenwärts folgende Arterie wird als »Artere 
du Colon ascendante« benannt = Arteria colica dextra der deutschen Handbücher; sie soll 
entweder selbständig von der Arteria mesenterica superior entspringen, oder aus der vor- 
hergehenden, oder aus der folgenden als secundärer Ast entstehen. Als dritte Arterie wird 
die »Artere il^ocolique« oder »Artere ileocolo- caecale« aufgeführt, welche der »Colique in- 
f^rieure« Sappey's oder der Ileocolica entspricht. 

Henle (a.a.O. S.167, Fig. 88) unterscheidet 2 — 3 Arteria e colicae ohne weiteren 
Beinamen und sagt in der Anmerkung zu S. 167 der zweiten Auflage seiner Gefafslehre: 
•Ich vereinige unter diesem Namen, nach Cruveilhier's Vorgang, die Arteria ileo- 
colica (Colica dextra inferior), Colica dextra (Colica dextra media) und Colica media 
der deutschen Handbücher, die sich, wegen der Veränderlichkeit der Zahl und des Ver- 
breitungsgebietes des Gefäfses, nicht immer ohne Zwang unterscheiden lassen«. 

Aus Sappey 's Beschreibung müssen wir folgende Stellen anführen (1. c. T.ll, p. 556 ff.): 

• EUle (r Artere m^sent^rique sup^rieure) se termine ä Textremite infferieure du repli 
m^senterique par une s^rie de branches assez gr^les qui se distribuent au caecum et ä 
Tappendice caecal.« 

»Dans le mesentere, la mesentdrique superieure se divise en deux ordres de branches: 
les unes partent de sa convexite, les autres de sa concavite. Les premi^res sont destinees 
a Tintestin gröle; les secondes ä la moitie droite du gros in testin, d'ou le nom de coliques 
droites qui leur a ete donne.« 

»Coliques droites. — Au nombre de deux ou trois, on les distingue sous les noms 
de superieure, moyenne et inf6rieure. La superieure est ascendante, la moyenne transver- 
sale; Tinferieure descendante. La premi^re et la derniere existent constamment, mais la 
moyenne manque assez souvent.« 

»La colique droite superieure s'anastomose par sa brauche ascendante avec la 
brauche egalemeut ascendante de la premiere colique gauche. L'arcade qui resulte de cette 
anastomose est la plus grande de toutes les arcades arterielles; un nombre tres - considei*able 
de rameaux partent de sa convexit^, pour se rendre au c61on transverse dans lequel ils se 
ramifient en se r^pandant les uns sur sa moitie superieure, les autres sur sa moiti^ inferieure.« 

»La colique droite inferieure s'anastomose par sa brauche descendante, avec la 
brauche terminale la plus elevee de la mesenterique superieure. Tous les rameaux fournis 
par Tarcade qui resulte de cette anastomose ä dirigent vers le Caecum , ainsi que les branches 



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Die Kolon 'Nisclien u. s. w. 33 

terminales inferieures de la inesenterique, et se ramifient dans les parois de cet intestin. — 
Parmi les branches terminales, il en est une plus consid^rable ordinairement qui passe au- 
dessous de Tetranglement correspondant ä la valvule ileo- caecale, et qui vient se distribuer 
a Tappendice vermiculaire.« 

Die »Colique droite moyenne« beschreibt Sappey nicht noch besonders; auch ge- 
denkt er nicht des Namens »ileocolique« sowie der Aste, welche die Art^re colique droite 
superieure zum oberen Ekide des Colon ascendens schickt. 

Man sieht, dafs sowohl Henle wie Sappey denjenigen Autoren zuzuzählen sind, 
welche in ihren Beschreibungen dem ersten Typus folgen; nur nehmen sie Beide eine Arteria 
ileocolica überhaupt nicht an, und Henle verzichtet gar auf eine weitere Benamsung der 
Arteri» colicse dextr». 

Der zweite Typus, der sich aus den vorhandenen Beschreibungen 
herauslesen läfst, wird u. A. von Henke (20), Joessel (27) und Brösike (5) 
vertreten. Es werden meist nur zwei Arteriae colicae angenommen, die 
Colica media und Colica dextra\ während die als solche benannte 
Arteria ileocolica das Ende der Arteria mesenterica superior darstellen soU, 
und nicht als ein besonderer Ast der Arteria mesenterica superior erscheint. 

Hyrtl (26) und Gegenbaur (13) liefern Beschreibungen, welche weder 
zu dem einen noch zu dem andern Typus genau stimmen. Bei der Be- 
deutung, welche die Lehrbücher dieser Autoren mit Recht haben, sollen 
ihre Darstellungen eingehender berücksichtigt werden: 

Hyrtl (a. a. O. S. 1058) schliefst sich insofern denjenigen Autoren an, welche die Ver- 
ästelung der konkaven Seite der Arteria mesenterica superior nach dem zweiten Typus dar- 
stellen, als er zwar drei Äste nennt, jedoch ohne Weiteres, also, wie es scheint, stets oder 
wenigstens als Re^el die Arteria colica dextra und media aus einem »gemeinsamen Wurzel- 
gefafse« hervorgehen läfst, so dafs nur zwei unmittelbar aus dem Stamme der Arteria 
mesenterica superior entspringende Gefäfse übrig bleiben. Aber er unterscheidet sich wiederum 
von den Vertretern des genannten zweiten Verästelungstypus, als bei ihm die Arteria ileo- 
colica als besonderer Ast der Arteria mesenterica superior erscheint, nicht als das Endstück 
der letzteren; das Endstück erwähnt Hyrtl wohl, benennt es aber nicht. 

Die Beschreibung Gegenbaur's lautet (a. a. O. Bd. II, S. 277 ff.): »2. Arteria me- 
senterica superior (Mesaraica superior) .... Äste dieser Arterie sind:« 

•c) Arteriae colicae. Dieses sind 3—4 Arterien, welche von der concaven Seite 
des Bogens der Arteria mesenterica superior abgehen. Sie ramificiren sich erst in einiger 
Entfernung vom Stamme und bilden weite Arcaden, von denen zum Coecum, zum Colon 
ascendens und transversum tretende Zweige entspnngen. Sie anastomosiren sowohl unter- 
einander als auch mit den Arterien der benachbarten Darmstrecken. Man unterscheidet 
folgende:« 

»I. Arteria ileo-colica. Sie ist entweder das Ende der Mesenterica superior, 
welches gegen die Endstrecke des lleum und von da zum Anfang des Colon ascendens ver- 



* Brösike, a.a.O. S.319, nimmt mehrere Aa. colicae dextrae an. 
Phf/8. Äbh. 1900. IL 



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34 W. Waldeyer: 

läuft, oder die Mesenteria superior endigt früher am Ileum, und dann geht eine besondere 
Arteria ileo-colica von der Concavität des Bogens jenes Stammes ab.« (Verzweigung am 
Coecum, einer Strecke des Colon ascendens, am Ende des Ueum; Anastomosen mit den be- 
nachbarten Arterien des Ileum und auch mit einer Arteria colica dextra.) «Der Ast zum 
Coecum schickt einen kleinen Zweig zum Processus vermiformis.« 

»2. Arteria colica dextra (Fig. 540). Diese entspringt hoher als die vorige von 
der Arteria mesenterica supeiior, verläuft nach rechts zum Colon ascendens und theilt sich 
in einen auf- und absteigenden Ast. Von diesen anastomosirt der erstere meist mit der 
Colica media, zuweilen auch mit einer zweiten Colica dextra, während der absteigende mit 
der Ileo-colica oder einer Arterie des Ileum sich verbindet« 

»Die Arterie versorgt das Colon ascendens, auch das Coecum und einen Theil des 
Ileum, wenn eine besondere Ileo-colica fehlt« 

»Zuweilen verläuft eine zweite Colica dextra zu einem hoher gelegenen Abschnitte des 
Colon ascendens. Dazu föhren Übergangszustände , welche in frühzeitiger Theilung des 
Stammes der Colica dextra gegeben sind. Die beiden Colicae dextrae sind als superior 
und inferior zu unterscheiden.« 

»3. Arteria colica media« (G e gen ba u r citirt seine Fig. 542, die Arterie ist aber 
ebenso gut auf Fig. 540 zu sehen) »entspringt von den Dickdarmarterien am höchsten, nicht 
weit von der Arteria pancreatico - duodenalis inferior. Sie verläuft zum Colon transversum 
und spaltet sich auf diesem Wege in zwei Äste. Der rechte Ast anastomosirt mit der Colica 
dextra, der linke verbindet sich mit dem aufsteigenden Aste der Arteria colica sinistra, 
die aus der folgenden Arterie entspringt — Auch die Colica media kann doppelt vorkommen, 
dann ist die Colica dextra einfach.« 

»Die Vennehrung der Colicae beruht also auf einer weiter gegen den Ursprung foit- 
gesetzten Theilung des betreffenden Arterienstammes. Man trifft somit den Stamm dieser 
Arterien von sehr verschiedener Länge und in allen Stadien bis zum selbständigen Ursprünge 
zweier gesonderter Arterien. Bei früher Theilung nimmt in der Regel jeder der beiden 
Äste ganz dasselbe Verhalten an wie bei völlig getrennt entspringenden Stämmen.« 

B. Arteria mesenterica inferior. 

Die Besehreibung der Verästelung der Arteria mesenterica inferior 
wechselt bei Weitem mehr als die der Arteria mesenterica superior. Nach 
der von mir eingesehenen Litteratur lassen sich vier Typen der Darstellung 
unterscheiden. 

Der erste Typus in der Beschreibung nimmt nur zwei Äste der Arteria 
mesenterica inferior an, welche als Theilungsäste des Stammes dargestellt 
werden: die Arteria colica sinistra und die Arteria haemorrhoidalis 
superior. Wenn bei den hierher zu rechnenden Autoren von mehreren 
Arteriae colicae die Rede ist, so werden diese als Aste der Arteria colica 
sinistra gezählt, aber nicht besonders benannt: von einzelnen werden auch 
Arteriae sigmoideae erwähnt, jedoch nur als Äste der Arteria haemor- 
rhoidalis superior. Gewöhnlich heifst es, dafs sowohl die Arteria colica 



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Die Kolon- Nischen u. s. lo. 35 

sinistra wie auch die Arteria haemorrhoidalis superior in je einen auf- 
steigenden und absteigenden Ast zerfalle. In dieser Weise stellen u. A. 
Brösike (5), Gegenbaur (13), Henle (21), Hyrtl (26), Joessel (27), 
W. Krause (34), H. Luschka (37) und Rüdinger (47) die Sache dar. 

Ich gebe die Beschreibungen Gegenbaur's und Henle 's als bestimmte 
Beispiele: 

Bei Gegenbaur (a.a.O. S. 279) heilst es: 

»Arteria mesenterica inferior (inesaraica inferior) (Fig. 542). Diese kleinste der 
von der Aorta abgegebenen Arterien des Darinkanals entspringt am unteren Drittel der Bauch- 
aorta, etwa zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbel, und begiebt sich nach links und abwärts 
ins Mesocolon. Sie spaltet sich in zwei Äste*, welche Colon descendens, Flexura 
sigmoidea und Rectum versorgen.« 

•a) Arteria colica sinistra. Im Verlaufe nach links theilt sie sich in einen auf- 
und einen absteigenden Ast. Der Ramus ascendens verläuft zur linken Colonflexur 
empor und tritt mit dem Ramus sinister der Arteria colica media in Verbindung. Der Ramus 
descendens, welcher zur Flexura sigmoidea gelangt, verbindet sich mit Asten der 
folgenden.« 

-b) Arteria haemorrhoidalis superior (s. interna) verläuft ziemlich senkrecht 
herab und theilt sich wieder in zwei Aste: einen zur Flexura sigmoidea, welcher mit der 
vorigen Arterie anastomosirt, und einen andern ans Rectum, welcher im Mesorectum vor 
dem Kreuzbeine herab verläuft.« 

Henle (a. a. 0. S. 169) läfst den Stamm der Arteria mesenterica inferior in der Gegend 
der sogenannten Bifurkation der Aorta* in zwei Äste, die aufsteigende Arteria colica 
sinistra und die absteigende Arteria haemorrhoidalis interna, sich theilen. Die 
Arteria colica sinistra hat wiederum zwei Äste; sie bildet die bekannten Bogen einerseits mit 
der obersten Colica dextra (Henle), andererseits mit der Arteria haemorrhoidalis interna. 
Secundäre Bögen, von denen Henle in der Anmerkung sagt, dafs sie als Arteriae colicae 
sinistra superior, media und inferior bezeichnet würden, finden sich spärlich längs dem 
linken Colon. Der absteigende Ast, Arteria haemorrhoidalis interna, senke sich 
hinter dem Rectum in das untere Becken und theile sich in zwei Äste, welche zu beiden 
Seiten des Rectum herablaufen. 

Eine andere Reihe von Autoren, Jonnescu (30), Poirier (41), Ro- 
miti (45) und Theile (52), schliefen sich den eben aufgeföhrten zwar 
an, indem sie auch eine Theilung der Arteria mesenterica inferior in zwei 
Hauptäste annehmen, aber diese Hauptäste sich in gröfsere Nebenäste zer- 
legen lassen, die sie besonders benennen. So benennt Theile den oberen 
Hauptast als Colica sinistra superior und zerlegt ihn wieder in einen 
Ramus anastomoticus superior oder Colica sinistra superior und in eine 



* Der gesperrte Druck dieser Worte ist von mir veranlafet worden. 
' Dies stimmt nicht zu der von Henle angezogenen Figur (88); in dieser liegt die 
Theilungsstelle der Arteria mesenterica inferior weit oberhalb der Aortengabel. 

5* 



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36 W. Waldever: 

Arteria colica sinistra media; der untere (unbenarmte) Hauptast zerfallt in 

die Arteria colica sin. inferior und in die Arteria haemorrhoidalis superior. 

Als Beispiele gebe ich etwas ausfiihrlicher die Beschreibungen von 

Jonnescu (I.e. p. 306) und Poirier (I.e. T. II, p. 778): 

Jonnescu läfst die Art mesenterica inferior sich zunächst in zwei Stamme, 
einen Truncus communis f&r die Arteriae colicae sinistrae und die Aa. sigmoideae, und 
den Stamm der Art. haemorrhoidalis superior theilen. Der Truncus communis giebt, bevor 
er in das Mesosigmoideum eintritt, zwei Arteriae colicae sinistrae, eine obere und eine 
untere, ab (Arteres coliques gauches superieure et inferieure ou art^re du coIon iliaque). 
Im Mesosigmoideum zerfallt nun der Truncus communis in mehrere Arteriae sigmoideae. 
>Ces arteres se bifurquent et s'anastomosent en bas avec Tart^re h^morrhoidale superieure, 
en haut avec Tart^re colique gauche inferieure....« L'artere hemorrhoidale superieure 
descend sur la colonne lombaire et sur le sacrum; eile est destinee au rectum. Poirier's 
Darstellung stimmt mit der von Jonnescu in der Hauptsache überein. Er läfst die Arteria 
mesenterica inferior (Art^re petite mesenterique) im Niveau der Bandscheibe zwischen drittem 
und viertem Lendenwirbel entstehen.* »Peu apr^ avoir ^merge sous le bord inferieur du 
duodenum, environ au niveau de Tiliaque primitive gauche, la M. J. se divise en deux 
branches d'egal volume: le tronc des arteres coliques gauches et Tartere he- 
morrhoidale superieure.« Es werden weiterhin 2 — 3 »arteres coliques gauches« an- 
genommen, die aus dem > tronc des arteres coliques gauches« entspringen; die unterste 
derselben anastomosire mit der A. haemorrhoidalis superior, die mittlere gehe zur Ansa 
sigmoidea, weshalb sie auch als Arteria sigmoidea beschrieben werde. — Ich habe die 
Worte »unterste« und »mittlere« gesperrt drucken lassen, weil das von den Darstellungen 
der übrigen Autoren, auch Jonnescu's, abweicht. Vielleicht liegt auch bei Poirier ein 
Druckfehler vor. Die Poirier 'sehe Figur (431, p. 779) zeigt richtig, dafs die unterste 
der aus dem »Tronc commun« entspringenden Arterien, diejenige, welche mit der Arteria 
haemorrhoidalis superior anastomosirt , als »A. siginoide« bezeichnet ist, nicht die mittlere. 
Der »Tronc commun« ist als »Art. col. gau.« bezeichnet, dessen oberer Ast als »Ar. col. 
desc, der mittlere ist ohne Bezeichnung geblieben. 

Als einen dritten Typus der Beschreibung kann man den von Quain 
(42), Rauber (43), Reinke (44) und Stieda (53) annehmen. 

Die Arteria mesenterica inferior giebt hiernach drei getrennte 
selbständige Aste ab, die besonders bezeichnet werden: Colica sinistra 
superior, Colica sinistra inferior und Haemorrhoidalis superior 
(interna). Letztere gilt gewöhnlich als das Ende des Stammes, wird aber 
eben besonders benannt; zuweilen tritt er in den Beschreibungen als Ast 
auf. Für die Arteria colica sinistra inferior wird auch der Name Arteria 
sigmoidea gebraucht. 



* Meine Erfahrungen stimmen besser mit dieser Angabe als mit der Gegenbaur*s (2—3 Lenden- 
wirbel) 8. vorhin. 



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Die Kolon- Nischen u. s. w. 37 

Bei Quain — G. Dancer Thane — , dessen Besehreibung als Beispiel ich genauer 
mittheile, heifst es (1. c. p.463): »The inferior mesenteric artery .... gives off branches to 
the descending colon and the sigmoid flexure, and is continued under the name of superior 
hsemorrhoidal artery over the left common iliac vessels to the back of the rectum.« 

»Branches: (a) The left colic artery is directed to the left side behind the Peri- 
toneum and across to the left kidney etc It divides into two branches .... One of 

these two branches passes upwards along the colon, and inosculates with the left brauch 
of the middle colic; while the other descends and anastomoses with the sigmoid artery. 

»(b) The sigmoid artery runs obliquely downwards to the sigmoid flexure of the 
Colon ; the highest brauch joins the left colic , the lower ones tum downwards to the rectum 
and anastomose with the following artery. Instead of a Single sigmoid artery, two or three 
branches are sometimes present.« 

»(c) The superior haemorrhoidal artery, the continuation of the inferior mesen- 
teric, passes downwards over the left common iliac vessels, into the pelvis etc « 

Einem vierten Typus folgen die Beschreibungen von BeaunisetBou- 
chard (2), Calleja y Sanchez y Oloriz (6), Debierre (9), Sappey (50) 
und Testut (54), die als Regel vier oder gar ftbif selbständige Äste an- 
nehmen: eine Colica sinistra superior, von welcher die groJfee Anasto- 
mose zur Colica media geliefert werden soll, eine Colica sinistra media, 
eine Colica sinistra inferior und eine oder zwei Haemorrhoidales 
superiores. Die Beschreibung von Winslow (63) kann hier ebenfalls 
am besten angereiht werden. 

Die Darstellung dieser Autoren weicht insbesondere noch dadurch von 
den übrigen Beschreibungen ab, als sie zwei Arteriae haemorrhoidales 
superiores aus der Endgabelung der Arteria mesenteriea inferior hervor- 
gehen lassen; dies findet (nach Testut, a. a. 0. T. I p. 1071) in der Höhe 
des dritten Kreuzwirbels statt oder ein wenig darüber. Gewöhnlich wird, 
wie bekannt, die Arteria haemorrhoidalis superior als unpaarer Endast der 
Mesenteriea inferior angesehen und beginnt dann viel höher. 

Dafe die Arteria haemorrhoidalis superior später sich in zwei paarige 
Äste theilt, wird ja allseitig angenommen; aber die genannten Anatomen 
haben keinen unpaaren Stamm , den sie als Arteria haemorrhoidalis superior 
aufffihren. 

Die B. N. A. haben für die Kolon -Verästelung der Arteria mesenteriea 
superior: Arteria ileocolica mit der Arteria appendicularis , Arteria 
colica dextra und Arteria colica media, för die Arteria mesenteriea 
inferior: Arteria colica sinistra, Aa. sigmoideae und Ärteria hae- 
morrhoidalis superior. Die Atlanten von Spalteholz und Toldt 
schliefsen sich diesen Bezeichnungen an. 



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38 W. Waldeyer: 

Wie das im Vorstehenden Mitgetheilte ohne Weiteres ergiebt, darf 
man von den Auffassungen der Verästelung der beiden Mesenterial -Arterien 
versucht sein zu sagen : Quot capita tot sensus ! Ich habe schon in der Ein- 
leitung zu diesem Kapitel zu begründen gesucht, wie diese Unterschiede 
sich wohl erklären lassen möchten. 

Ehe ich zu der Beschreibung übergehe, welche ich als die empfehlens- 
wertheste ansehe , gebe ich noch zu einzelnen im Vorigen enthaltenen An- 
gaben eine kurze kritische Besprechung, welche gleichzeitig mit zur Be- 
gründimg meiner alsbald folgenden Darstellung der Arteriae colieae dienen 
mag: Henle's Vorgang, bei den Arteriae colieae dextri lateris auf jede 
imterscheidende weitere Bezeichnung zu verzichten, hat, wie man aus den 
nach seinem klassischen Handbuche erschienenen zahlreichen Kompendien, 
Hand- und Lehrbüchern der menschlichen Anatomie ersieht, keinen Beifall 
geftmden. Es ist ja zweifellos der einfachste Weg, um aus allen Bedenken, 
wie man eine zur rechten Kolonhälfte tretende Arterie benennen solle, her- 
auszukommen; indessen ist doch hier offenbar das Bedürfiiife nach einer 
genaueren Unterscheidung vorhanden. Merkel hat in dem von ihm nach 
Henle's Tode herausgegebenen »Grundrisse der Anatomie« die Henle 'sehen 
Bezeichnungen beibehalten, in dem aber ihm zugehörenden »Handbuche der 
topographischen Anatomie« nicht/ 

Das, was ich bereits vorhin bei der Besprechung der Th eile 'sehen 
Angaben aussetzte: die Beschränkung des Gebietes der Arteria colica media 
Äuf das Querkolon, hat noch fiir eine Anzahl anderer Autoren, z.B. Sappey, 
Geltung; es ist dies ein Punkt, der auch in praktischer Beziehung keines- 
wegs gleichgültig ist. 

Andererseits liegt ja das gröfsere Gebiet der Arteria colica media im 
Colon transversum; daraus folgt wiederum, dafs die Benennung Henle's 
fiir dies Gefäis, schlechthin als eine Colica d extra, nicht wohl annehm- 
bar ist. 

Vergleicht man den mitgetheilten ersten Satz der Sappey 'sehen Dar- 
stellung mit der von ihm als Illustration dazu mitgetheilten (Tiedemann- 



^ Verstelle ich die dort nach einem eigenen Praeparate von Merkel gegebene Figur 
i88 recht, so fehlt die Arteria colica dextra, worauf Merkel selbst aufmerksam macht; aber 
es entspringen auch die beiden Arteriae colica media und ileocolica aus einem kurzen ge- 
meinsamen Stamme. Dies ist ein sehr seltenes Voi'kommniis; in der mir zugängigen Litteratur 
fand ich einen solchen Fall nicht erwähnt. 



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Die Kolon- Nischen u. s. w. 39 

sehen) Figur*, so stimmt das kamn überein. Es sollen die Endzweige 
der A. mesenterica superior sich am Caecum und am Processus vermi- 
formis verästeln. Wenn man in der Figur die Hälfte der untersten Arkade, 
wie es sich gebührt, zmn Endstamme der A. mesenterica superior rechnet, 
so zeigt sich klar, dafs die Versorgung des Caecum und des Proc. vermi- 
formis der untei'sten Colica dextra (ileocolica) anheimfällt. Richtiger ist 
es sogar, noch das letzte quere Mündungsstück des Ileum dieser Arterie 
zuzurechnen. So habe ich es wenigstens immer gefunden — vergl. die 
hier mitgetheilten Figuren I und DI — , und auch die sonstigen Abbildun- 
gen zeigen es so. Ich gehe hier deshalb näher auf dieses ein, weil ich 
für die Benennung des imtersten Astes der Konkavität der Art. mesent. sup. 
als »Ileocolica« eintreten möchte. 

Häufig findet man angegeben, dafs die A. colica superior (»media« 
der deutschen Autoren) aufsteigend verlaufe. Denkt man sich die normale 
Lage des Colon transversum beim Lebenden, so wäre es genauer zu sagen 
»bogenförmig«, zunächst ansteigend, dann wieder absteigend. 

An der Beschreibung Hyrtl's kann nicht anerkannt werden, daXs die 
beiden oberen Aa. colicae dextrae (»media« und »dextra« der deutschen 
Anatomen) stets, oder auch nur der Regel nach aus einem gemeinsamen 
Wurzelgefäfse entsprängen; das ist zu viel gesagt. 

In der Darstellung von Gegenbaur erscheint es mifslich, dafe die 
Arteria ileocolica doppelt interpretirt wird, indem sie entweder das 
Ende der Mesenterica superior sein, oder, wenn die Mesenterica superior 
mit ihrem Ende nicht bis zum Caecmn heranreicht , als ein besonderer Ast 
der Konkavität des Bogens der Mesenterica auftreten soll. Meines Erachtens 
ist das letztere stets der Fall, oder doch in einer so überwiegenden Mehr- 
heit der Fälle, daJfe man den Namen »Art. ileocolica« nur för einen solchen 
selbständig entspringenden Ast verwenden sollte. 



^ Tiedemann, so scheint es, mufs es sich gefallen lassen, dafs seine prächtigen und 
instruktiven Figuren , welche eine der Grundlagen unserer Kenntnisse von den menschlichen 
Arterien bilden, von einem Handbuche in das andere wandern, ohne dafs ihr Ursprung 
genannt wird. So habe ich es mehrfach gefunden. Auch Sappey, obwohl er in seiner 
Vorrede sagt, dafs er bei den entlehnten Figuren stets den Autor anführen werde, hat dies 
bei Tiedemann unterlassen. — Eine rfihmliche Ausnahme macht u. A. das Handbuch 
Quain's. Die Ehrenpflicht der Nennung sollte auch den nicht mehr lebenden Autoren gegen- 
über aufrecht erhalten werden. 



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40 W. Waldeyer: 

Nach meinen eigenen Beftmden glaube ich nun als dasjenige Ver- 
halten der Arteriae colicae, welches in der Mehrzahl der Fälle vorliegt, 
Folgendes hinstellen zu sollen: 

Aus der Arteria mesenterica superior entspringen zwei Arterien 
(vergl. Taf . rV und Textfiguren a und Ä), eine, welche sich bogenförmig 
nach oben wendet, zunächst auf die Flexura coli dextra hinzieht, diese 
versorgt und mit der Colica sinistra den grofsen Bogen ^ für das Colon 
transversum bildet, sowie auch abwärts sich wendende Zweige zum Colon 
ascendens giebt; dies ist die Arteria colica media B. N. A. 

Die zweite Arterie, meist von gleicher Stärke, oder auch stärker, 
entspringt gewöhnlich in ansehnlicher Entfernung von der Arteria colica 
media weiter imten am Stamme der Arteria mesenterica superior, läuft 
steil abwärts, unter spitzem Winkel gegen den Stamm, zum Ileocaecal- 
winkel hin; es ist dies die Arteria ileocolica B. N. A. 

Eine besonders aus dem Stamme der A. mesenterica superior ent- 
springende dritte Arterie, welche zwischen den beiden Genannten ent- 
steht, bald der einen, bald der anderen mehr genähert, kommt kaum in 
der Hälfte der Fälle vor, so dafs man sie zu den unbeständigen Ästen 
der A. mesenterica superior zählen mufs, deren es noch mehrere geben 
kann. Es ist dies die A. colica dextra B. N. A. (vergl. Taf. I und DI und 
Textfigur c). Ich schlage vor, den Namen »Colica dextra« ausschliefslich 
für eine an der betreffenden Stelle unmittelbar aus dem Stamme der 
Arteria mesenterica superior hervorgehende Arterie zu verwenden, 
also für einen primären, nicht etwa f&r einen secundären Ast, der aus 
der Arteria colica media oder aus der Ileocolica stammt imd an derselben 
Stelle liegt, wo sonst eine echte (primäre) Arteria colica dextra gefunden 
wird, mag derselbe auch noch so beträchtlich sein. In einem solchen 
Falle würde ich stets sagen, dafs die Arteria colica dextra fehle. Verfährt 
man anders, so kann man in Zweifel konmien, welche Arterie man als 
Colica dextra bezeichnen soll. 

Hierfür mag u. A. die Bezeichnung der Figg. 465 u. 466, S. 423 u. 425, des Atlas von 
Spalteholz einen Beleg liefern. In Fig. 465 ist die Arteria colica media offenbar kurz 
abgeschnitten dargestellt, jedoch nicht bezeichnet. Es ist dann eine zweite Arterie abge- 
bildet, die sich reichlich verästelt, die Arteria ileocolica: — so nehme ich wenigstens an, 
obwohl das Ende des Bezeichnungsstriches mit dem untersten, ganz dünn auslaufenden 

* Arcus Riolani s. Halleri. — Vergl. Debierre, I.e. 



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Die Kolon- Aschen u. s. w. 41 

StQcke der Arterie zusammenfallt. Ein stärkerer Ast derselben, der oberste, wendet sich 
noch zum oberen Theile des Colon ascendens, ein schwächerer zum mittleren Theile 
bis zum Caecum hinunter; dieser schwächere Ast ist als Arteria coiica dextra bezeich- 
net. Mit demselben Rechte hätte man aber auch dem oberen Aste diesen Namen geben 
können. Oder man hätte, wie Manche es thun (s. die vorher referirten Angaben aus 
der Litteratur), von zwei Arteriae colicae dextrae sprechen können. Dasselbe gilt för 
Fig. 466. Die als »Coiica dextra« in Fig. 466 bezeichnete Arterie anastomosirt zudem gar 
nicht mit der Arteria coiica media, wie sie, dem nebenstehenden Text zufolge, es doch 
thun sollte. 

Für die Verästelung der Arteria mesenterica inferior vermag ich 
folgende Regel aufzustellen: Es entspringen (vergl. Taff. 11, lU und IV) aus 
ihrem Stamme gewöhnlich zwei gesonderte Arterien, deren oberste fast 
stets das ganze Colon deseendens bis zur Flexura sigmoidea hin versorgt; 
es ist dies die Arteria coiica sinistra BNA. Dann folgt, meist in ge- 
ringem Abstände von dieser direkt aus dem Stamme hervorgehend, eine 
schwächere Arterie, die Arteria sigmoidea BNA. Der Rest des Stammes, 
gewöhnlich noch stärker als die A. coiica sinistra, ist die A. haemor- 
rhoidalis superior BNA. 

Auch die Arteria coiica sinistra soll nur als ein Ast verstanden 
werden, der unmittelbar aus dem Stamm der A. mesenterica inferior her- 
vorgeht und sich jedenfalls am Colon deseendens verästelt. Nimmt man 
dieses als Merkmal an, dann sind Fälle von mehrfachen Arteriae colicae 
sinistrae selten. Mitunter mag zu einer Aufstellung mehrerer Arteriae co- 
licae sinistrae der ziemlich häufige Fall Veranlassung gegeben haben, dafs 
nur ein sehr kurzer Stamm der A. coiica sinistra existirt, der immittelbar 
nach seinem Abgange wieder in seine beiden Hauptzweige, von denen als- 
bald die Rede sein wird, zerf&llt und welcher wohl übersehen werden kann. 
Diese beiden Hauptzweige sind, wie bekannt, ein aufsteigender und ein 
absteigender Ast. Der aufsteigende Ast wendet sich vorzugsweise zur oberen 
Partie des Colon deseendens, zur Flexiu'a coli sinistra, und bildet die grofse 
Anastomose mit der Coiica media. Für die Form der Arterienfelder, welche 
von den Ästen der A. coiica sin. umschlossen werden , sowie fiir den Lauf 
der letzteren ist es von wesentlichem Belange, ob der Stamm der A. coiica 
sin. sich alsbald wieder theilt oder erst nach längerem Laufe (s. Abschnitt 
Arterienfelder). 

Der nächstfolgende Primärast der A. mesenterica inferior ist die Ar- 
teria sigmoidea oder, da sie häufig in der Mehrzahl vorkonmit, die 
Arteriae sigmoideae. Ich schlage vor, unter einer Arteria sigmoidea 
Phys.Ahh. 1900. IL 6 



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42 W. Walde yer: 

nur eine solche zu verstehen, welche sich der Hauptsache nach am Colon 
sigmoideum verzweigt und dabei Primärast der A. mesenterica inferior ist. 
Es kommt nun darauf an, zu bestimmen, wie weit man das Colon sig- 
moideum rechnen soll. Es sclieint mir richtig, darunter das ganze in der 
linken Regio iliaca und im kleinen Becken gelegene bogenförmige Darm- 
stück zu verstehen, welches, ohne dafs man stärkeren Zug anwendet, an 
einem deutlich als solches erkennbaren Gekröse frei beweglich aufgehängt 
ist. Rechnet man so, dann geht dieses Gekröse regelmäCsig bis zur Mittel- 
linie ungefähr des zweiten bis dritten Kreuzwirbels; vergl. hierzu Birming- 
ham: Some points in the Anatomy öf the digestive System. Joum. of anat. 
and physiol. Vol. XXXV, p. 33 (53-55). Ich ziehe also hier zum Colon sig- 
moideum BNA. Jonnescu's Colon iliacum -+- Colon pelvinum und bemerke, 
daXs ich die Angaben von Jonnescu und Birmingham, denen zu Folge 
das Colon iliacum zumeist gekrösfrei ist, bestätigen kann. In den Figuren 
der Tafeln II und IE ist das ganze Colon slgmoideiun entfaltet. Das »Rec- 
timi« rechne ich erst von da ab, wo die hintere Wand des Darmrohres 
merklich in grö&erer Ausdehnung bauchfellfi*ei wird und das Rohr nun- 
mehr median verläuft; dies dürfte meist vom oberen Rande des dritten 
Kreuz wirbeis ab der Fall sein. 

Läfst man diese Erklärungen gelten, dann sind fast immer mehrere 
Arteriae sigmoideae — bis zu 4 — vorhanden, von denen die obere 
(proximale) fast regelmäfsig die stärkste ist, sich auch gewöhnlich bald 
nach ihrem Ursprung wieder verästelt (s. Taf. HI). Eine unverästelte A. sig- 
moidea prima zeigt Taf. II. 

Der Rest des Stammes, welcher nach dem Abgange der letzten Arteria 
sigmoidea übrig bleibt, ist endlich die Arteria haemorrhoidalis superior. 
Sie ist \mter Anderem bemerkenswerth auch deshalb , weil sie wieder zu 
den symmetrisch paarigen Arterien des Beckens überleitet, insofern sie als- 
bald in zwei symmetrische Hauptäste sich theilt; jedenfalls aber ist sie da, 
wo man anfangen mufs, sie als Arteria haemorrhoidalis superior zu be- 
zeichnen, noch ein unpaares Geftfs, der Rest des Stammes der Arteria 
mesenterica inferior. 



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Die Kolon- Nischen u. $. w. 43 

Fig. a. 



A. ool. med. ^ coL med. »cccsror. 

Rain, colicas 

A. ileocolica 

„ Run. I a. ooL sin. 

Rjun. eolicus. 

A. mea. int 

Truncus a. mes. sup. 

Truncos a. ool. sin. 

Ram. n a. ool. sin. 
A. sigm. I. 
A. sigm. II. 
A. haem. sup. 



A. colioa media accessoria. VerXstelung beider Artt. mesentericae. SpXte Theilung der A. oolioa sinistra. 

Aus der A. mesenterica sup., deren Stamm unten zugleich mit der Radix mesenterii und dem 
Intestinum tenue mesenteriale resecirt ist, gehen hervor: 

1. Eine starke A. colica media accessoria, 

2. Eine A. colica media, welche einen ansehnlichen Ramus eolicus zur Flexura coli dextra 
sendet und durch dessen absteigenden Ast, der mit einem starken Ramus eolicus der A. ileocolica ana- 
stomosirt, einen Theil des Colon ascendens versorgt. 

3. Eine A. ileocolica, welche mit mehreren kleinen Asten in den Ueocaecalwinkel hinabsteigt. 
Eine A. colica dextra ist nicht vorhanden. Die A. colica media accessoria entspringt, unmittelbar nach 
dem Abgange der A. mesenterica sup. von der Aorta , aus der ersteren , und zwar aus deren vorderen 
Fläche; sie wendet sich zur Flexura coli sinistra und bildet einen grofsen Bogen mit der Colica media, 
einen schmaleren, langgestreckten mit der Colica sinistra. Der erstere umschliefst das grofse Feld -4, 
der zweite die beiden Felder Bi und B2, 

Von der A. mesenterica inferior entspringen nach längerem Lauf des Stammes: 

I. die A. colica sinistra, welche sich erst dicht am Kolonrande in ihre beiden gewöhnlichen 
Aste, den aufsteigenden (Ram. I a. col. sin.) und den absteigenden (Ram. II a. col. sin.) theilt; zwischen 
beiden Ästen liegt das kleine Feld B. Die Felder Bt und B2 sind sehr ungleich und kommen durch 
eine weitere Anastomose zwischen A. colica media accessoria und dem Ram. I a. col. sin. zu Stande, 

3. die A. sigmoidea I, ein starkes Geföfs, welches sich ähnlich wie die A. ileocolica auf der 
anderen Seite in mehrere kleine Äste auf lost, 

3. eine schwache A. sigmoidea II. Der Stamm geht als A. haemorrhoidalis superior in's 
Becken. 



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44 W. Waldeyer: 



Ftg.b. 



Gabelbrücke 
Gabel 

A. col. med. 

Ram. colicus I '**"• ^ ■• ^^^ »"»• 

. ., ,. Truncus a. col. sin. 

A. ileooolica 

Kam. II a. col. sin. 

Truncus a. mes. sap. 

'^ A. sigm. I 

Ram. coHcua H ^, ^^^ H 

A. ngm. ni 
A. haem. snp. 



Verlstelung beider Aa. mesentericae. FrOhe Tlieiinng der A. colica sinistra. Zwei Rami colici der A. ileooolica. 

Die A. mesenterica superior ist mit der Radix mesenterii und dem Intestinum tenue mesenteriale 
resecirt. Sie hat zwei Aste, eine verhältnifsmäfsig schwache A. colica media und eine sehr starke 
A. ileocolica. Wieder nimmt die A. colica media an der Versorgung des Colon ascendens Theil. 

Die A. ileocolica hat zwei starke Rami colici (Ram. colicus I und Ram. colicus II). 

Von der A. mesenterica inferior gehen ab. 

1. Eine A. colica sinistra. 

2. Drei Aa. sigmoideae, die sich ebenso wie das untere Stück der A. ileocolica reichlich ver- 
ästeln. Das Endstück der A. mesenterica inferior tritt als A. haemorrhoidalis superior in's Becken. 

Bemerkenswerth ist der Verlauf des Ramns I a. colicae sin., welcher mit einem Zweige in ähn- 
licher Lage zur A. colica media aufsteigt, wie in der Textfigur a die A. colica media accessoria, und 
so kann man die mit den Buchstaben A^By Bi und B2 bezeichneten Felder als entsprechende ansehen. 

Zj Hauptzweig des Ram. I art. colicae sin. zum Randgefäfse des Colon descendens. 



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Die Kolon -Nischen u. s. w. 



45 



Fis-c. 



A. col. med. 



Gabelbrflcke 
Gabe] 

A. coL med. acoessor. 



A. col. dext. 

A. ileocolic« 

TnmcQs a. mes. rap. 



Ram. 1 a. ooL sin. 
Tnincus a. col. siu. 
Ram. II a. rol. sin. 
A. sigm. I 
A. sigm. 11 
A. haem. sup. 



Verftstelong beider Aa. mesentericae. A. coliea media accessoria. A. eolica dextra. 

Der Stamm der A. mesenterica snperior nebst der Radix mesenterii imd dem Intestinum tenue 
mesenteriale sind resecirt. Aus der A. mesenterica superior entspringen vier Arterien: 

1. Eine A. coliea media accessoria aus dem vorderen Umfange des Stammes. 

2. Eine A. coliea media. 

3. Eine A. coliea dextra. 

4. Eine A. ileocolica. 

Die letztere ist bedeutend schwächer als im Falle der Figur 6. 
Aus der A. mesenterica inferior entspringen: 

1. Eine A. coliea sinistra, welche sieh alsbald in ihre beiden Aste theilt (Ram. I a. col. sin. 
und Ram. II a. col. sin.). 

2. Zwei Arteriae sigmoideae. Das Ende der A. mesenterica inferior tritt alsA. haemor- 
rhoidalis superior in das Becken. — Dieser Fall hat groise Ähnlichkeit mit dem Falle der Figur a 
und die Felder Ay Bi und B entsprechen einander; vergl. hierzu auch das im Text S.46 und 47 Gesagte. 



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46 W. Walde TER: 

C. Arteria colica media accessoria. 

Unter dem Namen einer Arteria colica media accessoria bezeichne 
ich eine nicht allzu selten vorkommende Arterie, welche direkt aus dem 
oberen Theile der Arteria mesenterica superior neben der Arteria 
colica media entspringt und sich gerade auf die Mitte des Colon transver- 
sum hinwendet, also im Mesocolon transversum fast senkrecht aufwärts 
steigt, wenn man letzteres in die Höhe schlägt. Diese Arterie entspringt, 
wie bemerkt, unweit der Arteria colica media und, wie mir scheint, ge- 
wöhnlich von der vorderen Wand der Arteria mesenterica superior, meist 
etwas höher oben als die Colica media; sie ist in den Textfiguren {a) und (c) 
abgebildet. Ist sie vorhanden, so nimmt sie Theil an der grofsen Anastomose 
mit der Colica sinistra, oder übernimmt diese ganz, indem sie sich gabelig 
theilt und den einen Gabelast nach links, den anderen nach rechts hinüber- 
sendet (Textfigur a imd c). Die Gabel wird diu'ch ein Zwischengefäfe über- 
brückt, wie es unter diesen Umständen .meist der Fall ist. 

Als eine Zwischenform oder Ubergangsform mufs vielleicht die durch 
die Textfigur b illustrirte betrachtet werden. In Fig. b sehen wir die Ar- 
teria colica sinistra sich alsbald nach ihrem Ursprünge theilen ; der Ramus 
ascendens wendet sich An&ngs steil aufwärts und biegt dann mit recht- 
winkeliger Knickung nach links zur Flexura coli sinistra um; hier angelangt, 
schlägt er durch einen grofsen Bogen nach rechts mit der Colica media 
die Anastomosis magna, nach links und abwärts mit dem unteren Zweige 
der Colica sinistra den Bogen des Nierenfeldes (B), Von der eben ge- 
nannten Abknickungsstelle des oberen Astes aber zieht in dessen aufstei- 
gender Richtung ein langer dünner unverästelter Zweig, der genau die 
Lage hat, wie eine Colica media accessoria zur Anastomosis magna und 
senkt sich mit Gabel in den Anastomosenbogen ein. 

Ähnlich wiederum wie in Fig. a liegt die Sache in dem durch die Text- 
figur c erläuterten Falle. Hier sieht man den Ramus I (ascendens) der Colica 
sinistra schräg zur Mitte des Colon descendens aufwärts steigen. Dort theilt 
er sich nahe dem Darmrande gabelig. Der aufsteigende Gabelast bildet den 
Bogen mit der A. colica media, welcher, streng genommen, als die grofse 
Haller'sche Anastomose bezeichnet werden müJfete; in diesen Bogen tritt 
in dessen Mitte eine Art. colica media accessoria mit einer Gabel ein, die 
wiederum überbrückt erscheint; das grofse Anastomosenfeld wird diesmal 



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Die Kolon 'Nisc/ien u. $. tc. 47 

in zwei fast völlig gleiche Unterfelder, A und -B, zerlegt. Der absteigende 
Gabelast schlägt dicht am Kolonrande einen Bogen mit dem Ramus 11 (de- 
scendens) der Colica sinistra. Das so entstehende Arterienfeld B ist von drei- 
eckiger Gestalt. 

Man kann sich nicht verhehlen, dafs zwischen den Fällen der Figur b 
einerseits und a und c andererseits eine gewisse Beziehung besteht, denn 
in dem Falle b nimmt der Ramus ascendens der Colica sinistra mit einem 
seiner Zweige den Lauf und die Lage einer A. colica media accessoria ein. 
Es tritt dieses insbesondere dann ein, wenn die Arteria colica sinistra sich 
alsbald nach ihrem Ursprünge theilt und eine Arteria colica media accessoria 
nicht vorhanden ist. Wie sich dabei die Arterienfelder verhalten, darüber 
weiter unten. 

Die Art. colica media accessoria ist bisher offenbar unter dem 
Namen »colica sinistra superior accessoria« oder als eine Verdoppelung 
der A. colica media beschrieben worden (vergLW. Krause, Varietäten bei 
Henle, a. a. 0. S. 296). Ich glaubte sie wegen ihrer nicht uninteressanten 
Beziehungen einmal besonders benennen imd dann auch ihres Ursprunges 
und ihrer Verästelung wegen als Colica media accessoria benennen zu 
sollen. 

So weit ich sehe, liegt in der Litteratur eine einzige Arbeit bis jetzt 
vor, welche sich mit den Darmarterien bei den übrigen Primaten beschäftigt; 
es ist die von N. Rüdinger veranlafste Abhandlung Wittmann's (64). 
Da von jeder Thierspecies nur ein Stück zur Verfügung stand, so lassen 
sich bindende Schlüsse aus dem von Wittmann Vorgebrachten nicht ziehen; 
auch mein eigenes Material an Primaten, welches zur Arterienpraeparation 
verwendet werden konnte, ist zu gering, um die Wittmann'schen Er- 
gebnisse genügend zu ergänzen. Im Grofeen und Ganzen erwiesen sich 
die Verhältnisse der Aa. colicae als dieselben wie beim Menschen; die A. 
colica dextra war nur einmal vertreten, imd zwar als ein sehr schwach 
entwickeltes Gefäfe beim Gorilla (Wittmann, Taf. V Fig. 6 Nr. 4). Ich 
vermag Wittmann nicht beizupflichten, wenn er meint (a.a.O. S. 97), dafe 
das, was er beim Orang, Taf. IV Fig. 4, als A. ileocolica bezeichnet und 
als solche auch beschrieben hat, richtiger wohl als eine A. colica dextra 
anzusehen gewesen wäre; an Stelle der Ileocolica wäre dann die letzte A. 
ilea zu setzen. Mein Gegengrund ist der, dais, wie die Abbildung zeigt, 
aus der convexen Seite dieser A. ilea eine Reihe Rami ilei noch hervor- 



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48 W. Waldeyer: 

gehen, was gegen ihre Deutung als A. ileocolica spricht. Die Figuren 
Wittmann's, welche die Verästelung der Arteria mesenterica inferior dar- 
stellen, möchte ich auch anders deuten, als es ihr Autor thut. Sie zeigen 
sSmmtlich die drei auch beim Menschen vorkommenden Äste: A. colica 
sinistra, Aa. sigmoideae und eine A. haemorrhoidalis superior, als Endstück 
der Stammarterie. Nur zeigen i. die Aa. sigmoideae, was bei dem sehr 
groJ&en Colon sigmoideimi der drei in Rede stehenden Anthropoiden nicht 
zu verwimdem ist, eine reichliche Entwickelung, und es hat 2. die A. co- 
lica sinistra bei allen drei imtersuchten Thieren nur einen sehr kurzen 
dicken Stamm, der sich in drei Äste zerlegt. 

Eisler (11) konnte, da bei dem ihm zur Verfügung stehenden Gorilla 
der Darm entfernt war, dessen Arterien nicht untersuchen. 

Als GesammtergebniXs meiner eigenen Beobachtungen über die Arteriae 
colicae an der Leiche, sowie nach dem Studium der Litteratur läist sich 
kurz hinstellen, dafs die B. N.A. in der Namengebung sowohl, wie in der 
Annahme der Zahl der zu benennenden Äste das Richtige getroffen haben. 
Nimmt man dazu die Grundsätze, welche ich darüber festhalten zu sollen 
glaubte, wann eine Arteria colica als solche besonders benannt werden 
soll, wann nicht, dann wird man in keinem Falle am Praeparate in Zweifel 
bleiben , wie eine vorgefundene Kolonarterie zu deuten und zu benennen sei. 

Mit der Aufstellung einer Arteria colica media accessoria glaube 
ich zur besseren Orientirung in der Sache einen kleinen Beitrag geliefert 
zu haben. 



nL Die Arteriellfelder der Bauchhöhle. 

Die von den Ästen der A. mesenterica superior und inferior gebildeten 
charakteristischen Bogen umgrenzen selbstverständlich bestimmte Felder, 
Areae arteriacae, Arterienfelder. Dieselben sind nun derart ange- 
ordnet, dafs sich zwischen ihnen imd einem Theile der Bauchorgane be- 
stimmte Lagebeziehungen feststellen lassen, deren Kenntnifs, wie mir scheint, 
unter Umständen praktischen Werth haben kann. So ist es wohl möglich, 
dafs ein oder das andere Organ in Folge von starken Fettmassen, Blut- 
oder Eiterergüssen bei einer Laparotomie schwer zu erkennen sein dürfte, 
während man die pulsirenden Arterien noch wahrnimmt und dadurch ein 
Hülfsmittel zu leichterer Auffindbarkeit der Organe gewinnt. Die in Rede 



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Die Kolon- Nischen n, s. w. 49 

stehenden Lagebeziehungen werden am beständigsten sein, wo es sich um 
retroperitonäal gelegene Theile handelt, während es in dem Bereiche 
langer Mesenterien, z. B. im Mesocolon transversum, ziemlich willkürlich 
bleiben wird, welchen Theil man in einen Arterienbogen hineinlegen will. 
Immerhin schien es mii' der Mühe nicht unwcrth, den hier im Allgemeinen 
dargelegten topographischen Beziehungen einmal näher zu treten. In den 
Tafeln I-IV sind dieselben bildlich dargestellt. 

Wenn wir an der rechten Körperseite mit dem Ileocaecalwinkel be- 
ginnen, so pflegen dort eine Anzahl in diesen Winkel zusammengedrängter 
kleinerer Bögen vorhanden zu sein (vergl. Taf. I und HI) , welche von den 
Ästen der Arteria ileocolica und deren Anastomosen mit dem Ende der 
Arteria mesenterica superior gebildet werden , so dafs von einem besonders 
auszuzeichnenden Arterienfelde hier nicht wohl die Rede sein kann. Immer- 
hin wolle man bemerken, dafs — s. Taf. I und THiJJ und ?/,) — in diesen Bezirk 
unterhalb der Arteria ileocolica und von ihr unter spitzem Winkel gekreuzt, 
der Ureter verläuft, über den weiter abwärts die Gekröswurzel hinweggeht, 
diese nahezu parallel dem Laufe der Arteria ileocolica (Taf. HI). Selbst- 
verständlich (nach dem Gesagten) fallt auch der Verlauf der Vasa sper- 
matica interna in dieses Gebiet. 

Weiter aufwärts vorrückend gelangen wii' in eins der beständigsten und 
wichtigsten Arterienfelder, in die Area renoduodenalis. Dieselbe wird 
umspannt entweder, falls eine gesonderte Arteria colica dextra vorhanden 
ist, von dieser und einem ihr entgegenkommenden Zweige der Arteria ileo- 
colica, oder es ist, falls eine Arteria colica dextra fehlt, ein die letztere er- 
setzender Ast betheiligt. In anderen Fällen — s. die Tiedemann'sche 
Figur der Arteria mesenterica superior sowie die Toldt'sche Figur 954, 
S. 578, Atlas der Anatomie des Menschen, i. imd 2. Auflage — sind es ein 
Ast der Arteria colica media und die Colica dextra, oder ein dieser ent- 
sprechender Ast der Ileocolica, welche dieses Feld einschliefsen. Immer aber 
ist hier ein von starken , leicht sichtbaren Arterien umspanntes ovales Feld 
vorhanden, in welchem regelmäßig die zweite Duodenalkrümmung mit den 
angrenzenden Theilen des Duodenum , d. h. also der in der Duodenalnische be- 
findliche Theil dieses Organes, gelegen ist (s. Taf. I, HI und IV). Von anderen 
Abbildungen wolle man z. B. Planche 31, Tome V des grofsen Atlasses von 
Bourgery und den anatomischen Atlas von Spalteholz, Fig. 465 und 
466, vergleichen. 

Phys.Ahh. 1900. IL 7 



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50 W. Waldeyer: 

Sehr häufig schaut auch das untere Ende der rechten Niere in dieses 
Feld hinein — Taf. in Ä — : doch ist dieses nicht durchweg der Fall, wie 
z. B. Taf. I ergiebt. Fast inuner aber dürfte der Anfangstheil des rechten 
Ureter in diesem Felde geftmden werden (Taf. I, III und IV). 

Schlägt man das Colon transversum mit seinem Mesocolon gerade nach 
aufwärts, so lassen sich zwei Felder, ein rechtes und ein linkes, unterschei- 
den , von welchen in der Mehrzahl der Fälle das rechte kleiner, das linke, 
der grolsen Haller'schen Anastomose entsprechend, gröfser ist. In der rechten 
Abtheilung sind mehrere kleinere Bogenfelder enthalten (s, Taf. HI). In dem 
untersten derselben, an die Area renoduodenalis anschliefsend, trifft man 
für gewöhnlich einen Theil der Pars infracolica des Duodenum, sowie den 
Kopf des Pancreas (P) durchschimmernd. 

In dem gro&en Felde des Haller'schen Bogens liegt unten die Pars 
ascendens duodeni und die Flexura duodenojejunalis, eingeschlossen zwischen 
die Arteriae mesenterica superior, colica media und den rechten Ast der Ar- 
teria colica sinistra, bez. die Arteria colica media accessoria. (Vergl. hierzu 
Taf. I und HI P, und V und femer u. A. die Atlanten von Spalteholz und 
Toldt.) Die Arteria colica media accessoria konmoit dann hier in Frage, 
wenn sie so weit nach links verläuft, wie in den Textfiguren a und e. Ober- 
halb der Flexura duodenojejimalis treten die grofsen Venenstämme zusammen 
zur Pfortader, dann folgt das Corpus pancreatis und darüber die vom Meso- 
colon transversum bei dieser Lage mit in die Höhe gezogene hintere Magen- 
fläche. Unterhalb des Pankreas tritt von links her oft noch ein gröfserer 
oder kleinerer Theil der linken Nebenniere in dieses Feld hinein. 

In bemerkenswerther Weise verkleinert sich das Feld des Haller'schen 
Bogens, wenn eine Arteria colica media accessoria vorhanden ist, welche 
so liegt, wie auf Taf. IV, d. h. weit naeli rechts hinüber. Man könnte 
dann fi-eilicJi, unter Vernachlässigung der A. colica media accessoria, 
auch sagen, das Feld sei durch den Ramus I a. col. sin. (Taf. IV) und die 
Arteria colica media begrenzt, also ganz besonders grofs. Man gewinnt 
aber, meiner Ansicht nach, eine die einzelnen Fälle meJir zusammenhal- 
tende und fiir eine Vergleichimg derselben geeignetere Auffassung, wenn 
man bei dem Vorhandensein einer A. colica media accessoria den Haller- 
schen Bogen zwischen diese imd die A. colica media verlegt; denn die 
A. colica media accessoria vertritt offenbar einen steil aufwärts steigenden 
Ramus I arteriae colicae sinistrae. Vergl. Taf. II und IV und die Text- 



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Die Kohn- Nischen u. s. w, 51 

figuren: in den letzteren sind die vergleiclibaren Felder mit einerseits A, 
andererseits B, 5,, 5, bezeichnet; in den Tafeln 11 und IV würden die 
Felder V und V, sowie F, und F, als einander entsprecliende anzusehen sein. 

Im unteren zugespitzten Abschnitte des grofsen Anastomosenfeldes 
liegt, wie erwähnt, fiir gewöhnhch die Flexura duodenojejunalis. Bringt 
man diese nach rechts hinüber, so wird ein Stück der Aorta abdomi- 
nalis, welche (vergl. das vorhin beim Duodenum Gesagte) in der Regel 
vom ZwöLBingerdarme bedeckt wird , frei . oben und unten von zwei meist 
kleinen Falten, welclie eine flache Vertiefung einschliefsen und über die 
Aorta weg zum Duodenum ziehen, besäumt. Nach rechts wird, falls man 
eben das Duodenum nacli rechts verschoben hat, diese die Aorta bergende 
Vertieftmg vom aufsteigenden Theile des Duodenum begrenzt, nach oben 
und imten von den beiden Falten , nach links vom XJbergangssaume beider 
Falten in einander und häufig von der Vena mesenterica inferior. Ich 
bezeichne diese Vertiefung als den Recessus aorticus. Im Bereiche des- 
selben entspringt, worauf micli Dr. Frohse auftnerksam machte, die A. sper- 
matica interna sinistra. Femer tritt hier von oben her an die Flexura 
duodenojejunalis der M. suspensorius duodeni (Treitz) heran. 

Ich lege dem Recessus aorticus niclit nur deshalb eine gewisse Be- 
deutung bei, weil dieses die Stelle ist, wo die Bauchaortii die geringste 
Bedeckung zeigt, wo man ferner, wenn man oberhalb der Arteria mesen- 
terica inferior zu unterbinden wagen wollte, den Zugang suchen müsste, 
und von wo aus man an die Arteriae renales kommen kann, sondern 
auch deshalb, weil dieser Recessus in der Tiefe der echten Treitz 'sehen 
Fossa duodenojejunalis liegt, die bei jungen Kindern meist noch wenig 
ausgebildet erscheint. Bei Kinderleichen sieht man immer ohne Schwie- 
rigkeit die Verhältnisse, wie sie hier geschildert sind. Ich gehe fiir dies- 
mal nicht näher auf das Verhalten des Recessus aorticus zu den von 
Th. Jonnescu und Brösike eingehend beschriebenen Taschen am Duode- 
num ein: das würde zu weit fiihren. Nur das wiederhole ich, dafs man 
von der echten Treitz 'sehen Fossa duodenojejunalis aus in der Tiefe und 
zur Mittellinie hin auf den Recessus aorticus und die Aorta abdominalis 
mit Leichtigkeit kommt. 

Über die Verhältnisse des Recessus aorticus geben die Tafeln II und HI 
Auskunft. In Taf. HI liegt das Duodenum wie gewöhnlich vor der Aorta, 
und man sieht nach rechts nur den Eingang in den Recessus mit dem 

7* 



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52 W. Waldeyer: 

Musculus suspensorius duodeni; in Taf. II ist die Flexura duodenojejunalis 
nach rechts hinübergedrängt, so dafs man den Recessus eröflfhet und in 
dessen Grunde die Aorta mit der von ihr entspringenden Arteria sper- 
matica interna (ovarica) sinistra erblickt. 

An der linken Seite sind als ziemlich regelmäfsige Bildimgen zwei 
Areae arteriacae zu unterscheiden, welche als das (linke) Nierenfeld 
und das Ureterfeld bezeichnet werden mögen. In typischer Ausgestaltung 
giebt Taf. HI beide Felder wieder. In der Kinderleiche, welche Fig. UI 
zu Grunde gelegen hat, ist ziemlich genau die ganze linke Niere von einem 
eng umschliefsenden Bogen umspannt, der von den beiden Hauptästen der 
Arteria colica sinistra geliefert wird; nur ein kleines Stück Nebenniere^ U^^ 
noch mit darin. Der Ureterbogen wird vom Stamme der Colica sinistra, 
deren imterem Aste und der Arteria sigmoidea I gebildet. Der Anfangstheil 
des Ureters liegt im medialen Abschnitte des Nierenfeldes. Darunter folgt 
das Ureterfeld mit CT,, gekreuzt von den Vasa sperm. intt. 

Eine andere Gestaltung zeigt Taf. 11. Hier steigt der obere Zweig der 
nur sehr kurzen Arteria colica sinistra (Ram. I a. col. sin.) steil aufwärts 
zur Flexura coli sinistra, wälirend der imtere Zweig (Ram. 11 a. col. sin.) 
quer zum Colon descendens verläuft. In Folge dessen erscheint das Feld 
weit gröfser als in Taf. HI, zumal auch der aufsteigende Ast vom unteren 
Zweige der Colica sinistra dicht am Kolon hoch aufwäi'ts steigt, bevor er 
sich mit dem oberen Zweige vereinigt. So konmit es denn, dafs in dem 
betreffenden Felde nicht nur die Niere (72), sondern auch die Nebenniere 
{GL sp.) und ein gi'öfserer Tlieil des Ureter {U) sowie ein Stück Magen- 
fiindus (r,), Pankreas (P^) und Milz (i) eingeschlossen werden. 

Das Ureterfeld (U^) ist gleichfalls vorhanden, aber in seinem medialen 
Abschnitte niedrig, so dafs nur ein kleines Stück Ureter Platz findet; der 
convexe Schlufs des Bogens gehört schon ganz dem Colon sigmoideum an. 
Ein weiteres Stück des Ureter {U^) erscheint noch zwischen zwei Arteriae 
sigmoideae. 

Es mag bemerkt werden, dafs die Verästelungen der Arteriae sigmoideae 
sich ähnlich verhalten wie die der Arteria ileocolica am Ileocaecal winkel : 
die Zweige sind dichter gestellt und bilden kleinere Bögen, so dafs von 
einem besonderen Arterienfelde hier nicht mehr die Rede sein kann. 



* Die Nebenniere ist in Taf. III mit GLsp, bezeichnet; die Bezeichnung steht aber auf 
dem aufserhalb des linken Nierenfeldes befindlichen DrüsenstQcke. 



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Die Kolon- Nischen f/. s. w. 53 

In den Figuren 464 und 465 bei Spalteholz (Anat. Atlas) ist das linke Nierenfeld 
ebenfalls zu erkennen, umfalst aber nur einen kleineren Theil der Niere; in Fig. 465 ist 
das Ureterenfeld deutlich. In Toldt's Figur 955 (Atlas, I. xind II. Auflage) ist ein etwas un- 
gewöhnliches Verhalten dargestellt, insofern die Arteria colica sinistra sich erst sehr weit von 
ihrem Ursprünge entfernt, ehe sie sich theilt. Auch in dem Atlas von Bourgery, Tome V 
Splanchnologie, Planche 31, sind die beiden Felder zu erkennen; nur sieht man wegen des 
starken subperitonaealen Fettgewebes den Ureter nicht deutlich durchschimmern. 

Die in Taf. 11 und IV einerseits und EI andererseits hier dargestellten 
Fälle sind ungeföhr als die beiden Extreme aufeufassen, zwischen denen 
sich die Variation der Felder bewegt; nur ist noch der Fall hinzuzufügen, 
in welchem das linke Nierenfeld so weit herabrückt, dafs es nur noch die 
untere Hälfte der Niere umfafst. Dies scheint häufiger bei Erwachsenen 
der Fall zu sein als bei Kindern. 

In einzelnen Fällen , namentlich bei grofsen Feldern wie in Taf. IV, 
können die Felder auffallend stark vertieft erscheinen ; sie werden zu wahren 
Hohlnischen, wobei die umrandenden Arterien, mit einer Art Mesangium 
versehen, stark vorspringen wie Ringe; so verhielt es sich in dem Falle 
der Taf. IV, 

Werfen wir noch einen Rückblick auf das im Text und in den Figuren 
Niedergelegte, so müssen wir, ungeachtet mancher Verschiedenheiten in der 
Form und Gröfse der Arterienfelder, anerkennen, dafs folgende nahezu als 
beständige und leicht nachweisbare zu bezeichnen sind: 

1. das rechte Renoduodenalfeld (Area renoduodenalis dextra), 

2. das linke Nierenfeld (Area renalis sinistra), 

3. das linke Ureterfeld (Area ureterica sinistra), 

4. der Recessus aorticus. 

Als bemerkenswerth mufs schliefslich das Verhalten des rechten Ureters 
zur Arteria ileocolica hervorgehoben werden. 



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Bd. 56, 1889. 

58. Treitz, W. , Hernia retroperitonealis. Ein Beitrag zur Geschichte innerer Hernien. 
Prag 1857. 

59. Treitz, W., Über einen neuen Muskel am Duodenum des Menschen, über 
elastische Sehnen und einige andere anatomische Verhältnisse. Prager Vierteljahrsschrift für 
die praktische Heilkunde, 1853, S. 113. 

60. Treves, Frederick, Traite d*anatomie appliquee a la Chirurgie. Ouvrage traduit 
de Tanglais par le Docteur E. Lauwers. Bruxelles, Manceaux; Paris, A. Maloine. 1900. 

60a. Treves, Fred., The anatomy of the Intestinal Canal and Peritoneum in Man. 
Hunterian Lectures 1885. London 1885. 4. H.K.Lewis. 

61. Vesalius, De corporis hum. fabrica. Basileae, per Joannem Oporinum , 1587. 

62. Weinberg, R., Topographie der Mesenterien und der Windungen des Jcyuno- 
ileum beim neugeborenen Menschen. Internationale Monatsschr. für Anatomie und Physio- 
logie, XIIL Bd., 1896, S.66fr. 



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Die Kolon 'Nischen u. s. w. 57 

63. Winslow, G. B., Exposition anatomique de la structure du Corps humain. 
Amsterdam, Toumeisen, 1752. T. III, p. 49. 

64. Witt mann, R., Die Schlagadern der Verdauungsorgane mit Berücksichtigung 
der Pfortader bei dem Orang, Chimpansen, Gorilla, Arch. für Anthropologie. Herausg. von 
L. Lindenschmit und J.Ranke. Bd. XX, 1891/92, S. 83. 

65. Young, R. Bruce, An abnormal disposition of the Colon. The Journ. of anat. 
and physiol., vol. XIX, P. I, p. 98 (p. 100 Anm.), 1885. (P. I erschien bereits I884.) 



Phys. Ahh. 1900. IL 



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58 W. Waldeyer: Die Kohn- Nischen u. s. w. 



Tafel L 



Eiintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes (9)« Dünndarm nach links 
verlegt: Aa. colicae, A. colica dextra, Areae arteriacae. 

Von Arterien sind zu sehen die A. mesenterica superior mit einer A. colica 
media, colica dextra und ileocolica. Die A. colica media nimmt durch 
ihren absteigenden Ast noch an der Versorgung des Colon ascendens Theil. Von 
Zweigen der A. mesenterica in f. sind die oberen Enden der Kami I und II der 
A. colica sin. zu sehen; vergl. Taf. 11. 

Das Colon transversum ist in die Höhe geschlagen und durch das dünne 
Mesocolon transversum schimmern in drei Arterienfeldern hindurch: rechts 
ein Stück des Pankreaskopfes (P) und die Pars supracolica des Duodenum 
(ohne Bezeichnung); in dem grofsen Felde in der Mitte sieht man das Corpus und 
die Pars pylorica des Magens (F), darunter den Körper des Pankreas (P,), 
dann die Flexura duodenojejunalis {Fix, dj.\ in natürlicher Lage; zwischen 
Pankreas und letzterer zieht die V. mesenterica in f. hin. Man sieht deutlich 
auch die Pars ascendens duodeni von unten an die Flexur herantreten, ferner 
den hell gezeichneten Muse, suspensorius duodeni in dem Winkel zwischen 
V. mesenterica und Pars ascendens; die dunkel schattirte Stelle unter diesem 
muskulösen Bande fuhrt in den Recessus aorticus (vergl. Taf. II). 

Das dritte Arterienfeld links enthält den Fundus des Magens (Fj), darunter 
die Cauda pancreatis (ohne Bezeichnung); das Ende der Cauda ist durch das 
vorgelegte oberste Jejunum verdeckt. Über letzterem schimmert die A. gastro- 
epiploica sinistra durch. Der Magen ist durch das Hinaufschlagen des Colon 
transversum um seine Längsaxe gedreht, so dafs die grofse Curvatur nach oben, 
die kleine nach unten schaut. 

Besonders gut ist rechts das Renoduodenalfeld ausgeprägt, in welchem 
aber in diesem Falle von der Niere nichts zu sehen ist, indem ein kleines unteres 
Stück derselben durch den Ureter (U) verdeckt wird. Hauptsächlich wird das 
Feld von der Flexura duodeni secunda {Dd) ausgefüllt: dies ist das gewöhn- 
liche typische Verhalten bei diesem Felde. Von oben ragt das unterste Stück 
des Pankreaskopfes hinein. Umrahmt wird diese Area arteriaca in diesem Falle 
von der A. colica dextra oben, einem Ramus colicus der A. ileocolipa unten, dem 
Bogen zwischen diesen beiden rechts und der A. ileocolica links. 



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K. Preufs. Akad. d. Wissensch. Phys. AbL 1900. IL 



A. col. med. 



A. eol. dext. 



A. ileocol. 



I a. col. sin. 



I. II a. col. sin. 



icus a. mes. sup. 



Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes 9« Artenae colicae, Areae arteriacae, Recessus colici. 

Waldeyer: Die Kolon -Nischen, die Arterlae colicae und die Arterienfeld^,jjl^9j^5gyQ^^(^Q[^ 



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60 W. Waldeyer: Die Kolon-Nischen u. s. w. 



Tafel n. 



Hintere Bauchwancl derselben Kinderleiche wie auf Taf. I; der Dünndarm 
ist nach rechts verlagert. 

Man sieht die ganze Pars ascendens duodeni und die Flexura duo- 
denojejunalis, ferner den Muse, suspensorius duodeni (hell), die Aorta {A) in 
dem Recessus aorticus, darin die A. spermatica int. sin. von der Aorta ent- 
springend. Der M. suspensorius duodeni bildet in diesem Falle zugleich die obere 
Falte des Recessus aorticus. 

Von Arterien sind zu sehen: 

1. Die A. colica media, 

2. die A. mesenterica inf., 

3. die Bauchaorta mit ihren Theilungsästen und die A. sacralis media, 

4. die Vasa spermatica int. rechts und links. 

Eigenthümlich ist die Verästelung der A. mesenterica inferior. Man 
sieht die A. colica sin. mit sehr kurzem Stamme; der untere Theilast (Ram. II a. 
col. sin.) wendet sich zunächst schräg abwärts zur Flexura sigmoidea und schickt 
dann einen Randast längs des Colon descendens hoch nach oben, wo er spitz- 
winklig mit dem anderen Aste (Ram. I a. col. sin.) zusammentrifft und ein grofses 
Arterienfeld umgrenzt. Dasselbe zerfällt in einen oberen Theil, der auch in Taf. I 
sichtbar ist, und in einen unteren Abschnitt; dieses ist das linke Nierenfeld. 
In letzterem erblicken wir ein Stück der linken Nebenniere {GL sp,), die 
Vasa renalia (F. r.), die linke Niere (Ä) und den Anfangstheil des linken 
Ureter {U), Im oberen Abschnitte sieht man den Magenfundus (F,), die 
Cauda pancreatis (P,), die Vasa lienalia, die A. gastroepiploica sin. (vergl. 
Taf. I) und den unteren Milzpol (L). — ii = Milzkörper. Femer sind zu sehen 
zwei Aa. sigmoideae (A. sigm. I und A. sigm. U) und die A. haemorrhoidalis 
superior. Zwischen dem unteren Aste der A. colica sinistra und der ersten 
A. sigmoidea haben wir das linke Ureterfeld mit dem Stück C/, des Ureter. 
Zwischen den beiden Aa. sigmoideae kommt ein drittes Stück des Ureter (l^) 
zu Hegen — der rechte Ureter ist mit U bezeichnet ; unter ihm ziehen die Vasa 
spermatica dextra zu Eierstock und Tube hin, unterhalb derer man das rechte 
runde Mutterband sieht. — Hoch oben in der Figur ist auch das grofse Arterien- 
feld mit dem Magenkörper (F) imd dem Pankreaskörper (P,) sichtbar. 



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Ä'. Preu/s. Akad, d. Wissensch, 



Phf/s. Abh, 1900, IL 



Anastomosis magna 



A. col. me 



Rain. 1 a. cul. sin. 



Trunc. a. col. sin. 



Rain. 11 a. col. sin. 
A. sigm. 1 
^.. sigin. 11 

A. haein. sup. 



Hintere Baucliwand desselben neugeborenen Kindes wie auf Tafel 1: 
Dünndarm nach rechts verlagert, Arteriae colicae, Areae arteriacae, Recessus aorticus. 

Waldeyer: Die Kolon -Nischen, die Arteriae colicae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. 

L^iyuiz-cu uy 

Tafel n. 



oogle 



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62 W. Waldeyer: Die Kohn- Nischen u. s. w. 



Tafel m. 



Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes (^), 

Das Intestinum tenue mesenteriale ist bis auf die Flexura duodenojejunalis 
und das letzte Ileumende entfernt; man sieht die beiden Darmrohrdurchschnitte 
und die Schnittlinie der Gekröswurzel. Durch Hinaufischlagen des Colon trans- 
versum ist der Kolonkranz entfaltet. 

Die Tafel dient so zur Veranschaulichung der beiden Kolon-Nischen. Man 
denke sich hierzu das Colon transversum wieder etwas herabgesenkt; die An- 
heftungslinie des Mesocolon transyersum läuft an der Graize des dunkleren und 
heileren Theils über Duodenum und Pankreaskopf hinweg, dann am unteren 
Pankreasrande entlang. 

Die rechte Kolon-Nische zeigt die Pars descendens duodeni infra- 
colica und die Flexura duodeni secunda mit dem Beginne der Pars hori- 
zontalis inferior duodeni, femer ein Stück des Pankreaskopfes (P). Die 
linke Kolon-Nische (Pankreasnische) läfst die Pars ascendens duodeni, 
die Flexura duodenojejunalis und den M. suspensorius duodeni, ein 
Stück der linken Nebenniere (GL sp.) und die linke Niere (ß) erkennen, ferner 
den gröfsten Theil des Pankreaskörpers (P,) und die Vena mesenterica inf. 
In der rechten Nische sieht man aufeerdem weiter unten das untere Ende der 
rechten Niere (Ä) und den Anfang des rechten Ureter (U). 

An Arterienfeldern bemerken wir das Renoduodenalfeld, umrahmt 
von der A. colica dextra oben, der A. ileocolica unten, dem Bogen zwischen beiden 
rechts, und der A. ileocolica links. Darüber liegt ein zweites Feld mit Dd und P 
als Inhalt. Links haben wir das Nierenfeld (Ä) und das Ureterfeld (f/i); 
auch das Stück U» des linken Ureters liegt wieder zwischen den beiden ersten 
Aa. sigmoideae. 

F^ iiagenfundus, i = Milz, Uj (rechts) = Stück des rechten Ureters an 
der Kreuzung mit der A. ileocolica, -H = Flexura duodeni III. 



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K. Preufs. Äkad, d. Wissensch, 



Phys, Abh. 1900. IL 



magna 



A. col. med. 
A. nies. sup. 

A. col. dext. 
A. mes. snp 

A. ileocol. 
A. haem. sup. 



1. sin. 



ol. 



dI. sin. 



Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes q: 
Arteriae colicae, Arteria colica dextra, Areae arteriacae, Recessus colici. 



Waldeyer: Die Kolon -Nischen, die Arteriae colicae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. 

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Tafel ni- C> 



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64 W. Waldeyer: Die Kolon- Nischen u. s. w. 



Tafel IV. 



Hintere Bauchwand eines neugeborenen Kindes (9). Die Hemchtung des 
Praeparates ist dieselbe wie in Taf. III. 

Bemerkenswerth ist das Vorhandensein einer A. colica media accessoria, 
wodurch das Feld. mit dem Magencorpus {V) eingeengt wird, während ähnlich 
wie auf Taf. II ein gemeinsames Feld für den Magenfundus (F,), Pankreaskörper 
(P,), linke Nebenniere {GL sp.)^ den unteren Müzpol {L) und den bei Weitem 
gröisten Theil der linken Niere (Ä) erscheint; das Feld ist nur noch gröfser als 
auf Taf. n und sehr vertieft, vergl. das im Text S. 53 Gesagte. Links ist das 
Stück Ut des Ureter wieder im Ureterfelde zwischen dem absteigenden Aste der 
A. col. sin. (Ram. II a. col. sin.) und der nächsten A. sigmoidea (es ist nur eine 
vorhanden) zu sehen. 

Rechts zeigt sich wieder das Renoduodenalfeld mit einem Stück der 
rechten Niere (Ä), dem Anfangstheil des Ureter {U) und einem kleinen Stück des 
Duodenum, diesmal von einem Ramus colicus der A. ileocolica nach oben begrenzt, 
und darüber das auch in den anderen Figuren sichtbare Feld mit dem nächst- 
oberen Stücke des Duodenum (Dd) und dem Pankreaskopfe (P). 

Fix. dj. = Flexura duodenojejunalis, U = rechter Ureter, Ov. = Ovarium, 
Tub. ut = Tuba uterina , Lig. ov. = Ligamentum ovarii , F« Magenkörper, -H = Flexura 
duodeni DI. 

Die übrigen Bezeichnungen sind ohne Weiteres verständlich. 



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K. Prmfs. Akad. d. Wissensch. Phys. Abh. 1900. IL 



iifurcatio 
Rain, anastoin. 



A. col. med. accessor. 



A. col. med. 

V. mes. inf. 

Ram. colicu A. mes. inf. 

. .. ,. Ram.I a. col. sin. 

A. ileocohca 

Trunciis a. col. sin. 
A. mes. sup 

Ram. II a. col. sin. 

A. sigm. 

Ov. 

A. haem. sup. 

Tub. ut 
Lig. ov. 



Hintere Bauch wand eines neugeborenen Kindes $: 
Arteriae colicae, Arteria colica media accessoria, Areae arteriacae, Recessus colici. 

Waldeyer: Die Kolon -Nischen, die Arteriae collcae und die Arterienfelder der Bauchhöhle. 

Tafel IV. Digitized by VnOOQ IC 



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Vi 



PHILOSOPHISCHE UND HISTORISCHE 



ABHANDLUNGEN 



DER 



KÖNIGLICHEN 



AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 

zu BERLIN. 



AUS DEN JAHREN 

1899 UND 1900. 



MIT 1 TAFEL. 

BERLIN 1900. 

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEiMlE DER WISSENSCHAFTEN. 

GEDRUCKT IN DER REICUSDRUCKEREI. 



IN COMMISSION BP:I GEORG REIMER. 



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Inhalt. 



DiELs: Aristotelis qui fertiir de Melisso Xenophane Gorgia libellus . Abh. 1. S. 1—40. 
Dummler: Radbert's Epitaphium Arsenii. (Mit 1 Tafel.) .... Abh. II. S. 1—98. 
Vahlen: Über die Versschlusse in den Komödien des Terentius . . Abh. 111. S. 1 — 60. 



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Aristotelis qui fertur de Melisso Xenophane Gorgia 

libellus. 



Edidit 

HERMANNUS DIELS. 



Philos.-histor.Abh. 1900. I. 



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Gelesen in der Gesamintsitzung am 10. Mai 1900 

[Sitzungsberichte St. XXV S. 515]. 

Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 15. August 1900. 



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PRAEFATIO. 

/Vristotelis recensio Bekkeriana, si Universum opus candulo animo examines, 
admirabile monumentum artis critieae etiam hodie post tot tantosque viro- 
rum doctorum labores in Aristotelem coUatos praedieandum est. at cum 
in aliis eins operibus tum in minoribus incertae auctoritatis libellis noii- 
nimiquam bonus editor dormitavit. quare fas est, cum in eo sit ut Aca- 
demica Aristotelis cum interpretibus editio ab illo incohata ad finem ducatur, 
ab Academia nostra, si quid inediti vel imperfecti vel vitiosi in ea relictum 
est, suppleri. cui officio et olim academiei nostri pro virili parte respon- 
derunt, inter quos Idelerum Trendeknburgium Bonitzium Vahlenum honoris 
causa nomino, qui Meteorologica, De anima, Metaphysica, Poetica suo con- 
silio redintegraverunt, et nuper Supplementum Aristotelicum ipsius Aca- 
demiae auctoritate destinatum est. cui corpori haec libelii de Melisso Xeno- 
phane Gorgia nova editio, quam ad supplendum Bekkeri, ut omnes sciunt, 
imperfectum laborem paravimus, inserenda bisset, nisi incommodum visum 
esset paucas istas paginas seorsum edere. itaque Actis academicis tradere 
eas Visum est. 

Bekkerus cmn ad edendmn hunc librum se accingeret, videtur primo 
nihil ad manum habuisse nisi Sylburgianam a Brandisio cum sex codicibus 
Italis et uno Parisiensi coUatam (R'=Vatic. 1302, 0' = Marc. 216, V 
= Urbin. 108, Q = Marc. 200, B' = Palat. Vatic. 162, N' = Marc. 215; 
z = Paris, gr. 2277), quod exemplum hodieque in Academiae nostrae scri' 
niis servatur. tum vero cum plagulae ad eum redirent, meminisse videtur 
codicem meliorem recensioni adhibendum esse Lipsiensem. at neque bona 
collatione usus est (neque enim Olearii vetusta collatio, sed Beckii accurata 
descriptio^ adhibenda erat) neque solita prudentia recensionem ipsam ad- 
ministravit. immo raro Lipsiensis praestentiae cessit, rarissime ipse emen- 
davit et tantummodo leviora, omnino vulgatae sordes mira patientia toleravit. 



' VariekUis lectumis Hbelhrum Aristotelicorum e codice Lipsiensi diligenter enotata. Lips. 
[793 (sollemnia doct indicit Chr. D. Beckius o. phil. prodecanus.). 

1* 



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4 H. DiELs: 

Post Bekkerum non pauci viri docti singulos locos egregie expedierunt 
et omnino libello paene desperato salutem vitamque reddiderunt. inter quos 
Bonitzium et Franciscum Kernium praeeipua laude dignos iudico. postremo 
totum libellum Otto Apelt in Teubneriana bibliotheca felicissime traetavit 
et saepe pristinum nitorem primus recuperavit. at ille cum emendando vera 
vel probabilia multa invenisset et omnino recensionis iustum fundamentum 
iecisset, nescio quo pacto factum est, ut de illo Lipsiensi optimo duce 
saepe aut dubitanter aut aperte falso rettulerit, quamquam ipsum diligenter 
codicem Lipsiae oculis usurpavisse se dicit. quod utrum inde explioandum 
sit quod palaeographiae minus peritus ad codicem satis diflficilem accesserit 
an aliter nescio. ego folia, quae Aristotelis libellum hunc continent, Lipsia 
in Academiam nostram transvecta (quod Otto de Gebhardt Bibliothccae 
Universitatis Lipsiensis praefectus insigni benevolentia concessit) iterum 
cum Aristotelis verbis et Apelti notis sedulo contuli, ut tandem firma 
materia recensioni substructa sit. praeterea codicem Vaticanum graecum 
1302 (R* Bekkero, nobis R), quem Apeltius recto iudicio e turba vulgarium 
segregaverat, post Brandisium iterum conferendum iudicavi, quo officio 
soUerter ut solet functus est Joannes Graeven Romanus nunc Hannove- 
ranus, ceteros Brandisii Codices missos facio, quia descripti sunt aut ex R 
aut ex eins gemello. credo quidem ex ipso R illos profectos\ sed probare 
non possum nee sine novis coUationibus probatum iri scio. at quis tantum 
laborem suscipiat, cum constet nihil ex eis lucri redundaturum esse! nee 
tam ego curiosus sum, ut affinitatis gradus qui inter istos proletarios inter- 
cedant rimari me iuvet. adliibendi igitur sunt soli duo Codices: 

Lipsiensis gr. 16 (olim 361) membr., variis partibus et manibus con- 
stans, post Cleomedem f. 298' (post quod duo folia fortasse olim vacua 
resecta sunt) eadem manu, s. XIV ineuntis ut ego iudico (s. Xm Beckio 
iudice, Gardthausen Kat d. Hdss. d. Univ.-BibL Leipzig, 1898 de aetate tacet), 
scripta haec exhibet: 

1. f. 2 99'- 303' apicrroriKovs irepl ^i]vwvos (sie). 

2. f. 301' äpKTToreXovs nep] ^€vo(t>dvovs. 

3. f. 302 "" äpKrroreXovs irepl yopyiov. 

f- SO^'' vacuum tum iterum 3 folia exsecta. 

4. f. 304'- 309 äpicTTorikovs rrepl koc/iov. 

' c^« 975* 36» ubi vei/c iliud in R leniter comiptum plane omittunt N»0»QV» et 
plura ceteri. cf. de hac quaestione suppieQientum p. 14. 



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de AristoteUs qid fertur de Meüsso Xenophane Gorgia Ubello, 5 

post f. 309 iterum duo folia recisa. 

5. f. 3io''-3ii' äpiaroriKovs irepl äperfis [i.e. Andronici q. f. irepl 
Traßwv p. n ed. C. Schuchardt, qui Lipsiensi non usus est]. 

6. f. 312' äpurroriKovs (f)va'ucris äxpocLcews ä extremos versus, tum 
ß-S [8 p. 216^9]. 

über de Melisso Xenophane Gorgia una totus manu et perscriptus 
est et correctus; altero autem exemplo librarius usus non est. lemmata in 
margine posita velut Ke^. ß, epireSoKT^ijs, irappeviSris recenter addita ut 
rubra puncta, quibus coUator primus Olearius insignes differentias nota- 
verat.^ huius ego codicis orthographiam , a qua tarnen R non multum differt, 
fere secutus sum in elidendis vocalibus, ovrw et ovtws, ecrri et kcrriv 
variandis. nee talia in notis posui. constanter autem adliibui yiyvwarKciv^ 
yiyv€(rßaiy äyevrtroSj ubi Codices interdum prave scripserunt yivwaKCtv, 
yivecOaiy äyevvrjTOS. item cum in iota subscripto fere constet usus librarii, 
TrdvTTi et similia paene semper sine iota elata consulto retinui. avrov et 
avTov meo marte posui, quandoquidem Byzantinos airrov fere ignorasse 
notum est. item accentus et distinctionem librariorum neglexi. lacunas quas 
librarius reliquit aecurate expressi, quamquam talia non anxie observata 
esse a scribis notimi est; cf. ad 976' 11. 
R Vaticanus gr. 1302 bomb., saec. XIV in. [cf. Kaibel in Doxogr. p. 109', 

Gercke in Useneri ind. hib. Bonnensi 1890 p. III]. libellus de Melisso extat 
f. 140''- 148' inter Theophrasti scripta minora (f. 83' irepl irvpos, iso"" 
rrepl öafiwv) et Aristotelis irepi davpaaiiov äKovafidrwv. cf. P. de Nolhac 
La Bibliotheqite de Fuhio Orsini p. 165', qui de hac quidem parte minus 
aecurate rettulit; accuratiora me edocuit loannes Graeven. cf. praeterea 
Martini Analeda Laerttana p. 80. 

Codices LR satis fideliter ex libro corruptissimo descripti sunt, in 
Universum accuratius L, sed variat fortuna legendi, interdum R oculos 
magis intendit et inprimis finem versus L solito neglegentior. archetypi 
igitur imago clare enitescit, quem etiam pluribus et difficilioribus com- 
pendiis exaratum fuisse patet. velut p. 978* 25 ita discedunt L et R, ut 
hie äitKovVj ille cnr€(m referat. at latet, quod diu perspectum est, äireipov 
notio. ergo conici licet discordes libros in unam lectionem coire aireipov 

' cf. Beck 1. c. p. 3. moneo hoc propter Apelti errorein, qui librnrii nescio cuius hoc 
opus credebat p. 168, 11. 



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6 H. DiELs: 

€(m, quod cum in archetypo breviatum esset d^A alter carXovv alter aireirri 
intellexit. sane ista breviandi audacia in scholasticis tantummodo libris 
eisque antiquioribus valebat neque parvo temporis intervallo distare videntur 
apographa illa ab archetypo. nam plus semel in L invenitur obelus circum- 
punctus -=-, ubi nihil deesse apparet. quem a librariis antiquis positum esse 
constat» ut si qua rasura lacuna extiterat, nil deesse indicaretur.^ at in L nulla 
est rasura. ergo ridicula fide ex suo exemplari hoc traduxit, quod non idem 
ftiit atque archetypus. nam p. 978*22 in archetypo fuit, quod R exhibet, 
falso airrov tov. contra L habet avrov.-T- ov, quae lectio vera est. ergo 
descriptus est L ex codice, qui ex archetypo traductum istud airrov tov 
rasura correxit eamque signo solito opplevit. iam cum hie scribendi mos 
in antiquissimis noni decimi undecimi saeculorum codicibus saepe inveniatur, 
postea, nisi fallor, rarissime, ipse archetypus in antiquissimam nostrorum 
codicum minusculorum aetatem videtur relegandus esse, ergo codicis L 
praestantia non solum ipsius diligentia ac fide sed etiam eo niti videtur, 
quod coniecturis subinde felicibus eins exemplar correctum erat nam alium 
fontem propter lacunarum condicionem accitum esse veri dissimile. in- 
structus autem erat archetypus variis lectionibus. nam verum , quod Bergkio 
debemus 976' i rip^aTO yiyvoficvoVy in L leniter depravatum videmus fip^oTo 
yiyvofxeva^ turpius in R yiyvoiro ei yiyvofieva, ubi per transennam specta- 

1) yiyvon 
mus archetypi fjp^aro yiyvoiro. emendatione enim recepta extrusa est 
prior vox, ut eadem noxa p. 980*9 anavTa ante rd super versum supple- 
tum in prioribus turbas dedit. atque hoc ipse archetypi librarius peccasse 
videtur. darum quidem eins rei exemplum p. 976*10, ubi in Parmenidis 
versu absurda archetypi lectio ehax fie^pKov repraesentat pristinam speciem 

elvcu 
ireKifiev jf/oewi/. quodsi antiquae interpretationis vestigia certa constant, 
praestat 974' 18 t6 irhSipes et 1) t6 k€v6v (ubi iterum ri illa variantis 



» cf. Paris. A Piatonis (Schanz BA. Mus, XXXIII 304) et Heidelb. Palatin. gr. 398 Para- 
doxogr. — cum eadem sit forma compendii elvm illis temporibus , et alibi et in hoc libello factum 
est ut €ivai omitteretur, ut 978* 16 977» 24 (R) ac fortasse saepius (cf. 977^ 3. 978^ 35. 979» 
37. ** 12), quamquam cf. Vahlen Ar. Poet. ^244. alia confusio nascitur illinc quod ra tum 
scribebatur t-t-; itaque quod in Aristotelis Poetica 1461' 24 exhibet codex Empedocleum 
ra vph fiaSov aSavara non Aristoteles imperiectum reliquit, sed librarius aSavar -7- et aßavar^ 
confudit. quod idem accidit in Xenophontis Hipparch. 5,8, ubi irpay/iara codd., scribendum 
est irpayfiar elvat , quod sive coniectum sive traditum recte exhibet unus Taurinensis. 



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de AristoteUs qtd fertur de Meüsso Xenophane Gorgia UbeUo. 7 

nota) secemere tamquam interpretantis pericula. neque aliter iudico de 
cnraräy p. 974^ 6. cf. praeterea ad p. 976^ 35, 977*3. 39, 978' 8. 32. 

Sic per gradus ad varios qui ante LR fuerunt memoriae Status per- 
venimus, quorum speeiem fixam teneat oportet siquis libro depravato vel, 
ut Sylburgii illud referam , carcinomati maiium salutarem admoturus sit. et 
bona quidem pars depravationis scripturae genere compendiario nata est*, 
plus vero ipsa scriptura madore aut situ oblitterata. testes eius rei in- 
numerae fenestrae etiamnune apertae; ac fortasse latentes etiam plures et 
graviores, quas librariorum incuria omisit. 

Quae cum ita sint, difHcillimum est de libelli ipsius natura et auctore 
recte indicare. nam iniquiorem de eo sententiam ferenti obviam ibunt for- 
tasse qui memoriae dolendam condicionem excusent. velut Franciscus 
Kernius olim, diun Theophrasteam originem defendit, coniecturis doctis et 
acutis scripti menda detergere studebat. cuius studia cum olim satis mihi 
refutasse videar* neque quisquam iUorum patrocinium postea suscepit, nunc 
repetere nolo. teueo igitur, quod in Doxographis p.io8 sqq. evici, Theo- 
phrasti et libelli de Melisso, quae olim credebatur, coniunctionem Simplicio 
demum deberi, qui utrumque ab Alexandro adhibitum commiscuit.' idem 
tamen non teneo quod de libelli aetate ibidem p. 113 concluseram: ^indicis 
Hermippei auctorüas [Diog. V 25] vocumque Peripatetioarum incorrupta proprietas 
[categoriae noaov p. 978'' 19, irpos ri 978^11, €X€iv 978^ 20 ^ evSeXexäs 



* exemplum proferam ex tertia parte, ubi Gorgiae de nihilo disputatio tractatur, 
cuius sunt tria capita i. nil esse 3. si esset, incognituni esse 3. si posset cognosci, aliis tradi 
noD posse. iam priniam sententiam priusquam refellat, absurde vulgo secundum Codices legi- 
tur 978* 33 oiJtos /i^ ouv 6 aMs \oyos iiceivov. sententia flagitat 6 irptiros \6yos kmivov, 
scriptum igitur erat olim arosy quod saepe turbas dedit. velut in Arist. Probl. 21, 7 (927*» 15) 
&a 71 Twv oKevpiav to a \ (f> i ra \a/iiirp6-npa eon , rwv Se aKipirtav ra T^Kevraia , ubi ära prono errore 
in aK(fnTa vertebatur. ceterum observandum est ex communi forma breviandi ä (q. e. et eis et 
irpwrot) paulatim ad analogiam (velut i =s Uim et Bemros) pleniorem scripturam äros contra 
rationem deductam esse, quae invaluit, ut iam a simplex idem esset quod wpo, velut äo-tairov 
i. e. irpoawirov (Paris. 1888), äeo-rtas i. e. irpoefnxas alia. 

' fundamentum istius rationis fuit codicis R inscriptio Beoippaa-rov ^ quam a Kaibelio 
(Dox. 109*) viri docti s. XV vel XVI couiecturae deberi demonstratum est, qui libellum ab 
Aristotelis ratione abhorrentem cum inter Theophrasti scripta traditum videret in suo codice, 
prona coniectura eidem adscripsit. 

* Simplicium Theophrasti Opiniones ex uno Alexandro novisse neque ipsum usurpasse 
demonsiravi ibi p. 113 et in Simpl. ipso 700, 18 not. — ut ipse iudicare commode possis, locum 
Simplicianum in Appendice adieci. 



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8 H. DiELs: 

.976'* 24] ad tempora tertio a, Chr, saeculo inferiora descendere vetant^ reetius 
Stratoneorum meiitionem inkere Usenerurn meminU.^ 

Haec omnia nunc retractare in animo est. nam primum quod brevius- 
cule allegavi Hermippei indicis auctoritatem , verum est in Laertio coniuncto» 
invejiiri hosee deinceps titulos scriptorum Aristoteleorum 

1. irpos rä MeXiao-ov ä 

2. rrpos TCL A\ifjua/(i)i/os ä 

3. irpos Tovs rivdayopeiox/s ä 

4. irpos ra Fopyiov ä 

5. irpos ra E€vo<f)dvovs [^evoKpoTOvs libri] (ä) 

6. irpos ra Ztjvwvos ä 

7. rrepl t(ov Flydayopeitov ä, 

atque cogitari poterat in archetypo olim extitisse praeter i. 5. 4, quae 
servata sunt, etiam alia ex hac serie scripta, nam cum in ipsis quae ser- 
vantur capitibus crebra est aliorum physicorum mentio, tum extremis verbis, 
quomodocunque ea rescripseris , ad aliorum äp^aioTcpcov aKopias postmodo 
se transiturum esse aperte promittit. quid? falsa primi capitis inscriptio, 
quae fuit in archetypo irepi ^rjvoovos, nonne facillime potest inde explicari, 
quod titulus antiquo more ad praecedentis scripti umbilicum appositus (qui 
mos usque ad Codices s. X nonnumquam vestigia reliquit) falso ad proxi- 
mum tractus est?* hoc si verum est, etiam sexti libri Aristotelici titulus 
in censum veniat. quodsi septimum secludas quasi geminum exemplum tertii 
libri, habeas umbram corporis Aristotelici ex sex monobibliis compositi, 
nisi quod ordo fuisse putandus sit 6. 1.5. 4. 2. 3. 

Deinde mira illa titulorum forma, ut libri brevissimi suo quisque 
titulo exornati sint in codd. (äpiCTOTeXovs irepl ^i^vwvos^ äpitTToriKovs 
irepl ^evoipdvovs , äpiaroreKovs irepl yopyiov)^ nonne digitum quasi inten- 
debat in monobiblia illa indicis Aristotelici? 

His igitur causis adductus Hermippei indicis auctoritatem post alios 
ut antiquae originis testem olim haud cunctatus arcessivi. itaque sive 
Aristoteles scripsisse putandus est hoc quod tenemus trifolium sive Theo- 
phrastus, quod utrumque hodie viris doctis merito displicet, sive alius 



* Stratonis meminerat propterea quod de ortu et interitu doctrinam in primis respici 
observaverat. 

' In argumentis huius libelli servatis ad Zenoneam illam partein relegari vidit Zeller 
l5 501^. 502'. cf. p. 979* 23. *> 25. 976*25. 979*4. 



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de AristoleUs qvi fertur de Meüsso Xenopharie Gorgia libeUo. 9 

Peripateticus , hoc indicis Hermippei testimonio extra omnem dubitationem 
positum esse videbatur, ante alterum a. Chr. saeculum libri auctorem ex- 
titisse. 

De hac ego re nunc secus mihi iudicandum esse video. nam ut recte 
Hermippo istos titulos adscribi (teneo enim quod olim de indice mihi per- 
suasi), ut argumentum illorum monobiblion persimile fuisse, ut incertam 
esse Aristotelicam oorum originem similiter ac nostri libelli largiar — 
quomodo factum esse putas, ut quae nunc vix binas temasve paginas 
compleant scripta olim iusti singula libri ambitum efficerent? nam est 
certus libri modulus Alexandrinis temporibus nequc invenitur in corpore 
Aristotelico ullus tam curtus Über nisi Metaphysicorum ä eKoTTov^ quod 
fragmentum ipso nomine exceptum est. 

Quod si recte libelli huius memoria coniungeretur cum Ulis mono- 
bibliis, epitomas nunc tres, non ipsos libellos servatos esse necesse esset 
credi. at species obloquitur. nam etsi multos inesse lacunas minores diu 
intellectum est et ipsi nonnuUas novas aperuimus, tarnen uiüversa quae extat 
forma libri plena est nee sine licentia in maiorem possit ambitum dilatari. 

At nihil obstat, quominus Aristotelis illa monobiblia posterioris aucto- 
ris imitationem excitavisse putes. immo credo plurimum eruditionis inde 
a posteriore scriptorc haustum esse, nam dialecticus ille, quisquis ftiit, tra- 
ditum ordinem interdum (ut 977* 24-36) turbasse et de ipsis philosophis 
quos citat vel impugnat, nihil fere sua lectione comperisse videtur. 

Quod cum etiam antea observatum sit, tamen huic disputationis loco 
aptum duco quod paulo curiosius exponatur. ex Piatonis igitur Sophista 244E 
Parmenidca 976* 6 novisse videtur; ex Aristotelis Metapliysicis A4 Hesiodi 
versus, quamquam explicationem obtusam non indidem sumpsit, sed ex Phys. 
A I. 208^ 30; concinit autem vel lectio Travnav pro yitoi, quae Aristoteli con- 
cedenda memoriter referenti. manifesta porro est translatio 976*32, ubi 
nidum' totum percommode ex Arist. de caelo B13 excepit Imitator, qui 
hie quoque sententiam pervertit. nee minus absurde cepit Aristotelis verba 
de gen. et corr. A 8. 325* 4 sqq., ubi Leucippi de atomis et inani theoriam 
\6yovs appellat* et aliquotiens to Siriprjfxevov pro Kevto usurpat (* 7. 1 2 cf **9). 
hie cum Aristoteles Platonem et antiquiores secutus \6yovs quasi personae vice 
fungentes fecerit, miratus iste scriptor citat ac plane otiose quidem 980* 7: 

1 325* 23 AeiwTnros S* e^etv wijSti Koyovs oTrtves wphs t^v ai<r$ti<rtv oftoKoyovfieva Keyovres 
ovK avatp^cova'tv ovre yeveaiv kt\. 

Phüos.'histor. Abh, I. 1900, 2 



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10 H. DiELs: 

ävTi Tov K€Vov To Sitipfjardai Xeywv, KaBdirep kv rois AevKVJTKov KdKovfievois 
\6yois yeypa-KTai^ 

Quae cum ita sint, verisimile est, si quid praeterea eruditionis in 
versibus vel opinionibus pbilosoi)horum afferendis conspicitur, Aristotelis 
illa monobiblia materiam scribendi dedisse huic auctori. nam disputandi 
ratio ipsa plerumque mira est et ab Aristotelis et Theophrasti cursu dia- 
lectico remota, eruditio autem saepe otiosa^ aut plane perversa, ut Anaxi- 
mandri de aqua principio error diu cxplosus est (975^ 23). omnia autem 
haec quae vituperavi, librorum Aristotelieorum usus incuriosus, rerum in 
peripato antiquo notissimarum ignoratio vel dubitatio*, vocabulorum Aristo- 
telieorum abusus, suadent, ut non Theophrasti vel Stratonis aetati hune 
scriptorem adsignemus, sed paulo inferiori, ubi eflFeta antiqui Peripati vi 
iam Carneadeo more deaewv frivola disputatio in usu esse coeperit. 

At ipse vocum Peripateticarum incorruptam proprietatem contra hanc 
opinionem, quam Uebcrwegius olim tuebatur, defendi.* sed in artis vocabulis 
posteriores Peripatetici Aristotelis exemplum ita secuti sunt plerique, ut saepe 
primo obtutu dubites, utrum antiqua an posteriora scripta verses. categoriae 
quidem, quas illic attuli, tantum probant, hunc libellum, si ab antiqua schola 
abhorret, Andronico inferiorem esse, qui cum ceteris libris principalibus 
etiam Categorias discipulis maxime commendavit. ergo inconsideratus illorum 
librorum categoriarumque abusus digitum intendere videtur in ea tempora 
scholae, quae nobis paene ignota sunt, inter Andronicum dico et Alexan- 
drum, quem supra dixi primam huius libelli notitiam prodidisse. 

Neque incorrupta nunc mihi videtur illa vocum Peripateticarum pro- 
prietas, sed uno certe loco fucata Stoicorum doctrina. p. 978*28 difficili et 
corrupto loco hoc tamen in Universum clare exponit neque 3v neque nh ov 
concretas, ut aiunt, vel individuas res esse {aicBrira) sed abstractas. quare 
nil impedire ne eadem praedicata cum Ulis contrariis principiis iungamus. 
abstracta autem Stoicos appellare XeKrd i. e. tcl Kara Xoyuctjv (pavTaaiav 
vipiardiuLeva (Sext.VIII 70cf. X218) eisque opponere tos aladtiriKas (pav- 

» cf. Verh. der 35, PhUoloyenvers. Stettin p.105"; Sitz. Berl Ak, 1883, 489. 

• Vermehren Autorschaft der d. Ar, zugeschr. Sehr, irepl Eevoipavovs cet. (Jenai86i) 20 sqq. 
3 975 b ly (^s MQi TOV Ävafayo/mv <l>aa-i nves \eyetv in re tritissiina cf. 977^30 et Zeller 

518*. Anaxagorae nomen si recte restitutum est 976*14, non recte eius verba cepit quae 
Siinpl. phys. 157, 2 sie tradidit (loquitur de vw, qui 156, 14 aireipov vocatur) iras o/aoios ia-n 
Kai 6 fiel^wy lau 6 eKatratov erepov Se ovSev iartv ofiotov ovSevi, 

* poteram alia addere velut evSexeodat, air6<f>aüxs et omnino disserendi progressum. 



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de Arisioteüs qui fertur de Melisso Xenop/tane Gorgia Ubello. 11 

racias in vulgus notum est. atqui Stoicorum de Xe/crois doctrina, cuius 
aculeos singillatim exponere non est huius loci, minus quam alia emanavit 
in communem philosophorum usum. neque credibile tertio ante Chr. sae- 
culo tam remota artis vocabula e Stoa in Peripatum transvolasse. hoc 
eclecticorum demum aetate fieri coepit et hie scriptor eo vocabulo cum 
ostentatione eruditionis usus esse videtur, si quidem ipse intei-pretationi 
consuluit afufHo Se Xetcra kcu (verte id est) SiavofjTa. sed de hac interpre- 
tatione, utrum ab auctore an ab interpolatore addita sit (hoc enim varia me- 
moriae forma indicari videtur), nihil pro certo affirmo; ipsum vocis usum 
tamquam aetatis eclecticae vestigium teneo. 

Nee abhorret ab hoc indicio vocabulorura poeticorum quoddam tempera- 
mentum velut tckvovv 974*23. 977* 17, orpeiuLeTv 977^ 17, /io/)^>;i/ 975** 22. 
976** 25, ävdpiOfia 976* 30. nam etsi invenitur etiam apud Aristotelem ipsum 
etmagis etiam apud Theophrastum eiusque discipulos vocabulorum poeticorum 
quaedam copia, quae diligenter composuit Joachim d£ Theophr. Kbris Flepl 
^(Wö)!/ p. 54, tamen nemo hercle Peripateticus antiquior dixisset oihre ofioiov 
v<f)* öfioiov irpociiKeiv TeKvwdfjvai fioXKov tj TeKvSxrai ubi conveniebat dicere 
yevvridfjvcu fioXXov fj jewriaaL neque recte isti defendunt qui Xenophanis 
hie versum pellucere credunt. nam alter locus tangit doctrinam Melissi, 
qui ut ceteri philosophi ionici vocabulo illo constanter abstinuit. quod 
enim personatus Aristoteles dicit 974* 23 t6 /u^ ov TCKvodadai ipse Me- 
lissus dicit (fr. 6 Covotti) ro ovk eov yivecrOcu et deinceps 6 koo-julos — 
ovK oKoXKvTcu ovSe ö fifi €wv yiverai vel (fr. 7) ro fi€v eov äTrdXero, ro 
Se OVK eov ycyovev. ergo nullo exemplo ipse scriptor de MXG colorem 
poeticum allevit; quod sane fecit modeste. 

Cum hoc altioris studii signo mirum quantum concinit illa aerugo 
nobilis, quae in littera ^ praepositionis crvv conservanda ceraitur (974^ 26 
^pirepavSevra, 978^2 ^nßeßtiKev^ 978^33 ^vpßaiveiVy 979^ 12 ^vyx^^poi)- 
formae antiquioris, quae iuxta communem a poetis usui'pabatur, vestigia 
inde ab extremo quinto saeculo in Attica evanescere coeperunt, in titulis 
et scriptoribus ionicis iam antea. in Hippocraticis certe, ut optimi libri 
docent, postea inserta videtur eademque ratione Democrito fortasse invito 
obtrusa. Herodotus quidem et philosophi ionici crvv unum noverunt. de 
Heraclito artifice sermonis dubites ; ^v voio scilicet et ^vvov fr. 9 1 inter 
se respondere videntur. Attici scriptores praeter Thucydidem et Platonem 
obsoletam litteram vitant. InXenophonte rara sunt vestigia ac fortasse dubia. 

2* 



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12 H. DiELs: 

Aristoteles et Theophrastus numquam antique loquuntur, loquitur tarnen 
Aristoxenus, cuius fragmentum nuper repertum eonstantius quam libri servati 
^ retinet, ab Alexandrinorum deinde prosa haec gravitas plane abhorret et 
renato demum atticae antiquitatis amore factum est, ut cum ceteris Pia- 
tonis floribus* etiam haec proprietas refloresceret. non tamen primis atti- 
cismi temporibus hoc apparuit. nam Dionysius, Philo, scriptor llepl vxfrovs 
nisi fallor semper (tvv adhibent. primus admixta ^ littera suam orationem 
hie illic coloravit Dio Chrysostomus, tum altero p. Chr. saeculo multi. 

Ergo nisi hoc indicium nos fallit, in eam aetatem deducimur, qua 
Aristotelis libri scholastici in communem usum adhiberi simulque stoicae 
elegantiae dialecticae etiam in peripato exponi eiusque vocabula usurpari 
coepta sunt, quo in genere in mentem venit elegantissimi libelli irepl 
KocfioVf ubi Aristotelica doctiina sane largiore flumine Stoicae i. e. Posido- 
nianae originis irrigata est, tum libelli Flepl äperwv, ubi Stoica prae- 
valent, inest tamen etiam dos vere peripatetica, quae eflfecit ut Aristotelis 
sancto nomine etiam haec scriptiuncula dignata sit. 

lam laterculum Aristotelicorum oculis lustra, quae in Lipsiensi eadem 
manu scripta se excipiunt. vides post Cleomedem i. e. Posidonianam mundi 
doctrinam, Aristotelis de Melisso Xenophane Gorgia, tum Flepl Koo-fiov, tum 
riepi äperfjs (sie), postremo (Pvcucfis äxpoitretas libros continuari. nonne 
verisimile est illa pseudepigrapha renatae tamen scholae Aristotelicae monu- 
menta eadem fere aetate i. e. primo p. Chr. saeculo orta simulque scholica 
traditione ad Alexandrum posterioresque interpretes propagatA esse? 

Ergo si argumenta quae protuli accurate excutias, fortasse infringas 
singula: omnia tamen coniuncta tantum valere credo, ut de MXG libellum 
paulo post Christum natum ab eclectico homine logices Peripateticae libro- 
rumque scholasticorum Aristotelis non imperito, historiae tamen philosophiae 
antiquae ipsorumque philosophorum parum gnaro, atticismo modeste favente 
scriptum esse existimemus. multa nos Nicolai Damasceni admonent, qui 
sub Augusto Aristotelis doctrinam in elegantiorum hominum usum instau- 
rare coeperat. at libellum istum scripsisse non potest, quia de Xeno- 
phanis principio prorsus aliter iudicavit^ atque illius scriptor. 

* diibito an illuc in 1. de MXG referam crebrum ye cf.976*2 et afierpov (i. q. aireipov) 
et T^v TBtov (sie) atrohi^iv^ quod Plato Prot. 349 B (sane etiam Arist. Anal. Fr. 49*36) dixit. 

* cf. Simpl. phys. 23, 14 (Appendix p. 37). 

Berolini, X. Maii MCM. Hermannus Diels. 



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ARISTOTELIS 

QUI FERTÜR 

DE MELISSO XENOPHANE GORGIA 

LIBELLUS. 



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L = Lipsiensis gr. i6, membr., s. XIV. 
R = Vaticanus gr. 1302, bomb., s. XIV. 



In Theophrasteis praeter R tertium sui iuris codicein planeque gemelluin extare Am- 
brosianum P 80 membr. s. XI V/XV ( A) Alfredus Gercke breviter signifieaverat in Theophrasti 
sua de igne editione (Ind. Gryph. pasch. 1896 p. 23), nunc petenti mihi coiniter pleniora 
sua indicia misit. desunt enim in R verba Theophr. de lass. 8 sq. nva juevaßoKtfv — Se was mi 
et de igne 34 Sov ofiotas — Oep/no, quae A et qui inde descripti videntur vulgares Codices 
retinuerunt. unde R et A gemellos esse, quorum pater (N) saeculo fere XIV exaratus 
Sit, statuit Gerckeus. iam vero cum libri de MXG memoria in hac quidem stirpe arte con- 
iuncta sit cum Tlieophrasteis (cf. supra p. 5), veri simile est codicem A, qui foliis nonnullis 
rescissis f. 64^ deficit in medio libro Theophr. de odor. §35, etiam in Pseudaiistoteleo libro 
parentem fuisse vulgarium codicum. cuius rei hoc tibi stemma habeto: 

archetypus s. fere X» 




libri vulgares 

At ut stemma hoc verum sit, quod nunc retractata quaestione concedo, stat quod 
supra asseveravi, nulluni esse vulgaris stirpis auxilium. quod apparet etiam ex Bernensi 
402 chart. s. XV, cuius diligentissime factam conlationem eiusdem Gerckii benevolentiae debeo. 
nam is liber, qui imaginem patris A accuratissime reddit, etiam in minutiis consentit cum 
R et sicubi dissentit, quod rarissime factum, nihil praeter L salutis affert. avapiOfia quidem 
p. 976*30 non ipsius virtuti debetur (nam ortum est correctione) , sed ingenio viri cuiusdam 
docti s. XV, qui Weisei inventum occupavit, quemadmodum Feliciani versio, qui nullo 
nisi vulgari codice usus est (cf. Wilson in Apeltianae editionis censura Classical Review 1892 
p. 17), emendationes recentiorum hominum nonnumquam praecepit. scilicet pedetemtim multa 
moliendo per quinque iam saecula ad veritatem enitimur, ac saepe ipsa necessitate cogitandi 
in eandem viam cogimur. velut quae Wilsonius in acutissima illa censura laudabiliter per- 
sanavit, pleraque ipse quoque inveneram, quod non monerem, nisi aliqua certe veri con- 
firmatio inesse videretur in tali concordia. sed nondum ad finem pervenimus. aliquantum 
etiam proximo saeculo relinquitur: Kaßerto Sk kqi aWos. 



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15 



974* . ['APIIT0T6A0YI] n€PI MGAIIIOY, 

1. 
'AiSioy eivai (ptiariv €i ri ecrriv^ earep firi kvSexeadcu yeve- i 
(rdai fifiSev €k fxriSevos' eire yap ajravra yeyovev ehre fu\ 
TTCcKTa, äiSia äfiiporepws • e^ovSevos yäp yeveardcu av avra yiyvopeva. 

5 änduTwv T€ yap yiyvofievwv ovShv (av) Trpoihrdpxeiv' ehr* ovtwv 
Tivwv aei erepa TtpoayiyvoLTO^ n\€ov av koI fiet^ov ro ov 
yeyovevai' & Sh TrXeov koI fieT^ov^ tovto yevetrßcu av €^ 
ovSevos ' (ev) t5 yap eXarrovi t6 TrXeov, ovS' €v reo piKporepto 
t6 fJLcT^ov, ovx inrdpxeiv. äiSiov Sh ov aireipov elvai^ ort 2 

lo ovK e^ei äpxh^ odev kyiveroy ovSe reXevrfiv eis o yiyvofievov 
ereXevTfiare irore. irav Sh koI arreipov ov (^v) elvai* ei yäp 3 
8vo 1) ttXcw eiri, irepaT* av eJvai Tavra irpos aXXtiXa. ev 4 

^e ov opoiov eJvai irdvTti' ei yäp ävopoiov, irXeiw ovra ovk 
av €Ti €v eivai oAXa TroAAa. aioiov de ov a/xerpov re 5 

15 Ka\ o/ioiov TrdvTTi OKivtuTov eivai t6 ev ov yäp av KivriOfi'- 
vai fifi eh TL xnrox^pfio'av, {nroj((opfia'ai Se ävdyKtiv elvai 
fiTOi eis TrXijpes iov tj eis Kevov rovnav 8e to fiev ovk av Se- 
^aadai [ro irXiipes]^ t6 Se ovk elvai ovSev [Jj ro Kevov]. toiovtov 6 
Se ov TO ev ävtaSwov re koi ävdXyrprov vyies t€ xai avo- 

ao aov eJvai^ oirre neTaxoa-fiovfievov deaet ovTe eTepoiovfievov eiSei 



974* I tit.: opiaroTeKovs irept ^ifv(ovo5 L: apiarorSKovs (corr. in. rec. s. XV vel S. XVI $eo- 
(fipaoTov) irepi (€vo<l>dvovs' irepl fijvwvos' vepl yopyiov x fnp) ^ifvt^vos R: corr. Spalding 2 evSexe<r$cu 
L: ev^ej^erni R 4 aiSia L: &* R: fort, a/5** elvai cf. p. 6*; aSwarov Booitz a/i<f>OTepti>v R 

yeveaSat om. R av post avrtav R avra .\pelt: av-mv LR; aei ra Wendland 5 addidi 

6 ov (sie clare etsi puncto oblongo simile o) L: w R 7 w R: ei L Se Susemihl: ^^ LR 

8 ev add. Beck eKarrov R ovS* L: oß* R; (da) ovS* Wendland 11 tov Se koi amipov 

ov eJvat sie LR: suppl. Kern 12 irheto rj Suo (^rXeov R) LR: transp. Susemihl irepar av elvai 

vulg. ed.: nepaiav elvai R: mptXTdv elvai L: irepatveiv äv Apelt conl. 976* 20, 977^*6 1^ ev Se 

o ßiovov elvai vdvra R ei Aldlna: tj L,: rj K avojaota R ovra] ov Wendland 14 ev 

om. L elvai L: ßeTvm R afierpov sie LR cf. p. 12 > 15« 1 6 KtvijSfj R 16 eis 

Ti L: eoTiv R 17 tov Bekker: ov LR eis alterum om. R 18 5 ro xevov del. Apelt; 

hinc etiam to irXtjpes interpreti dedi roioirrov sie LR 19 ov — e7va< (20)] ovnwv avc^^ov (sie) 
re Kai avahytjrtov inrea-re Kai avoßov (o alt. in e corr.) eivcu R 



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1() ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG t 6-10. 

974* 31 oiJt€ myvvfievov aXKif kotol Trdvra yap ravra ttoWo, t€ 
t6 €v yiyveo-ßai Koi t6 jifi ov T€Kvov(rdcu Kai t6 ov ipBeipe- 
aSai ävayKci^eaOai' raura Se äSvvara ehcu. koI yap 7 

€1 t6 fi€fHx^oi TL ev €K irKeiovwv XeyoiTO, koi eirj iroXKa 

25 T€ KOI Kivovfieva €18 aXKriXa ra irpayiiara^ koI ii fii^ts tj As ev 
€vi avvOeais eirj twv TrXeiovwv rj t^ enoXKa^ei otov 67ri- 
TTpotrSriaris yiyvoiro twv fiixdevTiov eKeivws fxev av SidSri' 
\a xwpi^ovTWv ehat ra fii^Bevra^ €TrvKpo(rdri(T€ias S' ovtrris 
€v rp Tpi^ei yiyvetrßai av eKacrrov .(f>av€p6v, ä<l>aipovfi€vwv 
974 ** I Twv 7rp(0T<i)v ra im* oKKriKa TcSevra tZv fii^Bevriav wv 

ovSerepov avfißaiveiv, Siä tovtodv Se twv rpontav Kav eJvai 8 

TToWa Kav fifiiv &€To (f}aiv€crdai fxovws. (ocTTe erreiSii ov^ 
oiov T€ oirrcös, ovSe TroTsXa Svvarov eivai ra ovra, äXKa 

5 ravra Sokciv ovk öpd5>s. iroKKa yap koi oKKa Kara rfiv 
aladrjaiv (f^avrd^eadai [aTrardv]- Xoyov S* ovr* €K€iv' axpeiv^ 
ravra yiyveaßai^ ovr€ iroKKa eJvai ro ov, äXXa ev äiSiov re kcu 
aireipov Ka\ Trdvrrj ofioiov avrb avrw. ap ovv Sei Trpwrov 9 

fiev fifi iräcav Xaßovra So^av dp^etrOai^ aXX' a? jud- 

10 Xicrrd eicri ßeßaioi; &crr* el /jev cnravra ra SoKovvra firi 6p- 
Bws xrrroXafißdverai, ovdev (crtös irpocrriKei ovSe rovrw tt/ooct- 
XpriaSai t5 Soy/iari, {ori) ovk dv irore ovSev yevoiro €k /jrjSevos. 
fiia ydp ris ecrri So^a, koi avrri rwv ovk öpBwv^ riv e/c rov 
aiaddvecrdai ttods ewi ttoXXcov ndvroDS xmeCXriipaiiev. ei Se 10 

15 fifi diravra Tjfuv yfrevSfi ra ipaivoiieva, oKXd rives eiai 
Kol rovrtov bpBai inroXriylreis , fj eiriSei^avra roiavrrj noia fj 
ras fioXicra SoKOvcas öpdds, ravras Xriirreov as äei ße- 

974* 22 ev] ei R 24 fortasse t6 fiefiixf^i yiyveo-ßai ev; tw fi€fi7xSat n — yevotvo Bonitz 

25 re icoi L: om. R rj (post /u/f/s)] 1} LR 26 airaWafei LR : corr. Mullach olov] ovov R 

26. 27 emirpoa-ßea-is sie hoc loco L: emirpoa^ea-eis R 27 eKeivas sie L: eKeivovs R 27, 28 Sta- 

Sri\a L: &' aWij\a»v R 28 xf>*P*C^v'"^v R: ;^w/ö/fovTa L; supple rtvtav ut v. 29 extr. ef. Didym. 

Doxogr. 464, 3 67ri7r/öo(röi;<reo>s L: emirpoa-ßea-etos R 

974^ I Twi'] i. e. airo rwv? 2 tovtov Se rov rpoTrov R 3 (oevo seripsi (cf. 975^ lo): 

w.er sie L: WS To R: WS ean Apelt fAovtav coni. Apelt 5 ravra R 6 aicarav Spalding 

delens ille <f>avra^e(r6at : airarq L : airao-av R ovraticetvatpei sie R : ovreetatpetv sie L : eorr. 

Bonitz ravra seripsi: ra avra LR: ra ovra Bonitz 7 ev Oin. R 9. 10 aW* ae\ fioKiO'ra ov 

ßeßatoi sie R II ov^eV R: o0ev L 12 add. Spalding 14 7ravTTk>s seripsi: irovres L: 

ovTes R 15 /'i airavra Apelt: firjv iravra R: /i^ { iravra L iifiiv post tu Spalding 16 rotav- 

rtiv Mullach 16. 17 irota tj ras L: votortjras R; sensus: tj irpoKpivavra ras 



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ARISTOTELIS QUI FERTÜR DE MXG 1 10-^15, 17 

974^ i8 ßaioripas eivai Sei rj cu fieKKovcriv k^ kKcivwv twv Xoywv 

SeixOrjaecrdcu. ei yäp kcu elev Svo So^cu intevavriai olK- i i 

ao \17\axs, ixTKep oiercu (ei fiev TroWa, yeveaOai (f}ri(riv ävar/icriv 
€Lvai €K fifi ovrwv €1 Se tovto fifi oTov t€, ovk eTvai tol 
ovra TToWa- äyevtiToy yap ov, ei tl eariv^ cnreipov ehai. 
€1 8* ovTws, Kol €v)^ öfioiODS fikv Stj fifiTv 6{fxo\oyovfi€v<av) äfK^O- 

ripwv 7r(porda'€(0vy 
ovSev fiaXKov^ oti ev fj ori ttoXAcc, SeiKvirrai. ei Se ßeßaios 

25 fioXKov fi erepa^ rdiro rairriys ^fnrepavBevTa fioXKov 84- 
SeiKTai. Tvyxdvofiev 86 exovres äfaporipas ras inro- 12 

37 Xjiyfreis rairros, kcu ws av ov yevotr' av ovSev €k fifiSevbs [ovros] 

37* {koi eis) TToXKd T€ KOI Kivovfievd [fiev] koTi ra ovra. äfii^otv 
Se TTKrTfi fioXKov avrri, koi Oärrov av irpooivro irdvres 
TavTTjs CKeivriv rfiv 86^av. &<tt ei koi avfißcuvoi evavrias 
975* I ehai ras <t)dcr€is, kcu äSvvarov yiyveadai re €k firi 5vros 
Kol fit] TToXKa elvai rd Trpdyfiara^ eKey^otro fiev dv 
vir' äXKrjXwv ravra. oKKd ri fxaXKov ovtods av €)(oi; Jatas 13 

T€ Kav <f)airi ris rovrois rävavria. ovre yap Sei^as ort 

5 öpdfi 86^a, ä(j}' rjs dp^erai^ ovre fiaXKov ßeßaiov rj irepi 
fjs Seücwcri Xaßwv, SieXexSri. fJLoXXov yap {moXafißdverai 
eucbs eivai yiyveadai ck fifi ovros rj fii\ TtoTsXd eivai. \e- 14 

yerai re Kai (npoSpa xnrep avrciv yiyvecrdai re rd fiti 
ovra, Koi 8ri yeyovevai noXXd €k fxtj ovrcov^ Kai ov^ ort 

10 Ol Tvy^dvovres^ oKXd koli twv So^dvrtav Tives eivai (TOipwv 
eipriKacriv. avrüca 8' 'H(rio8os 'irdvrwv fiev tt/owtof, <t>ri(n\ 15 

Xdos eyevero, avrdp hreira yaia evpvcrrepvos, irdvrwv eSos 

974** 20 /i^v Apelt: /iff LR 'avayKtj LR: corr. Mullach 22 ay^vijTov Apelt: yevti 

TD L: yevotTO R er ti Wilson: o-n LR 23 ^F L ofioKoyovfiivtov — wporaawov Apelt: 

6 (lac.vi litt.) afi<l>oTep<av ir (lac.v litt.) LR 24 oti «v Spalding: -n ev LR ei con*. 

ex 9 L 25 riiiro scripsi: airo LR 26 rvyxavofieva LR: corr. Mullach exovres 

L: exovTos R hfK^repas sie LR 27 a>s ok — iroKKa re Kai L: om. R yevotrav (post 

yevot littera o erasa) L ovros delevi cf. 974*3 27» koi a>s suppl. MuUach fiev del. 

Bonitz 28 wpoetvro R: irpoa-oivro Spalding 29 ravrtiv eiceiVf/s LR: corr. Bonitz 29 avfi- 

ßtuvet evavrtas L: ovfißalvetev ov Tis R: corr. Spalding 

975* I TV R et (ex Tl corr.) L 6 Ka/ißaverat R 7 51 « L 9 Brj Bonitz: 

fxij LR: del. Spalding 10 Tives post ao<l><av R 11 5* sie LR: delet Bernays: Bfi 

«juasi ex L Apelt *HaioSos theog. 116. 117. 120 cf. supra p.9 11 iravrwv fikv trpiarov 

sie L: wpiorov fihv vavrtav R 12 evpv<rrepvos ^ posteriora in corr. L 

Phüos,-histar, Abh. 1900. I. 3 ' 



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18 ÄRISTOTELJS QUI FERTUR DE MXG 1 15. 2 1-5, 

975* «3 ä(r<l)ä\€s aiel fi8**'€pos, os Trdvrecrcri fierairperrei äSayaroi' 
ai\ ra 5* aXKa (j}rial yevecrdai (ck tovtwv) , ravra Se e^ 

OvSeVOS. TTOX" 

15 Aoi S€ KOI €T€poi ehai fiev ovSev (f}a(ri^ yiyy€<rdcu 8h iravTa^ 

i6 Xeyovres ovk e^ ovrwv yiyvetrOat rä yiyvofieva. ovSe 

i6a yap av eri airrois airavTa yiyvoiro, &<rT€ tovto /jcv 

SrjXov^ oTi eviois ye SoKei Koi €^ ovk ovrcov av yeveadai, 

2. 

AW' apay €1 fihv Svvard itrriv fj äSvvara a \eyeu i 
€aT€ov^ t6 8e irorepov avpirepaiveTai axrra k^ S)v Xa/jßd- 

2o v€iy fj ovSev kodXvci koi oXXods e^eiv, iKavov crK€\lraar6ai; 
erepov yap av ri tovt Icrcos €K€lvov elvi. Kai irparrov reOevros, 2 
o irpwTov Xa/jßdvei, /jriSev yevecrdai av €k /jfi ovros, apa 
ävdyKTi äyevrjra diravTa eJvai, iy ovSev k(oXv€i yeyovevai 
€T€pa €^ erepODv^ koi tovto eis cnreipov ievai; fj xai äva- 3 

25 KdirKT€iv kvkXw^ wo"T€ t6 €T€pov €K Tov €T€pov ycyovcvai, äei 

T€ OVTODS OVTOS TIVOS Ka\ OTTeipdKlS CKdcTTOV y€y€Vrifi€V0V €^ 

äXXrjXwv; &(tt€ ovSev av kwXvoi t6 cnravTa yeyovevai kci- 4 
fi€vov TOV firiSev yeveadaL av €k nh ovtos^ Ka\ d-Keipa 
ovTa irpos ckcivov TTpocayopedaai ovSev KtoXvei t5i' t<d 
30 €vl eKOfievwv övofidTwv. t6 dnavTa yap eivai Ka\ Xeyeadai 

Koi €K€7vOS T(0 älTeipW TTpOcdlTTCL OvScV T€ K<M>Xv€ly Ka\ fitj 

aTreipwv ovtodv, kvkXw axrrwv eJvai ttiv yeveaiv. €ti ei 5 

airavTa yiyverai^ ecTi Se ovSev, ws Tives Xeyovai^ ttcos av 
äiSia eiri; äXXd yap tov fiev ehai ti ws ovtos koi 
35 K€Lfi€vov SiäXeyeTai. ei ydp^ (f^rio'i^ fit] kyevcTo^ eaTiv Se, 



975* ^3 4^1 ^R 14 y'ivea-Oat sie L suppl. Spalding post Felicianuin 16 ^f 

OVK SvTto¥ R ovSe L: ow R (qui non om. hoc enunt.) l6* ytyvoiro L: yivetrOm rit 

ytv6fieva R 17 ev oTs ye LR: corr. Sylburg 19 eareov vulg. : aereov R: \€rreov L 

avro R 20 «raiXveiv sie L Ikqvws LR: corr. Bonitz 21 e-repa ye Sv ti R 

23 avayKtn supi*a vers. L ayewffrtt wavra R 24. 25 avaKOfiirret R 26 eicda-TODV 

yeyevrijuevuv Wendland 27 laoKvotTo äwavTa LR 27. 28 Ktvovfi4vov R 29 (ra^ 

<ivra Spalding irpos cKeivov] ad Melissi sensum twv kv rto R 30 ro airavra Spalding: 

ra atravTa sie R: ro awav L 31 Trpoa-airrei vulg.: irpoa-aTrretv sie LR ^^ ylyvevai 

rec. ni. Urb. 108: ylyveo-ßai LR av Spalding: ev LR 34 n L: ev n R 35 eorto 

LR: corr. Spalding 



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ARISTOTELIS QIJI FERTUR DE MXG 2 5-70. 19 

975* 36 äiSiov av eiti^ ws Seov inrapx^iv t6 eivcu rois TTparffiaaiv. eri ei 6 
Koi ort fidKurra finre ro fit] ov evSexercu jevetrSai finre 
OTToXecdcu To [fifi] Ol', ofioos TL KwXvci Ttt ficv y€v6fi€va 
avTWv eivcu ^ tcl S' äiSia, , tas koI 'GfiTreSokXfjs Xeyei; 
975^ I cnravTa yap KcuceTvos radra öii6\oyri(Tas, ort 'ck re rov fitj 
ovTos äfiYi^avov ecrri jeveadai, t6 re ov e^6XKv(rdai dwy- 
vv<rTov Koi airpriKTov^ äei yap Oi^a-eadai oirrj k€ tis aiev 
€peiSri\ ofitos twv ovtwv to, /jcv äiSid (j}Tj(nv eJvai^ irvp 
5 KOI vBiap KCLi yfjv Koi äepa, rä S* aXKa yiyveaßai re koi 
yeyovevai €k tovtcov. ovSefita yap erepa^ ws olerai^ yeveais 7 

eoTi Tots ovaiv^ "oWa fiovov fii^is re SidKKa^is T€ fnyev- 
Twv eari' (f>v(ris S' ctti toFs övoiid^eTai ävdpwTrouriv'*. rffv 8 

Se yeveciv ov irpos ovaiav toTs äiSiots koi t5 ovti yiyvetrOai Ag- 
io 761, €7r€J TOVTO ye äSvvarov wero. ttws yap av^ (f>ria'i^ 
Koi 'enav^aeie to näv tl re Kai noOev eXdov'; äXKa fiiayo- 
fieviov re Kai auvTidefieviov Trvpbs koi tZv fiera irvpos 
yiyveaßai rd TroWa, SioXKarrofieviov re koi BiaKpivoiie-- 
vwv <f>Beipea'dai iraKiv^ Ka\ eivai rp p.ev fii^ei noXKa Trore 
15 Kai rp Sicucpicei, t^ Se <f>vo'ei rerrapa dvev twv axriwv^ i) 
ev. i) ei kcu äireipa evOvs radra eiri^ e^ &v (rvvriBefievoDv 9 

yiyverai^ SiaKpivofxevwv Se (f>deip€Tai, ü)s Kai rov Ava^a- 
yopav (j)ao'i rives Xeyeiv e^ äel ovrwv koi äneiptov rd yi- 
yvofieva yiyveaßai^ Kav ovtods, ovk dv eirj diSia ndvra, äXXd 
20 KOI yiyvofieva drra Kai yevofxevd r* e^ ovnov koi (f>6ei- 
pofieva eis ovaias rivds dXXas. eri ovSev KwXvei fiiav rivd 10 

oSo'ai' TO ndv iiop<f)iiv^ (os Kai ö Avc^ifiavSpos Kai ö 
'Avc^ifievris Xeyovciv, ö fiev vSwp eivai (f}dfievos ro irdv. 



975* 36 atSiov ettf L: cuSiaveiK R: corr. Spaldiag 38 del. Spalding 

975 ^ ravra R €k re rov fifi ovtos Apelt: ex rov fiij ovros L: eirreyMvovres sie R 

3 Oifireaßeu corruptum: rtj y ^a-rat Panzerbieter ire] Koi R 4 epei Be R elvai 

<l>fHn R 7 TB TBw BtaKKa^is L 9 ov Fülleborn: et L: om R irpos ova-tav L: wpoa-tov-^ 

frav R ovTi L : 071 R l o ctt} R wiero, trws yap <l>ij<r€t L : &<rTe ro TnSf y 5v 

if)ij(ret R.: corr. Spalding hrav^rurciero iravr) tccu L: ewdp^ts 7€to mxvri re koi 1^ 11. 12 a-fu- 

yofi€v<i>v L 12 arwTtOefievtov ex ownSertov L 13 StaWoftevtov Äe L 14 naXtv L: 

irKfjv R wore L: t8 R 15 ^ ev, seil, si sphoerae unitas legitimus dicatur Status 16 tj ei 
R: eiti h eiti rovra R 20 Koi yevofieva t del. Bergk 22 ova-tav R 

3* 



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20 ARISTOTELIS QÜI FERTUR DE MXG 2 10^15. 

975*» 34 6 84, 6 Ava^ifievfjs, äepa, koI oaot ahXoi ovrws €ivcu t6 
»5 Trav €v fi^KaKaaiv, tovto ffSri a^rifiaa-i t€ koI irXiidei kcu 
öXiyorrrri, koI t5 fiavov iy ttvkvov ylyv€<rdai, iroWa kcu 
aireipa ovra re Koi yiyvofieva äTrepyd^eaOai, to oXov. (f>ri(ri 1 1 

Sk KOI Ö CitmOKpirOS TO vSwp T€ KCU TOV äipa (BKaCTOV T€ 
TWV TTOWÄI', TOVTO OVy pvBflW Sia<f}€p€lV, Tl Sil K(oKv€l KCU 12 

30 ovTCos TCL TToXKa yiyveadai t€ koi äTroXKvorßcu, e^ ovtos 
ä€l eis ov fieraßaXKovTOs Tah elprifiivais Sia(f>opcus tov 
€v6s, KOI ovSev ovTe TrXeovos oirre eXoTTovos yiyvofxevov tov 
oXov; eri ti KCoXvei ttotc phv e^ aXXwv tcl aiafiara yiyvecdcu 

33» Koi SidXvecdai eis atafiaTa, ovtws S' del ävaXvoiJeva kot' Icra 7/- 
yv€(rBcu T€ Kou a7r6XXva'6ai ttoXiv; ei Se koI Tavra Tis 13 

35 avyx<^poifi, KCU eiti t€ koi äyevifrov eiri, Tt fxaXXov ottci- 
pov Seücvirrcu; aireipov yap elvai (f}ricriv, ei ecTi fieVy firj 
yeyove Se- Trepara yap eivai ttiv Trjs yevecrews äpxrjy Te 
Koi TcXevTi^v. KcuTOi Tl kodXvci äyevifrov ov e^eiv irepas 14 

€K Tiov eipijfJLevoDv; ei yap eyeveTo, äpxfjv e^eiv ä^ioi Tav- 
976* I Tfjv oßev fip^aTO yiyvofxevov. ti Sri KwXvei, koi ei fifi 
eyeveTO, e^eiv a/ojfiyi', ov fievToi ye e^ rjs ye eyeveTOy äXXa 
Koi erepav, Ka\ eJvai irepaivovTa irpos aXXriXa äiSia ovTa; 
€Ti Tl KwXvei TO fiev oXov äyevfiTov ov aiteipov etvai, tcl 15 

5 Se ev airrcö yiyvofieva TreTrepävdai, e^ovTa äp^riv kcu Te- 
XevTtiv yevecretos; eri koi ws ö FlapfieviSfis (f>ria'i^ ti KUh- 
Xvei Kai TO irav ev ov kcli äyevtiTov ojkos ireTrepavOai, koi 
eivcu '^TrdvTodev evKVKXov (npcupas evaXlyKiov oyKco, fieaa-o- 
dev itroTTCiXes TrdvTti' t6 yap ovTe ti fieT^ov oirre ti ßaio- 



975** 24 6 *Ava(tfi€vti8 fortasse glossema 25 wKiiOem LR: correxi cf. 977* i 27 awep- 
ya^erai LR: corr. Spalding to o\ov del. Wendland 29 tovto LR: corr. Sylburg 

pva-fM Sylburg Sfj R: Set L laaKwiv LR: corr. vulg. 31 es R ^^ iroTe R: iroWa L 
ytyveaßat superscr. t R qui oin. xat SutKveo-ßat — ytyveo-dat Te ^^^ 8* aet scripsi: Bri L. sensus: 

ßeri potest ut omnia aUquando ex aliis rebus nata sinty tum vero haec una materia nasceniäms et 
mterewäihus singtdis secundum aequtdnlem mensuram semper constet icar Kern: «cai L 35 "^ 
sie LR: vulgo Tt ayewtiTov hie et in proxiinis LR e«; om. R 37 yeyove 8e 

Sylburg: yey ovevai LR 39 apxh^ e^eiv R 

976* ' »ip^oTo yiyvofjieva L: yiyvoiTo et ytyv6fieva R: eoiT. Bergk 8 TrnvToÖev] 8, 43 sqq. 

hyKVKKov R ivoKtyytov R oyKov L fieaoOev LR 9 ttroirKevpes R yap ore 

Tl R ßaißeoTepov R 



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ARISTOTELIS Qül FERTÜR DE MXG 2 15-20, 21 

976» 10 repov Trekefiev ^pewv ecrri lij tj Ttj''. e^ov Se fiecov koi 16 

ecrj^ara, irepas ej^ei äyevtjrov 6v, tirel ei Kal^ ws airros 
Xeyei, €v €(m^ kcu tovto acofia, 6;f€/ äXKa eaxrrov fiepti, 
ra Se ofiota Trdvra, koi yap ofioiov ovro) Xeyei ro iräv 17 

ehcu ov^i WS aXX(o rm {onep 'AOrivayopas eXeyxei ort ofioiov 

15 t6 aireipov t6 yap ofxoiov erepw ofioiov^ wäre Svo fj irXeiü) 
6yra ovk av ev ovSe cnreipov eJvai), äXX laws t6 ofioiov irpos 
avTo Xeyei, Kai (f^rja-iv avro ofioiov ehai nav, ori öfioio- 
fiepes^ vSiap ov airav fj ytj rj ei ti toiovtov olXXo. SfiXos 18 

yap ovTcos ä^iiov eivai ev^ t5>v Se fiepiov CKacrov a-üfxa ov 

20 OVK cnreipov earr to yap oXov äireipov, wäre ravra Trepai- 
vei irpos äXXtiXa äyevrjTa ovra, eri ei äiSiov re koI OKei- 19 

pov eoTTi, Trios av elt] ev (TWfia ov\ ei fiev yap ävofioio- 
Hepwv elrj^ iroTsXd, Kai avros ovtod y* elvai ä^ioZ ei Se 
airav vowp rj airav 717, 17 ort oy\ to ov tovt ecrriy TroAA 

25 av e^oi fiepri (cbs koI Zyivoöv €Kt^eipe7 ov Seucvvvax ro 
ovTODS ov ev), eiTi ovv av Kai TrXeiov ärrra avrov fiepri, eXarrov ovra 
KOI fJUKporep äXXa (aXXwv, w(r)Te iravTri av ravrri äXXoTov eiiry 
ovSevos Trpoayiyvofievov adfiOTOs ovS' OKoyiyvofievov. ei Se 20 
HYire aw/ia iJrJTe TrXdros firjre fifJKos e^ov fiTjSev, irws av 

30 cnreipov (ro) ev elri; (rj) ri KioXvei ttoXXcl Kai ävdpSfia roiavra 

976* 10 inKefjiev xp€<^y Spalding: etvat fiexpt wv (corr. in ov) L: Gtvm fiexpt ov R TtiriTtj 
R: T (lac.vi litt.) L 11 hre) ei R: lac.v litt., tum iroieTh 13 -ra 5e sie LR 14 ouxi ms 

aKK (lac.vi litt.) nvt L: ov (lacvi litt.) ä\\(o nv) R otrep aOrivayopas (oexe?) iKey^ei on L: 

o wepaßrjvat 6pqs eXiyxei €i n (sed. on Bern. 402) R. Anaxagorae nomen recte agnovit Beck, at 
eius sententiam (ap. Simpl. phys. 157, 2 cf. 156, 14) non cepit auetor 15 yap Spalding: 

ye LR 16. 17 TTpos avTo R: wpos ro avro L. fort, wpos eavro <t>rj(nv ex <t>vaiv L; 

cf. Parm. 8, 22 errei irav ea-nv o/ioTov iS ov ex &v h ri yij Ij ri L: tj yijv ij et n R; cf. 

V. 24 19 odroa- R post ev spat. 11 litt. R Sh /iepo>v scripsi : Sri fieptov L: Ä/i€/öwv R 

22 yap om. L avofiotofiepwv sie claro conipendio L: avofioiwv afiepwv R: ävofioio- 

fiepes (quasi in L extans) fortasse recte Mullach cf. v. 18 et Ar. de caelo A 7. 274* 31 et 
Smtpov rjTot avofiotojuepes airav ij ofjiotofiepes 23 ovrta y elvat afio? R: ytve<rOat a(toT L. pugnat 

cum V. 19. fortasse ovtw y (3v) (sie Apelt) eJvai a(io?, seil, si avofiotofiepis quod negat sta- 
tuatur 24 amtv yrj L: airaa-av yfjv R Sri ex SeTh 26 irKetov arm seripsi cf. 976 37: 

irXeiova ra L: wKeiova R 26. 27 ^Karrovtov re Kai fUKporiptav LR: corr. Apelt 27 aKKa ahXtav 

&<rre Apelt (nisi quod aWöv Wilson): aKKal re sie R: aKK (lae.Vi litt.) re L oKKoTov cf. a\- 

Kotowrßai 977* 2 28 ovSevos R: ovSev L. melius dixerat ovSevos ovros rov vpoa-ytvofjievov rj a, cf. 

Zeno apud Simpl. pliys. 139, 5 sqq. 30 to ev seripsi: av LR: del. MuUach 5 add. Wilson 
KtaKvei, ei ex 01 L iroKKa om. L ävdpißfia Bern. 402 (a ex corr.): ivapiSfia R: ev äptßfita L 



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22 ARISTOTELIS Qül FERTUR DE MXG 2 21-26. 

976 • 3« eJvai ; {^ti) t/ KwKvei koi irKeiw 6vTa evos fieyeBei OTveipa eivai ; 2 1 
(öS Koi 6 Eevoipdvf^s cmeipov ro T€ ßdOos Tfjs yijs kcu tov 
ouepos <f>ri(rlv ehcu, StiKo? Se koi ö 'GforeSoKÄfis' ernripa 
yap WS XeyovTODV Tivtov roiavra^ äBvvarov elvat ovrtas e^ov- 
35 T(0V ^pßaiveiv avrd^ "einep ajreipova yfjs re ßddrj kcu 
Sa\lriK6s aiOtip, ods Stä ttoWZv Sil ßporewv pridevra pa- 
raiws €KK€xvTai aropdTiov^ oKiyov tov Travros iSovrwv." €ti 2 2 
ev ov ovSev aroirov, ei pii irdvrri opoiov ecrrtv. ei ydp ka-riv 

976^ I vSwp airav 17 irvp rj 6t i Sri oKKo toiovtov^ ovSev k(oXv€i 

TrXeiw eiireiv tov ovtos €v6s eiSri^ iSia eKaarov opoiov airro 

iavTw. KOI yap pavov^ to Sh ttvkvov ehcu^ pfi ovtos €v 2^ 

Tö) pavw K€vov, ovSev kwKvcl €v yap tQ pavw ovk cctiv ev 

5 Ti(rt pepeat x^P^ äiroKeKpipevov to K€v6v^ wo-tc tov oKov 

TO peV TTVKVOV, ^TO Sc pfl TTVKVOv) €lVm {kOI TOVt' YlSfl kOTt 

pavov TO iräv ovtws 
e^ov), äX\' öpoiws anrav TrXfjpes ov öpoiws fJTTOV TrKfjpes 
eoTi TOV ttvkvov. ei Se koi ecmv {koi^ äyevtiTOv earri, Kciv Sia 24 
TOVTO OTTCipov Soßeifi €tvai KOI priSe evSe^eadai oWo kox 

10 oKKo aTTcipov eivai. Sid tovto koI ev tovto fiSri TTpocayo- 
pevTeov Kai äSvvarov *♦♦. ttws ydp, ei to aiTeipov oKov elvi, to 
Kevbv pti oXov ov oTov t€ eJvax; aKivifTov S' eivai <^yi(tiv, 25 
ei Kevov pfi ecTiv aiTavTa yap KiveTadai t5 äXXdTTeiv 
TOTTOV. TTpiüTov p€v ovv TOVTO TToXKoTs OV ouvSoKeT, oKK' 26 

15 eivai Ti Kevov, ov pevToi tovto ye ti awpa eivai, oKK oiov 
KOLi 6 'HaioSos ev t^ yeveaei TTpSrrov to x^os ^tiai yeve- 
cBai, ö)s Seov ^tapav TTpwTov imdpj^eiv toTs ovcr toiovtov Se 

976* 31 add. Wilson ytieyeÖiy R 32 6 om. R 34 aBwara R 35 ^fißaivetv 

SIC LR 36 OS R ßporSiJv] y\wo-o-iys Arist. d. cael. 294» 27, unde auctor 37 ohJyov 

om. R 38 ov w R ei alt.] ei in eis corr. R 

976^ I oTi, o ex a L 2 ef<^i; Apelt: ei Sri R: o^ B^, corr. in ei Brt L iSta 

Apdt: St* R: Set h 3 ^ L: tov R 4 laoKvei. iv Bonitz: ictoKvetv LR to fmvov ovk 

evrt (corr. in Sa-nv) L 4- 5 ^»^ ""<" L: ev nm R 5 «ore Mullach: ws ro LR etvat 

TTVKVOV R 6 addidi; to Se Kevov add. Bonitz tovtI Sil R e<rn] elvat Bonitz 8 add. 

Bonitz cf. 975^35 Kav scripsi: koi LR 9 SoOelij awetpov R fujSk R: fttj h 10 Sia 

Ti Kcä Lt II lacunam statiii f to äireipov oo'ov ^ t6 fiff o\ov av otovrai elvat Lii av r6 

avetpov oa-ov rj to Kev^v firf oKov av o!6v re elvat R: correxi {oKov pro oot>v indicaverat Felicianus) 
13 Katvov ut 18, sed corr. L /i^ L: ftev R 15 tovto sie etiam R 17 Seov L: ^ R 

17. 18 ^17 Tt Apelt 



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ARISTOTELIS QUI FERTÜR DE MXG 2 26-32. 23 

976*» i8 T£ Koi t6 Kevov oJov äyyeiov ti, (pv to^ äva fiicov €ivcu ^fp^vfiev. 

oKKä Sri Koi €i fifj ecrri k€v6v fifjSev, ti tjctroy av Kivoho, 27 

ao €7re( Kcu 'Ava^ayopas ro irpos avro irpayfiaTcvSeis^ kcu ov 
fiovov äiroxpwav airrw OKO^rivaardai ort ovk eariv, ofnas 
KLV€ia6ai <f>fiö'i TCL ovra ovk ovtos kcvov. ofioitas Se koi 6 28 

'GfnreSoKXijs Ktveicdai /lev äei (f}Tja'i ovyKpivofieva tov 
airavra evSeXe^iis jf/odi'oi', (jcevov) Se oißSev etvai^ Xeywv ws 

TOV TravTos d(€) 

as ovSev Kcveov nodev ovv ti k eiriXdot;* oTav Sh eis fiiav fiop- 
<f}fiv ovyKpiß^, wcd' €v ehai, ^ovSev^ ^wL t6 ye Kcveov ireXei 
ovSe 7r€picr(r6v.' ti yap KwXvei eis aXKtiXa ipepecrBai koi 29 

TrepuaTaaBcu afia otovovv eis oWo, koi tovtov eis erepov^ Koi 
eis t6 irpwTov aSXov fieraßaXKovTos äei; ti kcu ttiv ev 30 

30 TW avTio fievovTos TOV -KpayfiOTOs TOTTö) TOV eWovs fie- 
TaßoXrjv, fjv äWoloDCiv 01 t' aXXoi KOKeTvos Xeyei, ck 
t5>v eiprifievwv airrS KwXvei KiveTcdai Ta irpayuaTa^ OTav 
€K XevKOv fieXav 1) eK niKpov yiyvrjTai yXvKv; ovSev yap to 
fit] eivai Kevov 17 /i^ Sexeaßai to irXfipes äXKoiovodai KwXvet. 

35 cöO"T ovO* airavTa äiSia [ovß' ev] ovr cnreipov ävdyKtj ehai^ äXX' 3 1 
aireipa noXKa, oirre ev (pv^O' ofioiov^ ovr cucivtiTov, ovt ei ev ovr 
ei TToXX' arra. tovtcov Se KeifAevwv kcu n€TaK0(rfie7(rBai kcu 
eTepoiovaßai tol 6vTa ovSev av kwXvoi €k twv inr CKeivov eiprifie- 
977* I 1/0)1', KCU evos ovtos tov ttuvtos Kivriaews ovarfSy kcu irXridei koi 
oXiyoTYtTi Sia(f}€povTos, Kai äXXoiovfievov ovSevos Trpoö-yiyvofievov 
ovS' ä-Koyiyvoiievov awfiaros^ kol ei TroWa, avfifXKryoiievwv 
KCU Sicucpivofievwv äKX^Xois, Triv yap fxi^iv ovr ewiTTpoo'' 32 



976^ 18 addidi cf. Ar. Phys. 212» 14 ig 8fi, 3 ex koi corr., L ei ex »; corr. L 

fiilBev n rja-(Tov L: firiS4 71 ^a-os sie R: corr. Apelt 20 to] o Spalding, tu Wendland irpo L 
aur^ R: avro sie L 23 ovyKoivofieva R 24 icevov om. L: icevov ^ om. R: suppl. Apelt 

24^ ^ oin. R 25 ov^ R Kev (lac. iv litt.) L ttoBov LR 26 a>s R 29 €ls\ ei L 

aWov {eis äKKo) Kern ri scripsi: en LR 32 an {oiov) orav ^^ yevtirm R 34 § 

ex et L 35 delevi cf. 36 an aKK\ (ei apa^) cf. 977*3? 36 supplcvi ex 35 ovr atd- 

iri/TOv, litterae mediae in ras. L 38 ra ovto om. R ovSev av imKvoi Apelt (cf.977 ^ 39): 

ovSeva KWiKvet LR eicetvia R 

977* 3 ovS* ttiroytyvofjievov Kern (cf.976* 28): ei B* apa nvos, ov tov (cf. ad 976*» 35) LR 
ovfu<ryofjie¥<av L: arvfifuyofxevov R 4 oifvStaKptvofievtüv R eTntrpovßeo'iv R 



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24 ÄRISTOTELIS QÜI FERTÜR DE MXG 2 32. 3 1-3. 

977* 5 Btia-iv ToiavTr\v etvai ovre avvBeaiv eucos olav Xeyei, wäre fj 
)((t)pls €v6vs ehai, fj Koi ä'7roTpi(f)6€VT(ou oa eTTiirpoo'dev erepa ere- 
pwv (f}aiv€(Tdai jfw/ols aXKiiXwv Tavra, äXK ovtws avyKeiadai 
TaxOevra wäre önovv tov piyvvpevov irap otlovv & pvywi^ai 

yiyv€)crdcu /le- 
pos ovTws, &(r(j€^ fifi av Xri(f>dijvai ovyKeiijeva, äXKa fiefiiypeva, 
lo priS* ÖTro(Taovv avrov pepri. ejrei yap om ecrri awpa [toJ eXa- 
Xicrov, airav airavTi pepos pepiKrai öpoiODs koI t6 oXov. 



[APIIT0T6A0YI] nePI EeNO0ANOYL 

3. 
ASvvoTov <l>ti(nv ehai^ ei ti ecrri, yeveaOai, rovro Xeywv i 
15 eirl TOV deov' ävdyKti yap fJToi e^ öpoiov fj e^ ävopoiov 
yeveaSai t6 yevopevov Svvarov 8e ovSerepov oirre yap 
opoiov v(f> öpoiov TTpocrriKeiv TeKvwdfjvai paXXov fj rcKVcocai 
(ravTCL yap airavTa to7s ye iaois kcu öpoioDs inrdpxciv irpos 
aXXriXa) ovr* av e^ ävopoiov rävopoiov yeveadai, €i yap 2 

2o yiyvoiTo e^ äadevecTepov t6 ia^vpoTepov fj e^ cXclttovos t6 
pei^ov iy €k x^ipovos ro KpeiTTOv^ i) rovvavriov ra x^^P^ ^'^ 

T(OV KpeiTTOVWV, TO OVK OV €^ OVTOS (fj TO 6v €^ OVK OVTOS^ 

av yeveadai' oirep äSvvarov. 
äiSiov pev ovv Sia ravra eJvai tov deov. ei S' eariv 6 deos 3 

aTrdvTODV KpancTOv, eva (f^riclv avrov irpoci^Keiv elvai, ei yap 
25 Svo fj nXeiovs eTev, oi/K av eri KpancTov koi ßeXrKrrov avrov 
eJvai irdvrtov, eKaaros yap S)v deos rwv TroXXüv öpoiios av 
roiovros e'iti. rovro yap deov Kai deov Svvapiv eJvai, Kparelv^ 



977* 5 ^eye* Sylbiirg: \eyeiv LR 6 anoTpt<j>B€v'nav o(r* Wilson (cf. p. 974*28): aro- 

<TTp€(f>B€VTos LR: airorpi<f>B4vTos tov Apelt €T€p(ov sie L: eraipcov R 7 (patpeaOai R 8 rou 

om. R w fiiywadai R: ofiiywa-ßat L: siippl. Apelt 9 o)s fit] avdKr\<f>Brjvat LR: corr. Wilson 
10 /ii;5* oirotaovv R: /i^ Se miaovv L: correxi av-na LR: corr. Wilson ro inclusi: ti 

Apelt; (Tw^Ta eXax'crra Kern 11 cf. 976^7 12 apia-roreKovs L: om. R 14 et 

16 yeveadat LR, Corr. (in ytveadm?) L 15 ofAomy jj ef ofioitov R 18 vavm sie LR 

r<ro/s 5 ofioiois R 19 av\ av Apelt ravofioiov L: ovt avofioiov R 22 ov prius om. R 

add. Brandis av om. R 24 ^i;<n irpowriiKtv avrov (om. eivai) R 25 5i/o L: ^1/ R 

5 L: 5 ^"T« R, at cf. **i5 avrwv L 26 «v (ex <av?) L: Sv R ofioiüts Sv.L: ofiotos &v R 



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ARJSTOTELIS QU! FERTUR DE MXG 3 3-10. 25 

977* 28 oKKa /itj Kpareiadai, Koi irdvrwv KpaTiCTov eJvai. wäre 

KaBo /jfi KpeiTTwv, Kora Tocrovrov ovk elvai deov, Tr\€i6v(0P 4 

30 ovv ovTwv, ei fxev eiev ra pev äXKriXwv KpeiTTovs tcl Se 
fjTTovs^ OVK av eJvai deovs' -Ke^VKevai yap ro OeToi^ pri Kparei- 
cdaL latov Se oi^Tiov^ ovk av €)(€iv Oeov (pvaiv^ ov SeTv eivat 5 
KpcLTiCTov' t6 §€ laov ovT€ ßiXT.iov ovT€ ^^ipov chai Tov Icov 
u)(TT ehrep eltj re koi toiovtov eiti deos^ eva povov eivai tov 

35 Oeov, ovSe yäp ovSe Trdvra Svvaadai av a ßovXoiro. ov 
yap av Swaadai TrXeiovoDv ovrwv eva apa eJvai povov, eva S* 6 
ovra opoiov eJvai irdvTti, öpwvra koi oKoriovra ras t€ aXXas 
aicdria'eis e^ovra Trdvrri' ei yap pri, Kpare^v av Ka\ Kpa- 
Telcrdai vtt' äXX^Xwv ra pept] deov [ovra], oirep äSvvarov. 
977^ I Trdvrri 5* opoiov ovra a^aipoeiSii eivai' ov yap rrj pev Tri 7 

8* ov TOIOVTOV eJvai^ äXXd irdvTrj. äiSiov Se ovTa Kai eva 8 
KOI (ppoiov Kal^ (T(f>aipoeiSfi ovTe dneipov ovtc Treirepdvdai. 

direipov pev {yap) ro pfi 
ov eivai' TOVTo yap oxrre pecov ovt€ äp^riv koll tcXos ovt 

5 aSXo ovSev pepos exeiv, toiovtov Se elvai to direipov ohv 
Se TO prj ov, OVK av elvai to ov Trepaiveiv Se irpos aXXriXa, 
ei irXeiw elrj. to Se ev oirre t£ ovk ovti ovTe toTs ttoXXoTs 
wpoiSxrBai • ev yap ovk e^eiv, tt/oos oti irepave?. to Sri toiov- 9 
TOV ev, öv TOV deov eJvat Xeyei, ovTe KiveTadai ovTe cucivri- 

10 TOV eJvai' cucivriTOv pev yap eJvai to pfi ov oirre yäp av 
eis avTO erepov oirr €Ke7vo eis aXXo eXdeTv. KiveTcdai Se 
TCL TrXeicD ovTa evos' erepov yap eis erepov Se7v Kiveladai. 
eis pev ovv to pfi ov ovSev av Kivridfjvai' to yap pfi bv 10 
ovSapfj elvai. ei Se eis dXXriXa peraßdXXoi, TrXeiw av to ev 

977* 28 (et 32) Kparfja-ßat R • navra LR corr: Karsten Kpana-Tov Karsten: 

Kpareia-Qm LR 29 Kpet-rrov R 31 to Oetov L: öv R 32 ßeov Bonit/: Oeov LR ^v<rtv ov 

scripsi: </»i/<n/* in ras. R {(f>vaifxos etiain Bern. 402): ffiva-iv L ^^ x^P'*^^ ^ 3^ ^R^ ^^' ^ 

37 opav T€ Küt oKoveiv LR: corr. Wendland cf. 39 39 ovra (oliin adscriptam ad oKoveiv 

37 einendationem) delevi 

977 2 ovva R: ovTco L ' 3 ofioiov Kot add. Wendland TTf^mpaaBat R /lev yap TO 
Bonitz (cf. 10): fi€v o L: o R 4 irai in corr. L': coeperat ovre oitSev fiepos L: ficpos ovSev R 
7 etev R 8 ofiottitrßat R e^ei LR: corr. Bonitz irepavet R: TrepavSeirf L Se B^kker 

9 w, ov scripsi: ev , ov L: ov, ev ov R o«vi;tov L: Ktvtirov ü 10 aKivrirov L: avovi;Tov R 

13 e/$ etiain R 14 av to ev (vel ov) Karsten: avrov LR 

Pkilos.'histor. Abh. 1900. L 4 



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26 ARISTOTELIS QUI FERTl'R DE MXG 3 10-11. i 1-4. 

977^ 15 €ivai €v6s. Sia Tavra St] KivetcrBai fiev av ra Svo rj nXeiw 

evos^ f]p€fi€iv 8h KOi aKivifTov €ivai t6 ovSev. ro §€ €v ovt€ i i 
ärpefieiv ovre Ktveiadai • ovre yap rw fifj ovri ovre tois ttoX- 
\ois ofioiov eTvai. Kora Trdvra Se ovrws e^ovra tov öeoi/, 
älSiov T€ KOI €va, o/joiov T€ Kol a'<f>aipo€i8ii ovra, ovre cnrei" 
2o pov ovre Trejrepaaijevov ovre tipefiovvra ovre KivYtrov etvai. 



ripwTOV iJ€v ovv Xafißdvei to yiyvofievov Koi ovros i 
e^ ovTos yiyveaßai, ixTirep 6 Mekiacros. Kahoi ri KwXvei 
firJT €^ ö/joiov (fxriT k^ ävo/jolov) ro yiyvofxevov yiyveaOai, 

ähX €K fifi OVTOS ; 
€Ti ovSev /joXKov ö deos äyevvtros i) kcu roWa Trarra, 

35 enrep airavTa e^ ofxolov ri ef ävo/joiov yeyovev (pirep äSvvarov) ' 
worre rj ovSev eari irapa rov deov J) koi tcl aXKa äiSia Trdvra. 
eri KpdriOTov rov deov Xafißdvei, tovto dwardraTOv koi 2 
ßeXTKTTov Xeywv ov SoKeT Se tovto KaTO. rov vofiov, äXXa 
TToXXd KpeiTTovs eivai äXXriXwv oi Beoi ovk ovv €k tov So- 

30 KovvTos eTXri<f)€ TavTtjv Kora tov Seov tvjv öfioXoylav. to re 3 
KpdTKTTov eivai TOV deov ov^ ovtcos imoXafxßdveiv XeyeTai, 
WS Tvpos aXXo Ti ToiavTvi fi tov deov (f^vcis, ä\Xa irpos tviv 
avTov Siddeciv, enei toi ye irpos erepov ovSev av kwXvoi fAYi 
T^ avTov kirieiKeia koi ptofiri inrepex^iv, oKKa Sia Ttjv 

35 Twv aXXwv äcdeveiav. deXoi S* av ovSels ovtw tov deov 
<f)dvai KpdTKTTOV eJvai, äXX' oti airros e^ei ws olov re 
dpiCTa, KOI ovSev eXXeiTrei Kai ev Kai koXcos e^eiv airrw' 
dfia yap Icnas (ovtws^ e^ovTi kokcTvo av cvpßaivoi. ovtw Se Sia- 4 



977 ** 15 ^«] *«T« Wendland av deleveriin 6 Se koi h: yap R 18 fortasse Sri 

exovra Apelt: e)^' (^X^'*) L: exois R 20 ^pe/iow-ra scripsi: ripefitv (comp.) L: rip€fie7vR Kivtj- 

TOvFöllebom: aidvrjTOV sie LR 21 icai ovtos to yiyvofievov ytyvea-ßat e^ ovros R 23 ojnotas R 

add. Brandis 24 5 L: e/ R 25 ? ef ] tj ko) e^ h: ij H 26 -n-apa L: irep] R 29 Kper- 

Toi/s R 30 Kara R: om. L ofioKoytav non praestiteriin \nro\afißavfav \^1X: corr. 

Vahlen Xeyerai] evSexerai Vahlen; at cf. 975^17, Praef. p. io3 rotavrif LR: corr. 

in TOV avrri R' 33 ^^ 34 avTov LR rot ye L: tov yap R 34 fort. hiriKpareia 

Sia rrfv R: rqv Sia h 35 OeKet R 35. 36 Oeov vipdvai L, corr. L' 36 Kpart^rroy^ 

a ex w ut videtur, L 37 eWeiirei L: eKKetwet R aurov Bergk 38 Sfia] aWa Bergk; 

apia^a Wendland add. Wilson KoKeivw L ovfißalvtj R 



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ARJSTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 4-9. 27 

977^ 39 K€i(rdai kol nXeiovs avrovs ovras ovSev av kcoXvoi^ airairras ws 
978* I oiov T€ apKTTa SiaKCificvovs^ Kol KpaTiarovs rHv aXSxov, ov^ 

avrS>v ovTos, ecri S\ ios eouce, koi äXKa. KpaTiarov yap 5 
eivai Tov deov <f>rio'iy tovto Se tivcov ehai ävdyKt]' eva t ovra 
TrdvTfi öpav koi aKOveiv ovShv irpocriKei • ovSh yap ei pfj koi 

5 rfjS* Opa, ^eipov dpa ravTt]^ äW' ov^ opa. oAA* icrcös tovto 
ßovXcTai t6 TrdvTri aia-daveadai, oti ovtws av ßsKTiCTU ej^oiy 
opoios wv irdvTri, €ti toiovtos S>v Sid tl ^(f^aipoeiSfis av €iri, 6 
ä\X ovx \pTi\ erdpav Tivä fioXKov €)(wv iSeav, oti ndvTri 
cucovei KOI TrdvTfj KpaTcT; ixnrep yap oTav \eywfxev to 

10 yfriiuLvdiov oti irdvTri ecTTi XevKov, ovSev aXXo a-rifxcuvo- 
p€v fj OTI ev diraa'iv avTov to?s ficpeaiv eyKc^^pwaTai 17 
XevKOTYis' Tl Sri KwXvei ovTtos Kcucei ro irdirni öpav Kai 
OKOveiv Kai KpaTeiv Xeyeardai, oti dirav o av Tis airrov 
Xafißdvri pepos, tovt IsaTai Trejrovdos; w(rK€p Si ovSe to 

15 yfripvdiov, ovSe tov deov ävdyKvi ehai Sia tovto apaipoeiS^, 
eri prJTe cnrcipov (eivai) priTC Treirepdvdai (rwpd ye ov koi exov 7 
peyedos ttws oIov T€, ehrep tovt* ecTiv direipov o av pti ejfiy 
irepas Scktucov ov irdpaTos, nepas S' ev peycBei koi ttAij- 
dei eyy iyverai Kai ev dnavTi t5 ttoo-w, wo-tc ei pii e^ei 

20 nepas peyeOos ov direipov e(TTiv\ cti Se a<f}aipoeiSii ovTa 8 

ävdyKri irepas e^eiv e^xcnra yap e^ei, enrep pecov e^ei 
airrov, ov TrXelirTov äire^ei, peaov Se ej^ei a'<f)aipoeiS€s ov 
TOVTO ydp ecTi a'(f>aipoeiS€s o €k tov pecrov öpoiws irpos tcl 
ea^aTa. aüpa S* ea^aTa rj irepaTa €)(eiv, ovSev Siaipepei. *** ei 9 

25 ydp Kox TO pfi ov aireipov ecTi, tiovk av koi to ov äireipov; Tiydp 

977 ** 39 ov^ av KtaXvri L: ovSeva KwKvet R 

978* I otov re L: oiovrat R 2 ea-rt sie L 3 niwv sie LR eva' tov tu vavra L: eva 

TO iravva R: corr. Kern; Se malebat Mullaeh 4 ov yap B,L: Se superser. L' etfu koi R: ei fjiri 
(fi ex *c) L 7 Sta Ti'L: Slo-n R, unde ort varia 1. in v.8 8 ort del. Karsten TravTiy (opa ica) 

irävrri) Wendland 10 irovra R aKKo n R 11 § om. L ^yKexpfi<rrat R 14 Kafißavet R 

15 Sta rovro elvat R 16 add. Karsten ; post amtpov eoeperat e? L; corr. /ii/to L' ov Bekker: 

wv L: om. R e^ov sie R: ^x*^v L 18 KetcriKov R 19 ev ytyverm R wo-re av fif\ e^iy R 

20 ov L: oo-ov R 22 avrov, -r ov sie L: avrov rov R ef. p.6; explieo: extrema habet deus^ siquidem 
cenirum sui habet, a quo illa longissime absunt airexet sie LR fort. a-<l>atpo€iSris <&v 23 o -f w L : 
ov €K R irpos] irvpos R 24 ^L: om. R otov Sta<ftepet (fuit Sia^epeiv, corr. L') L: oJov Sta<f»op€7 
R: corr. Bergk lacunam statui 25 aweipov ea-n^ ri ovk Bv scripsi (similia Didotiana): 

aneart, ovk av (ovk in corr., cuius prima littera fortasse t fuit) L: äirhovv ovk av R cf. p. 5. 

4* 



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28 ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 9-13. 

978* 26 Kw\v€t evia TavT av Xe^drivai Kara tov ovtos kcu fii] 6vtos\ 
ro T€ yap ov ovk bv ovSeis vvv alcrdaverai, koI bv Se Tis ovk 
av aladavoiTO a iniv ajKJxo Se Xe/cra Koi Siavotjrd *♦* ou Xev- 
Kov T€ t6 fiiibv' 1) ovv Siä TOVTO TO, ovra -Kavra \evKa, ottws 

30 fiti T£ Tainro Karä tov ovtos arndrjvcoijev koI fifj ovtos ^ rj 
ovSev, oifiai^ Kwkvei Kai twv ovTtav ti ni\ eJvai XevKov ovtod Se 
KOI ijaXXov av äiro^aaiv Sc^aiTO, ro aweipov, ei KaTO, to Tra- 
Xai Xe^dev ti [hoKXov^ Trapa ro pii e^civ (nepas) eoTiv 
aireipov • waTc Kai to bv fj aireipov ri irepas e^ov ecTiv, 'icios Se i o 

35 ciTOTTOV Kai TO TTpocaTTTCiv Tip fifi ovTi aTTeiplav' ov yap iräv, 
€1 pri €)(€i TrepaSy aireipov Xeyopev, uxnrep ovS' avicov ovk av 
(fxupev ehai to pfi la-ov. €(ti) ti ovk av exoi 6 deos nepas eh 1 1 
(oVy aXX ov TTpos ueov; ei de ev povov ecTiv o ueos, (ev) av eiri 

978^ X povov KOI TCt TOV deOV peptl. €Tl Koi TOVT CLTOTTOV, ei ToTs I 2 

TToXXoTs ^pßeßriKev Trejrepdvdai irpos dXXriXa, Sid tovto 
TO ev pfi e^eiv Trepas. noXXa yap toTs ttoAXo/s koi tw 
evi imap^ei TavTci, eirei Kai to elvai koivov airroTs ecTiv. 
5 CLTOTTov ovv ZcTCöS ctv 6??;, €1 Siä TOVTO pt] (f}dipev ehai tov 
deov, ei to, iroXXa ecTiv, onws pfi opoiov earai avTols tovtyi. 
BTi Ti KcoXvei ireirepavOai koi e^eiv irepaTa ev ovTa tov 13 
de6v\ üs Koi ö riappeviSris Xeyei ev bv ehai airrov **Trdv- 



97S* 26 ravTCL R: ravTa, coiT. in tovt av L 27 ov^eL: ov öe R; sententia comipta. vix 

haec sufficiant: t6 -re yap ov { ov ovSets vvv aiGBoverai koi ofiotios Se Tis ovk av ala-Oavotro (t6^ fitf ov 
a R: om. L 28 Ka) L: on (oin. coinpendium €p siinilliminn insecjuentis litterae S?) R: ott Bern. 
402 (cf. p. 11), sed fortasse mi Siavotjrd vel oTrep Stavotjra glossema, quo hansta sint oJov Kcvkov /<€v 
TO ov 28. 29 XevKov TO (sie) LR; \. Se Brandis 29 5 Brandis: ei LR 30 tovto koto tov 

OVTOS R: KOTa tov ex kot avTov [o\l\. tovto) L' o-rjfiijvojfAev L: <rrifioiv(ü/j€v R 31 oifiot om. R 

-n /i^ L: Tifitov R 31 ovTto — ea-Ttv (34) ut potiii emendavi (cf. 978^ 29): ovno Se ko] 

aWrjv ovv cnr6<l>a(nv Se^ovToi to aireipov, et firj to 7ra\ai Aej^Öev -n [Aej^öev n (R)] fioKKov irapa to 
fifi e^eiv tj firi ej^eiv e<rriv airav' &o'Te koi to ov ^ aireipov § irepas e^ov €a"nv [tum awov — ^ctiv 
omisso priore ? iterat L, om. R] LR; i)raeivit av — Se^aiTo Bekker 32 to aireipov appo- 

situm ad airofjiaa'iv (subiectum to ov) dulwto an glossema sit ^^ \e;^Ö€v]»i7 35 otoitov 

Koi TO VUlg.: OTOITOV TO Ko) Li TO OTOITOV KOl Hl TO OTOITOV TO KOt L' 36 OVk] foi'taSSC 

aiTov 37 Ya-ov scripsi: ov LR; cf. 978^ 19 add. Brandis (e-n sie L) 38 a\K* ov R: 

äWov L; cf. *>io ev alterum add. Urbinas 108: om. LR (fortasse extrusum interpre- 

tamento 6 ßeos) 

978*^ I €Ti Kern: eire) LR 2 ^fißeßrjKev sie L: avfjßeßtiKe R 4 tovto R 

5 iftoftev L 6 TovTfi R: tov vacuum in litt. L; seil, nwi elvoi 8 riopfievtStis] fr. 8, 43.44 

\eyeis L: corr. L* ovto }j 



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ÄRISTOTELIS QUI FERTVR DE MXG 4 73^76. 29 

978^ 9 Todev €vkvk\ov (r(f}aipas kvdKvyKiov oyKw, fieacodev ia-oTra- 

10 \€s". To "yap irepas tivos fxhv ävar/KYi eTvai, ov fxevroi 

irpos Ti 7€, ovSe ävdyKri to e^ov irepas irpos rc e^civ ire- 

pas, (OS TteKepaa-fxivov irpos to [firi] €<f}€^s aireipov^ äXX 

ecTi TO Treirepdvdai eo-^aTa e^eiv, ea^ara S' e^ov ovk 

ävdyKri izpos ti e)(€iv. evlois pev ovv (Tvpßaivoi 14 

M* 7' dv, Kol ireKepdvdai {koi^ npos ti o-wdirTCiv, to7s 

14 b Se TT€Tr€pdvdai jjev, firi fievTOi irpos ti ircTrepdv- 

15 düL TToKiv 7r€p\ Tov aKivfjTOv clvat TO ov KOI TO (jiri) 01/15 

.5 a (XcKTcov oTi TO VTToKafißdveiv äKivYtTOv ehai to /jfi ov^, 

OTl KOI TO ov KlVehai^ ICWS opOlODS TO?S epTTpOcOeV aTOTTOV, 

Koi Ibti' dpd ye ov tovto dv Tis inroXdßoi to fAti KiveicBai 
Kou TO oKivriTOv €ivai, ähXd to fxev ä-Ko^aaiv tov Kiveiadai, 
(ocnrep to fiii 'icov^ oirep koi Kora tov pt] ovtos eiireiv 

20 äXrides, to Se aKivfjTov t£ e^eiv iroos riStj XeyeaBai, S^onrep 
TO dvta-ov, Kcu km tw evavTm tov KiveTadai, tw fipepeiv, 
WS KOI a^eSov ai äiro tov ä äiro^daeis eTri kvavTiois \e- 
70in-a/; to phv ovv pri Kiv€7(Tdai äXrfdes eirl tov pfi ovtos, 
TO Se fipepe7v ov^ imdp^ei tw pri ovtl öpoiws Se ovSe (to) 

25 OKivriTov eJvai aYipaivei TavTov, dXA' ovtos eTrl tw rjpepeTv 
avTw xpfJTai, Kol (^riai to pt] ov ijpepeTv, oti ovk e^ei 
peTdßaaiv, oirep Te koi ev to7s dvd) ehropev, aTOTTOv 'laws, 16 
€? Ti TW pij ovTi TrpocrdwTopev, tovto pi] oKtiBes eivai Kord 
TOV OVTOS eiireTv, dXXcos Te kclv ä7r6(f)aa'is rj to Xe^dev, olov 

30 Koi TO pfi KiveTcdai pfjSe peTaßaiveiv ecTi. iroXXd 
ydp dv, Kaddirep koi eXe^dt], ä(f)aipo7To twv ovtcov KaTtj- 
yopeTv. ovSe ydp dv iroXXd äXrides elTreTv eltj pi] ev, enrep 

978 9 ov r<a II fiea-oOev LR lO avayKrjv sie L: avayKif 7(r(as sie R 12/4^ del. 

Miillach €(p€(TJSf <^ ex f L' aireipov LR: corr. Mullacli; ws — aireipov del. Wilson 13 ovk 

av\j i4<r;fe«'R ow L: ow R (ri//i/9a/v6i Trav LR: ooiT. Wilson 1 4 * icai TreTrepav^ai — 

irpos Ti (14**) L: om. R Kai (post TreTrepavßat) add. Brandis 15 to ov koi to ev L: to ov 

Koi TO ov R: corr. Urbin. 108 15* addidi 16 efiirpoa-ßev] cf. § 9 sqq. 17 ns] tt R 

1 8 TOV Bekker: tw L : om. R 19 Scnrep fifi t6 7<rov wcm-ep R e/7rerv Bonit/.: etirep LR 22 evav- 

Tiots sie LR 24 addidi 25 oTjfmtvet R: a-v/üßaivet L; seil, et to firj KiveioBai et to rjpefieiv 

em TO L 27 Te L: om. R: Se Apelt avia] 978* 35 29 cnro^aa-iv R to KexOev, oJov 

Apelt: TO -^Xe-r-j^öev L: to eXey^^ßevTtav R 30 fieTaKafißaveiv LR: corr. Felicianus 

31 KüTfiyope? LR: corr. Weise 



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30 ÄRISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 4 17-^20, 5 /~2. 

978^ 33 icai To /i^ 6v kern fiff €v. eri err* evmv rävavria ^fxßai" 17 
veiv SoK€7 Karä tos airräs oKo^aaeis' olov ävdyKrj fj Icov 
35 fj avicrov, av ri TrXfjdos rj /jeyedos p, koi apriov fj 
neptTTOv^ av äpidfibs rj' ö/uioms S* ktcös koi t6 (pv fj) fipeficTv rj 
Kiveladai ävdyKrj, av (TWfxa rj' en ei Kai Siä touto fxrj 18 
Ktvehai ö Beos t€ koI to ev, ort rä iroWä Kiveirax tw 
979* I eis äXKriXa ievai, ri KwXvei Kai tov deov KiveTcrdcu eis 
aXKo; ovSa(jiov yäp \ey€i) ort (ev eari^ fiovov, äXK' ort eh 

povos deos. ei Se koi 19 

ovTws, t/ KwKvet eis aXKriXa Kivovfxevwv rZv fxepS^v tov 
(Beov) kvkXwi <f}€(pea'dai tov^ deov; ov yäp Sri to toiovtov 

ev, wonrep 6 Zijvwv, 
5 TToXXa elvai <f>rio'eL avTos yäp awfxa Xeyei eJvai tov 
ßeov, eWe ToSe to iräv eWe 6 ti SriiroTe airro Xeyiov 
äo-wfxaTOS yäp S)v ttöJs äv a-Kf^aipoeiSfis elri; €ti fxovws y* av 20 
ovTWS ovT* äv KivovTO ovt' äv fipefxoT /jriSaiJov ye &v; enei Se 
(Tcifxd ecTi, TL äv airro kwXvoi Kive7adai, ws eXe^dri; 



[APIIT0T6A0YI] n€PI rOPHOY. 

5. 

OvK elvai ipriaiv oifSev ei S' ecTiv^ äyvwaTov eJvai' ei 1 
Se Ka\ ecTi Kai yviaarov, aSX ov SrjXwTov aXXois. Kai oti 2 

fxev OVK eaTi, (Tvvdels Tä erepois eiprifieva, ocoi nepl Ttiv 
ovTwv XeyovTes TavavTia, ws SoKovaiv, ä7ro(f)aivovTai avToTs, 
oi fiev oTi ev Kai ov TroWd, oi Se av oti iroXXä Kai ov^ 



978 33 ev. en Bonitz: ev eTve sie LR 34 ras avras L: Toa-avras R olov Bonitz: wv 

R: of L 35 5 fJ^yeßos j5 Felicianus: rj, firj üxrrj L: 3 f«' Z*^ *^5 5 R 36 av R: kqv L 

S* 7<ro)s L: S* ews R ov tj addidi; nain fipefieTv, 1/ ex o, L» 

979* I Kivao-ßai R 2 ouSa (lac. x L, v litt. R) on {n R) (lac. vii L, v litt. R) fio- 

vov (/40V R) LR: suppl. plera(iue Kern 3 ovros L: avros R: corr, Apelt 4 Seov in 

lac. V litt. om. LR ^e (lac. vii litt.) L: om R: suppl. Bergk 6 post eYre add. ^ R 

avro sie LR 7 er« fiovtas Apelt: emfiovias R: eTreJ fjtovtos L y* av Bergk: rav L: 

orav R 8 ye] re R 9 avrov Bergk KtaXvei R lo tit. oin. R; cf. Sext. adv. 

inatli. VII 65 sqcj. in App. II p. 37 13 aKKcjs R 16 av ort vulg.: ov on ov R: ottt, o ex t, L 



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ARISTOTELIS QUI FERTÜR DE MXG 5 2^6. 6 1-3. 31 

979* 17 €v, Koi oi fxhv ort äyevrp-a^ oi S* ws yevoficva eTriSeiKvvu- 

T€s Tavra, cvWoyi^eTai Kar äfx<^0T€p(dv. ävdyKvi ydp^ 3 

(priaiu, €1 TL ecTi, (jn €v rj iroWä eJvai koI rj äyevrtra i) yevo- 

tgti fieva, €1 ovv firi ecrri) firrre ev fx^re TtoXKa eivat fxriTe äyi- 

20 vrjra fxriTe yevofieva^ ovShv ai/ eirj. ei yap eirj ti, tov- 

Twv av Bdrepa eiri. ort (pvv) ovk ccttiv ovre eu oirre TroAXa, ovre 

äyevfjra ovre yevofieva^ ra fxev ws MeXicra'os, rä Se ws 

Zrivwv eirixeipeT SeiKvvetv fiera rfiv irpilrrtiv ISiov airrov 

äiroSei^iv, kv rj Xeyei ort ovk ecrriv ovre eivai ovre fxri ehai. 

25 €1 fiev yap ro fifi etvai ecm firi eJvai, ovSev av rJTTov 4 

TO fifj OV TOV OVTOS clfj, TO T€ yCLp fxi] 6v CCTTl fitj 6v Kol 

To Ol' Ol/, axTTe ovSev fjLoXKov elvai i) oxfK eivai tcl Tcpd- 
yfxara. ei S* Ofnas ro /irj elvai ecrri, ro eJvai, (prjcriv, ovk 5 

ecTi, TO ävTiKeifievov. ei yap to fitl eTvai eoT«, to elvai /irj 
30 eJvai TTpocriKei. axTre ovk av ovtws, (priaiv, ovSev av eiri, ei /xrj 6 
TavTov eoTiv eJval re Ka\ /irj eJvai. ei Se Tavro, koi ovnas ovk 
av elvi ovSev to re yap fifj ov ovk eoTi Kai ro 6v, eireiTrep 
ye ravTO tw /iri ovri. ovros fxev ovv ö irparros Xoyos CKeivov, 

6. 

OvSafiodev Se (TVfißaivei e^ wv elprjKev, iirjSev eJvai. i 
35 ayapKaid^XKoia)TroSeiKvvovcriv^ovT(asSie\€yxeTaL eirb/ifiov 2 
€(mv^ fj ecTTiv äirXois €i7re7v, rj Kai ecrriv ofxoms fxt) 6v. 
TOVTO Se ovre (paiverai ovT(as ovre ävdyKri, äXK* wcrirepel 

Svolv ovToiVy TOV fiev 
oi/Tos, TOV S*ovK ovTos, TO /i€v eo"T/, TO SovK, äXrjdes, OTl ecTTiv 
979^ I TO /JL€v (pv ov TO de firi ov) fxri ov. oia ti ovv ovk ecTiv 3 
ouT€ eJvai ovTe fjifi elvai; 

979* 17 ayevijra L: av yevtjrat R 18 Kar'] t*LR 19 suppl. Bonitz 19» addidi, 

cf. 24. 979** l 20 yap fit\ etrj rt R 21 add. Bonitz 23 TSiov LR cf. p. 12» 25 elvat 

5 eo-Ti R. verte: si nil esse vere si^ificat tum exvitere av Jv Jrrov R 275 ^"'c" 5 R ta 
R : om. L 29. 30 efvai y\ /uti eJvai R 31 eo-nvai re R €l\eaTt R ^;^ ye oin. R ovms L 

irptoTos scripsi: avros LR 35 /mi a (lac. 11 litt.) voSeiKvvova-tv L: Ka) anoBeiKwa-tv R: explevi cf. 

21.22. 980*^20 BiaKeyerat LR: coiT. Wendland ei Bern. 402 : ^ L: 17 R 36 5 eo-nv 

air\(as ei-rmTv ettj ko) earrtv eiri koi Sa-nv ofiotov /ntj ov R: item OITI. eo-rtv primo et etrj Ka] ea-nv L: 
corr. fere Foss 37 uiü-irepei etiam R 38 ovrotv tov ftev om. R 0' ovk ovtos to fiev 

R: BoKovvros ro fiev L 

979^ I supplevi cf. 10; TO [fiev] firi ov Wilson Sia t/ L: Stört R 



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32 ARlSrOTELIS QUI FERTl^R DE MXG 6 3-9. 

979^ 2 r/ Sc aix(f>(o (^fi) ovOerepov ovk cctiv; ovShv yäp (rjTTov), 

(f>ricriv, eiri av rb 
firj eJvai tov elvaiy elirep elvi ri kcu t6 jui; eivai^ ore ovSeis 
(f>ri(nu eivai t6 fxi] eivai ovSa/iias, ei Se koI €(m ro fii] 4 

5 Ol' fit) Ol/, ov8* ovTws öfioiws eiri äv ro fit} 6u rw [fxri] o^rrr ro 
fxev ydp ecm fxfi 6v, ro Se koi ecrriv eri. ei Se Kai äTrXias 5 

eiireTv äXrides (ö)s Sri dav/idcriovy^av elvi ro {Vo)ju^ ou ecriu*)^ äXK 
ei Sri ovTö), iroTepov fiaXKov ^fißaivei dicavTa fxri ehai 
ri elvai ; avro yäp ovrta ye Toifvavrlov eoucev yiyveo'Oai, ei yap 6 

10 t6 t€ fxfi ov 6v ecTi Kai ro ov 6v ecrriv, airavTa earv koi yap 
rä ovra koi tcl fxri ovra ecriv ovk ävayKti ydpy ei ro firi 
ov ecTTi , Koi To bv fjifi ehai, ei Sri koi ovt(0 tis ^iryj^cö/oo?, 7 

Kai TO fxev jiri bv elri, t6 Se bv firi e\ri^ ofKos ovSev rp-rov 
elri äv (ti)' ra yap fxri bvr* av eiri Kara rov eKeivov Xoyov, ei 8 

rs ^e TavTov eoTi to eJvai Kai ro fifi eTvai^ ovS* ovtws 
fioXKov OVK eiri äv ti (rj) elri. ws yäp KOKeTvos \eyei, oti ei 
TouTov TO fxri bv Kai to bv, t6 Te bv ovk ecTi Kol to fJiri ov^ 
ayore ovSev eariv^ ävTKTTpeyjfavTi ecTiv ö/ioitas <l>dvai oti TcdvTa 
ecTTiv TO Te yäp fxri bv ecTi koi to ov, icTe irdvTa ecTiv, 

2c /iera Se tovtov tov \6yov (priciv ei Se ecTiv, fiToi äyevri- 9 
TOV Yi yevofjievov eJvai. Kai ei fxev äyevriTov, äwetpov airrb 
To7s TOV MeXiacrov ä^iwfiaa-i Xajißdver to S* äireipov ovk 
av eJvai tcov. oxrre yäp ev avTw ovt' av ev aXX(o eJvar 
Svo yäp äv ovtws äireipw eJvai, to Te evov Kai to ev S>' 

as /JtriSafiov Se bv ovSev eJvat KaTd tov tov Zrjvwvos Xoyov irepl Trjs 



979 2 Tt Se scripsi: to ^ L: to sie R: ra Bekker tj ovOerepov scripsi (sie pro ov- 

oerepov tum nonnunquain scribitur cf. Philo i 243, 5 Colin; Sext. xi 186 al.; de re cf. Sext. 
inath.Vil 75 ovc€T€pov avrtov, sciL toi» ovtos et rov firj ovTOSf ecmv; 76 et yap fi^re to ov ea-Tt fitjre 
TO fiti ov fitjre a/n<j>6T€pa . . . , ovSev ea-Tiv): ovß' erepov LR rjTTov add. Foss: om. R: lac. VI litt. L 

3 ore L: om. R ovSev Wilson 5 6/joi(os sie LR /iri del. Sylbuig 6 erf] fortasse ov ti 

7 y av L: T Sv R to addidi 8 irpoTepov awavTa L: Ta navTU R elvm ij fxri etvat R: ij 

elvaty firi eJvat L: corr. Apelt 10 ov alterum sup. lin. L: om. R 11 th (ante /i^) transp. 
ante yap L 12 fort. (Se) Sri fvyx«/>er R 14 add. Foss ovt av Wendland: ovto LR 
15 post eo-n add. ic« R 16 5 eYij Apelt: elitj R: lac. iii litt. L 17 tovto L t6 duo 

prima om. R l8 iravTa] awavra, sed ut vid. in TravTa corr. L 21 yivofievov L: firi yevofxevov R 

23 av elvai sie LR nov Foss: irore LR 24 aweipo) Bonitz: ij irKeto) LR to tp evov 

sie L: TovTo ev ov R: corr. Bekker 25 Se ov] Seov R: ov L ovSe R toi; om. R 



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ARISTOTELJS QUI FERTÜR DE MXG 6 9^16. * 33 

979*» a6 x^pas. äyevrirov fi€v ovv Siä ravT ovk elvcu^ ov jiriv ovSe lo 

yevofievov. jevecOai yovv ovSev av ovr' e^ ovros ovt €k firi 
ovTos. €1 yap ro ov fi^rairecoi^ ovk av er etvai avro ov^ 
wtnrep y' ei Koi t6 fifi ov yivoiro^ ovk av eri elri fiii oi'. 1 1 
30 ovSe fiTiv OVK €^ OVTOS civ yevio-Oai. ei fiev yap fjiti eari t6 
fiil Ol', ovSev av €k firiSevos av yevetrdar ei S> eoTi airro fiii 
6v^ 81' airep ovS' €k tov ovtos^ Sia ravr av ovS' €k tov fif\ 
OVTOS yevecrßai. ei ovv ävdyKti fiev^ ehrep ecrri ti, rirroi äye- 1 2 
vifTov rj yevofievovelvcu, Tavra BeäBvvaTov^ (oSvvaTov) ti koI elvai, 
35 eTi ehrep eoTi (ri^ tj) ev 1) ttWo?, ^ticiv, earlv • ei Se fx^Te ev flirre 1 3 

TToAAa, ovSev av elri. koi ev fiev Ka\ oti äcia/xaTov av eiri 

t6 ev K e e^ov fiev ye t5 tov Z^vwvos 

\6y(o. evos Se ovtos 

ovS' av eTvai ovSe firi firiTe iroWd . . , . ei Se 

Unre ivlrre 

980* I TToXKd eoTiv^ ovSev eoTiv. ovS' av Kivridfjvai <j}ria'iv ovSev. 14 

ei yap KivtfOeüi^ 
[ri] OVK av er eu; wcavTtos e^ov, aWa to fiev {pv) ovk ov eufi^ 
t6 8* OVK ov yeyovos eiri. eri Se ei KiveTrcu koi [ei] 15 

fjieTa<l}4peTai9 ov awe^es ov Sii^priTai (re) to ov ovt Soti TavTri' 
5 war' ei iravTri KiveTrai, irdvTfi Si^ptiTai. ei S' ovtws^ irdvTn ovk i 6 
eoTiv, eKKares yap TaiJriy, ^rio-iv^ rj Si^prrrai, tov 5vtos, 
ävTi TOV Kevov TO 8ifipii(r0ai Xeytav, Kaddirep ev toTs Aevicnr- 



979^ 27 yovv L: TOV R 01fr' ^k] oihe L 28 /lerawia-oi seil, ev -m yivea-ßtu cf. Bonitz 

Ar, SiucL I 266 oM Apelt: to LR 29 Sv alt] oSv R 30 /<^ R ovk Bonitz: ouS' 
LR 31 Mh^ — fiij ov (32) om. L ttv alterum del. MuUach 32 ovros — ix rov om. L 
TavT* av scripsi: ravTa R fi^ superscr. L 33 5 *">< Bekker: 9 to LR 34 etvm tj ye- 
v6fi€vov R add. Foss 35 ''^ 9 Add. Foss 1} alt. sup. lin. L : 17 R etre R 36 icof 

9v /iiv — KtviiBijvat (980* i) dedi ex L (ubi e in ^x*^v in rasura; discrepat hinc R lacunas aut 
minores aut nuUas exhibens et his: 37 to ev (Jac. iii litt.) ly (lac. iv litt.) eva-xov ktK., tum \6yov, tum 

38 post TToWa el yap fiifTt ev ^ffre iroWa .... iamv ovS* Bv iavti$fjvat kt\,: alii aliter luserunt 

supplendo; Apelt sie: koI ev fiiv ovk av elvat, 6n innaftarov av e7fi to &s &K116A5 ev, Kaßo o^Sh 
S^ov fieyeOos. o inKupeia^ai rw rov Zriwvot \oy^. ev6s ^ fifj ovtos ov8* Sv oXms etvat ovSiv, fi^ 
yhp SvTOs evos /ii;^ iroXAa eJvat Setv, ei ^ fi^re ev, fpiia-lv, fitjre woKKa ea-nv, ov3dv S<mv, ovS* av 

980* I ovSiv. el Foss: ovSevi LR 2 9 del. Foss; n Apelt St' e!it Foss: in 1) LR 

ov add. Foss ovk ov L: ovk Sv R yeyovcus L 3 et Kivetrm Kai scripsi: rj Ktvetvat Koi 

ev L : ? KiveT ? mvemu Kai ei R (ei pertinet ad v. 5) 4 Te addidi otfr Sa-rt scripsi : ovren LR 

5 &<rT ei Foss (cf. V. 3) : &a-re L R vavrfj tert.] iravva sie R 6 iKKems L 7 KevKtTov L 

Phüos.-histor. Abh. 1900. J. 5 



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34 % 4RIST0TELIS QUI FERTUR DE MXG 6 16^22. 

980* 8 TTOV Ka\ovfi€vois \6yois yey pairrai. ei fiev ovv ovSev, ras 17 

ojroSei^eis Xeyeiv [aTra^rra]. SeTv yäp (cnravrci) ra ippovov- 

fieva etvai^ 

10 Koi To fxri ov^ ehrep /iri efrri, /iriSe t^^poveta-Bai. ei 8' ovrws, 18 

ovSev ay eli^ai yfrevSos, ovS' ei, (pricriv, [ovS' ei] ev t£ TreXdyei 

<l>aifi äfitWacOcu apfiara' irdvra yap av ravra elri. kcu 19 

yäp rä öpwpeva koli äxovopeva Siä rovro eariv, ort (ppa- 

13% Tai Koi äxoverai, koi bpoiwsTO, t^povovpeva ecTiv, ort) (fypo- 

veTrcu eKaoTa avrwv • ei de pii Siä tovto , aXK' w(nrep ovSev 

15 paWov a öpwpev ecrriv^ ovrw (pvSev) fiaXKov a [öpwpev })] 

SiavoovpeOa. 

Kol yap &(nv€p e/ce? jroXAa av Tavrä ISoipev^ koI evravBa 20 

TToWa av Tovra SiavorjOeirjpev, ro ovv fiaXXov Sri , ,a roidS' 

köTi TToia 8e ToXridtj, aStiXov. wäre koI ei eariv, fipiv ye 

ayvwiTT* av 

eTvai rä Trpar/para. ei 8e koi yvward, ttws av Tis, ^f;<r/, Sri- 2 1 

ao Xwceiev aXKw; o yäp elde, ttws av Tis, <l>ri<ri, tovto ehroi 

Xo7<»; ij TTWS av exeTvo SfjXov oKOVcavTi yiyvoiro, pfi iSovTi; 

f8o^ X wairep yäp ovSe fi oylris tovs ipBoyyovs yiyvdxTKei, ovtws ovSe 

fi OKofi Ttt XP^ß^^^ OKOvei, oKKä <f>ß6yyovs' Kai Xeyei ö 

Xeywv, äKX' ov XP^f^^ ^^^^ Trpäypa. o ovv Tis pri ewoel, 22 

TTWS avTO Tcap SXKov Xoyw 17 a-tifieiw tlvi krepia tov irpdypa- 

5 TOS evvoria'ei^ äXK tj eäv pevxpwpay iSdv, eäv Se (ylr6(^ov, äxo^vcas ; 

äpxh^ yäp ov (^ylf6(^ov) Xeyei (p Xe^ytov ovSe ;f/)ö)/ia, äXXä 

Xoyov Shtt 

980* 8 -nas ktK. coiTupta. apparet amrvTa ad proxima pertinere, qua lectione remota for- 
tasse scribendum Xiy»i avatpeT^rßm; \4yet cnnzTav Gercke; X^fyeiv aimwa yap SeTv Wendland (yap 
transp. praeiverat Wilson) 9 Seiph: SeTR avavTa addidi ex Sexto vii 79 (cf. infra p. 39) 

1 1 oW el prius Wilson, alterum delens: ovhls LR 12 tovto ex Tnimx L: rovra R. scilicet vera 
et falsa eadem 13. 13a addidi e Sexto vii 81 15 a om. R ov^ add. Wilson 6piifji9v 
5 (ex prioribus iterata) delevi 16. 17 noKKa scripsi: ttoWoi LR Touva TSotey LR: correxi 
cf. 13 17 (^17 lac.ii litt.) a R: ^^ sine lac. L. conicio 6n ov3^ fiaWov Stavotira rotaSe (ß roiaie) 

ia-Ti 18 tca) el transp. R runTv yvtaoTav eivai R 19 ^, ^ ex ic corr. L imi om. R 

^a-l sie LR: corr. Bekker 20 enroi R: «in; sie L 21 hcenw R 

980^ I ov^ K* Sy/rts L: olSev ^ oy/rts R tftoyyovs L 2 4 superscr. R 3 ^7 ^oeFL: 

fi€T€vvoet R 4 avTo Apelt: atrethR erepov tov L: kripov R: corr. Apelt ex Sext. vii 84 
evvo^a-ei scripsi ut 9: ^oiycreiev LR 5 yjfOKJtov oKova-as suppl. Wilson (nisi quod yfroipos): 

lac. V litt. vfAos L: v/ios sine lac. R 6 suppl. Wilson: ov (lac. 11 1 litt.) \eye (lac. iv litt.) 



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ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG 6 22-25. 35 

980^ 7 ovSe SiavoeTcrBai XP^t^^ etrriv, äXX öpäv^ ovSe \fr6<f>ov^ äXK' 

OKOveiv. €1 Se koi evS^xerai yiyvdxTKeiv re koi a av yiyvwcrKri 23* 
Xeyeiv^ äXKa irws ö cucoviav ro avro eworicei; ov yap oiov 

10 re ravTo afia ev TcXeloci kcu ;f<ö/)ls ovciv elvcu* Svo yap 
av eiYi t6 ev, ei Se Kai eofi^ (pticlv^ ev irKeioci xal ravroK, 24 
ovSev KwXvei firi ofioiov ipaivecBai avroTs, fiif Trdvrtj öfiolois 
CKeivois ovci Kai ev rw airrZ • ei yap ev t5 ovtS €?iy, (el^ av oAX' 
oi) Svo eJev. (palverai Se ovS' airros airrw ofioia axaßavofie- 25 

15 vos ev t£ auTiö Jf/oofft), ähX erepa t^ äxo^i koI tj} iyfreiy 
Kai vvv T€ Kai iraKai Sia(^6pios. wäre frxoXij äXKw y av 

17 rairro aurBoirro ris. ovrtos ovk eariv (pi/Sev ei Se Kai elri, 26 

17* ovS^ev eari yviaarov (ei Se Kai elti yvwar6v)^ ovSeis av 
avro erepto StiXiaceiev, Sid re ro fiti eTvai rä Tcpdynara 
\6yovSy Kai ort ovSeis [erepov] eripw rainov evvoeZ arravres 

ao Se Kai ovros krepwv äpxaiorepwv eiciv anopiai^ &<rre ev r^ 
nepi €Keiv<ov (TKeylrei Koi ravra e^eraareov. 



980^ 7 aW* R: ovS* L 8 ytywoa-mt {ytvtaa-iut L) LR: corr. Apelt t» «eoi «va- 

yiyvioa-Mt (avayivtaa-Kei L) LR: coiTexi 9 XSytov LR: COIT. Wilson lO 7^ avro R 1 1 5v 

om. L <pfi(rt¥ iv wKeiom id ras. L fortasse (ev) iv 12. 13 ofiolots iicmvots sie LR 

13 er Ti Iv (Sv L) TotovTov etii<mv, aKK* LR: correxit Wilson (nisi quod ille ijo-ov pro eiif) 

14 auTos mrm] oMs avrw LR 14 ofioia, 6 ex a, L 16 a-xoKrf L: axoXtjv R 16 y av 
Wilson cf. 978 *> 14a. 979* 7. •> 5: wav LR 17. 17a supplevi ex 979* 11 ; (Sve<m R: ev io-n L) 
iS Sij \6<r€iev L 19 \6yovs L (cf. Sext. vii 85 sqq.): Ketcra R erepov del. F08S. fortasse 
ou^ erepos erepip 20 inutilatus. tempto atravTes Se icai ovros (sie LR) (lau ol SWoi \6yot 
avTov yiyvovTcu irept a tcat ) erip<av cf. ad 979* 35 



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36 H. DiELs; 



APPENDIX. 



I. Simpl. in Arist Phys. 22,22-23,20. 

22, aa 'AvaryKTi roiwv riiv äpxh^ n /i«*»' ^Ti^a* j) ov fjiiay, ravrov Se €nreiv 

TrAeiovs, kcu ei fiiav^ ffroi äKivtiTov ^ Kivovfievriv. koi ei äKivrtTov^ ystoi 
aireipov m MeXKrtros ö Zdfuos Soxei Xeyeiv^ fj 7r€Tr€pa<rfiiyfiv (os Uapfie- 

as viSfis rivpriTos 'GXcan/s, ov nepl i^vaiKOV (rroixeiov \eyovres ovroi^ äXKa 
Trepl Tov ovTws ovros, 

26 fiiav Se rfiv äp^h^ hroi ev ro ov kcu rräv (kcu \ ovre TreTrepacfievov 

ovT€ aneipov ovre Kivovfxevov ovre fipefiovv) E€vo<j}dvriv | rov Ko\o<f>wnov 
TOV HapfieviSov SiSdcKoKov inroTi0€(rOcu ipticiv 6 G6o|^/)a<7Tos, öiioXoywv 

30 erepas eTvai fiaXKov rj Ttjs irepl ^vceios icTopias xiiv | /Jivii/Jifiv rtis rovrov 

31 t6 yäp €1/ TovTO KOI irav rov Beov ekeyev ö | Eevo^dvris' ov eva 
fi€v SeiKWCiv €K TOV irdvTwv KparioTov elvcu. Trketovißv \ 'ydp^ iptio'iVy ovnav 
öfioiws inrdpxeiv ävdyKti iräci ro Kpareiv ro Se Trdvrwv \ Kpdriarov kcu 
apiöTov Oeos. 

23, 1 äyevriTov Se kSeiKwev €K tov SeTv t6 yivofievov || fj e^ öfioiov 17 e^ 

ävofioiov yiv€(rBcu, dXXa to fiev ofioiov äirades <j}fia'iv | utto tov öfioiov 
ovSev yap fioXKov yevvav fj yevvaaOai irpooi^Kei to ofioiov | kK tov öfioiov 
€1 Se €^ ävofioiov ylvoiro, eorai to ov €k tov fifi ovtos. \ koi ovtws äyevri' 
TOV KCU äiSiov eSeiKw. 

5 OVT€ 8k OLTCeipOV OVT€ 'K€Tr€pa(r\lX€VOV €lVai^ SlOTl OKCipOV fi€V TO fifl 

ov d>s ovT€ äpXYiv e^ov ovt€ fiecov | oure tcAos, Tcepalveiv Sh irpos oKKriXa 
TCi nXeiw. 
7 irapaTrXfio'iws Se koi Ttjv | Kivriciv äipaipei Kai Ttfv fipefiiav. äxivifrov 



22, 22 — 26 paraphr. Arist. Phys. 184^ 15 26— 30 e Theophr. Phys. Op. fr. 5 (Dox. 

140. 480). parenthesin e libro de MXG transcripto ab Alexandro perperam immiscnit 29 eW- 
pas\ i. e. theologiae, rijs irptarri» tpiKoa-of^ias 30—33 (to yap — 0e6s) e libro de MXG 977*14. 
23—28 22,33—23,4 (ayevi/Tov — eSetKw) indidein 977*15—22 4—6 (oihv — irKeitü) 

ind. 977** 2 — 7 cf. infra 23,17 — 19 6 — 9 {irapair\ii<ntos — fieraßaKKeiv) ex 977^8—12 



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AD ARISTOTELIS QUI FERTUR DE MXG APPENDIX L IL 37 

8 n€v yap eJvai ro /xii 6v • ovre \ yäp av eis axnb erepov ovre axrro irpos 

oKKo kXBeiv KiveiaBai Sc rä TcXeiio \ tov ivos' erepov yäp €is erepov fiera- 

ßaXKeiv, 
lo axrre kcu orav ev toutS | fiiveiv Xeyp kcu fifj Kiveiaßat^ 

äei S* €v TouTio nifivei Kivovfievov oi/Sev^ 
ovSe fi€T€px€(T0cu fiiv kntKpeKei oKKore oAXii, 

oi) Kora rfiv fipefiiav ttiv ävruceipevriv rp Kivritrei iiiveiv avro t^Yiaiv^ oKKa 

Kora Tfiv OTTO Kimiaews kcu fipe/xicLs e^prifievtiv fiovriv. 
15 NiKoXaos Se ö \ I^afiacKrivos ws äireipov kcu äxivfjfrov \eyo\nros avrov 

liiv äpxh^ €V rp Uepl \ dewv oKOfivrifiovevei, 'AKe^avSpos Se ws 7re7r€/)a<r- 

pevov auTo kcu (r^aipoeiSes. 
17 äXX oTi fiev ovT€ aneipov ovre TreTrepao'nevov airro SeiKWCiv^ eK tüv 

Tcpo€iprin€vu>v SfiKov Trenepao'nevov Se kcu (r<f>aipo€i8hs airro 8ia ro 7rain-a- 

XoOev ofioiov Xeyeiv. kcu Trovra voeiv Se <j}ria'iv avro \eya>v 
ao dAX' äirdvevde irovoio voov ippevl Trdvra KpaSaivei 



II. Sextus Empiricus adv. mathematicos VII, 65. 

Fopyias Se 6 Aeovr^vos €k rov avrov pev rayparos inrripxe roTs ävri- 65 
priKocri ro Kpirripiov^ ov Korä riiv öpoiav Se eirißoXtiv ro7s nepl rov üpto- 
rayopav. ev yäp rw ejriypaipopevw Uepi rov pti ovros 1) üepl (^vo'ews 
rpia Karä ro e^s K€<l>aXaia KaracKeva^ei, ev fxev koi Tcpwrov ort ovSev 
eor-iv, Sevrepov ort el koi ear-iv^ äKaraXfiirrov ävOpwirw^ rpirov ort el 
KOI KaraXtiTTTOv, äWd roi ye äve^oiarrov koi ävepp^vevrov t5 TceKas. ort 66 
pev ovv ovSev eariv^ eiriKoyi^erai rov rponov rovrov ei yäp ecri ri, 
ffroi ro ov eor-iv fj ro fiti ov, tj koi ro ov eari koi ro fifi ov. ovre Se ro 
ov eariv, ws irapao'rria'ei, ovre ro fiv\ ov, ws TrapapvOria'ercUy ovre ro ov koi 
ro fjiri ov, WS koi rovro SiSd^ei- ovk dpa eari ri. Kai Sri ro fiev pfi ^7 

ov OVK ecriv, ei yäp ro pfi ov ear'iv, earai ri äfia kou ovk ecrrar p fiev 
yäp OVK ov voeTrai, ovk earai, p Se ear-i pri 6v, iroXiv earai. navreXws 
Se aroTTOv ro eJvai ri äfia kcu fii] eivar ovk dpa ear-i ro pri ov. koi 
aAX(os, ei ro pfi ov etrri, ro ov ovk earcu' evavrla ydp eari ravra oW»;- 



23> 9 fievaßaKKet libri: corr. Usener 11. 12 versus ex Alexandri Theophrasto usi 

commentario 13 cf. 1. de MXG 978*» 17-27 avro DE: avrov E*F 15 NtK^Kaos 

cf. Roeper Lect. Ahulfarag. p. 37 i^ Kdytov scripsi: Keyetv libri 20 de versu cf. ad 10 



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38 AD ARISTOTELIS Qül FERTUR DE MXG APPENDIX IL 

\ois, Kcu €1 TW jifi oirri avjißeßrjKe ro elvai, t£ ovti aviißricerai ro fifi 
eivai. ovxi Se ye ro ov ovk ecrriv, (^roiwv) ovSe ro fifi ov ecTCU. koi fifiv 68 
oifSe t6 ov ea-Tiv. €i yap t6 ov ecTiv, rtroi äiSiov eariv fi yevfirbv rj 
äiSiov afia kcu yevYirov ovre Se cuSiov ecmv ovre yevtirbv ovre än(^6r€pa^ 
WS Sei^ofiev ovk apa ecrri to ov, €i yap äiSiov kern ro ov (äpKreov yap 
evrevOev), ovk ej^ei riva äpx^v t6 yap yivofievov iräv €J(€l riv äp^riv, 69 

TO §€ äiSiov äyevriTov KaOecTws ovk el^^v äp^i^v. firi e^ov Sk äp^riv cnteipov 
€(mv. €1 Se aireipov €<mv, ovSa/iov ecrriv. ei yap nov ecTiv, erepov avrov 
€(mv kK€ivo TO [ov] €v & €<mv^ Kox ovTWS ovK€r aireipov Sarrai ro ov 
efnrepiexopcvov Tivr fiei^ov yap kern tov €fi7r€pi€)(Ofi€vov t6 kfnrepie^ov, 
Tov Se äireipov ovSev kari peT^ov, woTe ovk ecrri ttov to aireipov. kcu 70 

ptiv ovS' ev airrw irepiej^erai. toOtov yap ecrrai to ev & koi to ev avrco, 
Koi Svo yevYicrerai to ov, tottos t€ kcu ctapa- to pev yap ev S tcJttos 
ecTTiv, TO S' ev currw awpa. tovto Se ye otottov. toiwv ovSe ev airrw 
ecTi TO ov. warr ei cuSiov earri to bv^ aireipov ecTiv, ei Se aireipov eoTiv^ 
ovSapov eoTiv, ei Se ptiSapov eoTiv^ ovk ecTiv. Toivvv ei äiSiov eoTi to 
5k, ovSe TTiv äpxfiv ov etmv. Kai pfjv ovSe yevrjTOV eivai SvvaTai to 71 

ov. ei yap yeyovev^ frroi e^ ovtos fj ck pfi ovtos yeyovev. äXK oirre €k 
TOV OVTOS yeyovev ei yap ov ecTiv^ ov yeyovev äKK* eoTiv fjSri' ovTe €K 
TOV pfi OVTOS' TO yap pri ov ovSe yevvfjo'ai ti SvvaTai Sia to e^ ävdyKtis 
ö<j}eiKeiv inrdp^ews peTej^eiv to yevvriTucov tivos. ovk apa ovSe yevrfTov 
e(TTi TO bv. KaTCL TCL avTCL Se ovSe Tb awapipoTepoVy äiSiov apa kcu 72 

yevriTov TavTa yap ävcupeTiKa ecTiv äSXrikwv^ Ka\ ei cuSiov ecTi to bv^ 
ov yeyovev^ kcu ei yeyovev, ovk ecTiv äiSiov. toiwv ei pn'^e äiSiov earTi 
TO Ol' prrre yevtjTbv priTe to (TvvapfpoTepov^ ovk av elri Tb bv. koi 73 

oAXcDS, ei eo^iv, Irroi ev ecTiv fj iroXKd' oirre Se ev eo^iv oirre TroXAa, 
WS irapacTadTJcreTai' ovk apa eoTi Tb bv. ei yap ev eoTiv^ fiToi irocov 
eoTiv ri auve^es ecTiv fj peyeOos eoTiv 17 (Twpd eoTiv. b ti Se av p tov- 
TCöi', ovx ev eo"Tii/, oKKa irocbv pev KaOecrrws SiaipedtjceTai, awe^es Se 
bv TpriO^creTai. öpoiws Se peyeOos voovpevov ovk ecrrai äSiaipeTOv. cwpa 
Se Tvy^dvov TpiirXovv ecTar kcu yap pfJKOS koi irXdros koi ßddos e^ei. 
aTOirov Se ye Tb priSev tovtwv elvai Xeyeiv Tb bv ovk dpa etrriv ev Tb 
bv. KCU prjv ovSe iroXKd eo^iv. ei yap pri eo^iv ev, ovSe iroXKd ear-iv* 74 
(Tvvdeo'is yap tSi' KaB* ev eoTi tcl TroXAa, Sioirep tov evbs ävcupovpevov 
(rvvavaipen-ai kcu tcl iroXKd. oKKa yap oti pev oirre Tb bv etmv oirre to 
ph bv ecTiv, €K TOVTWV avp<l>aves. ot£ Se ovSe äpipOTepa icTiv^ to Te 75 



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AD ARJSTOTELIS QUJ FERTUR DE MXG APPENDIX IL 39 

Ol' Kcu t6 fJLfi 6v, evejnXoyicrTov. ehrep yap ro fit) ov ecrri kcu to ov ecTi, 
Tairrov ecrat rw 6\nri ro fxii ov oaov eiri tw elvai' Kai Sia rovro ovSe- 
repov airrwv (Bcriv. ort yäp ro /xfi ov ovk eariv, öfioXoyov • SeSeucrai Se 
Tovro TOVTco KaOearias to ov koi airro roiwv ovk earai. ov fitiv äXK 76 

ehrep ravrov ean rw firi ovri to ov^ ov SvvaTai äp(^6T€pa eJvai' ei yäp 
ätiipOTepay ov Tairrov^ koi ei tovtov^ ovk d//^dT€/)a. ofs hreTcu to fiffSev 
elvai. ei yäp priTe to ov ecrri jxnre to pti ov priTe äfit^oTepa^ irapä 8e 
TovTa ovSev voen-ax, ovSev eoTiv. 

''Otl Se Kav ^ TÄ, TOVTO äyvwaTov re koI äveirivoriTOV ecTiv ävOp<iH 77 
TTö), irapaKeifievids inroSeucTeov. ei yäp rä (fypovovpeva^ <l>ricriv ö Fopyias, 
OVK eoTiv ovTa^ to ov ov ippovetTai, koli Korä \6yov' S^aitep yäp ei toTs 
<l>povovp€vois o'vpßeßfiKev eivai XevKoTs, Kav cvpßeßrfKei Toh XevKoh (fypo- 
v€i(rBai^ ovTias ei toTs ippovovfxevois avfxßeßriKei pri eivai ovai, kut' ävdyKtiv 
€rvfißriaeTai toTs ovai fifi (^pove^cOai, Sioirep vyies Ka\ o-ia^ov tyiv oko- 78 
XovOiav eoTi to "ei rä ippovovpeva ovk eoTiv oin-a, to ov ov <l>povevTai\ 
Tä Se ye ippovovpeva {TcpoXrtTrreov yäp) ovk euTiv ovTa^ (as Trapaari^a'O'' 
pev OVK apa to ov <l>pove7Tcu. koi (juifi^) oti rä (fypovovpeva ovk cctiv 
ovTa, avii<f}av€S' ei yäp rä <j}povovpevd eoriv ovtu, TcavTa ra 79 

(fypovovpeva eoTiv^ koI oirri äv Tis airrä (ppovtjaii. onep eaTiv änep- 

(frnivov [ei Se ecTi^ <l>avXov.] ovSe yäp av <^pov^ Tis avdpanrov iTrra- 
pevov rj appoTa ev ireXdyei Tpe^ovTa, evOetas ävdpwiros iirTOTai fj ap- 
poTa ev ireXdyei Tpe^eL wäre ov rä (ppovovpevd eoTiv ovTa. irpos 80 

TOVTois ei Tä i^^povovpevd ecTiv oin-a, rä pfi ovTa ov (ppovriOiiaeTcu. to7s 
yäp evavTiois rä evavTia avpßeßriKev, evavTiov Se ecTi rw ovti to pti 
ov. KOLi Siä TOVTO TcdvTws ei T(o ovTi avpßeßriKe to <l>pove7(rdai^ tw pii 
ovTi cvpßrjo'eTai to pfi (ppoveTadai, utottov 8' ecTi tovto' koi yäp IkvXXu 
Kai Xipaipa koi iroXXä tÜv pri ovtwv (^povelrai. ovk dpa to ov ippoveTrai, 
wairep t€ rä öpdpeva Siä tovto oparä Xeyerai oti oparai , kcu rä oKOvorä 8 1 
Siä TOVTO OKOvarä oti oKoveTaiy koI ov Tä pev öparä CKßdXXopev oti 
OVK OKOveTai, Tä Se OKOvcTä Trapairepiropev oti ov^ öparai (eKaorov yäp 
imo Tvis iSias aicröi/crecös äXX ov^ im oWi/s ö<f>eiXei Kpivecdai), ovtw Kai 
Tä <l}povovpeva koi ei pri ßXhroiTO rp oyfrei priSe oKOVotro rp oko^ ecTai 
[1. ecTi] , OTI Tcpos Tov oiKeiov XapßdveTai KpiTtipiov. ei ovv <^pove7 Tis 8 2 

ev ireXdyei äppara Tpe^eiv, koi ei pfj ßXewei Taxha, ö<f>eiXei iriOTeveiv 
OTI äppaTa ecTiv ev ireXdyei Tpe^ovTa. aTOTcov Se tovto' ovk dpa to 
ov ippoveh-ai koi KaTaXapßdverai. 



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40 AD ARISTOTELIS QUI FERWR DE MXG APPENDIX IL 

Kai ei KaraXa/Jißdvotro Se, äve^oicrov erepw. ei yap tcl ovra öpard 83 
e(m KOL äKovcTa kcli Koivias aicOriTd, anep €Kt6s inroKeircu, tovtwv t€ 
rä fiev opara öpdcrei KaroXriirTd ecrri rä Se cucovcTTa aKoy KOi ovk evcthXd^, 
ttSs ovv Svvarai ravTa erepw privvecrBai; & ydp firiwofiev, ecrri \rf70s, 84 
\070s Se OVK eari ra xmoKeipeva Koi ovra' ovk dpa rä ovra firivvofjiev 
Tois ireXas oXXd Xoyov^ os erepos ecri t(ov xrKOKeipevtav. Kaddirep ovv 
t6 bpoTov OVK av yevotro cucovirrov Kai ävdiraXiVt ovrws eirei inroKeirai 
t6 ov cKToSy OVK cLv yevoiTo \6yos ö fi/xh-epos' fifi &v Se Xoyos ovk dv 
StiXwOelri erepw. 6 ye firiv Xoyos ^ <j}ri<riv, oko twv e^wOev TTpooTriTCTov- 85 

Twv Yiixiv Trpaypdrwv arwiararai^ Tovrecri t5>v ai(rBriTiov' ck ydp rris 
rov x^Xov eyKvpiicews eyyiverai iifjuv b Kard Tavrtis ttjs TroiorriTos ck- 
<j}ep6p€vos Xoyos , /coi €K rfis rov xpd/xaros vTroTTTdcews ö Kard tov XP^ 
fiOTos. ei Se toi/to, ovx b Xoyos tov cktos TrapacTorucos etrriVy äKXd 
To eKTos TOV Xoyov ptivvTiKov yiverai. kcli piiv ovSe evetTTi Xeyeiv otl 86 
ov TpOTTOv ra bpard Kai cucovcTd imoKeiTai, ovtws koI 6 Xdyos^ wo'Te Sv- 
vacOai e^ inroKeifievov airrov koI ovtos ra xnroKelfieva koi ovra ptivveadai, 
ei ydp Kai inroKeiTai, <l>tia'iv^ b Xoyos, äKXd Sia<f>epei tS>v Xovkwv viroKek- 
pevwv^ Kcu TrXelcTip Sieinivo^e ra bpard o'dfiaTa twv Xoywv Si' CTepov 
ydp bpydvov XifKTOv ecrri to bpaTov kox SC oKXov b Xoyos, ovk dpa ev- 
SelKWTai ra TroXXa twv imoKeipevwv b Xoyos , wanep ovSe eKelva Ttiv 
äXXrjXwv SiaSriXoT (pvciv. toiovtwv ovv icapd tw Fopyia tiiroprineviav 87 

orj^erai bcov hr axrroTs to Tfjs äXrjOeias KpiTijpiov' tov ydp fiifTe ovtos 
firJTe yvwpi^eaßai Svvajxevov firiTe aSXw Trapaarad^vai icei^VKOTOS ovSev 
dv eni KpiTfipiov. 



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Radbert's Epitaphium Arsenii. 

Herausgegeben von 

H" ERNST DÜMMLER. 



PhÜos.-histor. Abh. 1900. IL 



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Gelesen in der Sitzung der phil.-hist. Classe am 19. Juli 1900 

[Sitzungsberichte St. XXXVII S. 799]. 

Zi^in Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 3. September 1900. 



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JJie Schrift, von welcher ich hier handehi will, hat man gewöhnlich als 
das Leben Wala's (Walah's), des Abtes von Corbie, nach dem Beispiel des 
ersten Herausgebers bezeichnet, jedoch mit Unrecht, denn sie will weder eine 
Lebensbeschreibung sein , noch verfolgt sie einen eigentlich geschichtlichen 
Zweck, vielmehr ist es eine Art Leichenrede, eine gleichsam in die Breite 
ausgeführte Grabschrift zur Verherrlichung wie zur Vertheidigung des Dahin- 
gegangenen. Der Abt Radbert, sein Gefahrte und sein Jünger, widmete 
sie dem Andenken des von ihm hochverehrten Meisters, ähnlich wie er 
schon früher dessen älteren Bruder Adalhard nach dem Vorbilde des Am- 
brosius und Hieronymus* durch eine Leichenklage gefeiert hatte. Aber 
Wala wollte er nicht blofs preisen, sondern auch vertheidigen , denn er 
hatte neben seinen Verehrern viele Feinde gehabt. 

Dies wird schon begreiflich, wenn wir nur den Wechsel seiner äufse- 
ren Schicksale betrachten: Als Graf wie als Heerführer einer der angesehen- 
sten Staatsmänner Karl's des Grofsen, dessen Vetter er war, wurde er nach 
dessen Tode von seinem Sohne Ludwig sofort mit Mifstrauen behandelt, 
vom Hofe hinweg in ein Kloster verbannt, in welches er als Mönch ein- 
trat, um sieben Jahre später, von ihm begnadigt, sich abermals einer ein- 
llufsreichen Stimme in seinem Rathe zu erfreuen. Doch da er im Jahre 830 
sich den entschiedenen Gegnern des Kaisers anschlofs, traf ihn eine zweite 
Verbannung, eine zweite Ungnade, bis er endlich, mit Ludwig wieder aus- 



* C. 2(Mabillon Acta SS. IV, i, 308): *qui suis epytafia caris facimdissime condiderunt'. 
Bei Ainbrosius denkt er an die Schrift super Valentinianum , bei Hieronynlus an das Epitaph. 
Nepotiani in der an Heliodor gerichteten ep.6o (Opp. I, 660), s.V. Adal. c. 13 p. 313. Sehr 
treffend sagt Traube (Abhandl. der bayer. Akad. I Cl. XIX, 310) von dieser: »Die Schreib- 
art ist pastoral, das biographische Detail der Schnft nebensächlich, das Ganze darauf ab- 
zielend, Thranen zu erwecken luid Trost zu erbitten«. 

1* 



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4 E. Dümmler: 

gesöhnt, es vorzog, fern von der Politik in dem Kloster Bobbio sein Leben 
in Ruhe zu beschliefsen. 

Dieser Antheil an den erbitterten Parteikämpfen, in denen Wala, keiner 
Partei ganz angehörig, die undankbare Rolle der Kassandra spielte, mufste 
ihm viele Gegner erwecken, aber nicht minder der Zwiespalt seines Wesens: 
man zweifelte an der Echtheit seines aufgedrungenen Mönch thums, man ver- 
dachte ihm, dafs er als Mönch ebenso wie zuvor als Graf in die Geschicke 
des Reiches eingreifen wollte, dafs er sich gegen die geheiligte Person des 
Kaisers auflehnte. Die mönchische Demuth war hier mit einer herrschenden 
Persönlichkeit verbunden, deren unbeugsame Festigkeit auch den Wider- 
willigen Achtung und Ehrfurcht gebot und den Untergebenen ein uner- 
reichtes Muster der Strenge gab; seine unerschrockene Offenheit und sein 
scharfer Witz wurde von Allen gefiirchtet. 

Indem Radbert, der Schüler Wala's im Kloster, vorzüglich auf Grund 
seines eigenen vertrauten Verkehrs mit ihm es unternahm, nicht lange 
nach seinem Tode, der im Jahre 836 erfolgte, sein verklärtes Bild den 
Widersachern entgegen zu stellen, seine Handlungsweise unter allen Um- 
ständen als eine sittlich reine zu rechtfertigen, empfing sein Werk ein so 
subjectives Gepräge, wie es nur sehr wenigen Schriften des früheren Mittel- 
alters eigen ist. Radbert zieht sich nicht wie so viele andere Sclirift- 
steller jener Zeit in ein bescheidenes Dunkel zurück, sondern er stellt sich 
um so mehr in den Vordergrund, als er ungewöhnlicher Weise die dialo- 
gische Form fär seine Darstellung wählte. Ob nach dem Vorbilde Cicero's 
oder des SulpiciusSeverus\ wird sich kaum ausmachen lassen, weil eine offen- 
bare Nachahmung nicht hervortritt; auch Terenz könnte einge\virkt haben. 
Ganz unerhört ist diese Einkleidung in jener Zeit freilich nicht, sie findet 
sich u. A. auch in Ermenrich's Leben des hl. Hariolf und in dem merkwür- 
digen Dialoge zweier Bischöfe über die Lage der Kirche im Westreiche.^ 

Die Gesprächsform gewährt ihm den Vortheil, seinen Gegenstand an- 
scheinend unbefange^jer und allseitiger beleuchten zu können, indem er 
die Einwürfe der Unterredner beantwortet, sowie den anderen, durch man- 
cherlei eingestreute Betrachtungen seinem Hange zur Weitschweifigkeit zu 



^ An die Dialoge des Sulpicius Severus über den hl. Martin erinnert Ebert (Gesch. der 
Litter. des Mittelalters II, 239, vergl. 181), Traube an Cicero (Poet. Carol. IV, 42 n. i). 

^ Hincmari opuscula ed. Cordesius Paris 1615 p. 646—664 (vergl. Mabillon, AnnaL 
ord. S. Bened. III, 126—127). 



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Radberfs Epitaphium ArseniL 5 

fröhnen und Vieles doppelt, ja dreifach zu sagen, wie das bei mündlicher 
Unterredung wohl vorzukommen pflegt. Auch darf er, indem er mit an- 
deren Klosterbrudern spricht, die Wala gleichfalls und zum Theil noch länger 
gekannt haben, Manches als bekannt voraussetzen und überspringen und um 
so ausschliefslichor auf die Punkte eingehen, die eine besondere Beleuch- 
tung zu erfordern schienen. Hiermit mag es auch zusammenhängen, dais 
uns nirgends eine Zeitbestimmung, sehr selten ein Ortsname begegnet, wo- 
durch das Verständnifs wesentlich erschwert und der Werth der Erzäh- 
lung verringert wird, so z. B. des Berichtes über einen sehr merkwürdigen 
Rechtshandel in Italien, der etwa im Jahre 822 spielt.^ Eine ähnliche Ent- 
haltsamkeit übt Radbert allerdings auch schon in dem Leben Adalhard's. 

Wenn unser Verfasser seine Persönlichkeit voranstellt und wiederholt 
sich seine treue Anhänglichkeit an seinen Helden nachrühmen Ififst, so ver- 
birgt er sie doch auch wieder, denn er nennt sich selbst nur Pascasius. 
Der von Alchvin in der Hofschule eingeföhrte Brauch frei gewählter Bei- 
oder Übernamen war ihm bekannt; so wulste er namentlich, dafs der ehr- 
würdige Adalhard, Wala's älterer Bruder, nach dem berühmten Einsiedler 
Antonius genannt worden war.* Indem er fär sich und seine Brüder der 
gleichen Sitte folgte, von deren Fortdauer wir sonst nichts wissen, hiels 
ihm Warin, der auf Adalhard folgende Abt von Corvey, Placidius, der 
Mönch Odilman Severus, Wala selbst Arsenius. 

Zu der Wahl dieses letzteren Namens mag aufser dem Anklang an 
Antonius wohl der Umstand beigetragen haben, dafs der hl. Arsenius, nach- 
dem er lange am Hofe des Kaisers Theodosius als Hofmeister von dessen 
Söhnen gelebt hatte, sich erst in reiferen Jahren in die Einsamkeit zurück- 
zog; aufserdem aber besafe derselbe auch die Gnadengabe thränenreicher 
Rührung in so hohem Mafse, dafs er deshalb stets ein Tüchlein im Busen 
führte.^ Gerade diese Gabe aber rühmt Radbert aucli seinem Meister nach, 
indem er u. A. erwähnt, dafs die Mönche das Pflaster in der Kirche, auf 



* Nur wegen dieser Unbestimmtheit erscheint der Bericht von dem Urtheil des Wala 
■ etwas legendenhaft«, wie ihn Rodenberg, Die Vita Walae S. 24, nennt. 

* V. Adalardi c. 21 p.316: 'ab aliquibus, ut epistolae magistri Albini feinint, Antonius 
vocabatur'; vergl. Ebert S. 237 Anm. i. 

* Vergl. Radbert, De corpor. et sang. Dom. c. 14 (Märten e et Durand, Coli. ampl. 
IX, 435): *Abbas autem Arsenius tantae sanctitatis et compunctionis gi*atia dicitur repletus 
fuisse, ut pro nimia lacrimnrum exuberatione pannum ad tergendum faciem semper in sinu 
deferret', s. Acta SS, lul. IV, 623. 



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6 E. Dümmler: 

welchem er Nachts gebetet hatte, am Morgen noch ganz von seinen Thränen 
benetzt fanden. 

Ein anderer Vergleich aber als der mit dem hl. Arsenius scheint Rad- 
bert noch besser zuzutreffen, er nennt Wala wiederholt und mit beson- 
derem Nachdruck einen zweiten Jeremias* und legt ihm dessen Klage in 
den Mund: »Ach, meine Mutter, dafs du mich geboren hast, wider den 
Jedermann hadert und zankt im ganzen Lande«. Der traurige Zustand 
des westfränkischen Reiches, in welchem Radbert lebte, die Unsicherheit 
auf allen Strafsen, die Ohnmacht der Staatsgewalt, die Unbotmäfsigkeit der 
Grofeen, die Bedrängnifs der Kirchen und die Normannenplage erinnerten 
ihn an die Leiden Jerusalems, wie sie uns in den Propheten entgegen- 
treten. Ilim muXste dieser Vergleich, der sich a\icli anderen Zeitgenossen, 
wie z.B. dem Mönche Alman von Hautvilliers , aufdrängte, ganz besonders 
nahe liegen, denn gleichzeitig mit der Todtenklage um Wala, zwischen 
dem ersten und zweiten Buche derselben, verfafete er auch eine Auslegung 
zu den Klageliedern Jeremiae, die ebenfalls viele Anspielungen auf die düstere 
Gegenwart enthält.^ Seiner Überzeugung nach wären alle diese Leiden, 
Ober die er nicht müde wird zu jammern^, vermieden worden, wenn man 
nach den Rathschlägen Wala's die Einheit des Reiches erhalten hätte. Pro- 
phetisch hatte dieser zweite Jeremias alles Unheil vorausgesehen, aber seine 
Stimme vergeblich erhoben. 

Wenn wir heutzutage die Theilung von Verdim als naturgemäfs, als 
ein Glück betrachten , weil sie die noth wendige Vorbedingung war für die 
selbständige Entwickelung der drei grofsen Nationen, der Deutschen, Fran- 
zosen und Italiener, die das Reich Karl's des Grofeen zusammengeschweifst 
hatte, so mufste diese Auffassung einem Radbert ebenso wie allen seinen 
Zeitgenossen gänzlich fern liegen, weil ihr nationales Bewufstsein noch 
nicht erwacht war. Mit vollem Rechte sah er von seinem Standpunkt aus 
die Zerreifsung des Reiches als ein Unglück an, als die Ursache aller Mifs- 
stände, die täglich sich steigerten, ebenso wie der Erzbischof Agobard, 

* Siehe die Widmung des Werkes De corp. et sang. Dom. (a. a. O. col. 378): * Arsenius 
noster, quem nostra nunc nobis saecula Hieremiam alterum tulerunt ab illo'. 

* Siehe Traube in den Poet. Carol. III , 39 n. i : bald nach der Einnahme von Paris 
durch die Normannen im Jahre 845, die aber auch Wenck (Das frank. Reich S. 118— 119) 
schon nchtig angesetzt hatte. 

' Rodenberg (a. a. 0. S. 38— 39) hat diese Klagen, die sich auf die Zeit der Ab- 
fassung beziehen, mifsverstanden , indem er dabei an die Tage Ludwig's des Fr. denkt. 



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Radberfs Epitaphium Arsem. 7 

der mit Wala davor gewarnt hatte, oder wie Florus von Lyon\ der mit 
ihm über die Wirkungen trauerte. 

Ganz wie sich selbst und seinen Helden, so bezeichnet Radbert, da- 
mals noch nicht Abt, auch die Mönche, mit denen das Gespräch gefuhrt 
wird, durch Verstecknamen. In beiden Büchern kommt der noch jüngere 
Adeodatus vor, von welchem die Aufforderung zu der Unterredung aus- 
geht, im ersten aufserdem Severus, der seinem Namen entsprechend zum 
Tadel geneigt ist, Chremes, dessen Name offenbar dem Terenz verdankt 
wird^, und der nur einmal hervortretende Alabigus. In dem zweiten, un- 
gefähr sechzehn Jahre später verfafsten Buche hat sich Manches geändert, 
Radbert selbst hat seine Abtswürde niedergelegt^, Severus, den wir uns 
als Greis zu denken haben, ist inzwischen gestorben, Chremes an einen 
anderen Ort versetzt*; an ihre Stelle ist Theophrast getreten.^ 

In diesem Buche aber macht Radbert von der Sitte des Namens- 
wechsels noch zu einem anderen Zwecke Gebrauch als im ersten, nämlich 
zur Verschleierung der darin auftretenden geschichtlichen Persönlichkeiten, 
als eine Art Vorsichtsmafsregel gleichsam. So nennt er das Kaiserpaar Ludwig 
und Judith Justinianus und Justina, die drei Söhne Honorius, Melanins, Gra- 
tianus, den Markgrafen Bernhard Naso, wohl weniger mit Anspielung auf 
Ovid, als wegen einer auffälligen Nase®, endlich einen nicht sicher nachzu- 
weisenden Bischof Phasur — wie dies alles schon Mabillon erkannt hat. 

Radbert stand mit seiner Bildung durchaus auf der Höhe seiner Zeit, 
die zumal im Westen die Überlieferungen Karl's des Grofsen würdig weiter- 
führte. Von einer philosophischen Geistesrichtung beherrscht', war er be- 

* Siehe sein Klagelied über den Zerfall des Reiches Poet. Carol. II, 559—564; vergl. 
meine Gesch. des ostfränk. Reiches I, 227 ff. 

* So mit Recht Ebert S. 239 Anm. 4. Der Name Alabingiis kommt auch bei Rudolf 
von Fulda vor: SS. XV, 330.333. 

* Vor 853; s. Traube a.a.O. S. 39. 

* Die Worte 'inter discrimina nostra iam discessit' sind nicht mit Rodenberg (S. 26) 
auf seinen Tod zu deuten. 

* In dem oben angeführten Dialoge heifsen die Unterredner Euticius und Theophilus. 

* Jenes nahm mit Beziehung auf Julia Ebert an, a.a.O. S. 243 Anm. i; s. jedoch 
Mabillon, Annal. ord. S. Bened. 11,525. Leibniz (Ann. imperii 1,399) bemerkt im All- 
gemeinen: *quibus ex nominibus aliquando et corporum speciem agnoscas'« 

^ Die Betrachtung über die tres in anima humana possessiones (Opp. ed. Sirmond 
col. 596) erinnert zwar an Isidor. different. 1. II c. 30, setzt aber doch noch eine andere Quelle 
voraus. Siehe die Vorrede (col. 779): *Numquam digne satis laudari philosophia potest\ 



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8 E. Dümmleb: 

sonders im Cicero \ »dem König und Meister der ganzen welüichen Bered- 
samkeit«, und im Seneca^ wohlbelesen; von den Dichtem kannte er nament- 
lich Terenz^ und Vergil*, aber auch Lucan, Persius^ Juvencus®, Sedulius', 
Fortunatus®, Boetius.® Am meisten hatte er natürlich die Kirchenväter 
studirt, auch Josephus und Orosius, auf denen seine Auslegungen zum 
Evangelium Matthaei und zu den Klageliedern Jeremiae beruhen , doch folgt 
er ihnen nicht in so sclavischer Weise wie sein Zeitgenosse Hraban. Er 
machte selbst gelegentlich Verse und nahm an den dogmatischen Streitig- 
keiten seines Jahrhunderts, zumal über das Abendmahl, hervorragenden 
Antheil. Obgleich selbst Mönch, Klosterlehrer imd später Abt, blieb er 
nicht auf die . Klostermauern beschränkt, sondern lernte auf mancherlei 
Sendungen genugsam die Welt und zumal auch den Hof kennen. Die 
Alten, so sehr er sie verehrte, übten auf seinen Stil leider nicht den bil- 
denden Einflufs wie etwa auf den Einhard's und seines Zeitgenossen Lupus 
von Ferneres. Seine Rede ist oft dunkel*^, schwerfällig und hart, bis- 



* Siehe Traube a. a. 0. S. 42; Passio SS. Rufini et Valeriani (Opp. col. 1701): 'Tullius 
Verri adulteria obiecit, PubÜo Clodio sororis incestum imputavit'; Simson, Jahrb. Ludwig*s 
des Fr. 1,339. ^" der V. Adal, c. 45 scheint er sich auf Cic. pro Sestio c. 65 zu beziehen. 

' Siehe aufser den unten anzuführenden Stellen De fide, spe et carit. 1. II c. 3 (Mar- 
tene et Durand, Coli. ampl. IX, 527): *de qua sane Seneca philosophus suoLucilio, Spes, 
alt, incerti boni nomen est* (=rr ep. 10, 2). 

* Siehe aucli die Widmung der Schrift De corp. et sang. Dom. a. a. O. col. 378. 

* In der V. Adal. c. 13 wird Ecl. 1, 3 benutzt, in c. 16 Georg. 11, 492 , in c. 31 Ecl. 
VIll, 35, in c. 42 Georg. 11,467— 468, in c. 43 Ecl. 111, 62; in c. 52 Ecl. IV, 5.6; IX, 57. 58, 
in c. 85 Ecl. II, 47. 48. 50; zu der Egloge s. Traube's Ausgabe, Poet. Carol. III, 45—51. Er 
benutzt in dem Matthaeus-Commentar col. 385 Ecl. 1, 6, col. 660 Georg. I, 438 — 440; 461—464, 
col. 1174 Georg. 1,468; in der Vorrede an Karl den K. Ecl. 111, 71 u. s. w. 

* Angeführt in der Passio Ruf. et Valer. col. 1703 (Sat. 1, i). Seine Kunde des Horaz 
bezweifelt Traube S. 43 Anm. 3; das Citat 'summos feriunt fulgura montes' in der Vorrede 
zu De corp. et sang. Dom. col. 379 stammt aus Hieron. llebr. quaest., Opp. III, 302. 

* Im Matthaeus-Commentar col. 998. 

' Sedulii opp. ed. Huemer p. 362. 363. 

* Siehe Traube a.a.O. S. 42. 

* Vita Adal. c. 30 p. 319; Vorrede zum Jeremias - Commentar (ed. Sirmond 1307). 

*° Die wunderliche Ausdrucks weise Radbert's hat Ebert (S. 231 Anm. 4) zu einem Mifs- 
verständnifs verleitet, indem er glaubt, er beschuldige Vergil der falsura; vielmehr steht in 
den beiden Vorreden an Warin und Karl (Martene, Coli. IX, 376. 379): 'fabulam de Maronis 
salsura contexere', ebenso in der Vorrede zum di'itten Buche des Matthaeus-Commentars: 
'Graeca saporante fabularum salsura' (Pasch. Radb. opp. col. 194), zu De fide, spe et carit. 
(Martene et Durand, Coli. IX, 472): *non quidem poetarum salsura'. Aus Hieronymus 



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Radbert' s Epüc^hhim Arsem. 9 

weilen incorrect; er ist ungemein breit, die letzte Feile seheint zu fehlen, 
doch erhebt er sich, wo die Leidenschaft ihn fortreiist, zu einem gewissen 
rednerischen Schwünge. Das Wohl der Kirche stand ihm natürlich im 
Vordergrunde, doch verkannte er nicht die Bedürfnisse des Staates, und 
wie hätte sich damals Beides trennen lassen? 

Es ist sehr schwer, einen Schriftsteller von so durchaus subjectiver 
Färbung wie Radbert, der gar nicht Geschichte schreiben will, mit der 
Elle der historischen Glaubwürdigkeit zu messen. Je mehr wir über die 
Stimmungen und Gesinnungen seiner Zeit aus ihm herauslesen, desto 
weniger erfahren wir von den Thatsachen. In dem ersten, kurze Zeit nach dem 
Tode Wala's und unter dem frischen Eindruck desselben, verfafsten Buche be- 
rührt Radbert offenbar deshalb Einzelnes weniger eingehend, weil er die 
zehn Jahre früher verfiafste Schrift zum Lobe Adalhard's bei seinen Lesern 
als bekannt voraussetzen durfte. Hingen doch diese beiden, im Alter zwar 
weit von einander entfernten Brüder im Leben und Wirken durch ihre 
zärtliche Liebe und gleiche Gesinnung auf das Engste zusammen, wie Radbert 
dies mit den lebhaftesten Farben ausmalt. So werden hier die Familien- 
verhältnisse nur ganz kurz erwäljnt und ebenso die Herstellung Wala's 
nach Ludwig's Buise zu Attigny.* Auch die Stiftung von Corvey, an der 
Radbert persönlich theilnahm, hatte er dort schon einmal berichtet, und 
es kam ihm hier nur darauf an, Wala's persönliches Verdienst um dieselbe 
klar zu stellen. Dafe er bald den einen, bald den anderen der beiden eng 
verbundenen Brüder zum Urheber dieser Stiftung machen will, scheint mir 
bei einem Lobredner kein unverzeihlicher Widerspruch, und so werden wir 
auch nicht annehmen können, dafs eine von ihm berichtete Schenkung 
eines sächsischen Grundherrn für dieses Kloster auf blofser Erdichtung be- 
ruhe, wenngleich uns der Zusammenhang etwas unklar bleibt.'^ 

(Opp. ed. Vallarsius VII, 8) schöpfte R. den Ausdruck 'subulcam dictandi audaciam' (Opp. 
col. 7), wo wir jedoch 'subitam' lesen, daher in den Vorreden zu De corp. et sang. Dom. 
(Märten e IX, 375. 378) 'stilo temperare subulco'. Vergl. über seine Sprache Traube, Poet. 
Carol. III, 42—43. 

^ Über jene s. die V. Adal. c. 32. 33 p. 321, über diese c. 51 p. 327, wo nur nach 
Radbert's Gewohnheit der Name Attigny verschwiegen wird. 

^ Gegen Simson (Jahrb. Ludwigs des Fr. II, 268), der diese Angabe gänzlich verwirft, 
mufs ich Rodenberg (Die Vita Walae S. 21) darin beipflichten, dafs Radbert es nicht wagen 
durfte, seinen Lesern offene Fabeln zu bieten. Vergl. Mart. Meyer, Zur alt. Gesch. Cor veys 
u. Höxters S. 28 — 32. 

PhUos.'histor. Ahh. 1900. IL 2 



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10 E. Dümhler: 

Wie Radbert hier betont, dafs er selbst dabei gewesen, so unt^^rscheidet 
er auch sonst deutlich eigene von überlieferter Kunde. Dem Tode und Be- 
gräbnis Wala's im fernen Italien konnte er zu seinem gröfsten Schmerze nicht 
beiwohnen, und über seine frülieren Jahre vor dem Eintritt in das Kloster 
weife er ebenfalls nur wenig zu berichten; um so breiter ergeht er sich 
über die mönchischen Tugenden seines Helden sowohl in der Zeit, da er 
dem Kloster noch als Bruder angehörte , wie da er ihm als Abt vorstand. 
Von den Thaten desselben auf anderen Gebieten nach seiner Wiederaus- 
söhnung mit dem Kaiser erfahren wir dagegen nur Ungenügendes, theils 
weil der Verfasser darüber wohl weniger unterrichtet war, theils weil er 
Wala nur in einer bestimmten Beleuchtung zeigen wollte. Seine bedeu- 
tende und maisgebende Stellung im kaiserlichen Rathe beweisen aber schon 
die an ihn gerichteten Schreiben Agobard's.^ Nur mangelhaft gelangt bei 
Radbert, der sich hierbei auf das Zeugnifs des Chremes stützt , Wala's 
wichtige Sendung nach Italien in den Jahren 822 bis 824 zur Darstellung, 
auf welcher er dem jungen Kaiser Lothar zur Seite stand und die Ver- 
handlungen mit dem Papste Eugen IL leitete.^ Gegen den Vorwurf, dafe 
er sich, d. h. sein Kloster, zu reich habe beschenken lassen trotz seiner 
Unbestechlichkeit, nimmt er ihn hier nachdrücklich in Schutz. 

Die besonders hervorgehobene sächsische Abkunft Wala's, die ihm zu 
diesem Stamme ein näheres Vertrauensverhältnifs gab, kann sich nur auf seine 
Mutter beziehen, da sein Vater, der Graf Bernhard, ja ein Bruder des Königs 
Pippin war. Wir dürfen daraus aber auch schliejfeen, dafs er nur ein Halbbruder 
des erheblich (um mehr als zwanzig Jahre) älteren Adalhard war.* Wenn an 
beiden Brüdern neben der Handhabung der lateinischen Sprache die Be- 
redsamkeit in der deutschen gerühmt wird*, so war diese eben ihre Mutter- 
sprache, wie die des karolingischen Hauses überhaupt, und auch Radbert 
dürfte, obgleich er überwiegend im Westen lebte, als Franke deutsch ge- 
sprochen haben.* Als einen günstigen Zeugen för den von Wala in Corbie 



* EE. V, 164. 179, wo es von ihm und Hildvin heifst: *vos illi priidentissimis vestris 
Suggestion ibüs sitis exhortatores et ut dixi adiutores'. 

' Annal. regni Francor. a. 822, p. 159 ed. Kurze. Die von Simson erhobenen cliro- 
nologischen Schwierigkeiten hat Roden berg S. 26-28 widerlegt. 

* Vergi. über Beider Alter Rodenberg S. 75. 

* Rodenberg's (S. 13) Mifsverständnife dieser Stelle hat schon Ebert (S. 241 Anin. 2) 
bericlitigt. Radbert verstand selbst gar kein Griechisch. 

^ Er erwähnt gelegentlich eine sonst nicht bekannte sächsische Benennung von Schuhen. 



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Radbert ^s Epitaphium Arsenü. 11 

gepflegten Geist aufrichtiger Frömmigkeit wird man auch den Mönch Anskar 
ansehen dürfen, der durch ihn gerade ftir die nordische Mission vorge- 
schlagen wurde ^ und in dieser sich so ausgezeichnet bewährte. 

Dafs zwischen dem ersten und dem zweiten Buche von Radbert's 
Leichenklage ein erheblicher Zeitraum verflofe, hatte seinen Grund wohl 
nicht in äuCseren Störungen , vielmehr darin » dafs der Verfasser sich nicht 
getraute, bei Lebzeiten der handelnden Personen dieses Trauerspiels die 
volle Wahrheit auszusprechen. Gewiis mit Absicht wartete Radbert den 
Tod des Kaiserpaares und des Markgrafen Bernhard ab, bevor er offen 
von ihren Verschuldungen zu reden wagte. Wir müssen auch so noch 
seinen Freimuth bewundern, selbst wenn er, wie man annehmen darf, nur 
an einen kleinen Kreis von Lesern gedacht haben mag^, über den sein 
Werk ja auch niemals hinausgekommen ist. Die völlig schonungslose Art, 
mit der er die Vergehungen der Kaiserin Judith enthüllt, läfst sich wohl 
nur daraus erklären , dais ihr eigener Sohn Karl zuletzt mit ihr zerfallen 
war. Um so weniger dürfen wir uns wundem, dafs bei Radbert der 
Name Karl's, seines Herrschers und Gönners, nirgends genannt, nur ein- 
mal mit einer tadelnden Bemerkung gestreift wird, obgleich \ms seine Ge- 
burt als die treibende Ursache aller weiteren Wirren, als der Keil gleich- 
sam erscheint, der das Reich aus einander sprengte. 

Die Abfassungszeit dieses zweiten Buches wird man nicht vor 853 
bestimmen dürfen, eher noch etwas später, theils weil Radbert darin die 
Kaiserin Irmingard, Lothar's I. Gemahlin, die ihr Leben 851 beschlols, 
als eine Verstorbene anzusehen scheint^ (obgleich dies nicht ganz deutlich 
ist), theils nach der Art, wie er auf die Normanneneinfälle anspielt und 
auf die Wunder der aus ihren Sitzen aufgescheuchten Heiligen. Dies kann 
kaum vor der furchtbaren Wiederkehr dieser Plage, die hauptsächlich 841 
begonnen hatte, seit 852 geschrieben sein.^ Dafs das zweite Buch, obwohl 



^ Vita Anskarii c. 7, ed. Waitz p. 37. 

* Siehe Rodenberg a. a. O. S.30: »Er inufs für einen kleinen Kreis von Freunden ge- 
schrieben haben, die das Leben des Wala ohnehin genau kannten«. 

* Über ihren Tod s. meine Gesch. des ostfränk. Reiches I, 397. 

^ Bei den Heiligen, die er hier meint, konnte man etwa an Wunder des hl. Germanus 
in Pai*is denken bei dem Einbruch der Normannen im Jahre 845 oder an die des hl. Ve- 
dastus bei seiner Erhebung in den Jahren 852 und 853; s. Uimari Mirac. S. Vedasti I. II c. 1.2 
(SS, XV, 399). Wandregisilus und Ansbert würden uns erst in das Jahr 858 führen, s. Mirac. 
S. Wandregisili c. 2 p. 407, Maurus in das Jahr 86 f. 

2* 



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12 E. Dümmler: 

etwas kurzer als das erste, es an geschichtlicher Bedeutung weit überragt, 
hat mit Recht schon Mabillon bemerkt \ denn es behandelt, ohne sich 
streng an das erste anzuschliefisen , einläfslich die för die ganze weitere 
Ehtwickelung entscheidenden Jahre von 828 bis 834, d.h. insoweit Wala 
von ihnen berührt wurde. 

Für die erste Versammlung in Aachen im December 828, auf welcher 
der Beschlufs der vier grolsen Reformsynoden zur Abstellung der allgemein 
empfundenen Milsstände gefafst wurde, benutzte Radbert Aufzeichnungen 
Wala's über die vorhandenen Beschwerden , die derselbe hier vortrug und 
deren Inhalt mit den anderen Quellen auf's Beste zusammenstimmt, so 
dalis an ihrer Zuverlässigkeit nicht zu zweifeln ist. Sie bildeten demnach 
ein Seitenstück zu jenen zwölf Capiteln mit Mahnungen , welche Ludwigs 
alter Freund Einhard als vermeintliche Offenbarungen des Erzengels Gabriel 
ihm damals zur Beheragung überreichte.^ Indem Wala mit den anderen 
Häuptern der Geistlichkeit vor Allem fiir die Bedürfnisse der Kirchen ein- 
trat, fehlte ihm doch keineswegs das Verständnifs für diejenigen des Staates. 
Er erkannte die Noth wendigkeit an, die Kirchengüter theilweise fär staat- 
liche Zwecke dienen zu lassen, aber er wollte, wie er überhaupt gleich 
seinem Bruder Adalhard^ den allzu grofsen Reichthum der Kirchen und 
die damit verbundenen weltlichen Sorgen nicht far ein Glück hielt und 
davor warnte, dafs dies nur in geordneter Weise und unter Mitwirkung 
der Kirchenhirten vor sich gehen solle, da im Princip die Unantastbarkeit 
des kirchlichen Eigenthums festzuhalten sei. Sein persönlicher Standpunkt 
unterschied sich hier wohl etwas von dem der Bischöfe. 

Wenn dann Radbert weiter dazu übergeht, uns die Anfönge der Um- 
wälzung darzulegen, durch welche Ludwig der Fromme zweimal die Zügel 
der Herrschaft verlor, um sie beide Male wieder zu ergreifen , so vermissen 
wir, wie schon bemerkt, den Namen Karl's, des nachgeborenen Sohnes, 
vielmehr erscheint die Berufung des Markgrafen Bernhard von Septimanien 
zum leitenden Minister an den Hof, seine allmächtige Stelluhg unter Aus- 

* Acta SS. IV, I, 455: *In fine hie moneo, librum huius Vitae secundum longe prae- 
cellere primo, in quo Paschasius diaiogos aliquando inutiles interserere videtur. 

' Einhardi Transl. S. Marcellini et Petri 1. 111 c. 13 (SS. XV, 252), vergl. c. 14 (254): 
*Heu pro dolor! ad quantas miserias tempora nostra sunt devoluta, in quibus non boni ho- 
niines, sed niali daemones doctores sunt' u. s. w. 

' V. Adalardi c. 68 p. 333: 'Neque enim a nobis exigitur quod necessaria tantum re- 
tineinus, sed quia superllua (ut ab ipsis dicitur) possidemus'. 



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RadberVs EpitapJäum Arsenü. 13 

sehlufs aller übrigen Rathgeber, sein vertrautes Verbältnils zur Kaiserin Ju- 
dith (obgleich er seit 824 mit der frommen Dhuoda vermählt war) und die 
daran sich knüpfenden Befürchtungen als alleiniger Grund der Erhebung.' 
Der Tag von Bernhardts Berufung ist ihm daher der Anfang alles Unglücks. 
Mag die Rücksicht auf den lebenden Herrscher auch hierbei mitgesprochen 
haben, so wird man Radbert's Darstellung doch nicht geradezu unhistorisch 
nennen können. Die Übertragung Schwabens an den kleinen Karl im 
Sommer 829 hatte zwar das Mifsvergnügen seiner älteren Halbbrüder erregt 
und allerlei Umtriebe hervorgerufen, jedoch noch keineswegs einen Auf- 
stand gezeitigt und es hätte sich ganz gut denken lassen, dafs ohne Um- 
sturz der beschworenen Thronfolgeordnung ein kleines Unterkönigreich 
unter Lothar's Oberhoheit für Karl wie fär seine Brüder geschaffen wurde. 
Auch nach den anderen Quellen war es in der That erst das freche und 
gewaltthätige Treiben Bernhardts, welches den Sturm entfesselte — wie 
ja auch sonst der aristokratische Geist des Mittelalters sieh stets der aus- 
schliefslichen Bevorzugung eines Ratbgebers widersetzt hat.^ 

Besonders werthvoU ist hier die Angabe Radbert*s, dafs Wala, bevor 
er sich mit den Gegnern verband , versucht habe , auf gütlichem Wege 
Bernhard in seine Schranken zurückzuweisen, weil er einst im weltlichen 
Stande mit dessen Schwester (Rothlindis?) vermählt, mit seinem Vater, dem 
Grafen Wilhelm , befreundet gewesen war und auch ihm deshalb persönlich 
näher stand. Dals der Aufruhr sodann zu Paris von Pippin ausging, dafe 
Lothar erst später hinzukam, um die Früchte zu pflücken, entspricht ganz 
unserem sonstigen Wissen ; dafs auch Ludwig von Bayern entscheidend ein- 
gegriffen^, diese Nachricht ist Radbert eigenthümlich , aber durchaus glaub- 
würdig, ebenso wie die sehr absonderliche Rede, durch welche der alte 
Kaiser schlielslich gute Miene zum bösen Spiel machte. 

Wie aber steht es mit den Vorwürfen, welche gegen die Kaiserin 
Judith gerichtet wurden? Von Radbert und dem mit gleicher Gesinnung 
beseelten Erzbischof Agobard von Lyon wird sie geradezu des Ehebruchs 

* Siehe meine Gesch. des ostfränk. Reiches I, 55 A.i. Auch bei Nithard, dem Partei- 
gSnger l^arl*s, heifst es (L. 1 c. 3) von Bernhard: 'Qui dum inconsulte re publica abuteretur, 
quam solidare debuit penitus evertit' und bei dem Astronomen c. 43 : 'quae res non semi- 
narium discordiae extinxit, sed potius augmentum creavit'. 

^ Man denke an Hagano unter Karl dem Einfältigen, an Heinrich von Augsburg und 
Adalbert von Bremen unier Heiniich IV. 

* Die Zweifel Simson's gegen diese Nachiicht hat Rodenberg S. 43— 45 widerlegt. 



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14 E. Dümmler: 

mit Bernhard als ihrem Buhlen bezichtigt. Will man diese Auf&ssung 
parteiisch nennen, so ist doch das Zeugnifs Derer nicht minder parteiisch, 
die nach ihrer Wiedereinsetzung, der Macht huldigend, Alles fiir Verleum- 
dung erklärten. Wenn , wie man annehmen darf, Radbert hierbei die An- 
sicht Wala's selbst wiedergiebt^ so wird man seinen etwa zehn Jahre nach 
ihrem Tode geschriebenen Worten immerhin ein grofses Gewicht beilegen 
müssen. W5re aber, wie er behauptet, Ludwig (der Deutsche) vorzugs- 
weise als Zeuge für die Schuld der Stiefmutter aufgetreten, so würde dies 
vielleicht am besten den besonderen Hafe erklären, mit welchem gerade 
er von ihr verfolgt wurde, nachdem sie ihren EinfluCs wiedergewonnen hatte. 

In ein anderes Gebiet gehören die angeblichen Mordpläne des buhle- 
rischen Paares, die ja freilich auch nur Absichten geblieben sein sollen. 
So unwahrscheinlich sie uns vorkommen — man denke jedoch an Bothwell 
und Darnley — so hat man sie doch sicher geglaubt, ebenso wie eine Ver- 
hexung oder Verzauberung des alten Kaisers, fftr welche nachmals noch 
Bernhard's Schwester Gerberga mit dem Tode bOfsen mufste. In dem wei- 
teren Verlaufe der Begebenheiten, die immer nur so weit berührt werden, 
als Wala dabei einzugreifen hatte, ergeben sich keine wesentlichen Wider- 
sprüche mit anderen Quellen. Von den drei Verbannungsorten , in welche 
er nach einander gefährt wurde, tritt uns nur der zweite, Hero auf einer 
Insel an der Loiremündung, Hermoutier, deutlich entgegen, weil dort einst 
auch Adalhard sieben Jahre hindurch gelebt hatte, das deutsche Kloster 
dagegen, in welchem er sich eine Zeit lang aufhielt, etwa Lorsch oder 
Fulda, wird nicht genannt, und ebenso unklar bleibt uns die Lage des doch 
auch von Radbert selbst besuchten Ortes in den Alpen, wohin er zuerst 
gelangte, so dals man zwischen Chillon am Genfer See und St-Maurice* 
geschwankt hat; doch ist das letztere wohl unbedingt wahrscheinlicher. 

Besonders bedeutsam sind sodann wieder die Angaben über die zweite 
Erhebung der Söhne gegen den Vater im Jahre 833, an welche Wala, in 
sein Kloster Corbie zurückgekehrt, sich abermals anschlofs, indem die 
Theilnahme des Papstes Gregorys IV. an ihrer Sache der Empörung als 



* Leibniz (Annal. irnp. 1, 399) bemerkt: 'Pascasius Walae sui iudicium secutus est' 
und fügt liinzu: Xaeterum si Agobardo et Pascasio minus deferas, tarnen Walae unius testi- 
monium non facile eleves, cui nihil potentiae aut gratiae accedebat'. 

* Dafs dieser Ort und jedenfalls ein Kloster gemeint sei, hat im Anschlufs an Simson 
Meyer von 1^ non au näher begründet; s. Anzeiger für schweizer.Gesch.il, 229—230. 



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Radbert' 8 Epitcgphmm Arsenü. 15 

Deckmantel diente. Nur Radbert, Wala's unzertrennlicher Begleiter und 
somit Augenzeuge, berichtet uns Genaueres über die Verhandlungen beider 
Parteien vor der Entscheidung zu Colmar, Ober die Botschaften, die 
zwischen dem Vater und den Söhnen hin und wieder gingen. Ihnen den 
Glauben zu versagen, liegt kein triftiger Grund vor, ja, es ist sogar nicht 
unwahrscheinlich, dafe Radbert hier, ebenso wie bei den Forderungen 
Wala's auf der Aachener Versammlung, ein wirkliches Actenstiick, eine 
Kundmachung der Söhne, benutzt hat.^ 

Etwas unklar bleibt die merkwürdige Nachricht, daCs Wala den durch 
die Drohungen der gegnerischen Bischöfe erschreckten Papst Gregor durch 
die Mittheilung von Decretalen aufgerichtet habe, welche die Unabsetz- 
barkeit des römischen Bischofs bezeugten. Es ist anerkannt, dais dies 
nicht etwa ein An&ng vom Pseudoisidor gewesen zu sein braucht, sondern 
ältere Stücke, aber es bleibt auffallend, dafs das uns erhaltene Schreiben 
des Papstes an die feindlichen Bischöfe weder etwas von seiner anfäng- 
lichen Entmuthigung, noch von den mitgetheilten Decretalen^ verräth, auf 
welche aber andererseits auch der sogenannte Astronom^ anspielt. Dafs der 
Abfall der Vasallen des Kaisers auf dem Lügenfelde ganz aus freiem Ent- 
schluls und ohne Anwendung unlauterer Mittel erfolgt sei, entspricht zwar 
keinesfalls der historischen Wahrheit, kann aber doch dem wundergläubigen 
Sinne Radbert's* in der That so erschienen sein. 

Dafe die Art und Weise, wie die Sieger, Jeder nur auf seinen Vor- 
theil bedacht, nach dem zweiten Sturze des alten Kaisers über das Franken- 
reich verfügten , die völlige Zerstückelung desselben , die Billigung Wala's 
nicht haben konnte und dafs er sich grollend von ihnen abwendete, werden 
wir Radbert gern glauben , denn Wala war nie ein persönlicher Anhänger 
Lothar's, sondern ein Vorkämpfer der Reichseinheit gewesen. Er nahm 

' Nach Simson (Jahrb. 11, 39) gehört dieser Austausch »wahrscheinlich nur der Phan- 
tasie Radbert's an-, Rodenberg (S. 54) dagegen vermuthet, dafs diese Correspondenx, von 
den Söhnen veröffentlicht, -die Stelle einer Proclamation oder eines Manifestes vertreten« habe. 
Vergl. Hauck, Kirchengesch. II, 504. 

* Die darin vorkommenden Citate aus Gregor von Nazianz und Augustin (EE. V, 229. 
231) scheinen mir nicht recht zu den Worten Radbert's zu passen, obgleich Rodenberg 
(S. 51) dies annimmt; vergl. Simson II, 44; Hauck a.a.O. II, 502. 

' Vita Hludow. c. 48 (SS. II, 635): 'cum aliter se habeat antiquorum auctoritas canonum\ 

* So erschien ihm auch der ungelünderte Übergang des Papstes über die Alpen wie ein 
Wunder. Thegan (c.42) läfst die Bewegung zum Abfall nur von dem kaiserlichen Lager ausgehen. 



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16 E. DOmmler: 

in den naclifolgendeu Wirren eine vermittelnde und mäfsigende Stellung 
ein, zog sich aber doch von weiterem Antheil an der Politik zuräck, in- 
dem er als Abt die I^itung des Klosters Bobbio antrat und dadurch seinen 
in Corbie zurückbleibenden Verehrern entrückt wurde. Dieser sein Aufent- 
halt in Bobbio gab Radbert Anlafs, ihn, den von der Kaiserin Judith 
Gehafsten, mit dem hl. Columban zu vergleichen*, der durch die Königin 
Brunhilde vertrieben wurde; doch trifft dies mehr rhetorisclie Gleichnife 
insofern nicht recht zu, als Wala, zuletzt mit dem Kaiser Ludwig ausge- 
söhnt, nur freiwillig über die Alpen zog. Noch einmal erhoben sich seine 
Hofiiiungen, als im Jahre 836 der Versuch einer Verständigung Lothar's 
mit seinem Vater unter seiner vollsten Zustimmung angebahnt wurde, 
denn davon allein hätte sich allenfalls eine Rückkehr zu der ersten Thron- 
folgeordnung erwarten lassen. Das Scheitern dieses Versuches in Folge einer 
Erkrankung I^thar's erlebte er aber nicht mehr, und so konnte nach dem 
Tode des alten Kaisers das Unheil der Spaltung des Reiches seinen freien Lauf 
nehmen, denn die Stimme des zweiten Jeremias war wirkungslos verhallt. 
Die Erhaltung des Epitaphium Arsenii verdanken wir — ebenso 
wie die von Nithard's Geschieh ts werk — einer einzigen Handschrift, jetzt 
Nr. 13909 der Pariser Nationalbibliothek, in Quart. Ursprünglich ohne 
Zweifel dem Kloster Corbie, der Stätte seines Ursprungs, angehörig, wo 
das Werk allein erwähnt wird', gelangte es später nach Crepy, wie eine 
Notiz auf f. 2 oben darthut: 'Iste liber est beati Harnulphi ex Crispeio; 
qui hunc male subtraxerit vel titulum deleverit, anathema sit'. Mabillon 
entdeckte die Handschrift in der Priorei St- Martin- des -Champs in Paris 
und entlieh sie von dort. Vielleicht verblieb sie seitdem in St-Germain- 
des-Pres, weil sie auf f. 2 auch als Ex libris monasterii Sancti Germani 
a Pratis Paris.' bezeichnet wird und hier nach f. i die Nr. 1442 (olim 552. 2) 
fiihrte. Mabillon schrieb sie der Zeit Radbert's selbst zu: 'cuius fuisse 
autographum aut certe primarium exemplar manu ipsius recoghitum cor- 
rectumque inde coniectabar quod initio corrector apposuit legi nee aliud 
exemplum superest in bibliotheca Corbeiensi\ Das von ihm erwähnte Legi' 
auf f. i' dürfte wohl nur eine Federprobe sein, ähnlich wie auf f. 118' 



' Sielie Simson, Jahrb. II, 119 Anm. i. 

^ Siehe De S. Ratberto (SS. XV, 452): 'Nichilominus et Wale abbatis vitam, sancti 
seil. Adalardi fratris et siiccessoris , idem Ratbertus edidit\ In den Catalogen von Corbie 
wird es nicht erwähnt. Nach Hü ff er, Korveier Studien (S.61) wurde es von Agius benutzt (?). 



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Radbert ^s Epäaphmm Arsenii. 17 

am Rande 'probatio incausti'. Dennoch möchte ich die Handschrift, welche auch 
Delisle in das lo. Jahrhundert setzen wollte, kaum für ganz so alt halten, 
sondern eher dem Anfange des lo. als dem 9. Jahrhundert zuschreiben. 

Sie enthält, von mehreren gleichzeitigen Händen geschrieben, auf 
1 1 1 Blättern von je 18 Zeilen nur die Schrift Radbert's; die erste und letzte 
Seite sind leer geblieben. Im Anfange sind durch Löcher im Pergament 
einige Worte verstummelt, die bis auf eines schon Mabillon ergänzte. 
Auf der letzten Seite des Textes ist durch Löcher und Abkratzen Einiges 
in der hier sehr kleinen Schrift ganz unlesbar geworden. Eine etwas jün- 
gere Hand hat eine Anzahl Verbesserungen, namentlich orthographischer Art, 
mit blasserer Tinte vorgenommen. Die Namen der Redenden deuteten die 
ersten Schreiber meist nur durch die Anfangsbuchstaben an, ein Verfahren, das 
sie öfter auch im Texte anwendeten; eine jüngere Hand hat dieselben häufig 
vollständig übergeschrieben und die Anfangsbuchstaben bisweilen ausradirt. 

Nachdem Sirmond in seiner 1618 veröffentlichten Ausgabe der Schrif- 
ten Radbert's unser Werk noch nicht gekannt hatte, wurde es von Joh. Ma- 
billon 1677 in den Acta Sanctor. ord. S. Benedicti saec. IV, i, 453-522 
zuerst an's Licht gezogen. Es wurde also viel später bekannt als die schon 
von Surius 1570 abgedruckte und seitdem oft wiederholte Vita Adalhardi. 
Mabillon's Abdruck war ein sehr sorgfaltiger; zu dem überlieferten Texte 
gab er vielfache, mitunter zu weit gehende' Verbesserungsvorschläge und 
fiigte auch die noth wendigsten historischen Erläuterungen hinzu. Diese 
Ausgabe wurde in dem venezianischen Nachdruck der Acta Sanctorum 
und mit den üblichen Verschlechterungen auch bei Migne (Patrol. CXX, 
1557- 1650) wiederholt. Bei Bouquet und Pertz finden sich nur un- 
genügende Auszüge, die keinen rechten Nutzen gewähren. 

Ältere Gelehrte, wie namentlich Mabillon selbst, der seinen Fund 
ein 'Aureum opus' nannte, Leibniz, Funck, auch Himly, der trotz der im 
Einzelnen anzuwendenden Vorsicht das Epitaphium als Parteischrift hoch 
stellte^, legten dem Werke Radbert's einen grofsen Werth bei, so wenig 
sie dessen Form loben wollten; dagegen bezeichnete es Simson, gleich- 

* Die öfter vorkommende Verwechseluog der Passiva und Deponentia wird man Rad- 
bert wohl zutrauen dürfen. 

* Für die Pläne der aristokratischen Partei nennt Himly (Wala et Louis le Debon- 
naire p. 12) das Kpita])hiuni une source irr^prochable , för die geschichtlichen Thatsnchen aber 
dörfe man sich seiner nur avec la eirconspection la pius grande bedienen, en le controbmt sans 
cesse par les autres sources contemporaines. Ähnlich Mühlbacher, Reg. imp. 1, 366. 367. 

HiUos.-Mstor. AbL 1900. IL 3 



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' f. r. 



18 E. Dömmler: 

falls durch die ungeniefsbare Darstellung abgestofsen\ als »ein Machwerk, 
dem man nur insoweit mit Sicherheit vertrauen kann, als seine Angaben 
durch bessere Quellen bestätigt werden«. Trotz mancher Angriffe in ein^ 
zelnen Punkten unterliefs er jedoch eine zusammenhängende Würdigung 
im Ganzen. Rodenberg versuchte diese mit gutem Erfolge im Jahre 1877 
in seiner recht verdienstlichen Dissertation, in der er doch von einer 
gewissen mifstrauischcn Voreingenommenheit sich nicht ganz losmachen 
konnte.^ Wenn wir uns stets gegenwärtig halten, dafs wir es mit einer 
Parteischrifl zu thun haben, die gar nicht in unserem Sinne objectiv zu 
sein beabsichtigt, andererseits aber auch nichts aussagt, von dessen Wahr- 
heit der wohl unterrichtete Verfasser nicht durchdrungen war, so werden 
wir aus Radbert viel lernen können. 

Der nachfolgende Abdruck schliefet sich etwas treuer als der Ma- 
billon's, dem er viel zu verdanken hat, an die für mich gütigst nach Berlin 
übersandte Handschrift an, von der eine Nachbildung hinzugefügt ist. 
Mabillon's Capiteleintheilung habe ich beibehalten. 



EPITAPHIUM ARSENÜ. 



<LIBER PRIMUS.)* 

Pascasiüs. Saepe mecum, frater Severe^, tacitus multumque admiror, liminio 
tanti luctus expleto, quid novi acciderit Adeodati'^^nostri, quod rursus iuxta illud 
Maronis^, te ortante, ut reor, infandos iubet renovare dolores' et rogat Arsenü 
nostri morum liniamentis imaginem saeculis in meraoriam more 2^uxi pingere.* 



» Lib. pr. fehlt in c.y dagegen ist Epitliaphium Arsenü noch einmal von jung, Hand über- 
geschr. ^ bis hierher gro/se Schrifl. ^ Adeodato verh, Mab. 

^ Jahrb. Ludwig's des Fr. 1, 336 »einer ungeniefsbaren Schrift voll Schwulst, Leiden- 
schaft und Lüge« (!); vergl. Vorwort S. IX. 

' Im Ganzen kann man seinem auf 8. 63—73 '/usammengefafsten Urtheil beipflichten. 

* Aen, II y 3. * Vergl, Vita Adalardi c. 20 p, 315 ed, Mabillon: Scribit namque 

TuUius, rex eloquentiae Latinae, in libro secundo de inventione rhetoricae artis, quod tem- 
pore u. s, fjD, ; Poet, Card, III, 42 n, 1, 



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Radbert' s EpitapMum Arsemi. 19 

Nee satis igitur cogitat, quod confundor fi^dus pictor iconiam* tanti viri, suis virtu- 
tum floribus gloriosam, litteramm in speculo posteris, ne fedior appaream, exhibere. 
Tarnen solatii est, licet pro multis confundar, quod eius inlustror virtutum meritis, 
etsi harum rerum ' initkim uUum nequeam invenire idoneam, Unde exordiar noorare partim 
que^ perspexi his omdisy partim guae accepi auribu^, et mente plenius intellexi. 

Severus. Mirabile quidem quod miraris homo peritus <^, * si eius imaginem 
morum probitate venustam erubescis prodere, cuius imitator esse, et patemos (ut »f-a. 
aiunt) vultus refundere debueras, quamvis et ego eisdem discipulatus gratia ad- 
stringar votis; presertim cum nihil timidius sit nihilque ignavius, ^quam)*^ quod 
doleas non sentire vel quibus oppriinaris miseriis plangere non andere. 

Pascasius*. Nitar, faciatn, experiar quod liortaris, Severe, cum nemo (doluerit)'* 
quod doluerit qui nesciat deplorare, nemo inter tormenta qui non audeat ingemiscere. 
Unde potius animam Line a corpore relinquam quam illum amare et cui expe- 
dierit, commendare votis pretermittam. 

Adeodatus. Optimum est de aliquo, corpore cum abscesserit, quae virtutis 
sunt eius in animo replicare, ut revirescat in nobis, quod in illo deperisse vide- 
batur. Florida enim semper virtutes sunt ad premium et virides, nee moriuntur in 
aliquo, nisi vitio perimantur, ^8cilic)et** si perimi queant umquam vel infirmari. Fi- 
dutia quippe*fidei est et spei solatium, de aliquo quem bene nosti, in Deum obisse 
presumere, et debitum caritatis votis prosequi ac diligere. Alioquin numquid »fa'. 
velut lanugo sumus, qu^ a vento tollitur, deputandi? absit. Sed cum tales pre- 
cesserint, credere oportet, quod in illo melius adsint, qui ait: Omnis qui credit in 
me, non morietur in fternum. Propter quod non sunt quasi mortui deplorandi, sed loh.n, a6. 
quasi patroni precibus c>ommendandi. 

Pascasius. Omittamus ista, mi frater et fili. Erit enim ut his digni efficia- 
mur donis Spiritus sancti munus, qui eum ita vernantibus decoravit virtutum flo- 
ribus. Sed timeo, ne dum vobis placere procuro, multis ofl*endam. An ignoras, 
Severe, quod nostrae hunc infelicissim^ vitae saecula Hieremiam alterum tulerunt ab 
illo? Audisti namque et ipse quam s§pe, ut recolo, hunc Arsenium fusis lacrimis 
proclamare: Ve miliiy mater mea, quare genuisti me virum nxfy virum discordif in uni- 
versa terra, lubesque^* super tumulum, quod tempus adduxit, condere luctum, ier.,5, lo. 
epitafium sciUcet more priorum lacrimis inrorare, et nunc sopitis discordiarum iur- f. 3. 
giis excitari vis ex cinere vastitatem incendii: necne vides, Severe, adhuc in tota 
t^rra, quod omnia flammis cupiditatum conflagrantur, et cuncta vorax invidia vastat? 

Severus. Video plane, quoniam iuxta illud Apocalypsis, mom magnus coram 
oeuliss Ordens missus est in mare huius maligni saeculi nostris crescentibus culpis; ai>oc. 8, 8. 
et Stella de caelo magna ardens, tamquam faada^ discurrit, et redigit mentes singulo- 
rum in favillam. Contra, quos Arsenius iste pacem Christi ferens, maluit flammas ib.,o. 



» -nam \ ubergeschr, ^ ue iiöergeschr, ^ undeutlich. ^ ergänzt ton Traube. ^ von 
hier an nur die Anfangsbuchstaben der Namen, ^ lubet verb, in iubes. ß ut nach oc. getilgt, 
» Ter, Hec, III, 3, IS, 



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20 E. Dümmler: 

Apoc.8, II. eius extinguere, sed vicit peccatis exigentibus amaritudo absinthii dulcedinem tanti 
viri hinc inde, ne contra improbas plebium voluntates praevaleret. 

Pascasius. Nihil, ut sentio, hercule de huius ambigis conscientia, sed tuis 
ad ine reductus verbis referam, quid prius quam h^c agerentur, per visum vidi. 
♦f. 3'. Videbam enim eminus quasi inontein**de materie b'guonim congestum pene usque 
ad nubes ignibus succensum, ante quem nescio quis statura procerus, si quo modo 
magis magisque cremarentur, omnia iam exusta vii^a decutere moliebatur, cuius 
incendii finem dinoscere nequivi. H^c estimo, talia presignabant. 

Severus. Ut Video, threnos edere noster Adeodatus petiit; econtra tu risum 
excitare velis. Alioquin nisi dormisses, ea quae dixi et cernis ipse minime dubiis 
et somniorum fantasiis approbasses. Nunc autem velim expergiscaris, et qu^ pe- 
timus insistas. 

Adeodatus. Uteris frequenter, Severe, Crisippi acumine\ et iocos* etiam 
eximios eloquii tuo refellis mucrone. Queso ne iuxta tui presagium nominis se- 
verius agas, quin immo nobiscum age, ut imagiuem patris stilo formemus modesto. 

Severus. Placet quod mones. Sed huius non unius ex vultu plene forma- 
bitur, reor, morum imago, qui gessit suis in actibus multorum inlustrium probi- 
tatem. Videbatur namque mihi quam sepe conspersionem morum habere prioris 
• f. 4. Arsenii; nunc vero personam*gerere patris Benedicti; interdum autem, ut pre- 
libatum est, officio Hieremie fronte adamautino acrius insistens fungebatur, cum 
esset mansuetus spiritu et virorum mitissimus. 

Pascasius. Satis utique ostendis in animo tibi, dum superesset, illum pietatis 
i.Tiin.4,8. calamo depinxisse, qu^ ad omnia utilis est, iuxta apostolum. Verumtamen si ve- 
lim ista prosequere, nuUus vix aut rarus qui credat. 

Adeodatus. Quis^ umquam ab historico jurcUores exegüf tarnen si necesse fiient^ 
sunt plures quam probi viri, qui tuis assertionibus iuramenti dextras dabunt, quo 
satis indignum est subterfugere veritatis amico, et de veritate aliquid petentibus 
timide reticere. 

Pascasius. Nonne legisti quod inefficacem** petat Studium res qu§ caret efiectu? 
quotiens ergo veritas ait calcata, istisque de sedibus pulsa, plenius nosti. Ideo si 
probavero nullum amplius nostro in tempore patris Benedicti formam gessisse, etsi 
sol iste qui cuncta respicit fuerit ad testatus, rarus est, qui audiat, licet veritas 
tuta maneat. 
•f-v. Adeodatus. Non credo quod careat res effectu, si dilectionis pietatisque fert* 

aifectum. Unde absurdum non est, etiam invidi si surdi fiant, paulisper relaxare 
amoris aifectum, qui lacrimis bene pascitur, fletibus delinitnr, obtutu in eum quem 
diligis, revirescens defigitur, et tanti patris tumulum saltim lamenti iloribus inrorari. 



• iocose c, iocos verh, Mab, ^ inefficax verh, Mah,y vergl, Opp, coL194: ineflQcax 
laboris Studium . . ubi de re agitur, quae . . caret fnictu. 

* VergL Seneca de henef. l.IcS: Chrysippus quoque penes quem subtile illud acumen 
est tt. s. tr. * Aus Seneca lud. de morte Claudii c. ly vergl Hermes VI, 126 und 127. 



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Radbert' s Epitaphium ArseniL 21 

Pascasius. Verum inquis, et religiöse satis hortaris, sanctam Dei hostiam 
Deoque placentem cum lacrimis ad c^li palatium prosequi, non quia talem eum 
habuimus, sed quia talem amisimus, et cum illo delictis pregravati necdum comi- 
tari quivimus. Sed si proverbium illud antiquius* verum esset, quod sola miseria 
invidia caret, tum eum libere votis prosequeremur. Nunc autem novi in nostris 
lacrimarum miseriis multam quorundam invidiam non defore, exertisque brachiis 
obiurare, maxime si adverterint, fabula de quo texitur. 

Severus. Hoc est quod supra notavi, videris mihi quasi litargo^ pati. Nonne 
dixisti morum imaginem te picturum, et quasi rei gestam^ historiam texere, nunc 
autem nobis fabulam adportas? 

Adeodatus. Mirum, Severe, quod tam assueti8*uteris semper verborum acri- f. 5. 
moniis. Nam mihi videtur fabulam dixisse non tibi, sed illis quibus totum fa- 
bula est et ludus, quod veritate fulcitur. Historiam autem huius tua in conscientia 
legis, unde non fabula tibi, sed veritas declaratur. 

Pascasius. Iure, Adeodate, agis, quem precibus fatigas, tuis si faveas^ votis. 
Sed quid ignoti facient**, cum a conscio criminamur? aut non legisti, quid nuper 
attulit gentilium tema^, quod quidam DnisUlam in caelrnn mntem viderit? Fortassis 
idein vidisse Arsenium habentem iter in cfilum narrabit. Quapropter eum interrogate, 
si vobismet non creditis, velit nolitve^ quae in cflo aguntur, quia divinis non credi- 
mus, forsitan*^ se vidisse monstrabit, quem d vüerroges^ vel soU narrabit^ coram 
pluribus^ ut estimo, nwnujuam verbrnn facturus, Nam idem ex quo in senaitu iurax>it 
eandem se vidisse caebmi ascendere^ eique pro tam bono nuniio nemo credidit^ quicquid 
viderit, verbis conceptis ßnnavit se nuUi dicturum, etiamsi in foro hominem vidisset 
occisum. 

Adeodatus. Sentio quid pretendis paulo * timidius quam expediat. Putasne »f. 5«. 
narrare quippiam, quod omnibus eque placeat, cunctique credant? Quid igitur 
illo nuntio clarius? quidve felicius? et (quod malus est) quid verius, quod Christus 
Victor ab inferis cum carne c§los petivit? omnibusque illuc volentibus ire viam 
prebuit, ianuas reseravit, peccata remisit, gratiam indulsit, et posse per fidem 
dedit. Sed quid est quod quidam non credunt, plures operibus contradicunt, et 
pauci veniunt? ubi tot coruscant miracula, tot patriarcharum concurrunt exempla, 
et prophetarum quasi digito quod factum est, preconia demonstrant, elementa sen- 
tiunt, angeli obsecuntur et pr^dicant? De quibus nimirum promissis et gestarum 
eloquiis testes sunt omnes apostoli, testes etiam martyres Christi, testes innumeri 
confessores et virgines, quorum fidei miracula meritis protestantur. Etenim quando 
tot preconia et testes de tam bono nuntio cöntempnuntur, non habes quid que- 
raris, cum plures su§^ salutis preconiis non crediderint, et sints qui de illo satis* »f. 6. 
bona sentiant. 

* lethargum Jlf(z6. ^ gesia,e Mab, ^ verb, aus foveas von erster Hand. <* verb. 
aus (hciuut, « fors&n verb, von jung, Hand in {orsÜRn. ^ verb. aus siu^, 8 t aiif Rasur. 

* Mir unbekannt. ^ Sen, lud. de morte Claud, c,l. 



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22 E. Dümmler: 

Prov.ay. »7. Pascasiüs. Vcnim illud Salomonis, q\xoA ferrwm ferro {ex)aciiiiur^i sie et tu, 

mi frater, sepius amicos quos diligis exacuis, ut diligendo proficiant. Hinc sequor 
devotus quocumque duxeris, tarnen cave, ut ubi emolumentum^ deest, salutis causa 
cesset inquiri. 
(c.i.) Adeodatus. Qu^o conspersionem luorum ex quibus interior integer confici- 

tur bonio, pandas, quia facie pene cunctis ac genere notissimus erat; vel quibus 
sit, sicut Severus meminit, comparandus. 

Pascasiüs. Verum quod prioris Arsenii a puero ex militia et dignitate glo- 
riam ampliavit. Fuit enim consobrinus maximiaugustorum, eique pre cunctis ac- 
ceptior, in sermone verax^ (ut de illo dicitur^ cuius apud nos nuper delati cineres, 
tantis coruscarunt miraculis^) m iudicio iusttis, provicbts in consilio, et in commisso ßde- 
liss\m\ia. In senatu quidem pre cunctis poliebat ingenio; ut si interrogaretur de 
quibuslibet rerum negotiis, quicquid melius dici aut inveniri poterat, mox in eodera 
momento sine uUa dilatione quasi de fönte manabat consilii. Eratque iam in illo 
•f. 6'. tunc temporis * virtus summa, multis ex rebus amplificata auctoritas, quem et bo- 
nitas ac nobilitas morum generisque commendabat. Inlustrabatur autem sapientia^ 
adeo ut et in divinis proficeret, cum in humanis ceteris precelleret. Eloquentiam 
quoque utrarumque lingua^um^ qua sapientia plerumque iuvatur, et copiam dicendi 
ad persuadendum qu^ vellet, modestam nimis liabebat. Unde dum huiuscemodi 
reniteret bonis, ab omnibus amabatur. 

cf.ier.is, 10. Adeodatus. Velim talis cum esset, mihi replices, quid sit quod*' virum rixf, 

virumque discordif se progenitum frequenter ingemuerit, presertim, ut ais, dum ab 
Omnibus amabatur. 

Pascasiüs. Fateor quia de religione zelus ei accrevit, et de gratia uberior 
virtus. Necdum enim <in)presentiarum ^ reipublic^ detrimenta noverat, quam augmen- 
tari gaudebat. Et ideo plus firmissimas nobilium societates, sanctissimasque ple- 
bium amicitias studebat*, quam, secundum Hieremiam, peccata et detrimenta rerum, 
qu§ necdum adeo excreverant, deplorare. An ignoras, Adeodate, quod vir bonus 
• f. 7. non plus sibi*quam patri^ consulit et civibus? Scipionem quoque nosti, et reliquos 
eiusdem s§culi viros, qui pro maximis patri^ ac plurimis virtutum benificiis odia 
tulerunt et varia mortis discrimina. 
(ca.) Adeodatus. Pro dolor! quod innumerosior pars ima petat, utinam inter re- 

ligiosos nostrae etatis viros ista non nossem! Nunc is qualiter ad monasticam ve- 
nerit discipliuam requiro. 

Pascasiüs. Verum seculi gloria numquam sine invidia est, nee prosperitas 



* aeuitur c. ^ emulum. verh. in emulom. ° ühergeschr, ^ pres. c, in 
ergänzt Traube. ^ condere oder dergL ergänzt Traube, 

* Acta S. Sebastiani c. 1, Acta SS. ed. Bolland lanuar. II, 265 ^ Ann. regni Francor. 
a. 826, ed. Kurze p. 171. ' Vergi. Vita Adaiardi c.77 p. 336: Si vero idein barbara, quam 
Theotiscam dieunt, lingua loqueretur, preminebat claritatis eloquio, quod si Latine, iam 
ulterius prae aviditate dulcoris non erat spiritus. 



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BadberVs Epitaphium Arsenü. 23 

sine discrimine alicuius adversitatis, sed vir probus utrisque partibus utitur ad 
salutem. ünde Arsenius cum pulsaretur quorundam insidiis, videns violentorum 
inpudentiam sedes occupare indebitas, quod prius in inente Deo voverat, optatum 
sibi tempus invenit: et quod caliidi* dissertorum loca tenerent, et infimi notissimos 
populo atque amicissimos Marsa*raanu* prostrarent. Ergo cum tales cerneret ad- 
versus sapientes potestate potius agere, esseque superiores, et vulgi e^stimatione 
dignissimos, premonuit multa incommoda multaque naufragia populo provenire. 
Tum vero, multis contradicentibus,*s^culum et mundi inlecebras sine dolore de- •f.?' 
posuit, quantum ea sine amore tenuerat. Qui cum esset divino amore succensus, 
relictis omnibus, coenobium^ petiit monastic^ disciplin^, ne suis, sed Christi legibus, 
et spiritu ageretur divino. I^erat enim, quod qui spirUit Dei offimtuTy ßlii Dei sunt. Rom. 8, 14. 
Et ideo certatim non se sibi, sed Christum pYeferebat in omnibus. Ubi qualiter 
sit conversatus, Severum interroga, quoniam mihi actenus, dum vestra curavi audire, 
levius tuli qu^ tolero. Nunc autem mox ut eum adtigi quem videram, qualemque 
habueram, novos inveni dolores recentcsque, quos abisse^ putabam. Idcirco pau- 
lisper sileam, donec oculi mei /on/^m inveniant /am/warf/m, et deducant aquam, qnia cf. Kr. 9. 
longe factm est a me consokUor mens, convertens animam meam, Longe igitur factus, Thrcn. i. 16. 
quia recessit hinc ad Deum multo miseriarum fatigio pro populo et religione Christi 
confectus. Qui quantorum laceraretur morsibus, cum esset mori paratus, nostrorum 
nullus est qui nesciat. Agebant enim quasi dicerent illud Hieremi^ in eum: Venite, irr. 18, 18. 
percutiamus eum linguay^et non adtendamus ad unioersos sermones eins, Quorum tali »rs. 
tantoque affectus tedio, petiit interdum commorandi locum^ in adiutorio altissimi 
et protectione Dei caeli, quo nullus inimicorum violenter posset adire. Sed nos, 
dum sibi consuluit, ad oram desolatos et merore plenos reliquit. Unde turbata suntT\\Ttu.7,i\. 
satis viscera mea, effuswn est in terra iectir meum super absentiam tanti patris, et 
nequeo morum imaginem respicere pre lacrimis. Sed plorans plorabo, donec ta- cf. Thrcn. 
bescant oculi, ut vel sie meis consoler miseriis, qui subito consolatorem animi 
talem amisi. 

Severus. Precor paulisper quiescas a ploratu, ne rursus commoveantur re- 
centius viscera fletibus, et non possimus expungere qu^ novimus. Sed antequam 
obducantur oculi caligine, morum imago suis venustioribus pingatur coloribus: tum 
demum plena clari recordatio vultus calentes lacrimarum aperiet fontes*, et sie in 
iubilo illo inspectante desuper dabimus fletus, hinc quidem gaudentes, hinc tristes, 
hinc mesti, hinc l^ti: hinc quoque destituti, hinc subvecti. * Quoniam etsi doloris «f. 8'. 
est quod amisimus; gaudii esse debet, quod talem eum ad c^li palatium inter- 
cessorem premisimus. An nescitis Hieremiam illum, cuius iste fert typum, licet in 
lacum satis coenosum a populo dimersus, quod demum levatus ad astra multum 

» calli uhergeschr, di. ^ habisse h getügt. 

* Vergl, Ennii AnnaL ed. Luc. Müller p, 61. ' Corhie an der Somme, vergL V. Adalardi 
c. 8 p.Sil ed. Mab. ' Bobbio , vergl. unten II c. 23. * Vergl. unten c. 9, Beda de die ittdic. 
V. 13 (Opp, ed. Giles /, 99): Nunc, rogo, nunc venae fontes aperite calentes; Poet. Carol. Illy 42. 



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24 E. Dühhler: 

ler. II. 14 orat? Quod si ille pro his ad Deum preces indesinenter fundit, pro quibus ei inter- 
dictum est. dum superesset, ne adsumat orcUionem et lattdem^ quid putas iste pro 
his faciet, quos fiiios utique sibi caros tarn subito desolatos reliquit? Dictum namque 

a.M»cc.is, de ilio legimus: Hie est fratrum amaior^ Hieremias propheta l)ei, hie est qui rnukum 
orat pro populo, et tmiversa civitate sancta Hiernsalem, Quod si iile pro civitate et 
populo laudem et orationem etiam prohibitus adsumit, quem olim vivens sie de- 
flevit, cui threnos composuit, lamenta instituit: quid facturus iste pro suis, quos 
dilexit? Fateor quod non tantum pro nobis, verum etiam et pro his, uti et ilie, 
quos inimicos pertulit, intercessor erit, quia utrorumque invectio illorum tarn severa 
contra populum, non de odio, sed de amore fuit. Ista licet minus credant, tarnen 
•f. 9 nos qui eum agnovimus,**dubitare nequimus, quod is qui pro veritate tantos 
j)ertulit agones, Christi promissis minime privatur. Et si pretio fides emi posset, 
daremus quatinus cessarent odiis insequi, quem Caritas enutrivit, iustitia provexit, 
et pietas decoravit. Unde moneo quiescant et desinant maledicere, male facta ne 
prodant sua, quoniam huius (ut criminantur) versutiam et infidelitat^m emulari 
oportet plus quam eorum perversam fidem. 

Pascasius. Acriter invehis, frater Severe. Velim caveas illud Terrentii*: Ne 
quid nitnis, quoniam omnes^ quibus minus est conscientia tuta, plus sunt nescio quo 
modo suspiciosi, atque od contutneliam omnia accipiunt^ et propter sua queque se semper 
culpari credunt. 
(e. 3) Adeodatus, ^stimo quod si ostenderis quid sit fides vera* proximi, et qualis 

sit, dominis qu^ promittitur, servanda; poterit unusquisque nostrum lucidius intueri, 
et singuli de propria conscientia iudicare, quoniam huic h^c inpingitur nota, quasi 
augusto debitam non servaverit fidem. 

Pascasius. Optime hortaris, ut eluceat, quam multi adulterant fidem veram, 

• f. 9'. et corrumpunt*nescii quid sit quod promittunt. Est igitur Christianorum fides, 
G«i. 5.6. iuxta apostolum, quf per dUectionem operatur, Alioquin tolle dilectionem, et fides 

abolitur, quoniam dilectio iura fidei omnia circumscribit. Porro dilectio Christi 

et proximi nihil peccati, saltim ex consensu, admittit. Unde constat quod omnis 

qui diligit aut consentit quod iniustum est, inique odit animam suam, et eum 

quem ad iniquitat^m favendo consentit. Ex quo liquido coUigitur, fidem, non quod 

velit quisque, intendere debere, ut ad voluntatem etiam domini terreni contra Dei 

Gai. 5.6. precepta adsurgat, ne forte male consentiendo , fidem quae per dilectionem in 

proximo operatur, infidelis amittat, sed qu^ dilectionis sunt inpendere; et per fidem 

cf. Matth. qu^ salutis proximi sunt, constantius et circumspectius adimplere. Alioquin He- 

'^'^ rodes ille, eiusque complices, quia iuramento erat adstrictus **, alieni a crimine, si 

fides praescriberet quodcumque velle, et quod promiseris adimplendum. Unde prius 

• f. lo. cavendum, ne quid fide pollicearis incautus: deinde si voveris, ne ad peiora*pro- 
Rom.13,8, venies declina. Nihil enim debeamus, ait apostolus, nisi ut inmcein diligamus. 



* nach Vera ein Buchst getilgt. ^ -stratus verh, in -strictus. 

1 Andr, 1,1,34. » Ter. Ad. IV, 3, U -16. 



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Radbefi's Epitaphium Arsenü. 25 

Idcirco quisque quod debet solvendo adimpleat, et implendo debeat, fidem vide- 
licet, qu^ per dilectionem operatur. Alias autem fides non est fides, quia non est g«i. 5,6. 
ex dilectione Dei et proximi , sed terrena obiuratio animalis et diabolica devinctio. 
Nemo igitur bene servat fidem, ubi contempnitur Deus et neglegitur futur^ vit^ 
proximi salus. 

Adeodatus* Heu quam misera aetatis nostrae secula, in quibus semper omnium 
precedit velle, deinde quicquid sapit quisque et potest, ad hoc confligere, ut* com- 
pleatur, licet prava effectu, presertim cum sapere prius esset nocessariiun quod 
velle deberes; deinde velle quod saperes; sicque demum agere bone voluntatis quod 
posses. Nunc autem monstra omnium pariunt mentes, cum quod sequi debuerat 
precedit; et caput quod precedere passim sequitur; mediaque potestas ludibunda 
hinc inde turnet, ac per hoc omnibus fit illud quod comicus ait': Volo, nolo^ nolo- 
que, voh, et est singulis infelix nimium ac puerilis vertigo. 

Pascasius. Hinc sane eorum aliquis*ex senatoribus prior, cum contra cum *f. >o'. 
talia ut se corrigeret ferme ante biennium depromerem, ratione superatus et senton- 
tiis divinis, Audisne? inquit. Profecto ista qu§ narras, licet divina, in eo seculo, 
quo nati et quando nati sumus, locum agende vitae habuere et vim dictorum, nunc 
autem in isto quo nunc sumus, scias nihil utilitatis et rationis inesse. His'itaque 
dictis discessimus; ille post suum velle desudans, ego a meo posse quiescens. 

Adeodatüs. Ista quippe res non tan tum ^ cecitas esse videtur, mi Pascasi, 
quam mira mentis amentia*": hie non sentire quo sit quidve agataliquis; recordari 
vero quo fuerit, quahsve nutabundus eat; nee tamen redire posse aut velle in id 
quod fuit, sed agendo insensibiliter ire post suum velle, ne ad se redeat qui fuit. 

Sevebüs. Quis, inquam, plus sensu deficisci* potest, quam qui nee se sentit, 
vel quid dicat ipse non audit? Sed forte, ut reor, putatis vos clarius derogantes nee 
ipsa furibunda silentia^ possint audire. Idcirco loqui libere talia minime formidatis. 

Pascasius. Loquimur de fide qualis esse debeat circa proximos, qualisve 
servari. Et ideo*minime silendum putavi; quia, ut nosti, hanc Arsenius nost^r «f. ,,. 
tenuit vere, hanc exhibuit, hanc servavit, qu^ cum dilectione operatur, in cunctis g«i. 5,6. 
veritate fulcitur, iustitia roboratur; non qu^ assentationibus male decipit, et qu^ 
cuique libuerit vitiorum extollit, sed in omni negotio et verbo, in omni re et con- 
sensu, amicam sibi scrutabatur inesse veritatem, et qiiasi ab ungue singulas rerum 
disquirebat negotiorumque causas, ne forte rimam in aliquo falsitas precidisset. 
Deinde ut singul^ fidei partes iustiti^ armoniam uno concentu precinerent, sibi 
coram oculis omnia adsignabat, atque ut omnia intrinsecus Caritas ageret, cottidie 
precibus Domino commendabat. 

Adeodatüs. Miror quomodo inter varias et innumeras, ut audio, causarum (c. 4.) 



* solet confligere ut voluntas ergänzt Traube, *> tarn verb, Mab. ^ mentis amentia 
auf Rasur. 

> Ter. Phorm. V, 8, 57. * VergL Phorm. IV, 1, 23. » Statii Theb. X, 896: fu- 

ribunda silentia. 

Philos.-Mstor. Abh. 1900. II. 4 



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26 E. Dümmler: 

occiipationes tarn intente Deo vacabat, atque ubicumque sibi praesto aderat, pre- 
sertim cum nos quantoties dum vacare Deo volumus, abdueimur; et cum qu^rimus 
nosmet, vix invenire possumus. 

Pascasius. Fateor, Adeodate mi carissime, quia ubique secum semper cum 
Deo erat. Non enim se, ut dicitur, rebus tradebat, sed commendabat, suasque 
♦fii'. cogitatione8*inter frequentias homiiium tractans, aliquid sibi salutare semper in 
aniuio gerebat. Et ut infidi fidem recipiant, testor numquam me vidisse aliquem, 
qui sibi ubique tarn presto esset, tamque sollicite passim incederet, ita ut vix 
vel numquam se abduceret, licet rebus occuparetur innumeris et maximis. Inter 
epulas autem, cum aut ipse hospites, aut cum magnorum aliquis vocasset, num- 
quam tam sobrie potui continuis temporibus dinoscere sumentem, ita ut refectio 
prandii a plurimis summa putaretur abstinentia et parsimonia victus, si ad tantam, 
saltim quadragesim^i temporibus, possent coutingere abstinentiam. O infelicem me, 
qui nunc eins privor aspectibus, nee erubesco agere coram pluribus, quod tunc 
verebar coram eo. Sciebam enim quod non parceret, si quippiam inmoderate ad- 
mitterem. De quibus Severum velim interroges, quoniam et ipse quam sfpe mecum 
istam pertulit disciplinam. 

Severus. Satis utique advertor qu^ intendis, ut pateat aliquando, forsitan 
• f.ia. quod manum avidius ori porrexeram, unde quid invexerit* inter nos frequenter 
liabuimus, et adhuc hodie pro quam plurima sua invectione saltim conscientia 
verberamur. Tamen de quibus dicis, testes sunt patres ac fratres et condiscipuli, 
qui norunt quod immodum agricul^ sarientis, verbum et correptionis sententiam 
mox in initio peccati pro sarculo ferebat, quatinus Christi messis uberior pollu- 
laret. Namque non ut quidam usque* ad excrescentia delicta deliberans agebat, 
sed mox in singulis peccati originem verbi gladio perimebat. Quomodo igitur suis 
ignaviter parceret, qui nusquam et numquam sublimioribus, nisi moneret, cessit? 
EccLi3.ii. Fecerat enim sententiam Salomonis suam, quod verba sapientis dnt^ qttasi Stimuli 
et claoi in aUum d^ixi^ quia defigebat cuspide verbi vitiorum crementa, et virtutum 
exordia in altum firmius solidabat. Felix nimium beatusque, qui tantis rerum 
alternisque decursibus occupatus, sibi unus idemque continuus erat censor eximius, 
qui se tam in alto secessu studiis, Deo, caritatique vacabat. Hoc igitur negotium 
♦f. la'. eins et causa* negotii, hoc otium et labor, h^ ieiunia^ et vigili^, h^c cura et 
perpetua mentis solUcitudo, ut numquam desineret, quod semel coeperat in^ miUtia 
Christi. Unde plurimum aliis enituit, quod sibi et Deo ac proximis tantus idem- 
que semper fuit; nee ulli^ plus quam sibi severus, nee ah um magis quam semet 
iudicavit. 
(c.5.) Pascasius. Perpendo, frater, et recolo qu^ sentis, sed necdum est locus ^ 

licet invitus que proponis. Tamen de his fateor aliquando me illum interrogasse, 
cur sibi tam severus, et, dum solus esset, tam tristis incederet. Ad quod ille: 

» c vor usque getilgt, ^ sunt verh, in sint. ^ a übergeschr, ^ überge^chr. i\ and, 
Hand, « uUa vfrb. in ulli. ^ Videtur hie deesse: et ideo ])reietermhio vel quid simile MAB, 



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RadberVs EpUopImim Arsenü. 27 

Noveris quia mecum sum, et quod in ine est, decerno. Idcirco nuUis adhiic, nisi 
de sola spe, hilaresco gaudiis-. Perpen<^ant igitur nostri, qui eum rodere conantur, 
et alienis criminantur culpis, qui se ita percensuit. Putantne contra apostolum, 
quod a Domino ulterius iustorum extorris a consilio iudicetur? immo Christo, cui 
adfaesit in vita couplantatus in corpore,, gratulabundus canit: Liberasü me de laqueo P>ai. 90. 3 
venantium et a verbo asfpero. Sed ipse dum talibus et tantis evacuatur malis, nos 
miseros reliquit, quo velim ignoscant, si prolabimur ad lacrimas secretius iu se- 
ce88U,*qui prius repressimus, ne videremur deflere, quem gratis oderant iniqui. •r. 13. 
Nunc autem tandem illis quiescentibus lamenta relaxabimus, quoniam fletus et 
lacrim^ fomenta sunt desiderü^ desiderium autem tucunda recordcUto amissi, quoniam 
etsi mors aspera deterret, blandi nominis memoria delectat. Unde quidam ait*, 
quod armcorum mors quandam habeat voluptatem^ eorumque memoria sit mcunda, 
quomodo poma que videntur suaviter aspera. Cum ergo interoenü spcUmm, pura ad 
nos spei iucunditas redit, quia sie quos habuimus, diligimus, tamqumn et nos 
hinc subito ituros, sicque amidmus tamquam habeamns. Gloriosa quidem spes 
beata et suavis. Idcirco, mi pater Arseni, gratulamur tui, solamur nostri, quia 
et te ad spei beatitudinem presumimus pervenisse, nosque tuis illuc meritis cre- 
dimus adiuvari, licet hinc ad horam mesti, tarnen gaudentes, quia tibi» felicior 
successus, quam nobis maneat exitus; nisi prior tuus interveniat^ recessus. Forte 
expedierat ut ires, quatinus paraclysis Christi veniat, ut festini relictis omnibus 
tecum simus mente*',*et indefessis precibus facultas** capescendi sit* veniam, et 'fu'- 
perveniendi fidutiam accipiat animus. Nou igitur, mi pater, miseri de te, sed beati, 
quibus^ nee presentia in spiritu deficit, nee cura minuitur pastoris, sed augetur 
gratia. Quid enim est mors? nisi somnus, sicut ex multarum scripturarum locis 
possumus approbari. Quod si in noctis quiete corporeis adhuc vincuhs inherentes, 
et quasi membrorum in carcere religat§ anim^ possunt altiora et qu^que suis dis- 
creta imaginibus perspicere, quanto magis exuti omni corruptionis labe spectant, 
ut quidam sanctorum^ ait, iam puro etherioque sensu. Unde plus presto te« nobis 
patrem confidimus, quam** in istius vitae usu habere nostri prospiciendi ad invicem 
copiam potuimus. Est enim nobis, ut credimus, ubique presto dulcisque absentia 
presens, quod tunc illius omnia esse non poterant, sicuti est nunc, (nec)^ insuavis 
eins valde presentia absens, quoniam in eo esse creditur, cui patent et presto sunt 
omnia. Magna igitur potestas et virtus ineffabilis, ita ut nec^ mors, nee tempus 
avellere pos8it,*quos ipsa eademque maiestas Dei beaverit. Unde, mi pater, potius »f. 14. 
crederis nunc vivere nobis, qui tibi melius vi vis. Fiunt iam lacrime dulces, iucun- 
dior fletus, quoniam etsi mors odii est, vita nobis tua dilectio. Namque mors cf.i.Cor.15, 
ebibita absorta est in vita, et ideo vivis, pater, beateque vi vis. Quesumus adsis ^^* 



* t ühergeschr, ^ das letzte t übergeschr. ^ simus mente am unt. Bande nachgetr, 
^ s atif Rasur, ^ übergeschr, ^ quo- verb, m qui. 6 übergeschr. *» quia verb. in 
quam. » von Traube ergänzt ^ übergeschr, 

* Seneca epist, ad Lucii. 63 (VII, 1) m freier Wiedergabe. ' Mir unbekannt 

4* 



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28 E. Dümmler: 

nobis, apucl quem melius vivis, in quo vivunt omnia, nosque moveraur in illo et 
sumus: cuius nimirum spei promissis refrj^eratur ardor animi, relaxatus quoque 
paulisper evaporatur affectus Quo rogo ut advolet assidue tui animi imago, dul- 
cesque perfundat veri (si fas sit dicere) somnii visiones, ut totus adsis, qui solis 
corporeis aspectibus defraudaris. Nam cottidianus tuus usus iugem recordationem 
excitat, affectus imaginem represeutat, quibus allatis dolorem renovant. Et ideo, 
mi pater, interdum ades, et mente atque animo amplecteris. Osculamur enim te 
quantoties, alloquimur, conpreheudimus. Infelix nimium ego, qui ultima verborum 
*f.M'. tuorum monita tam longe absens hausi. *Ai8 namque, ut noster mihi Chremes 
attulit, aisque: Ita, fili, fac, si quo modo, qu^cumque scis boni, opere agas, ne 
tui minor inveniaris. Haec tua, mi pater, mihi novissima verba, haec tu^ estima- 
tionis mandata. Non quod scierim quod perfectum sit, sed ut sciendo proficerim, 
soUicite procurabas. Cui nescius mox futurum quod non preterire licet, longius 
diferri posset, verius quam iocose remiseram, quod ^que tria in homine continuis 
temporibus non inessent: videlicet scire, velle, ac posse. Quoniam multa qu^ boni 
scimus peccatis exigentibus quandoque nolumus, quod si iam velle adiacuerit, posse 
interdum non habemus. Dens est autem solus, cuius nee maior scientia quam volun- 
cf.i.cor. tas, nee voluntas amplior quam potestas, sed quicquid seit, vult et potest, ideo in 
sapientia sua omnia operatur. Porro hominibus nihil horum sine gratia Christi. 
Et ideo queso precibus instaures, votis adiuves, quoniam tunc doctoris perfecta 
est monitio, si precum quos monuerit adiuvet sumptibus. Hoc enim laudis tu^ 
*f. 15. officium est, quia sine offensione*in nuUo subter fuisti, tuis ut minus adnuntiares 
voluntatem Dei, modo si commendes oratione ac meritis, ut quibus per te scire 
licuit quod expediat, velle ac posse tribuatur a* Deo quod placeat. 
(e.6.) Adeodatüs. VcUcm altius a puero tanti viri tirocinia repeteres, quoniam 

merita tant§ perfectionis cum eo crevisse credimus. Non enim vere virtutes sine 
innocentia proficiscuntur, innocentia vero virtutum efficatia solidatur. Porro soli- 
ditas longa boni operis consuetudine crescentibus meritis firmatur. Alterna quidem 
proportione perfecti viri ut prudenti^ simplicitas respondeat, et simplicitatem pru- 
dentia instauret, quatinus quod est in flore, fructus exhibeat, et fructum bone 
spei prius fiores promittant. Potest ut flos nonnumquam sine fructu decidat, 
fructus tamen non sine flore puUulat. Idcirco pandas velim prius flores, quatinus 
fructus dulcior exuberet, quoniam etsi utiUs fructus, tener^ vit^ pulchrior flos 
redolet. Unde huic quod etsi ante floruit uberior virtus florendi , Christi gratia fuit. 
Pascasius. Qu^ris, Adeodate, qu^ris de his forsitan, quando non eram; 
♦ f. 15'. tamen relatione*verorum, quia ab utero notissimus fulsit, plura memoria dignis- 
sima percepi. Fuit enim a puero inter tirocinia palatii liberalibus mancipatus 
studiis, poUens morum nobihtate ac probitate sensus. Cuius augustus efficatiam 
auspicatus ingenii, licet consobrinus ipsius esset, patrui eius filius, decrevit humi- 
liari cuiuslibet instinctu, et redigi inter infimos, non quidem fortuitu**, sed*^ divino 



überffeschr. ^ non bis fort, aiif Rasur, ° uhergeschr. 



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Radbert ^s EpUcq)}dum Arsenn. 29 

dispensante iudicio, ut tenera aetas fornace temptationis tamquam aurum probare- 
tur, quatinus edisceret adhuc iuvenis, non minu» adversa fortiter, quam et pro- 
spera equanimiter tolerare. Scriptum quippe est, quod sicut fomax aurum, ita cf.sap.3.6. 
temptatio probat iustos. Et ideo iam iustiti^ eius testimonium renitebat, ut am- 
plior gratia prestaretur. Ubi diu multumque Camino humilitatis detritus, valde 
claruit mitissimus et nescio cui obtimatum commissus libera sub custodia probus 
atque idoneus, plurima eius cottidie crescebat fama, vit§ et laudis preconia comu- 
labantur. Quis igitur non agnosceret, quod iam*divino probaretur tirocinio? »f. 16. 
qui nullis existentibus delictorum culpis a proximo sie premebatur innocens et 
iustus, quasi esset reus, augustique natura alienus. Ferunt quidam, quod idem 
tunc temporis cum esset in via mestus, bovesque'^ cum plaustro minaret% quen- 
dam ruricolam obviasse, accinctum^ balteo et armis. Ad quem ipse: Visne, inquit, 
o homo, arma qu^ geris pauper deponere, istaque quibus adstringor assumere? 
His ita dictis tandem vix credulus viator sine damno, suis se viduavit armis, et 
munera insperata revexit. Tum noster Arsenius: Melius mihi, inquit, vilia decent 
cum plaustro **, quoniam non militi^ nunc s^uli, sed communis^ vit^ negotiis vaco. 
Quid igitur iste*, fratres, nisi David usus exemplo aiebat: Adhuc fnliar ßam, ^/ 3. Reg. 6,3a. 
ero in oculis meis humilis; presertim quia cum sibi quisque pro Deo*^ indignior ap- 
paret, Deo acceptior fit?: et cum sibi magnus sufficiensque, utique, sicut legitur, 
parvulus estimatur. Quid plura, his ita expletis paulo post divina virtus multis 
eum provexit honoribus, fitque acceptior cunctis, quanto probior. Restituitur 
palatio,** gratia sublimatur, siquidem cottidie proficiens atque succrescens, con- ♦f.i6'. 
stituitur ab augusto echonomus totius domus, et venerabatur passim secundus a 
cesare, quasi putares alium loseph sceptra regni movere.' Erat enim in ore om- cf.Gen. 31, 
nium, et ad omnia quaeque praecipuus, maxime iustitiarum exactor, cuius sollertia 
ins civile bonis sine tergiversatione dabatur, et presentia non minus terrebat reos, 
quam mulcebat pios. Senator, ut ita dicam, senatorum, a secretis iam tunc effi- 
catior cunctis, eo quod nihil vellet, nisi quicquid prestantius scire potuisset, 
ubique providus, ubique promptus ac devotus, ubique strenuus, ita ut nuUus de 
se coram illo aliud, quam iustum velle significare änderet. Ante quem ins 
civium venale numquam venit, sed liberaditer in omnibus agens, ultroneus peten- 
tibus apparebat. Nonnumquam igitur ad ea quae augusto propriae agenda fuerant, 
specialius mittebatur. Unde iam idem ducatum gerens, exercitum vice caesaris in 

* bovesque his minaret am Rande ergänzt ^ accinctus c, verb, von Mab, *^ cum 
pl. übergeschr, ^ commune <?., -is Mab. « iste am Rande ergänzt ^ pro Deo 
am Rande ergänzt 8 arif Rasur, danach ein Wort getilgt (uir?). 

* 5. Vita Hludowici c, 21 {SS, 11^ 618): Timebatur enim quam maxime Wala, summi 
apud Karolum imperatorem habitus loci; F. Adahrdi c, 32 p, 321: Wala viroruni clarissimus . . 
tunc temporis primus inter primos et cunctis amabilior unus, nimia familiaritate regi inhesus 
et uiaxima praefecturae dignitate subvectus, in seuatu clarior cunctis, in milicia vero pru- 
denti animo fortior univei*si8. 



40. 



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30 E. Dümmler: 

• f. 17. hoste8^*duxi8se satis fertur egregie. Quem feritas gentium barbararum suis edo- 
mita benificiis, oimium, ut nostis, diligebat, et ad eum deraum iam cum monachus 
foret, quantociens devoti confluebant. 

(c.7.) Severus. Fateor nos sepc* retractasse quid esset, quod tantum easdem gentes 

diligeret, etiam ut sepe omissis primoribus nostri ordiiiis ad eos alacrius se con- 
ferret, et totum se illis infatigabiliter prestaret. Sed facile patet seiisus, quod 
pietatis affectu Iiaec fecerit, ut eos suis provocaret exemplis, et ad morum instrueret 
honestatem, qui nuper ad fidem Christi venerant. 

Pascasius. Ita est, mi Severe. Idcirco apud eos pre cunctis acceptior erat, 
quod ipse sepe probavi, et pre omnibus carior. Forte recolis, quando illuc causa 
coenobii novi^ cum Antonio nostro simul ftiimus, ubi qualis quantusve liaberetur, 
probavi, quasi, ut ita dicam, si advenisset celitus, magis quam olim ex palatio, 
profecto cum esset monachus, venerabatur. Unde cum ad quosdam devenissemus, 

*r.i7'. qui eum mutato habitu non agnoscerent, vastarentque idem hostilit«r*suorum agros, 
et depopularentur finitima, voluit eos Antonius noster, ut erat benignus, corripere 
lenitate sua, nee tamen est auditus. Tum quidem proposuit eis Arsenium, et fecit 
alloqui, ut se a talibus compescercnt. Quo audito illi coeperunt prospicere attentius, 
is si esset quem fatebamur. Qui etsi multis persuasi, minime credidere, quod tarn 
eximius et prepotens ad tantam venerit humilitatem et deiectionis formam. Quo- 
rum unus ad eum; Tu es, inquit, ille quem noster tam inclitum celebrat orbis? 
Tum ille: Ego, inquit. Deinde, Fateor, alter ait, quod saltem nee minimi extrema 
digiti eins vales, quanto magis ut talis tantusque dicaris. His ita dictis, nos om- 
nes subrisimus ac discessimus. 

Adeodatus. Velim serius agas, quia talia in quibus fastus commendatur sae- 
culi, non intueor quid prosint, penitus cum mors etiam nostra aboleverit, si qua 
fuerant iucunda. An ignoras quod qui mundum colit preciosa perdit? Pompam 

*r. ,8. namque saeculi repetere, quid aliud est,* quam fidem abnegare Christi? 

Pascasius. Ita plane sentio, sed probi viri, hcet videantur agere quae mundi 
sunt, intentum gerunt animum, nee se ad externa omnia sinunt evocari , licet foris 
universa resonent, et magnis fulciantur tumultibus. Quid igitur putas fortius pur- 
pura uti, et vasis auro argentoque confectis, quasi testaceis, vel cilicio^, nee mo- 
veri? An hisdem licet vilibus sie uti, quasi preciosissimis , nee paupertate affici? 
Adeodatus. Utrumque magne virtutis dixerim virum , sed talis vix aut rarus 
invenitur, quem non deiciat altitudo, quem vilitas non moveat, quem non extollat 
divitiarum atque honoris sublimitas, quem non paupertas afficiat, et variarum re- 
rum negotia non extenuent. 

Pascasius. Ita, Adeodate, ita est, sed vera virtus in utrisque est, quam bona 
mens explicat et devota, ubi nee cupiditas vel avaritia fomentant animum,. sed 

* saepe verb, in sepe. *> cilio verb. in ciiicio. 

' Gegen die Abodriten, vergL c. 11, Unter den fränkischen Großen, welche 811 mit den Dänen 
Frieden schlössen , erscheint als erster Walach ccMnes filius Bernhardi; s. Ann. regni Francor. ed. 
Kurze p, 134, ' Corvey an der Weser, vergL Vita Adalardi c. 65 — 67, ed, Mabillon p. 331. 



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Radbert 's Epüaphmm Arsenii. 31 

Hberalitas honeetat morum, et probitas commendat vitae. Non virtutes dissident, 
noü vitia premunt/non altera alTectionum passio alteram vexat, non ea quae sunt •f. is*. 
exterius devastant. Alioquin ctiam in hereroo quid prodest universf regionis aspe- 
ritas et Silentium, si affectus improbi fremunt intus et vitia perrautant animum? 
Ei^ placida quies et vcra illa est, quam ratio ubique componit et serenitas re- 
ligionis commendat. Idcirco quidam, ut comperimus, e seculo recedentes, adbuc 
versantur in fluctibus, quia non satis mente exisse probantur. At vero nonnulli, 
quos tyrocinia virtutum enutrirunt in militaribus rebus, postmodum ad Cliristi mi- 
litiam puriores ac perspicatiores veniunt, quam si essent inexperti. 

Adeodatus. Tamen esse debet in bis virtutum experientia, pro quibus egregii 
censeantur, quoniam et pagani dumtaxat inter suos idonei probique videbantur, vul- 
gique estimatione nonnulli inter deos allati dicuntur. 

Pascasius. Videris mihi ad omnia quae conferimus, nutabundus, et quasi ple- 
beio infectus colore, nullum alium deinceps**posse recipere mentis eßectuin, pre- »f. i^ 
sertim cum varius rumor varias rerum* conspersionibus inficiat mentes. Fortassis 
ei^o et tu ita infectus plurium infamiis, ut non qucas de hoc aliam iam recipere 
fidem, quem plures ita laniant, et vulgi imperitia conrodit. 

Adeodatus. Nonne recolis illud CatonisS quod multi multa locuntur, et ideo 
rara est fides? verumtamen de isto, fateor, optimam habeo fidem, cui adhaesi in 
novissimis, quem cognovi, licet sero, et dilexi nimium virtutibus decoratum. Sed 
non Omnibus** rebus factile fides adhibenda. ünde et apostoli tardius credidisse 
leguntur, ne forte fides eorum temeraria videretur. Ita et nos nibil prccipitanter 
nihilque inconsulte agere oportet, neque vulgi aut alicuius inpressione ita infici, 
ne meliora recipere valeamus; neque, ut ita dicam, molliri acsi cera, ut omnium 
sigillorum signa super sculpturam recipiamus. Probanda est igitur imago cuiusque, 
probanda et fides, ut quod semel ad Uquidum probaveris,*iterum de illo non iudices. • r.,^* 

Pascasius. Recte fateris, sed velim perpendas, quam probi viri inter sum mos 
seculi honores vixerint, quam idonei mox de militia ad Christi gratiam pervenerint. 
Taceo igitur de David, quem nee regalis dignitas multis rerum copiis inlexit, nee 
occupatio negotiorum a dono grätig retorsit. Taceo d^ ceteris omnibus, qui in 
culmine celsitudinis virtutum floribus exornati, Deo placuisse leguntur, et multis 
mysteriorum sacramentis refulsere. Veniam ad nostros, qpos de mundi militia 
Christi ^cclesia glorioses suscepit presules: Ambrosium loquor, qui de prefectura 
mox cathedram episcopatus est adeptus; et Hilarium, quem doctorem eximium 
Gallia concelebrat. Tales ergo et huiusmodi viros s^pe seeulum, immo de s^ulo 
Christi gratia provexit. Et ideo nulli dubium, quod et istum inter senatoriae di- 
gnitatis infulas virtutum gemmis insignitum Providentia instituit divina et dementia 
decoxit, ut fieret vas honoris* de tanto culmine ad monasticam transmutatus. »f.ao. 

Severus. Diu est quod expecto, quid de illo dubia proponere velitis, quem (c. s.) 

» reatuiim nerm. Tr. *> at^ Rasur, 

' Catonis disticha 11, 20, 2: Exigua est tribuenda fides, qui multa locuntur. 



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32 £. Dümmler: 

plus quam* nosmet (ut ita fatear) cognovimus, cui conscii fuimus, quem sectatorem 
iustitiae ac veritatis non dubitamus, cui quam nobismet amplius credidimus. For- 
tassis ergo ut quidara filosopliorum omnia dubia tenemus, nibilque certum posse 
conprehendi pbilosopbaraur. Alioquin interrogate Cremem nostrum, aut istum AUa- 
bigum, cuius claugor bucin^ forte surdis etiam fidem prestabit, quod adhuc in 
s^culo morum honestate ac virtutum ceteris clarior vixit. 

Cremes. NuUus qui hoc nesciat, pene quia nulli fuitignotus, sed livor ab- 
iiegat, pluribus quod conscientia probat. Hinc profecto liquet, quam vis oiTenderit, 
quod etiam ab emuh's prestantior omnibus nostri saeculi primoribus fuit^ et si eisdem 
non placeat, bonus tamen ab omnibus pr^dicatur. Fuit enim in saeculo elimosinarum 

•f.»'. largitor, et decimarum ita^liberalissimus dispensator, ut probares iam non sua, 
sed ad hoc sibi commissa distribuere. Qui post anuualem decimationem , cotti- 
dianam iudesinenter tam^ ex omni redditu ac dispensatione victus, quam et de 
variis donorum sumptibus Christi paupcribus inpendebat, hanc sibi hereditatis con- 
putans partem, hanc hicri pretium, hanc iustitiae suae mercimonium. Sed, ut video, 
Allabigus noster, quasi convitiatus, irascitur, ideo forte nudam manu interdum con- 
fricat calvariam, nee bene sentit de his quae proponitis. 

Tum ille**: Quid igitur ludicra iocose seritis? et si calvus vobis videor, He- 
liseum quid contemnitis? An nescis, Cremes, quia roulti me venti flaverunt? for- 
tassis ergo iurando per hoc caput ista contraxi. Nunc autem quia non credunt, 
hoc noüum repperi iuxta Terrentium*, ut consecter eos, ywt se primos omnium esse 
volunty nee sunt: et cum riserint, adrideo, earumque^ mgenia admiror; vel quicquid 

• f.ai. dicunt, Imido; et si negant,^lmido\ quid yi^wque negaverit, nego\ aiunt, cdo, Deinde 
imperavi mihi omnia adsenktri^ quia is questus nunc est valde tiberrimus, Tamen saltim 
parvam adhibeam fidem, qui mihi de illo quam bene sum conscius, nihilque falsi 
fingam, quoniam meo cordi nullum cariorem invenio. Fuit enim suo in tempore 
acceptior cunctis, licet prodigiosa huius s^uli ^tas ultima eum insipienter^ et ma- 
ligne oderit, atque mendaciis sit insecuta. Verumtamen quaeso me non adeo igna- 
Yum putetis, non ingratum, neque inhumanum aut vecordem, ut me non consue- 
tudo tanti viri, non inremota vitae conversatio, non amor, non pudor oblivionis 
commoTcat, ac moneats, ilU ut servem fidem, cum quo multa pertuh, a quo plura 
didici, et ex quo qu^ue optima virtutum etiam in saeculo cognovi, pro cuius amore 
primum post Deum saeculum reliqui. Unde si quis vestrum mihi de comu quippiam 
opposuit, tubam audiat veritatis, quia quamvis obsurdescant invidi, Arsenius iste 

•f. 31'. verus* Christi adletha fuit. Et si plura enumerare nequeam sermone imperitus, 
lugerc tamen etsi coram non erubesco, quotiens ad mentem ea reduco, ut vel sie re- 
frigerer plenus miseriarum nostrarum doloribus. Quia etsi gaudendum censeo, quod 
talem eum habuimus, satis quoque deflendum, qui cum eo semper viximus, quod 



* quam ubergeschr, ^ fuit zu streichen Tr, ^ übergeschr, ^ auf Rasur, « aus 
quae verb. ^ am Rande ergänzt. 8 moueat verb. in moneat. 

1 Eunuch. II, 2, 16-22. 



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Radbert ^s Epitaphium Arsenii, 33 

absentes in extremis fuimüs. Fortassis ergo si cum eo essemus, de spiritii eius 
amplius participaremur. An non legistis, Helias Heliseo suo petenti, ut spiritus 
eiüs in eo duplex fieret, quid dixerit? Si videris^ inquit, quando toUar^, erü quod optasi 4.Reg.2.fi. 
ita et nos, firatres, si essemus cum eo, hinc ad celos quando abiit, pignus nobis 
forte refunderet sui spiritus. Nunc autem quam miseri^, quibus nee horam scire 
licuit sui exitus, quem vivere putabamus! 

Pascasius. Ut audio, glaber iste qui videbatur idiota, factus est in subito 
quaerimoniarum filosophus, nee dubium quin spiritu eius quem plangimus afflatus. 
Alioquin^nisi eo esset attactus, quomodo talia preoccupavisset, ant.equam stilus eo *C3a. 
veniret, quo circumfusis visceribus lamentandi erit tempus. Non enim adsentator 
est falsi, ut se finxerat, sed invector, ut sentio, preooque veritatis. Parvipendet 
enim aliquis quid audiat, presertim cum nemo amicorum meorum esthodie, apud 
quem^ omnia mea occulta exponere audeam, quam vis hie nostra etiam inimicis de- 
tegat. Quia nonnumquam apud alium prohibet dignitas, apud alium ipsius facti 
piget ineptia, ne infidetis, ne protervus videar, idcirco nostrum est intelligere, 
utcumque atque ubicumque opus sit adsentari vel obsequi, de isto si quomodo 
vel tacere. Ergo quia nee premeditari potuimus tanti viri obitum, nee prescire, 
nunc premeditandum, quid vel cui quandoque loquamur. Noster enim satis pave- 
bat animus de illo prius tale aliquid cogitare, qualia demum contigisse doluimus : 
non quod*conditionem ignoraremus, sed quidam votorum usus sensum nostrum «f.aa'. 
communis fragilitatis obduxerat, ut de illo nisi seeunda cogitare nesciremus. Unde 
cum olim ab augusto directus causa negotii quod nostis, antequam in remeando 
Agripinam veni88em\ comperi quem nunc deflemus, exilium tulisse pro munere, ubi 
quamplures monachorum simul reficiebamur; eratque lectio in medio Esai§^ vatis, ubi 
legitur: Concurreni jEgypHi adoersus Egyptios, et dismmpetur ^Hgypttts in visceribus suis, i«ai.i9,3. 
Tune quidem infremui, tune quasi inundans omni lacrimarum ymbre perfusus, atque 
dolore disruptus emarcui , ita ut omnes mirarentur, alii quidem quid contigerit di- 
centes, alii quasi reatui illius conscius essem, opinabantur, nemo tamen mihi eorum 
hodie quod heri, licet consolatores optimi viderentur. Fateor tamen eadem hora 
omnia mihi in animo venisse, quae postea contigerunt. Unde non dubitandum, 
quod divintis Spiritus ubique omnia repleat, etiam et ea quae non*possidet. ♦f.33. 

Severüs. Dicam de his quae mihi in mente sunt, vos decemite. Dum ille 
fuit solus, dum nulla alia spes, dum posse viguit, favebant plurimi, sibique^ da- 
bant palmam, nunc postquam res inventa^ est, inventi« sunt et ipsi de quibus quc- 
reris. Sed non adeo dixerim fortuitu talia contigisse, ut et lectio simul ac lacrim^ 
prodiderint, quod nostra in visceribus suis disrumpenda esset Egyptus; forte iam 
tune venter precordiorum contra nefanda futurorum quasi cythara threnabat. 

Adeodatus. Dum varia rerum incidunt negotia, in conloquio eonfunditur (c.9) 

» tollor verb, in tollar. ^ vivimus ergänzt Traube nach S.36 Z.18. « quae verb. in 

quem. ** Isaiae r^5. v» Esaiae. * tibiqiie r. ^ inversn. verb, Mab, 8 inversi verb, Mab. 
» Cötn, im Jahre 831, 

PhÜos.-histor.Abh. 1900. IL 5 



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34 E. Dümmler: 

stilus, nee ordo dicendi servatur, nee flendi copia pectoris de fönte uberior hau- 
ritur. Ex quo velim fontem *• aperias nobis calentem ^ et qualis quantusve venerit 
ad monastica, insinues, quia etsi pulchre sunt virtutes sub absoonso clamide, eas- 
que inter mundi inlecebras vernare^, pulchriores tarnen in scola virtutum fiunt, ubi 

'r.33'. resecatis vitiis fraglat ager kliorum odoramentis conmilitonum, et sola*quae Dei et 
sancta sunt, ab omnibus ineditantur. 

Pascasius. Si qu^ris, Adeodate, qualis venerit, fateor talis, qualem Virgilius 
ille tuus Maro describit^, totus teres atque rotundus^. Qui nimirum versus, licet in 
Virgilio vestro magnis extollatur laudibus, longe antiquior legitur in Oratio^, qui 
dum de viro sapiente loqueretur, ait, quod sit fortis, et in seipso totus teres fiU> 
que rotundus. Unde profecto liquet, sicut et in quampluribus locis, quia Maro 
vester callidus ingenio de ceterorum sententiis laudem tulit, et de multis, acsi men- 
dicus, phylosophomm fracmentis convivium vanitatis, saltim pueris, fecit. Sed lau- 
dabilior bic noster illo fulsit mox de s§culo Christi gratia inlustratus, qui fortis 
in Deo atque teres seu rotundus, ut aiunt, venit, quia nihil ex omni parte rotun- 
dius a puncto, quam sicubi** virtutes rationi Deoque consentiunt. Nonne virtus iure 

*f.2i. tibi videtur quaedam equalitas'^vit^ rationique^ consentiens undique? Quod si aliud 
ab alio in vita discrepat, magis, ni fallor, offendit, ut ille egregius ait^, quam si 
aliqua pars circuli maiore minoreve intervallo, quam ali§ partes, distet. Igitur 
illa est virtus et ratio vera, quae vitam perfectam faciunt, vita vero perfecta un- 
dique, si veritati congruat et virtutibus equetur. Unde profecto idoneus in vita 
et probus iure is censetur, qui tam bene et honeste vivit, ut secundum Deüm vir- 
tutibus vivere videatur. Sed de isto vix talia creduntur, quoniam odiis et invidia 
ubique iugulatur. Quas de causa parcius laudandum censeo, ubi veritas convitiis 
sufiboatur et invidia iustitia perimitur. 

Severus. Forsitan persecutorum tempore si esses, de Christo aut nescire quic^ 
quam te assereres , utique aut mutus esses. Nunc autem quaeso pone metum : nihil 
hie iterum iurabis poscenti. Alioquin die illud, quia si noceo quod amo, sine fine 

'f. 34' nocebo. Satis enim mihi est^amoris, quod semel de illo ebibi, quod aliud recipere 
non possum. Ideirco si non proficiunt visa, veniamus et ipsi virtutum ad arma, 
quia pro talibus tantisque Deum si digne laudare non eessem, beatior ero, licet 
monitis eins et moribus sim ipse minor. 

Pascasius. Magna molimur, frater Adeodate, sed nulla, nisi ardua virtus. 
Unde narremus, ut fertur, fabulam toto notissimam mundo. Quoniam, ut ais, exi- 
gua virtus est praestare silentia rebus, sicut e contrario gravis culpa, quae tacenda 

* au/ Rasur, *> \m\chnim est ergänzt Traube, ^ rotondus c. *^ sibi c, siciibi t?^^. 
Traube. * Bei{uah\\iias? vergL Cic, de ()ff', I c, 26, 31 . ^ que überge^chr, 8 verb, aus qu&m, 

' Vergi, oben S.2H n.4, ' Ausonius de viro bono v, 5 ed. Schenk! p,i49. ' Sat, II y 
7, H6y vergl, Vita Adalardi c, 15 p. H14: Erat autem iuxta illud Oratii quod magnis laudibus 
praedicatur u, s, to, ; Augustin. de quantitate animae c. 27 (Opp. 1, 414) : Uinc est enim quod apud 
Iloratium magnis laudibus extollere illum versuui quo ait cum de sapientibus ageret etc. 
Vcrgl. SimsoHy Rhein, Museum XLI, 638, * Diese Stelle habe ich vergeblich gesucht. 



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Radbeft^s Epäapfmim Arsenil 35 

sunt loqui, quamvis utile multis dissimulasse prodenda fuerit, tacendaque prodidisse. 
Venit enim hie nost^r Arsenius, sicut melius nosti, ad monasticam ^ vitam iam pene 
perfectusS licet demum maior meliorque creviase** credatur, quia nemo qui virtutibus 
hac in vita proficere nequeat. Venit, inquam, siouti prefatus poeta tuus ait^ iam, 
Vir bonus et sapiens, qucdem vix reperit unum 

^Müibus e cundis homirmm consuÜxAs Apollo: 'r «s- 

Ittclex ipse sui iotum se explarobat ad unguem. 
Fateor me neminem sui exploratorem vidisse similem huic, qui non dico cotidie, 
verum iugiter sua tantum rimabat gestorum intima, quantum nemo solertissimus 
iudicum discutit aliena. 

Adeodatüs. Quaero abs te, quomodo si iam teres atque rotundus venit. sui 
maior meliorque demum fuit*'. Numquid rotundo aliquid rotundius esse potest? 
quod si omnino potest, restat rotundum non fuisse, ut ab immobili puncto, scilicet 
divinitatis opere, circulus formaretur virtutum. 

Pascasius. Quantum ad formam geometric§ spectat* discipline, videtur fore 
quod ais, sed si ad virtutum*, quia semper ex omni parte Christo introrsus modi- 
ficante in spera equissime circumaguntur, hie inchoatio ad formam incipitur; illinc 
ubi civitas virtutum est, consumatur. Unde in comparatione Dei, sicut* nemo bo- 'f. »s*. 
nus, ita nemo perfectus*, et sicut nemo perfectus, ita nemo teres seu rotundus, 
tamen dicitur et bonus et perfectus homo, et si perfectus, utique teres, quia in 
Christo conformatur,. m cuius nimirum circftiiu iris esse legitur, ex quo omnis per- Apoc. 4,3. 
fectio virtutum designatur. Ceterum nemo proficit ad ista, qui se cotidie maior 
meliorque non invenitur. Hinc quoque propheta: BecUus vir^ inquit, cuitis est auxi- Pwii.83,6. 
Uwn abs te, ascensiones in corde suo disposuii. Quid sit autem, ascensiones dispo- 
nere, subiungit de singulis: Et ibunty inquit^, de virtute in virtutem, Ita ut omnium ib. 8. 
virtutum forma, propria^ cuiusque Caritas efßciat auim^ quantitatem aüt qualitatem. 
Constat igitur animam virtutibus crescere, decrescere autem vitiis, et ad non esse 
tendere. Iste vero noster cotidie sicut de virtute ad virtutes , ita de esse ad maius 
esse tendebat, et sicut ad maius et melius, ita licet iam virtutibus teres**, ut for- 
matior atque rotundior esset, iugiter Christi manu formabatur. Sed qualis quan- 
tusve ianr esset, *quando seculi deposuit militiam, testes sunt presens pater et fratres, ♦ f. »e. 
qui satis intenti ac solliciti, multis eum, dum pulsaret novitius ad hostium mona- 
stic^ disciplin^, perscrutati sunt probationum argumentis et solerti^ disciplinis. 
Testes quidem, quod velut aurum in fornace fuit probatus, inter omnia increpa- 
tionum dura et aspera, in tantum qui necdum tyro, ut perfectus iam Christi miles 
haberetur. Erat enim in illo spiritus Dei et ideo, ut fertur, in nullis frangebatur 

* inonasterium c, verh, von Mab. ^ verh, aus crevisset. ^ nach fuit ein Wort 
getilgt. ^ expectat c, verh, fxm Traube. « nach viTixximn ein Wort getilgt. *" aus 
inquid verh. 8 propriam c, ^ das erste e übergeschr. 

' Vergl. V. Adalardi c. 35 p. 322: Wala vero tuu^ Corbeia ut dixi tyro recipitur. 

* Ansonius de viro hono v. 1—3 a. a. 0., too explorat steht. 

5* 



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36 E. Dümmler: 

molestiarum spiculis, sed seipso cotidie probatior renitebat« Quam vera igitur 

Rom. 8. 38. apostoli sententia, quod omnia cooperanlur Ulis in bonum^, gm secundwn prapasiium 

vocaU sunt scmcü. Nam ei et quae pro malo inferebantur, profecto lucrifiebant. 

Ps«Li6,4. Psallebat enim cum propheta Domino: Propier verba IcJnarum tuarwn egö custodioi 

vias duras. Fateor, quae multis dura videntur, illi levia erant: erat enim monachus. 

(CIO.) Adeodatus. Quid laudis est, quod monachum eum predicas? Nonne et nos 

•f. a6'. ac quampluri*mi monachi censemur nomine? 

Pascasius. Vere censemur tantum nomine, sed falsi invenimur opere. Unde 
quidam de patribus bene se intuens: Ve, inquit, mihi, qui nomen monachi falsum 
porto. Unde si diligenter consideres, rari inveniuntur. Sed hie noster unus erat 
e milibus, qui solus digito monstrabatur. Äjinon recolitis oculos ad nos omnium 
venientium? (nam moK inter omnes eum intuebantur), ut quasi ad lu^ien erant 
defixi, eumque requirentes, soli loqui desiderabant; etiam et cum ultimus esset a 
primordio, a cunctis pre omnibus venerabatur. Nemo igitur, ut adsolet, etiam 
apud patrem levitatis causa quispiam apud eum reprehensibilis voluit inveniri. 
Gravitas enim eins et monun probitas inlustrabat omnes et ideo pudica mente^ 
vultum singuli coram eo submittebant. Licentius enim coram sole, quam coram 

•f-:»;. eo aliquid admitteres reprehensibile. Nunc vero quam^miseri sine illo vivimus, 
multis adlecti^ inlecebrarum usibus! Omnes enim licentia deteriores sumus, quae 
cum alicui in mente inciderit, frequenter frena gravi tatis amittit. Unde Severum 
interroga, si quid de illo nosse desideras. 

Severus. Fratres, fratres, quid dicam, quove inveniam dicendi copiam , cum 
in me nihil remanserit de illo, nisi üendi ac gemendi facultas? Bonum namque 
mihi erat cum eo, dum portabam iugum aduliscenti^^ me^, coram illo quasi solitarius 
ac tacebam, magis quam nunc, cum loquendi licentia relaxatur; et aestimo inpunius' 
licere, tunc quae verebar ne admitterem. Patior usu, qui p^ne iam omnium homi- 
num est, ut melius aliena videam et iudicem quam mea. Idcirco inhonesta quam s^pe 
committo, praesertim quia cum illis frequenter ago, qui neque ins, neque bonum 
aut aequum sciunt. Melius peius, prosit obsit, non curant neque vident. Nihil 

•f. a?'. enim nisi quod libuerit, placet, nihil nisi quae voluerint,*8cientia defendunt^ etsi 
eos esse res non sinit ut volunt. Porro nos illi palmam damus, eumque magni- 
fice efferimus, qui vim tantam habeat et potestatem atque efficatiam fallendi, ut 
falsa pro veris valeat adstruere, et improbos optimos iudicare. Idcirco non est 
nunc temporis de isto quippiam laudabile predicare, tamen quia omnes norunt, 
licet oderint et invideant, non multa facundia opus est ad laudem, dum religiosior 
omnibus nostri temporis a singulis predicatur et perfectior. Fuit enim in omnibus 
discipulus monastic^ disciplin^, militans diutius sub regula vel abbate. Discipulus, 
inquam, quia in cunctis subditum se et humilem exhibuit, magisque subesse gau- 
dens, quam preesse'; prödesse tamen tarn sub iugo magistri, quam prelatus postea 

» liis vor qui getilgt, ^ mentae c, ^ aus adlectis verb. ^ verb, in adulesc. 

* impuniis verb. in -nius. ^ defendint verb. in -dunt. 

' VergL Reg, S. Bened. c. 64 {ed. Wöl/flin p, 63): prödesse magb quam praeesse. 



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Radbert' s Epüaphivm Arsenü. 37 

curavit. Et ideo demum perfectus invehitur pater et magister, quia discipulus per- 
fectior ceteris approbatur et filius. Quod genug rarissimum^iovenies, dum singuli *f. «s. 
magis pr^esse gaudeant, quam subesse et pjodesse. Alioquin non tanta prela- 
torum peDuria perfectorum esset, neque proficiendi magna difficultas, quia plurimi, 
etsi pr^uBt, prodesse vix paucis appetunt, obesse multis. Hie autem quantus 
sub disciplina fuerit oboedien ti^*, multorum ore laudatur. Et inde est iUud, cum 
novitius adhuc esset, tumescente alveo üuminis, iussum est moresoUto, ut fratres 
irent turgentia resecare herbarum, ne amplius . inundaret. Tum ille c^pit reliquos 
exhortari, ut tuniois tan tum induti intus introirent, quatinus melius proficerent. 
Quo dicto, plures una cum eo introiere. Ubi multo peirpessi frigore, relatum est 
patri ad monasterium, quo iubente mox extracti sunt, atque coerciti, ne ulterius 
talia^auderent. Uiide constat, quod s^pe^de fervore boni amoris, si dici fas est, «f.as'. 
contingit excessus culp^, dum mens minus deliberat conpellente amore caritatis, 
etsi Paulus apostolus dicat: Caritas numquam excidU^. Hinc quoque quam s^pe talia i.Cor.13,18. 
Petro legimus accidisse, minus ^ considerans, ore quid exprimeret. Porro excessus 
iste (ut ita fatear) non est*^ amoris, sed inscienti^ nota, unde ipsius flamma levius 
purgatur. Nonne vidistis eum iam cum hospitalitati nostr§ pr^esset, qualis quan- 
tusve^ erat? quam humilis, quam derotus? Quem enim aliquaiido nobilium vidistis 
tam vilia semper appetere, tam aspera tolerare? tam horrida et fi^tida diligenter 
adtrectsure? non dico vilia calciamentorum hospitum, verum vulnera pauperum, 
eorumque foetida vestimentorum nonnumquam sie quasi aromata baiolans abluebat, 
omnia quippe eorum sie non lassescens infatigabiliter sustinebat/ •r.a9. 

Pasgasius. O domine bone lesu, quam infatigabilem eum fecisti ad omnia 
dilectionis officia! quam strenuum, quam efficacem, quamque devotum! Satagebat 
enim circa frequens ministerium ita sollicitus, ut pauperum curam et hospitum 
atque infirmorum ante omnia et super omnia gereret in die; nocte vero somno 
expleto parvissimi temporis, non minus ante vigilias fratrum, quam post vigilias 
una cum Maria indefessus ad pedes domini lesu coram sanctis altaribus prostratus er. Lue. 10« 
humo iacebat. Tu nosti, domine Christe, quo lacrimarum imbr^ solum rigabat, ^^ 
te rogans, teque suspirans, te querens, ad te pulsans, ut aperires ei ianuam pie- 
tatis tu^, aperires quoque, ubi ei actenus clauseras; et susciperes, ubi clementer 
illi aperueras. Quibus iauuis apertis, ut credimus, tunc penetrando pulsabat fide, 
nunc fruendo amplectitur caritatis amore. Poterat enim dicere cum propheta: 
Defecerunt ocuU mei in eloquium tuumy dicentes, qwmdo consolaberis mef Fateor ergo PmI. 118,82. 
sepe me vidisse loca suis mane madentia lacrimarum imbribus, et conspexisse* *r.29\ 
oculos pene consumptos^ a fletibus. Vidistis et vos eum, ut reor, frequentius 
squalentem vigiliarum angoribus, vidistis madentem fletibus, vidistis affectum ge- 
mitibus, vidistis utique macie^ tenuatum et pellem ossibus herentem victus parsi- 
monia, et tabentem faciem laboris vit^ su^ sudoribus. Utrasque namque vitas suis 
— ^ , 

* vor ob. ein Buchst, getilgt. ^ aus excedit verb. ^ ein Wort getilgt. ^ aus 

quantisve verb. * p übergeschr. ^ ein Buchst, getilgt. 



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38 E. DCmmler: 

gerebat temporibus, practicam scilicet in die, theoricam* vero in nocte, hinc inde 
cf. Lucio. earuiD rcspersus floribua. Noverat cum Maria, etsi frequens erat cum Martha, quod 
unum esset necessarium, et ideo singula ad hoc unnm iugiter solidabat; illuc su- 
spiriis hanelans, hac dilectionis officio ad ea propulsans, sati^ebat in die. agrum 
corporis sui refundere sudoribus , in nocte vero fletibus. Vidisses enim mane illum 
quasi rore^ purpureo perfusum, lacrimarumque imbribus inroratam*^. Unde si vdis 
plenius cognoscere veritatem, Severum interroga, qui semper plus quam ego vigi- 
lare studuit ac potuit, et ideo de his Omnibus potiora cognovit. 

Severus. Etsi ficte de me ista dicis, tamen, licet qnalitercumque , multa de 
•f. 30. illo • percepi , qu^ iure debeant pr^dicari. Annon recolis ciun quanto frigore Do- 
mino psallebat, qui pene a sanctis altaribus vix semel in noctibus recedebat, ut 
ad lectum veniret. Quem si interrogasses, an pervigil canaido, petendo, querendo, 
pulsando, noctemque gemitibus et fietibus vincere vellet, responderet illud CatonisM 
Si velim, aut nolim^ et si possim, aut non possim^, me tamen vigilare iuvat, propter 
Prov.8,34. illud: Beati qui vigilant ad fores meas^ quoniam si mane me quesierint, invenient me. 
Alioquin, nisi ob^ beatitudinem perfecti laboris, numquam talia et tanta sustinuisset 
vigiliarum officia. Presertim nuUus mane qui non posset videre roscida humi pavi* 
menta, quibus in nocte Domino militabat. O quäle tunc tempus! vidisses enim 
quasi ad unius galli cantum continuis noctibus reliquos omnes excitari, et passim 
hinc inde altis crepitare gemitibus. Nunc vero quanto plus soporamur, tanto plus 
*f.3o'. mortui vivimus, quoniam dum somno^servimus* etsi vivimus4 mortui sumus. 
(c.ii.) Pascasius. Tu tan tum de vigiliis narras, ceterum quantus quaUsque vixerit. 

aut non recolis, aut certe, quod in me reprehendis, pandere non audes. 

Severus. Audeo plane, sed de nullo temere loquendum. 

Pascasius. Cave, frater, ne comicorum*'^ notam incurras, quia, ut aiiuit, ne^ 
minem liberum, neminem obsequentem^ neque qui rede tractare verum possit, neque 
nosse aliquem, neque ab aliquo ubi non recte vwüur^ cognosci. Et ideo forsan 
nee tu ilhrni ostendere vis quanti penderes, nee iUe tibi credere est ausus quod equmm 
est pairi. Qu^ si^ essent, forsitan numquam illum silere etiam volens posses. 

Severus. Plane cupio de illo qu^ virtutis sunt ostendere, quem plus me cre- 
didi , quia de se sibi nee ipse quicquam retinuit quod non nossem. Transfudit se 
ad liquidum , ut patemos in me formaret vultus. Non enim sibi remisit tempus, nee 
•f. 31. respexit, sed totum se Deo commisit,*et transposuit ad ea que non videntur. Hinc 
ergo damit, sis quando vice sua hiemalem fratrum calefaciebat^ domum, quantis 
augustius^ virtutibus renitebat, quantisque acrimoniarum fumi nitoribus pice pressius 
denigratus ^stuabat. In tan tum igitur illo cremabatur^ igne et fomacis incendio, ut 
videres eum iam non carne vestiri, sed effigiem quendam fuliginis spiritu vegetari. 



* theoriam c. ** ühergeschr, ^ aus inroratam verb, ^ überyeschr, • aus 

commic. verb. ^ ein Wort getilgt, K si übergeschr, *» calefiebat c, von Mab. verb. 

' augusttis i übergeschr. ^ cremebatiir c. 

» Diese Stelle habe ich nicht gefunden. * Ter. Heautontim. 1, 1, 91-105. 



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Radbert' s EpUapImmi Arsenü. 39 

Pascasius. Recolo satis et recordor, quoniam tamquam auruin in fomace cf.s»p.3.6. 
probabat euxn Dominus, ut eum demum quasi in holocaustuin acciperet, ipseque 
se sua sponte laboribus defecabat, plus appetens mala mundi, quam que suavia 
sunt, pro Deo in omnibus fcolerare. Macerabat se ieiuniis, et victus parsimonia 
temperabat. Gerebat quoque curam de omnibus, et multa fratrum sollicitudine 
sancta premebatur. Hospitibus vero et fratribus infirmis sedulo serviebat obsequio, 
cttius cum plures venerationis affectu refugissent obsequium, frequenter aiebat di- 
cens: Heus tu! cur evacuare vis '^ officium meum, et oboedientiam mihi commissam 
tollere? •Ad cuius nimirum vocem mox quicumque eius se manibus^ prebebat trao- •f. 3«'. 
tabilem, unde cottidie^ magis ac magis eum fama ferebat ubique per aures, et 
predicabilem^ commendabat. Quid plura? defuncto Antonio^ paulo post substi- 
tuitur pater eximius eins in loco. Ob cuius nimirum electionem a fratribus ego- 
met directus, mox obtinui apud augustum quod olim plures optabant. Perrexerat 
enim prius dilitiscendi gratia fratres invisere nostros, et illam secundam excolere^, 
quae de nomine matris ipsa est, quae® et mater ipsa, sed altera; altera, sed ipsa. 
Unde revocatus, mox oocupavit eum nostra electio. De cuius nimirum vit^ ab- 
stinentia et rigore castigationis tunc mihi a quibußdam optimatum, ut persensi, 
augusto iubente suasum est, quod non eum ferre possemus, neque vit^ vestigia 
imitari. Ad quod ego quasi arridens: An nescis, heus tu, nos qui sumus? num- 
quid caudam pro capite, ut quidam adsolent, monstruose volumus eligere? quid 
putas si tantus esset, quantus excellentior aliquis sanctorum? numquid quia com- 
mesre^nequimus, eum preferre oportet^, qui postergum eat, efr non potius qui »f. 3». 
precedat? Tum ille paulisper subridens augusto haec, ut credo, retulit. Quibus ita 
dictis, cuncta qu^ volui, etutvolui, penitus impetravi ; atque cogente illo, nostris, 
licet invitus, paruit votis, qui dudum subterfugerat quantisper prelatus. 

Adeodatus. Timeo, ne forte qui talem eums oblatrant, sentiant, de quo 
proposueras enigmatice loqui, clarius predicari. 

Pascasius. Non invisa dicimus, neque incognita. Idcirco etsi adumbratur 
titulus, liniamenta tamen gestorum produnt, uti pictorum mos est, qui bene pin- 
gere norunt, qui sepe ita vultus exprimunt, ut sine litteris et voce loquantur. Sed 
talibus quia necdum apposui labra, et condita sub silentio servo, ent, ut credo, 
illa dies, mihi cum liceat eius aperte dicere facta, et qu^ potiora sunt de illo, 
manifestius explicari. Interdum^ vero, sicut mones, ne quid^ nimis fiat, cautius 
loqui iuvat, et uberius deplorare, qui sine illo viviraus, cum quo •melius mori *t-^2'. 
duxerim, quia mors eius transposita est iu vitam, forte ante tempus nobis optatum, 
ne malitia mutaret cor eius. Quod si non est ita, mente pertracta. 

» vor -is Buchst, gf tilgt. ^ Raum /ür ein Wort frei gehliehen. " das ztceite t ühergeschr. 
^ am Rande nachgetr. * quae his sed ipsa am unt. Rande nachgetr. ^ et getilgt ß eum 
getilgt, ^ quit c. 

* Im Jahre 826 y 2. Jan., vergl. V. Adcd. c. 35 p. 322: quem postea post decessum fratris 
vice Christi gaudens sibi exultat patrem habere {sc. Corheia). " Für interim, wie Mab. hemerkt. 



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40 E. Dümmler: . 

loh. ra.44- Adeodatus. Vcfc crcdo ct pextracto , quia veredica vox est, Qui credit in me, 

etuim si mortuus fuerity vwet. Iste vero non perfunctorie*, sed ex Toto cum dilectione 
Gai. 5.6. credidit) quoniam ea sola est fides qua vivitur, quf per dilectionem operaktr. Et ideo 
quia sie vixit et credidit in eo qui vivificat mortuos, non morietur in ^temum. 
Pascasius. Etiarn et tibi, quia sic^ credis, subpeditat fides, quanto magis qui 
tantis virtutum redolet operibus, credendum, quod iam exinde immarciscibiles ca- 
piat fructus? Nam a die professionis suf mortificationem Christi tulit in corpore 
suo, et deinceps cum iam pater esset electus, quasi eins signifer ad aciem contra 
inmanissimos hostes primus ubique*^ processit ad campum. Mutata siquidem militia 
mutatus est et miles: qui primum arma tulerat contra Abitrices', gentem*^ in- 
domabilem, demuin contra vitiorum portenta virtutum vexilla tullisse gloriosius pre- 

*f.33- dicatur. Unde nunc palmam gestat pro munere, qui olim^honores contempsit se- 
culi pro religione. 

(c. 13.) Adeodatus. Novimus haec omnia, sed quomodo conversatus sit sub Antonio 

nostro^, velim edicas, maxime pro fratribus nostris Saxonia degentibus, quorum 
fuit ex genere, ut sciant ad pleniun quales babuerint fidei suae fundatores. 

Pascasius. Si hoc profecto narrare coepero, non invenio quo incipiam, quo 
me primum vertam, vel quo progrediar, quia eorum vita eorumque actus sie in- 
dissotiabilis fuit, ut non invenias, postquam eos agnovi, quid unus eorum sine 
altero gesserit. Quia etsi opus quodlibet proprium, aut quasi pro viribus, pro 
tempore, pro officio in aliquo dispar fuit, commune tamen votum et voluntas una 
fuit, ita ut videres eos quasi sub uno iugo aequanimiter in hac agricultura Domini 
aratrum trahere, atque in invicem onera subportare. Et si quando contigisset eis 
pro loco, pro tempore quantisper abesse, videres unum eorum alterum, acsi bos 

♦f. 33'. bovem, cum gemitu et desiderio requirere, * quia nemo eorum se totum putabat ad- 
esse, cum alter deesset« Quin immo ibi magis affectu quam secum quisque eorum 
erat, ubi alter esset. Et sicut^ bos frequenti mugitu quam sepe pium alterius 
testatur affectum, si forte defuerit cum^ quo trahere aratrum a latere consueverat, 
ita sibi ad invicem solliciti congemiscebant pre desiderio, cogitantes quid alter 
ageret, donec se sibi ad invicem« redderent. Licet enim unus eorum esset aetate 
senior, et alter admodum iuvenis, par tamen in eis desiderium. Quia etsi iste ro- 
büstior corpore, ille ardore caritatis sublimior, una tamen in eis intentio, unum 
propositum, unaque voluntas: siquidem iste acutior sensu, sed senex noster in 
consilio et caritate latior, iste quasi pro iustitia ferventior, sed ille maturior oircum- 
spectione, et Providentia profundior, ita ut iste in subito acutius responderet ad 

*f.34. singula, sed ille longius et simul ad presens conside^rabat profutura, et quaecum- 
que evenire possent econtra. Quam vis ergo came essent fratres, et germanissimi 



perfunctoriae c. ^ c üöergesckr. *" q«e übergeschr, ^ ein Buchst getilgt 

* -cut am Rande ergänzt ^ übergeschr, 8 in- übergeschr, 

> Abotritos vergl oben S. 30 n, 1. » Siehe den C<ital fratrum Corbei, (SS, XI TI, 275) 
tco Wahala unter Adalhardus an letzter Stelle, 



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RadberVs Epitaphium Arsenü. 41 

fide et voluntate, moribus tarnen in hoc dispares videbantur, quod ille egregium 
iu se Omnibus repre^entabat patrem, iste autem discipulum monasticf disciplin^ 
et carissimum in omni subiectione filium. 

Severus. De bis ergo nemo arabigit, quoniam ipsi, ut omnes fatentur, ex 
omni regali prosapie singulares erant in öanctitate ac religione, atque in bonitate 
studiosissimi. Idcirco nee mirum, si se mutuis fovebant virtutibus, qui se etiam 
aliis imitabiles prebebant exemplis. Sed quoniam Antonius noster iam senectute 
fessus laboribus et curis videbatur inferior, erat tarnen in caritate amplior, cuius 
semper latus solHcitior iste affeetu pif devotionis suo fovebat studio, et curas re- 
giminis suis humiliter complebat* officiis, ita ut videres eum omnia procurare ut 
filium; cui exhibebat^ reverentiam ut iunior,*famulatum ut servus, diligentiam ut •f 34'. 
frater carissimus, teneritudinis amorem aliquando ut pater, imperiosum quoque 
consilium cum omni humilitate ut senior, cui erat tanta in cunctis pacientia, ut 
nuUis moveretur molestiarum iniuriis. 

Pascasius. Bene recolis, frater, ita ut unius necessitudinis gratia conplurium 
nobis necessitudinum officia connumerare videaris, quatinus in uno eodemque non 
unum nos amisisse doleamus, sed plures, presertim cum et in isto, et iam in An- 
tonio quid amisimus, necessitas tanti doloris recordari compellat , quorum fraterna 
claritas*' et amoenitas vitae, non tantum nobis, verum in omni imperio regni sie 
emicuit et resplenduit, quasi videres duo caeli luminaria ubique clareseere, quam- 
vis iste minus, ut ita fatear, et ille maius, quia ille pater erat^, et iste filius, ille 
senex*" senior, et iste forte agilitate morum acrior sieut et aetate iunior.* In quibus »f. 35. 
nulla adulatio fuit, sed hinc inde expressa pietas, nulla ad invicem dissensio, ita 
ut non invenires ad eo^rum)*" propositi simulationem« quid adderes, quoniam unus 
Spiritus erat in eis et una fides, unaque coneordia pacis, et vera in omnibus religio 
sanctitatis. Et ideo inter eos nihil aUud quam totum** quae caritatis sunt et pie- 
tatis deprehenderes , ut nee vices mutarent, nee ad invicem ahud velle cognosceres, 
quorum erat pulcra morum proprietas, ut si qua alter alterum virtute excelleret, 
unam in eis ad invicem intellegeres armoniam honestatis unumque virtutis tempe- 
ramentum. Erat enim sie proprium in eis quod erat uni, ut commune probares 
esse ambobus, itate.nus, ut verc iste dimidius alterius diceretur, sicut et ille in- 
tegritas istius putabatur. Hinc est, karissimi, quod in Saxonia tam unanimes, 
tamque devoti nov^ plantationis germina plantaverunt; et utriusque sexus ' a fun- 
damento coenobia favente Domino construxerunt.* ♦f. 35*. 

Adeodatus. Miror cur velis eos coequare, cum non iste, sed Antonius, quia («•. 13.) 
loci huius pastor erat, cui facultas suppetebat edificandi, ea edificaverit, hie aut^^m 
ac«i unus erat ex plurimis, Hcet acceptior in gratia, quia frater; profundior in 
consilio, prior in voluntate, maior in adiutorio, sollicitior in voto. Et ideo quam- 

" b übergeschr, ^ h übergeschr, ** Caritas verb. Mab. ^ am Rande ergänzt. *" auf 
Rasur. ^ eo c, eorum ergänzt Mab. s «V/ f«/ similitudinem MAB. ^ tantum t?f»rm. Traube. 
' Carvey und Herford. 

Philos.'hütor. Abh. 1900. IL 6 



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42 E. Dümmler: 

vis semper plurimum se diligerent, laboremque suum alter eorum alterius esse vellet 
premium, tarnen illi merito deputatur merces operis, in cuius quae gesta sunt, dedi- 
cantur labore, quia etsi numquam alteri eorum sine altero fuit voluntas agendi 
quod pium et sanctum est, illius interea iure deputatur meritis*, cuius fuit potestas 
agendi, quamvis commune fuerit opus laboris. 

Pascasius^. Quantum exterius spectat*' in humano iudicio, ita fama quam 
sepe concelebrat laudes in vulgo. Sed divinus arbiter intus dis<^rnit gratiam uni- 

♦f. 36. cuique quam dedit, et laborem deinceps post gratiam quisque^quem impendit. At 
vero istorum voluntas quia una erat, et utraque eorum ex alterius pendebat volun- 
tate, sermo cum ab ore prodisset, manifestum est omnibus, quod huic primum 
divinitus inspiratum est, occasione accepta pro quibusdam sui generis\ qui ad 
nos conversionis gratia venerunt, et de rebus suis nobis tradiderunt, quo locus 
edifiearetur coenobii. Unde ut erat iste amore fervens circa Deum et circa religio- 
nem sanctam, circa propinquos sui generis et patriam, coepit instantius persuadere, 
ac crebris abbatem egregium equivocum^ senis, buius operis ut laborem impenderet 
et sumptus preberet: quia ipse iam tunc erat, in quo domestica monasterii nostri 
sollicitudo et cura residens^ publica requiescebat. Quibus pater ille auditis, Arsenii 
nostri votum et voluntatem suam esse fecit. Sicque coeptum est* opus virtutis, et 
prosperatum tantisper, donec senex^ Antonius ab exilio regressus, in gratia est 

•f. 36'. restitutus. Quo^regresso istius voluntas mox facta est senis, ita ut videres filium 
in hac gratia patrem eximium genuisse, cuius crebrior adortatio in hac parte unam 
duorum intentionem fecit, unumque vestigiiun volimtatis, quibus Deus unum velle 
unumque» nolle dedit. Quoniam et ipsi antea in reliquis indivisi erant**, quando 
alter nemo sine altero vivere cupiebat, quorum unus erat affectus mentis unumque 
desiderium et una sollicitudo sanctae religionis. Quapropter videat prudentia filio- 
rum, maxime quos pariter eorum fides genuit, et ciiritas in hac gratia Domino 
dedicavit: utrumne ulli amplior merces esse debeat, quam ei qui et alios hoc post 
Deum primum velle fecit crebriori exortatione, deinde ut perficerent* coegit? Qui 
suo fortissimo adiutorio plus quam propriis humeris subvexit, et consilio sollicitius 
roboravit, et in omnibus apud cesarem, apud eximios totius regni, et apud omoes 

• f. 37. quoscumque potuit, hoc egit*omni ingenio, omni arte, omnique studio, ut com- 
pleretur opus laboris, ipso exortante quod ceptum erat. 

(c.14.) Severüs. Hoc nos non latet, quia valde persensiraus his^ uni versa et con- 

speximus oculis quae egit, ita ut plures clamarent, quod bona monasterii nostri 
cuncta diriperet, t^ntum ut loca illa nostris ditaret sumptibus. Sed hoc laudis 
eius portio est, quod sine^ offensione bonorum, illa ex omnibus ditavit bonis, et 
locupletavit copiis, nee tarnen nostra multum minuit. Gubernabat autem fratris 

* ineriti c, von Traube verb, ^ PS c. « expectat c, sp. Traube, ^ si übergeschr, 
^ est überyeschr. ^ -nex übergeschr. R auf Rasur, *» aus erat it verb, * n ubergeschr. 
^ is c. ^ verb. aus sene. 

' Des sächsischen ; ver gl, c, 12, ' Vergi,V,Ädalardtc,65p,331: ubi iam pnrvissima 

cflliila a .sancto viro suo aequivoco Adalardo nomine sumptu Imius monasterii aedificari coeperat. 



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Radbert 's EpUapluwn Arseniu 43 

domum, et commendabat iam in se officium abbatis, quod futurum erat« quando 
intus prestabat solatium et formam sanct^ religionis, foris vero scutum defensionis 
et munimen prestabat ac decus totius honestatis. Porro, ut dixi, iam tiinc cum 
patre curam monasterii gerens, quasi arbiter in consilio erat atque ordinator rerum, 
curam habens de omnibus. Provisor quoque sollicitus animarum, ne displiceret 
sanctus senex noster*in aliquo Deo, sicque ut placeret in omnibus, laborabat. De- •f-37' 
puldor enim meroris erat et baculus senectutis sanetissimi senis, necnon et om- 
nium nostrorum incitamentum virtutum, in quo sibi sanctus senex pro virore gratiae 
gaudebat plurimum et congratulabatur, quem ipse suis sauctis inlustrabat monitis 
et virtutibus , ita ut hinc inde videres eos recreari ab invicem , et proficere in cunctis. 
Quae omnia melius forte Pascasius novit, intus forisve qu^ et qualiter egerunt, 
qui eis comes fuit in omnibus specialis et quasi tertius inter eos in omni negotio. 

Pascasius. Non abnuo quae adstruis, maxime qualiter in gente illa prefata (c.15.) 
coedificaverint coenobia utriusque sexus; cum quanta devotione et fervore caritatis, 
cum quanta humilitate et sublimitate virtutum, ita ut in se monstrarent formam 
sanct^ religionis et exempla perfectionis , ut haberent diebus seculi sequaces disci- 
puli sub monastica disciplina^in eis quae imitari deberent, quoniam sicut Dominus *f-38. 
ait magister veritatis: Perfectus erit omnis discipuhts, si sü sicut magister eius. Et ideo Luc. 6, 40. 
isti vere imitatores facti sunt Christi, ut securius in fundamento positi futurus grex 
construeretur in Domino , ne aut culmen erigeretur sine quadratura virtutum et firmi- 
täte fidei, aut fundamenta locarentur sine culmine summ^ perfectionis. Quapropter 
quia imitabiles se prebuerunt, vere pre omnibus sequendi sunt, et eorum monita et 
exempla servanda, ne male vaciUet in culmine, quod bene constabilitum est in fun- 
damento, et peius puUulet in germine, quod optime iactatum est in semine. Deinde 
communis sit noster gemitus pro amissis patribus, quia commune nostrum fuit lu- 
crum , quia cum eis sub tanta disciplina viximus. ^am in repetendis eorum officiis, 
recensendisque virtutibus non potest non affici*animus, sed tamen in ipsa afiectione »f. 38*. 
animi et merore recreamur, et renovatur affectus, maxime qui eos vidimus. Preterea 
mihi, qui cum eis fui, quando eadem inchoarent*, quasi reflexa cervice* absentiam 
eorum semper presentem intueor, cum irent in via, cum essent in locx), cum dis- 
ponerent singula, cum essent in consilio, et fabularentur ad invicem, cum hauri- 
rem oculis eorum gratiam, et auribus perciperem sermones quos proponebant^, et 
exciperem verba quae dicebant. Quod si mihi nunc iucunditas est mentis ea 
respicere, quid putatis, karissimi, quanta erat tunc gratia, quanta laetitia, quam 
beata tempora, ciun eos viderem tanta et talia meditantes? Fateor quia non possum 
retexere, quantum virtutes eorum ipse mecum tacitus admirabar, quantumque mihi 
adplaudebam, quod tales mihi Dominus dederit patronos*', quorum in consortio, 
etsi indignus, tertius eram. Non meritis quidem, u(m gratia,* non uUius** dignitatis »f. 39. 
honore, sed eorum dignatione tantum visu et auditu intereram pro numero, tamen 



* h ühergeschr, ^ aus propeneb. verh, <• verh, aus -nus. ^ ein Wort getilgt 



1 



Aen. X, 535. 536: cervicc i'ellexa. 



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44 E. Dümmler: 

eis pudice satis adheren8% simplicitatis et innocentiae saltem efficatiam mihi non 
cf.MAtUi. disperabam. Quorum cum prüden tiam cernerem, simplicitatem columb^ in eis valde 
mirabar, et si ad simplicitatem respicerem, admirandi prudentiae^ Spiritus in me 
pene nullus erat. Quam semper simplicitatem miris iungebant virtutibus, et quae dice- 
bant verbis, prudenter coequabant exemplis, et ea quae ambo vix poterant prius, 
tunc unus eorum complebat solus, et si quando alter agebat aliquid sine altero, 
iam pro consuetudine simul agendi quasi cerneres ambos. Qui licet interdum unus 
intectum latus exhiberet*^, alterius tamen affectum in moribus et in officio premon- 
strabat, ita ut mirareris in eis unam sollicitudinem mentis, unam sanctam et inre- 
**^39' fragabilem gratiam, et si non corporis, unum*vigorem mentis, unumque propositum 
et unam modestiam meditationis. Qui cum lineas manu tenderent ad opus et ha- 
rundine metirent ac disponerent utraque loca, quibus in locis singula fierent, vide« 

Exeoh.40.». batur, quod edyicium metirent structur^ iuxta Hiezechielem vergentis^ ad austrum, 
ut fundamenta et culmen in caelo locarent. Qui cum adtollerent pariter gressus, 
illuc vultum oculosque levabant, ut probares illos* committere Deo in c^lis, quod- 
cumque fieri disponebant in terris, et illuc locare katabula fundamenti, quo vix 
aliorum culmina surgunt. 

Adeodatus. Ut Video, more Thome apostoli\ isti locorum fundamenta et 

domorum structuram ponebant, quae numquam veteresceret, ^dificabant officinas^, 

et culmina erigebant, quae numquam corruerent. Alioquin non credo, quod in tarn 

longinquas regione haec illi temptarent, nisi, quia nova lux Christi in eadem gente 

*f.4o. nuper refulserat per Spiritum*sanctum, visum est eis, ut c^lestia inter eos edificia 

Ai>oc.2i,io. constabilirent in terris, quatinus et ipsi possint dicere^ in spiritu cum lofaanne: 
Vidimus Hiermcdem feliciter nostris in locis novam descendentem de caelis, in utroque 

isai.61,10. sexu omatam moniübus^ suis, Sic namque ab universis de eisdem locis predicatur, 
ut nemini cunctari liceat, quod in eadem gente haec divina sint castra cum suis 
gemellis foetibus Domino dedicata. 
(c. 16.) Severüs. Quamvis haec omnia ita sint, ut asseritis, vellem tamen scire, quid 

Arsenius noster eo in facto plus feceint, quam unus eorum, qui cooperatores fuimus 
sancto seni, presertim cum tunc temporis nulla erat ei potestas, nullaque facultas 
amplius agendi quam ceteris suis com militonibus. Propterea cavendum , ne ahquid 
ei plus tribuamus, quam oportet et ipsa veritas se habet. Fortassis ergo, ut pre- 
missum est, in eo divinitus aspirata est talis tantaque voluntas; deinceps vero 
• f. 40'. commune ha*buit velle cum ceteris fratribus suis; commune posse, vel non posse 
aliquid commune agere, et oboedire in singulis. 

Pascasiüs. Primum prerogativam meritorum, ut asseris, hanc habuit in hoc 
opere gratiam, ut prior omnibus ipse haec mente conciperet, dcinde, ut res claruit, 
in hoc plus fecit, quia pre omnibus plus voluit; et sua permaxime"* prior voluntas 

* s aitf Rasur. ^ prüden tiam verb, Mab. ** li übergeschr. ^ s übergeschr. 
* illis c, verb. von Traube. ^ n übergeschr. 6 verb. aus longinca. ** ein Wort 
getilgt. » verb. in munilibus. ^ ina übergeschr. 

* Vergl, Acta Thomae (Supplem. cod. apocryphi ed. Bonn et /, 134^ 22). 



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Radbert ^s EpUap/äum Arsemi. 45 

omniuin voluntates in lioc negotio genuit, excitavit, suisque precibus atque assi- 
«luis persuasionibus una cum prudenti consilio enutrivit. Ac per hoc, licet in An- 
tonio fuerit potestas et eximia sapientia peragendi et virtus magna perficiendi, 
in isto tarnen quodammodo videtur excellentior gratia, quamvis communis fuerit, 
quia quicquid ille egit aut voluit, totum ab isto exorsum est una cum Dei gratia 
et enutritum. Et non solum quod ille* voluit et fecit, verum etiam quicquid alii 
suis prestiterunt suffragiis, utputa situs loci amoenissimus et locuples valde ac 
fertilis, quo dedicatum^monstratur coenobium, et omnia quaeque sunt, quibus in *f-4i. 
gyro vallatur ille locus. Igitur nemo nostrum ignorat, cuius* fuerit hereditas, 
quam nulli alteri omnino cessisset in vita, etiam (ut ita fatear) nee regi, nisi 
divinis ab isto fuisset conpidsus^ persuasionibus, cui nihil contradicere poterat, 
quia ab ineunte aetate eins carissimus atque familiarissimus fuerat pre omnibus. 
Cuius® itaque precibus et consilio adpulsus*^, pro eius ortatu libenter tradidit Deo, 
quicquid in terra carius possidebat. Unde iure illi haec gratia deputatur, qui et 
locum talem a Domino electüm olim* huic operi aptum elegit et impetrare potuit, 
quia nescio si uUus alter mortalium potuisset. Erat enim in eadem gente idem 
valde dilectus et nimium famosissimus. Quod claruit, cum ad quoddam placitum 
non multum longe ab eodem loco Antonius venisset, ubi multitudo eorum propter 
eos confluxerat. A quibus cum suscepti essemus venerabiliter, coeperunt*omnes *<^4»'. 
post Arsenium nostrum^ vultus intendere, eumque pro nimio amore et admiratione 
pressius eum circumvallare; ita ut pre gaudio et desiderio abducereut illum a nobis, 
quia nüllus eorum Antonium, cuius erat potestas, respiciebat, quem omnes fulcie- 
bamus hinc inde et venerabamur pro viribus constipati ut dominum, sed nemo 
eorum nos, nee illum, quinam esset, considerabat. Tum ille gavisus pro sua humi- 
litate, quia nos omnes excluserant, et exultans pro fratris susceptione, conversus 
ad me subridens ait: Bene possumus nos hinc, frater, abire, quia nemo nostrum*^ 
hie curat, neque aliquid esse attendit; sicque acceptis duobus, aliis relictis omni- 
bus, acsi soU, gaudentes et iucundantes^ regressi sumus ad iam presignatum locum. 
Haec idcirco dixerim, ut sciat nobilitas fihorum, quales habuerint fundatores, 
quia et humilia de se sentiebant in omnibus, et nullis,*ut^ adsolent^, movebantur ^f-43' 
mundi favoribus. Et ideo nee ille pudore confusus est, nee iste honore insolens 
effectus, quia istius acceptio et fama in populo, illius erat gaudium et exultatio; 
non tantum quia gratus erat, et amabatur ab omnibus, sed quia dignus erat amore 
atque acceptione, ut bene secundum Deum prosperaretur in cunctis. Alias autem 
in humilitate nescio quis esset sublimior, nisi aliquis in factis eorum hoc voluerit 
deprehendere. Nam cum esset uterque secundum seculi dignitatem eximius, vicis- 

* zwei Worte getilgt, ** conpulsus verb. in compulsiis. ^ Huius t)erb. Mab, 
^ in appulsus verb, * el. ol. am Rande nachgetr, ^ in übergeschr. 8 nos verb, 
Ma b, ^ verb, in ioc. * alii JUgt Ma b, hinzu, ^ ads. verb, in assolent. 

* Gerardus in Vita sancti Adalhardi scribity locum illum concessum fuisse a parentibus 
Theodradi Saxoniciy qui Corbeiae in Gallia monachus /actus est MAB,, vielmehr die Transl. S.Viti 
(Jaffe^ Bibl, rer, German, I, 7), dagegen Wilmans Kaiserurk, I, 284, 



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46 £. Dümmler: 

sim tarnen decertabant, ut inveniretur quilibet eorum humilior. Inde igitur est, 
quod Antonius, quam vis pater esset et dominus, tantam reverentiam modeste satis 
inpendebat filio et fratri iuniori , quantam nescio si ullus impendere velit aut possit 
coequali. At vero econtra quantam iste diligentiam adhibuerit, ne ab ullo pre- 

♦f.4a'. veniretur in obsequio, in reverentia debiti honoris, in cura et soUicitudine^atque 
in omni famulatu debite servitutis, in sermone et Iiabitu necnon et in incessu, 
nescio si aliquis dicere sufficiat, cum nemo imitari queat. Ceterum ad exemplum 
alionim quantam* de se prebueriut abiectionem, vel unum^ de pluribus pandam. 
Iste cum in cibo vilissimo esset partior cunctis, voluit et vestibus** patri^ esse con- 
tentus, dicens quod non esset dignum, ut monachus qui vilioribus iuxta usum 
provintiae in qua degunt**, cultioribus vestiretur indun^entis vel lautioribus utere- 
tur cibis, quam conprovintiales , inter quos degeret*'. Unde et calciamenta sibi 
parare iussit iuxta ritum patriae, quos ruhilingos^ dicunt\ et portare voluit; nisi 
a patre discretionis causa prohibitum esset. Sed miror, cur ille in hoc facto tam 
discretus esse voluit, qui in suo (si dici fas est) superstitiosus potest iudicari. 
Nam eo in tempore in itinere positus, nullum in noctibus apparatum sibi sinebat 

•f-43- fieri, sicut solent viantes facere, quo tegeremur imbribus;*neque tentorium aliquod 
sibi permittebat erigere die et nocte, sed fusi super terram quiescebamus, et iuxta 
illud, quod quidam canit^, salubres nobis erba dabat somnos, nisi quod beatus 
pater sibi ac mihi providebat egregie satis profundos atque ampUssimos (ut adso- 
lents fieri illa in terra) agri sulcos, ubi iubebat mihi nostrum sternere lectum, 
quorum latera hinc inde pulcris nos ambiendo fovebant fulcris, dum equi sella 
in medio posita, quae unam mihi alpem^ ad caput** prebebat, alteram illi. Nee 
aliud quid habentes in eo, nisi quod in die supra et deorsum habuimus. Haec 
tota mollicies lecti erat, et ambitio satis honesta. 

Severüs. Nee hoc superstitiosum videtur, ut estimas, presertim cum lacob 

ücii.a8,ii. dum iret multo labore coniugem emere, in via nihil aliud ad caput quam lapidem 

habuisse legitur nee uUas* secum dilicias^ vexisse preter baculum. Quid igitur 

mirum, iste dum vadit uni viro virginem dispondere Christo domino et castam 

*f.43'. exhibere' uxorem, si nuUis fulciatur honoribus*nulloque ornatur™ apparatu, dum 
totum in se premonstrare debuit et in nobis, quicquid sponsam servare voluit, 
quam ducebat Christo , ut sanctissimam paupertatem magis semper sectaretur, quam 
diHcias*^ mundi, et amplecteretur dura et aspera, per qu^ omnino itur ad Christum? 
Novimus enim, quod non solummodo in hoc facto se imitabilem prebuit tam sanctus 
pater, verum etiam in omnibus, in quibuscumque Christi religio commendatur. Sed 
forte quia rari sunt qui de se tale aHquid exhibeant, quoniam omnes pompas 

* quanta c* ^ unam c, ^ usibiis c, nach u- ein BvcJisL getilgt, vest. t'crft. Traube. 
^ degeret, contentus esse deberet ?7rÄ. und ergänzt Traube, * degunt r., verb, von Traube, 
^ vor die. ein Buchst, getilgt, s ad übergeschr, ^^ verb, ans capud. ' s übergeschr, 
^ dilic. verb, i?i delic. * h von anderer Hand übergeschr, " ornetur verb. Mab, 

* Ein sonst unbekanntes Wort, ' V^g- Georg, III, 530: nee somnos abrumpit cura 
salubres. ^ i. e. altitudinem Ducange. 



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Radbert ^s EpilapJmm Arsenü. 47 

seculi sectantur, tu ideo ista dicis. Sed iste de se ampliora ostendebat filiis vir- 
tutum exempla, licet ex occasione itineris ista dixeris. 

Pascaöiüs. Quid, si omnino in repetendis eoruin officiis recensendisque vir- («-i?) 
tutibus* animum adpulero**? Ipsa recordatio, ut sentio, rcnovabit dolores nostros, 
quorum memoria voluptas est animi et incitamentum virtutum. Et ideo eorum 
meminisse gratia est suavitatis, quouiam iucundior in mente est atque^alacrior *<"-44. 
eorum sancta recordatio, quam uUa inpresentiarum oblectatio diliciarum^, profecto 
quia instant! tempore iure nulla laetitia est sine merore, nulla dulcedo sine amari- 
tudine, nulla honestas sine confusione, nulla iucunditas^ mentis sine tristitia. Nam 
ubique luctus, ubique dolor et gemitu8\ quoniam, non dico cottidie, verum omni 
liora ubique mala audiuntur, neque aliud quam confusio nuntiatur. Porro duo isti, 
quamvis iam mala crebrescerent, quia viri virtutis erant, non poterant nos admo- 
dum mestos relinquere, qui nos suis consolabantur verbis, instruebant exemplis, 
roborabant consiliis, et piis nutriebant disciplinis. Et ideo hodie adhuc manent 
nobiscum, et semper manebunt, si veri eorum imitatores fuerimus et amatores vir- 
tutum, quas si vere amamus, iam hie non esse coepimus , sed peregrinamur, saltem 
ex desiderio, quo melior nostra portio est. Numquam enim in nobis toti sumus, 
si eos vere dileximus, sed in illis,^quia caput erant, in quibus nostri pars maior *f-44'. 
fuit. Et quia uterque eorum in Christo vivit, propterea melius illic nos devote 
peregrinari oportet, in quo summa universitatis est et portio singulorum. Hinc 
eorum recordatio iucundior cunctis opibus, et gratior inpresentiarum quibuslibet 
bonis, in quo nostrorum universus est fructus. lUuc namque et ipsi antequam 
irent, sua omnia transplantarunt , ut nos sursum adtollerent, quos parvulos in 
Christo nutriebant. Quanto magis eos illuc conversari oportet filios, quos ad hoc 
g^nuerunt, ut in celestibus quasi lilia ilorerent, et quasi cedri Libani in altissimis 
crescerent. 

Severus. Ut audio, aliter aedificata est Roma a duobus fratribus, et aliter (<'»8) 
nova nostro de nomine. lila siquidem carnaliter in terris, ista spiritaliter, ut di- 
lataretur in caelis; illa ut edomaret gentes sub suo imperio, ista ut extraheret suos 
de mimdo: illa ut cresceret rebus et ditaretur rerum copiis, ista vero ut beata* *^as. 
paupertate locuples fundamentum haberet in caelis. Illa itaque a sanguine coepit 
edificari et cirni sanguine rebus bellicis crevit; ista ut paupertatem amaret pre- 
sentis vitae in spiritu et ditaretur in celestibus. 

Pascasiüs. Quantum video, tuo raore agis, qui severe alios antequam corri- 
gas, culpaa. Forte percenses eos, quos isti unanimiter duo plantarunt fratres, ut 
crescerent et dilatarentur in caelis. lain tibi contra eonun precepta et instituta, 
contra eonim provida satis monita videnturire, et rebus crescere, diliciis** affinere, 
et honoribus ac pompis seculi dilatari. Alias autem superfluuni esse puto men- 

* aus virtutitus verb, *» von anderer Hand verb, in appulero. ^ dilic. in delic. 
verb, ^ verb, in ioc. 

* VergL Verg. Aen. 11^ 368, 369: ubique luctus, ubique pavor. 



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48 E. Dümmler: 

tionem dnoniin edificionim* fecisse, nisi quia illa in sanguinibus teri'ena ediiicata 

est; istud vero (juod ab istis Domino dedicatum est, sie** construitur iuxta illud 

Ezerh.4o,a. Hiezcchielis**, quasi edißcium vergentis ad caistrum. Eisdem itaque mensuris super 

•f.45'. eadein fundamenta, eadem latitudineet lon*gitudine, totidem habens portas, easdem- 
que fenestras, et nuUam Crescendi aliam rerum magnitudinem. Ad hoc quippe duo 
isti eximii fundamenta in gentibus ad boreaCm civitatis cum ponerent una cum tur- 
ribus et propugnaculis suis, tria ista omnino monebant, ne rebus multum ditescere 
gauderent, neque divitias seculi appet^rent, ita ut in eis^ cor apponerent, sed om- 
nino dilicias" et voluptates acsi venena fugerent . Ad ultimum ne idlis, acsi pro 
religione, honoribus et fastu delectarentur superbiae, ne forte ex toto fatescerent, 
et in vacuum deperirent, sicut in Galliis multas deperisse a religione eclesias bene 
olim fundatas cemimus. Quapropter isti, multis iam edocti exemplis, suos pre- 
monebant filios, ne rebus affluerenturs humanis, pro quibus seculo deservirent, 
cf. Matth. sed ut essent pauperes spiritu, hiuniles et mansueti, mites^ac misericordes , et 

♦f. 46. iustitiam semper in omnibus esurientes, quatinus de illis omnes bene vellent prop- 
ib.4.6.7. ter mundiciam cordis eorum; bene optarent**, ne propter invidiam rerum et feli- 
citatem eis inviderent et opprimerent eos seculi Servitut«. De quibus adhuc^ fa- 
vente Deo omnes bona nuntiant*, bene existimant; et sunt adhuc virtutibus in- 
lustres et mirabiles probitate vitae, quoniam adhuc in eis eorum odor respergitur, 
et virtutes vigent; efferuntur laudes, magnificatur religio, et predicatur' excellens 
nobilitas, quorum adhuc benedictio in eis floret; et amplissima vitae dignitas com- 
mendatur; crescit quoque uberrimus meritorum fructus, ac preclara puUulat et ex- 
toUitur gratia. 

(c. 19) Severus. Esset laudabile, fratres, quicquid de eis amplissima virtutum fama 

ubi(jue concelebrat, nisi prius res sollempniter monasterio nostro delegatas et om- 

♦ f.46'. nia, illis in partibus quae*nobis conlata"* sunt, de iure proprietatis coenobii huius 
(quod valde mirabile est) alienaverint, et in sua eos proprietate per sese esse vo- 
luerint. Presertim cum rarus qui locum, cui" preest, ditescere rebus magis magis- 
que non velit, ut valeat ampHus dominari et dilatari, quasi pro religione, fastu 
potesntiae. Isti autem e contrario non solum locum, cui preerant, ditescere rebus, 
cum possent, noluerunt, verum conlatas"* distraxerunt et redigerunt** in libertate 
usibus fratrum, ne ad nos pertinerent. 

Pascasiüs. Hoc igitur quod docebant verbis, faciebantP ut coniirmarent exem- 
plis. Monebant enim, ne aut nos, aut illi res non necessarias susciperemus, neque 
facultatem habere amplam ambi^emus^ quasi pro Dei religione, sed rebus et pos- 
sessioni eclesiae modum inponeremus, ne digitum illi ultra extenderent, monente 

* fi überge.schr, ^ überge^sckr, ^ ine/.echielis c. ^ i übergeschr, * dil. 

verb, in del. *" aiis fiigient verb. S afHuerent verb, Mab,, aftluere niterentur Traube, 

*» av^s aptarent verb, > awi ad hoc rerb, ^ aus nuntient verb. ' tur ilberyeschr, "» conl. 
verb, in coli. " -ciiin cni auf Rasur, <> in redegerunt verb, P am Rande nachgetr, 

^ Vergl, V, Adalardi c. 6^ p. ,13,1 : coinmendans eis per omnia (sc, AdalarduJf), ut in 
mdio terienoruin cupidi essent, neque quicquam vellent accipere unde alii gravareutur u,s,w. 



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Radbert^s Epitap/äum Arserm. 49 

proplieta, aiä agrum agro usque ad terminum loci absque concupiscentiae fine copu- u»i. 5,8. 
larent. Sed ne iniusta*vobis videatur huiusce libertas facti, noveritis, quia fruc- •f.47. 
tuosius atque honestius est, eo quod iustiiis et iitilius esset, eas per se in usibus 
coenobii Domino sub libertate de^ervire, quam nostro eas inoportune satis atque 
superflue dominari hereditatis iure, quia ubi vel ubi Domino seu eclesiae sua he- 
reditas deservirc comprobatur, cum in usibus servorum suorum religiöse satis cum 
caritate expenditur. Unde valde locupletatur donum gratiae, cum ex una radice 
perfecte dilectionis duo coenobia monastic§i disciplinae geminantur. 

Adeodatus. Satis sit quod actenus fque ambos repbcas, quorum una fuit <«•'<>) 
virtus operis, una mentis intentio. Sed quia Arsenium in hoc opere* lamentis pro- 
sequi decrevimus, qui in istis etiam ampHus laboravit, solus fletibus commendandus 
est, quoniam nisi tam cito hinc abisset, forte fratres de quibus loquimur, c^li cives 
eifecisset ,• qui contemptum seculi eis in omnibus exhibebat. Fecisset sane etiam ♦f.47'. 
eos semetipsos contempnere pro fide, sicut et ipse prius semetipsum contempserat. 
Redigisset^ ergo omnium corda in unum gratia caritatis, ne ullus ultra normam 
et mensuram monastic^ disciplin^ ad ea quae foris sunt, se extenderet, quod satis 
ostendit in prelato\ quem ibi preesse maluerant, cum redisset, si non tam cito 
rursus propulsus Italiam petisset. Pro certo namque comperimus**, quia ultra ne- 
quaquam ibi preesset, priusqus^m de se humilia sentire didicisset, et non inflari 
pro genere, non diücias** amplecti, non lascivire nugis seculi et vanitatibus, neque 
quae mundi sunt sectari. Vidisses profecto hinc inde quasi edificia c^^lcstis patriae cf. Kwch. 
consurgere ad normam illius civitatis, quam supra c()mmpmora\nl, quae*semper vergit ♦f.48. 
ad austrum, et mensuris celestibus metitur*, et non humanis in saeculo dilatatur. 
Vidisses hodie turres ibidem et propugnacula fidei usque ad caelos humiliter ex- 
altari, omniaque virtutum genera consurgere; et non pro fastu superbiae locum 
rebus dilatari. Verumtamen quam vis ita fatear, eins odor adhuc hodie ^ ibi fraglat«, 
virtutes vigent, doctrina morum poUet, nobilitas conversationis manet, gravitas 
admiratur, conlaudatur'' Caritas, et predieatur in omnibus disciplinae honestas, ita- 
teuus ut de fecunditate filiae matris ubique fama ndnuntietur valde gloriosa, et 
ubertas hinc inde dilatata per omnes adcrescat proh's. Haec igitur, fratres, Arsenii 
nostri sunt preconia, haec eins operis beneficia et virtutum insignia; cuius dum 
secula manent et religio eclesiarum*erit, eins laudes famaque bon^ vitae ab ore •f.48'. 
hominum numquam deficiet*. Nee inmerito igitur, quia fructus redundabit in se- 
mine^ multiplici, dum laus satoris crescit* rursus in messe, et^ messis per annos 
multiplicatur in plures. Unde veri Dei sententia confirmatur, qua ait: Quicumqtie Matth.19, 
relignerit omnia qtuw possidet propter nomini rneum, cerUuplum accipiet et vitain aeternam '^' 
posmdebü, Rftliquit ergo iste plura, sed maiora in seculo adquisivit, qui omue« 



* o nbergeschr. ^ verb, in redegisset. ° conj)er. verh, in comper. ^ dilic. 
verb. in delic. *^ aus ment. verb, ^ am Rande nachgetr, s 1 übergebe hr. *» verb. 
in collaudatur. » ci iibergesc/ir, ^ auf Rasur, ^ verb, aus crescat. 

* Wariuy AdalharrVs Nachfolger als Abt vm Cervey S26-856. 
Pkilos.'histor, Abh, 1900. IL 7 



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50 E. Dümmler: 

facultates eclesiae, ipsam atnando eclesiam, suas fecit. Reliquit innumera, qui 
semetipsum et omnem concupiscentiam presentis vitae ad liquidum calcavit. Reli- 
quit cuDcta, quando semetipsuin sie deiecit, ut eum vidimus cottidie laboribus fati- 
gari innumeris, vigiliis excruciari, ieiuniis et abstinentia indesinenter corpus ma- 
cf.p«.ioi,6. ccrare*, ita ut videres cum propheta David eius pelles ossibus herere, et virtutem 
caruis pre nimia inedia** iugiter tabefieri. Sic denique paupertate Christi vestitus, 
♦ f. 49. felix et beatus iure*' emicuit, qui habit08*honores contemsit s^culi pro religione; 
sed quam strenuus fuerit operum ad virtutes, testis est Severus, qui cum eo multa 
e.git, ut eorum fratres exemplo proficerent. 
(c. ai.) Severus. Hac^ lege vobis meam adstringo fidem^ qtif uovi de illo plura reti- 

ceam, et memoriam obtime instituam, ut cum tempus venerit, sopitis iam inimi- 
citiarum facibus, palam volentibus audire edisseram. Quia si falsum aut vanum 
vel fictum nunc ex eo aliquis palam enarrat, magis utique placet. Et ideo, uti 
Allabigus iste fatetur, ego^ adeo harte primus inveni mam^ quoniam est genus hominumy 
qui sc primos esse (yinmum rerum volunt^ cum nee sint; Ifos eonsector, lus ego me cofw- 
pat*o^ tU rideanty hisque nitro adrideo^ quoniam nullus*^ de bonis nunc locus dicendi 
est, quia tales se detralii putant, cum alios laudari^ audiunt. 

Pasgasius. Hone lesu! /lotninp Itomo quid prestai^ quod iste sibi virtutem cum 
re amisit neque audeat fari, qu§ novit? Fortassis ergo hunc own^Ä* wr)<« omnesque 
amiei et commilitones ita deserunt^ ut nullus de eo audeat loqui. 

Adeodatus. Formidolosa res est, Pascasi, quod audio, ob favorem malorum 
bouos consectari non andere. Idcirco velim convalescas, fac ut audeas, et, si fieri 
•f. 49*. potest,*Severum revoca, ne multum timeat, et ne bona que didicit, simul abli- 
gurriet^^ spe vana deceptus. 

Severus. Ergone istum laudare pretermittam, quem die noctuque desidero, 
quem cogito, quem jtdmiror, cuius etiam mihi fantasma visu videre, refrigerari est; 
quem cum recolo, amore acrius inardesco; cum commendo, veritati participor? 
Huncne apud probos laudare desistam, qui etiam apud eos, quorum inficitur odiis, 
laudaudus convincitur? Gestat enim palmam laudis, etsi contradicitur ab his, ut 
Hieremias sanctus, qui de corde sibi falsa locuntur, quoniam iam pr^latus, sicut 
testis est non solum totius, cui prefuit, coenobii congregatio, verum plurium fa- 
miliaris notitia monachorum, absque uUa exceptione domnus delinquentium et 
abbas omnium nostrum fuit. Abba^ quidem, quia cunctorum pater, circa singulos 
viscera caritatis rore Christi repleta gerens, affectum pietatis exhibuit; domnus 
vero, quia nulh lascivire, ut adsolent qui curam pastoralem parvipendunt, igna- 
viter indulsit, sed inspector omnium moribus et vita singulos praecessit, ita tamen 
ut extremos quosque suis traheret ortatibus, et foetantes cum Christo suis virtu- 



* macerari r. ^ verb. aus media. « nbergeschr. ^ Quon. nullus om/" Rasur. 

« i au/ Rasur. ^ abligurriat verb. Mab. 

» Ter. Eunuch. J, 2, 22. « Eunuch. 11, 2, 16-19, vergl oben S.U. » Etmuch. 

II, 2, 1. * Eunuch. II, 2, 7. ^ Vergl. Eunuch. II, 2, 4: qui abligurrierat bona. 



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Radbert ^s Epäaphium Arsenä. 51 

tum*levaret ac portaret humeris. Niilliun igitur, quem non suis calefaceret* fomentis**^ • f 50- 
tepentem reliquit; nullum, quem non sapientiae sale condierit; nuUum quoque, 
quem acrimonianim non curarit doctrinis, si facultas morbi, Christi cooperante 
gratia, permisit. Verumtamen apposite ad curandum peccati vulnera medici di]i« 
genter officia peregit, et ad persuadendum virtutes non minus vit^ pr^buit exempla, 
quam et documenti oportune inportuneve diligentiam. In omnibus unam tenuit cf. ».Tidi. 
caritatem unamque disciplinam; nihil neglegens, nihilque parvipendens , qu^ ad ^''' 
salutem animarum sibi commissarum videbantur proficere. At nunc velim cetera 
Pascasius prosequatur, qui magis eum semper assensu consilii, quam exemplis 
operum consectatus est; licet me nunc assentatorem dicat, quoniam comes inre- 
motus ubique cum eo fuit. 

Pascasiüs. Ego^ hominem caUidioi^em te vidi nemhiem, Numquid non tu ita 
fassus modo ea refugis, qu^ consultum iri tibi plaudebas? tamen ne reticeam qu^ 
plures norunt, ad regimen huic similem vidi neminem, qui tanta virtutum polieret 
industria, et sanct§*sollicitudinis cura tarn indefessus ubique vigeret; qui gregem sibi *f. 50*. 
commissum absens pr^sensve ita intenderet; qui pene nihil aliud cogitabat, (quam)^ 
qualiter de singulis ante tribunal Christi rationem redditurus esset, ünde quam sepe 
cunctos generaliter non minus, quam plurimos specialit-er de voluntate liberi arbitrii 
et potestate proprii corporis iuxta professionem monastice disciplin^ satis argumen- 
tose monebat, ne nostrum aliquis voluntatem propriam sequeretur. Alioquin, 
aiebat**, Quomodo rationem pro aliquo redditurus ero, nisi et potestatem sui cor- 
poris et voluntatem proprii arbitrii mihi relinquat? quo<l*^ si ipse sibi in sua se 
retinuerit potestate vel voluntate, noverit rationem se redditurum, non solum pro 
suis verborum aut cogitationum vel gestorum factis , verum etiam quia contra pro- 
fessionem monastic^ legis in sua se retinuit potestate vel voluntate cordis. Tanto 
profecto, inquiens. Über ero, quanto non mihi debita potestas concessa manet, 
neque voluntas sui relaxatur arbitrii. Attamen qu^cumque potero, caritative super- 
impendam, ut de potes*tate et voluntate liber inveniar, ne aut perfunctoria failar ♦f. 51. 
potestate, aut voluntate rae^ consectationis decipiar. Bone lesu, quanta ovium 
cura et soUicitudine animarum indesinenter afficiebatur, nunc generaliter erudiens 
omnes, nunc speciah ter mouens singulos; hunc minis, hunc doctrinarum deliniens 
blandimentis; istum, iuxta quod propheta dicit: Infrenabo U lande mea quasi adu- i«*!. 48. 9. 
latorie^ laudibus revocabat; illum reprimebat convitiis, omnes tamen suis semper 
provocabat exemplis. Erant autem verba eins, ut dixi«, qtiasi claoi deßxi in aüum^ Ecci.ia, ir 
et dum omnibus proponeret in conventu, videbatur unicuique quasi specialius aifari. 
Nihir enim ex omni contextu regul^ reHnquens intactum , nihil indiscussum, et, si 
quid, omnes quod minus agerent, invenisset, illud coram multis apponens suasioni- 
bus, diviuis, quam vis parum videretur, non neglegere commendabat mandatis. Quod 



* calif. verb, in calefieret c.^ verb, von Mab, ^ aus fomentes verb, * von mir 

ergänzt <* agebat c, « d übergeschr, ^ -riae a getilgt, « ut dixi übergeschr, 

' Ter, Pharm, IV, 2, 1, 

7* 



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52 E. Dümmler: 

si quispiain ex oninibus sanct^ regul^ verbis aliqiiid excedens non satisfaceret, hunc 
coram, liunc secretius arguebat, et sale condiebat doctrinae. Nihil enim parvi- 
♦f 51'. pendebat, sed salutem'auiraarum ante omnia et siiper amnm gerens ', etiain minima 
queque summa ac precipua iudicabat. Omnis ergo sermo eius sale conditus erat; 
idcirco aut curabat vulnera, ne morbidis actibus grex periret; aiit sanitatem custo- 
diens auimarum, virtutem animis inserebat, ut semper oves sibi eommisse in herbis 
virentibus accumberent iuxta aquarum fontes, et inde uberius pinguescerent; quos- 
qup. corporeis provocabat etiam benificiis, ut custodirent legem regul^ et maudata 
Christi exquirerent. 

Severus. Quidam* ait^, quod numquam ita qtiisquam bene subditcta roMone ad 
vitam fuit^ cui non res, ptas, ustis semper adportei novi aliquid^ et^ moneat ut illa quf te 
scire credas, nescias; et qa^ tUn piitaras primae in experiendo repudies: quod nobis satis 
nunc dolendum evenit, Nam nos vitam du/ram olim qua üir/mus cum eo, prope iam 
excurso spatio amisimus. Quamobrem rem ipsam iam censemus faciiitate, et^ nihil esse 
y:cci.7,u/iomini melius, iuxta Proverbia Salomonis, quam dUiciis'^ afflui, et suis unicuique 

• f. 52. frui laboribus. Quod nunc nosse per/adle est, quando*^ aliquis suam^ semper agit 

vitam in otio^ in conmviis, clemens sibi et placidus est luxu^ voluptatis'; nuUi ledere 
reo ausus pro veritate, nulli contradicere ; consuetus adridere omnibus, nullumque 
redarguere; sibi quidem vivere, sibi sumptus facere: et ecce hunc omnes benedicunt, 
amant et glorificant. Nos autem denotare quam simus agresfen consuerunt, quam 
sevi, quam tristes, quam trucuknti, quam tenaces, quam ceterorum infamatores 
Ergo talibus dum studemu» satisfacere, cortterimus in querendo vitam ^ ftatem; et ca- 
pimus ab Ins odium interdum pro fructu laboris, dum suis potiiintuT commodis; 
eosque amant ceteri ac dUiyunt, nos quoque fugüaitt, talesque ut mWnt, optant. Ulis 
quidem sua credunt consilia, apud eos sua commendant vota, nostram autem ex- 
pectant mortem, et liberos se promittunt futuros, si desierimus ista culpare, ac nullis 
eos redarguere posse officiis. Unde si velimus istum laudare, se quoque repre- 
hendere« putant. 
(c. 22.) Pascasiüs. Age^, age, nunc experiamur e contra, quippiam blande si possimus 

• f. 53'. dicere aut benigne facere*, sin autem, queramus nos a uostris^re^fwari; et qu^ digna 

sunt laude, commendare posteris, etiam et ista dando, obsequendo, suadendo, dili- 
gendo, temptemus emoUire, ut et bona diligant, quamvis nequeant imitari aut 
nolint, et qu^ proponimus veritatis non spernant. An non recolis tu, quid Ar- 
senius noster egerit, quando quidam e nostris alterius prelationem invidens tume- 
bat, dum se vilissima obsitum cucuUa hiemali conspiceret tenuique** antepositum? 
Severus. Recolo plane et satis reminiscor, quoniam mox de sua vilitate in- 
venit antidotum\ Induens ergo se cuculla obtimi subtegminis precipua, post tri- 

* auf Rasur, ^ üheryeschr, <= in delic. verb, ^ -do übergeschr. « vor 
luxu ein Buchst* getilgt, ^ -luptatis überyeschr. 8 repreliendi verb, Mab, ^ eunique 
c, verb, von Traube. * vor -tum ein Buchst, getilgt, 

* VergL Rpg, S, Bened, c, 36 ^ ed. Wölfflin p. 40: Infiiinoruiii ciira a. o. et s. o. ndhibenda 
est. ^ Ter, Adelphi V, 4, 1-20, z, Th, in freier Wiedergabe. » Nach Ter. Ädelphi V, 4, 23-26, 



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UadberVs Epiiapläum Arse?ni. 53 

duum iam illo vaniscente tumore, fratri pater obviiis venit*, inruensque super coIIum 
eins deosculabatur; accipiensque** exutus induit^ eum cucuUa sua, illiusque vestivit. 
Tuncque frater blandiciis delinitus*^ alacris §auusque recessit. Tum porro pater 
gloriabatur* sui, iucundabatur illius, eo quod talem repperiaset vulneris medica- 
mentum, quo et sibi meritum. illi quoque sanitas augeretur. Multis itaque diebus 
illa indutus veste, nostrain couveniebat superbiam , qui de babitu preciosiori^ non- 
numquam, unde nos*buiiiiIiari congrueret, extollimur. Imitatus est ergo suonnum »f. 53. 
patremfainilias, qui redeunti filio prior occurrit, eumque stola prima vestiri fecit; «-f. Liic.15, 
ut Caritas invitaret ad amorem, quem luxus expulerat ad exilium. Ecce iu uno 
eoderaque facto tria conspeximus: medicinam fratris, patris augmentum, et omnium 
nostrum religionis exemplum. Sed quia tales non sumus, valde nobis ingemiscen- 
dum, quia de cultioribus dum delectamur rebus, etiam a secularibus despicimurs, 
profecto quia seiunt, quid esse debuimus. 

Adeodatüs. Miror, cum tant§ caritatis fuerit tant^que sanctitatis, cur etiam («-aa) 
aliquando quasi summitatem lacinii precidentes de ora clamidis, austerum eum 
fuisse seu durum inculcant, presertim cum in reliquis vit^ virtutibus multis at- 
tollant** laudibus? 

Pascasius. Ne mireris queso quod ex evangelio recognoscis. Nam piger 
servus dominum durum vocat, non quia durus sit; sed piger servus*, quia torpet m»uii. 25. 
culpis exigentibus suis, dominum infamare laborat*'. Hinc redeant tales ad con- 
scientiam, ne forte dum durum istum predicant, atrociora sibi augeant flagra, et 
vindictam cumulent^ Nam etöi Dominus colligere dicitur*quo non spai*8it, exigit * f 53' 
cum usuris ubi non seminavit, quid putas austerum eum fuisse, cum pius ac 
mitis probatur, nisi quia torpentium ignavia id facit severum"^? Probant igitur se 
pigros, qui sequi nolunt, eumque durum vocant, qui vitia leniter vix conpressit 
et ad virtutes suo provocavit exemplo. Alioquin si durus videtur, duriora erunt 
tormenta deceptoris, quoniam nihil nisi vitia culpavit, et virtutes coluit, ne ta- 
lentum sibi conlatum vacuus reportaret. Quod si Hieremias talibus preesset, nee 
dubium, quin durior culparetur, quoniam frontem eius Dominus eorum frontibus 
duriorejn posuerat. Luxus quippe virtutum viros duros iudicat semper et agrestes. 
Verumtamen iste benignus ac pius fuit, qui plus aliis umquam quam sibi indulsit, 
sed vitia aut repressit, aut funditus ex" initio resecavit. Unde si durus fuit, illis 
utique, qui nee suppliciis" a suis reflectebantur conatibus, nee pr^^miis moUiebantur, 
quoinim profecto cor obtorpuerat, ut nee eius nee Christi pia monita sentirent^, 
quia quibusque interdum plus proficit timor, quam amor. Hinc quoque scriptum 
est: Initium mpientif timor Damini. Et ideo Arsenius nunc*minis, nunc pla^s, nunc Psai.110,10. 
rerum beneficiis, nunc blandis persuasionibus agebat, ut tiHos nos adoptionis Christi 



* auf Rasur, ^ osculum ergänzt Traube, ^ -tiis in auf Rasur, ^ dilinitus c, 
^ gloriebatur c, ^ preciosioris c, 8 aus dispicimur verh, ^ aus attollunt verb, * am 
Rande nachyetr, ^ dorn, bis lab. auf Rasur, ^ verb. aus coinmiilent. "^ S übergeschr, 
" übergeschr, ^ supl. p übergeschr. P seutiret n übergeschr. 



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54 £. Dümmler: 

faceret. Omni nainque industria et sagacitate curabat circa singulos, ne deceptus 
(liaboli astutia aliquis periret. An non vidistis circa* fratrem illum quid* egerit, 
qui vecora recedere gestiebat nolens pati, culpis exigentibus suis, quod cominiserat? 
(«.«4) Severüs. Vidimus plane et cum eo egimus, is* ne sie efferatus hinc abiret, 

ponentes ad portam milites, qui eum deterrerent. Unde iile timore conpulsus in- 
trorsus rediit, atque prostratus ad pedes cecidit sufTusus lacrimis. 

Pascasius. Gaudeo vere quod recolis, et iucnndor nimium, quia de quo 
loquimur, perfectioris vit^ roodestiam tenens, plurimum, ut reor, proficit ad vir- 
tutes. Bone lesu, quanta tunc I^titia fuit! Etenim quasi vidisses prodigum filium 
cf. Luc.15. revertentem exultantemque patrem. Flebat ei^o ille pre gaudio, flebat et filius 
iam mansuefactus. Nam et ego cum vidissem eos plurimum flentes, infremui, si- 
mulque multas permiscui lacrimas, Deo gratias agentes, acsi de mortuis eum re- 
ciperemus. Talis quippe patris erat austeritas, talia viscera rigoris, talis voluntas, 

♦ f. 54'. talisque^affectus. Sed nunc quam miseri sumus, quibus peccandi libertas datur! 

alioquin si tunc nemo impune peccabat et tarnen recidivi surgebant casus, quanto 

magis nunc, cum* malis*^ blandimur nostris. 
(c. as) Adeodatus. Ut vidco, iste perfecta caritatis fuit, qui ad quod Christus di- 

lexit, diligebat suos, et quod in divinis invenitur disciplinis, operibus exigebat. 

Sed aiunt, quod non satis oonformis" erat, idcirco minus redamabatur**, minusque 

frequentabatur a multis. 

Pascasius. Fateor quod ei sepe ista intuli verba, licet scissem, quod pene 
r. Cor. 9, 33. Omnibus omnia factus esset. Sed ipse, non ut adsolent^ quidam, excusatorie, immo 

humiliter respondebat, non tantam se latitudinem cordis habere, quanta est arena^ 

maris, ut omnia posset. Ac deinde, Quibus me conformari, inquiens, optas? num- 

quid ignavis aut viciosis? numquid vaniloquis et iocosis? Annon legisti quid aposto- 
Rom.ia^a. lus clamct? Nolüe cor^ormari huic spctdo, sed reformamini in nomtate sensus vestrL 

Talibus ergo et huiuscemodi exemplis altius se iugi conatu erigebat ad virtutes, 

ne levitas dissolveret mentis, qu^ gravitas Domino caritatis offerebat introrsus. 

Miror, frater et fili, quid velint lasciviis et voluptatibus dediti, perfectiores quosque 

♦ f. 55. sibi conformes fieri *, cum ipsi potius transire deberent ad formam virtutis. Alioquin 

adoptionis iilii non erunt, nisi pr^citi et predistinati fiant conformes imaginis filii 
Dei. Ad hanc igitur formam pr^scitus et pr^distinatus Arsenius iste, idcirco pueri- 
libus non se multum coaptabat ludicris, licet interdum celsa^ in petrastaus, rari- 
nantes ' quosque pueros suis ad litus ortabatur facetiis^ comminus venire. Quibus 
licet risum moventia parum diceret, gravitate tamen agebat, ne dissolveretur virtus 
ai^mentosa, sed ut lactans infancia, suis exuta crepundiis, patemis lactata visce- 
ribus, perfectiora appeteret. Nu]lus tamen eorum vultui credebat risibili coram 
loh. 39. 24. eo, nisi gravitate se reciperet, quia iuxta quod lob ait: Etsi ridehat ad eos, non 



■ übergeschr, ^ s übergeschr, ^ aas conformes verb. <* redamnab. n getagt, 

verb, in assolent. ^ verb, aus aren^. ? verb. aus caelsa. ^ -tiis ofif Rasur. 

* Vergl. Verg. Aen. /, 118: Apparent rari nantes in gurgite vasto. 



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Radbert^s Epitaphium Arsemi. 55 

credebant ei, Quoiiiam etsi resolvebat gravitatein eloquii, hix vulttis eius non eadehai iob29,a4- 
in ierramy agens argute, ut sibi conloquentes ad virtutum stiidia provocaret. Porro 
eum cum audirent, expectabant sententiam eius, et intentl tacd)arU ad coiisilium. Licet ib.ai. 
lob virtutibus longo inferior esset, cturi^ tarnen audiens becUißcabeU eum, ei oculus ib.n. 
videns tesHmonium reddebat ei, quod Uberasset pauperem voci/erantem , et pupiUum cm ib. 12.13. 
non er^t* adiutor. Benedictio namquc perUuri super eum venieöcU^ quia profecto a »f. 55'. 
puero iustitia sicut vestimento est mdutus, Unde et causam qwim ^lesciehvii , düigentis' ib. 14. 
sime invesHgahdX. Quapropter cum pedagogus esset augusti cesaris* ultra Penninas* ib. 16. 
Alpes, quid egerit in iudiciis, quidve in dispositione rerum et iustitiae disciplina, 
Chremem interrogemus. 

Chremes. Vereor laudare virum , ne id adsentandi^ magis quam quod liabeam (c. »6.) 
ex illo, et gratum facere existimer. Tarnen ex toto nereticeam, qualis quantusve 
investigator veritatis fuerit, quam strenuus in sententia, quam fortis contra summos 
iudices iniquitatis, quam efficax ingenio contra eos qui corrumpuutur muneribus: 
unum e pluribus pandam, quo facto niliil iniquius hoc in tempore didici. Nam 
cuidam iudiciario viro vidua qu^dam nobilis, quasi defensori, sua seque commisit, 
cui et per testamentum traditionis, etiam pene dimidium i*ernm suarum adsignavit, 
ut cetera sibi tuta manerent. lue vero mox callide ad integrum omnia in eodem 
testamento adprehendit et testes adbibuit. Unde prefata mulier ad sua reverti 
volens suisque rebus ^uti; adsunt prohibentes ue ad sua ingrederetur, quasi de- *r. 56. 
fensori suo omnia tradidisset, et bene (ut aiunt iocose) omuia defendit, qui pos- 
sessori nihil relinquit. Tum illa infelix vidua suis viduata rebus, imperatorem 
adiit, illeque suis eam cuidam episcoporum una cum reliquis iudicibus terr^ sacris 
commendavit scriptis, ut causam ipsius diligenter qu^rerent, i\fdiciumque rectum 
agerent. Sed quia decUnaverat unusqtiisque post avarUiam suatUy cat/^a viduarum «onigai.56,n; 
ingrediebaiur ad eos. Hinc sibi fabricantes mendacium, adplauserunt una cum testi- '*'^' 
bus, ut populus non intelligeret talia, et universi usque ad sacerdotes Christi fa- 
cerent dolum. Quibus ita patratis, suis illa rebus iam^ explosa, defensor ille a 
senioribus populi relatum accepit, ne ulterius de bis ulla rerum controversia fieret. 
Verumtamen illa multis vexata malis et molestiarum doloribus, tandem per Alpium 
aspera iuga montium longo confecta itinere, repedavit ad Gallias, regemque suis 
pulsare fletibus coepit. Tum rex tantis miseriarum gemitibus permotus, Arsenio 
nostro eam commisit, qui tunc una cum augusto^filio eius ob institutionem et «r. 56'. 
dispositionem regni a patre quasi fidissimus mittebatur et propiuquus. Quam 
ille pr^mittens, ad sua ut rediret iussit, donec veniret idem in patria, ut tunc 
coram cum suis se presentaret testibus. Quibus auditis, Italia omnis contremuit, 
et ad sua callide** se convertit fraudis argumenta: coepitque moliri insidias 



* Penninos <?. ** verh. in assent. « (wf Rasur, '* verh, in callida. 

* Lothar' Sy vergl. Annal, regni Francor. a, 822 (ed* Kurze p. 159): cum quo {sc. Hlothario) 
Walahuin monnchum propinquum suuin, fratrem videlicet Adalhardi abbatis . . una direxit /»/c; 
Amalar, de ordine antiphonarii {Bihl patr, max. Lugdun, XI V, 1032). 



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56 E. Dümmler: 

in* inorte femin^, quia cernebat venire, quem muneribus posse corrumpi non pu- 
tabat. His igitnr armis omnium consuevit infringere mentes, et ad suos inlicere 

isai. I, »3. concupiscentiarum amplexus, quo(niam)** pene omnes sequuntur retributiones et diligttni 
munera, Sed cum in ist« nihil ad impietatem proficere posset, vertit se ad fraudes 
facto iniquitatis. Cui cum iussisset saltim partem aliquani reddere de rebus, quas 
iniuste per dolum subripuerat, sciens se circumclusum, mox inmisit clanculo qua- 
dam in via tres de suis i\\x\ eam occulte perimerent. Sed quia tres erant in ne- 
gotio% videbatur non satis tutum ad silentium. lunxit scelus sceleri, ne forte 
interrogati facinus detegerent. Sepositis longe ab invicem, uni eorum duos inter- 
♦f 57. ficere*^ iussit,*ut iam nullus esset in superficie terr^, qui sanguinem innocentem 
dolo perfusum reseraret, parvipendens miser, quid divinus arbiter sentiret, tantum 
ut humanum iudicium evaderet. Sed Arscnius noster Dei succensus zelo, multis 
usus est argumentis, ne lateret occultum, quod manifestum constabat, quanquam^ 
nee*' iudicio, nee testibus couprehendi posset, a quo esset factum. Keperitur^ 
interdum tamen unus eorum in cuiusdam specu subterraneo defossus, et fit inde 
coniectura dissimilis. Tenetur is quidem reus, in cuius invenitur specu, sed cri- 
minatur alter, cuius gestum suspicatur instinctu; nullus tamen eorum convinci potest 
ab aliquo. Qui, putas, dolor tunc erat in mente Arsenii , quive gemitus? Vidisti, 
domine lesu, quantas coram te profuderit preces, quantasque lacrimas, qui sangui- 

cf. (jp«.4. nem Abel iusti de terra clamantem olim audieras, etiam ut horum a quo fusus 
esset, aperires. Contra quem tota Auxonia una cum suis senatoribus corrupta 
muneribus decertans agebat, ne inveniretur reus ab uno, qui omnibus notissimus 

?6 7, lo. erat raptor et homicida. Tu autem scrutans corda et renes, Deus, omnia noveras, 
♦f. 57'. «"t tamen athletaiQ tuum multo afficiebaris^ zelo, nee illi demonstra*bas quod pa- 
tebat plurimis, sed suorum complicibus. Moliebantur omnes pene usque ad unum, 
ne inveniretur reus, quia in uno iam coram te, Deus, erant plures rei facti. Quantis 
tunc militem tuum iniqui lacerabant infamiis**, quantisve derodebant calumniis*, 
(juasi solus pr^ omnibus esset incredulus, solus innocentium contra legem afflictor! 
Legem igitur proj>onebant, qui iustitiam non metuebant infringere, sed sanguis 

cf. crn. 4, iniioxius de terra clamabat, etiam et perempti, quod eum iniuste fudissent, iam 
apud inferos recepti publicabant. Quid plura? etiam ^ omnes proceres palacii nunc 
legibus, nunc testibus, nunc vero multis argumentorum ingeniis agebant, ut eun- 
dem reum quasi innocentem dimitteret, interdum autem precibus eum fatigabant. 
Ipse vero nullis infatuabatur fallaciis, nuUis frangebatur* obprobriis, sed invictus 
agebat cjuodcumque poterat, si quo modo tandem aliquando veritas manifestaretur. 
Tunc" ad ultimum videntes eins constantiam", decrevere, quod nisi iudicium de 
eo acciperet, nihil amphus, licet lex pro parte manifesta esset, in hac controversia 



* ühergeschr, ^ (iiio c, ^ ein Wort getilgt. ^ n uhergeschr, * übtTgeschr, 

^ ein zweites p ühergeschr, K afficiebas verb. Mab. ^ -mis i übergeschr. ' aus 

calomniis verb. ^ ein VTort getilgt. ^ frangebantiir verb. in -batnr. "* ein Wort 

getilgt. " -tan- ühergeschr. 



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Radbert ^8 EpitapMwn Arsenü. 57 

facerent. Adplaudebat autein populus, quasi* miles Christi nee iudicium vellet* *f. 58. 
recipere. Quibus ille auditis solita repetit arma, sibique ieiunium indixit et nobis 
qui cum eo erainus, ne forte, ut adsolet, in eodem iudicio aliqua fraus inimici 
prevaleret. Totara igitur noctem pervigilem duximus in oratione, precantes ut pius 
Dominus tanti sceleris reum detegeret. Mane autem facto confisi de Dei pietate 
processimus quasi ad spectaculum, ubi** omnis populus iam convenerat. Erat quippe 
tunc magnorum multa insultatio^, ita ut plures episcopi ducerentur in hac in- 
festatione, quia profecto causa tanti discriminis non ingrediebatur ad eos. Tunc crisai. 1,23. 
verus athleta Christi coepit impellere, ut iam iudicium pararent. Quorum positus 
in medio, expansis manibus preces ad Deum fundebat cum lacrimis, ne tanta fa« 
tuitas iudicii etiam probos quosque maculis afficeret. Quibus ita profusis mox de Ecdi. 35, 
maxilla c^lum penetrant et, quia tribunal humani iudicii munus® subverterat, thro- ' ''^' 
num grätig Christi adsistunt lacrim^, cum quibus pariter de terra sanguis innoxius cf.Gen.4. 
clamabat. Siquidem internus arbiter, quasi Cain rursus vetustam increpans con- 
scientiam, coegit confiteri quod male tegebatur occultum; et corruit mox ad pedes 
Arsenii • tremens ac gemens, quia iudex divinus miseram conscientiam intrinsecus »f. 58'. 
puniebat. Unde novo timore perculsus, coepit etiam omnes denotare, quorum pre- 
sidio est usus, ista ut änderet, nihilque sibi ex omnibus qu^ habere poterat, nisi 
ut adstabat, solummodo remansisse, presertim quod circumstantibus omnia con- 
tulisset. Unde profecto illi excecati pervertebant iudicium , in tantum ut Arsenium 
suis afficerent odiis, et tediarent insidiis, sed iam divino convicti iudicio, confusi 
omnes discessere, ac miser clementer redditus est penitentiae. 

Pascasiüs. Infelix nimium tempus, quando ahquis, si quid bene velit, alten 
dicat**, nemo obtemperare disponit, sed unusquisque suum velle et non Dei intendit. 
Omnes dUigunt munera, sequwitur retribtUiones; ^que cunctis Studium, similis pertinatia. isai. i, 93. 
Uno eodemque videntur ludo ad mahtiam prospicere, et si huiusmodi uUus est lusus. 
Hinc sane forsitan parvara adhibeant fidem, quia ex suis studiis nostrum iudicaut 
Arsenium, quasi nihil aliud possit esse aliquis, nisi quod ipsi sunt, presertim cum 
apud eos nuUa sit veritas, quia corruit in plcUeis, et fquitas non potuit ingredi, Unde 18*1.59,14. 
sanguis vidu^*non ingrediebatur ad eos, sed quia innocens erat, prfde patuit. ♦f.59.'''^ 

Severus. Quid se de his rerum negotiis Chremes tantum permovet, cum et j*» 59.15. 
apud nos degens pene cottidie® de abditis cordium receptaculis secreta iudiciorum 
coniciendo protrahebat ad publicum, ut iam vix esset, qui ei sua celare änderet 
occulta, sed perscrutatis delictorum admissis, lenissimam Christi medicinam mox 
superponebat egrotis? 

Cremes. Vere ita est, ut recolis, sed hie plures erant, qui cum eo taha per- 
([uirerent ad salutem, illuc vero nuUus aut rarus inveutus est, non modo qui veri- 
tatem vel iustitiam non eorrumperet, verum etiam exertis brachiis contra eum qui 
scelera iniquitatis non defenderet. Hinc quoque quidam eum testamenta hereditatis 



* i hinzugefügt, ^ ein Wort getilgt, ^ inimicus verm, Traube, ^ aut iudieat c, 
von Traube verb, ® cotidie t übergeschr, 

Philoft.'histor. Äbh, WOG. II, 8 



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58 £. Dümmler: 

alterius fraude detulisset, testes adhibuit, et in quadain gladii teca* ea occulte 
posuit; sicque causatori suo dolose reddidit. lUe vero nesciens quid acciperet, mox 
ibidem casu pretermitteiis, repetebat paginam hereditatis su^ ut redderet. At vero 
e contrario cum testibus alter agebat, quod ei omuia sui iuris instrumenta reddi- 
disset. Sed quia omni» controversi^ finis sacramentum est, iurantibus illis miser 

♦f. 59'. non habuit quid repeteret ,* tameu veniens ante presentiam, querelosis aiebat quid 
gestum esset vocibus. Tunc noster subridens Arsenius iussit venire reuni**, acsi 
conscius esset, ordinem tanti criminis: Infelix, inquit, nimium, quomodo liuiusce- 
modi calliditatis strofam*" tantam taliterve excogitasti? At ille videns se quasi 
deprehensum, corruit ad pedes, et quod latebat aperuit. 

Adeodatus. Ut Video, sapientia Salomonis in isto fuit, et ideo ad investi* 
ganda secreti negotia tarn sagax erat. 

(0. a8.) Pascasiüs. Sep^ contingit, quod Parmenus ait', ut homo quilibet inpftuleiis plus 

boni interdum nesciens, quam prius sciens umquam agat. Sed hie noster nihil in- 
prudenter egit a professione sua, qui sepe latentia suis conprehendit coniecturarum 
retibus, quod et ipsi quam sepe vidimus in quorundam fratrum delinquentiis. Ab 
initio enim semper peccantes umbras adeunt et gestiunt subterfugere, ne appa- 
reat*^ culpantibus quod divinis patet aspectibus. Sed quia longe diu Italiam in- 
gressi, eis Penninas ^ Alpes exulati sumus, ubi aurea vidimus Salurnia regna^ 

*r. 6o. artesque malignas, seu in quibuscumque mundus regnat et meretricatur**Auxsonia 
cespis, Gallias tandem, p^ne omnibus correctis rebus et Eugenio sanctissimo aposto- 
lice sedis ordinato antistite^ in cuius nimirum ordinatione plurimum laborasse 
dicitur, si quo modo per eum deinceps corrigerentur, quae diu neglegentius a plu- 
rimis fuerant depravata, regrediamur. 

Adeodatus. Fortassis ergo, Pascasi, non minus occulte, quam callide seu 
ingeniöse, quem laudare decreveras, acriter culpas, quasi videris quae detulit fra- 
tribus oblata munuscula uuiversa p^ne in quibus divitiarum genera vel ornamen- 
torum mundus regnat; talia namque vel tanta, qualia nuUus nostrum se vidisse 
simul testamur. 

Pascasiüs. Numquam itaque crediderim, quod tam suspiciosus esses tamque 
nemorosus^ in tan tum ut ea qu§ sinceriter dicta sunt, mei ad calomniam vertas. 
Nam de his tu forte moveris more quorundam, ex quibus alium notas. Tamen 
illa omnia benedictiones fuisse cast§ dilectionis, aut obsequia magnatorum, quia 
procurator regni et magister« imperatoris erat, debite venerationis, nemo qui du- 
bitet, dum recte de proximi conscientia censeat. Qua profecto cons<üentia tutus 

♦f. 6o". corani omnibus*nobis, Ista, inquit, omnia quae cernitis, tam securc sine alicuius 
discrimine potestis accipere, quam ego sine concupiscentiarum elogio, vel sine uUius 



* verb. aus tega. ^ et narrare ergänzt Traube. ® auf Basur, ** apar. p 

übergesckr, * penninos verb. in -nas. ^ morosus verb. Mab, 8 ein Wort getilgt, 

» Ter, Hccyra V, 4, 39, 40, » Verg. Ecl, IV, 6; VI, 41; Aen, XI, 253, ' Euge- 

nius IL, 824-827. 



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Radbert^s EpüopJmnn Arsenü. 59 

rerum dispendio gratis Deo et vobis in me suscepi oblata causa lionest^ acceptionis, 
et honore augusti vestraeque utilitatis. Alioquin pro bis nuUus iniuste aliquid 
aut adquisivit aut perdidit, neque accepta vel data doluit; immo, ut verum est, 
a plurimis cum noUem accipere, vobis deferri quasi in elemosinam precati sunt. 
Quapropter bis ita susceptis, patet, non, ut opinaris, a me dictum fuisse, sed 
usus patrif et regni dilieias prenotasse , quia omnino bunc tam Uberalem et mundi 
contemptorem in omnibus noveram , ut semetipsum iuxta Domini vocem reliquerit. cf. Act 14. 
Ergo qui semetipsum tamperfecte, ut omnes scire licuit, dereliquit, quid sibi, non 
dico inique aut cupide, verum etiam licite sibi adquirere potuit? Immo, ut fassus 
sum et res patuit nobis, ea magis suscepit, ne forte aut illi (ut adsolet) qui dare 
volebant, lederentur offensi, aut nos, nostris expensis vaenus si rediret , bis auditis, 
quod sprevisset qu^ nobis mittebantur, calumniaremur. 

Adeodatüs. Placet quod obiecerim*eum te culpasse, quia auditum erat de ♦f.6r. 
bis quae attulerat, ut omnes intellegant, quam überaus fuerit, quam alienus a 
saeculo, quamque mundo mortuus, qui nee pro bis omnibus a nobis, neque pro 
aliis quibuslibet beneficiis, ab extraneis inboneste saltem gratiam requisivit, sed 
conscius sibi semper in omnibus Deo placere studuit^ 

Pascasius. Ita est, mi frater, ut adseris, in tantum ut quidam ex nostris 
non intellexerint tunc temporis ea illi pro mimere data, sed nobis a quamplurimis 
magnorum aut a summo pontifice sedis apostolic^, qui ei quamplurima largitus 
est, transmissa. ünde contigit quadam ex die, cum quidam e fratribus eum pro 
talibus et huiuscemodi factis laudaret, alius respondisse fertur: 'Quid de illo talia 
in laude fertis? nonne nobis ea quae detulit, fuere directa?* ad quod, cum dixisset, 
risimus omnes. Tunc alius: *Te forte decet, inquit, tibi talia tantaque mittantur'. 
*Misera, inquam, plane bumana conditio, quae tam estbebes, invida, vel ingrata.' 
Alias autem eorum is nisi in aUquo laborasset, nequaquam ita fassus esset. Verum- 
tamen constat nostrum Arsenium tantum tunc temporis* dilectum fuisse atque fa- ♦f.6i'. 
mosum, quantum nuUus eo in regno. Idcirco talibus tantisque oblectabatur mu- 
neribus, in tantum ut nolens cogeretur accipere gratis, ne lederetur amor dilectionis. 
Agant alii quod possunt; insidientur et terreant quantum possunt; vendant iustitiam 
pro muneribus: seviant fraude vel dolis, et omnia cunctis venalia prestent: nuUi 
tamen eorum tam multiplicia tamque precipua quam isti solummodo pro amore 
ac veneratione gratis offerebantur. Quibus ita dictis, quia tandem ad Gallias rursus 
stilum vertimus, finem libri ponamus, quoniam ea qu^ deinceps cum gemitu pro- 
sequenda sunt, tam dira sunt, tamque immania, ut vix aut nullus qui mente valeat 
comprehendere, quia fonuidolosa sunt nimium et confusa. Quae cum attigerit 
calamus, quam vis lapideum cx)r gerat scriptor illarum rerum, nescio si litter^ pre 
lacrimis possint formari, ne abluantur fletibus, quanto magis ut formetur narra- 
tionis ordo et Status. Hinc consolemur interdum- nos gaudio conscientiae, quod 



* Vergl. Atnalar, a, o. 0. ; hos (antiphonarios) quos habuimus Wala , quaodo functus est 
liuc legatione aliqua, alnluxit eos hinc secuin in Franciam. * für interim. 

8* 



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60 K. Dömmler: 

talem eum tantumque cognovimus et habuimus, de quo gaudere in Domino non 
f. 62. veremur. •Et ne ullis frangamur infamiis pr^videndum, quia nunc in tempore plu- 
rimi etiam honestiores oblocuntur bonis*, ita ut nullus exire intactus possit 

EXPLICIT LIBER EfITAFII ArSENII PRIMUS. 



INCIPIT SECUNDUS. 

Adeodatus. Post innumeras intus^ officii curas, post immensas exterius occu- 
pationum causas, post varios rerum negotiorumque eventus et vitae dispendia, post 
longa huc illuctpie diversi itineris fatigia et concursus ubique, post"" indefessas 
omnium pressiiras, tandem divino dispensante iudicio, relictis omnibus, quia tibi, 
Pascasi, reiddita est quies et libertas auimi, recordari oportet quod omisimus olim, 
quatinus deinceps aliquando epitaphii patris formam expleamus, quam commendaije 
litteris rx)epimus pridem. Alioquin esset honestius non inchoasse, quam inchoata 
non explere. 

Pascasius. Confiteor ita esse, mi frater, sed vereor post surda vite silentia, 
post omissa litterarum studia repetere, quod aut oblivio abduxit, aut levitas morum 
•f. 62*. iam audire fastidit. Insuper si** esset* de talibus tempus loquendi, presertim iam 
nulla est mihi, etsi quandoque fuerit, litterarum facundia scribendi. Tamen ne 
quod coepimus, infectum veniat in obprobrium, inimicis in gaudium, et desidiosis 
in exemplum, experiar quod ortaris, et incipiani, licet inexplebilia sint gestarum 
rerum lamenta quae restant. Sed quia interdum Severus ingressus est felix viam 
univers^ terr^, et Cremes inter discrimina nostra iam*^ discessit, necesse est unum 
eligamus de bis more sanctorum patrum, qui nobiscum cum eo versati sunt, qua- 
cf. a.Cor. tinus ct vcritas per eum, quasi sub tribus testibus , melius commendetur, et noster 
planctus non diversus vel numero inveniatur. Idcirco, frater, quia tuum fuit quae 
coepimus reincipere, tuum sit consortem in hac parte eligere. 

Adeodatus. Quamvis ei^ minus idoneus sim preiudicio disc^rnendi, quia 
devotus tuis existo iussis, non abnuo quod exigis. Non enim philosophum ad 
lamentum rite querimus, sed eorum aliquem, cuius aut memoria pi^ recordationis 
aut affectu ad lacrimas incitemur. Unde si tibi videtur, licet glaber sit, ex omni- 
bus eligamus Teofrastum*'. 

Teofrastüs. Nequaquam igitur cogitaverim, quod iocos ludo velitis serere, 

aut puerilia sectari. 

♦f. 63. Pascasius. Noli mirari, frater, si te glabrum ad hoc * Adeodatus elegit, cum 

rae decrepitum longe diu talibus oblittcratum *" studiis non omiserit, quoniam thre- 

nos et veritatem audientibus maxime probi et bene conscii amantes commendare 

* bonos c, van Traube verh. ^ ein Wort getilgt « am Rande ergänzt. ^ etsi r., 
von Traube verb, ® atif Rasur, ^ oblitterarum c, von Mab, verb. 



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Radbert ^s Epitaphium A7*se?ni. 61 

debent. Ideo nos duo in multis possiimus iam diu vexati quam bene filiis et amicis 
nostros* pandere fletus. 

ÄDEODATys. Sed antequam veuiamus ad lamentum, rogo, indices nobis ini- (e. i.) 
tium tanti discriminis, quia nullus est sani capitis, qui credat haec sine offensa 
Dei in populo contigisse. 

Pascasiüs. Verum hercule quod ais, sed necdum omnia licet omnibus rese- 
rari, maxime quibus veritas odii^ est et scelera placent. Tarnen, etsi minus bona 
eisdem placeant, verum non semper occulendum est, quia hie de quo loquimur, 
etiam exprobrantibus sibi verbum veritatis libere loquebatur. Ex quo fit, ante- 
quam haec mala totius imperii apparerent, crebrescentibus iam iamque cotidie Dei 
iusto iudicio in populo diversis calamitatibus et flagellis, ut imperator una cum 
suis senatoribus et proceribus terrae requireret, quid esset quod divina maiestas 
offensa tot taHaque longo in tempore isto premonstraret in populo, quia iam, scrip- 
tura teste, sola vexalio intellectum dabat audituu Tumque precipitur, ut singuli de isai. 38,19. 
hoc dih'gentius qu^rerent usque ad alium placitum*, quid esset in quo Deus offen- 
sus esset, vel quibus placari posset operibus. His ita quidem iussis, statuit mox 
Arsenius noster coram oculis*miserum orbem, et divinas leges, simulque patrum 'f. 63*. 
decreta: in quibus conspexit ilico, quantis ecclesi^ Christi depravatae forent modis, 
qualibusfjue populus uuiversus carualium rerum operibus corruptus. Qua de causa 
parvam edidit scedulam, siquidem sibi ad memoriam, in qua litteris depinxit 
universa regni huius efficaciter vitia, sicque circumspecte, ut nullus adversariorum 
omnia ita non esse negare posset. Inde ad comitatum rediens, omnia coram au- 
gusto et coram cunctis ecclesiarum presulibus et senatoribus proposuit singillatim 
diversorum ordinum officia, excrescentibus malis, et ostendit cuncta esse corrupta 
vel depravata. 

Teofrastus. Obstupesco*' valde, cum eins tantis provocamur exemplis , quod 
nemo nostrum qui ad plenum veritatem de illo audeat posteris narrare, licet au- 
deat detegere peccata populi longe diu accumulata, clades, pestilentias, fames, 
inequalitates aerum, terroresque etiam visionum. Quibus profecto malis precessit 
prior pulverum fallax adinventio^, sub qua ta.nta fuit vexatio et prodigium men- 
dacii, ut prudentibus daretur intellegi, quod universus orbis ad temptandum esset 
expositus in manibus inimici. Ex quo liquet, pro talibus et huiuscemodi ** causis »f. 64. 
peccata regni, qu^ necilum completa sunt, quod cotidie in peius commulentur, sic- 
que restat, quod in multis factum comperimus, ut destruatur. Unde timendum, 
ne fiat in nobis, quod in multis iam gentibus actum legimus. Nequaquam igitur^ 
dixerim sine causa miracula sanctorum longe diu in Christo quiescentium nuper 
coruscasse, quanta et qualia numquam sunt audita a s^culo facta uno in tempore 

* verh. aus nostris. ^ odio verh, Mab. ^ obtupesco c. ** am Rande 
ergänzt 

* Veryl, das Schreiben der Pariser Synode^ Capittd, reg. Francor, 11 ^ 27 , und das Schreiben 
der Kaiser vorn Dec, 828 ebenda S. 4, wo S. 5 dieselbe Stelle aus Jesaias wie oben angeführt wird, 
^ Im Jahre 810, vergl, Ann, regni Francor, ed. Kurze p, 132 n. 2, 



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62 E. Dümmler: 

ad ^reliquias sanctorum, quia omnino, quasi in gallicinio, sancti hoc in regno 

huc illucque delati, se invicem excitarunt quasi ad* concentum cantus, ut dare- 

ef. I. Cor. tur intellegi, quod nostra infidelitas iuxta apostolum id exigeret, quia signa non 

'^'''' fidelibus, sed infidelibus, ipso teste, verissime dantur, si quo modo post tenebraa 
cf. iQk.1.9. cecitatis nostrae ad veram lucem, quae Christus est, tandem expergefacti resur- 
gamus. 

Adeodatus. Fortassis ergo iste prius si vocatus esset ad conloquii lamentum, 
quasi proditor nos detegeret, non Valens cohibere spiritum in loquendo. Idcirco 
etsi Vera sint quae tangit, suo in loco dicere non expectat. 

Teofrastus. Nequaquam igitur quae proposui, alio in loco rectius profe- 
runtur, quoniam mala quae per parte« creverant, primum isto in tempore feriuntur. 
Crevit enira hoc imperium prosperis successibus usque ad presens, quasi in per- 

•f.64'. fectam aetatem plenitudinis, sed vitia quae per partes, *ut** adsolet, in prosperitate 
commissa sunt, coacervata inoleverant; iusto Dei iudicio non minus flagellis, quam 
et novis virtutum miraculis arguuntur. Propterea igitur, ni fallor, isto denotanda 
et plangenda sunt loco, ut si non nobis, saltem posteris veniant correctionis ad 
exemplum. 
(C.9.) Pascasiüs. Ita esse negare non possumus, tarnen qu^ noster Arsenius coram 

Omnibus et summis proceribus tum proposuit, omittere non debemus, quoniam ista 
et huiuscemodi aha eum ad hoc impulerant, ut cunctis ex divina auctoritate, acsi 
Hieremias alter, ostenderet, in quibus Deum omnes offenderant. Et monuit con- 
itanter caritatis officio, ut mala qu^ admiserant, destruerent, dissiparent et evel- 
lerent*'; bona vero pr^termissa deinceps aedificarent ac plantarent in reliquo. Interea 
nostis, inquit, quibus ordinibus Christi coustat ecclesia? Certum quippe^ quod 
■ecundum singulorum officia requirendus est ordo disciphn^ et status reipubhc^. 
Unde primum considerari oportet intus divina, tum exterius humana, quia pro- 
cul dubio his duobus totius ecclesiae status administratur ordinibus: ut sit impe- 
rator et rex suo mancipatus officio, nee aliena gerat, sed ea quae sui iuris com- 
petunt propria, neque pretermittat ea, quia pro his omnibus adducet eum Dominus 
in iudicio: episcopus vero et ministri ecclesiarum, specialius quae Dei sunt, agant. 

•f. 65. Deinde rex*rectores in regno tales constituat, quales eos Dominus diligenter in** 
lege perquirere iubet, et in quibus rex et pro quibus securus maneat, quos utique 
probos ad regendum populum sanctum Dei et idoneos cognoscat, non secundum 
proprios libitus* qui ei faveant, sed qui avaritiam oderint, et Deum ac iustitiam 
diligant, cuius profecto officium est, semper quae recta et iusta sunt disponere 
et quae depravata corrigere. Alioquin tu, rex, nisi servaveris quod** preceptum 
est, fortior tibi cruciatus instat, et omnibus in te, si avertatur Dens, unus inte- 
Sap. 6, 36. ritus. Ideo providendum nihil neglegas, quia in te uno, secundum Salomonem, 
totius stabilimentum est regni; in divinis autem ne ultra te ingeras quam expediat.* 



» invicem bis ad am Rande ergänzt. ^ diese Seite hat 19 Zeilen, ^ er über- 

geschr. ^ ein Wort getilgt * aus libitos verh. 



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Radbert' s Epitaphium Arsenü. 63 

Adeodatus. Ut sentio, non immerito tu* alt^rum eum Hieremiam dicebas, ob 
constantiam fidei et frontis duritiam, qui tarn audenter augusto invexit, tanta, quae 
vidimus, ob liixiis desidiam necnon et pessiraas regiim consuetudiQe» officii sui 
negotia, cum esset preoccupatus vanis* rebus, pretermisisse **. 

Pascasius. Acriora sunt, frater, quae tunc prolata sunt, de quibus pauca 
pandam. Ait namque c^sari: *Velini, reverentissim^ imperator augu8te,*dicas nobis, »f. 65*. 
tuis quid est quod tantum propriis interdum relictis officiis, ad divina te trans- 
mittis? vel quid est quod das, quando honores ecclesiarum, immo, ut sentio, onera 
qu§ largiris? Quod si res Domino iure elemosinarum legitim^ consecrat^ sunt, 
ecclesiarum eius sunt, quia suis pauperibus et specialiter sibi servientibus legaliter 
dat^ sunt. Si autem benedictiones et Spiritum sanctum, quem digne Deo electi 
deinceps a Domino et a sacris consecratis presulibus percepturi sunt, auctoritate 
divina dare te existimas, noveris, quod extra officii tui est quod presumis. Cete- 
rum auctoritate sanctorum patrum si circumspectius® est agere secundum Deum 
quod agis, et fructuosius quod largiris; ita temperandus est modus una cum cleroi 
et plebe Dei, et sanctis pontificibus, ne aut tu tibi tua eligas, tibique divir\a usur- 
pes; aut vulgus tantam gratiam, seu quilibet personarum in aliquo confundat, quo- 
niam in bis non nisi divina consideranda sunt, et salutis nostrae documenta. Ideo 
identitas est pene et in rebus ecclesiarum quia facultas earum nihil aliud est, quam* 
pi*ecia peccatorum, vota fidelium, patrimonia pauperum. Idcirco quod semel*le- »f. 66. 
gitime consecratum est Deo, in suis militibus et pauperibus ad usus militif su^ 
libere concedatur. Habeat igitur rex rempublicam libere in usibus militi^ su^ 
ad dispensandum , habeat et Christus res ecclesiarum, quasi alteram rempublicam, 
omnium indigentium et sibi servientium usibus, suis commissam ministris fidelibus, 
et hoc sit regis officium, ut talibus committatur, qui et fideliter dispensent, et 
sapienter provideant, quatinus omnes glorificent Deum, et gaudeant in Christo, 
non minus ex futurorum promissis, quam et ex presentiarum consolationihus. Sin 
alias, ut apostolus ait, qui aliena diripiunt, regnum non possidebunt aeternum^ cf. >. Cor 
quanto magis qui ea quae Dei sunt et ecclesiarum , defraudantur, in quibus sacri- 
legia^ copulantur?* 

Teofrastus. Quod si ita est, ut asseruit, et de his ulla Providentia apud 
Deum, nescio principum nostrorum quis salvus e«se possit, quibus nihil tarn dulcia 
sunt, quam prcdia ecclesiarum, nihilque tam suavia, sicut scriptum est: Panis 06- ProT. 9, 17. 
sconditus suamor est^ et aquf fnrtivf dtüciores. 

Pascasius. Verum, mi frater, et ideo ira Dei effusa est super principes cf. p«.io6. 
nostros, quae errare facit eos in invio/et non in via, dum et saeculares ad di- ♦£66'. 
vina diripienda indebite se ingerunt. Sacerdotes vero Christi et ministri altaris 
una cum divinis ad exteriora de intimis se eiciunt, iam quod peius est sine pu- 
dore et transfundunt, quamvis scriptum legant, quod nemo miUians Deo impUccU ^^a.Tm. 3.4. 



• (mf Rasur. ^ pretennississe c. *" i übergesckr, ^ sacrilegis verb, Mab. 

* Verc^L Ansegisi coli. l. I c. 77, Capitul. reg. Francor. I, 405. 



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64 E. Dümmler: 

negoHut saeadarkbus, Hinc pessima presumptio nasdtur et confusio, Iiinc vorax coii- 
cupiscentiarum flamma, hinc virtutum evacuatio et peccati fomes, dum aut mi- 
nistri Christi facultatibus reruui, ne ainittant, inlecti, ad ea quae sibi non expe- 
diunt, iinpelluntur*; aut s^culares coücupiscentiarum succensi ^stibus, quae Dei 
sunt, quasi auctoritate regia defensi, temerario iure contra Deum erecti diripiunt. 
Quibus ita coram rege, et coram Christi presulibus et principibus terrae ad Hqui- 
dum explicitis, nuUus eorum abnegavit. 

Adkodatüs. Miror qui^ negari posset, quod oinnibus in propatulo est, et 
pene nuUus qui contradicat, iinmo ad invicem provocati deteriorantur omnia hinc 
inde, et ad usus convertuntur pessimos. 
(c. 3.) Pascasius. Pro dolor! quod talis cotidie crescit insania inpresentiarum, ita 

♦f. 67. ut omnes pro talibus gestis et dictis convertantur*ad peius magis, quam ad cor- 
reptionis augmentum. Hinc igitur tunc omnes coeperunt, maxime ecclesiastici viri, 
querere et contradiisere, quomodo aliter dignitas et honor ecclesiarum stare potuisset, 
acsi decreta sanctorum patrum non legissent. Quibus Arsenius noster: 'Considerate, 
inquit^, quae contra auctoritatem divinam veniunt, quatinus ea ipsius auctoritate 
Dei corrigantur. Vestris enim in raanibus sunt iura non minus humana, quam et 
divina*. Tum saeculares viri: 'Licet ita sint omnia, inquiunt, quia respubhca multis 
attenuata de causis per se sufficere non valet, nobis cum rebus ecclesiasticis et 
militibus agendum est, nosque suiTragio facultatum earum iuvandi^. Quapropter 
pande, aiunt, quid moliris'. At ille, *Miror, inquit, quid requiritis. Ecce rex noster, 
ut s^pe ostensum est, de facultatibus ecclesiarum multa in suis suorumque pre- 
sumit usibus, sanctorum autem patrum anathemata multa sunt nimis divina auc- 
toritate prolata, ut ipsi pre manibus quam saepe relecta scitis, quae p^nitus (!on- 
dempnant, si res ecclesiarum vi aut potestate fuerint usurpatae ullius iudicis. 
Propterea rogo cogitate, si aliquis fidelium sua vota super altare Deo detulerit, 
*f. 67'. parum multumve sit, veniens autem *quiHbet temere vi aut furto ea quae delata 
vel consecrata sunt, rapuerit; super hoc qu^o, vitium huius facti quäle sit, cen- 
seatis*. Qui simul, acsi novo intus tacti oraculo, sacrilegium esse sanxerunt. Tum 
ille: *Nemo tc, inquit, augustorum clarissime, fallat, quia valde periculosissimum 
est, res semel Deo fideliter dicatas, ad usus pauperum et servorum Dei, violenter 
postmodum diripere, et ad s^culares usus contra auctoritatem divinam retorquere. 
M»tth. i6, Quod si secundum sententiam veritatis, quaecumque ligaverint isti sancti ponti- 
fices super terram, ligata erunt et in c^^lis, timendi sunt tot anathematismi sancto- 
rum patrum qui leguntur pro talibus prolati in sacris canonibus, quoniam non 
minus eorum viget auctoritas, quantum aestimo, qui iam cum Deo regnant. Id- 
circo, ut dicitis, si respublica sine suffragio rerum ecclesiarum subsistere non valet, 
quaerendus est modus et ordo cum summa reverentia et religione Christianitatis, 
si quid vos, vestricjue ab ecciesiis ob defeusionem magis, quam ad rapinam acci- 
pere debeatis^, ne cum maledictionibus et exsecratione sanctorum patrum itatenus 



» expelluntur c, imp. r<?r6. ^a6. ^ quid c, qui Tr. ^ am Rande nachgetr, '* auf Rasur, 



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RadberVs Epitaphium Arsem. 65 

presiimatur*. Porro isti sancti pontifices, si quid ad usus militi^ exhibendura est, 
sie exhibeant,*et sie fiat rationabiliter in quibuslibet rebus, ne ipsi cogantur ad »f. 68. 
s^cularia transvolare, et pompis saeculi, quibus abrenuntiaverunt, inreligiosius de- 
servire, quia iuxta apostolum, ut dixi**, nemo militaiis Deo implicat se negotiis saecti- a. Tim. 2,4. 
laribus.^ Sin alias eorum aliquis, nee verus est Christianus, qui adhue pompis et 
operibus deservit diaboli.' Quo dieto, querere coeperunt quid essent pomp§. llle 
autein: *Vestrum est, inquit, hoc deeernere, et virum magis evangeheum exhibere, 
quam in quibus saeculum regnat et gloriatur inhiare\ 

Teofbastüs. Hoc quippe est, ut audio adhue hodie, quod de eo nonnuUi (c. 4) 
calumniantur, quia voluerit res ecclesiarum dividerentur tantumque remaneret ec- 
clesiis, quantum admodum sufficeret, cetera vero militi^ s^culi deservir^nt. 

Pascasius. Nequaquam igitur ita est, ut male sentis, sieuti et tunc temporis 
plurimi sensere, quia ille super hac re nihil *" temere prefinivit vel signifieavit , sed 
ortatus est soluramodo, quodeumque fiendum esset, sie omnino fieret, ne utri eorum 
pro rebus terrenis in Deum peecarent. Unde cum a quibuslibet temptaretur episco- 
j)orum, quid exinde vellet, nihil aliquis aliud rescire potuit, quam quod Omni- 
bus coram augusto simul dixit. Monasteriorum interea, dum haec traetarentur, 
ostendit*et enumeravit perieula, cum iam tunc temporis nonnulla** a laieis tene- »f. 68'. 
bantur, etsi hodie multo minus inveniuntur, qu§ de proprio regantur ordine, sed 
sunt pro® poena peeeati omnia p^ne mundi usibus et studiis oecupata vel depra- 
vata, quia cum bene eoepisset rex^ de his, in fine erebrescentibus malis a saecu- 
laribus sunt pervasa. Identidem autem et tunc plurimum detestatus est, quod 
e])iscopatu8 seeundum canonieam auctoritatem non rite darentur, neque eleetio ser- 
varetur. Quibus itaque omnibus ita hinc inde ostensis, cum nullus eorum negare 
posset, quod ordo ecelesiastieus in omnibus eorruptus non esset, excogitaverunt 
ut tribus in locis^ synodi fierent, in quibus^ de hoc diligentius qu^rereut, non 
quod (quantum exitus probavit) emendare talia vellent, sed ut regi interdum fa- 
verent, quoniam iam tunc ea, quae postea monstrata sunt, moliebantur humana; 
idcireo minus procurata sunt divina. 

Adeodatus. Miror absentem, cum eius commemorantur dicta, quem« non (0.5) 
mirabaraur presentem. Nam cum esset tam humilis, quo nullus humiUor nullusque 
magis mortuus mundo videretur, quid est quod tam inter summos ecclesiarum, 
presulum videlieet et senatorum consules, in senatu coram augusto cousultt; con- 
stan terque * loquebatur ? ♦ f. 69. 

Paschasiüs. Non ignoras, irater, quod is erat iste, quem nee terror niina- cf. Rom. 8. 
rum, neevisrerum, nee spes presentium, nee metus futurorum , nee promissa facul- 

» aus presumant verb, ^ ut dixi am Rande nachyetr, ^ am Rande nachgetr. 

^ iam folgt noch emmaly getilgt ^ übergeschr. *" in -bus übergeschr. 8 verb, 

aus quae. 

1 VergL Vita Adalardi c, 68 p. 333. « Karl der KaJde. ' An vier Orten, Mainz, 

Paris, Lyon, Toulouse^ s, das Schreiben der Kaiser, Capittd, reg, Francor. 11, 5 — 6, Constitut, de sg- 
nodis ebenda S, 2, 

PhUos.'histor. Äbh. 1900, 11, 9 



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66 E. Dümmler: 

tatum, aut interminata suppliciorum genera, aiit ulla auctoritas poterat revocare 
a caritate Christi, a dilectione'* patrif et populi, ab amore ecclesiaruin et fide 
imperatoris. Propt^rea io;itur talia et quainplura, veluti alter Hiereinias, constanter*» 
loquebatur. Praesertim et inilitiam clericoruin in palatio, quos capellanos vulgo 
vocant, quia nullu» est ordo ecclesiasticus, denotabat plurimum\ qui non ob aliud 
serviunt, nisi ob honores ecclesiaruin et (|uestus saeculi, ac lucri gratiam sine pro- 
batione magisterii, atque ambitiones luundi. Quorum itaque vita neque sub regula 
est inonachorum, neque sub episcopo militat canonice, pr^ertiin cum nuUa alia 
tyrocinia siut ecclesiarum, quam sub bis duobus ordinibus. Aiebat namque idem, 
quod aut canonicus (juisque esse deberet (aut laicus'') aut monachus, quod si neu- 
trum, iam sub nullo'^ monstratur ordinc, (piia videntur esse sine capite. Quae 
profecto heresis* ([uamvis aliunde sibi hoc nomen vindicaverit, tarnen ut fassus 
idem est, nulla alia isto in tempore peior invenitur ecclesiarum Scabies, quae om- 

'f. 69'. nia*eiusdem iura, ex quo coepit, corrupit, in tantum, quia multi eorum vitiosi 
erant, ut a laicis p^ne omnia monacliontm et canonicorum necnon et feminarum 
monasteria occupentur, et sunt omnia depravata. Propter qu^ numquam, quia fu- 
tura previderat, dubitavit sententiam pro statu regni, pro salute populi, pro sta- 
bihtate ecclesiarum et religione pacis dignam dicere, etsi quibuslibet displicuisset. 
(c. 6.) Adeodatus. Quantum datur intellegi, tales qui tunc fuere, non consules, 

non provisores patriae fuerunt, sed latrones, quorum mentes angustas presentia- 
rum caligo cecavit, humihtas prava tenebris opplevit, concupiscentia sordibus ma- 
culavit, in tantum ut ipsum consulatus nomen, seu splendorem illius honoris, et 
magnitiidinem tanti imperii, nee intellegere aut intueri, nee capere aut sustinere 
potiiissent. Unde non consules, sed mercatores ac venditores tant^ dignitatis, et 
perturbatores ecclesiarum sunt dicendi, qui non modo isto monente non consulue- 
runt, ATrum subterfugerunt, everterunt et prodiderunt in invicem, ne aut talia 
corrigerentur aut etiam deteriora quae imminebant, obstarent cum potuissent. Et 

• f 70. ideo, sicuti*Pascasius paulo superius doluit, non inmerito talia contigerunt, immo 
quia noluerunt recipere spiritum veritatis ad correptionem, receperunt^ spiritum 
erroris ad vertiginem. Inde est quod adhuc hodie nemo principum explicare potest 
reipubhc^ vias ad iustitiam. 

Pascasius. Nee inmerito, quia pro Deo stare noluerunt neque quae Dei 
sunt primum querere, ut corrigerent quae iam depravata erant, si, Deus ab eis 
recedens, consihum patri§ deperierit, fides evanuerit, pax aufugerit, et prosperitas 
uUarum rerum hodie desperata iaceat. Iam rarus qui regibus fidem exhibeat, nullus 
patriae aut civibus qui recte consulat, nullus qui sociis et amicis debitam cari- 
tatem impendat. ludices non nisi venale aliquid agunt, populus imperiahbus non 



• auf Rasur, ^ contestanter c. <* auf Rasur \ aut laicus hesser zu tilgen Traube. 

^ aus nulla verh. ^ liereses c. ^ receperent verh. m -runt. 

' Vergl. Episcopor. relat. c. 32 (Capttul. reg. Francor. 11,39), Walah/ridi Visio Wettini r. 
327 bis 338, Pöet. Carol. //, 314. 



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Radbert^s Epitaphium Arsenü. 67 

suiFragatur officiis, auctoritas non viget prelatorura, quonjain imperialis et reguni 
deperiit; res publica et ecclesiarum pauperrima est, quia predones ea diripiunt; 
eloquentissiini omnes muti facti sunt, quoniam evacuata est virtus agendi et lo- 
quendi. Nam a saeculo has in partes nihil maius seituin est, neque arguinentosius 
ad excogitanduiD , sed posse ac scire post uniuscuiusque velle desudat. Idcirco, 
quantum credo,*quia tunc vocem liuius, immo Dei non audierunt, versa est omnis »r 70'. 
prosperitas eorum in contrarium, et confracti sunt vires; consilium aufugit, et 
ornnis sapientia^ iuxta prophetam, devorata est, Quod saue ipse, iam futura previ- Pt. io6,a7. 
dens, in eodem placito his explicitis premonuit. Ubi mox eum vehemens infirinitas, 
quam lienteriam inedici vocant, apprehendit, quatinus virtutem in infirmitate per- cf. a. Cor. 
ficeret. Hinc quoque deinceps conticuit, donec Dei iudicium nos apprehenderet, 
et peccata quae iamiain consummata erant, clarescerent in facto, in tantuin ut quae 
agimus, solummodo iam neu peccata sint, sed poena peccati. 

Teofrastüs. Cur talia acciderint, iam luce clarius manifesta sunt, sed quod («^ 7) 
habuerint initium, non ab re quaeritur, quoniam iure actum credimus, ut eorum 
corda obdurarentur, ne audirent culpis exigentibus: divina ultio postmodum ut 
amplius in nobis peccatoribus iuste deseviret. 

Pascasius. O dies illa, quae p^ne aeternas liuic orbi tenebras attulit et dis- 
crimina, quae pacatum imperium et unitum conscidit particulatim ac divisit, ger- 
mauitates violavit, consanguineos dirempsit, inimicitias ubique procreavit, et con- 
cives dispersit, fidem exterminavit,*caritatem delevit, ecclesias quoque violavit, et »f. y»- 
omnia corrupit! Uude cotidie civilia surgunt bella, ut ita loquar, et plusquam 
civilia.* Exercitus totius patriae p^ne liuc illucque perimitur*, provintiae, pagi, 
et urbes passim depopulantur. Si qui residui sunt, sine viribus ubique aut fu- 
giunt, aut ceduntur gladiis. Hinc undique paganorum et hostium incursiones, 
hinc quod omne vulgus conciditur, villae, civitates innumere cremantur. Heu misera 
dies, quam infelicior nox sequitur, sed nuUa infelicior illa, quando sceleratus 
Naso* vocatus est ab Spaniis, amisarius ille, qui cuncta reliquit honesta, in 
quibus erat ordinatus; et immersit se fatuus ad omnia c^ni volutabra. Siquidem 
ut advenit, acsi ferus aper, evertit palatium, destruxit consilium, dissipavit omnia 
rationis iura; consules omnes, divinos humanosque, expulit et attrivit; thorum 
occupavit, atque factiose, ita ut insidi^ viderentur manifestius, omnia pervasit; 
sicque cfcus, ut nihil aliud esse posset, quam quod ipse invenerat, postposuit 
divina. ad humana se immersit per fas nefasque, cuncta in subito convulsit ac 
commaculavit, et omnem dignitatem regiam evacuavit; foedera disrupit. confudit 
ordinem,*ut nullus esset Status; singula immutavit: diem convertit in noctem, *f. 71'. 
rursus noctem commutavit in diem. Patri abdicavit filios, et patrem filiis. Sicque 
tyrannidis eins profecit, ut excederet ultra omnes, et nihil integrum rehquerit. 

» diriinitur verm. Traube, 

* Luc, de hello cw,I,l^ veryl. Radberi, in Matth, l,XI c,24, in lamentat, lerem, l, IV, Opp^ 
ed, Sirmond col,981, 1496—1497, ' Markgraf Bernhard von Septimanien, 

9* 



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68 E. Dömmler: 

Honores debitos qui habuerant, amittebant; qui necdum, indebite qualescumque 
assequebantur. Optinii qiiique virorum, amplissimi et nobiles atque dignissimi, 
iam auctoritatem agendi omiserant*, quia profecto nuUus aliam tiinc teraporis habuit 
viam expeditiorein ad honores retinendos et adquirendos, seu ad ea quae vellet** 
vel concupierat, quam illa sequi, quae tunc tyrannus Naso mallet. Interea con- 
fregerat oinnia ossa virtutum vis feminea. Adeo*' stultus, sine oculis et sensu, ad 
omnia se immerserat. Movebatur enim iam vertigo totius imperii, ne uUus ad- 
quireret potentiam, ne uUus honorem, ne ullus facultates, sine scelere aut sine 
aliorum damnationis dispendio. Iste quippe fructus est infidelitatis et discordi^. 
Ideo consultissimum est semper serere prudentiae, iustiti^, fortitudinis ac tempe- 
ranti^ semina, ut metere possis centupHcatum fructum laboris, quam concupiscentia- 
•f. 7». rum et vitiorura moHmina, ex quo remetiatur*iudicium, et crescat ultio perditionis. 
O dies illa, dies tenebrarum et caliginis! o dies exsecranda, quando tale coeptum 
est consilium! Et haec est hora** furoris Dei, hora** nostrae ad vindlctam retri- 
Num.aa.ai. butiouis, iu qua aperti sunt oculi omnium cum Balaam arioio, ubi cecidimus omnes, 
i8*i. lo, 5. et evigilavit virga furoris Dei, ubi violata sunt omnia iura legum. 

(c. 8.) Adeodatus. Pro nefas! quod in subito tam immania, tam horribilia crevere 

in regno detrimenta, licet per partes [)eccata coaucta id exigerint^ Unde petimus 
quid fuerit, quod rursus Arsenius ad tam acerrima tamque pernitiosa periculorura 
genera se iniecerit; nee potuit fortassis providere quem*^ finem haberent, quibus 
obviam venire voluit, (quae)« qu^sumus ut aperias. 

Pascasius. Verum, frater, quia videbat mala, quae cotidie surgebant in- 
numera et immensa, sed prenoscere non valuit quae fiitura erant. Quibus, quantum 
ex se fuit, obviare voluit, et resistere pro fide regni et regis, pro amore patriae 
ac populi, pro religione ecclesiarum et salute civium, qu^, omnia cariora illi erant, 
quam sua vita. Sed quia in initio h^c non fuerant repulsa et refutata, culpis 
exigentibus impune ad omnium perniciem prevaluere, ita ut nullus iam esset fortis 
ac sapiens qui obviaret. Nam idem cum iam de sua infirmitate convaluisset, coepit 
♦f. 73'. audire*undique ilagitiosa et obscenissima , turpia et inhonesta, non qualiacumque, 
sed qualia numquam in isto nostro audita sunt saeculo. Pro quibus profecto mox 
commota sunt omnia viscera eins pietatis affectu, eo quod esset theatrum, honestatis 
olim, palatium factum, in quo tanta sortilegarum prestigia recidiva scaturrierunt, 
quauta in omni mundo iam non credebantur esse. Nee enim poterat se continere 
pre dolore et amore a fletibus, cum haec illi a bonis et summis ac veracissimis 
die noctuque nuntiarentur viris, quia quanto plus ecclesiam Christi et augustum 
una cum populo et prole dilexerat, tanto magis afficiebatur doloribus. Veniebant 
autem et primi palatii ex utroque ordine, quia omnia ita esse asserebant, immo 
peius quam vulgo dicebatur. Tum ipse per se delegit illuc qualitercumque venire, 
si forte quivisset suis argumentose persuasionibus aut consiliis sub venire, furia illa 



* amiserant verh, Mab, ^ verb. aus volet. ^ Ideo c, Adeo Traube, ^ ora 

h später übergeschr. « verb, in exegerint *" quaem a yetUyt, 8 von Traube ergänzt. 



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Radbert ^s Epitapluum Arsenii. 69 

ut rediret, antequam perturbaret oninia et subverteret. Qui veniens egit quod- 
cumque potuit; et cum augusto, et cum proceribus locutus est quod intellexerat ; 
et premonuit, in bis quae fiebant, quod senserat. Nam et belu§ factiosissim^, 
quia prius ei pater eius et ipse amicissimi fuerant, affatus est fideliter cum omni 
amicitianim obsequio. * Nee inmerito igitur, eo quod olim uxorem sibi sororem »f. 73. 
ipsius, fiiiam nobilissimi viri et magnificentissimi , duxerat. Unde ab incunabulis 
quasi pater circa eum in omnibus pium gerebat affectum, curam ac sollicitudinem, 
plus etiam quam si pat^r* esset. Sed cum vidisset, quod cecus iam mente alie- 
natus esset et per preceps rueret, dixit quodcumque potuit, licet iam moribus"* 
efferatus, quia feile concupiscentiarum inebriatus erat*', audire noluisset. Sicque 
cum in nullo proficere se vidisset, prospectis omnibus dolens ac gemens ad mo- 
nasterium sine effectu remeavit. Quem raox, dato parvissimo temporis intervallo, 
secuti sunt iam expulsi et deiecti rectores et primi palatii, flentes et lugentes, 
quod ab uno impudico violarentur omnia iura totius imperii, pellerentur optimi 
quique, et opprimerentur ubique Ibrtes et clarissimi viri, non illius virtute con- 
stupratoris, sed dolo et fraude pessim^ deceptionis. Nuntiant autem singuli peiora 
pessimis, et omnes confluunt hinc inde ad Arsenium, et requirunt quasi de fönte 
consilium. lUe autem merens ac lugens, totus animo pendebat ad Deum suspectus, 
si forte Deus in talibus suis subveniret periculis. Hortatur omnes singillatim, ut 
sustineant et expectent Dei iudicium. Deinde singuli ut redeant**ad palatium, et •f.73'. 
videant et intellegant, persuadeant quoque meliora salutis; conentur nisu quo 
possent*^ obviare talibus tantisque perturbationibus. Quo facto, repelluntur summi, 
deiciuntur eximii; colliguntur improbi, Iionorantur vanissimi, et introducuntur sce- 
lesti. Tunc itaque, bis ita compertis, renuntiaut Arsenio mala in saeculo, qu^ 
umquam vix sunt audita, ut in tarn glorioso imperio subito sie omnia fuerint per- 
mutata. Fit palatium prostibulum, ubi nioechia dominatur et adulter regnat, co- 
acervantur crimina, requiruntur nefanda et sortilega malificiorum omnium genera, 
quanta numquam credidi in saeculo remansisse, nihil de universis pretermissum 
malis, nuntiatur ubique omnibus. Verumtamen vir gravis et cautus, nee sie inter* 
dum movebatur, nisi ad lacrimas, donec eorum proderetur factio, et firmaretur ab 
ipsis, qui erant de tam pravissimis consiliis plane conscii, quod vellet idem tyrannus 
augustum perimere clam quolibet pacto, quasi sua infirmitate subito mortuus vide- 
retur, deinde filios eius, una cum optimis regni principibus, quoscumque dolo 
prius preoccupare potuisset. Cum autem haec nuntiantur a gravissimis et vera- 
cissimis viris ita absque dubio esse, nimio merore*perculsu8, misit it-erum rursus »r 74. 
atque iterum idoneas et sanct^ religionis personas et probatissimas, occulte qui 
venirent, et essent tantisper infra palatium apud quosdam, qui erant quaJitercumque 
in eisdem consiliis, quousque quid verum esset, diligentius perscrutarentur. Qui 
mox omnia ut dicta erant, a secreto vere pertractata compereruut, qualiter tyrannus, 
quando vel quomodo decrevisset fieri quod moliebatur, et quod pro c^rto iam qui 



ein Wart getilgt, *> Basur» *= am Rande ergänzt, ^ aus possunt verb. 



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70 E. Dümmler: 

conscii erant huius consilii, talia mandassent, retulerunt. Tunc una cum summis 
cousulibus et sanctis quibusdam episcopis, necuon et cum summis officialibus pa- 
latii coepit querere in fide Christi, ne talia perficerentur ad subversionem totius 
imperii, quid agere debuisset. Tunc omnes una voce, flentes et eiulantes, magni et 
summi, cum omnibus qui aderant servis Dei, constanter (dixerunt)*, quod non esset 
Deo fidelis et sanct^ ipsius ecclesiae, qui in talibus subvenire posset periculis, nec^ 
fecisset. Ita siquidem multis exortantibus accepto consilio, una cum electissimis 
et clarissimis viris misit se pro fide Christi, pro statu imperii, pro pace ecclesia- 
rum, pro amore regis et regni, pro salute fihorum eins, zelo Dei succensus, ne 
fraus prevaleret adversarii, et dignitas servaretur patriae, salus maueret civibus, 

'f74' in magnum discrimen; et salutem suam*pro iustitia et fide devotus ob omnium 
Hbertatem obtulit. AHoquin si vellet favere illis in partibus, acceptior esset omni- 
bus, et honorabihor haberetur universis. Sed is cum esset fortis animo, sancti- 
tate preclarus, iustitia vestitus, fide sohdatus, caritate fundatus, virtutum armis 
indutus, magis elegit mori, quam tale facinus et tam crudehssimum sustinere scelus, 
quod omnibus esset ad ruinam, ad perditionem, et ad exitium, si consentirent, 
aeternae damnationis. Idcirco nihil iam de se timere coepit, tantum ut prevenire 
potuisset Christianissimis principibus, presulibus ecclesiarum et omni populo, ac 
Uberare omnes de tam atrocissimo mortis periculo, quoniam omnibus bonis unus 
imminebat interitus. 

Adeodatüs. ünum debuimus deplorare, sed valde diriora nos cogunt quae 
contigerunt, quia nimium amariora et crudelissima sunt, quam quae proposuirous 
lamentari. ünde oportet ea retexere plaugentis affectu. Neque enim ille tam plan- 
gendus est, quam iugiter ista deploranda, ut avertatur ira Dei a nobis. Verum- 
tamen sie quae dolemus, fletibus commendanda sunt, ne hie noster uUis involvatur 
adversariorum criminibus: etsi singulis, quamvis facultas esset perorandi, respon- 

►f. 75. dere nequimus^quae dicuntur ad singula. Idcirco petamus potius pietatis gratiam, 
quam ingeramus interdum reprehensionum qu^relas: offeramus precordiorum nostro- 
rum dolores, quam ingenii nostri ad defensionem eins suscipere partes. Deinde, 
si acrius aliquid constanter egerimus aut hberius, quam debemus et ipsi velint, 
obsecramus tantum imperitiae vel intemperantiae ignoscant, quantum pio dolori 
vel iustitiae concedendum putant. Namque nullus maior esse potest dolor, quam 
hie noster, in quo tantus patcr in subito sublatus deploratur; tantisque a maUs 
dilaceratur infamiis et odiis, qui multo dignus fuerat amore , cotidie ef^ insequitur, 
in quo et cum quo excidium patriae, ecclesiarum eversiones, calaniitates pauperum, 
divitum oppressiones, barbarorum incursiones, cedes vulgi, bella superbientium, 
insidias universorum, et (quod atrocissimura) perditiones animarum simul immaniter 
deploramus, quia illo sprcto, cum non est auditus, haec omnia contigerunt. Qua- 
propter rogo, ne deficias, etiam minis insectatus et blasphemiis lacessitus. Et ne 
dicat aliquis, in threnis quod taha non sint coacervanda neque replicanda, sciat 



dixerunt ergänzt Mab. ^ non c. ^ überffeschr. 



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RadberVs Epüaphiimi Arsenü, 71 

quod nullo in loco ampliiis, maxime quando talia crebrescunt mala, quando veri- 
tas insectatur odiis,* quando iustitia debellatur. Sic itaque Hiereinias propheta *tis' 
post increpationes, post persecutiones et inpulsiones, ad lamenta se convertit, et 
omnia quae a<-ciderunt pro delictis amarissime deflevit. 

Pascasiüs. Bene nos hortaris, frater, nisi tanta essent, quanta rememorarc (c.9) 
non sufficimus uec intueri, non dico quae olim accideraut, sed de las tantuin, ex 
([uo iste impurus atque impius liostis oinnium religionuin confudit, conturbavit et 
pervertit, honesta omnia obscenis permiscuit, et religiosa vanis, in tantum, ncc 
mens, nee lingua, nee vox, quae narrare queat istius vecordissimi molimina, quae 
coepit ex omnium scelenim conluvione vallatus.* Arbitrabatur enim diabolicis 
omnia preoccupare maleficiis; superare non consilio, sed auspiciis preripere et au- 
giiriis, eo quod sacratissimum augustum sie haberet suis dilusum prestigiis, ut 
omnes repelleret, quos aut ipse aut magnus pater eius imperator nutrierat, a se- 
creto*, a colloquio, a familiaritate et*' consilio, a fidei fide, ab lionoribus, et ab 
omni consortio prioris vitae. Qui furia et auctor sceleris, cum esset nmnitus po- 
testate regia, prenituit*quod esset ultio preteritorum scelerum, et incrementum •r?^. 
mali. Unde factum est, (ut)*^ in regno nuUus aliud posset, nisi quod ipse vellet 
aut mandaret. Ita omnes siquidem oppressi sunt, quasi ex inditio furoris Dei , ne 
uUus änderet resistere vel contraire, quia potestas et voluntas pii imperatoris, 
acsi innocenter, cum spurcissimo erat. Quod factum ad memoriam sempitern^ tur- 
pitudinis factum est. Quandoquidem cum iam inclioarentur quae dudum cepta 
erant, quae inierant consilia, cum iter arriperet rex et regina illius sevissim^ besti^ 
ducatu; ibat augustus quasi innocens agnus ad victimam; ibat imperator magnus 
et Clemens, deceptus a qua cum Salomon cavere monuerat, immo lenonis eiusdem 
insidiis, ad mortem, qui non ob aliud servabatur, nisi cuius** potestate ius diripere- 
tur imperii, et fraus inimici redundaret in omnes. Nemo igitur est qui credat, 
nemo qui recogitet quae gesta sunt, quae acta, qualiter aut quanta, idcirco nemo 
est qui intellegat, cur aut quomodo acciderint, quive auctores fueiint mali, vel 
qui boni. Propterea* omnes inscii, mali et pessimi, Arseuium culpant, quasi in- 
centorem malorum. Interea cum haec ita aguntur, imperator^,* acsi agnus innocens '£76' 
ad victimam, cum a loco promovisset, et irets nesciens ad mortem, facta est ma- 
nus Domini super omnem populum, qui simul omnes, acsi divinitus coacti, vene- 
runt in unum pro fide regis et regni, pro salute populi et patriae, pro stabilitate 
imperii et filiorum successione, quoniam audierant omnes et compererant singuli 
de locis suis unum esse interitum omnibus preparatum. Ubi acsi divinitus evocati 
cum simul essent, retulerunt singuli mala quae audierant, nonnulli quae viderant 
et cognoverant, aut interfuerant. Quibus undique ita explosis ad liquidum damit, 
quod augusto et filiis una cum universis principibus** unum immineret exitium at- 



• se- üheryeschr, ^ a verh. in et. * ut fehlt in c. ^ eius c._, verö. von Traube. « -ea 
ühergeschr, ^ ein Wort getilgt (\usi\n\ixv\\\^?), S et \veX auf Rasur, ^ aus princi piis t?fr5. 

* Vergl, Cic, pro Sestio c, 7. 15: ille nefarius ex oinnium scelerum colluvione natus. 



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72 E. Dümmler: 

que interitus vitae. Nam et Melanins^ filius piissimi c^aris cum Ins confliixerat, 
et periciitabatur, rex cum esset una cum suis omnibus*, quia contra eum it«r ar- 
reptum erat inscio patre, ut ipse prior post patrem perimeretur. Deinde cum pro 
his universi*' quid agerent, nutarentur merore perfusi, advolavit extimis a custodiis« 
et sacramentis diu detentus, quae cum patre eo in tempore pertulerat, Gratianus^ 
et retulit voce propria quae dicta, quae gesta, quaeve futura cognoverat, quia in 

• f. 77. his longe diu*commoratu8, nihil aliud iam quam mortem imminere sibi videbat. 

Ad quos cum fugisset, narravit omnia, quae intus detentus resciverat. Ubi de 
adulterio nuUa universis remansit dubitatio, de prestigiis sortilogorum et divina- 
tionibus, tuncque per eum audita sunt, quanta et qualia nusquam iam remansisse 
credebantur, quae tunc ex omni parte orbis ad palatium coierant^, acsi antichristus 
cum suis maleficiis apparuisset. Ad ultimum vero de nece patris et de totius im- 
perii edixit subversione, qualiter auspiciis, auguriis, consiliis, atque insidiis, nec- 
non et omnibus malignis artibus esset prefixum. Tunc omnes hi proceres et filii 
duo, Melanins^ et Gratianus, qui aderant, decemunt potius mori debere eos, quam 
ultra haec quoque consentire, ut unus eis scelestus, flagitiosus et auctor totius 
malitiae omnibus esset in contumeliam, in ruinam, et in obprobrium sempiternum. 
Quod sane consilium et defiuitionem tunc Arsenius cum divino timore merens ac 
dolens consensit, quia nullum iam alium evadendi ingeuium in venire potuit: non 

• f. 77'. ut augustus® imperio privaretur, aut inhonest« (quantum rei eventus sinebat)*in 

aliquo aut ab aliquo tractaretur, sed ut hostis pelleretur una cum suis complici- 
bus; et moechia quae iam publica erat, in confusionera omnium ne diutius cela- 
retur. Sortileg^ ibidem adgregate, divini, conie^tores et muti^ necnon somniatores, 
et hi qui exta consulebant, vel alii quamplures malignis instituti artibus, a sacro 
pellerentur palatio, quorum tanta et talia erant nefandissime artis presagia, etiam 
ut plurimos traherent in errorem, quia videbantur omnia diabolic^ artis figmenta 
in mundo repuUulasse, in tantum, cum haec omnia ita fraude seu dolo circa au- 
gustum agerentur, ut in nullo penitus sentire posset cotidie quae fiehant. Ah'oquin 
malitiosis nisi esset preventus artibus, nequaquam fieri posset, ut iidelissimos quosque 
consules et sanctissimos presules non audiret, vel crederet sibi talia narrantibus, 
quos olim semper in consilio habuerat. Non enim alium in fide recipiebat, nisi 
quem lustina^ vellet, neque alium aut« audire, aut diligere valebat, aut assentire, 
quo usque ista viguerunt, nisi quem illa ei in fide commendabat, et, quod prodi- 
giosius est, ut aiunt, nee aliud velle, preter quae ipsa vellet. Unde quidam episco- 
♦f 78. porum,*cum coram eo adstarent omnes presules Christi et senatus totius imperii, 
necnon et omnis populus, eumque iam arguerent constanti fide pro talibus: 8cio, 
inquit, quamvis talia et tanta quae dicuntur, male deceptus his artibus actenus 



* aus omnia verh. ^ univei'sis s getilgt ^ coierat c. ^ -us übergeschr. 
« ein oder zwei Worte getilgt, ^ scheint fehlerhaft, 8 am Rande ergänzt, 

* Pippin, König von Aquitamen. ' Ludwigy König von Baiern, • htdith. 



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Radberfs Epäapkiurri Arsenii. 73 

a8sensi88es\ cum his exutu8 fueris quibus vestiris, quia te recipies, et eris optimus** 
imperator, quod semper ante fuisti. 

Adeodatus. A saeculo huiusmodi res gesta , quantum video , non legitur, ut 
populus pro principe contra principem sie ageret. Fuit enim, aestimo, aut nimia 
dilectio senatorum et presulum circa augustum et eins prolem, clarescentibus causis, 
quod eum t^m reverenter rursus erigunt in regnum; aut ceca temeritas, quod talia 
presumpsere nullis extantibus, nisi vulgi aestimatione, causis, moechi^ sortilogo- 
rumque et aliis quibuslibet quorundam offensis. Unde non mihi videtur, quod 
pro talibus deberet omnis religio ecclesiastica et ordo totius populi itatenus insur- 
gere et commoveri adversus ossärem, nisi forte aliud lateat, quod gravius videatur. 
Et hoc petimus, quia in eadem concione et negotio fuisti, paulo clarius aperias, 
ut Arsenius noster magis excusabilis videatur. 

Pascasius. • Verum , ut ais, in eadem concione me fuisse, quando univerei (cio.) 
principes simul pacifice, quantum intellegere tunc potuiäius, aggregati, de his alter- *^'^^'^ 
cati sunt contra augustum; non abnuo, sed omnia retinere quae dicta quaeve re- 
^ponsa sint, omnino nequeo. Nee itaque mirum, cum et vos ea non recolitis, quae 
in brevi paulo superius connumeravi. Alio([uin nisi immemor esses, certe aut ca- 
lomniator, numquam parva quae dolenda retuli, existimasses , quoniam nihil sce- 
lestius esse posset, si proceres regni, et creati iam reges filii, fieri permisissent** 
quae connumeravi. Unde rex in illa concione, cum populo gratias pro his referret, 
quam vis in corde aliud occuleret: *Vos enim, inquit, fecistis, qualia numquam po- 
pulus umquam fecisse cemitur, quia et ego prior admisi et feci , qualia nullus ante 
me rex fecisse invenitur. Et ideo, inquit, gratias omnipotenti Deo, qui tam im- 
minens malum ad tam pacificum deduxit exitum. Porro deinceps nihil tale, nihil 
sine vestro consilio me acturum ulterius profiteor. Imperium namque a me, ut 
olim ordinatum est una vobiscum et constitutum, ita mauere decerno et volo. Fe- 
min^ quoque huic, quam adiudicastis, quia mea est in illa ultio, iuxta*communes ȣ.79. 
leges, sicut deposcitis, vi tam concedo, ita tamen ut sub sacro velamine* deinceps 
degeat, et poenitentiam gerat'. Quibus ita pacifice in eadem concione dispositis, 
relevatur in throno gloriosus imperator, et erigitur cum laudibus, et subditur ei 
omnis populus in fide amplius fidelis, si posset fieri, quam prius. Talis quippe 
est infideUtas Arsenii, falso ut opinantur, quibus non est precognitum, quod suo 
sapienti consilio tyrannum prevenerit, ne perficeret quae moliebatur, ut perimeret 
augustum, prolemque eins omnem extingueret, et uxorem, quam infideliter coin- 
quinaverat, acciperet. Cum qua, si cederetur, imperium pervaderet, et omnes se- 
niores terrae aut interficeret aut male subiugaret oppressos; sin alias, ad Hispaniam 
cum ipsa se transponeret. Propterea ergo dedit se periculo Arsenius, et liberavit 
omnes a tanti sceleris malo. Nihil itaque idem contra c§sarem, quamvis aliter in- 
scii malignantes sentiant, sed pro c^sare fecit et imperio, pro patria et pro omnibus 



• das ßtr^te s in Rasur übergeschr, ^ optimis c. <* permississent c. 

^ In dem FrauenJcloster zu Laon. 
Philos.'histar. Abh. 1900. IL 10 



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74 E. Dümmlee: 

maioribus natu, pro fide et zelo Dei, pro religione Christianitatis et salute civium. 
Rescinduntur* ergo eo in facto paulo post** iura legum omnia, divina scilicet et 

• f. 79'. humana. * Occultabatur autem nimia fraus , quasi 8ub fidei scemate et voluntate 
itai. s,3o. regia. Hinc hercule est, quod adhuc hodie plures in eo errant, et dicunt bonum 

malum, et malum quod omnes tunc detrectabant, bonmn. Ex quo sane malo in- 
numera creverunt et cotidie atraciora crescunt mala. Tunc tarnen eum quasi 
liberatorem omnium omne^ magnificabant, et extollebant ubique laudibus, maxime 
cum c§sar augustus Honorius ab Italis evocatus* venisset, eo quod consortem im- 
perii lustinianus^ sibi olim et successorem totius monarchiae cum voluntate et con- 
sensu omnium eum fecerat, quem una cum patre prefatus exterminare et subvertere 
conabatur, cum reliquis fratribus suis regibus. In cuius nimirum adventu detecti 
sunt plurimi et quae dicebantur reserata. Pro quo consilio illius furiae frater', 
quia convictus et confessus est consensisse, in eodem placito cecatus est iudicio 
publico, vita sibi clementer concessa. 

Sed quia cuncta quae fiebant, non erant ex corde lustiniani neque ex animo, 
quoniam ab emulis vere fidei et iustitiae instigabatur et adulabatur, femineo rursus 

• f. 80. devictus instinctu, quasi multa contra eum inhonesta,*non pro fide facta fuissent, 

qui nisi se de bis vindicaret, bene deinceps regnare non posse, rursusque si ablatam 
sibi uxorem non reciperet post velamen. Tegitur interdum vulnus in corde yalde 
defixum, augentur complices iterum, ut rescindatur imperium. Honorius, qui erat 
longe diu consors a patre et ab omnibus procreatus imperator, removetur a potestate, 
repellitur a consortio; sacramenta universorum, quae illi facta fuerant, auctoritate 
paterna violantur; boni quoque atque incliti viri, qui dudum pro fide certaverant, 
tyrannum fugarant, moechiam et universa turpia a conspectu palatii pepulerant; 
qui patriam et populum salvarant; qui etiam aügustum, ut diximus, et filios libe- 
rarant; qui seipsos cum multo discrimine post talia, quibus eum restituerant in 
tbrono imperii, una cum filii consortio in fide, qui pro fide egerant, subdiderunt, 
ita ut in eis nihil nisi fides et veritas appareret, — sed insidiantibus malis qu^ritur 
oportunitas temporis et locus electus: disperguntur universi, qui ei prius fidem 

• f. 8o'. servarant, senatus exiliatur, et magnati omnes, atque olim carissimi et primi*dam- 

nantur palatii, inter quos etiam Arsenius noster® rapitur, pontificum tamen officio, 
iubente augusto, acsi cum honore ingenti exiliatur. Retruditur autem et elevatur 
in quadam longissimo terrarum spatio altissima et artissima specu*, quo nuUus 
esset accessus, divino agente iudicio, nisi angelicus. Ubi cum non post diu ab 



* -ditur verb. in -duntur. ^ paulo post am unteren Rande nachgetr. ^ ein 
Buchst getilgt 

* Lothar y im Mai 830. * Ludwig der Fromme im Jahre 817. • Heribert, Bern- 
hard's Bruder, vergl. Bondurand, Le manuel de Dhuoda p. 238. ** Vergl. unten c.l2; 
Radbert* s Vorrede an Placidius {Martene et Durand, Ämpliss. collect. IX, 378): Praefatus autem 
pater, uti iustitiae faventibus moris est, exiliuin fert pro fide, illo ut utar comici {Ter. Eun. T, 
2, 25), cjiüa pleniis rimarum veritatein sciens silere nohiit. 



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Radberfs Epitaphium Arsenü. 75 

angusto directus ob eöclesiasticarum rerum et monastica negotia devenissem , quan- . 
quam non sine periculo, ob suum solamen ad eum visitandum ascendi. Ubi simul 
inter salsissimas abundantissime gaudii* et meroris lacrimas laetum, etsi tristes, 
duximus diem. Laeti quidem de mutua visione et conscientia pura, quia in eo nuUa 
erat reatus culpa; tristes vero, quod pro taute virtutis beneficio exilium tulit et 
odium et custodiam carceris et iniuriam dir^ calamitatis. Cum quo cum essem, 
inter dulcia amaraque verba, volui ei persuadere, ut in aliquo se excessisse fate- 
retur, et deinceps quae augustus vellet, in omnibus assentire, si quo modo una 
cum quibusdam amicis agere quivissem, ut in gratia rediret: quod et caesar satis 
optabat, si ei solummodo consensisset. Ad quod idem: *Miror te, inquit, si de 
mea in aliquo dubitas conscientia, qui nihil mihi de his negotiis, pro quibus*cul- *f. si. 
por, magis quam tibi sum conscius. Idcirco te oportuerat amplius me pro iustitia 
persuadere certare debere, quam vel in modico tepescere, vel contra verum quip- 
piam, vel contra quod honestum est, assentire vel confiteri\ Tum ego: 'Nequa- 
quam , inquam , dubito , neque amplius vellem in hac parte , quam excessus verbum 
et adsensus de vobis habere, quia in his duobus credo amicos et me obtinere posse 
non solum veniam pro offensis , verum et ampliorem gratiam , honores quoque pro- 
prios et maiores, insuper quicquid de eo et ab eo vobis placuerit'. Tunc ita ille 
subsannando paululum subridens: 'Tu forte, inquit, eum et omnes eos qui eum 
favent, in tua ^timas potestate? Numquid Dei iudicia non pertimescis? Quid 
81 ^o falso contra me protulero sententiam confessionis et reatus^ mendacium, 
relicta iustitia vere fidei et puritate cordis? Potest igitur contingere, ut in con- 
trarium vertatur sententia, divino exigente iudicio, quam tu existimas, et si ego 
pro ullius gratia aut pro honoribus, vel timore vel favoribus, veritate rehcta 
falsum contra me dixero aliquod, et in his deprehensus Dei iusto agente iudicio, 
proprio condempnatus ore, mortis sententiam excepero, dum leviora vitare me* *f. a.«. 
rogas pericula, et honores querere vel gratiam, cavendum, ne crudeliora excipiam, 
et dum temporales iniurias fugere vel honores querere me rogas, ineffabili dispen- 
sante iudicio , sempiteme mortis damnationem adquiram. Quapropter, frater, stemus 
in via veritatis ingressi, et spem habeamus, quia haec nos ad vitam sempitemam, 
quae Christus est, admittunt*. Unde his dictis confusus silui. Et constat, quod 
in eo nulla conscientia erat, nisi secundum Deum et propter Deum, circa augustum 
et filios, circa patriam et ecclesias, circa proceres et magnatos, circa religionem 
et salutem popuU, quia non sua in ullo, sed quae Christi erant, quaerebat. Id- Phn.2,31. 
circo errat, qui arbitratur Arsenium in periculum exilii vel capitis vocari, quod 
deliquerit in his negotiis aliquid sciens vel volens, quod patriam l^serit, quod ma- 
iestatem imperii violaverit, quod augustum et filios inhonoraverit^, quod fidem 
corruperit, quod pacem perturbaverit. A bonis enim et prudentibus non accusatur, 
quod ecclesiastica iura non dilexerit, regis gloriam et imperii ampUtudinem non 
amaverit, sed quia nimium ea diUgendo in aUquo deliquerit. Propterea merito 

* verb* aus gaudia. ^ s späiar kimuff^ügt ^ exinhonoraverit e. 

10* 



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76 E. Dümmleb: 

• £83. non reus citatur malivolentiae in Ins omnibus, sed reus^virtutis, quoniam i^a^t ^' 
*^^* '* persecutianem patiuntur propter iustUiam, Vocatur autem iure novus virtutum homo, 
qui perniciosum fraudis et doli restinxit insaniem et furorem; caesarem liberavit 
a morte, filios a perditione, regnum et imperium ab invasione tyranni. A palatio 
namque sacri imperii pepulit omnes abominationes, moechiam fugavit, sortilegas 
damnavit personas, honestatein restituit; patrem filiis, et filios patri reddidit, mon- 
archiam tunc ire in partes non permisit, sacramenta filio augusto facta violare 
vetuit. Omnia quippe bona servare voluit, et mala deicere ac proterere, quatinus 
tutam et tranquillam secundum Deum vi tarn omnes viverent; electio quae soUem- 
niter facta fuerat in filio a patre et ab omnibus et consecratio imperialis apoato- 
lic§ sedis auctoritate firmata, inconcussa maneret, ob pacis concordiam, ob mon- 
archiae firmitatem et principatus laudem, ob honorem et gloriam Christian^ 
religionis, quae pene iam ubique a perfidis et inimicis tanti nominis conculcatur, 
affligitur, et tenetur. Voluit enim sui consilii vigilantia providere, tam gloriosum 
regnum et Christianissimum ne divideretur in partes, quoniam iuxta salvatoris 
Matüi.ia, vocem, omne regnum" in seipsum divisum desolabüur: quod hodie omnes factum satis 

♦£83'. dolemus, momentis singulis et plangimus. Voluit iuramenta, ut diximus, quae 
facta fuerant Honorio, et fides promissa integra servaretur, ne tantis populus uni- 
versus fuscaretur periuriis. Voluit ut unitas et dignitas totius imperii maueret ob 
defensionem patriae et ecclesiarum liberationem , ob integritatem rerum , et dispen- 
sationem facultatum ecclesiarum: nunc autem, ut cemimus, omnia sunt immutata 
vel perturbata. Quapropter advertat* quilibet inimicus et intellegat, quam preclaris 
Arsenius ornatur virtutibus; quam multiplicibus pro iustitia commendatur testi- 
moniis, quem non boni et probi viri dilacerant vel infamant, sed nocentes et 
maligni vel inscii rumoribus decepti insectantur odiis, quem honestissima et lau- 
tissima ubique commendant acta, et protestatur vita. Idcirco qui cupiunt eins 
detrahere vi tam et imminuere laudes, seipsos accusant, quod aut non habeuit 
sensum, certe aut noluerint virtutibus decertare, adulatores eflfecti, ne talia quae 
plangimus, devenirent, alioquin gloriam querere et honores vanum est sine la- 

•f. 83. boribus et virtute. Unde habeat noster Arsenius laudem, quia ipse sibi**una cum 
Christi gratia §tern^ vit§ conquisivit honores, habeat famam et preconia, quia^ 
iam ei post inhonorationes, post exilia datur vita et immortahtas. 

Adkodatüs. Obstupesco, satis nee admirari queo virum, qui tantis et mani- 
festis attollitur pr^coniis; qui omnium ore laudatur; de quo conscia est omnis 
ecclesia , omnis populus , quod mala quae tunc vigebant et augmentabantur semper 
suo depulerit consilio, gloriam regi et imperium ac filiis servaverit tantisque ob- 
viare malis voluerit, ne provenirent, quibus nunc omnis ecclesia, omnis populus, 
omnis aetas et ordo patitur et plangit. Quid est, quod sentire nolunt et intelle- 
gere, presertim cum et ipsi eisdem vexantur malis, nee volunt animadvertere nee 
sentire, unde vel a quo haec exorta sint, a quibus procreata, vel a quo nutrita 

• avertat c, adv. Tr. ^ nach quia /olgt ita getagt . . 



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Radherfs Epitaphium Arsenil 77 

et propagata? quia si Imlus auditum esset consiliiim, longe aliud foret quod Om- 
nibus profuisset et omnibus liodie placeret. Sed ne prevaleret consilio contra 
insidias malignantium obpugnator malorum, contra improbitates iniquorum, immo 
contra ipsumque augustum, qui contra filios, contra imperium, contra patriam, 
contra salutem popub', ut manifestum est cotidie, potestate, honoribus, ingenio, 
arte qua poterat, armis, multitu*dine militum decertabat, expellitur, deicitur, exilio »f. 83'. 
mancipatur, religatur, ut asseris, altissima in specu; ne uUi mortalium iam ultra 
consilium salutis porrigere posset, quod voluntati pessimf obviare posset. Quo- 
niam non precedebat sapientia vel consilium, ut voluntas bona duceretur ad pro- 
spera et salubria, sed preibat inten tio prav^ voluntatis et agebatur astutia, ingenio 
et potestate iniqua, ne frangeretur semel deliberata crudelitas et cepta voluntas. 

Pascasiüs. Animadvertis, frater, vorax incendii flamma quo veniat, quia (cn.) 
nisi esset quibuslibet prestigiis mens male delusa, et inflammata potestas, conser- 
vata voluntas invicta, fidelium fides cum omni reverentia humilis et devota, ne- 
quaquam agere potuisset tarn pemitiose contra suam et omnium salutem, partim 
persuasionibus, partim potestate et ingeniis. Sed quia fides eorum fuit intemerata 
et incontaminata; qui boni erant, nimia decepti reverentia, noluerunt iniuriose 
contrahire* ad primum, ideo incurrerunt damnationis discrimen, et facta est ruina 
pene omnium una. Unde identidem, cum esset in eadem specu, plurimum de se 
laetabatur, quod pro iustitia iniuriam^ pateretur:*sed dolebat pro periculis, quae «f. 84. 
imminere i^amiamque videbat, dolebat quod boni et optimi obpugnabantur; viri 
innocentissimi et fideles quique premebantur et exhonorabantur, tradebanturque 
exiliis, carceribus, et diversis iniuriarum fatigiis. Qui cum pene inter nubes iste 
elevatus vitam ageret (quantum mortalibus fas est) angelicam , non satis tuta visa 
est augusto et suis, fautoribusque Iustin§, quae redierat in coniugium, eius custodia, 
propter Honorium, qui illis in partibus et ipse reiectus rex a consortio imperii 
morabatur. Verebantur enim, ne consilium salutis daret eidem vel primoribus^ 
per quod iniquitas frangeretur, et cessaret cepta virtutibus superata crudelitas. 
Propterea quam cito deponitur de specu precelsa, et transportatur ad Herum infra 
Oceanum insulam\ omnium terrarum ultimam, si quomodo cum beato lohanne 
solummodo quae divina sunt cernat, nee valeat humana contingere sensu, vel re- 
cuperationis ulli porrigere verba, 

Teofrastüs. Quantum mente concipio, calamitas inlata viro et exilium sine 
lege, sine iudicio, sine culpa, immo pro fide, pro defensione, pro iustitia, non 
poena peccati est,* sed preconium laudis, quia non imminuit clarissimi nominis «f 84'. 
gloriam, verum etiam illustravit, et honestam ubique aspergit famam. Nam si 
qüis hodie illuc*' venerit ubi fuit, sentiet odoramenta virtutum qu§ reliquit, quoniam 
omnis vita eius plena gravitatis, plena operibus bonis, plena religionis fuit^ ideo 
ei laudem ubique ad sempiternam memoriam temporis pressura vel tribulatio pro- 



* <i. h, contraire. ^ iniuria c, ^ s vor ven. getagt. 

* VergL Vita Adalardi c, 32 p, 320: mittitur quasi unus ex ignobilibus ad Herio iosulam. 



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78 E. DOmmleb: 

pagavit. Quia etsi optabilius est cursum vit^ conficere sine dolore et sine iniuria, 
tarnen ad iinmortalitatis gloriam et fructum aetemae retributionis plus affert pre- 
mii labor pii certaminis, quibus nuUus est finis, quam delicata quies. Propterea 
idem semper fortis et constans in omni optima ratione et labore pio fuit, semper 
mansuetus et patiens; paratus excipere cum omni devotione quicquid virtus divina 
decrevisset. Non enim exilium sibi, ubi vel ubi* esset: quia cum Deo erat, sed 
a.Cor.a,i5. patriam deputabat. Erat igitur in omni loco cum apostolo banus odor Deo^ et ideo 
ad famam et gloriam sancti nominis huc illucque deportabatur. 

Pascasius. Ita est ut asseris, et ideo non exulem eum apellare licet, sed eos 
*f-8s. qui eum exulare cogebant. Quoniam ipsi in quocumque loco essent,*exulabantur 
a se, a sensu, a consilio, cum omnem patriam civibus et optimis curis simillimam 
exilio suis sceleribus reddebant. Quid est enim exul ipsum per se nomen? calami- 
tatis utique poena^ et turpitudinis. Quando igitur est turpe? revera, eum est 
poena peccati. Opinio est etiam hominum, sicuti huic, cum est poena iniuste 
damnati. Alias autem hie non in peccato suo nomen tulit exilii, sed decreto in- 
iusto iuste Deo agente. Quia nemo tam insanus mente, qui peccatum dicat agere 
sanctö consilio, pro fide, pro vita caesaris, pro filiis etimperio, pro salute populi 
et salvation^ patriae , pro iustitia et legibus augustorum , pro stabilitate et unitate 
regni, pacisque concordia, pro depulsione vitiorum et abominationum, pro adol- 
terio, quod ultimum est, et pro contumelia totius imperii. Adeo igitur nemo 
furiosus, nemo insanus, nemoque tam imperitus, qui felices eos censeat vel sensatos, 
qui talia contra conscientiam , contra salutem omnium facta laudant, et hunc vi- 
tuperant, quasi non felices fuerint hi omnes, qui pro iustitia agonizantes tales 
sustinuerunt iniuriarum triumphos. De quorum omnium coUegio electus est suo in 
•f. 85'. tempore iste, qui pro eximiis beneficiis et innumeris'^contumeliarum honores per- 
ciperet. Hinc etiam novo genere*^ ad Herum magniiicentissime honoratus ad exu- 
landum dedudtur, teste conscientia eorum, qui talia ministrabant consilia, quoniam 
innocens et optimus non ob aliud sie vexabatur, nisi ne contrahiret*^ bonis consiliis 
pessimos conatus. Agebant eigo, quod omnes olim perfidi contra sanctos exer- 
cuere, unde et iste similia pertulit, conpassus, ut conregnaret. 

Adeodatus. O prodigiosa inten tio et nefanda! Quis umquam audivit, ut 
aliquis eos odiret, quorum consilio et providentia reservatus esset ad vitam, sui- 
que ac sua eorum salvata fide et auxilio, vel quis ita sapuit, ut illos diligeret 
ad consensum, qui hostes sui erant suorumque, quorum contumeli^ spurcitiamm 
honestatem eins omnem suo scelere foedarant? heu quam nov§ obscenitatis dementia, 
ubi omnia vitiorum ostia aperiuntur, quando lustina, etsi poUuta, recipitur, quod 
non corrigitur, neque datur locus timori, ut corrigatur. Unde huic parantur in- 
sidi§, et removetur de loco ad locum, quoniam vitiis ubique virtntes displicent; 
*r. 86. nee satis tute creduntur a vitiosis, dum alicubi esse creduntur. Idcirco'virtutis vir, 

» cum folgt in c. ^ utique poena am Bande nachgetr. « hier ist et getilgt, 

^ d.h. contrairet. 



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Radhert^s Epitaphium Arsem. 79 

castitatis amator, iustitiae defensor eicitur huc illucque sine testibus, quia publica 
erat eius virtus, sine iudipio, sine crimine, sine audientia et sine scelere. Qua- 
propter velim ad Herum deportatus, ultimam terraruQi insulam, quid egerit pandas. 

Pascasius. Fateor, plane quod aromata solent, quod in predicta specu, nisi (eis.) 
quod ibi c^lum et Penninas Alpes nee non Limanium lacum cernebat, hie vero 
solummodo mare caelumque; hie autem et illuc Deum meditabatur in mente, secum 
semetipsum semper sibi presentem ferebat. Cernebat autem, iuxta David, mira- Ps. 93«4- 
bäes ekUiones maris, cernebat mente in altis Dominum. Ergo considerabat rotas et 
volubilitates, quibus vertitur saeculum; se autem gaudebat in solido constabilitum, 
et congratulabatur plurimum, quasi in paradyso deliciarum pre amoenitate nimia 
constitutus, eo quod evasisset de profunde iniquitatis, ubi indesinenter elevant 
flumina sibi compugnantium fluctus usque ail caelum, ab impulsione daemonum, 
nee tamen operiunt terras , quorum fluctus et elationes sicut nemo qui denumerare . 
possit, ita potentiam* divinae dispensationis nemo qui apprehendere queat. Unde 
fidehs quisque^audiat vocem Domini cum Aisenio dicentis mari et saeculo: Usque »f. 86'. 
huc venies, et kic confringes tumentes ßuctus tuos. Alias autem, nisi his soUdatus esset ^°^'^^'"* 
promissionibus , et fundatus super firmam petram, inter tot volumina iniuriarum, 
conlisiones et fragores temptationum , tam immobihs et inconcussus non permaneret. 
Ubi non diu, pro nefas! cum beato lohanne, etsi inferior, cum exultatione et alacri- 
tate cordis divina cernere Ucuit mysteria^; tamen quantisper iucunditate refectus 
aeterno contemplationis, reliquit bonum exemplum fratribus et posteris famam 
sanct^ religionis. Et quia nullo in loco satis (tutum)^ creditur, quod timidius formi- 
datur, idcirco nee hie extra solum, acsi extra mundum, retrusus permanere pa^ 
titur. Nam et lohannes in carcere religatus pertimescitur. Unde et lustina, iam 
enixa, cum ad coniugium redisset velamine conculcato, requisivit quo idem esset, 
quem nullo in loco vivere, quantum arbitror, voluisset. Sed et invidus omnium 
bonorum diabolus, invidit diutius cum frui tantis virtutum oblectamentis; quia 
nullo in loco esse poterat in hac vita mortali , quo magis delectaretur, ideo remo- 
vetur a tam amoenissimo delitiarum loco. 

Adeodatus. Qu§so pandas nobis quid fuerit,^ quia iam nullus tutior invenitur (e. 13) 
locus neque remotior, quod inde expellitur, ubi nuUus accessus hominum videtur *^'^'^' 
neque recessus, nisi longo maris navigio. Nam et ibidem olim Antonium^ positum 
fiiisse ob firmissimam constat custodiam. Unde et iste ab omnibus plurimum ama- 
batur, licet suis satis iamdudum bonis et beneficiis amaretur. Qui profecto An- 
tonius multa virtutum deposita ibi reliquit, apud Deum merita commendavit, et 
secum ubique aromata virtutum portavit.^ 

Pascasius. Quod interrogas, qualis occasio fuerit, prius ostendi, qualem et 

» potentia c, ^ tu tum nahe ich hinzugefügt. <^ verb» aus antenium. 

* Vita Ädalardi c, 39 p, 323 : Et credimus , quod caelestibus pastus sit sacramentis , ut, 
ciü vetitum erat solum terrarum cernere, lohannis exeinplo caelestis patriae Inquisitor fieret, 
» Vergl. Vita Ädalardi c. 40, 41 p. 324. 



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80 E. DOmmler: 

lohannes habuit in carcere, ut feriretur gladio. Tarnen Melanins rex illis erat ad- 
finis in partibus, super quem manus mittere decreverant. Ne consilio iuvaretup, 
pro Visum est, quia idem multis cecabatur peccati actibus. Hac quippe occasione, 
quam vis cum honore, quia venerabatur meritis et timebatur consiliis, relevatur 
cum iniuria exilio, et deportatur officiosissime, quasi incensum odoriferum, per 
medias Gallias ad Germaniam. Ipse vero semper ubique secum patriam ferebat, 
quia ubique notus, ubique dilectus, ubique ab omnibus quanto innocentior, tanto 
carius amabatur. Equidem iam perfunctus temptationibus , nuHam vim, uuUum 

♦f. 87'. metuebat imperium, etsi necdum expleverat animos adversariorum , neque placa-* 
verat odia improborum; saturaverat tarnen tautisper perfidiam et scelus proditorum, 
quamvis non ad plenum, quia reluctabat animo quod volebant. Et ideo timore 
afficiebantur, ne bonis subveniret consiliis, et fraus detecta deperiret. Non enim 
ei hostes erant iam expulso, sed virtutibus, quas ubique amittere non valebat, 
Dei protegente auxilio. Quid plura, reliquit monachorum alvearium virtutibus 
mellificatum; et ecce cum gaudio rursus, ubi perducitur ad Germaniam, monacho- 
rum chorus eum suscipit, rursus episcoporum ducatu ad eundem locum et abba- 
tum, quamvis inhoneste, quodammodo honestatur. 

Teofrastus. O misera nostra temporal o stult§ discordiarum nostrarum in- 
sidi^, qu§ ad tantam civilium debacchationem perduxere pacatissimum regnum! 
sed felix de quo ubique tanta virtutum respergitur fama. Puto quod nuUa sit 
regio, nuUum terrarum nostrarum solum, etiam ultimarum, non pontus*, non in- 
sulae, non littora, non locus, non domus, non civitas, in qua non extent huius 
viri laudis preconia, et ubi non maneant impressa casti consilii vestigia, quae 
cunctis prestitit cum iacredibili gravitate, virtute, atque constantia, et puritate 
cordis. Erat enim in eo integritas nientis, religio sancta, diligentia rerum , mode- 

♦ f. 88. ratio • virtutum , quibus auctoritas in eo plurimum commendabatur. Idcirco , ubi 
vel ubi quasi Qximius venerabatur patronus et ducebatur, quia in eorum etiam 
conscientia venerabilis erat pro vit^ merito et virtute, a quibus, quantum in ipsis 
fuit, exilio damnabatur. Sed omnino illi non erat exilium, immo augmentum 
meritorum, quia, sicut in psalmo canitur, eundo ibat de loco ad locum, mittendo 
Psai.125,6. semina sua, Ubique confessores Christi intercessores habuit; ubique eorum exempla 
exortationis gratia sibi a üeo prestita invenit; ubique et ipse confessor sua reli- 
quit; et monachorum catervam, inter^ quos fuit, secum habuit, quorum commen- 
daretur precibus, foveretur solatiis, et sollempnibus mulceretur officiis; quos et 
ipse suis instruebat exemplis, exortabatur oraculis, prestruebat consiliis. Unde 
adhuc hodie in eisdem locis, quocumque fuit, plurimum diligitur et amatur; pre- 
dicatur quoque et commendatur incessanter, etiam ab^ his, qui eum non viderunt, 
quatinus eius semper fama vigeat et preconia. 

(c. 14.) Pascasius. Veruratamen in eodem, ad quod pervenerat monasterium, non 

diu rursus licuit permanere, ne forte Gratiano illis in partibus misceretur consiho 



po Iltis c. ^ -ter übergeschr» •* 'üheryeschr. 



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Radberl^s Epitaphium Arsem. 81 

vel colloquio, quoniam ipse ubique idem erat; et secundum Deum*quae semel velie ♦r. ss-. 
debere deliberaverat, infatigabiliter tenebat, ne virtus aniini uUis frangeretur mo- 
lestiarum iniuriis. Quid plura? reducitiir ad proprium eisdein privatus hoDoribus 
coenobium, quibus* venerabatur ubique, ne locum haberet contra volun tatein semel 
inlapsam agendi. Qua de causa, cum redisset, non minus merore, quam gaudio 
suffusi sumus, quia hinc mesti, quod suo privabatur officio, hinc vero l^ti, quod 
eum saltim videre meruissemus nobiscumque habere licuisset. Ubi cum quanta 
humilitate et subiectione interdum^ fuerit, quam devotus et paratus ad omnia, credo 
quod a memoria non delebitur. Etenim paulo post, quamvis multis fatigatus in- 
iuriarum molestiis, advenerunt missi apostolici^, regumque filiorum et seniorum^, 
quod omnes simul cum eodem sanctissimo advenissent, pro pace et unitate, pro 
indulgentia et satisfactione patris, ut veniam impetrarent auctoritate pontificis et 
salvaretur imperium. Qui detulerunt epistolas ex omni auctoritate divina valde 
gravidas, et precipiunt cum omni adiuratione, quamvis pro bis multa* iam per- 
pessus, ut in adiutorium summi antestitis obviam veniret. Quod si nollet, iusse- 
ruut augusti vi eum abducere, cum omni tamen honore et reverentia. Quod cum* »f. 89. 
audissemus omnes, pertimuimus valde, maxime quia totum a militibus nostrum 
occupabatur coenobium. Nos tamen primum nesciebamus , quid sibi vellent. Unde 
plurimum expavimus et qu^ivimus quid esset. Tum illi rei veritatem pandentes, 
sed idem ire cum eis recusavit. At illi in nos irruentes dicebant, quod si aliter 
non possent, vi eum auferre deberent. Quibus profecto dictis, hinc inde valde 
merore ac terrore afficiebamur, quoniam multum nobis et illi pariter imminebat 
periculum, facere, aut non facere quod rogabant. Siquidem pro multis eins iam 
periculis nimium tristabamur, et quia in nuUo prius profecerat , ne rursus repeteret, 
deterrebamur. Ostendebatur coram auctoritas et legebatur summi pontificis, pro 
pace, pro reconciliatione patris et filiorum, principum et seniorum, pro statu cccle- 
siarum, pro adunatione popuh et salvatione totius imperii. Erant aut^m et alii 
ex parte filiorum pro eis rogantes eum, ut illis suis succurreret consiliis, qui iam 
pro eis multa pertulisset, ne eos in fine desereret discriminis. Nuntiabatur et 
virtus divina, quae pr^ruptam viam Alpium Penninarum obviam coram sacrosancto 
complanasset apostohco, quae obstrusa multis fuerat argumentis, ne ultra* de illis «f. 89'. 
in partibus ullus amplius huc transiret exercitus, quae ultro, ut fertur, aperta est eis. 
Quibus ita prolatis, et aliis innumeris dictis, coepimus exortari eum, ut oboediret 
pro pace summo Dei pontifici, etiamsi eum mori cum eo contingeret, quoniam 
multa est, inquimus, auctoritas, qua vocaris, multa etiam necessitas et iustitia, pro 
qua vocaris. Nee minor itaque oboedientia, sub qua devotus Deo bonis et sanctis 
oboedire congruit tanti pontificis, una cum ceteris sanctis Dei fidelibus, iussis. 

Adeodatüs. Hoc est quod multi calumniantur, quasi non oportuerit de bis 
eum ultra curare, neque talibus se admiscere negotiis. Cum omnino Spiritus sancti (c. 15.) 

• quia c, quibiis Traube, ^ dicentes oder dgl. zu erg, ^ multis r., verh, von Traube. 
» Für interim (s. oben S. 39 n. 2), « Gregor 's IV, im Jahre S33, 

IMos.'histor. Abh. 1900. IL 11 



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82 E. Dümmler: 

gratiae^ nuUa prescribit auctoritas cuiunlibet regulae; immo cuncta. Christi dispensat 
Providentia, singuli quantum in singulis vel quomodo proficiant officiis. Siquidem 
considerandum quid quisque agat vel quomodo et ubL Quia, sicut in eadem legitur 
regulaS claustra sunt monasterii virtutum instrumenta et bonorum operum^ quo dili- 
gentius omnia regulariter compleantur. Qua de causa, cui non licet sine iussione ab- 
batis quippiam agere, providendum, si licuit ad tarn grandia et incert« sine trans- 

•f.90. gressione insilire, quia periculosissimum est'quempiam suum relinquere propositum, 
et ad ea quae non expediunt, neque suo cougruunt officio, iuconsiderate se admittere. 
Pascasiüs. Multorum vox ista est, sed eorum qui non adtendunt, cuius digni- 
tatis esset iste vel ordinis. Nam postquam electus ab omnibus est^ pastor, et 
rectoris officium vocatus a Deo suscepit, ut credimus, consiliarius totius imperii 
una cum ceteris preelectis constitutus, etiam in fide ac consilio reliquis antepositus; 
quod et antea iam erat etiam quam idem esset electus, quia pro genere, pro vitf 
merito, pro institutione, quam percoeperat pene ab ineunte aetate infra senatum 
et sapientes regni, pro mentis efficada et nobilitate sensus plurimum ab omnibus 
audiebatur et venerabatur a singulis. Idcirco qui, iam cum esset prelatus una cum 
ceteris ecclesiarum pastoribus, est ordinätus Senator cum eisdem ipsis et cum aliis 
quibuslibet palatii vel regni senatoribus, ut consilium daret de singulis, non mihi 
videtur, quod sine periculo sui pretermittere posset, prius ne consiliiun de his in- 
veniret quae annumeravimus^, in quibus unus omnium profecto imminebat interitus. 
Alioquin niiUus monachorum maior vel sanctior Johanne^, qui ideo decoUatus est,* 

f. 90'. nullus acceptior Helia, nuUus religiosior Heliseo, seu ceteris sanctis et prophetis, 
qui viriliter regibus restiterunt, et pro iustitia decertarunt usque ad mortem. Nam 
Zacharias ideo peremptus, Isaias secatus, Hieremias in lacum dimersus, sed iste 
louge inferior in specu altissima est levatus. Errat igitur quicumque didt, quod 
pro iustitia non debuerit stare, pro fide non decertare contra tot mala taliaque 
quae acciderunt, non debuerit, quia armis non licebat^, saltim consilio, exortatione, 
I)ersuasionibus non resistere. Quae profecto mala omnibus tunc et deinceps in 
manifesto venerunt maiora et atrociora, quam que noster stilus flendo prosequi 
velit aut possit. Ideo quicumque ea dissimulat se scire, qualia quantaque fuerint, 
vel quam pessima quae de his orta sunt et permanent, omnino aut desipit aut 
insanii. Propterea nemo sani capitis qui hunc infamare vult, quod talia sapienti 
suo consilio voluerit contrahire^. 

Teofrastüs. Mirabar nimium, et mirantur plurimi quid esset, quod pro 
tanto imperio, pro tanta dignitate regni et ecclesiarum, nequaquam satis multi 
presules vel senatores forti et magno animo invenirentur,*qui auderent se et sa^ 

*f. 91. lutem suam in discrimen offerre pro statu totius imperii, pro communi salute. 
Hoc tempore miretur potius quilibet nostrum, si quem bonum et fortem virum 

* gratia c. ^ übergeschr, ^ vielleicht connum. zu verb, Traube, ^ Johannes s 
geiügt, « aus licebit verb, ^ d. i, contraire. 

^ Regtäa S, BenedicH c. 4 p, 13: Quae sunt instrumenta bonorum operum. 



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Radherfs Epäcphtum Arsenü. 83 

viderit, quam si quem aut timidum, aut sibi potius, quam teipublice, quia aut 
nulla aut parvissima est, consulentem; itaque neque ecclesiis, neque populo, quia 
omnino non est qui audiat', vel qui corrigere quae depravata vel perversa^ sunt, 
possit. Nam ut omittamus de uniuscuiusque casu recordari, uno aspectu intueri® 
possumus eos, qui cum consilio, vel cum bonis omnibus tunc temporis digni- 
tatem regiam et ecclesiarum afflictam et deiectam vel constupratam*^ reerexerint 
et a latrocinio domestico liberaverint; deinceps eos mestos, exhonoratos, infideles 
adiudicatos, et reos capite, fama, carceribus, et exilio; eos autem, qui omnia divina 
et humana violarunt, vexarunt, perturbarunt, everterunt suis rapinis, non solum 
exultantes et laetos, fortissimos atque optimos®, honoratos honoribus et gloriosos, 
verum inclytis et sapientibus atque honeste zelantibus insidias moliri et pericula, 
sicque de se nihil timere. In quo nimirum negotio cum multa sint indigna*et de* »f. 9»'. 
testabilia, nihil minus tamen perhorrescenda , quod iam non per latrones et ra- 
pacee tantum, atque egestate confectos, facinorosissimos quosque, seu suo perditos 
scelere, verum et per optimos qui fuerant olim viros, per eximios auctoritate re- 
ligionis, per sublimes nobilitate camis, pericula mortis et degradationis calamitates 
inferuntur, a quibus etiam rapin^ et obpressiones inferuntur. Quia iam pene nuUus, 
qui suis iusdsque stipendiis ducat post se milites , sed de rapinis et violentüs , quod 
Naso ille spurcissimus omnium primus docuit, et ad finem^ usque semper pubUcus 
predo vixit. Nimc vero et isti, quanto sunt amplius latronibus constipati, tanto 
potcmtiores, ne ullus ad rapinas eis contradicat. Sed quam vis militia augeatur pro 
talibus, nemo tamen eorum, nisi ad civile malum, vires habere videtur. Idcirco 
ncc mirum, si iste vocatus a summo antistite talibus contradixerit, qui primum 
optabat deleri de libro vitae cum Moysi pro populo Dei, pro augusto et filiis; cf. Exod. 
necnon et cum Paulo pro fratribus et ecclesiis ancUhema fieri. ^f. Rom. 

Adeodatus. Nee mirum itaque, tantis fatigatus exiliis, tantisque sordidatus ^'^* 
infanriis si restitit ad primum*, quia, sicut vidimus et cognovimus, nisi ab omnibus *f 9'- 
nobis violenter cogeretur et tanta auctoritas summi pontificis eum non premeret, 
iam ulterius nihil tale adsentisset. Nunc vero a fratribus inpulsus, a summo 
pontifice cum adiurationibus vocatus, a filiis augusti regibus imploratus, a populo 
et presulibus, cum quibus olim fuerat in causa huius exordii, deprecatus, pro 
concordia et pace tandem censuit aUquando coactus illuc venire, summoque anti- 
stiti oboedire, seque iUi coniungere, qui tantum pro omni populo Dei assumpserat 
laborem; si forte cum eo pacem in regno restituere posset et discordias removere. 
Quapropter detrahendi nullus est locus , immo maior esset reprehensio, si desereret 
tant^ auctoritatis iussionem pro ullius discriminis presentis vit^ periculo, quoniam 
iaudabilius est bene mori vel periclitari cum bonis et optimis, quam male vivere 
aut consentire cum pessimis^. Aliud quippe poena iudicii est, aliud vero aug- 



» audeat Mab. ^ pervasa c. ° ein Wort getilgt, vielleicht cum. ^ con- 

strupratam verb, constup. ® opimos verb, Mab. ^ s übergeschr. 

* Er endete im Jahre 844 nach den Annal. Bertin. 

11* 



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84 E. Dümmler: 

mentum peccati. Et ideo non inconsulte, ut aiunt, neque contra propositum vere 
religionis rursus idem tradidit se discrimini, sed valde offidosissimum et lauda- 
biliter se obtulit, et medium pro utrisque* partibus, si reciperetur eque ab omni- 

*r.9a'. bus;* neque suis deterreri poterat periculis, qui se multotiens ingesserat pro alienis. 
Unde deineeps Pascasium prosequamur, qui cum eo comes fuit inremotus, quem 
uullus deterrere potuit presentis vit§ casus, ne sequeretur quem amaverat in Christo, 
quem imitari proposuerat; cum quo etiam. bene conscius de eo, mori optarat pro 
fide Christi, si tempus immineret discriminis. 

(r. i6.) Pascasius. Fatcor plane, quocumque affectu id dicas quod dicis, quia ita 

est ut dicis. Quod satis probat iter, quod suscepimus inter medias concursiones 
insidiantium , inter legiones huc illucque qui nobis adversabantur discurrentium, 
inter quos, donec ad augustos reges et ad ipsum sacrum pontificem venimus, satis 
periculosissime semper cum metu ac tremore incessimus, timentes, ne non^ venire 
ad destinatum licuisset, quia omnino, si compertum esset, artior nos susciperet 
custodia, quam oUm ei esset inlata, quia erat cum augusto lustina tunc temporis, 
quae movebat totius monarchiae rursus sceptra, concitabat fluctus et maria, im- 
peliebat ventos, et corda virorum ad omnia quae vellet convertebat, a qua quia 
unum eiecerant, de quo diximus, flagitio8issimum\ alii serviebant facinorosissimi. 

*f. 93. Nosautem, quia decUnare, nisi inter medias eorum**cohortes iremus, non potuimus, 
per medium protegente Deo prospere pervenimus. Ubi cum venissemus, cum nimio 
suscepti sumus gaudio a regibus, a principibus, et ab omni populo. Deinde ob- 
lati sanctissimo pontifici, satis venerabiliter cum magna alacritate nos excepit, quia 
cruciebatur et ipse animo pro talibus quae repererat, qualia numquam prius credere 
potuisset. Terrebatur autem (quod valde dolendum est) ab augusto et ab omnibus 
suis, etiam ab episcopia, qui sibi pridie quam venissemus dextras dederant, quod 
unanimes essent ad resistendum his, qui ex adverso erant, regibus filiis, principibus, 
et populo, insuper consiliabantur firmantes, pro dolor: quod eundem apostolicum, 
cf. ler. ao, f . quia uou vocatus venerat, deponere deberent. Erat enim ibi Phasur, et reliqui 
eadem cum lustina sentientes. Quibus auditis, pontifex plurimum mirabatur ac 
verebatur. Unde et ei dedimus nonnuUa sanctorum patrum auctoritate firmata, 
predecessorumque suorum conscripta, quibus nuUus contradicere possit, quod eius 
esset potestas, immo Dei et beati Petri apostoli, suaque auctoritas, ire, mittere 
ad omnes gentes pro fide Christi et pace ecclesiarum, pro predicatione evangelii 

• f. 93'. et assertione veritatis, et in eo esset omnis auctoritas beati Petri excellens*et 
potestas viva, a quo oporteret universos iudicari, ita ut ipse a nemine iudicandus 
esset. Quibus profecto scriptis*', gratanter accepit, et valde confortatus est. 

Teofbastus. Qualem putanms augustum tunc fuisse, qualemve lustinam, quae 
suo tunc cuncta vertebat nutu, qualesque principes, quando tales inventi sunt pre- 

» utriusque c. ^ vhergeschr, « Simsan {Jahrb. Ludwig' s des Fr. 11, 42 n. 8) ver- 

tnuthet eine Luche. 

* den Kämmerer Bernhard. 



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Radbert ^s Epitaphium Arsenü. 85 

sules Christi , ut sicut illi in humana , ita et ipsi consurgerent in divina ! Ventilabant et Exech. 
enim suis cornibus, ut olim pseudoprophetae , in omnem ventum populum, et in- cf. Ecch. 
surgebant contra caput totius Christi ecclesiae, ne pacem ferret inter patrem et 
fiUos, inter augustura et principes, ne reconciliarentur, qui dispersi et exiUati atque 
dehonorati iniuste erant; ne pax redderetur ecclesiis, ne statuta priorum temporum, 
et divisa inter fiUos regna manerent inconcussa et indiscussa. H§c erant, quia 
lustina sie inflammabat studia eorum , neque principi consilia ex corde aut ex 
animo dabant, sed assentando et adulando pro favoribus, veritatem, iustitiam, pacem 
ac concordiam conculcantes, contra eos qui pro his decertare videbantur, pro viribus 
repugnabant. Verum tarnen quam iustitiam habuerint fihi et populus, quia hinc inde 
sibi invicem adversantes pater moliebatur*in filios, et fiUi consurrexisse videntur «£94 
contra patrem, atque ideo inimici omnes, quia interfuisti, rogamus aperias nobis. 

Pascasius. lustitiae partes constat quia plurim^ sunt. Alia siquidem est (c 17) 
iustitia regni Dei, alia regni terreni, aUa inter parentes et propinquos, alia inter 
externos et alienos, in tantum, quot sunt leges et consuetudines gentium, tot di^ 
cantur ex usu iustiti§ partes. Propterea ex lege Dei, non minus quam ex lege 
patriae, de istis coUigendus est modus iustitiae, etiam et* ex lege natura, quia, 
sicut scriptum est, fiUi oboedite vel deferte parentibus^ ita et pcUres noUte ad tracun- Epb.6,1. 
diam provocare ßlios vestros. Quod si utrumque servatum providenter esset, tantum Eph. 6, 4. 
malum non adcrevisset. Tamen ut elucescant** quae proposui , commemoranda sunt 
capitula*% quae augustus pater quasi pro querela fihis direxit**, ut enuntiaret quid 
contra requireret, 

Primum rememorari eos monet, quod filii eins sint, et ipse eos Deo auctore 
genuerit. 

Ad* quod ipsi: 'Gratias omnipotenti Deo, inquiunt, qui quod verum est de 
nobis, taha recogitare vobis concessit, et quia non solum recogitare, verum etiam 
mandare dignati estis. Nos enim, precellentissime augustorum, in vita nihil post 
Deum carius*habemus, quam vos sacratissimum genitorem; nihil gloriosius possi- *f. 94' 
demus, quam quia vestri filii censemur et sumus; nihil locupletius, nihil ditius, 
nihilque nobis magnificentius ad honores, ad excellentiam et dignitatem, ad lau- 
dem nominis et splendorem gloriae. Idcirco, gloriosissime , venimus humiles et 
devoti, subditi, ut decet, etsubiecti, tantum dignetur pietas vestra et mansuetudo 
recogitare de nobis, ne condemnemur iniuste, ne abdicemur sine crimine, ne ex- 
heredemur sine culpa. Non enim insurgimus contra vos, sicut locuntur et accu- 
sant nos, qui nos perdere inimici moliuntur, sed suppUces veniam, indulgentiam 
et misericordiam postiüamus*. 

Deinde in aUo capitulo: *Mementote, inquit, etiam et quod mei vasalli estis, 
mihique cum iuramento fidem firmastis*. 

* am Rande ergänzt ^ elucescat c. ^ ein Wort getilgt ^ ein Buchst, getilgt 

• At c. 

^ Haec capitata nemo, ni/aUor, hactentts retulit MAB. 



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86 E. DOkkleb: 

Ad quod rursns iidem: *Bene, inquiunt, recolimus ita esse uti mandastis, 
quoniam et a natura, et a promissis, et ab omni vere fidei sacramento profeoto 
fideles sumus. Unde sicut numquam deseruiraus militiae vestrae servitutem, ita 
donec Spiritus in nobis superest, numquam desertores erimus, quia nobis gloria 
yestra, honor et prosperitas carior est, quam Tita nostra. Et ideo non contra 
•f. 95. vos venimus, sed pro vobis^in omnibus parati sumus, tantum ut gratiam pristi- 
nam et misericordiam impetremus. Neque contra vos bos qui nobiscum sunt, 
conduximus, sed quia, ut deouerat, simpliciter venire non audemus, pro bis qui 
nobis insidiantur, volentes nos perdere, et imperium glori^ vestrae pervertere, etiam 
animum vestrum serenissiraum pium et mansuetum, a natura summe generositatis 
bonis omnibus repletum et Christi gratia iUustratum, conantur conturbare et eor- 
rumpere contra nos, et contra fideles quosque, ac permutare in amaritudinem na^ 
tur^ (vestrae) alieuam*, quia nihil aUud ohm egerunt, nisi etiam ut vos perimerent. 
Contra qu§ sie venimus ad vestram clementiam, ut et ipsi detegantur, et thronus 
imperii vestri et maiestas, eorum darescentibus culpis, admodum gloriosius con- 
firmetur, nosque reconcihemur ad veniam, qui in nullo, quantum in nobis est, 
umquam voiendo contraximus culpam*. 

Addidit quoque: 'Scire vos, inquit, oportet, quia longe diu defensionem sedis 
apostolice devotissime suscepi, quamvis nunc indebite usurpetis contra me illud, 
ut excludatis me ab huiuscemodi officio, quod quamdiu advixero, pret«rmittere 
non qu^*. 

ünde Honorius una cum fratribus: Terpendat, ait, sublimitas vestra, et re- 
♦f.95' cordari*dignetur, quod eque me prestantissima in Christo providentia vestra susci- 
pere fecit hanc curam et defensionem ipsius permaxime, ceterarumque ecclesiarum, 
quando me consortem totius imperii celsitudo vestra una cum voluntate populi con- 
stituit in omni potestate et honore, in omni conscriptione et nomismate', in omni 
dispositione, vestro conservato honore et providentia. Equidem et ad eandem 
sedem clementer me vestra imperialis eximietas misit, ad confirmandum in me 
quicquid pia dignatio vestra decreverat, ut essem sotius et consors non minus 
sanctificatione, quam potestate et nomine. Unde quia coram sancto altare, et 
coram sancto corpore beati Petri principis apostolorum, a summo pontifice, vestro 
ex consensu et voluntate, benedictionem, honorem et nomen suscepi imperialis of- 
ficii, insuper diademata capitis et gladium ad defensionem ipsius ecclesiae et im- 
perii vestri, nemo vobiscum, magis qui eam, quam ego defendere velit aut debeat. 
Et quia audivi, quod plurimi insidiantur huic, manifestum esse omnibus volo, quod 
ei sine me nemo nocebit**, quem pro pace et concordia conduxi vicarium beati Petri, 
• f. 96. ad vestri reconcihandam serenissimam animi*pietatem'. 

» natura alien^ c, von Traube verb. ^ ein Wort getagt 

' Agcbard's Schreiben an Ludmg {EE, F, 225) c.5: In processu quoque tcmporis, quotiens- 
cumque aut quocumque imperiales litterae mitterentur, amborum imperatorum nomina con- 
tlDebant. Postea vero mutata voluntate convulsa sunt statuta et de litteris nomen omissum est. 



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Radbert^s Epitaphium Arsenü. 87 

Mandavit iiamque gloriosus c^ar rursus, non iustuin esse, quod euadem apo- 
stolioum ad se venire minime permitterent, eique vias veniendi prohiberent. 

Ad quod Honorius: *Nequaquam igitur, serenissime, vias ei prohibuimus ve- 
niendi, sed auxiliante Deo reseraviinus, cum essen t iussu vestro obstrusae inter angu- 
stias Alpium et preruptae, ita ut nemo* mortalium libere transire posset, donec virtute 
Dei nostroque labore complanat^ sunt, ita ut qu^am dicere cum propheta, quod fact^ i«u. 40.4 
sint prav^ in directas et asper§ in vias planas. Ad hoc quippe, ut ad vos tarn ille, 
quam et nos devotissimi veniremus, quem profecto hunc ideo laborem assumere^ coe- 
gimus, ut ipse vobis summus intercessor vice beati Petri occurreret, cuius potestas in 
eo vivit et auctoritas excellit. Propterea non prohibemus*, ut culpamur, sed officiosis- 
sime exbibemus, quem audiri suppliciter in causa Dei et nostra bumiliter deprecamur*. 

Iterum augustus inquit: Iniuste agis, quod filios nostros, fratres tuos, tecum 
retines, et eos contra me insurgere facis*. 

'Absit, absit, Honorius inquit, mi domine, siquidem quia fugati erant et 
abiecti, longeque persecutionibus expulsi, ad vestram eos clementiam reducere de- 
crevi, rogans suppliciter: dignetur*sancta paternitas vestra recogitare, quia vestri ȣ96'. 
sumus filii, ne nos sine culpa abdicare vel perdere dignetur maiestas vestra, immo 
moveat viscera pietatis vestrae affectus carnis, et iustitia non minus legis naturae, 
quam et legis Dei, nostrique misereri dignemini.* 

Tunc ad ultimum: *Vasallos quoque, inquit, nostros indebite recepisti, et 
eos tecum retines*. 

Honorius: 'Non itaque, sciat beatitudo vestra, ita est, sed cum essent et ipsi 
dispersi, fugati, aut in custodiis et exiliis detenti, fecerunt ad nos et ad istum 
beatum antistitem confugium, quatinus pro illis apud vestram serenissiniam cle- 
mentiam intercedat, ne iniuste damnentur, qui pro fide vestra et iustitia extiterunt, 
ne fraus prevaleret et dolus scelestissimorum. Hoc semper audivi in vestro sacro 
concilio, et in clarissimorum senatu virorum, hoc semper in vestris recognovi factis, 
hoc a vobis audivi, hoc legimus in gestis antiquorum, fortes viros et clarissimos 
ac bene meritos honorari debere magis et gloria inlustrari, quam depelli; qui pra- 
vorum hominum impetus et conatus provide represserunt; qui auctoritate, qui fide, 
qui constantia, qui magnitudine animi et consiUis insidiantium audatiae^ restiterunt, 
eorum sciUcet hominum, qui levitate sua et pernitiae^vestrum cum omni improbi- ȣ97. 
täte foedaverunt imperium. Quos quia isti detexerunt et fugarunt, honorandi essent 
et glorificandi potius, quam a pestilentissimis viris criminandi, quia et ipsi primum 
vestris sunt enutriti disciphnis, vestrisque edocti consiliis, vestra sublimati dignitate, 
et inlustrati honoribus semper habiti sunt primi et eximii palatii. Unde censui- 
mus eos ad vestram reducere misericordissimam pietatem vestrisque representare 
aspectibus: et ideo non debemus ofiensam contrahere, si, quos fraus factiosorum 
perdidit, vestris restituimus et reconciliamur® profectibus*. 

» -mo übergeschr. ^ ein Buchst, getilgt « aus prohibuimus verb. ^ aus 

audnciae verb, « vielleicht reconciliamus zu verb, Traube. 



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88 £. DOmnler: 

Haec siquidem est alterna altercatio , hae qu^rel^ ad invicem , haec propositio 
paterna, et responsio filiorum. Cum nee sie ullum adsensum optinere quivissent 
veniae, mittitur sanctus et summus pontifex intercessor, vicarius beati Petri. Qui 
cum venisset^ nullo susceptus est honore condigno, tarnen more suo data bene- 
dictione, proposuit pro quibus venerat. Cui imperator inquit: *No8 ideo te morc 
antiquorum regum, sanct^ pontifex, non suscipimus cum ymnis et laudibus, alio- 
que dignitatis tuae et religionis honore, quia tu non sie venisti, sicuti tui prede- 
•f.97'. cessores ad nostros vocati venire consuerant\*Cui ille: *No8, inquit, bcne venisse 

cf.ioh.14. scias, quia pro pace venimus et concordia, quam auctor salutis nostrae nobis re- 
liquit; et mihi predicanda universis commissa est et proferenda onmibus. Idcirco, 
imperator, si nos et pacem Christi digne susceperis, requiescet in vobis ipsa, nec- 

Lue.10,6. non et in regno vestro; sin autem, pax Christi ad nos revertetur, uti legistis in 
euangeho, et nobiscum erit'. 

Teofrastus. Pro dolor! quid contigerit, quod tarn religiosissimus et devotissi- 
mus imperator pre omnibus qui ante se fuerunt sie insipienter et inconsulte egit, 
nee honorem Deo dedit, nee beato Petro apostolo? Mala, inquam, et pessima 
mentis obstinatio ac duritia cordis, mala et persuasio feminea, qu§ primum decepit 
parentem; haec et hunc male decepisse cognoscitur, quod dolemus. Et ideo tant§ 
auctoritatis et sanctitatis virum plangimus multa* caligine pressum, non recordatum 

Matth. 10, quod veritas ait: Qin von recipitf me recipit; et qui vos csudü, me audü. Heu, quae 

^°' et qualis tunc fuit fascinatio et mentis obcecatio, quae talem et tantum virum, 

inter tot temptationes et pericula , inter tot soandala sie decepit , ut numquam re- 

vocari potuerit, neque ullis mederi scripturarum sanctarum consiliis! Qui cotidie 

cf.Ps. I, a. visus est meditari in lege Dei, et tam longe*a lege vere dilectionis indurato corde 
*^'^^' recessit. Alioquin filios numquara tam pertinaciter contra mandatum ad iracun- 
diam provocasset, numquam eos gladio hostiU abdicatos tam frequentör et cru- 
deliter insecutus esset, cum ipsi nihil contra eum mali vellent, nisi ea ut incon- 
cussa manerent, qu§ ipse primum et populus universus ordinarant et iuramento 
firmarant. Quod si aut populum, aut ecclesiam Christi sibi a Deo commissam, 
certe aut rempublicam diligeret aut procuraret, numquam pro unius femine vo- 
luntate vel persuasionibus tanta admisisset mala in regno quae acciderunt, quae 
numquam fortassis imperpetuum, non ingenio, non virtute hominum, non consilio, 
non potentia alicuius cessabunt. Interea quia multum dolemus, rogamus, quid 
summus pontifex cum eo egerit vel quid optinuerit, pandas. 
(0.18.) . Pascasiüs. Quod s^pe legistis 'legati non impetrata pace, unde venerant, 
rediere*, ita et iste sine effectu, sine honore, et sine fructu tanti laboris regressus 
est. Verumtamen post diem qua rediit, insequenti nocte facta est manus Domini 
super omnem populum iusto Dei iudicio, et immutat^ sunt mentes singulorum, 
terrore Dei concussi ac tremefacti omnes. Unde in eadem nocte reliquerunt au- 
gustum sine ullius (quantum rescire potui) persuasione aut exortatione; adieruntque 

» muUo c. 



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Radbert^s Epitaphium Arserm. 89 

omDes,*a minimo usque ad maximum, Honorium, suisque castris se iuDxerunt, ȣ98'. 
et apparuerunt in mane omnium eoriim circa eum fixa tentoria, ita ut singuli di- 
cerent a parte filiorum et pontificis : Manu! quod interpretatur, q^dd est hoc, Quia cf. Exod. 
omnino nescientibus cunctis valde mirabile fuit, qui pridie tarn fortes erant et 
constantes, confisi in multitudine, in promissis omnium, in consilio pontificum et 
senatorum, in auctoritate patema, in promissionibus multiplicibus, quod tarn per- 
mutabiles inventi sunt et infirmi, ut sine consuitu et sine ^stimatione alicüius 
caesarem solum relinquerent cum lustina sua, et ad filium, contra quem yenerant 
et firmarant, circumcirca, quasi puUi sub alas, tota in nocte convolarent; et mane 
castra metati, unus populus appareret. Unde valde diluculo ad eundem pontificem 
venimus pro miraculo, quod acciderat, et ecce in medio unus Romanorum excla- 
mans ait voce canentis: Dextera Domini fecit viriutem^ et cetera quae secuntur. Tunc Ps.117,16. 
ab eodem sancto viro et ab omnibus qui convenerant, adiudicatum est, quia im- 
perium tam preclarum et gloriosum de manu patris ceciderat, ut augustus Honorius 
qui heres erat, et iam consors factus et procreatus a patre et ab omnibus, eum 
relevaret et acciperet. Alioquin nisi fecisset, dixerunt omnes, quod sibi eligerent* *r.99. 
unanimiter, qui eis auxilium et defensionem ferret. Quibus dictis consensit Hono- 
rius et suscepit, nescio quo iudicio patrem ducens secum, totius monarchiam im- 
perii. Quae cum vidissem, interpellavi pro bis Arsenium ac dixi, quod malum 
mihi videretur tam fortuita res sine maiori consilio et ordinatione diligentiori, 
tantum imperium in subito permutari, qui erat consors factus in fide, ut mox 
omnem monarchiam ex casu patris sibi evindicaret. Ad quod idem: 'Nostrum 
fuit, inquit, huc venire, pro omnibus bona voluntate laborare , pacisque consilium 
dare, intestinum bellum, quod imminebat, sedare, nunc autem, sicut nemo nos 
audit, ita nemo quae dicimus qui attendat, quia omnes, ut legisti*, aut metuunt, 
aut cupiunt, aut gaudent, aut dolent^ Metuunt pridem quod accidit, ne rursus 
quod factum est vindicetur. Cupiunt autem omnes, et'* unusquisque eorum, dum 
tempus est ad ea, quae habuit, {quan)totius^ pertingere, vel quae nondum habuit 
adquirere. Gaudent vero pro eis de honoribus avidius et exultant , quia sua Phu. », ai. 
omnes quaerunt, pauci quae Dei sunt et utilia. Ergo dolent reliqui, qui timent 
perdere, quorum audacia vel consiliis talia c^sar augustus contra filios gessit'. 

Adeodatüs. Quantum intelligo, et isti potius milvi fuerunt, quam consules, (c. 19.) 
qui nihil aliud quam de honoribus propriis*arbitrati sunt statuere, unusquisque »f. 99'. 
sibi quanto amplius rapere potuisset, cum deberent iam, quia ceciderat imperium 
de manu patris, cogitare atque perquirere cum eodem pontifice, una cum Honorio 
et fratribus, cur ceciderit, deinde simul ea corrigere ac firmare et constabilire, 
quomodo deinceps unitum et inconcussum maueret. Multa siquidem provideütia 
primos et summos multoque consilio invigilare oportuerat, ne respublica et status 

• aus legest! verb, ^ am Bande ergänzt ^ besser zu streichen Tr, ^ totius c, ocius Mab. 
' Aen.VIy 733, veryh In lamentat. ler, hlll (coL 1422 ed. Sirmond): sicut quidam poetice 
ait: Hi {hincVerg.) metuunt cupiunt gaudentque dolentque. 

Phibs.'histor. Abh. 1900. IL 12 



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90 £, Dummler: 

totius imperii conlapsus rursus per discordiam deperiret, quoniam nuUus discor- 
diarum alius solet esse exitus inter claros (et)* potentes viros, nisi aut universus 
interitus, aut yictoris dominatus, et regni rursus unitas, padsque^, concordiae re- 
paratio. Sed quia nee iste consulte constabilitur in solio nee victor dominatum, 
quia ex Dei iudicio pater cecidit, cum Deo tenuit, neque pax, dum singuli sua 
querunt, ad plenum restituitur, et ideo regnum iterum deperiit in manu filii et 
relabitur. Sicque altematim dum neuter eorum sinceriter coram Deo incedit, labe- 
factatum adhuc hodie iacet et divisum. Manet quoque obscurum odium inter 
fratres atque in pectoribus insitum vuhius penitus et inustum animis hominum 

*f. loo. ampli8S]morum;*pro quibus indesinenter ad peius tendit respublica et conlabitur. 
Queruntur occasiones, singuli et expe^tant tempus, quatinus quia cecidit auctoritas 
regum, quae deceat et expediat ad regimen, et consensus omniuro divulsus habe« 
tur et disruptus. Perierunt iudicia rectaque consilia. Suffragia namque virorum 
coacervantur, sed effeminati viribus non proficiunt, in tan tum ut vix inveniatur 
vir, qui se pro patriae salute opponat aut pro civibus offerat se periculis. Id- 
Lac.11,17. circo iuxta veritatis sententiam, divisum regnum cotidie desolatur et corrumpitur, 
quoniam ubi non est gubernator, populus corruit. Gubematorem autem Deum 
hinc inde amiserunt singuli, quando ficto inter discrimina requisierunt corde. Unde 
cum quadam die primi et consules palatii secretius insisterent ac vigilarent, cum 
augusto filio totum sibi diviserunt imperium , non attendentes prerogativa pareütum 
nee coequalitates magnorum, non innumerositatem nobilium, non bene meritorum 
retro fidelium, non ecclesiarum (quod maius est) dignitatem, non Dei ex corde 
reverentiam. Quod cum subito factum esset, supervenit Arsenius. At Uli confusi, 

• f. loo'. quia conscii, obtulerunt ei distributionis sortes,*si quippiam esset quod displicere 
potuisset. Tum ille, ut erat sagax in responsis: 'Totum, inquit, bene dispositum 
est, nisi quod Deo sui iuris nihil reliquistis, neqüe quod bonis placeat ordinastis*. 
Quibus ita inlatis, magis magisque coutristari coepit, quoniam pene in nullo iam 
audiebatur, cecorum cupiditate superatus. Unde factum est, (ut)^ momentis singulip 
regia potestas labefactata potius deperiret, quam cresceret. Aucmentantur scelera, 
inflammatur rursus discordia, concitantur iurgia, nutriuntur insidi^, reanimatur 
augustus pater, plurimis exortantibus recreari debere ad thronum imperii. Conci- 
tantur hinc inde seditiones et augeatur discrimina, in tantum ut nulla sit domus, 
nulla civitas nullumque municipium, nullus pagus et nulla provintia, in qua non 
regnet actenus discordia. Sed tunc vicissim maiora augebantur pericula, quousque 
augustus pater resuscitaretur in sede regni et filius pelleretur. 
(c. 30.) Pascasius. Non itaque pulsus est, ut asseris, neque tam insipienter egit, ut 

tu plangis, quoniam regnum et imperium, quod ceciderat, comita^nte secum augusto 
patre sustinuit et servavit, neque in eo quippiam admisit, nisi quod universus 

*Cioi. senatus coegit*et populus, in potestatis privatione et iudicio presulum, qui eum 
sub poenitentia redigerunt. Haec omnia quidem Arsenius noster una cum Dei 



* ei fehlt in c, [mripoientes vprm, Traube, ^ nc/iU/t Mab, hingu, ^ \it er^ämt Traube* 



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Radher f 8 Epitaphium Arsenü. 91 

grafia temperabat, ne utra eorum pars in altero crudelius, quam natura sinit, aut 
scelestius pro tanto discrimine ageret. Sed cum vorax flamma discordiarum am- 
plius seviret, nee pater augustus in aliquo adquiescens sponte emollesceret, ne 
forte parricidium proveniret, fedt suo sancto consUio, augustug filins, relicto patre 
rursus in solio imperii, petita venia cum suis omnibus qui cum eo consenserant 
über ut abiret: quia hinc inde super omnem populum furor Dei eiOEusus efferbuerat. 
Nam secundum lob tabernaoula a6undabant predonum ex utrisque partibus, qui satis lob 13.6. 
audacter proeocdbKat suis pravis operibus Deum. Et ideo iam minus Arsenius suis 
proficiebat consUiis. Erant enim ostia concupiscentiarum ubique aperta et con- 
flagrata cupiditas. Idcirco suspendium elegit, de medio eorum ut recederet, quia 
cum Dens omnia dedisset in manibus eorum, nemo tarnen Deum ex oorde quere- 
bat, apud quem est sapientia et fortitudo^ ipae quidem habet coruüwm et inteUegentiam, ib. 13. 
Unde liquido constat, quod quem ipse omnipotens destruxerit, nemo est* qui fdificet; * r. 101'. 
quem concluserü, nemo est qui aperiat. Et ideo, quia hos alternatim destruebat 
quos erexerat. et reerigebat quos concluserat, maluit abscedere über, quam inter 
eos manere servus peccati. Considerabat enim iam stupefactus, quod fortitudo 
hominis et ingenia nulla essent, quod sapientia magis stultitia recte* yideretur: 
nam teste scriptura, decipientem , et eum qui decipitur^ ipse novit. Propterea cum vi- lob», 16. 
disset diversos dolos et fraudes hinc inde compugnare, fecit, ut filius patri deferret 
et cum suo exercitu inl^us abiret; ac pater cum his qui cum eo vellent, in im- 
perio remaneret, ita ut daretur omnibus intellegi, quod ipse sit rex solus omni- 
potens, qui adducit consiiiarios in stuUum finem^ et iudices in stuporem; balteum quoque ib. 17. 
regum dissohet, et predngU ßme renes eorum , quod huic sane contigisse vidimus. Sed ib. 18. 
quia neutra pars eorum ex toto Deum digne requisierat, vicissim alternis successi- 
bus commutantur, et flagellat-ur populus, ut intellegant omnes , quod ipse sit Deus, 
qui ^Aducet sacerdotes inglorios ^ et optimates suppkmtat, Alioquin numquam , nisi eorum ib. 19. 
ex culpis, tanta esset vexatio et confusio omnium. Commutatum namque erat la- ib. ao. 
bium veratium^et ablata doctrina senum, Propterea solus iste non poterat iam contra »f. «02. 
omnes, nisi tantum quod egit, ne tunc rerum eventus in peius deveniret, quod 
hinc inde plurimi ortabantur, quoniam effusa erat contentio ac dispectio super prin- ib. ai. 
cipes. Sed quod tunc obstitit, pro dolor! pöstea factum vidimus, ne civiie bellum 
inter eos surgeret. Yerumtamen bic noster potius mori, quam tale aliquid assentire 
aut interesse vellet. Hinc^ persuasit, filius ut® abscederet una cum suis omnibus, 
et pater olim male tractato potiretur imperio. Quandoquidem Deus , quia indurarat 
cor eins, qui commutcU corda principum terrae, et decipii eos, ut frustra incedcmt per n». 34. 
iniüium^ eins totum commisit iudicio, ne aliquid quod scelestius esset, proveniret 
inter eos. Erat enim triste tunc videre, culpis exigentibus, quod lob ait: Palpen lobia.as. 
bunt quasi in tenebrisy et non in luce^ et eiirare eos faciet quasi ebrios, Quoniam ipse ib. 33, 13. 
solus est, cmus nemo avertere potest cogitationem; sed faciet qtiaecumque voluerii, suo iusto 
iudicio. Quae nimirum iudicia considerans hie noster, quae acdderant, qu§ cotidie 

* am Rande ergänzt. ^ Uic c. ^ am Bande ergänzt. 

12* 



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92 E. Dümmleb: 

fiebant peiora et augebantur, idcirco, licet sero, previdit futura, quae hinc inde 
ad presens iam completa cernuntur. Unde elegit magis aufiigere, quam cum ali^ 

♦f.io2'. quo eorum remanere.* Nam pater voluit eum, me teste, multum instanter secüm 
tunc cum omni honestate et reverentia summi honoris retinere, etiam si vellet 
iuramentum a suis fidemque facere, deinde augustus filius secum abducere. Verum- 
tamen ille neutrum eorum audiens, immo fortiter resistens, ab utrisque discessit, 
penuigeroque gressu Italiam ingressus, infra coenobium sancti Columbani^ se recepit, 
quod sane coenobium lie invaderetur a raptoribus, ut cetera omnia sunt pervasa, 
ipsis petentibus fratribus suscepit ad regendum; et quamdiu advixit, nobiliter ac 
pacifice eum rexit. 
(c. 31.) Teofrastus. Hinc est quod multi eum reprehendere conantur, quia suum 

in quo professus et electus est, reliquit et aliud, quasi cupiditate ductus, quolibet 
pacto preripuit. Fortassis ergo religiosius esset, aut in suo permanere, paulo ante 
quod fassus es pacifice (eum)* facere potuisse, aut in eodem sine regiminis onere 
subsistere. Esset quippe in uno eorum voti adimpletio, in altero vero humilitatis 
cum laude exsecutio. 

Pascasius. Forte non legisti Vitam et actus eiusdem beati Columbani, qui, 

expulsus zelo cuiusdam femin^* a Luxovio, hunc rursus coaedificavit locum et 

cf.Matth. prefuit ibi multis fratribus laudabiliter usque ad finem vitae.*Non enim talentum 

*f.zo3. sibi creditum abscondere in terram debuit^, sed erogare fratribus, quod beatum 
Benedictum et alios quamplurimos fecisse legimus. Nequaquam igitur minus vi- 
detur eum defendisse ab hostibus, et religiosissime rexisse sub sancta regula, et 
augmentasse studiosissime, in ipsa eademque professione quam primum illud in* 
choasse. Namque in suo quia non satis se credidit quiete vivere posse neque 
in officio regiminis proficere, credo quod nullus sane mentis eum reprehendere 
veUt, si ad quietem et ad utilia valde fratribus sub eadem religione se contulit, 
plurimis profuturus, qui nescio si se salvare posset^ nobiscum inter tot discrimina, 
ubi iam nulla fides vel vix rara invenitur, maxim§ inter eos, qui summi esse cu- 
piunt vel videntur: inter quos*^, honores contempnere^ secuh pro rehgione, ignavia 
putatur*. 
(o.aa.) Adeodatus. Novimus haec omnia, quomodo conversatus sit inter eos, etsi^ 

honores contempnere criminis est, paupertatem Christi amare inprudentia iudicatur. 
Sed 8 quoniam retro quae gesta sunt, quae contigerunt, Pascasi, doluimus, rerum 
discrimina et varios eventus deflevimus, temptationes quoque recensuimus , et varia 

«f.zo3% causarum hegotia plangen*tes enumeravimus : nunc restat ad finem intendere, eius- 

» ergänzt von Traube, ^ potuisset verm. Trau 6e. ® inX&t (\\xos am Rande nachgetr. 
^ -re übergeschr, « ign. put. am Rande nackgetr, ' übergeschr, 8 am Rande nachgetr. 

* Bobbio, * Die Königin Brumhildis^ s, lonae Vita Columbani I c. 19 {SS, rer, Mero- 

ving, IV, 88), ' Toius Jäc locus valde intricatus et obscurus est, qui prima fronte Cohmdxmo 

tribuendus videtur: tametsi attentius rem expendenti perspicuumßt, ab hoc loco, aut certe a sequente 
periodo, sermonem esse de Wala, non de Columbano, MAB, 



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RadberVs Epitaphium Arsem. 93 

que obitum, quia presentes non fuimus nee ad excubias eius circa tumulum lacrimas 
pro floribus sparsimus^ saltem longa post absentes precibus Domino commendemus, 
nosque quia dies* sepultur^ eius nescivimus, vel diem anniversarium, dum vita nobis 
manet» commemoremur. Quae profecto dies futur§ quietis est nostra in mente re- 
presentatio, in qua vivit qui mortuus putatur; eiusque memoriae commendatio de- 
clarat, quod melior est dies mortis, quando perpetuam ingressus est vitam, quam 
dies nativitatis eius, quando ut vivere coepit, mox morti obnoxius fuit. 

Pascasius. Bene nos ortaris, frater, qui eius obitum sie adoriri iubes et re- 
texere, ut nostrum doceas non lugendum, quoniam sicut per unius peccatum mors 
in omnes hommes pertrcmsüt, ita et per unum resurreetio prestatur, apud quem omnes ef.ium. s. 
qui pie moriuntur, beat^ vivunt.*Et ideo quia auetorem non refugimus generl8^ •ir^, 
auetorem non valemus efiugere mortis, et si eum non effugimus, nee vitare possu- 
mus quod commune omnibus est, indecens est ut disperemus de vita, quae in 
Christo est, quoniam ipse unus auctor vitae et resurrectionis est. Ac per hoc sicut 
per unum mors, ita credendum verissime, quod et per unum lesum Christum vita, 
et non qualiscumque vita, sed beata et sempitema vita. Idcirco, dilectissimi, dies 
obitus patris nostri potius dies vitae est quam mortis, quando sempiternam hanc 
per mortem intravit vitam. Hinc nos magis consolari decet quam plangere, quia 
mors ista usus omnium est, nee debemus durum putare, quiequid universorum est. 
Unde nee lugenda est, primum quia communis est et cunctis debetur, deinde quia 
nos ab omnibus seculi erumnis absolvit, posttremo quia species somni est, dum 
ab istius mundi^laboribus seu curis nos liberat, et quietem*' post miserias et do- 
lores presentis vitae praestat. Et ideo nobis annua haec dies iure vigorem tribuit • f. 104'. 
fidei, spem dat perveniendi et caritatem refundit amoris. Quem enim non soletur 
resurrectionis gratia? quem non sustoUat spes, et non corroboret perveniendi fidutia? 
quem non accendat Caritas, et quem non vivificet tantus amor interius, qui non 
nisi de Spiritu sancto nascitur? Propter quod etsi varios accidentium casus, et 
miseriarum labores actenus deflevimus, restat nunc mentem^ illuc dirigere diemque 
iUam conspicere, in qua melius vivit^ur)®; intentionem nostram post eum refundere, 
quia melior est dies illa, quamvis una et singularis, in atrüs Domini, super milia; 
ita ut non totis sensibus defigamur in patrem , ne obrepat mestitia rursus pro ab- 
sentia. Sed ne exules simus tant$ pietatis et gratiae ab eo quem^ diligimus, mente 
cum eo conunoraris oportet, ubi tanta*predicantur gaudia, ad^ qu§ nimirum in- 
vitatus venit et ipse ad ea cum gaudio introivit. *f:ios. 

Teofrastus. Quid igitur est quod invitatum eum dicis? Numquid non omnes 
invitati sunt, qui regenerationem* per fidem suseeperunt baptismi? Omne^ quidem 

» diem verb. Mab, ^ generationis verm, Traube, « -tem at(f Rasur, ^ mente c, 
• vivit c, vivitur Traube. ^ aus quae verb. 8 commemorari c, ^ At c. * aus 

r^enerationes verb. 

* VergL Radberü Egloga v, 3 (Poet. Carol, III, 75): Spargite humum lacrimis, conponite 
üoribus arvam. 



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94 E. Dühmler: 

ad eandem inmortalitatem sunt vocati et ideo absurdum est hunc quasi mortuum 
deplorare, quamvis etiam stidtum sit id specialius deflere, quod scias omnibus pre* 
scriptum esse; quia hoc est animum super conditionem extollere, l^^n mortis 
communem non recipere, nature consortium recusare, mensuram camis nescire. Si 
autem iste, ut als, ad hanc invitatus venit, ut volens eam susciperet, causam ex- 
ponis iusti debitoris, qui quod debet, sponte occurrit, paratus reddere quod debet. 
(c. 33) Pascasius. Nequaquam igitur sine causa invitatum eum venisse dixi, quia 

quodam sancto narrante audivi episcopo , antequam dies obitus eins adpropinquasset, 

♦f.io5'. non solum semel, verum et secundo per visum*vocatum fuisse et invitatum, quasi 
legationem suam expleturus ante conspectum aeterni regis et pro laboribus gratiam 
accepturuSj ita ut Arsenius noster ei diceret*, etiam antequam febrem incurreret 
mortis, quod pauIo post hinc iturus per mortem esset. Et, ut ipse prefatus in- 
telligere potuit episcopus, alacrior in spe deinceps vixit, et securior in febre non 
diu laboravit. Qua correptus soUicitior pro augusto imperatore, apud quem tunc 
agebat, quam pro se erat, ne forte quod nuper patri promiserat, omitteret oocasione 
accepta, quia ipse febribus vexabatur. In quo patet, quia invictus permansit in 
cf.Erci.4. fide et in caritate devotus, spe consolatus suae vocationis. Quo profecto triplici 
funiculo religatus ad Christum, securus animam c§lo reddiditS cuius corpusculum 

•f. 106. in basilica, qua beatus Calumbanus requiescit, ad latus terra suscepit. Nee* igitur 
ab re factum crediderim , ut pariter una domus ambiret unaque vicinitas sepulturae 
commendaret, quos una religio tenuit, equa pene temptatio a suis quasi peregrinos 
expulit sedibus et Italiam fugavit. Fuerunt enim regin§ non dispari nequitia^, 
quae hoc fecerunt, duae, non uno in tempore, sed sub uno impietatis scelere con- 
iunctae et consotiat§, quae pro consimili zelo non ferentes sanctos viros earum 
consimilem reprehendere nequitiam nefandam satis neque in aliquo contraire; id- 
circo coegerunt dolo et fraudibus eos insidiando, ut relictis in quibus preerant 
propriis coenobiis, Auxoniam peterent. Qua demum quorum una fuit conversatio, 
etsi parum dispar causa, una religio, unaque fuga insidiarum duarum mulierum, 
una esset quies laboris et sepultura funeris. Hie siquidem ut sanctus confessor 

»f. 106'. Christi virtutibus*appröbatus; iste ut eins pedisecus meritis fulciretur, commenda- 
retur preconiis et auxiliaretur precibus. Nee igitur absque Providentia Dei factum 
credo, qui pro fide, pro zelo Dei, pro religione, pro equitate iudicii atque in- 
tentione virtutum se discrimini obvios obtulerunt, quod uno in loco finem per- 
coeperunt laboris. Et ideo dubitare non licet, quod pater egregius cum sancto 
confessore Dei togatus requiescat in aeterna requiae, qui pari exemplo exul pulsus 
est de coenobio suo, deiectus a patria et ab officio regiminis, ut quorum fuit una 
temptatio, una eos refoveat consolatio quietis in aeterna pro qualitate meritorum, 
et exornet ajterna proportio iustitiae in caelo. 



* aus dicetret verh. ^ -tia aiif Rasur, 

* über seinen Todestag , toahrscheinlich den 31, August 836 , s. Simson^ Jahrb, Ludwig' s 
des Fr. II, 156 n. 5. 



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Radberfs Epitaphium Arsenü. 95 

Unde oportet pro tanta spe nos ad invicem consolari potius quam dolere, 
quia uestitiam* tanti luctus iam non solum fidutia beatitudinis eius lenivit^/ verum »czo?. 
tempus oblitteravit et ratio devicit, necnon et prudentia iam olim mitigavit. Et si 
planximus iure, dum varias^ eius deflevimus inpulsiones, et temptationes multi- 
plices dinumeravimus, casus quoque exposuimus, deeet dos deinceps iam congra- 
tuläri^ illi, et gaudio refoveri pro luctu, laetitia bon^ spei recreari pro merore, 
et exultatione intus indui pro tristitia, eo quod pro certo scimus, quia pater egregius 
corpori supervivit. Qui licet absens fuerit a nobis, quando obiit, presens tarnen 
est, quia in eo qui ubique est, beatae vivit. Nam depositis proprii sensus anima 
eius repagulis expedita iam libero cernit obtutu, quae ant« sita in corpore videre 
non poterat. Si enim dormiendo anima ad altiora se subrigit, velut sepulta in 
corpore*, et renuntiat nonnumquam corpori rerum absentium vel etiam celestium 
visiones: quanto magis cum absoluta est erumnis*seculi et tota vivit in Domino, *fiio7'. 
qui ubique vivit, et ubique omnia complet et regit. Non enim alicubi longe pere-» 
grinatus est pater noster, nisi ad cum, cui et in quo vixit, qui ubique in se est 
et ubique vivit. Ad hoc quippe cottidie moriebatur cum apostolo, ut perfectius i. Cor. 15, 
viveret Deo, quia, ut philosophi dicunt', sapientis viri vita meditatio mortis est. 
Meditabatur autem pervenire ad id quod perfectum est, quando revelata facie, 
non ex parte, neque in enigmate vel in umbra, sed in veritate, pröut est, specu- 
lanti appareret aeterna visio manifesta; quod inpresentiarum esse non poterat, 
quia iuxta apostolum inpresentiarum ex parte scimus, et ex parte prophetamus. Cum i. Cor. 13, 9. 
autem pervenerit in nobis quod in ea vita perfectum est, evacuabitur quod ex 
parte, et erit tunc perfectum, quod nunc ex parte est. Nam nemo festinaret ad . 
finem fide confisus in Domino, nisi vitae istius fugeret incommoditates,*pro quibus *fiio8. 
David plangit dicens ad Deum : Ecce dies meos veteres posuisti caram ie, et sfibstantiam PsaI. 38, 6. 
meam tamqudm nihilüm ante te, verumtamen universa vanüas, omrds homo v'wens. Et 
ideo iste, fratres, postquam cognovit, postquam didicit, numquam moratus est 
fugere voluntatem auam', neque voluit in seculo vane conturbari, neque sperare 
in incerto divitiarum, sed speravit in Deo vivo, ad quem pervenit. Et ideo dum 
mortem gustavit corporis, vitam invenit, quia non primam animae incurrit mortem. 
Triplici namque modo mors dicitur^: uno cum morimur peccato et vivimus Deo, 
alio cum peccamus ad mortem, de qua dicitur: Anima quae peccaverit, ipsa morieiur^ E«ech.i8,4. 
tertio est vitae huius excessus, qua mortuus est etiam Christus; et omnis quicumque 
vitam gustaverit istam, morietur, ne ultra peccare possit. Unde una spiritalis 
vocatur, altera naturalis, tertia* quoque penalis. Sed quae naturalis iam vocatur, •f.ios» 



* -ti- übergeschr, ^ lenivit verb. in linivit. ^ varios c. ^ -r 

01^ Rasur. « corporae a getilgt, ^ übergeschr, 

^ Hierongmi ep. LX {Opp. /, 341)', Piatonis sententia est omnem sapientium vitam medi- 
tationein esse mortis. Laudant hoc philosophi.. sed multo fortius apostolus: quotidie, in- 
quit, morior etc, Tr, ^ Ambros, de bona mortis c, 2 {Opp, /, 390; ed. Schenkt 7, 704): 

Sed mortis tria sunt genera, doch ist er nicht tcörffich benutzt 



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96 £. Dümmler: 

quam vis quibusdam poenalis videatur, non eam pro poena Dominus dedit, ut ipsi 
Yolunt, qui de bono mortis scripserunt libros, sed pro remedio datam dicunt; 
quoniam Ad§ aliud prescriptum est ad poenam, et aliud ad remedium\ Nam pro 
Gen. 3. pocna, cum dicitur : Quia cmdisti vocem uxoris tuae pbts quam mSy et manducasti de quo 
'^"''' preceperam ne manducares, mcdedicta terra in opere tuo^ seu cetera, donec revertaris m 
terra, de qua sumptus es. Ecce poenarum genera, cum maledicitur, et in operibus 
eius spin§ et tribuli germinantur. Quae spine et tribuli verbum sufibcant vitae, 
curas quoque ac sollicitudines generant, quibus necatur et exduditur cibus, qui 
de caelo venit, quo vivit omnis homo, qui Deo vivit; et includitur mors, qua 
anima poenaliter vivat. Unde a pio Domino mors ista pro remedio data est quasi 
finis malorum. Hinc quoque Adae non dicitur, Quia^ audisti vocem uxoris tuae, 

• f. 109. reverteris^in terram. Haec enim si dixisset, esset poenalis sententia, quemadmodum 

est illa, Maledicta terra in opere tuo^ et cetera. Habes igitur mortem anim^ pecca- 
tum, habes et poenam, quae vera mors iure vocatur, babes et mortem, quae magis 
poenarum nostrarum finis est et remedium , qua cursus huius vitae ad horam pre- 
ciditur. Hinc ergo mors ista, qua mortuus est Abraham, mortuus et pater noster, 
. qua morimur omnes, non solum malum non est, verum etiam bonum est. Et ideo 
etiam beatus Ambrosius de bono mortis edidit librum satis pernecessarium. Qua- 
propter si planximus in obitu tanti patris, varios rerum merores et eius labores 
Phu.i.ai. plurimos, gaudeamus cum eo, quia ei vhere Christus fuit, et mori lucrum. Com- 
moriamur autem cum eo, ut vivamus in Christo cum eo, discamus cottidianis usi- 
bus mori seculo, ut segregemur a came, et tamquam in c§lo meditatione vivamus. 

• f.so9'. Suscipiamus interMum imaginem mortis, ne poena nos invadat mortis, ut per 

bonum mortis ad vitam possimus pertingere sempiternam, in qua mors iam ultra 
non erit neque luctus. Moriamur autem morte iustorum, ut cum illis vivamus, 
moriamur et morte tanti patris, quia ipse, ut credimus, iam beate vivit, ut cum 
eo et nos vivere valeamus, quod ipse semper oravit et docnit. OflTeramus in nobis 
Vota eiusdem patris, quia ipse nos Deo vovit et obtulit acsi hostiam, maxime 
fratres nostros, oblationem novam in sacrificium, quos Domino dedicavit. At non 
solum quos ipse instituit et collegit, sed et eos quicumque futuri sunt ibidem ad 
eandem institutionem , quam ipse Domino dedicavit, qui non solum sibi vixit et 
Deo , verum omnibus nobis vixit ad exemplum et doctrinam , ut nos doceret vivere 
Phil. i,ai. Deo. Et ideo eius vivere nobis profuit, cui cum apostolo mori lucrnm fuit. Hinc 
•f. HO. supplices exoremus, ut* Christus qui Deo patri sanctorum oflTert vota, ipse in nobis 
pro eius augmento meritorum sua conferat dona, quae largius ad cumulum mer- 
cedis eius ofierantur Deo patri pro eo, ut simul nostra atque eius in nobis ob- 
latio per Christum accepta sit in sacrificium sempitemum, quatinus quorum in 
sacramento sacre confessionis una fuit professio, una sit et aeterno remunerationis 
participatio in gaudio. 
(r. 34.) Quod autem ad aetemae vitae gaudia angelicis sit ipse deportatus manibus, 

* re- überffeschr, ^ -i- uhergeschr. 



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Radberl^s EpiUxpMvm Arsenü. 97 

venerabili referente Ermengardi regina* omnino cognovimus. Quae quam sepe piae 
recordationis affectu aiebat, in exitu tanti viri et in hora obitus eins misisse* 
se per diversa Italiae loca^ ut singuli beati viri animam precibus Domino com- 
mendarent. Inter quae quod miserit etiam ad monasterium suum valde egregium, 
quod est infra moenia Brixf civitatis Domino dedicatum^, distans a Ticino ferme 
XL milibus, in quo sanctimonialium multitudo Domino famulatur, similiter eis 
praecipiens, obnixius et obsecrans^, ut beatam animam viri Dei Christo deo prae- 
cibus commendarent. Ad quod municipium missi*cum pervenissent directi*', in- ♦fiic 
venerunt easdem Christi famulas de obitu prefati viri iam pertractantes atque, 
horam et tempus exitus eins prescias, loquentes ad invicem. Tuncque"* relectis* 
sacris Utteris^, quas regina miserat, invenerunt omnia de eo, ut illis ab angelis 
declaratum fuerat. Nam exstiterant inter eas du§ sacratissim^ virgines , quae haec 
omnia iUis, ut« testabantur«, praedixerant, eo quod audissent choros angelicos in 
caelum, quasi per eundem locum, animam beati viri deferentes. Ad cuius ex- 
sequias inter cetera ymnum Te Deum laudamus, te Dominum confitemur^^ alternis 
vocibus more ecclesiastico decantabant , et symphonizando beati viri ' exsequias pio 
Domino commendabaut. Quas cum duae tantum longe diu laudes intenderent, 
demum convocarunt reliquas omnes, ut et ipse easdem audirent, sed nemini earum 
admodum concessum est, ni iUis duabus^ solummodo, ut testes exsisterent veri- 
tatis. Quibus, ut dixi\ ita loquentibus, relectis sacris litteriis, quas prefati de- 
tulerant veredarii, invenerunt hora et die eadem eum obisse, in qua ipsum angeli 
detulerant cum laudibus. Unde const^t verum esse, quod scriptura testatur: Beatus Uc.1.12. 
vir qvi suffert temptationem, quoniam cum probatus fueriiy accipiet coronam vitf. Et ut 
haec ita esse manifesta fierent, verissimo relatu ab omnibus mandatum est regin^, 
quod du^ tantummodo h^c talia et inefiabilia alia audissent. 

Sed forte ad h^c sichofanta quihbet incredulus*dicturus"* est, virum tantis ♦f.m. 
expositum temptationibus et iactatum pressuris, talia non promeruisse, presertim" 
cum ipse iudex Christus, qui exposuit et probavit, probatum autem (ut credimus) 
remuneravit, sicut promisit in euangelio, ita dicens: Enge serve bone et fidelis, quia MatUi. 35, 
in pa/uca fuisH fidelisy supra multa te constüuam, intra in gaudium Domini tui, Fac ergo 

falsa esse qu^ dico, cum sint vera° quae dicoP retro narrantur. Idcirco^ 

propriis iustisque' est a Deo aetemae vitae praemia percoepisse, qu(ia M»tth.2o, 

» mississe c, ^ obse- auf Rasur, « cum bis directi ai^ Rasur. ^ loquentes 
bis Tuncque am Rande ergänzt, « -s übergesckr, ^ -ras verb, in ris. 8 übergeschr, 

^ te bis confitemur am Rande nachgetr, » -ri übergeschr, ^ -bus übergeschr, ^ ut 

dixi am Rande ergänzt, °» diese Seite hat nur 16 Zeilen, ° am Rande ergänzt, » dico 
bis Vera am Rande ergänzt, P de eo ia^ Mab, *i -circo übergeschr, ' iudiciis existi- 
mandus ergänzt von Winterfeld dem Sinne nach^ doch wollen die lesbaren Reste nicht passen. 
* Lothar^ s I, Gemahlin, starb am 20. März 851, * Bas von der Langobardenkönigin 

Ansa dem Erlöser und der hl. Julia gestiftete Nonnenkloster in Brescia (S, Salvatore), welches 
Lothar L im Jahre 848 seiner Gemahlin Hirmingard und nach ihrem Tode semer Tochter Gisla 
übergeben hatte, s, Mühlbacher, Reg. (2. Ausg,) no. 1133, 1147. 

Philos.'histor,Abh, 1900, IL 13 



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98 E. Dümmleb: Badberfs Epitaphium Arsem. 

Matth.ao, habes)* pro eo ex euangelio dicentem: Awicey non facio tibi iniuriam: gratis dono. 
Nonne et tu convenisti mecum ex denario? vitae aeternae. Attt non Ucet mihi facere quod 
voh? quoniam non nisi gratis alicui aliquid rependo mercedis. An oculus tum nequam 
est^ quia^ ego bonos sum? quod gratis inpendo (id est)*^ nulli nisi qui a(cceptus ex 
gratia, non)° ex opere, Deo. Unde quaeso gratias agamus Deo, fratres, qui huic 
ista concessit, et nobis sese promisit^, talia ei praestitisse . . . ut multum" gaudea- 
mu8^ deper . . . 



NACHTRAG. 

S. 20 Z. 24 schiäfft Mabillon fOr prosequere prosequi vor, Traube prosequi 
vere. Ich kann diese Arbeit nicht schliefseny ohne dem letzteren meinen wärmsten Dank 
für seine vielfältige Beihilfe zwr Herstellung dieses schwierigen Textes auszusprechen , zumal 
da sein Antheil an der Ausgabe durch die Nennung seines Namens im Einzelnen keines^ 
wegs vollständig umschrieben werden konnte. 



* van Traube ergänzt, ^ quia bis sum folgen in c atf^ mercedis , von Traube um- 

gestellt. ^ von Traube ergänzt mit Benutzung des Matthaeus-Commentars ^ wo es im 9, Buche 

keifst: ünde recte probatur, quod non ulli ex merito operis, sed ex gratia Christi cunctis 
vita praestatur aeterna. ** sese promisit oder se repromisit? • mit diesen Worten 

schliefst die vorletzte Zeile, ^ Anfang der letzten Zeile, 



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CODEX PARISINUS 13909 

(quondam S. Germani a Pratis 1412) fol. 52. 



QAirJfmi/r-^lacA t/. Q.Z. QA/jr/, oMriAn Jf. 



x€^mQAöMiaC.\^ieuJJ. Q^tAuätMie r/eßt //'fJJefUc/a^r^i xu "T^ri/in ucm J!anu /:)^r. 



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Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 



Von 

H" VAHLEN. 



PMlos.'histor.Abh. 1900. IlL 



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(ielesen in der Sitzung der phil.-hist. Classe am I.März 1900 

[Sitzungsberichte St. XI. S. 119]. 

Zum Dnick eingei*eicht am 29. November 1900, ausgegeben am 29. December 1900. 



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Uie handschriftliche Überlieferung der Komödien des Terentius weist in 
einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Beispielen die Thatsacht* auf, dafs 
eine dem Gredanken nach nothwendig zum Folgenden gehörige (»insilbige 
oder einsilbig gewordene vocalisch anlautende Conjunction oder Praeposition 
so an das Ende des Verses gestellt ist. dafs sie mit dem vorangehenden 
Wort durch Synaloephe viTbunden ist und d(*n Vers mit langer Silbe be- 
sehliefst: Sösia et j Liberias vivendi; ad forum tU / Corweniam. Diese Erschei- 
nung, an der im einzelnen Fall und aus besondern Gründen wohl auch ältere 
Kjdtiker, wie Bentley, Anstofs genommen haben, ist von neuern Herausge- 
bern wie Fleckeisen und Dziatzko durchw^eg dem Terentius abgesprochen und 
mit Consequenz aus ihren Texten ausgewiesen worden . indem sie durch con- 
jecturale Abänderungen verschiedener Art den Versen reinen Abschlufs zu 
geben suchen; insbesondere hat Fleckeison schon in seiner ersten Ausgabe 
V. J. 1881. zum Theil im Anschlufs an Andi*e, selbst kühnere Neuerungen 
nicht gescheut, um seinen Glauben an die» Unzulässigkeit solcher Versbildung, 
sei es auch mit Gewalt, durchzusetzen, uml hat in seiner Neubearbeitung 
des Terentius v. J. 1898 diese Theorie von Neuem durchgefiihrt, nur so, 
dafs er gewagte Berichtigungsversuche durch bescheidenere und ansprechen- 
den» ersetzt hat. 

(regen diese Ansicht imd das darauf gegründete Verfahren der Kritik 
haben sich mir von jeher schwen» Benlenken aufgedrängt: schon 1888 habe 
ich in unsern Sitzungsberichten S. 44 bei Besprechung eines Bruchstücks 
des Ennius, in welchem ich einer Praeposition ihren Platz am Ende des 
Verses zu sichern mich bemühte, auch einen Seitenblick geworfen auf die 
Komödien des Terentius. und habe vorher und nachher zu wiederholten 



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4 J. Vahlen : 

Malen dir Frage im Ganz(*ii oder an einzelnen Beispielen in Vorlesungen 
und Übungen dui'chgesjjroehen. 

Fleckeisen's neue Bearbeitung, die in ihr(T (eleganten Glätte nicht ver- 
felden wird. Eindruck zu machen, ist es vornehndich. die mich veranlafst 
spät noch i\n\ (Jeg(Mistand in voUc^ni Zusammenhang darzulegen und (h*n 
Versuch zu machen, eine Auffassung mit (ininden abzuweisen. <lie sich mir 
nur als (»in Ergebniis philoh)gischer Willkür und subjectivc^n Ermessens 
dargestellt Jiat. Doch ist die B<»weistilhrung nicht eben leicht. Denn AvedcM- 
die II(Tausg(»ber . d'w stillschweigend dem L(*ser darbieten, was sie Itir 
richtig halten, noch auch andre (xelelirte. di(» derselben Ansicht huldigen, 
wie Conradt (Henn. lO, 1876, S. 106) und Sau])pe (Ind. lect. Gotting. 1880, 
j). 8: Opusc. p. 722) haben es sicli angelegen sein lassen, ihre 31einung 
mit Grändi^n, die aus ch'r Sache gezogen sind, zu stützen, sondern die 
RicJitigk<4t der Annahme vorauss(*tzend. handeln sie ül)er die wahrschein- 
lidiste Art der Btvrichtigung och^r üb(H' Folg(Tungen, die aus dem ange- 
nonu)ien(Mi G(^braucli des Terentius tur andre Dichter sich ziehen lassen. 
Tnd so hat bis j<*tzt der Glaube die B(*weisfuhrimg ersetzt. 

Um al)er die Fragt* aus dem Stadiimi (h\s Beliebens in den metho- 
dischen (4ang eint*r Untersuch ung zu heben, schien es gerathen nach ver- 
wandten Erschein\mgen bei demselben Dichter sich mnzusehen, die eine 
Noiin darböten, an der die fraglicluMi Thatsachen zu messen seien. Nun 
kann näht*rer Betrachtung nicht entgehen, dals Terentius auch Wörtchen 
wie hoc^ oder Partikeln wi(* uiL quia, die den Anfang eines Satzes oder 
Satztheiles })ez(4chnen. an das Ende des V(»rses gerückt hat, und dafe in 
einer nicht geringen Anzahl (änsilbige Interjecti(men , Ah. Hern. Hui. ganz 
wie di(* uns beschäftigend(Mi Partikeln, mit dem vorangehenden AVort durch 
Synaloeplu^ verknüpft, den Schlufs (h»s Verses und zugleich den Anfang 
einer neuen pfjais mit Eintritt (»iner neuen Person bilden, und c^ndlich, dafs, 
wenn Ten^ntius* V(Tse auch oftmals ganze Reihen hindurch mit Gedanken- 
al)schlu(s sich a])i-\uHlen. wie z. B. Andr. iv i (639-650), er doch weit 
davon entfernt ist, dies zum alleinig(Ui Princij) s(un(T Versbihhmg zu machen, 
sondiTu nicht minder oft seinen (iedank(*nausdruck in zusammenhängc^nden 
Versen sich (»ntwick(dn lälst (z. B. Eunuch, i 1). Daraus ergab sich mir, 
um wo möglich auch Andre zu überzeugen, die Noth wendigkeit, das be- 
weiskräftige Material übersichtlich zusaimnenzuordnen , so schwer es auch 
ist, auf diesem Wege anscha\dich zu machen, was nur intensive^ Leetüre 



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Über die Versschlmse in den Komödien des Terentius, 5 

und Beobachtung erreichen kann. So versuche ich, mit Beschränkung auf 
das Noth wendigste, nach Abfolge der Koniödi^^n eine knappe Auslese von 
Vers(»n zu geben, in denen ein neuer Gedanke mit dem letzten Wort oder 
(4neni der letzten Worte d(\s Vers(»s bi^ginnt. sei es (»ine Conjunction oder 
Interjeetion oder irgend (»in andres Wort, und in dem folgenden Vers 
fortgesetzt wird, oder der neue Vers mit einem noth wendig zum Gedanken 
des vorigen gehörenden Worte anhebt: in beiden Fällen zeigt sich der 
(*nge Zusammenhang der Verse, der in bestimmten Fällen durch (üe rhyth- 
mische Verknüpfung zwcner V(»rst» verstärkt wird. 

Da dieser Übersicht die* fi*agHclum Erscheinungen eingeordnet sind, 
so wird schon daraus (»rsichthch werden, wie sehr sie ilirer ganzen Art 
nach d(*n übrigen gleicliw(»rthig sich an die Seite stellen: so dafs auf 
dieser Grundlage. di(» allein ausreichend sein wird, die bestrittenen 
Thatsachen als echt und ursprünglich z\i erweisen, nm' noch erforderlich 
ist. di(» fiir jede dieser Stellen im Besondem sprechenden Gründe dar- 
zulegen, wobei sich zeigen wird, ein wie* nützliches Mittel der Entschei- 
(hmg di(» vcm den Ki*itik(*rn bei ihren einschneidenden Neuerungen nur 
zu oft vernachlässigte Beobachtung (h»s Sprachgebrauchs dieses Dichters 
gewesen ist. 

AJSDRIA. 

49 et gnati vitam et cousiiium ineum 

Cogfioscea 
I. 51 Nam is postquam excessit ex ephebis, Sosia, ei 
Liberius vivendi fuit potestas (nam antea 
Qui scire posses aut Ingenium noscere, 
Dimi aetas metus magister prohibebant? SO. Itast) 

iSoAiV/ ft die Handschriften, unter denen der cod. Bemb. fehlt; Soifia ^ ar 
Beutley ohne Vermerk. Die Citate bei Cicero de invent. i 19, 27 und 23, 33; de 
urat. n 80, 326 reichen nur bis ephebis; ebenso lulius Victor in Halm's Rhe- 
tor. Lat. p. 424; nur Victorinus ebenda p. 202 hat, wie einige Hdschr. de invent., 
fphebis So^a. Et UherhtM Donat im Lemma. Sosia — potestas mit C. F. Hermann 
(Rhein. Mus. 6, 444) getilgt von Fleckeisen i und Dziatzko. Sosia Liberiuft rirmdi 
nbi pokfita^ Fleck eisen 3; Sosin Liberius rirendi est potestas Spengel. 

Meine Angaben Ober Handschriften und Grammatikerzeugnisse entnehme 
ich Umpfenbach. 
71 Inopia et cognatorum neglegentia 

Coacta 
74 vitam parce ac durfte r 

Apebat 



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6 J. V V H L K N : 

JMDBiA jy ut ingeniumst tymnium 

JBommufn 
So ßlium 

Perduxere iQuc, secum ut una esset, meum 
85 nam Andriae 

tm id erat nomen . . . Phaedrum aut Cliniam 

Dicebant aut Niceratum: nam hi tres tum snnul 
8*8 Amabawt .... symbolam 

DedU^ cenavit . . . item alio die 

Quaerebam: comperiebam nihil ad Pamphilum 
90 Quicquam attinere . . . spectatum satis 

I\ttabam 
96 uno ore omnes omnia 

Bona dicere 
99 bac faofta impulsus Chretttes 

ültro ad me venit 
110 parvae consuetudinis 

Causa 
127 funus interim 

159 siquid consili 

Hobel 
161 obnixe omnia 

Fachtrum 
173 ubi nuptias 

Futuras esse audivit 
196 quicquam in bis te nuptiis 

FaUaciae conari 
223 eiectani Chrysidis v 

Patrem recepisse 

II. 225 Mihi quidemherclenoufitverisimile, atqueipsiscommentumplacet. 
Sed Mysis ah ea egreditur: at ef(o hine me ad forum, ut 
ConveniamVHm])hi\um . ne de hac re pater imprudentem opprimat. 

ad forum ut Conreniam die Handschriften und altem Ausgaben; die 
Neuern tilgen meist ut und stellen ein Asyndeton her; überdies haben sie die 
drei unverdächtigen Schlufsverse der Scene, die so überliefert sind, mit viel 
Freiheit und Willkür abgeändert. So aufser Fleokeisen i u. 2 Conradt Henne» 
IG S. 107 u. Metrische Composition S. 326 fg. 
238 nenne oportuit 

Praescisse me ante 
241 se commissurum mihi 

(rnatam suam uxorenj 



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Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentitis. 7 

AMDRIA 248 facta transacta omnia: fimn^ 

RepudicUus repetor 
252 quid ego dicam de pairef ah 

Tantamne rem tarn negl^enter agere 

ni. 256 Obstipui: censen me verbum potuisse uUum p^roloqui atU 
TlUam causam, ineptam saltem, falsam iniquam? obmutui. 

aut in einer Hdschr. am Anfang von 257. Schol. Benib. zu Adelph. xv 4 
Anf. ftimiluf seiutus itt Andria. obstipui. censeten nie cerbum pottMue ulUtm prohqm 
autu, caw*am inepkun k.f, obtnatui. Danach Fleckeisen 2 ObaUpui: me cen$eiin ver- 
hum potuissc ullum proloqm Aut cmi^am ineptam mltem faham f obmutui. Frflher 
AfU eawwm uUctm, 1. tt.f. miquam f obmutui. 

268 diem 

Quia olim in ktmc sunt constitutae nuptiae 
282 etiam nunc mUn 

Scripta illa dicta sunt in animo Chrysidis 

De Glycerio 
306 nil volo aliud nisi Phüumenam. BY. Ah 

Quanto satius te id dare operam qui istum amorem ex animo amovea» 

tuo. 
310 Sed Pamphilnm 

Video 
314 Byrria, 

Quid tibi videtur? 
322 Ei mihi, 

Vereor dicere 
351 hoc me libera raiserum n^tti. DA. Em (hem) 

lAbera 
359 mi incidit susptcio: l^em 

Paululüm obsoni 
363 interea intro wr neminem 

Video 
381 dicttrm ac* factum tnc^nm^ 

Aliqwxm- ccMsam 
391 hau dubiiunst quin Chreme» 

Tibi non det gnatam 
401 Hone ßdent 

Sibi me obsecravit qui se sciret non deserturum ut darem. 
410 Numquam hodie tecum commutaturum patrem 

Unum esse verbiim 
412 iussit Pamphüüm 

Hodie observnre ut quid agetet de nnptiis 

Scirem 



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8 J. Vahlen: 

AMDRIA 432 me credit aliquam sibi faUadam 

Portare 
441 biduist aut tridui 

Haec soUicitudn 
462 MY. Sed hie Pamphilus. SI. (^uid dicit? MY. firmavityicfcw. SI. Hetn. 
464 luppiter 

Quid ego audio 
469 iam scio: ah 

Vix tandem seusi stoiidus 
492 itane tandem icUmeiu 

Tibi videor esse 
504 continuo dari 

Tibi verba censes 
519 uam omnes nos quidem 

Seimus, quam — 
527 nunc Chremem 

Conveniam, orabo gnato uxorem 
534 hodie fiUam 

Meam nubere tuo gnato 
542 ita uti nupiicw 

FuerarU ftUurae fiant 
IV. 560 üxorem demus. spero constietudine et 

Coniugio liberal! devinctum, Chremes, 

Dein facile ex illis sese emersiirum malis. 

So die Handschriften. Die neuem Herausgeber tilgen ei und schaffen 
ein Asyndeton. Fleckeisen 2 schreibt conmietiidine Coniugi pum HbemUs devinctum. 
590 opportune hie fit mi obviam, DA. Hern 

Snmnnm perimus? 
592 gnatam ut det oro vixque id exoro. DA. Occidi. SI. Hern 

Quid dixisti ? 
612 negabon velle me, modo 

Qui sum poUidtus ducere? 
615 huic malo aliquam producam moram. PA. Oh, 

V. 627 ex inconunodis 

Alterius sua ut comparent commoda: ah 

Idnest verum? immo id est ^enus hominum pessumum, in 

Denegando modo quis pudor paulum adest: 

Post ubi tempust promissa iam perfici, 

Timi coacti necessario se aperiunt: 

Et timent et tarnen res premit denegare. 

Ihi tum eomm inpudentissima oratiost. 



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fJber die Versscklüsse in den Komödien des Terentin^. 



9 



629 immo id eat t/enw hty/mnum pi'«^utnMn in \ Denegcmdo die Hdschr. des 
Tereiitius; nur eine hat in am Anfang des folgenden Verses. — pesxumum ho- 
ifwmm genus Eugraphius im Lemma ; immo id genus hominum est pessimum. In 
denegcmdo Donatus, wie es scheint; Servius Danielin. Aen. xn 694 p. 634,3 Thil. 
verum enim quod rectum et bonum easet appeUahant: TerenUu^ 'idne est verum 
modo f id est pes-nmum genuJt,^ Die Neuem id e^t pesfiknum hominum gmus | In 
negando oder Denegandi. 

numquam destUU 
Instare ut cbcereai 

DA. FactaoHu CH. 12«» quid ^« o scelm. Cf. 682. 
virum in qttovis loco 
Paratwn; verum ex eo nunc misera quem capit 
Dolorem 

nunc opus est tua 
Mihi ad hane rem exprompta malkia 

Ego quoque hinc ab dextera 
Venire me adsimulabo: tu ut std^ser^ias 
Orationi 
747 MY. Cur tu obsecro hie me öolamf DA. Hern quae haec est fabula? 
754 Hahae: 

Mirum vero, impudenter muUer si facit 
Meretrix 

iam ego hunc in mediam viam 



660 

664 
718 



722 



734 



776 
78s 



Provolvam 



Audistin, obsecro f hem 
Scelera, 
VI. 838 CH. Erras: cum Davo egomet vidi iurgantem anciilam. SI. Scio. 

CR.Ai 
Vera oultu^ cum ibi me ndesse iieuter tum prae«enserat. 

At rero cultu die Hdschriften (im Bemb. AT über Vvom corr. antiq. über- 
geschrieben) und die altern Drucke. Faenii bemerkt, dafs At an das Ende des 
vorhergehenden Verses gehöre. Abei* Bentley: toUe iUud 'af: obest enim potior 
qucun prodest. Nach ihm, dessen Unheil Conradt Hcrm. 10 S. 108 bekräftigt, 
haben die Neuem dieses at nicht mehr erwähnt, geschweige aufgenommen. 
872 SI. Quid ais omniumf Ch. Ah 

Rem potkis ipsam die ac mitte male loqui. 
928 CR. Nomen tarn cito? PA. P/mvm. CB. Hem 

Peru 
943 Egon huius raemoriain patiar meae 

Voluptati obstare 

EÜNÜCHÜ8. 
Diese Komödie zeigt besonders häufig die sprachliche Ver- 
knüpfung der Verse: von denen ich nur eine kleine Auswahl anführe. 
Philos.-hisior. Abh. JifOO. IIL 2 



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10 J. Vahlen: 

^^ I. 7 et easdem scribendo male ex 

Graecis bonis Latinas fecit non bonas. 

Die Handschr. Ex Graecis. 
74 ut te redimas captum quam queas 

Minumo 
77 quas ipse amor molestias 

Habet 
io8 matri parvolam 

Puellam dono quidani mercator dedit 
121 PA. Utrumque hoc falsumst: effluet. TH. Qui istuc? PA. Quin 

Neque tu uno eras contenta neque solus dedit. 
126 te interea loci 

Cognovi. tute scis postilla quam intimum 
Habeam te. 
129 PA. Ne hoc quidem tacebit Parmeno. TH. Oh dubiumne id est? 

Vgl. 139. 140. 141. 
146 praeterea ut suis 

RestUuam ac reddam. 
163 numcubi meam 

Beniffnüatem sensisti in te claudier. 
200 neque meo 

Cordt esse quemquam cariorem 
209 Ph. Satin hoc mandatumst tibif PA. Ah 

RogUare quasi difficile sit. 
214 et istum aemulum 

Quod poteris ab ea peUUo. PA. Au 
Memini tarn etsi nuUus moneas. 

80 Fleckeisen i mit einem Theil der Handschriften. Die meisten Heraus- 
geber verschmähen die Interjection. Bentley: Ah \ Memini — . 

n. 217 PH. Sed heus tu. PA. Quid vis ? PH. Censen posse me offirmare et 
Perpeti ne redeam interea? 

So Umpfenbach mit den Handschriften. Censen me posse ohfirmare et 
perpeti Donat im Lemma, zweimal. Altere Drucke offirmare Et perpeti, was 
Beutley, damit auf den Octonar ein trochäischer, nicht ein jambischer Vers 
folge, in offirmare et Perpeti abgeändert hat. Die neuern, Fleckeisen i u. 2, 
Dziatzko, Conradt (Herrn. 10 S. 109) tilgen et, damit ein Infinitiv vom andern ab- 
hängig sei. 
223 non ego illam caream, si sit opus, vel totum tridnomf PA. Hui 

Universum triduom. 

Vgl. 225. 226. 
228 hie quidemst parasUus Gnatho 

MUitis: ducit secum una virginem dono huic: pc^ae 
Fade honesta. Vgl. 317. 



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Über die VersschBsse in den Komödien des Terentius. 11/ 

EUWU0B09 237 quoniam mi»er quod habui perdidi, em 

Quo redactus sum 

hem Bemb. mit den meisten übrigen, em zwei Handschrift^i , von denen 
eine Em am Anfang des folgenden Verses bat 

III. 260 nie ubi miser famelicus videt mihi esse tantum honorem ei 
Ta7n facde victum quaerere 

miAi t9St tantum honorem Et tarn Bewb. {me estte in corr. rec.) — me esMe 
tanto honore et Tom f. die übrigen Ildschr. vitUt me und üi tanto honore Donat 
im Lemma. Mit Tilgong des et, mi esse tantum honorem. Tarn facile Dziatxko, me 
esse tanto honore. Tarn f, Fleciceisen i u. 2, Conradt Herrn. 10 8. 108. 
263 tamquam pliilosophorum habent disciplinae ex ipsis 

Vocabula 
308 Chaerea aliquid invmi 

ModOf quod ames 
319 PA. Floe ipse. CH. Verum: hanc mihi tu vel vi vel clam vel precario 

F(to tradas, 
324 cui magis bonae 

FeUcitatea omnes adversae sient 
327 Patris cognatum atque aequalem Archidemideni 

Novistinf 
331 his mensibuB 

Sex Septem prorsum non vidisse proximis 
338 cras est mihi 

IwUcium ... ut dihgenter nunlies 

Pairi 
344 mirum ni hanc dicit, modo 

Huic quae dataat dono. 

rV. 349 CH. Nostin quae sit, die mihi^ aut 

Vidistinf PA. Vidi, novi: scio quo abdueta sit. 
CH. Eho, Panneno mi, nostin? PA. Novi et scio ubi sit? 

die mihi aut Beutley, ebenso Umpfenbach mit den Handschriften, von 
denen nur Bemb. die mihi Äut vidisUn; vgl. a6o. Fleckeisen i u. a, Dziatzko, 
Conradt (Herrn. 10 S. 108) tilgen auL 
356 lUumne obsecro 

Inlionestum hominem 
V. 362 CH. Obsecro hercle, Parmeno, fac ut potiar. PA. Faciam sedtUo ac 
Dabo operamy adiuvabo. 

sedulo ac die Handschriften mit dem Bemb. Die Herausgeber folgen 
alle (auch Umpfenbach) dem Urtheil Bentley's: W deleo ut per asyndeta fortius 
incedat oratio: an der Stellung der Panikel nahm er keinen Anstois. G. Her- 
mann (De Bentleii Terentio dissert. opp. n p. 285 sq.) vertheidigte die Partikel 
mit der Erklärung, dafs dabo operam, adiuvabo so viel sei als dabo operam ut 
adiuvem. 

2* 



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12 •!. Va HLEN : 

KUNUCHU8 366 äumma forma semper conservam domi 

Videbü 
383 si in domum meretriciam 

Deducar 
393 non tarn ipso quidem 

Dono quam abs te datum esse: id vero serio 

TriumphcU. PA« Hoc proviso ut, ubi tempus siet, 

Deducam. 
407 Tum me convivam solum abducebat sibi. GN. Hui 

Regem elegantem narras. 
416 papae 

lugularas hominem. Vgl. 229. 
422 Una in convivio 

/örflrf hie quem dico Rhodius adulescentulus. 
437 siquando illa mentionem Phaedriae 

FacU Vgl. 440 flf. 

477 quae liberum 

Scire aequomst adtUesceniem 
489 quem ego esse infra infimos omnes puto 

Hominem 
524 quae olim periit parvola 

Soror 
532 Thais maximo 

Te orabat opere 
540 Chaeream ei rei 

hrufecimus 
555 ubi siem 

Vestitum hunc nanctus 
568 forte fortuna domi 

Erat quidam eunuchus 
570 submonuit me Parmeno 

IIa senms 
623 Miles vero sibi putare adductum ante oculos aemulum. 

Voluit facere contra huic aegi'e : heus, inquit, puer, i Pamphilam 

Aecerse ut delectet hie nos. illa exclamat, minume getdium: 

In convivium illam 

So die Handschriften: nur 1 von Bentley eingesetzt, der auch die Ver- 
bindung von 625 fg. gentium In erkannte. Fleckeisen 2 hat, um eine sehr zweifel- 
hafte Entsprechung (Conradt Metr. Compos. S. 148 fg.) mit Gewalt durchzu- 
setzen, den Vers mit grofser Freilieit, aber wenig Wahrscheinlichkeit umgestaltet. 

VI. 631 Dum rus eo, coepi egomet mecum inter vias, 
Ita ut fit, ubi quid in animo est molestiae 



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Über die Versschlüsse in deii Komödien des Terefitias. 13 

NüCHus Aliam rem ex alia cogitare et ea omnia in 

Peiorem partem 

omnia in \ Peiorem Umpfenbach mit den Handschr. omnia Peiorem in Beiit- 
ley mit der Bemerkung magis ex consuetudine Terentü est, und ihm sind die 
Neuem alle gefolgt. 
65s PY. Peru. PH. Temulenta es. PY. Utinam sie sint qui mihi male voluut. 

DO. Au 
Obsecro, mea Pytliias, quod istuc nam monstrura fuit? 

So Fleckeiscn 2 mit Conradt Metr. Comp. S. 161; vgl. Adelph. 709. Die 
Handschriften tolunt. DO. Au obsecro. Vgl. Phorm. 803. 
669 DOR. Obsecro, PH. Oh 

niud vide, OS ut sibi distorsit 
674 PH. Quid ni habeamf PY. Oh factum bene. 

679 PY. An tu Imnc credidisti esse, obsecro, 

Ad nos deductum? PH. Namque alium habui neminem, PY. A%i 
Ne comparandus quidem Lic ad illumst: ilie erat 
Honesta facie et liberali. 
689 Colore mustelino, PH. IJem quae haec est fabula? 

Vgl. Andr. 747. 
736 CH. At nescibam id dicere illam, nisi quia 

Correxit miles. ' Vgl. 998. Adelph. 523. 

744 et adeo ad te attinere luinc 

Omnem rem 
807 ego eo ad Sophronam 

NtUricem 
811 baec tibi aderit supplicans 

lUro 
S22 illum eunucbum negant 

Fuisse 
827 Nisi amasse credo Pamphilam, TH. Ilem, misera occidi 

Infelij! 
838 Vide, amabo, si non, cum aspicias, os impudens 

Videtur 
842 Interim 

Dum ante ostium sto, notus mihi qnidam oboiam 
Venit. ubi vidi, ego me in pedes qiiantum queo 
In angiportum quoddam desertum, inde item 
In aliitd^ inde in aliud: ita miserrimus 
Fui fugitando 
Vn. 858 CH. Conservam esse credidi. 

PY. Conservam? vix contineo me quin incolem in 
Capillum: monstrum etiam nitro derlsum advenit. 



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14 J. Y 



\ H I. E N 



KUiiDCBUS inoolem in Bemb. u. Par. P. Ebenso Bentley. — Umpfenbach mit den 

meisten Hdschr. inoolem In capiüum. Fleckeisen i u. 2 quin mvolem "Mongtro in 
capillum: eUam, was Conradt Herrn. 10, 107 billigt und Dziatzko befolgt. 
864 non te dignum, Chaerea, 

FecisH: nam si ego digna hac contumelia 
Sum maxume 
VIU. 872 At nunc dehinc spero aeternani inter nos gratiaui 
Fore, Thais, saepe ex huius modi re quapiam et 
Malo principio ma^a familiaritas 
Conilatast. 

quapiam et Bembiii. quapiam Ei ntalo die meisten übrigen Uandschritteu 
und £ugraphiu8 im Lemma, quapiam et McUo ex principio Bentley mit Faerni. 
Von den neuern Herausgebern wird ei nicht erwähnt noch benutzt. 
918 eccum Parmenonem incedere 

Video 
IX. 926 PA. Nam ut mittam quod ei amorem difficüUmum et 
Carissimum^ a meretrice avara virginem 
Quam amahat, eam confeci sine molestia 
Sine svunptu et sine dispendio. tum hoc alterum 

difficHUmum et Umpfenbach mit den Handschriften. Ebenso Bentley, der 
f^jno amabaty cum schreibt, an der Partikel keinen Ansto(s nimmt. Die Neuem 
(ohne ei) dißiciüimum, Carissimum. 
962 edico vobis nostrum esse illum erilem ßlktm. PY. Hern 

Obsecro an is est? 
977 Perii: lingua haeret metu, SE. Hern 

Quid est quod tu trepidas? 
985 Tum quandam fidicinam amat hinc Chaereä. SE. Hern 

Quid? amatf an iam seit ille quid meretrix siet 

So Bentley und Fleckeisen. Chaerea. \ SE. Hern quidf amatf an Mit iam 
ille Umpfenbach mit den Handschriften. Vgl. 10 16. 
994 Numquid est 

Aliud maU damnive quod non dixeris 
ReUcuom. 
1009 Numquam pol hominem stultiorem vidi nee videbo. ah 

Non possum satis narrare — 
1052 nihil est Thaide hac, frater, tua 

Dignius quod ametur: ita nostrae omni est fautrix famiUae. PH. Hui 
Mihi illam laudas? 

Hui mir ein Theil der Handschr. , am Schlufs des Verses oder vor Mihi, 
von Umpfenbach verschmäht. Bentley W omnibus fere Ubris et edd. vett*: familiae 
PH. Hui I Mihi illam laudas. Quod egregie iucat sententiam.' So Fleckeisen 2. 
1061 Tu fortasse quae facta hie sient 

Nescis 



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Über die Versschlüsse in den Komödien des Terentiiis. 15 

ADBLPHox 1072 Militem ego rivalem recipiundum cemeo. PH. Hem 

Recipiunduin? 

ADELPHOE. 

30 Quae in te uxor dicit et quae in animo cogitat 
Irata 
1. 35 Ego quia non rediit filius, quae cogüo ei 
Quibus nunc sollicitor rebus. 

Et quibus Bemhui. mit den übrigen. Dais et an das Ende des vorigen Verses 
gehört, hat schon Faemi bemerkt. Servius Daniel. Aen. 1V379 p. 533, a Thil. 
wüicitat vero solUciioJi habet: TerentiuJi *ego quia non redit ßUus, quae oogHo et 
quibus nunc sollicitor rebus.* Aber Donat coffito quibus im Lemma. Bentley hat 
mit wenigen seiner Handschriften die Partikel getilgt: in asyndeUs concitaüor 
affeetus est Vgl. zu Eon. 362. Ihm sind die Sp&tem durchweg gefolgt. 

n. 36 ne aut ille alserit 

Aut uspiam ceciderit aut praefregerit 

AUquid. vah quemquamne hominem in animo instUuere aut 
Parare quod sit carius quam ipse est sibi. 

So Umpfenbach mit seinen Handschriften, von denen einige aninuun f&r 
oTwno haben. Ebenso Bentley. Probus Inst. art. (G. L. K. iv) p. 146, 30 W W 
rum animi affectu profertur, hoc est per Husphrationem , erit interiecUo, ut puta 
va quemquamne hominem in animo (animum Bob.) insiihtere aut 
parare quod sU carius quam ipse est sibL' 
Ritschi Proleg. Trin. p. cxx Vah quemquamne hominem in aniinintn instituere aut 
sibi Parttre quod — und mit ihm Fleckeisen i. Conrad t (Herm. lo, 109) tilgt aut^ 
damit parare von insUtuere abhängig sei. Ihm folgen Dziatzko und Fleckeisen 2. 
45 semper parce ac duritei^ 

Se habere f uxorem duxit, nati ßlU 
Duo 
in. 52 postremo, alii danculvm 

Patres quae faeiunt, quae fert adulescentia, 
Ea ne me celet . consuefeci* filium. 
55 Nam qui mentiri aut fallere msuerit patrem aut 
Avdebü, tÄuto magis audebit ceteros. 

Aut audebit Bembin. mit den übrigen . von denen zwei aut am Ende defi 
vorigen Verses haben. S. zu V. 35. — Aut amiebit haben Umpfenbach und Dziatzko 
mit dem Zeichen der Verderbniss beibehalten. Das» cuit^ wenn es stehen soll, 
an das Ende des vorigen Verses gehört, ist selbstverständlich. Martianus Ca- 
« pella V p. 162, 17 Eyss. 'a comparaiione rttaiorum . . . VergUiu^ 'tu potes mtani- 
mos armare in proelia fratre/f" ex hoc utique probat et alienos pOMMC, quod mimt^ 
ext. TerenUwi "nam qui mentiri aut /allere (falli Bamb. ni. pr. et Reich.) inMi- 
tuerit patrem aut audebit (so HR.; [aut audiebat] Eyssenh.) tanto magis aude- 
bit ceteroi^^ Donatus Andr. v 2, 26 tibi Ostemlam erum quid sit pericU fallere et 
ilU patrem: erum et patrem cum ingenti pronuntiatione dixit. Et alibi: 'nam qui 



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16 .1. V AHLEN : 

ADBLPHOE menUri out faüere i. p. a. m. t. m. a. r.' Faliere ita ut fit pairein Audelnt Beiitiej. — 

insuerit patrem Fraudare (decipere) tanto magut Ritechl Prol. Trin. p. cxx und 
Fleckeiseii i. insuerit patretn Audacter tanto m. DzitLtzko ; pat)'em Hau diUfie tanto m. 
Fleckeisen 2. S. auch Philol. 55 S. 390. 
84 quem neque pudet 

Qiiicquarn nee metuit quemquam neque legem putat 
Teuere se nUam, nam illa quae anteliac facta sunt 
Omiäo 
88 in aedes inruit 

Alienas: ipsum dominum atque omnem familiam 
MulcavU 
91 clamant omnes indignissume 

Factum esse, hoc advenienti quot mihi, llicio, 
Dixere 
112 Non est üagitium facere haec adulescentidum. MI. Ah 

Ausculta, ne me obtundas — 
127 Tun consihis quicquam. MI. Ah^ si pergis, abiero. 
131 nam ambos curare propemodum 

Reposcere illum est quem dedisti. DE. Ah Micio. 
14I tarnen 

Non nil molesta haec sunt mihi 
149 aut cui non dedit 

Aliqtiidy postrerao nuper (credo iam omnium 
Taedebal) dixit 
181 iam intro abripiere aique %bi 

Usque ad necenj operiere Ions. 

rv. 216 SY. Peeuniam in loeo neglegere maxumum interdumst luerum. hui 
Metuisti, si nunc de tuo iure concessisses paululum atque 
Adulescenti esses morigeratus, homimim homo stultissume, 
Ne non tibi istuc faeneraret. 

Am hnt Fleckeisen 2 dem Sannio gegeben, nicht unpassend, aber nicht noth- 
wendig. — paidutum attfue Adulescenti Umpfenbach mit den Handschriften. Nonius 
p. 269, 30 \oncedere dare vel permittere . . . Tereniius in Adelphis ''hui metuisti si 
nunc de tuo iure concessisses paululum'^.'' Fleckeisen i paululum Atque adulescenti 
morigerasses. Dziatzko und Fleckeisen 2 tilgen atque und stellen ein Asyndeton her. 
Für Streichung von atque an dieser und den analogen Stellen der Adelphi spricht 
auch Leo sich aus Rhein. Mus. 38 (1883) S. 12. Conradt (Herrn. 10 S. 109) hält atque 
mit dem V. 218 für eine Intcri)ol.ition. Anders Lachmann Conmi. z. Lucr. p. 81. 
274 CT. Pudebat. AE. Ah stultitiast istaec, non pudor, tam ob parvolam 

Bern paene e patria 
308 SO. Non intellego 

t^atis quae loquitur. CA. Propius obsecro accedamus, SostrcUa, GE. Ah 
Me miserum. 



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über die Versschlü^se in den Komödien des Terenüfts^ 17 

ADBLTROB 320 SO. Revocemus. (ieta, GE. Hern 

Quisquis es, sine me. 
326 GE. Alienus est ab nostra familia. SO. Hern 

Peru, quare? 
329 bisce oculis egomet vidi, ISostrata, SO. Ah 

Me miseram. cf. 342. 343. 

371 Id distributum sanest ex sententia. DE. Hern 

Huic mandes, siquid recte curatum velis. 
V. 374 DE. vostram nequeo mirari satis 

Rationem. SY. Est hercle ineptÄ. ne dicam dolo, atque 

Absurda 

dolo atque Umpfenbach mit den Handschriften , und Bentley. Nur Bemb. 
hat ATQ am Anfang des folgenden Verses vor absurda. — atque absurda Donat 
im Lemma, et abmrda Eugraphius im Lemma. Fleckeisen und Dziatzko stellen 
mit Tilgung der Partikel ein Asyndeton her. S. zu 217. 
T^TJ in aqua sinito ludere 

Tcmtisper 
382 an laudi putat 

Forey si perdiderit gnatum 
386 Istuc est sapere, non quod ante pedes modost 
Videre^ sed etiam illa quae futura sunt 
Pro9picere 

VI. 392 Nimiuin inter vos, Demea. ac 

(Non quia ades praesens dieo hoc) pernimium int^rest. 

ar die sftmmtlichen HandschriAen mit Ausnahme des Bemb. Die Par- 
tikel, die Bentley beibehielt, wird von den neuern Herausgeheni (auch Umpfen- 
bach) verschmäht und nicht erwähnt. 
411 DE. Salvus sit spero: est similis maionim suum. SY. Hui 
DE. Syre, praeceptorum plenust istorum ille. SY. /% 
Demi habuit unde disceret. 
439 si satis cemo, is est hercle: vah 

Homo amicus nobis iam inde a puero: o di boni. 
Ne ilUus modi iam magna nobis civium 
Pemtriast 
450 Videlicei 

De psaltria ha<; audivit: id illi nunc dolet 
AUeno 
VII. 465 HE. Nostrum amiciini noras Simulum atqii4> 

Aequalefnf DE. Quidni? HE. Filiam eins virjarinem 
Vüiavit 

SitiMtum aiquty wie Bentley mit Faemi ediit, die Mehrzahl der Hand- 
schriften: Simulitm Beroh.. doch \st aiqit^ nia. rec. vor Aequalem zugefilgt. Umpfen- 

PMhs.'kistor, Abh. 1900, HL ^ 



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18 J. y A Hi.r.sy • • 

AnKLPHOR baeh hat die Partikel eingeklaitiinert , die flbrigen Herausgeber erw&hnen «ie 

nicht. S. zu 217. 

471 ad matrem vii^nis 

Venit ipsus nitro lacrumans 
474 virgo ea^ eo 

Comprfsyfi gravida facta est 
480 noD malus 

Neque iners alit illas^ solus omnem familiam 

Sustentat 
486 serva ine obsecro. HE. Hein 

Numiiam ilia quaeso parturit. GE. Certe, Hegio. HE. Hem 

lllaec fidem nunc vostram implorat, Demea. 
HE. Em iüaec Dziatzko, s. die Von*. 
495 iina semper militiae et domi 

Fuimiis 
503 vos aequo animo aequa noscere 

Oportet 
511 et istam quod potes 

Fac comolere, ego Micionera , si apud forumst, 

Canveniam atque ut res gestaät narrabo ordine: 

Si est facturus ut sit officium suum 

Faciat — 
523 Et illud rus nulla aiia causa tarn male odi, nisi quia 

Propest. Vgl. Eunuch. 736. 

578 Verum hercle: vah 

Censen hominem me esse. 
601 quae dolore ac miseria 

Tabescit 
616 Sosirata 

Credit mihi me psal triam emisse hanc 
618 ubi eam vidi, iUco 

Accedo, rogito 
709 Hie non amandus? hicine non gestandus in sinu est?, hetn. 

Itaque adeo magnam mi iniicit sua commoditate curam. 
Vgl. Eunuch. 655. 
713 ut, Syre, re cum tua 

MojistrcUiofie magnus perdat lupiter. 
736 DE. Cetertim 

Placet tibi factum? 
790 Ml. Em tibi 

Rescivit omnem rem: id nunc clamat. sciUcet 

Paratae Utes 



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Vber die VersschUisse in den Komödien des Terentiiis. 19 

>ELPBOE 826 ut confidam fore 

Ita ut volumus. video 008 sapere, in^ellegere, in loco 
Vereriy inter se amare. scires liberujn 
Ingenimn atque animum: quo vis illos tu die 
Redducas. 

VIII. 845 Modo facito ut illam serves. DE. Ego istuc videl-o aiqiw 
Uli fa Villa e plena fumi ac poUiui.s 
Coquendo sit faxo et molendo: praeterhac 
Meridie ipso faciaui ut stipulani conligat. 

dtg/ie lUi Beiitley mit der Mehrzahl seioer Uaiidschrifteii , die UU uder 

ilUc haben. Ebenso die meisten Unipfenbach'.s. Atque ilUc Donat im Lemma. Über 

die Vertheilung des atque auf die beiden Verse s. zu 217. Atque ihi wie e» 

scheint Bemb.. ebenso zwei der ältesten Bentley's; was die Neuem befolgen. 

889 Era, ego huc äd hos pnmso, quam mox mrginem 

Arcessant 
891 ÜE. Geta, hominem maxumi 

Preti te esse hodie iudicavi 
905 DE. Eho 

Vin tu huic seni auscultare? 
980 atque huie aliquid pauluiu prae manu 

Dederu! 

HAUTON TIMORÜMENOS. 
69 deniquH 

NuUum remittis tempus 
88 At istos raatros int^rea tarnen 

Adpotte .. 
90 Sine me vocivom tempus ne quod dem mihi 

Laboris. CH. Non sinam, inquam. ME. Ah non aequom facis. 
III Sed in Asiam hinc abii propter pauperiem, cUque ibi 

Siraul rem et gloriam armis belli repperi 
128 coepi cogitare 'hem tot mea 

SoUus soUiciti sint causa 
,209 Necessest, Clitipho, consUia consequi consimilia: hoc 
j. Sdtumst. periclum ex aliis faeere. tibi quid ex usu siet. 

1-- rhusimiiia hör Benib. mit allen übrigen. Ebenso die alten Drucke und 

Bentley. Von den Neuern (auch Umpfenbach) verschmäht und der Erwähnung 
nicht werth gehalten. Aber hoc sdtuuuti , penelum ejc ulfiat Jacere wird durch deu 
Sprachgebrauch gerechtfertigt: s. Plautus Menaechmi 441 und Ind. lect. aest. 1880 
p. II. Herrn. 17, 608. Auch ist quid, nicht quoff (die Handschriften schwanken) 
hier und 231 bei der Wiederholung zu schreiben, worüber Bentley richtig urtheilt. 
.2:2 s hie Clinia, etsi is qjioque suarum rerum sat a^tat, tarnen 

Habet bene et pudice eductam ■ 

3* 



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20 J. Va H LKN : 

HAüTow TIM. 292 SY. Anw 

Subtemen nebat. praeterea una ancillula 

Erat 
295 Si haec sunt, Clinia. 

Vmi 
304 Ubi diciinus redisse te et rogare tUi 

Veniret ad te, mulier telam desinit 

ConHnuo 
313 CLT. O homini8 impudentem audaciam. SY. Hewf 

Non fit sine periclo facinus maiepiuin nee memorabile 
339 SY. Maxim€: 

Ibo obviam huic, dicam ut revortatur domum. CLT. Hern 

Quid dixti? 
358 CLN. Scilicef 

Facturum me esse. 
364 In tempore ad eam veni. quod rerum omniumst 

Primwnri 
396 mequidem semper sdo fecisse sedulo 

Ut ex illius commodo meum compararem commodum. CL. Ahy 

Ergo, mea Antiphila. tu nunc sola reducem me in patriam facis. 
431 ME. CUma 

Mens venit? 
433 Non volt te scire se redisse etiam. et tuum 

Conspectum fugitat 
439 satis iam, satis pater durus fui. CH. Ah 

Vehemens in utramque partem, Menedeme, es nimis 
455 namque unam ei cenam atque eins comitibus 

Dedi 
463 Ita me di amabunt, ut me tuarum miseritomst, 

Menedeme, fortwuxrum 
479 Prius proditurum te tuam vitam et prius 

Pecuniam omnem, quam abs te amittas filium: hui 

Quantam fenestram ad nequitiem patefeceris. 

Qucmtam ei fenestram Bentley. ßUum. Huic quantam Jens tr am Fleck- 
ei:»en 2. huic hätte am Schluis vou 480 stehen koimeu, wie hoc 309; doch eines 
Dativs bedorfte es nicht, weder ei noch huic, und hui ist vorzü^ich am Platz. 
514 videUcet 

nie Cliniai servus tardiusculust. 

I. 521 SY. Mulier ex>minoda ei 

Faeetn haec meretrix. 

commoda ei Umpfenbach mit den Handschriften. Ebenso Bentley. Fleck- 
eisen und Dziatzko tilgen die Partikel. 



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über die Versschlässe in den Komödien des TerenUus. 21 



HAUTOM TW 



538 CH. Quippe qui 

Magnarum saepe id remedium aegritudinumst. 
560 com male facere crederem mi inpunius 

Licsre 
581 CL. Syre, pudet me. SY. Credo: neque id iniuria; quin 

Mihi molestumst. 

So Umpfenbach mit der Mehrzahl der Handschriften. Im Bemb. und 
zwei andern beginnt quin den folgenden Vers. Dafs es an das Ende des 
vorigen gehört, bemerkt auch Bentley. 

11. 595 (JH. Quid tu? ecquid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre, (mt 
Repperisti tibi quod placeat an nonduin etiam? SY. De fallacia 
Dicisf est: inveni nuper quandam. 

61/re auf Umpfenbach mit den Handschriften. St/re, , Aut est tibi guodpl. 
Bentley, das andre Gründe, mit der Stellung der Partikel nichts zu thun hat. 
Fleckeisen und Dziatzko tilgen tmt 
600 Vah vide quod inceptet facinus. fuit quaedam anus Corinthia 

Hie: huic drachumarum haec argenti mille dederat mutuom. 

So die Handschriften, nur dafs Hie im Bemb. vor huic ausgefallen ist. 
Fleckeisen Corinthia hie, indem er den folgenden Vers mit viel Freiheit um- 
gestaltet: Quoi drachuniarum haec argenti folim] mille dederat mutuom. 
605 SY. Cliniam orat, sibi ut id nunc det: illam Uli tarnen 

Post daturam: mille uummum poscit. CH. Et poseit quidem? SY. Hm 

Dubium id est? ego sie putavi. 
649 SO. Ut stultae et misere omnes aumtis 

ReUgiosae, cum exponendam do illi, de digito anulum 

Detraho 
654 SO. Quam Bacchis secum adduxit adulescentulam. SY. Hern 

Quid illa narrat? 
656 sed postquam aspexi, ilico 

Cognovi 
705 Et scilicet iam me hoc voles patrem exorare ut celet 

Senem vestrum ? S Y. Immo ut recta via rem narret ordine omnem. CH. Hern 

Satin sanus es aut sobrius? 
711 ut cum narret senex 

Vester nostro esse istam amicam gnati, non credat tarnen. 
790 sed illud quod tibi 

Dixi de argento, quod ista debet Bacchidi 
794 num illa oppignerare filiam 

Meam me invito potuit? 
840 Mihi nunc relictis rebus inveniundus est 

Aliquis, labore inventa mea cui dem bona. 
906 ME. Ubi abiere intro, operuere ostium. CH. Hem 

Clinia haec fieri videbat? 



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22 J. Vahi.kn: 

PHOBMio 933 Difficilem ostendes te esse et ignosces tameu 

Posij et id (erit) ingratum. CH. Ah nescis. quam dolearn. 
945 ut eius animuni, cpii nun«* luxuria et lascivia 

Dijßuit, retundam 
loio CH. linmo9cis,potiu8 quam quideui redeat integra e>adem oratio. SO. Oh 

Iniquos fs, i|ui nie taoere de re tauta postulas. 
1035 CH. Nou, si ex capite *fcr meo 

XaiikSy item ut aiuut Miuervam esse ex love, ea causa magis 
Potior, Clitipho, tlagitiis tuis me infamem fieri. 

PHORMIÜ. 

51 DA. Praestost , desine. GE. OA, 

At ego obviam exjuabar tibi, Dave. 

1. 57 Sed (juid tu ess tristis? (tF]. E^one? nescis (|uo in metu ei 
Quanto in perido simus? 

ei am Schlufs des Verses, da^i Umpfenbach mit den Uandschritteii bei- 
behält, ebenso Bentley, haben Fleckeisen und Dziatzko gestrichen. 

192 PH. Te noininat. AN. Nescio quod magnum hoc nuntio exspecto ma- 

lum. PH. Ah 
SanuD e«? GE. Domum ire pergam: ibi piurumumst. PH. Revocemus 

hominem. AN. Sta ilico. GE. Hern 
Satis pro imperio. quisquis es. 
210 AN. Voitum contemplamini: ry/i 

Satine sie est? 
286 salvom te adveoisse gaudeo. DE, Oh 

Bone custos, salve 
289 GE. lam dudum te omues nos accusare audio 

Irrnnerito 
293 DE. Mitto omnia. Add(o) 

Istuc ' inprudens timuit adulescens' : sino 
Tu servos*: verum si cognata est maxume, 
Non fuit necesse habere. 

Addo uittic Beinb. Add^ i^tur die meisten übrigen. AcUiU vttac Donat im 
Lemma. Donat Heoyr. iv i ^ 41 Et alibi. * mitto onmia. Addo (adde) istuc: intpru- 
defut titnuit aduUsrens .slno : Tu ve/r/M.' Addo iititc inprudenii Bentley. Addo auf 
die beiden Verse vertheilt Lachmann Lucr. p. 81. Do iMtar. Fleckeisen, das 
Umpfenbach und Dziatzko aufgenommen haben. 

325 Vereor, ne istaec t'ortitudo in nervom erumpat denique. PH. Ah 

Non itast. 
418 DE. Ita, proximo quidem: at nos unde: aut quam ob rem?. Ph. Ohe, 

Actum äiunt ne agas. ... 



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l'ber die Versschlüsse in den Komödien des Terentivs. 2Ä 

»«»« 428 PH. Metuit hie nos. tarn etsi seduio 

DissWnulcU, PH. Quin quod M 

Ferundum fo«. 
431 DE. Egon tfunn expetam 

Amicitiam 
433 habebis quae ttiam 

SenecMem oblectet 
449 Mihi 

Sic hoc videtur; quod te absente hie filius 

Effit, restitui in integrum aeqiiomst. 
4QO DO. Mirabar si tu mihi quicquam adferres novi. AN. Ei 

Metuo lenonem, nequid suo suat capiti. 

Ki im ßejiib. und zwei andern am Anfang de.s folgenden; Vernes. 
575 sed veniase eas 

Sakas audivi ex nauta qui illas vexerat. 
633 eho die quid vis dari 

Tibi in mcttmm 
638 tria non commutahitift 

Verba hodie inter vos 
645 quae^o, quid si ßliam 

Suam unicam locaret 
663 Aediculae item sunt ob decem alias. DE. Oiitn 

Nimiumst. 
709 ante brumam autem novi 

NegoH iiicipere 
817 gnatam inveni nuptam cum tuo Jiiio. DP]. Hpm 

Quo pacto id potuit. 
n. 827 sed ubinaiH (irt^tani iiivenire possum v-i 

Rogem <|uck1 tempus (»onveniundi jwVtris nie (•a|)ere suadeat. 

fd im Bemb. und zwei andern am Anfang des folgenden Verses. Bentle}', 
der den V. 828 frei abgeändert, hat keinen Gebrauch davon gemacht, »niadeai 
Bemb. iuhpai die meisten ilbrigeit. Fleckeisen hat den Vei*s ut r(ßf/^m . . . wafieat 
als einen interpolirten ausgeschieden: ebenso Dziatzko. 
831 Nunc una mihi re« etiam restat quae est conficienda, otiuvi 

Ab senibus ad potandum ut habeam. 
847 AN. Hefts Getn. GE. Em tibi, 

Num mirum aut novom est revocari 
857 Quin tu hine pollicitationes aufer et quod fers cedo. GE. Oh 

Tu quoque aderas. Phormio? 
904 Heus quanta quanta hac-c inea paupertas est, /a^ii^n ■: :. 

Adhuc curavi unuin hoc quidem, ut mihi esset fides. 
921 transi sodes ad forum atque ülud mihi 

Argentttm rursum iube rescribi, Phormio. 



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24 J. Vahlen: 

954 PH. Inieci scrupulum, DE. Hern 

Hicine ut a nobis hoc tantum ai^enti auferat. 
Q78 hoc publicitus scelus hinc asportarier 

In solas terras 
1032 DO vi aeque omnia 

Tecum 

HECYRA. 

78 si quaeret me, uü 

Tum dicas, si non quaeret, nullus dixeris. 
89 et te iwym 

ConsiUurn contempsiBse 
98 quod ego numquam credidi 

Fore, ut ille hac viva posset animum inducere 

üxorem habere 
ri 2 »i mihi ßcletn 

Das te tacituram, dicam 
143 Diebus sane paucutis 

Post PamphiUis me solum seducit 
178 interim 

Miris modis odisse coepit Sostratam: 

Neque Utes uUae inter eas. postulatio 

Numquam 
205 Me miseram, quae nunc quam oh rem accuser nescio. LA. Hern 

Tu nescis. 
277 ita animum induxerunt , «ocrti« 

Omnis esse iniquas 
283 Hacine causa ego ei*am tanto opere cupidus redeundi dommn. Hm 

Quanto fuerat praestabilius ubivis gentium agere aetatem. 

dointun, | CVt quanto die Handschriften mit dem Bembinus. DaHlr hat 
Fleckeiaen Am (Bentley ah) an das Ende des vorigen Verses gesetzt. Vgl. 
Hautontim, 480. 
365 aüo suspicans 

Morbo me visurum adfectam ac sensi esse uxorem: ei mihi. 
387 Per eam te obsecramus ambae, si ius, si fas est, uti 

Adversa eins per te tecta tacitaque apud omnes sient. 
416 -Non hercle verbis, Parmeno, dici potest 

Tantum, quantum re ipsa navigare inconunodumst. 
434 vovisse hunc dicam, si salvos domwm 

Bedisset umquam, ut me ambulando rumperet. 
459 Sane hercle homo voluptati obsequens 

F^ut, dum vixit. 



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über die VersscMilsse in den Komödien des Terenüm. 25 

RECYRA 519 id qua causa clam me habuisse 

Dicam^ non edepol scio. 
530 Quid sit quam ob rem tantopere omnes no8 celare volüeris 

Partum 
579 Verum ita me di ament itaque obtingant ex te quae exoptem mi, ufi 
Numquam sciens commerui, merito ut caperet odium illam mei. 

So B'leckeisen aus Eigenem: so wenig stiefs er sich an dieser Stellung 
der Partikel. Denn die Handschriften Mopto (pxoptem) mihi üt numquam scims 
commerui mit einsilbigem Acienx. 
595 ut ne cui mea 

Longinquitas aetatis obstet mortemve exspectet (exoptet) meam. 
630 Ne revereatur minus iam quo redeat domum. PH. A/i 

Nullam de bis rebus culpam commeruit tua. 
677 te propter tuam 

Alatrem non posse habere hanc uxorem domi. 
697 Dabo ius iurandum nihil esse istorum mihi. LA. Ah 
Redduc uxorem, aut — 

Wenn man diese lange Liste der Beispiele, aus der doch vieles Be- 
achtenswerthe der Kürze halber ausgeschieden ist, aufinerksam durchgeht, 
wird man leicht wahrnehmen, dafs die Eigenheit der Verstechnik, deren 
Prüfung mir obliegt, weder an Zahl der Belege so gering noch in ihrer 
Art so vereinzelt ist, dafs sie schon darum Verdacht erregen könnte. Wir 
sehen, Terentius hat die der Elision zugänglichen Interjectionen, kern, hui, 
ah^ au^ ebenso behandelt, wie die vocalisch anlautenden Partikeln , et. aut^ 
ut. Und wenn man die Unzulässigkeit der letztern damit zu erweisen 
gemeint hat, dafs man sie, da sie keine besondre Silbe ausmachen, ohne 
Schaden för den Vers ausstreichen könne (Conradt Herm. 10 S. 107). so 
leuchtet ein, dafs aus demselben Grunde die sämmtlichen Interjectionen 
aus den Schlufsstellen des Verses sich ausweisen liefsen, ohne Nachtheil 
för die Versform, aber zu grofsem Schaden för Gedanken und Rede. 
Und doch hat m. W. Niemand bei dieser Frage die naheliegende Parallele 
in Betracht gezogen, die davor warnen konnte, bei den einen zu ver- 
werfen, was för die andern unweigerlich anzuerkennen war.^ Zeigt, sich 
schon hierin nicht Zufall oder Verderbnifs, sondern Absicht des Dichters. 

' Dafs in den Ausgaben meist, nicht immer, hinter den Interjectionen eine leichte 
Interpunction folgt, wird Niemanden über den engen Zusammenhang täuschen, in welchem 
sie mit der folgenden Rede stehn; was beim Versschlufs nicht anders ist als mitten im Verse: 
wofür im Obigen auch einige Beispiele eingestreut sind. 

Philos.-histor.Abh, 1900. III. 4 



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26 J. V AHLEN : 

der in gleicher Weise mit beiden Arten einsilbiger Wörter seine Vers- 
schlüsse ausgestattet und mit beiden einen engem Zusammenschlufs seiner 
Verse erzielt hat. so wird dies durch die gleichfalls aus unsem Zu- 
sammenstellungen sich ergebende Thatsache bekräftigt, dafs auch Wörter 
wie JioCj und Partikebi wie uüj, quiüj quin, aucii ohne durch Elision ge- 
bunden zu sein, in den Schlufsstellen stehn und der Gedankenverbindung 
der Verse dienen, an deren Stellung man so wenig Anstofs genommen 
hat, dafs selbst Kritiker, denen ein elidirtes ut am Schlufs unerträglich 
ist, ein, nicht elidirtes uti nicht nur dulden, sondern aus Eigenem in die 
Schlufsstelle gebracht haben. Man wird nicht behaupten, dafs die mit 
solcher Entschiedenheit durchgesetzte Verwerfiing eines schliefsenden et 
oder aut auf allseitiger Beobachtung und Präfung der verwandten That- 
sachen und Erscheinungen beruhe. Was aber die Zahlen anlangt, so 
weisen Andria 6, Eunuchus 9, Adelphi 8, Hautontim. 2, Phormio 2, die 
Hecyra, obwohl sie zwei (vielleicht drei) Beispiele für schliefsendes uti 
hat und auch im übrigen , namentlich in der Verwendung der Interjectionen, 
gleiches Verfahren erkennen lafst, kein Beispiel auf: im Ganzen 27, eine 
Anzahl, dünkt mich, im Verhältnifs grofs genug, um bewufste Absicht 
zu verrathen: begnügt sich doch oft genug die Induction mit viel weniger, 
um Gesetze zu proclamiren. Die Partikeln selbst vertheilen sich so, dafs 
unter den angegebenen Bedingungen schliefsendes et 9 Verse haben, aut 5, 
ac 2, atque 3 (4) ausschliefslich in den Adelphi, 0/ i, ui 2, in ^ und 
ex I Vers. Hinzu konmien die nicht mitgezählten, dem schliefeenden 
atqu{e) sich anreihenden weitern Fälle hypermetrischer Verse, die für unsre 
Betrachtung nicht ohne Bedeutung sind. 

Doch mit diesen allgemeinen Erwägungen wird gegenüber einer so 
herrschenden und festgewurzelten Ansicht nicht viel ausgerichtet sein. 
Indem ich mich zu den Einzelstellen wende, um die Besonderheiten einer 
jeden näher zu prüfen, gehe ich aus von den viel besproclienen Versen 
der Andria 51 ff., die in ihrem vollen Zusammenhang hierher zu setzen sind: 
5 1 Nam is postquam excessit ex ephebis , Sosia, et 

Liberius vivendi fiiit potestas (nam antea 

Qui scire posses aut ingenium noscere. 

Dum aetas metus magister prohibebant? SO. Itast). 
55 SI. Quod plerique omnes faciunt adulescentuli, 

Ut animum ad aliquod studiunj adiimgaut, aut equos 



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Über die Versschlilsse in den Komödien des Terentius, 27 

Alere aut canes ad venanduni, aut arl philosophos, 

Horum ille nihil ej^egie praeter cetera 
59 Studebat; et tarnen omnia haec mediocriter. 
Üie besondre Schwierigkeit dieser Verse beruht darauf, dass sie in dem 
Eingang von V. 52 Liberius vicendl ein prosodisches oder meti'ischos Be- 
denken enthalten . dem man zugleich mit der Beseitigung des schliessenden 
et zu begegnen gesucht hat. Spengel, indem er schreibt Sosia, Lihf^rius vi- 
vendi est potestas. Fleckeisen in der 2. Bearbeitung Sosia, Liberius vivendi 
ubi potestas, Berichtigungen, die beide zwar den prosodischen Anstoss heben, 
im ITbrigen aber wenig Vertrauen verdienen: denn Spengel's est fiihrt eine 
kaum passende Verbalform ein und hebt den periodischen Satzbau auf, 
der trotz des parenthetischen Einschubs in voller Klarheit sich entwickelt : 
Fleckeisen's Verbesserung ist mit der öfters von ihm geübten Freiheit ge-' 
macht, die mit der Wahrscheinlichkeit schlecht besteht: er scheint aber 
anzunehmen, dass das beigeschriebene fnii das ursprüngliche ubi verdrängt 
und sich an seine Stelle gesetzt habe. Wenn aber der Satz lautete Liberius 
vivendi tibi potestas j wht fuit kaum zu entbehren und wer es zuschrieb, ver- 
diente keinen Tadel. Bedenklicher ist, dass die Beziehung dieses mit ubi 
eingefShrten Sätzchens nicht sicher zu erkennen ist und zu bedauern, dass 
die Glätte der kritischen Ausgabe es verwehrte dem Leser einen Fingerzeig 
zu geben. Sollte es erläuternder Zusatz sein zu postquam excessit ex ephebiSj 
nachdem er aus den Epheben ausgeschieden, wo dann (wobei) die Möglich- 
keit freiem Lebens war (oder ist?)', so ergäbe sich ein wenig angemessener 
Ausdruck, wenn auch fiir dieses ubi sich vielleicht vergleichen liess Hauton tim. 
315 in mea vita tu tibi hudem is quaesitutn^ ubi si paululum modo quid te 
fugerit^ ego perierim. Aber wahrscheinlicher soll der Satz mit ubi zweiter 
Temporalsatz sein, dem ersten untergeordnet und zum Nachsatz gehörig: 
nachdem er aus dem Ephebenalter ausgeschieden, fing er, sobald die 
Möglichkeit freiem Lebens (war), an, das und das zu treiben', ungeföhr 
wie CatuUus schreibt (68, 15) tempore quo primum vesti^ mihi tradita purastj, 
iucundum cum aetas florida ver ageret, multa satis lu^i; oder Terentius selbst 
Eunuch. 403 siruhi cum satietas hominum aut negoti si quando odium ceperatj 
requiescere ubi volebatj quasi ubi illam exspueret miseriam ex animOj tum me 
convicam abducebat sibi. Allein in diesem Falle würde msm fuit (erat) um 
so schwerer vermissen (denn was vergleichbar scheinen könnte, wie Andr. 
138. 149, erweist sich bei näherer Prüfung als verschieden) und würde in 

4^ 



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28 J. Vahlkn: 

der einmal gewählten Satzform des Ganzen diese Absicht des Dichters 
kaum recht verständlich sein. Doch wie dem sei: wir haben nicht die 
Möglichkeit dieses ubi zu würdigen, das gewifs vielen gefallen wird, weil 
es über die Schwierigkeit des Verseingangs Liberius vivendi täuschend hin- 
weghilft, sondern die überlieferte Form in das Auge zu fassen ; und sieht 
man einen Augenblick ab von der metrischen Beschaffenheit der Worte 
Liberius vivendi^ die ftii* den Gedanken unentbehrlich und in ilirer Form 
unantastbar sind und deren prosodische Schwierigkeit tür sich gelöst werden 
muls, sei es mit Lachmann (Lucr. S. 120) durch dreisilbige Aussprache 
von Lil)€rius oder mit Schopen {De Terentio et DonatOj Bonn 182 1, p. 6) und 
Klotz (Antike Metrik S. 286) durch zw^eisilbige von vivendi, sieht man, sage 
ich, davon ab, so ist leicht zu erkennen, und gerade die beiden Ver- 
besserungsversuche lassen es im Vergleich nur um so deutlicher empfinden, 
dafs eine einfachere und natürlichere Ausdrucksweise nicht erdacht werden 
kann^ als die aus der Uberliefermig sich ergiebt, und dafs, wenn man ohne 
Rücksicht auf die Versfonn läse is postquam excessit ex ephebis et liberius 
vivendi fuit potestaSj, daran Niemand sich stossen, sondern jeder bekennen 
würde, wie ungesucht diese beiden an postquam hangenden Bestinmiungen 
durch die Bindepartikel vereinigt werden, von denen die zweite, die aus 
der ersten resultirt, ihr zm* nothwendigen Ergänzung dient und zugleich, 
wie sie die unerlässliche Unterlage fiir den begründenden Zwischensatz 
na?n antea Qui scire posses usw. abgiebt, der ohne sie jeden Halt verliert, 
so auch die nähere Voraussetzung für die daraus abgeleiteten Folgerungen 
ergiebt. Dafs diese dui'ch et gegebene Verbindung der zwei zusammen- 
gehörigen Gedanken, wie ich sage, die natürliche und einfache Redeweise ist. 
mag verwandter Gedankenausdruck bei andern zeigen, Propertius (3, 15, 3) 
Ut mihi praetexii pudor est ablatns amictus et data libertas noscere amoris iter^ 
Uta rüdes animos . . imbuit; oder Plautus (Mercat. 40) Principio vi ex ephebis 
aetate exii atque animiis studio amotus puerilist meus^ amare coepi: beidemal 
der genau entsprechende Gedanke in analoger Form. Aber weil solche 
Verbindung gleichartiger Bestimmungen als das natüi'hche ungesucht sich 
einstellt, fehlt es begreiflicher Weise dafür nirgend an Beispielen, und 
werden mehre derselben aus Terentius bei atqu£, wo dieselben Fragen und 
dieselben Bedenken wiederkehren, zu Adelph. 217 zusammengestellt werden. 
Hier sei noch erwähnt Hautont. 417 ut fiUum meum amico atque aeq^Mili 
suo Video inservire ei socium esse in negotiis: Adelph. 272 hoc ^nihi dolet^ nos 



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über die Versschlnsse in den Komödien des Terentius. 29 

paene sero scisse et paene in eum locum redisse^ ut si omnes cuperent tibi nü 
possent auxiliarier; Hautont. 696 nam si nunc a nobis abis et Bacchidem hie 
relinquis, senex resciscet ilico — : immer dasselbe Verhältnifs: das zweite 
flie Folge des ersten, zugleich die schärfere und ergänzende Bestimmung 
zu jenem. So also auch hier: postquam excessü ex ephebis et liberius vivendi 
fuit potestas nachdem er aus dem Ephebenalter geschieden imd die Möglich- 
keit freiem Lebens hesafs'; und hier war die Bindepartikel um so noth- 
wendiger, weil ohne sie der zweite Satz fiir den Nachsatz des ersten zu 
halten und nicht zu erkennen gewesen wäi-e, dafs sie beide zusammen den 
Vordersatz zu diesem weit ausgefiihrten Satzgefüge abgeben. Hinzu kommt, 
dass in dem zweiten Satz ein Dativ vermifst wird: deest V/*, sagt Donatus; 
denn der Sinn ist: is postquam excessit ex ephebis et ei liberius vivendi fuit 
potestas. Nun ist zwar dem Terentius die Sparung des Pronomens sehr ge- 
läufig, worüber später zu Andr. 560 und Eunuch. 859 zu sprechen sein w^ird, 
und es war daher, wenn man den Zusammenhang beachtet, nicht erforder- 
lich, Hautont. 252 viden tu? aneiUas aurum vestem^ quam ego cum una ancillula 
hie reliquij unde esse censesf vor esse oder vor quam^ oder Andr. 189 dum 
tempus ad eam rem tulitj sivi animum ut expleret suum; nunc hie dies aliam vitam 
adfertj alias mores postulat vor adfert ein ei einzusetzen, wie Fleckeisen an 
beiden Stellen thut. Allein hier war die Ergänzung des Dativs um so leichter, 
wenn beide Sätze verbunden waren und aus dem is des ersten das ei des 
zweiten hinzugedacht werden konnte, etwa wie Phorm. 292 servom homine^m 
causam orare leges non sinunt^ neque testimoni dictio est^ d. i. neque ei t. dictio est. 
Wenn nun so die sprachliche Form des Satzes nach allen Seiten sich 
stützen und rechtfertigen läfst, die unentbehrliche Bindepartikel aber ändert 
als am Schlufs des ersten Verses ihren Platz nicht finden konnte, so sollte 
man sich, meine ich, der Folgerung nicht entziehn, dafs hier wenigstens 
diese Versbildung dem Dichter genehm gewesen und nicht durch zufälligen 
Irrthum oder absichtliche Ergänzung entstanden sei. Der Versschlufs Sosia^ ' 
etj während die Namen in der Anrede, wozu ihre Form einlud, meist den 
Schlufs bilden, hat genaue Analogie an Sf/re^ aut Hautont. 595; Demea^ ac 
Adelph. 392, welche Versschlüsse freilich auch ihrerseits der Rechtfertigung 
bedürfen werden. 

Wenn es geglückt ist, dieses et nicht blofs aus den allgemeinen Er- ■ 
wägungen, die ich vorausgeschickt habe, sondern auch aus Gründen, die 



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30 J. Vahlk'n: 

in der Stelle selbst liegen, zu sichern, so dürfen wir mit etwas mehr Ver- 
trauen die zunächst verwandten Fälle betrachten. Denn ich halte es för 
die Beweisfahrung angemessener, niclit der Abfolge der Komödien und der 
Beispiele in emer jeden mich anzuschlielsen , sondern die Belege fär jede 
Partikel zusammenzureihen. Ks sind aber noeli acht Stellen, an denen ein 
Versschliefeendes et die Kritiker bemüht iiat, unter einander raanchfaeh 
verschieden, so dafs eine jede besondei'er Betrachtung zu imterziehen ist. 
aber auch verwandt, so dafe gleichartige Erscheinungen, die einander zur 
Unterstützung gereichen können, sich zusammen ordnen lassen. Zuerst 
Aadr. 560. 

556 Em, id te oro ut ante eamus, dum tempus datur 

Dumque eins lubido occlusast contumeliis. 

Prius quam hai-um scelera et lacrumae confictae dolis 

Redducant animmn aegrotum ad misericordiam; 
560 Uxorem demus. spero consuetudine et 

Comugio liberall devinctum, Chremes, 

Dein facile ex illis sese emersurum malis. 
Es ist nicht deutlich, wie die Herausgeber, welche 560 et tilgen, den 
Ausdi'uck gefafst wissen wollen, spero consuetudine coniugio liberaÜ demnetum 
sese emtrmrum, ob als asyndetische Zusammenordnung verwandter Begriffe, 
consuetudine, co7Üugio, oder beide Ablative in verschiedener Beziehung und 
Abliängigkeit von dem Participium devinctum. Allein keins von beiden er- 
giebt, wie mir scheint, einen klaren und einfachen Ausdruck (denn dem 
ersten consuetudine r^nüigio deoinctum ist das Epitheton entgegen ; bei dem 
zweiten per consuetudinem coniuyio liberali devinctum ist consuetudine ein im- 
nutzer Zusatz) und schon die Unklarheit der Auffassung ist Terentius' 
Waise nur zu sehr entgegen. Daher Fleckeisen nicht ohne Grund in seiner 
zweiten Bearbeitung sich nicht begnügte, wie früher und wie die meisten, 
et zu tilgen , sondern einen andern Weg einschlug der versschliefsenden 
Partikel sich zu entledigen, indem er folgende Schreibung in seinen Text 
setzte: consuetudine Convugi eum liberalis devinctum. Ich lasse die Kühnheit 
der. Abänderung auf sich beruhen. Aber die Fassung selbst ist nicht ohne 
Bedenken. Der Zusatz des Pronomens eum^ der nur gemacht ist, um die 
Verbesserung zu ermöglichen, war durch die Satzform nicht nur nicht ge- 
fordert, sondern eher vom llberfluss und störend. Terentius, der, wie zu 
Andr. 52 (S. 29) bemerkt, die Pronomina, wo sie selbstverständlich sind, zu 



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über die Versschlüsse in den Komödien des TerenÜus. Z\ 

sparen liebt, hat namentlicli in abhängigen Infinitivsätzen von dieser Freiheit 
Gebrauch gemacht, wie. um weniges anzufahren, Andr. 553 irae sunt inter 
Gbjcerium et gnatum . . ita maffnae ut sperem passe avelli; nämlich eum, 
oder ebend. 976 tuus est nunc Chremes: facturum quae voles sdo esse omnia: 
840 credo, et idfacturas Davos dudum praedixit mihi; Phorm. 1022. Vollends 
aber erscheint das Pronomen unnöthig und lästig, wo es durch ein Parti- 
cipiiun gleichsam mitvertreten ist: spero coniugio demnctum sese emersun/nt 
'ich hoflfe, dafs er durch ein Ehebündnifs gefesseh aus dieser Misere sich 
erheben werde*. Denn davS ist aligemeiner Brauch . der, so bekannt er ist. 
doch auch mitunter verkannt wird: ('atuUus 35, 8 si sapietj vlam vorabit, 
quamvis Candida milies puella euntem revoeet^ d. i. ihn wenn er geht; Livius 
42, 28, 12 mane ingressi cubirulum servi laqi^o dependentem invenere, d. i. 
fanden ihn hangend; wie Tacitus dial. c. 3 sedentem et ipsum quem pridie red- 
taverat librum inter manus habentem deprendimus; Livius 37, 7,10 optime e^lo- 
rabkurj si nihil ex praeparato agentem apprimetj qvi mittetur, ganz wie Teren- 
tius selbst Andr. 227 conveniam PampJiUum, ne de hac re pater inprudentem 
opprimat d. i. ihn ohne Vorwissen überrasche. Da« Pronomen evirt also war 
nutzlos und ist gegen herrschenden Grebrauch eingefögt. Was nach Be- 
seitigung desselben von der Verbesserung übrig bleibt , ronsuetudine conmgii 
liberalis devinctum^ ist zwar ein Ausdruck, dessen Möglichkeit nicht zu be- 
streiten ist, aber abgesehen davon, dafs er ohne das Proitomen im Verse 
nicht bestehen kann, wird auch Niemand behaupten, dafs gerade diese 
Fassung (constietudo coniugii) begehrt werde. Betrachtet man dagegen die 
überlieferte Form consuetudine et coniugio liberali devinctum, so läfst sich, 
wie ich glaube, eine Auflassung gewinnen, die allen Ansprüchen genügt. 
Consuetudo ist das Zusammenleben (Agl. über consuetus Herm. 33 S. 245) und 
steht sowohl von der consuetudo amatoria^ wie von der consuetudo uxoria; 
Andr. 439 huiusce propter consuetudinem hospitae im Gegensat« gegen die 
miptiae; ebend. 279 «< neqtie me consuetudo neque amor neque pudor cotnmo- 
veat: beides von der Hetäre, die als eine peregrina galt. Dagegen Hec. 404 
fitsi amor me gravOer consuetudoque eius fen^/;» Phorm. 161 exspecto quam mox 
veniat qui hone mihi adimat consuetudinem, beides von der rechtmafsigen 
Gattin. Aus diesem Gebrauch des Wortes, zumal es sich hier darum handelt, 
den Pamphilus diu'ch ein Ehebündnifs aus den Schlingen der Hetäre zu 
ziehen, ergiebt sich als wahrscheinlich, dais libera/i nicht blofs zu coniugid^ 
sondern auch zu conmetudine gehöre, um diese als eine consuetudo mit einer 



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32 J. V AHLEN ; 

ingemm ac ISberalis (vgl. Phorm. i68; Hecyr. 164) im Gegensatz gegen die 
consuetudo hospUae zu bezeichnen, und dafs also das Epitheton gemeinsam 
an beide Nomina sich anschliefst, die als ein Paar verwandter Begriffe 
zusammengeordnet sind, wie z. B. Hautont. 945 at eins animum qui nunc 
luxuria et lascivia diffluit retundam; oder Phorm. 441 quanta me cura 
et sollicitudine adßcit^ oder Andr. 813 tarn aliquem esse amicum et de- 
fensorem eij oder in scharfem Gegensatz zu dem Doppelausdruck consue- 
tudine et coniugio lH)eraU Andr. 830 ßliam ut darem in sedUionem atque in- 
certas nuptias (s. Verwandtes bei atque zu Adelph. 375). Wenn wir aber 
so richtig interpretiren , ist et unerläfslich , und ohne den Anstofs an der 
versschliefsenden Partikel hätte in dem Ausdruck consuetudine et coniugio 
liberali devinctum ex Ulis sese emersurum malis wohl Niemand ein Bedenken 
gefunden, sondern jeder ihn im Sinne des Dichters aufgefafst. Und während 
die Streichung des et erst die Schwierigkeiten schafft, die so schwer zu 
beschwichtigen sind, sollen wir doch nicht glauben, dafs Terentius auch 
in dieser Form und Stellung verbunden habe, was zu verbinden war, um 
unzweideutigen Ausdruck zu erhalten? 

Einer gewissen Ähnlichkeit wegen lasse ich zunächst Eunuch. 873 folgen. 
CH. At nunc dehinc spero aeternam inter nos gratiam 

Fore, Thais, saepe ex huius modi re quapiam et 

Malo principio magna familiaritas 

Conflatast. 
Die neuern Herausgeber erwähnen et nicht, das beinahe die sämmtliche Über- 
lieferung fiir sich hat, und dafs es im Bembinus hinter quapiam^ wo es 
allein am Platz ist, in den übrigen Handschriften vor Malo steht, thut 
nichts zur Sache und darf nicht schon Zweifel an der Ursprünglichkeit 
des Wortes erregen. Durch die Beseitigung der Verbindung haben auch 
hier, wie mich dünkt, die Kritiker erreicht, dafs aus einem klaren und 
für Jedermann verständlichen Ausdruck ein schwieriger imd bedenklicher 
geworden ist. Denn wie deuten wir nun das losgelöst stehende malo prin- 
cipio? Saepe ex huius modi re quapiam malo principio magna familiaritas con- 
flata est. Aus Dziatzko's praefatio entnehme ich. dafs man malo principio 
als ablat. absol. erklärt hat: was doch im besten Falle einen schwerfalligen 
Ausdruck ergiebt, den man nicht ohne Noth einem so durchsichtigen Stile 
aufbürden sollte. Wie andre das für sich stehende malo principio erklären, 
weifs ich nicht. Aber klar ist, dafs orst die Trennung der Ablative die 



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über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 33 

lTnsich<*rheit oi*zou^ hat. hiei* wie bei coiisuetudine et roniugio liberali. Setzt 
man sie in die rechte Verbindung saepe ex huius modi re quapiam et malo 
principio magna familiaritas conflata estj ist alles hell . und man erkennt, 
dafs ex huius modi nicht blofs zu re quapiam^ sondern auch zu malo principio 
gehört: denn nicht ein scldechter Anfang schlc^chtweg, sondern ein schlechter 
Anfang dieser Art erzeugt oft die gröfste Vertraulichkeit. Die res quaepiam^ 
womit ('haerea euphemistisch l)ezeichnel, was er getlian hat, und das wa- 
lum principium sind identisch nnd werden durch huius modi deutlich genug 
als das bezeichnet, was sie sind. Auch hier bin ich der Meinung, dafs 
ohne das \^orurtheil gegen das <len Vers beschliefsende et Niemand den 
Sinn der Worte ex huius modi re quapiam et malo principio verkannt oder 
ihren Zusammenhang aufgehoben hätte. 

Von andrer Art ist Eunuch. 217, wo Phaedria. <ler seine Geliebte auf 
zwei Tage verlassen soll, sich darüber mit seinem Sclaven Panneno unterhält. 
PH. Sed heus tu. PA. Quid vis? PH. Censen posse me offirmare et 
Perpeti ne redeam interea? PA. Tene? non hercle arbitror. 
Die von den Herausgel)ern belii^bte Entfernung der Bindepartikel ergiebt. 
dafs der eine Infinitiv vom andern abhängig ist: censen posse me offirmare 
perpeti ne redeam. Solche Abhängigkeit eines Infinitivs vom andern, oder 
wie hier gar dreier von einander, war grammatisch nicht unmögli(*h und 
ist nicht ohne Beispiel bei Terentius, wie wenn (»r schreibt Hec. 99 quod 
ego numquam credidi fore ut ille hac riva passet animum inducere uxorem 
habere j oder ebend. S^5 sie te dixissr opinor invenisse Myrrinam Bacchidem 
anulum suum habere. Vgl. 451. Unserm Verse scheinbar nahe vergleichbar 
ist Hec. 454 certum offirmare est viam me quam decrevi persequij auch um- 
ständlich: denn es hätte genügt zu sagen, certum est viam me quam decrevi 
persequi. Aber die scheinbare Ähnlichkeit verschwindet bei näherer Be- 
trachtung: denn der Vergleich kann nicht offirmare perpeti ne redeam^ son- 
<lern nur censen me posse offirmare ne redeam (oder me posse offirmare non 
redirej wie offirmare persequi viam) rechtfertigen und unterstützen. Ebenso 
uach andrer S(»ite. Verse wie Eun. 551 nunc est profecto interfici cum perpeti 
me possumj oder Phorni. 5 1 8 tune praeterea horum amorem distrahi poteris patij 
weisen zwar auch die Abhängigkeit eines Infinitivs von einem andern auf, 
aber nach ihrer Analogie könnte an unserer Stelle gesagt sein censen me 
posse perpeti ne redeam. Das Eigenthümliche also obiger Verse censen posse 
me offirmare perpeti ne redeam, das aus der B(»seitigimg des et erwächst, 
IMa8.'histar. Abh. 1900. III, 5 



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34 J. Vahlen: 

können die angefölirten Belege nicht schützen, können dagegen zeigen, 
dafs jedes der beiden Verba , offirmare wie perpetij fiir sich allein am Platze 
war. Daraus ergiebt sich mir die Walirscheinlichkeit. dafe Terentius. wie 
die IHberlieferung es aufweist, die beiden verwandten Verba. nicht eins 
vom andern abhängig gemacht, sondern b^i^l^ M"t einander verbunden habe. 
offirmare et perpetL um von beiden den Satz ne redeam abhängig zu machen, 
dies um so mehr, als er auch sonst liebt, gleichartige Verba zu combiniren. 
wie z. B. Adelph. 879 eyo qiwque a meis me amari et magni pendi pQStulo^ 
Andr. 648 m me hctasses amantem et falsa spe prodtuaeres. Ein dem hiesigen 
analoger Fall wird uns bei aut Adelph. 38 beschäftigen. 
Eine andre Betrachtung erheischt Eun. 260 

lUe ubi miser famelicus videt mihi esse tantum honorem et 
Tarn facile vidum quaerere^ ibi homo coepit me obsecrare 
V\ sibi liceat discere id de me. 
Um über et am Schlufs von 260 zu m^lieilen, das keiner der neuern Her- 
ausgeber duldet, ist die Differenz in der Schreibung des Verses zu beachten: 
fler Bemb. allein hat mihi esse tantum honorem Et tam; die meisten andern 
m£ esse tanto honore et Tam. Die Partikel ist in beiden Fassungen genügend 
gesichert, und auch hier kann sie durch die verschiedene Stellung der- 
selben in den Handschriften nicht verdächtigt werden. Was aber im Übrigen 
die beiden Schreibungen anlangt, so hat Fleck eisen in beiden Ausgaben 
die letzten*, me esse tanto honore ^ aufgenommen: mit Unrecht, wie mir 
scheint, weil kein Vertrauen verdient, was so deutlich seinen Anlafs und 
Ursprung verräth: man wollte für beide abhängigen Infinitive denselben 
Accusativ des Subjectes haben: me esse tanto honore et tam facUe tietum quae- 
rere. Das aber war unnöthiges Bemühen, da, wie Andr. 51 aus is im ersten 
Satz zum zweiten ei sich ergänzte, so hier aus mihi im ersten das erfor- 
derliche me zum zweiten, genau wie Hec. 876 NesciSj Parmeno, quantum hodie 
profueris mihi et ex quanta aerumna extraxeris. War es nun schon nicht 
eben gelallig me esse tanto honore ^ tam facUe vidum quaerere asyndetisch 
zusammenzuordnen . so ist völlig unei-träglich . beim Wechsel der Construc- 
tion, mihi esse tantum hotvorem^ tam facile vidum quaerere verbindungslos zu 
lass(ni, sondern was im ersten Falle räthlich war, ist in diesem unerläfe- 
lich : videt mihi esse tantum honorem et tam fädle vidum quaerere. Auch 
dafür kann uns der eben angefohi-te Vers der Hecyra bürgen, der auch 
darin mit <lem unsrigen übereinkommt, dafs er die beiden Glieder des 



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über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. H5 

Satzes mit gleichem Wort anhebt, quantum hodie profaeris mihi et ex qnanta 
aerumna extraxeris^ so hier esse tantum honorem et tarn fadie v, q. Die 
letztere Beobachtung wird uns nützlieh för die Beurtheilung von zwei wei- 
tem Versen mit schlie&endem et. 

Verwandter Art und gemeinsamer Betrachtung zu unteraiehen sind die 
beiden folgenden Beispiele, deren ei am Schluls des Verses die Heraus- 
geber beseitigt haben: Phorm. 57 

Sed quid tu es tristis? GE. Egone? nescis qtw in metu et 
Quanto in periclo simus. 
Adelph. 35 Ego quia non rediit fllius qvae cogito et 

Qaibus nunc sollicitor rebus. 
Denn vergleicht man diese beiden unter sich und mit den beiden vorhin 
besprochenen Versen, si) möchte man glauben, hier einer Gleichartigkeit 
der Satzbildung zu begegnen, die für die Erhaltung der Bindepartikel ein 
starkes Gewicht in die Wagschalc^ wirft: denn die Partikel ist durch die 
Satzform gefordert, quo in metu et quanto in periclo simus; quae cogito et 
quibus sollicitor rebus, imd es kann nicht entscheidend sein, dafs sie das 
eine und andre Mal an das Ende des Verses zu stehen konmit. Wie be- 
liebt dem Dichter diese zweigHedrig(? Satzform war, zeigen auch folgende 
Verse, bei denen die Stellmig des et nicht in Frage kommt. Adelph. 30 

Quae in te uxor dicit et quae in animo cogitat. 
Andr. 649 Ah nescis quantis in malis verser miser 

Quantasque hie consiliis suis conflavit sollicitudines. 
Phorm. 344 Haec cum rationem ineas qiuxm sint sua^ia et quam cara sint. 
Hautont. 59 Quod mihi videre praeter aetatem tuam 

Facere et praeter quam res te adliortatur tua. 
Ebend. 423 Nam mihi quidem cottidie augescit magis 

De filio aegritudo, et quanto diutius 

Abest, magis cupio tanto et magis desidero. 
Ebend. 479 Prius proditurum te tuam vitam et prius 

Pecuniam omnem, quam abs te amittas ßlium. 
Adelph. 68 Mea sie est ratio et sie animum induco meum. 
Andr. 556 id te oro ut ante eamus dum tempus datur 

Dumque eins lubido occlusast contumeliis. 
Erkennt man wohl in diesen Sätzen etwas von der gleichen Dichterhand 
mit den beiden um ihr et gekränkten? 

5* 



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36 J. Vahlkn : 

Es erübrigen noch zwei unter einander verwandte Beispiele unrecht- 
mSfsig verworfener Bindepartikel. Von denen das erste Hautont. 521 

SY. Mulier commoda et 
Faceta haee meretrix. CH. Sane item visast mihi 
durch die sprachliche Form geschützt wird. Denn wenn das Vorurtheil 
nicht hinderte, hätte, möchte man glauben, jeder gesehen, dafs so zu ver- 
stehen sei: *ein gefalliges und witziges Frauenzimmer diese Hetäre', und 
dafs, wenn >/ fehlt, das Verständnifs getrübt und in Frage gestellt wird. 
Oder wie soll man erklären, was in den Ausgaben steht 

Mulier commoda, 
Faceta haec meretrix. 
Überdies zeigen zahlreiche Beispiele, wie sehr dem Dichter solche Paarung 
verwandter Ausdracke genehm war, von denen einige angefahrt seien. 
Adelph. 986 quod te \^i\ facilem et festivum putant, womit zu vergleichen 
Eunuch. 1048 an mei patris festivitatem et facilitatem 
Adelph. 930 Proba et jnodesta. 

Hautont. 580 hominis frugi et temperantis functus officium 
i31)end. 609 dicam hanc esse captam e Caria Ditem et nobilem 
Ebend. 327 consilium quod cepi rectum esse et tutum scio. 
Andr. 36 apud me iusta et clemeiis fuerit servitus 
J^bend. 956 o faustum et felicem hunc diem 
Ebend. 619 tu rem impeditam et perditam restituas? 
Hecyr. 841 ut mihi haec certa et clara attuleris 
Adelph. 251 memorem me dices esse et gratum. 

Vergleichbar sind auch die unten angefiihrten Beispiele von atque^ von 
denen Adelph. 375 Est herch inepta^ ne dicam dolOj atque abmrda allein ge- 
eignet und genügend scheint, unsern Vers zu rechtfertigen. 

Und endlich die so reichlicli constatirte stilistische Eigenheit wird 
vielleidit auch ausreichen, das zweite mit dem ersten verwandte Beispiel 
eines aus dem Schlufs des Verses ausgewiesenen et zw rechtfertigen : Eunuch. 926 

Nam ut mittam quod ei amorem difficillimum et 

Carissimiintj a meretrice avara Airginem 

Quam amabat, eam confeci sine molestia 

Sine sumptu et sine dispendio. 
Denn wer würde wohl Anstofs nehmen , wenn er läse ei amorem difficUU- 
mum et carissimum confeci^ <la doch diese Verbindung der beiden verwandten 



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Vber die Versschlmse in den Komödien des Terentius. 37 

Adjective sieh als das natürliche darstellt, üherdies den aufgezählten Bei- 
spielen gleichartig an die Seite tritt, zu denen hier nocli hinzugefiigt sei 
Phomi. 228 Em nunc ipsast opus ea (oratione) aut siquld potest 

Meliore et callidiore. 

An die Partikel et reihe ich die Belege für versendigendes autj deren 
Zahl nächst et die gröfste ist. Es wird sich aber zeigen, dafs diese Par- 
tikel, deren Platz am Ende der Verse wir nun schon mit gröfserer Zu- 
versicht behaupten dürfen, da was dem et einzuräumen war. Niemand dem 
aut versagen wird, in verschiedener Weise vom Dichter för seinen Gedanken- 
Ausdruck verwendet worden ist. 

Andr. 256 

Obstipui: censen me verbum potuisse ullum proloqui aut 
Ullani causam, ineptam saltem, falsam, iniquam? obmutui. 
So die Handschriften, nur dafs in einer (P) aut an den Anfang des zweiten 
Verses gestellt ist. Beide Verse geben sich, von aut noch abgesehen, wer 
imbefangen zusieht, als zwei sprachlich und metrisch untadelige trochäische 
Verse. Fleckeisen hat dagegen in seiner zweiten Bearbeitung durch das 
früher mitgetheilte Scholium des Bembinus imd, wie vs scheint, durch die 
vermeintliche Nöthigung metrischer Entsprechung sich bestimmen lassen, 
mit gewaltsamen Änderungen zwei jambische Verse, einen Octonar imd 
einen Senar, herzustellen: 

Obstipui: me censetin verbum potuisse ullum proloqui 
Aut causam ineptam saltem falsam? obmutui. 
Auf die Forderung metrischer Entsprechung gehe ich nicht näher ein; mir 
scheint nicht zu bezweifeln, dafs die beiden Verse 256. 257 in einer Reihen- 
folge trochäischer Septenare (vonV. 254-260) stehen und selbst dergleichen 
Versfonn folgern. Dafs aber Fleckeisen an das Scholium des Bembinus 
sich gehalten , das die beiden Verse einer Gedankenähnlichkeit wegen zu 
Adelph. IV 4 in dieser Form beigeschrieben hat: obstipui censeten me verbum 
potuisse ullum proloqui out u. causam ineptam s, f. obmutui^ verräth nur den 
verbreiteten Aberglaub(*n , dafs ein äulseres Zeugnifs dieser Art mehr Werth 
beanspruche als eine einhellige T'berlieferung der Handschriften. Oder 
kann man zweifeln, dafs iniquam hinter falsam in dem Schol. durch zu- 
falligen IiTthum übersprungen ist. oder dafs censeten nichts ist als ein 
Schreibfehler für censen, Schreibfehler zugleich (crnset) un<l B(M*iclitigung 



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38 J. Vahlen : 

{en)? Denn wenn man fi'agt, an wen censen sich wendet, so sei auf 
Eunuch. 265 verwiesen, wo Pamieno ohne Jemanden anzureden sagt, viden 
otium et cibus quid facit aliemts. Doch beides eingeräumt . bleibt dann noch, 
um mögliche Verse zu erlangen, die Hauptsache zu thun: die Umstellung 
me censetin im ersten, die Tilgung von ulla?n im zweiten Vers gegen das 
gemeinsame Zeugnifs der Handschriften und des Scholium. Und wir sollten 
glauben, dafs auf solchen Wegen und mit solchen Mitteln die mrsprüng- 
liche Hand des Dichters wieder hergestellt sei? Die übrigen Herausgeber, 
die an der handschriftlichen Überlieferung halten, haben, um atU von seiner 
Stelle am Schlufs zu beseitigen, entweder in der Form 

Aut üUam causam ineptam 
einen jambischen, oder mit der Umstellimg 

Aüt causam ullam ineptam 
einen trochäischen Vers beliebt. Gegen einen jambischen Vers spricht, 
wie bemerkt, die Abfolge der Verse, die einen trochäischen erwarten läfst, 
und der rhythmische Tonfall selbst scheint mehr einen trochäischen ab 
einen jambischen zu empfehlen. Wenn daher aut am Schlufs des Verses 
nicht steh(ni soll, wird es vielleicht gerathner sein, statt den Vers zu 
schädigen oder mit weitern Änderungen zu operiren, die Partikel selbst 
preiszugeben, wie Dziatzko gethan hat. Wenn nur nicht der sprachliche 
Ausdruck entschieden fiir die Erhaltung der Partikel einträte. Es sind 
nicht zwei Sätze, die aut a^ erbindet, eine Verbindung, die uns später be- 
schäftigen wird, sondern zwei verwandte Nomina, die mit dem zierlichen 
Wechsel der Stellung, verimm uUwrij ullam causam, durch aut verbunden, 
an dem einen Verbum hangen, proloqui verbum üllum aut ullam causam. 
Aber der Satz hat negativen Sinn und diesem dient nach bekanntem Ge- 
brauch die Partikel aut. So Andr. 236 

Hocinest humanum factum aut inceptumf (vgl. Eun. 966 fg.) 
Ebend. 245 Adeon hominem esse invenustum aut in/elicem quemquam, ut ego sum ? 
Phorm. 848 Num mirum aut novomst revocari, cursum quom institeris? 
Hecyr. 73 Iniui'ium autemst ulcisci ad^^ersarios 

Aut qua via te captent eadem ipsos capif 
Ebend. 549 Tun prospicere aut iudkare nostram in rem quod sit potes? 
Hecyr. 675 Ignarum censes tuarum lacrumarum esse me 

Aut quid sit id quod soUicitere ad hunc modum? 
Hautont. 707 Satin sanus es atU sobriusf 



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über die Versschlüsse in den Komödien des Terentitis. 3ft 

Solchen negativen Fragesätzen reihen sich unsere Verse gleichartig an: 
censen me potuisse verhum ullum aut tälarn causam proloquif Ja selbst wenn 
nur dieses Beispiel in Fi'age käme, dürfte man aut nicht von seinem Platze 
räcken, das von der Sprache gefordert wird und ohne <len Rhythmus oder 
die Sprache zu schädigen an keiner andern Stelh» stehen kann. Hätte 
nicht Vorui-theil und Aberglaube die ganze Untersuchung in Verwirrung 
gebracht, hätte man eine Stelle wie diese vielmehr zur Richtschnur ftir 
andre genommen. 

Von Reicher Art ist Adelph. 38 

Vah quemquamne hominem in animum (animo) instituere aiU 
Parare quod sit carius quam ipse est sibi. 
So i'edet der alte Micio, nachdem er seinen Sorgen und Beunruhigungen 
um seinen ausgebliebenen Adoptivsohn Ausdruck gegeben hat. Und wenn 
die Kritiker gewohnt wären, statt am Äufsern zu haften, den Sinn der 
Verse aus ihrem Zusammenhang zu interpretiren , würde man von jeher 
verstanden haben: 'o dafs doch irgend ein Mensch so thöricht sein kann, 
etwas in das Herz zu fassen oder sich anzuschaflfen , was ihm theurer wäre 
als er sich selbst!' Blickt man vollends zurück auf die vorhin zusammen- 
gestellten Belege, winl man überrascht sein, wie genau diese Verse nach 
ihrer Aiii den dortigen sich anfiigen. Denn auch hier haben wir eine 
verwundernde Frage mit negativem Sinn. 

Doch sehen wir zu, wie die Kritik diese Verse behandelt hat. V^on 
Ritschl's kühner Änderung dieser und der vorangehenden Verse , der Fleck- 
eisen sich früher angeschlossen, darf man jetzt absehen, obwohl auch nicht 
zu verkennen ist, dafs Ritschi den Sinn und die Rede weniger geschädigt 
hat als andre. Die neuern Herausgeber, Fleckeisen selbst in der zweiten 
Bearbeitung und Dziatzko, haben sich den Gedanken von Conradt (Her- 
mes 10, S. 109) angeeignet, der mit Beseitigung von aut die beiden Infi- 
nitive, den einen vom andern, abhängig gemacht hat, dies in der Weise, 
wie derselbe Gelehrte (a. a. 0.) Eun. 2 1 7 posse me offirmare [et] Perpeti ne 
redeam mit Tilgung des et die beiden Infinitive in Abhängigkeit des einen 
vom andern gesetzt hat. In dieser Stelle habe ich et zu schützen gesucht, 
obwohl ich nicht in Abrede stellte, dafs grammatisch angesehen jene Ab- 
hängigkeit möglich war. Auch hier bestreite ich nicht, dafs in animum in- 
stitu>ere parare^ so dafs ein Infinitiv den andern regiere, grammatisch zu- 
lässig war. etwa wie Hec. 99 fore, ut ille passet anmum inducere uxorem 



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40 J. Va H LEN : 

habere. Doch ist nicht zu libersehen. daCs Mieio seines BiTiders Sohn 
tliatsächlich adoptirt und bei sich erzogen liat und durch die Liebe, <üe 
er ihm zugewendet, sicii die Sorgen f)ereit(»t, über die er eben klagt: 
vgl. 47 fl'. Auf dieses Verhältnifs würde parare vorzüglich passen, in dem 
Sinne, wie es z. B. Andr. 66 heilst ut facUlunie si)w invidUi laudem in- 
vpnias et amicos pares, oder Hautont. 1002 ad Meiiedenium hunc pergam: 
eum mihi precatorew paro, vgl. 976. So würde parare ohne Abhängigkeit 
vfm einem andern Verbuni für sicli allein dem Gedanken genügen können : 
quemquamne hominent parare quod sit carius quam ipse est sibi. Nicht ebenso 
deutlich ist in animum instituere oder in animo; d(»nn die Überlieferung des 
Terentius wie di(* der Grammatiker sdiwankt. Für in animo instituere 
hat Dziatzko an Afranius 84 E. hoc oro in animo ut sie statuas luo erinnert, 
doch ist dies eher zu Terentius in animo cogitat Adelph. 30 und 818 haec 
si voles in animo rere cogitare zu stellen . und besser vielleicht vergleichbar 
Phorm. 821 eins modi in animo parare cupiditates. Doch bin ich nach dem. 
was Plautus schreibt (Mostell. 85), diu rogitari argumentaque in pectus in- 
stitui multa ego^ geneigt(»r, in animum instituere fiir richtig zu halten und so 
zu versterben: etwas in das Herz oder in den Sinn stellen (fassen), das 
man nicht besitzt, aber zu besitzen wünscht. Daim würde man ein dem 
parare verwandt(\s Verl)um mit schwächerer Bedeutung gewinnen, das sich 
mit jenem durch aut verbinden liefse. Denn das ist das Eigenthümliche 
dieser Redeweise, dafs sie. wie die angefiihrten Belege zeigen, zu vollerem 
Gedank(mausdi*uck verwandte Begriffe paart. Und so zeigt sich auch hier, 
dafs atU nicht ohne Schädigung d(*s Sinnes und des Spracligebrauchs ent- 
fernt werden kann. 

Zwei weitere P'älle betreffen Doppelfragen, zuerst Hau tont. 595 fg., 
wo so überliefert ist. 

CH. Quid tu? ecquid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre, au>t 
Re]>peristi tibi quod placeat an nondum etiam. SY. De fallacia 
Dicis? est, inveni nuper quandam. 
Die Fragen gehen zurück auf die Rathschläge. welche der alte Chremes 
dem Sclaven Sjtus gegeben hat, 532 ff. 

SY. Quid faceret? CH. Roga,s? 
Aliquid reperiret, fingeret fallacias, 
Unde esset adulescenti, amicae quod daret. 
At(|ue himc difficilem invitum versaret senem. 



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über die Versschlusse in den Komödien des Terentius. 41 

und 54611*.. auf die er 759 ff. noch einmal zurückkommt. Auf jenen seinen 
Vorschlag zuräckblickend erkundigt sich jetzt Chremes nach dem Erfolg. 
Es sind, wie man sieht, zwei parallele Fragen, auf dieselbe Sache gehend, 
die zweite in schärferem Ausdruck als die erste: 'Hast du etwas in der 
Sache gethan. von der ich dir gesprochen, oder etwas geiunden, womit 
du zufrieden bist, oder noch nicht? Syr. In Betreff der Schliche, meinst 
du.' Sinn und Zweck beider Fragen sind aus ihnen selbst und dem be- 
zeichneten Zusammenhang deutlich und sie würden kaum ein Bedenken 
gelassen haben, stünde nicht aut in der Schlufsstelle des ersten Verses. 
Auch die Versform ist tadellos, wenigstens in dem ersten Vers; in dem 
zweiten sitzt eine Schwierigkeit, die Bentley, der an aut keinen Anstofs 
nahm, weder an der Partikel noch an ihrer Stellung, zu einer Abänderung 
veranlafste. die wir vorderhand auf sich beruhen lassen; über die Fonn 
dieses V(»rses wird an andrer Stelle zu handeln sein. Wir halten einst- 
weilen als Form des zweiten Verses fest Repperisti tibi quod plaeeat an non- 
dum etiitmf Die neuern Herausgeber nun haben aut getilgt und beide 
Fragen von einander losgelöst und asyndetisch zusammengeordnet: 

Ecquid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre? 

Repperisti tibi quod plaeeat an nondum etiam? • 

Womit freilich auf den Vortheil verzichtet wird, dafs auch die zweite Frage 
an den Worten de ülo quod tecum egi der ersten participirt. Doch ist 
einzuräumen, dafs auch die asyndetische Form möglich war. Denn w^enn 
auch im Allgemeinen die Asyndeta bei Terentius andrer Art sind und 
wohl eine besondre Betrachtung verdienten, so felilt es doch nicht an 
Beispielen, dafs parallele Fragen auch ohne die Partikel zusammengeordnet 
sind. Man vergleiche 

Phorm. 234 Quid mihi dicent aut quam causam reperient? 
Eunuch. 542 neque scio quid dicam aut quid coniectem. 
Aber Hautont. 701 Quid dicam? quam causam adferam? 

Hecyr. 516 Periiquidagam?quomevortam?quidviromeorespondebo? 

(vgl. 715» 524) 
Andr. 404 Reviso quid agant aut quid captent c^onsili. 
Aber ebend. lögfg. observes filium 

Quid agat, quid cum illo consili captet. 
Allein unsere Aufgabe ist es nicht, zu prüfen, ob das durch Berichtigung 
hergestellte Asyndeton zulässig war, sondern zu untersuchen, ob die über- 
Philo8.'histor. Abh. 1900. IIL 6 



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42 J. Vahlen: 

lieferte Partikel sich rechtfertigen lasse, auch ohne die aligemeinen Be- 
trachungen, von denen ich ausgegangen bin. Und in der That ist dem 
Dichter nichts geläufiger als parallele Fragen, die ziemlich denselben Ge- 
danken enthalten aber in verschiedener Form, durch die Disjunctiv- 
partikel zu verbinden. Eine kleine Auswahl von Beispielen wird es 
zeigen. 
Hautont. 674 Quid agam aw^quid comminiscar? ratio deintegro ineundast mihi 

Hecyr. 825 Quid exanimatu's obsecro aui unde anulum istum nanctu's. 
So mit Bentley: die Herausgeber meist anders mit Streichung von atU, 
das die Handschriften haben. Beide Fragen haben das gleiche Ziel. 

Hecyr. 628 Quid respondebo bis aui quo pacto hoc aperiam? 
Auch hier gehen beide Fragen auf dieselbe Sache. 
Hecyr. 643 sed quid mulieris 

Uxorem habes out quibus moratam moribus? 
Ebend. 355 Quid tu igitur lacrimas aiU quid es tam tristis? 
Adelph. 677 sed quid ista, Aeschine, 

Nostra aut quid nobis cum illis ? 
Ebend. 690 cedo 

* Numquid circumspexti aiU numquid tute prospexti tibi 

Quid fieret? 
Ebend. 149 Quam hie non amavit meretricem atit cui non dedit | Aliquid? 

Andr. 343 Sed ubi quaeram aut quo nunc primum intendam? 
Ebend. 492 D^ve, itan contemnor abs te aut itane tandem idoneus 
Tibi videor esse, quem tam aperte fallere incipias dolis? 
Phorm. 192 Sed ubi Antiphonem reperiam aut qua quaerere insistam via? 
Eunuch. 643 Ubi ego illum scelerosum misera atque inpium inveniam aut 

ubi quaeram? 
Ebend. 650 quid festinas aui quem quaeris, Pythias? 

Phorm. 626 Quid hie coeptat aut quo evadet hodie? Vgl. 550. 
Ebend. 728 Quid agam? quem mihi amicum inveniam misera aut quo 

consilia haec referam 
Aut unde auxilimn petam? 
Hoffentlich habe ich richtig ausgewählt aus einer gröfsern Zahl von Bei- 
spielen: denn eine gewisse Verwandtschaft zwischen diesen und den zu 
Andr. 256, S. 38 zusammengestellten ist nicht zu verkennen. Es ist aber die- 
selbe Art von Doppelfi'age , deren Cicero sich oft bedient. Quo tandern modo 



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Über die VersscJUässe in den Komödien des Terentitis. 43 

aut quäle est istuc qaod poetae seruntf Quid agam potius aut in quo melius 
hunc consumam diem f (worüber de legg. S. 38 . 14), bei der doppeltes Frage^ 
zeichen den Gredanken verdirbt, wie auch bei Terentius die Herausgeber 
meist beide Fragen durch die Interpunction trennen, die zusammen ein 
Ganzes ausmachen sollen. Betrachtet man die hier ausgesonderten Bei- 
spiele und gewinnt aus ihnen eine deutliche Vorstellung von der Natur 
dieser doppelten Fragen, von denen die zweite, wie eine Correctur der 
ersten, dasselbe genauer aussagt, w^as auch die erste enthielt, so wird man, 
denke ich , geneigter sein zu glauben , dafs Terentius mit Beibehaltmig des 
atä seine Gedanken so formulii-t habe : 

Ecquid de illo quod dudum tecum egi egisti, Syre, aiU 
Repperisti tibi quod placeat an nondum etiam? 
'Hast du etwas in der Sache gethan oder etwas gefunden, das dir genügt?* 
und vielleicht auch einräumen, dafe der Gedankenfai'bung diese Verbindung 
der beiden Fragen besser sich anschmiegte, als das Asyndeton. 
Eine ähnliche Doppelfrage ergiebt Eun. 349 

CH. Nostin quae sit die mihi atä 
Vidistin? PA. Vidi, novi, scio quo abducta sit. 
CH. Eho Parmeno mi, nostin? PA. Novi et scio ubi sit. 
Die Herausgeber, Fleckeisen und Dziatzko, haben <mt beseitigt und folgende 
Verbindung hergestellt, nostin quae sit? die mihi vidistin fj die, wenn meine 
Empfindung mich nicht täuscht, wenig gefällig ist und ohne die Abneigung 
gegen versendigendes aut kaum vorgeschlagen oder gebilligt worden wäre. 
Anders ist 360 die einfache Frage eho dum die mihi^ Estne ut fertur forma f 
Hier dagegen erscheint die Paarung der beiden verwandten Fragen, von 
denen die zweite concreter ist als die erste, das naturgemäise : nostin quae 
sit aut vidistin: 'du weifst, wer sie ist oder hast sie gesehen?' Worauf 
Paimeno passend erwidert Vidi novi^ scio quo abducta sit. Und sind nicht 
beide Fragen Nostin aut vidistin genau so durch attt verbunden, wie ecquid 
egisti aut repperisti Haut. 595 und in den vielen dort zusammengestellten 
Beispielen? Auch vergleiche man, um sieh zu überzeugen, dafs wir dem 
Dichter nicht Unpassendes zutrauen , Plautus Pseud. 6 1 9 sed ubi tu me novisä 
gentium \Aut vidisti aut conlocutu'sf Dafs aber die mihi in die Mitte zwischen 
beide Fragen gestellt ist, zu denen es gehört, war zweckmäfsig und findet 
sein Analogon an Adelph, 375 Est hercle inepia^ non dicam dolo^ atque absurda, 
worüber an seiner Stelle zu reden sein wird. 



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44 J. V A H L E N : 

Es bleibt noch ein verworfenes oder verdächtigtes aut zu besprechen , das 
von andrer Art ist und andrer Rechtfertigung bedarf, wenn sie gelingen soll. 
Adelph. 55. Der alte Micio setzt seine Erziehungsmethode aus einander 
und sagt zum Schlufs 

52 postremo alii clanculiun 

Patres quae faciunt quae fert adulescentia, 

Ea ne me celet consuefeci filiimi. 
55 Nam qui mentiri aut fallere insuerit patrem aut 

Audebit. tanto magis audebit ceteros. 
Hier genügt es nicht , aut einfach auszustreichen. Weim man aber daraus, 
dafs Aut audebit im Bembinus und den meisten übrigen Handschriften ge- 
schrieben ist, geschlossen hat, dafs beide Worte verderbt seien, wie Umpfen- 
bach und Dziatzko sie bezeichnen, so beruht dies auf ungenügender Be- 
obaclitung, da doch auch sonst oft genug im Bembinus und andern Hand- 
schritten die Partikel, die nur am Schluls des Verses stehen kann , an den 
Anfang des folgenden gesetzt ist (z. B. Eun. 260 u. 873. Ad. 375. S. S. 32, 
34. 53) und nicht blofs Partikehi, sondern auch andre Wörter, wie z. B. 
f^un. 739. Phorm. 774. Will man dalier consequent sein, so mufs man die 
Verse schreiben, wie ich sie oben hingesetzt habe, 

qui mentiri aut fallere insuerit patrem out 

Audebit, tanto magis audebit ceteros, 
und dann fragen, wie zu erklären oder wie zu berichtigen sei. Eine Er- 
klärung hat Niemand versucht: denn dafs aut so nicht stehen könne, war 
ausgemacht. Verbesserungen dagegen sind mehre in Vorschlag gebracht 
worden, mit wenig Gluck und wenig Empfindung fiir das Angemessene 
des Ausdrucks. Wie schwerfällig z. B. ist der Zusatz, den Ritschi ersonnen 
und Fleckeisen gebilligt hat 

qui mentiri aut fallere insuerit patrem, 
Fraudare {dectpere) tanto magis audebit ceteros. 
Denn ein Verbum hinzuzufiigen, wo kein Verbum vermifst wird, und noch 
dazu nicht dasselbe sondern ein verwandtes, läfet nicht Dichterhand sondern 
nur Philologenmachwerk erkennen. Oder Zusätze andrer Art, wie 

Audacter tanto magis a. c. 

Hau dubie tanto magis a. c. 
wer wü'd sie erträglicli finden, bei tanto inagis, das keinen Zusatz verlangt 
oder verträgt: wer das Eine thut, wird um so mehr das andre thun.' 



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über (He Versschlüsse in den Komödien des Terenäus. 45 

Wieviel verständiger war Bentley, (ier einsah. daCs die Rede nicht mehr 
verlange als qni mentiri aut /allere pairem audehit, tarüo mayis audebit ceieros, 
und daher an insuerit {insueverü) seine Bedenken heftete und dies abzu- 
ändern suchte, wie es auch neuester Zeit noch einmal, nicht glücklich , bin 
ich der Meinung, versucht worden ist. Allein Bentlej^'s Zweifel an insuerit 
sind unberechtigt: denn zu geschweigen, dafs die Zusammenordnung von 
Formen des fiitur. exact. und fixtur. unbedenklich ist (Adloqiuzr atidiero sagt 
CatuU, vgl. Ad. 980 fg.), hier läfst insuecerit die strengste Auffassung seiner 
Bedeutung zu: 'wer sich gewöhnt haben wird, das eine zu thim, wird um so 
mehr das andre wagen.' Überdies war insuerit gegeben durch das vorange- 
gangene ne me celet consuefeci ßlmm: ich habe meinen Sohn gewöhnt 
mir nichts zu verhelden: denn wer sich gewöhnt hat (haben wird) seinen 
Vater zu hintergehen, der wird dasselbe bei andern versuchen.' So sind 
wir von insuerit, das unantastbar ist, zurückverwiesen an {au() audebit. Wenn 
nun Bentley schreibt post Insuerit quorsum inferiur Audebit f qicasi non 
saepe ac diu ausus sit priusquam passet insuescere, so ist zwar letzteres 
richtig, aber es hätte belehren sollen, dafs audebit neben insuerit das Ge- 
ringere ist; und wenn man fragt, was den Dichter hätte veranlassen können, 
neben dem Stärkeren auch das Schwächere zu nennen, so ist leicht zu er- 
kennen, dafs es ilmi auf das Gleichgewicht des Vorder- und Nachsatzes 
ankam. Bentley hatte Recht zu sagen , man bedarf nur qui fallere pairem 
audebit, tanto magis audebit ceteros, das allein jenes abgemessene Gleichmafs 
ergab. Aber insuerit war nicht zu entbehren, um den begründenden Satz 
an den ausgesprochenen Grundsatz consuefeci filium angemessen anzuknüpfen. 
So ergab sich far den denkenden Dichter, um den Ausdruck nach beiden 
Seiten mit dem Dastehenden conform zu gestalten, zu insuerit der Zusatz 
avi audebit. 

ne me celet consuefeci filium. 

Nam qui mentiri aut fallere insuerit patrem aut 

Audebit^ tanto magis audebit ceteros. 
Mir nichts zu verheimlichen habe ich den Sohn gewöhnt: denn wer den 
Vater zu belügen oder zu betrügen sich gewöhnt hat oder es auch nur ver- 
suchen wird, wird es um so mehr versuchen bei andern.* 

Es mag Täuschung sein: aber es kommt mir vor, als ob sich die 
Absichten des Dichters auf jedem Punkte deutlich wahrnehmen lie&en. 
Und dais die Partikel aut dazu dient, das Geringere an das Stärkere an- 



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46 J. V A H L E N : 

zufügen, wie wir es durch oder auch nur' wiedergeben, hat auch bei 
Terentius seine Beispiele: Phorm. 431 

Egon tuam expetani 
Amicitiam aut te visum aut auditum velim? 
Eunuch. 796 TH. Pamphilam ergo huc redde. nisi vi mavis eripi. 

CH. Tibi illam reddat aut tu eam tangas, omnium — ? 
Hee. 655 Pater, si illa ex me liberos vellet sibi 

Aut sese meeuni nuptam, satis certo scio, 
Non elam me haberet quod celasse intellego. 
Denn auch hier ist das Zweite das Geringere. Da nun dieses atU audebä 
nach allen Seiten befriedigende Erklärung zuläDst und so wie man es auf- 
giebt des Rathens und Muthmafsens kein Ende ist, sollen wir uns darüber 
beunruhigen, dafs die Partikel da steht, wo sie allein stehen konnte, am 
Schlufs von V. 55? 

Ich kehre zur Andria zurück, von der ich ausging, lun 226 ein den 
Vers ubschliefsendcs ut in Kürze zu rechtfertigen* 

225 Miquidem horcle non fit verisimile: atqui ipsis commentiun placet. 
Sed Mysis ab ea egreditur: at ego hinc me ad forum, ut 
Conveniam Pamphilum, ne de hac re pater inprudentem opprimat. 
Ich halte die Verse, in denen ich einen jambischen Senar zwischen zwei 
jambischen Octonaren erkenne, för unversehrt überliefert; und kann daher 
von der willkürlichen Behandlung, der Fleckeisen früher und später und 
Conradt (Metr. Compos. S. 73) die drei Schlufsverse dieser Scene unterzogen 
haben, um so leichter absehen, als die uns beschäftigende Frage davon 
kaiun berührt wird. Was aber das schliefsende ut anlangt, so hege ich 
die Meinung, wer mit lebendiger Empfindung in die Situation der sprechen- 
den Person sich hineinversetze, werde erkennen, dafs es nicht wohl ent- 
belirt werden könne und eine asyndetische Zusammenordnung der Sätze 
hier nicht zirni Vortheil des Ausdrucks sei. Denn was will Davus sagen? 
Ich will zum Forum, um den Pamphilus zu sprechen (sonst hat sein Gang 
zum Forum keinen Zweck), damit er nicht vom Vater überrumpelt werde.* 
Aber wenn man der Empfindung nicht traut, die doch ein wichtiger Factor 
in der Auslegung des Dichters ist, so lasse man sich durch die Beispiele 
und den Sprachgebrauch belehren. 
Andr. 339 sed ubi inveniam Pamphilimi, 

Ut metiun in quo nunc est adimam atque expleam animum gaudio? 



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über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 47 

^dr. 355 Continuo ad te properaus percurro ad forum, ut dicam haec tibi. 

Adelph. 277 E^o ad forum ibo, ut huiic ahsolvam. 

Ebend. 636 ego Aeschinum conveniam, ul quo modo acta haec siiit sciat. 

Ebend. 706 Ego eo intro, ut quae opus sunt parentur. 

Eunuch. 808 ego eo ad Sophronam 

Nutricem, ut eam adducam et signa ostendam haec. 
Ebend. 921 Ibo intro, de cognitione lU certum sciam. 
Eisend. 1005 nunc idprodeo ut conveniam Paimenonem. Vgl. 394. 

Hautont. 2 1 1 Ego ibo hinc intro, ut videam nobis quid in cenam siet. 

Phorm. 845 honiinem propero invenii'e ut haec quae contigerint sciat. 
Ebend. 899 nunc conveniundust Phormio, 

Prius quam dilapidet nostras triginta minas 

Ut auferamus. 
Ebend. 463 At ego Antiphonem quaeram ui quae acta hie sint sciat. 
Ebend. 592 veni ad hominem, ut dicerem 

Argentum opus esse. 
Man sieht auch aus dieser Auslese von Belegen, nach welcher Seite die 
Ausdrucksweise des Dichters sich vornehmlich gewendet hat: und einige 
Beispiele des Asyndeton in analogem Gedankenausdruck, wie Andr. 528 

illud mihi midto maxiunumst 
Quod mihi pollicitust ipsus gnatus. nunc Chremem 
Conveniam: orabo gnato uxorem: id si inpetro cet. 
Hautont. 608 ad Menedemum ibo^ dicam hanc esse captam e Caria 

während 500 ibo ac dicam^ wo ac nicht zu verdächtigen war; ebend. 340 

Ibo obviam huic, dirxxm ut revortatur domiun. 
deren Verschiedenheit näherer Betrachtung kaum entgehen kann (an keiner 
Stelle würde man ut dem Asyndeton vorziehen), werden uns nicht bewegen, 
ein überliefertes utj das Gedanke und Sprachgebrauch gleicherweise schützen, 
darum preiszugeben, weil es den B^schlufe des Verses ausmacht. 
Nicht anders ist, wie ich glaube, Phorm. 828 zu beurtheilen, 
Sed ubinam Getam in venire possum, ut 
Rogem quod tempus conveniundi patris me capere suadeat. 
Denn der V. 828 schliefst sich dem aufgewiesenen Sprachgebrauch auf das 
genaueste an (vgl. besonders Andr. 339), so dafs kaiun zu begreifen ist. 
wie Fleckeisen den auch far den Gedanken unentbehrlichen als einen unter- 
geschobenen aus seinem Texte hat ausweisen können. Dafs der Bembinus 



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48 fl. V A H LF. N: 

und noch zwei Handschriften ut am Anfang des zweiten Verses haben, wird 
uns nicht abhalten . die Partikel an den Platz zu stellen , für den sie be- 
stimmt war: und es (»rgiebt sich ein m. K. untadeliger jambischer Octonar. 
mit dem nicht ül>el der kleine in jamlnschen Septenaren ausgeföhrte ^lo- 
nolog beschlossen ward. Denn auch suadeoi des Bembinus tauschen wir nicht 
aus gegen das iulmat der übrigen, dessen Anlafs nur zu sehr in die Augen 
springt (vgl. Hautont. 702): suadet aber ist construirt wie Hecyr. 481 nurw 
me pietas matris potius rommoäum suadet sequi Bentley hat den Vers 828 
mit genialer Freiheit beliandelt, aber ohne, dünkt mich. Vertrauen zu er- 
wecken. 

\' on (j)njunctionen sind noch übrig at, ac, atque. Ein von allen ver- 
schmähtes at glaube ich Andr. 838 wiederherstellen und sicliern zu können. 
837 SI. Ubi ea causa, quamobrem haee faciunt . erit adempta eis, <Iesinent. 
CH. Krras: cum Davo egomet vidi iurgantem ancillam. SI. Scio. CH. A/ 
Vero vultu, cum ibi me adesse neuter tum praesen.serat. 
840 SI. ( redo, et id facturas Davus dudum ])raedixit mihi. 
Die Handsehriflien At vero; im Bembinus ist at über vero von alter Hand 
übergeschrieben. Am Anfang dieses Verses kann At nicht stehen, setzen 
wir es also dahin, wohin es gehört, an das Ende des vorigen, wie schon 
Faerni gewollt hatte. Aber Bentley bemerkte entgegen Tolle illud At: ofh 
est enini potius^ quam prodest. Und ihm sind die Nachfolger alle beige- 
treten. Aber wer etwas näher zusieht, kann finden, dafs die Partikel nicht 
nur nicht vom tJI)el, sondern gar sehr zum Nutzen ist. Da nämlich auf 
Chremes* Bemerkung cum Davo egomet vidi iurgantem ancillam Simo mit seinem 
scio andtnitc»t, dafs er diesem Zank als einem flngirten keinen Werth beilege, 
wie er es auch V. 840 ausdrücklich aussagt, so entgegnet Chremes At vero 
vultu seit iurgabant: aber das war kein verstreuter Zank, sondern ein wahrer 
und wirklicher, da keiner von beiden meine Anwesenheit bemerkt hatte.' 
Wie sollte At störend sein, das vielmehr fiir den Gang des Gesprächs und 
den Zusammenhang der Rede gefordert ist. Ein verwandtes At bietet 
Eunuch. 207 ff. 

PH. Fac, ita ut iussi, deducantur isti. PA. Faciam. PH. At diligenter. 

PA. Fiet. PH. A/mature. 
Das trockne Faciam ^ Fiet in der Antwort des Sdaven genügt dem über- 
eifrigen Phaedria nicht: daher im Gegensatz zu der schwächlichen Zustim- 
nnmg Parmeno's das nachdrückliche At diligenter, At matvre. 



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über die Versschlilsse in den Komödien des Terentifi^. 49 

Die Partikel ac hat Terentius zweimal an den Schlufs des Verses ge- 
bracht, einmal Adelph. 392. 

SY. Nimiiim inter vos, Demea, ac 
(aon quia ades praesens dico hoc) pemimiiim interest. 
Die Partikel fehlt im Bembinus. es haben sie aber «lie sämmtlichen übrigen 
Handschriften. Bei den neuern Herausgebern wird der Zusatz nicht mehr 
erwähnt. Aber die Differenz der Überlieferung ist nicht entscheidend und 
nicht alles falsch, was im Bembinus fehlt. TTberdies war es leicht, hinter 
dem Namen Dentea ein ac zu übersehen, es zuzusetzen, wenn es fehlte, 
kaum ein dringender Anlafs. Wichtiger ist, dafs der Zusatz dem sprach- 
lichen Ausdruck vorzüglich dient. Nur mufs man richtig erklären. Bentley, 
der die Partikel hat. verbindet so mmium inter vos. Demea^ ac Non quüi 
ades praesens dico hoc^ pemimium interest. Es ist aber einleuchtend , dafs zu- 
sammengehört nimium ac perminium^ dies nach bekaimtem Sprachgebrauch, 
fiir den ich zu Aristoteles Poetik S. 135 Beispiele angefahrt habe: Cicero de 
legib. 3, 14. 32 pauci atque admodum pauci; in Ven'. u 3. 5, 11 qtuie si 
magna atque adeo maxima vohis videbuntur; de imp. ('u. Pompeii 18. 54 magna 
ac muUo maxima parte, Lucret ins nr 1163 magna atque imrnanis. Diesen 
reiht sich nimium ac pemimium an. Für solche Steigerung, wenn auch \n 
andrer Satzform, darf man auch vergleichen Adelph. 566 DE. Fortiter. SY. 
Per quam, quia miseram mulierem et me servolum, qui referire non audebam. 
nicitj hui perfortiter. Wer den bezeichneten Sprachgebrauch kennt, der 
den Griechen nicht minder geläufig ist als den Römern, und den Zusammen- 
hang an unsrer Stelle erwogen hat, wird, denke ich, das Vorhandensein 
dieses ac nicht dem Zufall, sondern dem Dichter beimessen, und schwer- 
lich wird die Einfügimg des Zwischensatzt^s (non quia ades praesens dico hoc) 
hinter ac ein Bedenken erregen, der kaum an andrer Stelle stehen konnte: 
doch siehe auch Hautont. 286 wediocriter veMitam veste lagvbri {eius anui^ 
cAiusa opinor quae erat martua) sine auro: denn zusammengehört veste> luguhri 
sine auro. 

Ist es gelungen, dieses ac zu restituiren (demi die altern Druck(» 
haben es) imd durch richtige Erklärung zu sichern . so wird man vielleicht 
auch gegen das andre Beispiel eines schliefsenden ac sich weniger sträuben. 
Eunuch. 362 

CH. Obsecro hercle. Parmeno. fac ut potiar. PA. Faciam sedulo ac 
Dabo operam , adiuvabo. 
Pkaoa.-kistor. Abh. 1900. III. 7 



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50 J. Vahlen: 

So der Bembinus mit sämmtlichen übrigen Handschriften. Bentley tilgte 
ac und sehrieb Faciam sedulo. Dabo operam^ adiutabOj, damit, wie er sagte, 
per asyndeta fort'ms incederet oratio. Ihm widersprach G. Hermann, der die 
Partikel schützte, indem er der Meinmig war, dabo operam^ adiuvabo standen 
enger zusammen in dem Sinne dabo operam ui adiuvem. An der Stellung 
der Partikel nahm Hermann so wenig wie Bentley Anstofs. Ihre Erklä- 
rungen aber treflen beide nicht zu: weder ein dreigliedriges Asyndeton 
ist bezweckt, noch hat dabo operam an adiuvabo sein Supplement. Betrachtet 
man den Zusammenhang des Gesprächs, so ergiebt sich, dafs, wenn auf 
Chaerea's Bitte Fac ut potiar der Sclave antwortet Faciam sedulo verstanden 
wird /. 5. ut potiare; wie Adelph. 50 ille ut item contra me habeat fario 
sedulo^ worauf das Verfahren näher bezeichnet wird: do praetermitto usw. 
In demselben Sinne aber wird auch dabo operam gesetzt, wie viele Beispiele 
zeigen: Phorm. 760 quod nos ambo opere maxumo dabamus operam ut ßeret, 
. . sua cura hie solus fecit. Hautont. 789 quam nuixume Volo te dare operam 
ut fiat, Adelph. 933 te (aequom est) operam ut fiat dare. Hecyr. 396 maxim^ 
volo doque operam ut clam eveniat partus patrem. Und wenn Hautont. 494 
Menedemus sagt Sein quid nunc facere te volo. Quod sensisti illos me incipere 
fallere^ id ut maturent facere und Chremes antwortet operam dabOj so er- 
gänzen wir aus dem vorigen ut maturent. Daher an unsrer Stelle die beiden 
Verba, welche dieselbe Beziehung und Ergänziuig haben, zweckmäfsig durch 
die Bindepartikel enger verbunden werden. Faciam sedulo ac dabo operam 
(seil, ui potiare). Und diese in der Sache gegebene Verbindung wird da- 
durch nicht aufgehoben, dafs noch ein drittes asyndetisch sich anreiht: 
s. Phorm. 5 20 ff. Ego te complures . . menses tuli poUicUantem et rül ferentem^ 
flentem. nunc contra omnva haec: repperi qui det neque lacrumet. Wenn man 
aber fragt, wie die Verbindung gedacht ist, so bin ich der Meinung, dafe 
die Rede zweigliederig ist, nur nicht im Sinne Hermann's, sondern so dafe 
faciam sedulo das eine Glied, dabo operam ^ adiuvabo das andre ausmache, 
und beide Glieder durch die Bindepartikel verknüpft werden: wie zwei- 
gliederig auch die Stelle des Phorm. ist, wie der Gegensatz zeigt, nur so, 
dafs die beiden Glieder asyndetisch zusanmaengefiigt sind, das erste Glied 
aber aus zwei verbundenen Theilen besteht. Vgl. Eun. 92 8 fg. Unsrer Glie- 
denmg entsprechend schreibt Lucretius 3, 58 verae voces tum demum pectore ab 
imo eieiuntur et eripiiur persona j manet res. Dafs adiuvabo gleichartig an dabo 
operam sich anschliefsen k<mnte, mag Eunuch. 150 itf amabo adiuta ine quo 



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Über die Versschlüsse m den Komödien des Terentius. 51 

id fiat facUius zeigen, und die asyndetische Paarung beider wird durch 
viele ähnliche Zusammenordnungen bei Terentius unterstützt: symbolam de- 
diiy cenavit; atnicos oraSj ambis; ades, resiste usw. 

Schliefelich sei erwähnt, dafe auch Accius bei Cicero de div. i, 22, 44 
ein Schliefeendes ac sich gestattet hat, das ihm Ribbeck freilich (trag. 
£ragm. m p. 329) nicht eingeräumt hat: 

Exin prostratum terra graviter saucium 
Resupinum in caelo contueri maximum ac 
Mirificum facinus, 
das eine Handschrift am Schlufe, die andern am Anfang des folgenden 
Verses überliefern. Das Beispiel stellt sich am nächsten zu unserm m- 
mium ac pemimum, imd das Asyndeton wäre so ungeschickt wie jenes. 

Was ac vor consonantischem Anlaut des folgenden Verses, ist atque 
vor vocalischem, und da atque vor dem vocalischen Anlaut des folgenden 
Verses lun seine Schlufesilbe gekürzt, ac dagegen und die verwandten ein^- 
silbigen Partikeln, wenn sie es nicht von Hause sind wie aut^ durch den 
consonantisch beginnenden folgenden Vers lang werden, so erkennt man 
aus diesem, metrisch angesehen, gleichartigen Vorgang, dafs dem Dichter 
die Verse beider Arten verbundene Verse sind: ein Beweis mehr, dafe 
wir es mit Absichten des Dichters, nicht mit Zufälligkeiten oder Verderb- 
nissen zu thun liaben. Stilistisch aber sind ac und atqiLe einander völlig 
gleicli, so dafe sie sich gegenseitig zur Unterstützung gereichen können. 
Wir dürfen daher die zwei Beispiele för ac und die drei Beispiele ftli' 
atque zusammen nehmen, um daran zu erkennen, dafe Terentius diese Art 
von Verbindung auch in den Schlufestellen der Verse nicht gemieden, 
sondern häufig genug angewendet hat, um über die Thatsache nicht in 
Zweifel zu lassen. Es stehen aber die drei Fälle von atquej, wie früher 
bemerkt, allein in den Adelphen. Zuerst 217. 

Metuisti si nunc de tuo iure concessisses paulidum atqxi>e 
Adulescenti esses morigeratus, hominum homo stultissime, 
Ne non tibi istuc faeneraret. 
So die Überlieferung; weder Bentley noch Lachmann haben an der Stellung 
der Partikel Anstofe genommen; die neuern Herausgeber hingegen sind 
einhellig der Überzeugung, dafe atque au der Stelle nicht zu dulden sei: 
die meisten plädiren für einfache Tilgung, andre haben an dem zweiten 

7* 



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52 J. Vahlen : 

Vers Verbesserungsküuste versucht, um hier Platz flir die Partikel zu 
schaffen, Conradt (Herrn. lo S. iio) atque mit dem ganzen folgenden Vers 
als eine Interpolation zu beseitigen gerathen, indem er u. A. hominum homo 
stultissime für schlechte*« Flickwerk hält, das dann also wohl der Inter- 
polator aus Phorm. 853 horninurn honio omatissime zusammengeflickt hat. 

Ich versuche di(* Partikel zu rechtfertigen, indem ich den Sprach- 
gebrauch des Dichters verfolge. Der Gang des Gespi'ächs ist einfach und 
«lurchsichtig, und hätte keinen Anstols gewäliren sollen. Der Sclave Syrus, 
auf den Kuppler Sannio einzuwirken beauftragt, beginnt mit der Prügelei, 
die der Kuppler mit seinem Herrn gehabt hat; und da S\'rus ihm Vorwürfe 
macht, dafs dfu» seine Schuld sei, und dafs er dem jungen Herrn hätte 
willfahren sollen, tua culpa: adulescenti morem gestum oportuU (214), bezieht 
Sannio dies auch noch auf die Schläge, die er bekommen: qvi potui meliuSj, 
qui hodie usque os praebui (215). Aber Syrus belehrt ihn eines Bessern, 
und dafs <^r es anders verstanden habe: scis quid loqnar? Pecuniam in loco 
negleyere maximum interdianst lucrum; und entwickelt seinen Gedanken ge- 
nauer in den oben angefiilirten Versen. Du förchtetest, wenn du von 
deinem Recht ein wenig nachgegeben und dem jungen Herrn zu Willen ge- 
wesen wärest, dals sich dir das nicht verainsen würde.' Es ist leicht zu 
sehen, dafs die beiden durch atque verbundenen Satztheile in dem Ver- 
hältniiis zu einander stehen, dafs das zweite die noth wendige Ergänzung 
des ersten ist, das fiii- sich allein nicht genügend war; denn das concedere 
de iure soll das morigerari adulescenti zur Folge haben , welches letztere die 
Hauptsache* ist, ohne welches jenes keine Bedeutung hat. Bei solchem 
Verhältnils aber, in <lem das eine die Folgerung aus dem andern ist, 
würde ein Asyndeton, wie die Kritiker herstellen, weniger am Platze sein 
als die Partikel atque j die, wie viele Beispiele zeigen, gerade solcher Satz- 
verbindimg zu dienen bestimmt ist. Und wenn die Stellung der Partikel nicht 
hinderte und man z. B. läse si de tua iure cmicessisses paululum atque adulescenti 
esses morigeratus würde gewifs Niemand Bedenken schöpfen oder einen Fehler 
vermuthen. Es ist aber im Wesentlichen derselbe Fall, witi der zu Andr. 51 
über et besprochene is postquam excessit ex ephebis et liberius vivendi fuit po- 
testaSj wo schon auf den analogen Gebrauch des atque hingewiesen ward. 

Einig!* erles(»ne Beispiele mögen das Gesagte bekräftigen: 
Adelph. 283 ne aliqua ad patrem hoc permanet (ftque ego tum perpetuo 
perierim : ^ 



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über die Versschlüsse in den Komödien des Terentitis. 53 

Adelph. 299 si oninia omiies sua consilia ronferant atq-ue huic malo sa- 

lutem quaerant; 
Ebend. 598 sed quaeso, ut una mecum ad matrem virginis eas, Micio, 

atque istaec eadem quae mihi dixti tute dicas mulieri; 
Ebend. 980 si quidem porro tu tuom oflftcium facies atque huie aliquid 

paulum prae manu dederis. 
Hecyr. 284 quanto fuerat pi-aestabilius ubivis gentium agere aetatem quam 

huc redire atque haec ita esse miserum me resciscere. 
Phorm. 322 nisi ut maneat Phanium atque ex erimine hoc Antiphonem 

eripiam atque in me omnem iram derivem senis. 
Ebend. 746 ne vos forte inprudentes foris eflfutiretis atque id porro aliqua 

uxor mea rescisceret. 
J3bend. 844 qui non umerum himc onero pallio atque hominem propero 
invenire. 
Eunuch. 172 illam cupio abducere atque hac re arbitror id fieri posse 
maxume. 
Ebend. 197 forsitan hie mihi parvam habeat fidem atque ex aiiarum 
ingeniis nunc me iudicet. 
Wer, der diese Beispiele betrachtet, wollte in obigen Versen atque^ 
das dort so ganz denselben Dienst versieht, mit Schädigung des Ausdrucks, 
darum beseitigt wissen , weil es den Vers beschliefst und ihn mit dem fol- 
genden verbindet. 

In den beiden andern Fällen des versschliefeenden atque handelt es sich 
nicht um Satzverbindung, sondern Wortverbindung. 

Adelph. 375 DE. vostram nequeo mirari satis 

Rationem. SY. Est hercle ineptaj ne dicam dolo, atque 
Absurda. 
Nur der Bembinus atq. absurda; die übrigen Handschriften dolo atque. Zur 
Rechtfertigung sei einerseits erinnert an Hautont. 521 mulier commoda et 
Faceta haec meretrix^ das ich dort zu vertheidigen suchte: denn wie dort 
commoda et Faceta, stehen hier die analogen Praedicate inepta atque Absurda 
zusammen: und anderseits für das eingeschobene ne dicam dolo an Eu- 
nuch. 349 nostln quae sit, die mihi, aut Vidistin; denn wie dort nostin aut 
Vidistin unbeschadet des Zwischensatzes zusammengehören und fälschlich 
mit Beseitigung des aut intei-pungirt ward nostin quae sit; die mihi Vidistin^ 
so hier trotz der Zwischenbemerkung inepta atque Absurda und unleidlich 



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54 J. V AHLEN : 

ist auch hier mit Tilgung von atque zu verbinden esl hercle inepta; tum 
dicam dolo., Absurda. Solche einfachem Sinne widerstrebende Auffassungen 
und Anordnungen entstehen aus der Empfindung, dals, wenn die Partikeln 
fehlen, die Verbindung der verwandten Ausdrücke nicht mehr zu Recht 
besteht. Doch wie ich oben zu commoda et faceta nicht unterlassen habe, 
den Gebrauch solcher Zusammenstellungen durch einige Beispiele zu er- 
läutern, so will ich auch hier, so überflüssig es scheinen mag, einige Stellen 
fiir die Verbindung gleichartiger Bezeichnungen diurch atque anfahren: je 
mehr man den Sprachgebrauch übersieht, um so mehr wird man Bedenken 
tragen, dieses sonst so beliebte atque da zu entfernen, wo es an den 
Schlufs des Verses gerückt ist. 
Hautont. 633 inscientem atque inprudentem 

Phorm. 499 incogitantem atque inpudentem 
Hautont. 704 Bonam atqv£ iustam rem oppido imperas et ßictu facilem 

Phorm. 497 ingenio esse duro te atque inexorabili 

Hecyr. 457 salvom atque validmn 
Eunuch. 643 Ubi ego illum scelerosum misera atque inpium inveniam 

Ebend. 709 oh scelestum atque audacenl hominem 

Phorm. 131 bonum atque commodum 

Ebend. 339 venire unctum atque lautum e balineis 
Andr. 8 1 1 facile atque utile. 
Denen, dünkt mich, inepta atque absurda auf's Beste sich anreiht. 
Das andre Beispiel ist in den neuem Ausgaben so gedruckt: 
Adelph. 465 

HE. Nostrum amicum noras Simulum 
Aequalem? 
Das grundlose Vorurtheil von der Unzulässigkeit schliefsender Partikel, hier 
in Verbindung mit dem übertriebenen Vertrauen auf die Unfehlbarkeit des 
Bembinus, mufs es erklären, dafs diese Lesung, die jeder Unbefangene als 
eine unfertige und mangelhafte erkennen wird, in so viel Ausgaben dem 
Dichter aufgenöthigt worden. Denn die Mehrzahl der Handschriften giebt 
Nostrum amicum noras, Simulum, atque 
Aequalem, 
und dieses atqu£ ist von Oorrectorhand im Bemb. vor aequalem- eingefugt, 
wie auch Adelph. 376 im Bemb. atq. afmcrda steht: und stand in seiner 



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über die Versschlüsse in den Komödien des Terentius. 5.5 

Vorlage atq. vor aequalem^ würde das Übersehen der Partikel sich um 
so leichter erklären. Und nun vergleiche man 
Hautont. 417 filium meimi amico atqtie aequaU suo 

Video inservire: 
Eunuch. 327 Patris cognaium atque aeqtmlem Archidemidem 

Novistin ? 
Plautus Trin. 326 Adulescenti hinc genere summo, amico atqtie aequali meo. 
Ebend. 48 amice, salve, atqtie aequalis^ ut vales, 

Megaronides. 
Von Terentius vergleichbar ist auch Phorm. 35 Amicus summm meus ei 
populär is Geta und ebend. 324 vir fort'is atque amicus. Was aber die 
Zwischenstellung des Namens Simulum zwischen die zusammengehörigen 
Worte amicum atque aequalem anlangt, so könnte darüber schon der angeführte 
Vers des Trin. 48 beruhigen, überdies ist vergleichbar aus Terentius Eu- 
nuch. 228 hie quidemst parasitus Gnatho Miläis mit Zwischenstellung des 
Namens zwischen die beiden Bestandtheile der Apposition, oder die ähn- 
lichen bei Cicero und Livius, Metello et eius Pio ßliOy huius Ahsyrto fratri, 
Ino et ehis Palaemonem filium. 

Bentley, der an keines der drei Beispiele für Schluls bildendes atque 
ein Bedenken geheftet, hat noch zwei weitere Verse mit schliefsendem atque^ 
wohl zum Beweise, wie wenig ihm diese Stellung der Partikel Zweifel ein- 
flöfste. erstens Phorm. 728, doch ist seine Annahme, auf die ich näher 
nicht eingehen will, nicht haltbar (s. den Vers oben S. 42 bei auf)\ und 
zweitens Adelph. 845 

Eo pacto prorsum Uli alligaris filium. 
Modo facito ut illam serves. DE. Ego istuc videro atque 
nii favillae plena, fumi ac pollinis 
Coquendo sit faxo. 
Aber auch diese Fassung, mit der Lachmann einverstanden war, bleibt 
wenigstens unsicher Angesichts der handschriftlichen Überlieferung: atque 
Uli die Mehrzahl der Handschriften , wie Donat atqu€ illic im Lemma. Aber 
die eine und andre Handschrift, auch der Bembinus. wenn ich Umpfen- 
bach's Angabe richtig verstehe, scheint atque ibi von erster Hand gehabt 
zu haben. Und das befolgen die Neuern: 
Atqu>e ibi favillae plena. 



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56 J, Vahlen: 

Wenn wir die drei Stellen eines schliefsenden atque genügend gerecht- 
fertigt haben, so ergiebt sich, dafs Terentius nicht blofs einsilbige Partikeln 
an den Schlufs der Verse gestellt, sondern mit atque auch hypermetrisehe 
dm'ch Elision zu kürzende Verse sich gestattet hat. wie bei atque auch 
Pacuvius gethan (ine. 191 Ribb.) 

situ nigroris barba paedore homda atque 
Intonsa infuscat pectus, 
vielleicht auch Ennius mit que 

Regnumque nostrum ut sospitet superstitet^t/f^ 
(s. Prooem. 1878, p. 6). Dann aber wird glaublich, wie Lachmann (Lucr. 
S. 81) annahm, dafs dem Terentius, auch abgesehen von den versschliefeen- 
den Partikeln, hypermetrische Verknüpfung der Verse nicht fremd gewesen, 
was begreiflicher Weise von den neuern Herausgebern nicht zugegeben 
wird. 

Es sind folgende Verse. Eunuch. 625 

Voluit facere contra huic aegre: heus, inquit, puer Pamphilam 
625 Accerse ut delectet hie nos. illa exclamat 'minime gentium. 

In convivium illam?' miles tendere inde ad iurgitmi. 
Ein Fehler ist nur bei pueVj, woför Bentley puer^ i (d. i. i accerse) gesetzt hat. 
Sieht man aber, was fiir Änderungen Fleckeisen aus metrischen Gründen 
an den V. 623. 624. 625 vorgenommen, die völlig ohne Anstofs laufen, 
oder andre, wie Umpfenbach und Dziatzko, an V. 625, wo sie das un- 
tadelige und unentbehrliche exclaniat tilgen, so gewinnt es an Wahrschein- 
lichkeit, dafs, wie Bentley statuirt und Lachmann gebilligt hat, genlkmi 
seine letzte Silbe vor dem vocalischen Anlaut des folgenden Verses In con- 
vivium einbüfst und der Vers mit genti ein voller trochäischer sei. 

Das zweite Beispiel ist Andr. 633 

Et timent et tarnen res premit denegare. 
Ibi tum eorum inpudentissima oratiost. 
Denn auch hier, wenn man die Abändei^ungen betrachtet, denen V. 633 
unterzogen worden, wird man der einfachsten Annahme beitreten, dafs 
Terentius diese beiden cretischen Verse durch die überschiefsende vor dem 
vocalischen Anlaut des zweiten Verses verschwindende Silbe in eine engere 
Verknüpfung gesetzt hat. Was auch andre Verse dieses Canticum nahe- 
legen, von denen nachher zu reden sein wird. 

Da.s dritte PlioiTnio 294 in den jambischen Versen 



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über die VersscJdüsse in den Komödien des Terentius. hl 

GE. Servom liominem causam orare leges noix sinunt, 
Neque testimoni dictio est. DE. Mitto omnia. addo 
Istuc 'inprudens timuit adulcHcens*. Sino. 
Hier hat Fleckeisen durch die Schreibung do für addo die Versverknüpfung 
heaeitigt: und seine Vermuthung, die nicht ohne Schein ist, hat viel Bei- 
fallgefunden und gewinnt eine gewisse Unterstützung an Adelph. 51 Doj 
praeUrmittOj non necesse habeo omnia Pro ineo iure ogere. Dennoch meine 
ich auch addo ishic lasse im Zusammenhang eine befriedigende Aulfassung 
zu. 'Ich lasse alle» gelten/ sagt Demipho, 'fiige auch das noch hinzu, als 
etwas das gelten zu lassen' {addo istuc) ^ den Einwand nämlich inprudens 
tmuit adulescens. Doch wie dem sei, aus metrischem Grunde, um die Vers- 
verknüpfung zu vermeiden, sollte man, bin ich der Meinung, weder hier 
noch an den andern Stellen mäkeln und ändern. Denn diese Eigenheit 
lügt sich in die ganze Art, wit^ Terentius seine Verse in Rücksicht auf 
ihre Abfolge behandelt hat, worüber S. 51. 

Uns bleibt noch übrig ein Wort über die Praepositionen zu sagen. 
Es kommt zimächst in in Betracht, das zweimal die Scldufesilbe ausmacht, 
beidemal im Eunuch., zuerst 631 

coepi egomet mecum inter vias 
Aliam rem ex alia cogitare et ea omnia in 
Peiorem partem. 
So die Überlieferung: aber hier fiel Bentley, den solche Stellung der Par- 
tikel nicht anficht, von sich ab; *magis\ schreibt er, Vx consueiudine TerentU 
est, si sie refingis: et ea omnia Peiorem in partem.* Und das billigen Fleck- 
eisen und Dziatzko. Aber warum wollen wir Bentley folgen? den hier 
sein Gedächtnifs im Stich liefs. Schreibt doch Terentius auch Adelph. 3 
rapere in peiorem partem^ Andr. 193 tum si quis mxigistrum cepit ad eam 
rem inprobum, ipsum animum aegrotum ad deteriorem partem plerumque 
adplicat. Ich fuge noch hinzu Adelph. 174 verum in istam partem pot'ms 
peccato tarnen; Eun. 876 equidem pol in eam partem accipioque et volo; oder 
Hautont. 57 quod ego in propinqua parte amicitiae puto. Zwar hat Teren- 
tius mitunter auch die andre Wortstellung, allein diese einfachste ist ihm 
so geläufig, dafs kein Grund vorhanden ist, sie preiszugeben. Und läse 
man die Verse, wie sie Terentius gelesen will, im Zusammenhang aliam 
rem ex alia cogitare et ea omnia in peiorem partem, würde Niemand sich 
verwimdem oder anstoisen. 

Philos.'hi8tor, Abh, 1900, IIL 8 



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58 J. Vahlen : 

Die zweite Stelle ist Eunuch. 859 

CH. Conservam esse credidi. 
PY. Conservam? vix contineo me quin involem m 

Capillum: monstrum etiam ultro derisum advenit. 
Hier hat Bentley keinen Anstofs an der Sehlufsstelle der Praeposition ge- 
nommen, sondern sie ausdrücklich (zu Eun. 7) gebilligt. Sie steht aber im 
Bembinus und noch einer Handschrift hinter incolein, in andern vor capiUum, 
Wohin sie allein gehört, kann nicht zweifelhaft sein. Statt dessen hat 
Fleckeisen in seine beiden Ausgaben folgende Schreibung aufgenommen, 
und andre sind seinem Vorgang gefolgt, 

vix contineo me quin involem 
Monstra in capillum: etiam ultro derisiun advenit. 
Man erkennt leicht, was die Herausgeber vermifst haben. Denn der Sinn 
ist vix contineo me quin ei involem in capiUum, wie es Eunuch. 648 heifst 
Ut ego unguibus facile Uli in oculos involem venefico. Allein schon zu Andr. 51. 
S. 29 habe ich bemerkt, dafs Terentius häufig, wo es selbstverständlich 
war, einen Dativ des Pronomens unausgedrückt gelassen , während die Her- 
ausgeber schwanken, bald einen Dativ zusetzen, wo es angeht, wie Andr. 189 
nunc hie dies aliam viiam adfert, bald sich ohne Dativ begnügen, wie 
Andr. 51 und den dort angeführten verwandten. Hier sei folgendes er- 
wähnt: Eunuch. 740 Atqui si illam digito attigerit unOj oculi ilico ecfodientur^ 
wo Bentley, sehr inconsequent, nachdem er involern in Capillum ausdrück- 
lich gebilligt, durch Tilgung von uno Platz für ein vor ilico einzusetzendes 
Uli gemacht hat: worin ihm die Neuern nicht beigetreten sind. Ebenso 
Hautont. 480 

Prius proditurum te tuam vitam et prius 
Pecuniam omnem, quam abs te amittas filium. Hui 
481 Quantam fenestram ad nequitiem patefeceris. 
hat, wie zur Stelle (S. 20) bemerkt ist, Bentley ei hinter quantam eingesetzt, 
Fleckeisen aus hui einen Dativ huic. den er dem V. 481 vorsetzt, hergestellt: 
alles ohne Noth und zum Theil zum Naditheil des Ausdi^ucks. Auch Andr. 
809 semper enim dictast e.sse haec atque habitast soror wird enim grundlos 
und zum Schaden von Bentley und Fleckeisen abgeändert in ei^ das selbst- 
verständlicli war, während enim dem Gedankenfortscliritt diente. Ich be- 
gnüge mich hier Beispiele fnr vermifsten Dativ des Pronomens anzufiihren. 
Wer aber diese Stileigenthümlichkeit des Terentius im Ganzen verfolgen 



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übe7' die VersscfUilsse in den Komödien des Terentifus. 59 

wollte, würde leicht darthun können, wie unnötliig sieb die Kritiker be- 
müht haben . der Rede des Dichters mit ihren Zusätzen aufzuhelfen , zumal 
mit mangelhafter Beobachtung und nach sporadischen Einfällen. S. auch 
zu Andr. 560 S. 3ofg. 

Um so weniger wird man Fleckeisen beistimmen können, wenn er an 
imserer Stelle mit Gewaltsamkeit den Dativ zu erzwingen sucht: vix contineo 
me quin involem Mon^iro in capillnm: denn mamtrum gehört zum folgenden 
und hat dort seinen guten Platz: mansifum Hiam ultro derisum advenitj ein 
Ausdruck wie Phonn. 669 inpuratus me ilk ut etiain inrideat. Und monstrum 
wird der vermeintliche Eunuch in dieser Form nicht unpassender genannt 
als in der andern, oder als 696 der wirkliche monstrum horninis ange- 
redet wird. 

Die dritte Stelle eines schlielsenden in ist in dem Canticum der Andr. iv i . 
626 Tanta vecordia innata cuiquam ut siet, 

Ut malis gaudeant atque ex incommodis 

Alterius sua ut comparent commoda : ah 
629 Idnest verum? immo id est genus hominum pessumum in 

Denegando modo quis pudor paulum adest: 

Post ubi tempust promissa iam perfici, 

Tum coacti necessario se aperiunt: 

Et timent et tamen res premit denegar(e) 
634 Ibi tmn eorum inpudentissima oratiost. 
Die Praeposition am Ende von 629 hat Bentley. auch Umpfenbach. unbe- 
rührt an ihrer Stelle belassen, und man möchte glauben, sie sei genügend 
gesichert nach den beiden besprochenen Beispielen eines versschliefsenden 
in, zumal in diesem Canticum . das 633 eine überhängende, vor dem vo- 
calischen Anlaut des folgenden Verses schwindende Silbe aufweist, auch 628 
mit dem an das Ende gerückten ah den Gedanken des folgenden einfuhrt. 
Allein die neuern Herausgeber haben die Worte umgestellt immo id est 
pessumum hominum genus und damit der Prae])osition den Platz verlegt. 
Es ist nicht zu leugnen, dafs sie damit einen bessern rhythmischen Tonfall 
gewonnen haben, aber die Neuerung hat an den Anliihrungen bei Servius 
und Eugraphius {s. oben S. 9) doch nur geringe Unterstützung. Wenn sie 
aber statt in Denegando modo entweder In tiegando modo oder Denegandi 
modo schreiben, so furchte ich, sie haben den Ausdruck nicht verbessert: 
denn negando zu setzen für denegando^ das gleich wieder folgt (633) und 



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fiO J. Vahlen: Über die V(*rsschlusse in den Komödien des Terentiufi. 

das eine stärkere Bedeutung liat, welche Zuverlässigkeit hätte das, oder 
Denegandi statt in denegando, welches das bezeichnendere war: quÜM^ in 
denegando paulum modo ptidor adestj d. i. 'denen beim Abschlagen, dum dene- 
gantj Schamgefahl zur Seite steht*, dies im Gegensatz gegen 634 ibi tum 
eorum inpudentissinm oratio est. Zu in denegando vgl. Phorm. 226 in re in- 
dpienda und die Bemerkungen im Hermes 17, S. 596. Um aber dieses zu 
schützen, das durch Änderung nur verschlechtert werden kann, wird es 
doch wohl gerathener sein, bei der überlieferten Wortstellung zu beharren 
und die Praeposition an ihrer Stelle zu wahren. 

immo id est genus homnium pessumum m 
Denegando modo quis pudor paulum adest. 
Über ex am Ende eines Ennianischen Verses und wahrscheinlich auch 
eines Terentianischen (Eunuch- 7) s. m. Aufsatz in den Sitzungsber. d. Aka- 
demie 1888, S. 44. 



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ANHANG ZU DEN 



ABHANDLUNGEN 



DER 



KÖNIGLICHEN 



AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 

zu BERLIN. 

ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER GELEHRTER. 



AUS DEN JAHREN 

1899 UND 1900. 



MIT 11 TAFELN. 

BERLIN 1900. 

VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 

GEDRUCKT IN DER RKICHSDRUCKEREL 

IN COMMISSION BEI GEORG REIMER. 



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Inhalt. 



Physikalische Abhandlungen. 

F. Schaüdinn: Untersuchungen über den Generationswechsel von Tri- 

chosphaerium sieboldi Sehn. (Mit 6 Tafeln.) Abh. 1. S. 1-93. 

K. Schümann: Die Verbreitung der Cactaceae im Verh&ltnils zu ihrer 

systematischen Gliederung. (Mit 2 Tafeln.) Abh. II. S. 1—114. 

R. Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems 

der Affen. (Mit 3 Tafeln.) Abh. 111. S. 1-49. 



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PHYSIKALISCHE ABHANDLUNGEN. 



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Untersuchungen über den Generationswechsel von 
Trichosphaerium sieholdi Sehn. 



Von 



Dr. FRITZ SCHAUDINN, 

Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut der Universit&t Berlin. 



Fhys. Ahh, nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 



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Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe am l.December 1898 

[Sitzungsberichte St. L. S.797]. 

Zum Druck eingereicht am gleichen Tage , ausgegeben am 9. August 1899. 



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Einleitung. 

Uie Classiker der Protozoenforschung hatten den gewaltigen Formenreich- 
thum dieser niedersten Thiergruppe kennen gelehrt und ihre Morphologie 
in mustergültiger Weise studirt. Die Lebensgeschichte, insbesondere die Fort- 
pflanzungsvorgange waren aber in den meisten Fällen sehr wenig erforscht, 
und bis heute sind noch grofse Lücken in unseren Kenntnissen geblieben. 

Es ist nicht lange her, da£s bei den Protozoen keine anderen Fort- 
pflanzungsvorgänge als die einfache Theilung bekannt waren. Erst die 
Forschungen der letzten Jahre lehrten, dafe noch andere Reproductionsmodi 
vorkommen und dafs zahlreiche Protozoen eine complicirte Entwickelungs- 
geschichte besitzen. 

In einzelnen Fällen wurde nachgewiesen, dafs innerhalb desselben Art- 
bereiches zwei verschiedene Formenreihen vorhanden sind (Foraminiferen, 
Paramoebä), die durch die Fortpflanzung zu einem Zeugungskreis verbunden 
werden. Bei der Untersuchung dieses sogenannten »Dimorphismus« stellte 
es sich heraus, dafe die beiden verschiedenen Formen einer anderen Art 
der Fortpflanzung ihren Ursprung verdanken ; während die eine durch Thei- 
lung der anderen entsteht, wird die letztere aus der ersten durch Schwärmer- 
bildung gebildet, so dafs also die beiden Formen mit einander abwechseln. 

Die in neuester Zeit gemachte Entdeckung, dafs schon in der nieder- 
sten Gruppe der Protozoen , bei Rhizopoden , geschlechtliche Fortpflanzung 
vorkommt (JLc/mopÄrj/5- nnd Adinosphaerium-CoY>u\B,tion), und die Erforschung 
des Generationswechsels der Coccidien (durch Siedlecki und mich) demon- 
strirten die Wichtigkeit der Protozoenfortpflanzung für das Verst&ndnifs und 
besonders den Ursprung der Metazoenbefruchtung. 

Dafs die Schwärmerbildung der Protozoen ebenso wie bei den nie- 
deren Pflanzen mit einem Geschlechtsact verbunden sein könnte, war nicht 

1* 



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4 F. Schaudinn: 

unwahrscheinlich, und diese Vermuthung wurde auch bei der Erklärung des 
»Dimorphismus« von verschiedenen Forschem ausgesprochen, mit um so 
mehr Berechtigung, als bereits in einem Falle (Hydlopus^ Schaudinn 1894) 
die Copulation von Schwärmsporen beobachtet war. 

Um diese Frage »Ist der Dimorphismus durch echten Generationswechsel 
bedingt?« zu entscheiden, wurde die nachfolgende Untersuchung vorge- 
nommen. 

TricJiospJiaerium schien mir ein besonders günstiges Object deshalb zu 
sein, weil es sich gut in Aquarien züchten läfst und zu den häufigsten ma- 
rinen Rhizopoden gehört. Trotzdem boten die complicirten Lebensschick- 
sale dieses Organismus der Erforschung zahlreiche Schwierigkeiten , so daJGs 
ich die verhältnifsmäfsig lange Zeit von fünf Jahren dazu gebraucht habe. 
Während derselben habe ich Trichosphaerhim nie ganz aus den Äugen ge- 
lassen und mit Unterbrechungen immer von neuem gezüchtet und beobachtet, 
bis der Zeugungskreis geschlossen werden konnte. 

Einen wesentlichen Fortschritt bei diesen Studien erlangte ich durch 
einen von der Königlichen Akademie der Wissenschaften mir ermöglichten 
Aufenthalt am Meere, an der norwegischen Küste, wo ich die marinen Rhi- 
zopoden in natürlicheren Lebensbedingungen als hier in Berlin in kleinen 
Aquarien beobachten konnte. Nicht zum wenigsten haben mich auch zahl- 
reiche belehrende und anregende Gespräche gefördert, die ich mit meinem 
verehrten Lehrer und Chef, Hm. Geh. Rath Prof. Dr. F. E. Schulze, geföhrt 
habe. Hierfür und für die liberalste Gewährung jeder Unterstützung durch 
das Zoologische Institut gebührt ihm mein aufrichtigster Dank. 

Die nachfolgende Abhandlung ist die erste einer Reihe von Untersu- 
chungen über den Generationswechsel bei Protozoen, eine zweite, die dem- 
nächst erscheint, wird sich mit dem Generationswechsel der Coccidien be- 
schäftigen, woran sich eine ausfuhrliche monographische Schilderung des 
Zeugungskreises der Foraminifere »Polystomellacrispa* schlielsen wird; die 
dann folgenden Abhandlungen werden sich mit Heliozoen beschäftigen und 
die ausführlichen Mittheilungen über die bereits von mir in Kürze publi- 
cirten Beobachtungen an Actinophrys und den Acanthocystiden enthalten. 



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Generationswechsel txm Trichosphaerium sieboMi Sehn. 



Litteratur über Trichosphaerium. 

Unter dem Namen Trkhosphxierium sieboldii wurde im Jahre 1878 von 
A. Schneider (78) ein Rhizopode aus den Austembassins von Ostende be- 
schrieben, der kugelige oder ovale Gestalt besals und dessen Oberfläche liiit 
dicht stehenden , gleich langen »Borsten« besetzt war. Die letzteren schienen 
einer festen Haut aufisusitzen, welche zahlreiche röhrenförmige Öffnungen 
besafs, aus denen hyaline, fadenförmige Pseudopodien ausgestreckt wurden. 
Schneider stellte diesen Organismus zu den Foraminiferen , ohne Gründe 
hierfür anzugeben ; er sah ihn als Übergangsform von der Lieberkühnia zu 
den echten kalkschaligen Thalamophoren an. Die Beschreibung Sehn ei- 
der 's ist sehr kurz und liefert keinen Beitrag zur Kenntnifs der inneren 
Organisation des Thieres. 

Obwohl er den Namen gegeben hat, ist Schneider nicht der erste 
Beobachter dieses Rhizopoden, den er als neu beschreibt, doch konnten ihm 
die früheren Beobachtimgen entgehen , da sie sehr versteckt publicirt waren. 
Nämlich schon neun Jahre früher (1869) hatte R. Greeff(69) an dersel- 
ben Localität (Ostende) einen marinen Rhizopoden gefunden imd kurz be- 
schrieben, der in allen von Schneider aufgestellten Charakteren mit Tricho- 
sphaerium übereinstimmt (»kugelige, von feinen Kalknadeln besetzte Kapsel, 
durch deren runde Öffiiungen stäbchenförmige Pseudopodien hervorgestreckt 
werden«). Greeff hat aber weder in dieser, noch in einer bald darauf 
folgenden Mittheilimg (69 a) seinen Rhizopoden benannt, und der von 
Schneider gewählte Name besteht daher zu Recht. In seiner zweiten 
Notiz (69 a) stellt Greeff seinen Organismus ebenfalls zu den Foraminiferen, 
weil er annimmt, dafe die die Hülle zusammensetzenden Stäbchen aus 
kohlensaurem Kalk bestehen, und daher in der Schale eine Vorstufe der 
kalkigen Monothalamienschale erblickt. 

Ohne die Arbeit Schneider 's zu kennen, beschrieb 1883 Grub er (83) 
unter dem Namen Pachymyxa hystrix aus Freiburger Seewasseraquarien einen 
Rhizopoden, der vollständig mit Trichosphaerium übereinstimmte, was bald 



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6 F. Schaudinn: 

darauf auch von diesem Autor erkannt und berichtigt wurde, indem er den 
von ihm gegebenen Namen zurückzog (83 a). 

Während die bisher erwähnten Beobachter eigentlich nur das , was man 
bei einer oberflächlichen Betrachtung mit dem Mikroskop sehen kann, mittheil- 
ten, hat Gruber (83) genauere Untersuchungen angestellt und eine Reihe That- 
sachen über die Lebensweise, die Structur der Schale und den Bau des Weich- 
körpers von Trichosphaerium geliefert, auf die im Laufe dieser Arbeit wiederholt 
eingegangen werden wird. Grub er sucht die nächsten Verwandten des Tricho- 
sphaerium nicht bei den Foraminiferen , sondern bei amoebenartigen Organis- 
men, ja er fand bereits die stäbchenlosen, amoebenähnlichen Stadien von Tri- 
chosfphaeriam und vermuthete in ihnen Entwickelungsstadien unseres Thieres. 

Möbius (89) beobachtete in der Kieler Bucht einen Rhizopoden mit Stäb- 
chenhüUe, den er fiir identisch mit Trichosphaerium sieboldü hält, obwohl der- 
selbe einzelne Abweichungen zeigt. Diese beziehen sich namentlich auf die 
Stäbchen, die bei der Kieler Form organischer Natur sind, imd auf die Pseu- 
dopodien, die Möbius nicht als fadenfftrmig, sondern als » kugelig- lappen- 
förmige« Plasmafortsätze beschreibt. Dieser Forscher stellt fiir Trichosphae- 
rium eine neue Rhizopodengruppe auf, die er Trichosa nennt und die ein 
Verbindungsglied zwischen den Amoebaea und Perforata bilden soll. 

Im Jahre 1892 constatirte Greeff (92), dafe er der erste Beobachter des 
Trichosphaerium sei (vergl. oben). Seine Behauptung, dafs die Stäbchen der 
Hülle aus kohlensaurem Kalk bestehen, hält er aufrecht, ohne sie aber zu 
beweisen; die Pseudopodien sind lang »stäbchenförmig«. Weil Möbius (89) 
bei seiner Form organische Stäbchen und lappenförmige Pseudopodien an- 
gibt, hält Greeff dieselbe far eine Varietät der Nordseeform. 

Noll (92) beschreibt in einer kurzen Notiz die Art der Ausbreitung der 
Trichosphaerien an der mit Algen bewachsenen Glaswand eines Aquariums 
und die kreisförmigen Fraisstellen in dem Algenfilz. Über die Organisation 
gibt er nichts an. 

Labbe (95) fand unseren Rhizopoden bei Roseoff und beobachtete das 
Vorkommen von Zooxanthellen im Weichkörper desselben. 

Hiermit sind die bisherigen Beobachtungen über Trichosphaerium er- 
schöpft. Dieselben sind sehr unvollständig und einander widersprechend. 
Über die Lebensgeschichte, die feineren Bauverhältnisse, die Kerne und 
die chemische Natur der Schale ist nichts bekannt. 



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Qeneraüonswechsel von TricJiosphaerium sieboldi Sehn, 



Material und Untersuchungsmethoden. 

Die zur nachfolgenden Untersuchung verwendeten Trichosphaerien stam- 
men eines Theils aus den Seewasseraquarien des hiesigen Zoologischen In- 
stituts, die ihre Füllung durch die Zoologische Station zu Rovigno erhalten 
hatten ; ein anderer Theil fand sich in Gläsern ein, die vor mehreren Jahren 
aus dem Wiener Zoologischen Institut mit Trichoplax adJuierem hierher ge- 
kommen waren und deren Inhalt aus der Adria bei Triest stammte. Auch 
in mehreren Gläsern aus Helgoland lebt TrichospJhaerium. Endlich fand ich 
diesen Rhizopoden freilebend im Pudde^ord bei Bergen in Norwegen. Die 
dort beobachteten Individuen waren für mich besonders deshalb von Werth, 
weil ich ilire vollkommene Identität mit den Mittelmeerformen constatiren 
konnte. Trichosphaeriwn fand sich in der littoralen 2k)ne bis zu einer Tiefe 
von etwa 5™ auf Algen ziemlich häufig. 

Unser Rhizopode tritt zeitweilig in so ungeheueren Massen auf, daJfe 
die Glaswände der Aquarien wie mit einem weifsen Filz überzogen erschei- 
nen, und ich litt daher niemals an Materialmangel. In den 38 See Wasser- 
gläsern, die mir zur Verfugung standen, trat zu jeder Jahreszeit während 
der verflossenen fünf Jahre mindestens in der Hälfte Trichosphaerium wahr- 
haft epidemisch auf. Besonders angenehm für die Untersuchung der Lebens- 
verhältnisse dieses Rhizopoden ist seine Lebenszähigkeit. Er pafst sich den 
schlechtesten Lebensbedingungen an und scheint, wo er einmal sich ein- 
gebürgert hat, unausrottbar zu sein. Daher ist es auch nicht schwierig, 
ihn in kleineren Glasgefafsen (sogenannten Krystallisirschalen und Uhrgläs- 
chen) zu züchten, um seine Fortpflanzung und Entwickelung zu beobachten. 

Zum Aufsuchen einzelner Stadien an den Glaswänden der Aquarien habe 
ich , wie früher bei anderen Rhizopoden , auch hier mit bestem Erfolge das 
von F.E.Schulze construirte Horizontalmikroskop benutzt. Dieses Instru- 
ment erleichtert aufserordentlich die biologische Erforschung kleiner Orga- 
nismen, und es nimmt mich Wunder, dafis nur so wenige Forscher dasselbe 



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8 F. Schaudinn: 

benutzt haben. Zum Absuchen von Aquarienwänden ist es mir wegen seiner 
feinen Einstellung unentbehrlich, aber auch för die Beobachtung von Bewegun- 
gen und der gröberen Fortpflanzungsverhältnisse der Rhizopoden sehr geeig- 
net, besonders deshalb, weil man die Thiere unter natürlicheren Lebens- 
bedingungen als auf dem Objectträger, in der feuchten Kammer oder der Uhr- 
schale Studiren kann. Natürlich dürfen die letzteren Hülfsmittel auch nicht 
vernachlässigt werden, um mit stärkeren Vergröfeerungen beobachten zu 
können; doch hat man an den gröberen Untersuchungen eine gute Controle, 
ob die Thiere bei der Herausnahme aus ihren gewohnten Lebensbedingun- 
gen nicht wesentlich alterirt worden sind. Ich habe daher bei meinen Rhi- 
zopodenstudien stets beide Beobachtungsmodi combinirt. Zur Betrachtung 
mit stärkerer Vergröfserung verwendete ich mit Erfolg das von mir (94) 
beschriebene einfache Mikro -Aquarium, in welchem ich die Rhizopoden 
wochenlang lebend halten konnte. Vorbedingung für die Zucht aller ma- 
riner Rhizopoden in kleinen und kleinsten Behältern ist eine möglichst ge- 
naue Regulirung des Salzgehaltes, was leicht durch vorsichtiges Nachfiillen 
destillirten Wassers erreicht wird, und die Sorge fiir reichliche Nahrung. 
Trichosphaerimn ist in Bezug auf den ersten Punkt weniger gefahrlich als 
andere Rhizopoden, weil es euryhalin ist, dafür ist es aber um so gefrä&iger, 
und ich mufs daher meine Methoden der Nahrungsversorgung etwas ein- 
gehender besprechen. Alle GefäXse, die ich zur Zucht benutzte, wurden 
einige Zeit, bevor ich die Rhizopoden hin einsetzte , mit Seewasser gefüllt 
und die Höhe des Wasserstandes durch einen Diamantstrich an der Glas- 
wand bezeichnet und genau eingehalten ; aufserdem wurde eine Anzahl grü- 
ner Algen, meist Siphoneen und viele Diatomeen , hineingebracht, die dann 
allmählich den Boden und die Wände der Gefafse überzogen. Meist ent- 
spann sich ein Kampf zwischen Fäulnifserregern und den grünen Algen, 
und erst wenn sich derselbe zu Gunsten der letzteren entschieden hatte, 
wurden die Rhizopoden hineingesetzt. Diese Mafsregel ist von grofser Wich- 
tigkeit, weil bei gleichzeitigem Ansetzen der Nährorganismen und der Rhi- 
zopoden letztere gewöhnlich durch Fäulnils zu Grunde gehen. 

Es scheint, als ob die Algen nach einmal bestandenem Kampf mit 
den Fäulnifserregern widerstandsfähiger werden, denn in einmal ausgefaulten 
Gläsern habe ich niemals wieder Fäulnifs eintreten sehen. Es ist sehr 
zweckmäfsig, bei der Untersuchung mariner Rhizopoden stets eine Anzahl 
derartig gut eingewachsener und mit Nährobjecten reichlich besetzter Gläser 



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Generattonsioechsel von Trichosphaermm sieboMi Sehn, 9 

und Uhrschalen vorräthig zu halten, um nöthigenfalls Entwiekelungsstadien 
schnell isoliren zu können. 

Um einzelne Individuen oder Fortpflanzungsstadien aus den Geföfsen 
herausnehmen zu können , ohne sie, wie es mit einer Pipette oft leicht 
geschieht, zu zerstören, wurden die Böden der Zuchtgläser mit kleinen 
Deckglasstücken dicht belegt, die so grols waren, dafs man sie mit einer 
feinen Pincette fassen und herausholen konnte. Auf ihnen setzten sich die 
Rhizopoden dann fest und konnten bequem mit dem Deckglas in andere 
Gefafse übertragen oder conservirt werden und zwar in natürlicher Lage. 
— Deckgläser wurden auch als Sporenfalle benutzt. Zu diesem Zweck wurden 
sie an Fäden geklebt und so in die Aquarien gehängt, dafs sie senkrecht 
einige (2-3) Centimeter über dem Boden schwebten. Wenn sich dann auf 
ihnen nach kurzem Hängen junge Rhizopoden anfanden, konnte man an- 
nehmen, dafs sie im freibeweglichen Schwärmsporenstadium hinaufgelangt 
seien. Um andere Möglichkeiten auszuschliefsen , habe ich zwischen dem 
Deckglas und der Oberfläche des Wassers noch eine horizontal schwebende 
gröfsere Glasscheibe an dem Faden befestigt in der Weise , dafs der Faden 
durch einen Kork gezogen wurde, der in das centrale Loch einer etwa 
4*"" im Durchmesser grofsen Glasscheibe gesteckt wurde (ich benutzte hierzu 
die durchlochte Glasscheibe der feuchten Kammer, nach F. E. Schulze 's 
Construction). Hierdurch sollte verhindert werden, dafs die Rhizopoden 
von der Oberfläche des Wassers auf irgend welche Weise zu dem Deck- 
glas gelangten. Um das letztere aber auch beim Hineinsetzen in das Aqua- 
rium nicht mit der Wasseroberfläche in Berührung zu bringen, wurde der 
ganze Apparat in einen breiten Lampencylinder gebracht, der beim Hinein- 
tauchen in das Wasser oben zugehalten und erst unterhalb der Oberfläche 
geöffnet und entfernt wurde. In derselben Weise wurde beim Herausnehmen 
der Deckgläser verfahren. 

Wo bei der Untersuchung der lebenden Thiere eine starke Quetschung 
nothwendig war, habe ich auch das Ziegler'sche Durchströmungscom* 
pressorium mit Erfolg benutzt. 

Zur Conservirung der Trichosphaerien habe ich verschiedene der ge- 
bräuchlichen Flüssigkeiten probirt, aber wie bisher bei meinen Rhizopoden- 
studien auch jetzt gefunden, dafs Sublimatlösungen am vortrefflichsten wir- 
ken. Besonders erwies sich eine Mischung von concentrirter wässeriger Subli- 
matlösung mit absolutem Alkohol im Verhältnifs 2:1 als vorzüglich zur 
Phys, Ahh, nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899. I. 2 



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10 F. Schaudinn: 

Fixirung des Plasmas und der Kerne. Häufig wurde noch eine Spur Eis- 
essig hinzugefugt. Doch habe ich auch Kleine nberg 's Pikrinschwefel- 
säure, Flemming's Chromosmiumessigsäure und Herrmann 's Platinchlo- 
rid-Osmium-Essigsäure häufig angewendet. Letztere Fixirung ergab beson- 
ders bei Nachbehandlung mit Holzessig nach von Maehrenthars Angabe 
fiir das Studium der feineren Plasmastructur gute Bilder, doch müssen die 
Schnitte sehr dünn sein. Ausgewaschen wurde bei Sublimatbehandlung mit 
63procentigem Jodalkohol, bei Kleinenberg's Flüssigkeit mit 63procen- 
tigem Alkohol in der Wärme, sonst mit Wasser. Um die Tricliosphaerien 
in natürlicher Lage und mit ausgestreckten Pseudopodien abzutödten, be- 
nutzte ich auch die von Buetschli angegebene Methode der Fixirung durch 
Osmiumdämpfe , doch kam ich durch Übergiefsen der Deckglasculturen mit 
heifsem Sublimatalkohol ebenso weit. Die früheren Beobachter unseres Rhi- 
zopoden haben am ganzen Thier die Kerne niclit durch Färbung diflferen- 
ziren können. Auch meine ersten Versuche waren vergeblich; mit Borax- 
karmin, Saffranin, Haematoxylin und Brasilin habe ich keine deutliche Kern- 
fllrbung erhalten, weil die vielen Inhaltsköq)er des Plasmas, besonders ein- 
zellige Algen, sich ebenso intensiv wie die Kerne färben. Endlich gelang 
es aber in vorzüglicher Weise mit Grenacher's Alaunkarmin; ich erhielt 
nach einhalbstündiger Färbung und darauf folgendem mehrstündigen Aus- 
ziehen in 43 procentigem Alkohol eine reine Färbung der zahlreichen Kerne. 
Längeres Verweilen der Objecte in der Farbe lieferte schlechtere Resultate, 
weil dann die vorhin erwähnten Inhaltsgebilde mitgefärbt wurden. Eine 
noch kürzere Färbungszeit gestattet eine im hiesigen Institut gebräuchliche 
43procentige alkoholische Alaunkarminlösung, weil sie schneller eindringt. 
Für das Studium des feineren Baus mufs man die Trichosphaerien in 
Schnittserien zerlegen. Die Einbettung erfolgte anfangs in Uhrschalen, spä- 
ter in meinem Mikro -Aquarium, welches den Vortheil bietet, dafs man sehr 
viele Exemplare auf engem Räume zusammen einbetten kann. In beque- 
merer Weise erreiche ich diefs in neuerer Zeit durch Anwendung einer Cen- 
trifuge. Mehrere hundert Individuen können zugleich behandelt werden, 
ohne dafs man Gefahr läuft, bei den verschiedenen Manipulationen, wie 
Färbung, Alkoholwechsel, Parafifineinbettung, auch nur ein einziges Thier 
zu verlieren. Nach der Fixirung werden die Thiere in einen kleinen Glas- 
cy linder (Praeparatenglas) ge])racht, in dem sie weiter behandelt werden; 
vor jedem Flüssigkeitswechsel wird centrifugirt, wodurch die Thiere auf 



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Genei^atiomwechsel von Tricliosphaermm sieboldi Sehn. 11 

dem Boden des Gläseliens dicht zusammengedrängt werden. Nachdem sie 
mit Paraffin durchtränkt sind, läfst man das Gläschen in Wasser schnell 
erkalten , wodurch sich das erstere von der Glaswand zurückzieht. Durch 
Zerechlagen des Gylinders erhält man einen schnittfertigen Paraffinblock, 
in dem die Trichosphaerien so dicht liegen, wie man es ohne Centrifuge 
nicht erreichen kann. 

Das Schneiden der Rhizopoden ist bisweilen, wenn zahlreiche spröde 
Plasma-Einschlüsse vorhanden sind, recht schwierig. Um sehr dünne (i-2u) 
Schnitte zu erhalten, habe ich dann die von Hei der angegebene Methode 
des Überstreichens des Paraffinblocks mit MastixcoUodiumlösung benutzt. 

Bei Schnittfärbung gelingt es leicht, mit Alaunkarmin , Boraxkarmin, 
Cochenille tinctur, Fuchsin, Safranin, Thionin, Kernschwarz gute Färbun- 
gen der Kerne zu erhalten. Eine lange Färbung (24-36 Stunden) mit ver- 
dünntem Grenacher'schen Haematoxylin und Ausziehen mit salzsaurem 
Alkohol habe ich ebenfalls mit Erfolg angewendet. Sehr schöne Bilder 
lieferte eine Doppelfarbung mit Methylenblau und Brasilin, wobei ich in 
folgender Weise verfuhr: die auf Wasser gebrachten Schnitte kommen für 
fünf Minuten in eine wässerige Methylenblaulösung (concentrirt), werden 
hierauf gut mit Wasser abgespült und auf einen Tag in Brasilin gebracht. 
(Die Herstellung der von mir benutzten Brasilinlösung ist früher [96] be- 
reits angegeben.) Nachdem sie einige Stunden in 43procentigem Alkohol 
ausgewaschen sind , werden sie durch die Alkoholstufen auf Xylol gebracht 
und in Canadabalsam eingeschlossen. Mit dieser Färbung sind alle Fremd- 
körper, Faecalien u. s. w. blau , das Plasma rosa und die Kerne leuchtend 
roth geförbt. Es scheint, als ob diese Doppelfilrbung Ahnliches leistet, wie 
die von Rhumbler angegebene Methylgrän-Eosinmischung für andere Rhi- 
zopoden. Bei Trichosphaerium habe ich mit dieser Doppelfarbung keine so 
guten Resultate gehabt, wie bei anderen Rhizopoden. Endlich habe ich 
als vorzügliche KernfUrbung bei Trkhosphaerium auch die Benda-Heiden- 
hain'sche Eisenhaematoxylinfarbung benutzt. 

Als Einschlufsmittel wurden aufser Canadabalsam und Dammarharz für 
bestimmte Zwecke (Studium der Hülle, achromatische Kernsubstanz) auch 
Glycerin und essigsaures Kali angewendet. 

Zum Auffinden bestimmter Entwickelungsstadien auf Deckglasculturen 
und in Schnittserien ist ein verschiebbarer Objecttisch mit Nonien unent- 
behrlich. Ich benutzte einen solchen von Seibert. 

2* 



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12 F. Schaudinn: 

Zur Untersuchung der feinsten Organisationsverhältnisse stand mir ein 
Zeiss'scher Apochromat, Ap. 1.30, 2""" Brw. und die Compensationsoculare 
4~i2, für noch stärkere Vergröfserungen das vorzügliche Seibert'sche 
apochromatisch- homogene Immersionssystem, Ap. 1.35, Brw. 2°™, nebst den 
Compensationsocularen i, 4, 6, 8, 12, 18 zur Verfiigung. Als Lichtquelle 
wurde aufser Tageslicht Gasglühlicht, und fiir die stärksten Vergröfserun- 
gen Zirkonlicht benutzt. 



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Generaiio7iswechsel vm Trichosphaerium sieboldi Sehn. 13 



Kurze Übersicht der Organisation und des Zeugungs- 
kreises von Trichosphaerium sieholdi Schneider. 

Trichosphaerium sieboldi ist ein mariner Rhizopode , der im Schlamm und 
auf Algen in der littoralen Zone weit verbreitet lebt. Kr besitzt kugelige 
oder ganz unregelmäßige Gestalt und ist nur äufserst langsamer, aber trotz- 
dem bedeutender Formveränderungen fähig. Wie zahlreiche Foraminiferen 
zeigt auch dieser Organismus die Erscheinung des sogenannten Dimorphis- 
mus, d.h. er tritt in zwei Formen auf, die in den meisten Charakteren 
übereinstimmen, in einigen aber von einander abweichen und besonders einer 
anderen Art der Fortpflanzung ihren Ursprung verdanken. 

Was bei den Foraminiferen wahrscheinlich, indessen noch nicht be- 
wiesen ist, gelang mir hier sicher nachzuweisen, nämlich die Zugehörig- 
keit beider Formen zu einem Zeugungskreise. 

Die beiden Formen Obereinstimmend zukommenden Bauverhältnisse sind 
folgende: i. Die Kernverhältnisse; beide sind während des vegetativen 
Lebens vielkemig, der feinere Bau der Kerne stimmt ebenfalls überein; die 
Kern Vermehrung erfolgt durch eine Art primitiver Mitose, und zwar theilen 
sich stets alle Kerne gleichzeitig, so dafs die Zahl derselben mit einem Male 
verdoppelt wird. 2. Die Pseudopodien sind lang, dünn, fadenförmig, 
am Ende abgerundet, sie fähren nutirende Bewegungen aus, dienen aber 
weder zur Locomotion, noch vermitteln sie die Nahnmgsaufnahme, sondern 
scheinen nur als Tastorgane zu functioniren. Die äufserst träge Bewegung 
der Organismen erfolgt durch langsames Dahinfliefsen der Sarkode , die Nah- 
rungskörper werden durch XJmfliefsen aufgenommen. 

Der Hauptunterschied der beiden Formen , der sie auch äufserlich leicht 
kenntlich macht, besteht in den Hüllbildungen. Der Weichkörper ist bei 
beiden mit einerweichen, gallertigen Hülle allseitig umgeben. Bei der einen 
ist nun diese Hülle dicht mit kurzen, radiär stehenden Stäbchen aus koh- 
lensaurem Magnesium besetzt (das Trichosphaerium der Autoren), während sie 



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14 F. Schaudinn: 

bei der anderen nackt bleibt. Die Hülle ist mit besonders diflferenzirten, 
persistenten Öffnungen för den Durchtritt der Pseudopodien versehen, die bei 
beiden Formen kleine Verschiedenheiten zeigen. Beide Formen können sich 
während ihres vegetativen Lebens durch einfache Zweitheilung, Knospung 
oder Zerfall in viele Theilstücke vermehren; doch sind diese Theilstücke 
stet« mehrkernig und weichen in ihrem Bau nicht von dem Mutterthier ab. 

Am Ende ihres vegetativen Lebens zerfallt die stäbchenfuhrende Form 
innerhalb der Hülle in zahlreiche, einkernige Theilstücke, die nach der Zer- 
störung der Hülle als kleine Amoeben auswandern und sich, ohne Stabchen 
zu bilden, zu Individuen der zweiten Form entwickeln. Um der leichteren 
Darstellung willen belege ich die Formen mit besonderen Namen*. Die stäb- 
chenfuhrende Form mag, weil sie durch einfache Zerspaltung ihre Spröß- 
linge liefert, Schizont, der Vorgang Schizogonie heifsen. Die aus den 
Theilungsproducten sich entwickelnden Individuen bilden am Ende ihres ve- 
getativen Lebens andersartige Fortpflanzungskörper, nämlich mit zwei Greifeeln 
versehene Schwärmer. Wegen dieser Sporulation nenne ich diese Form Spo- 
ront, den Vorgang Sporogonie, die Producte Sporen. Weil sie GeiXseln 
besitzen, wird man von Schwärmsporen (im Gegensatz zu Dauersporen) 
sprechen. Je zwei von verschiedenen Individuen stammende Schwärmsporen 
können sich durch Copulation vereinigen. Sie entwickeln sich nach Ab- 
werfen der Gei&eln und Verschmelzung der beiden Kerne unter Ausbildung 
einer Stäbchenhülle zu Schizonten. Die copulirenden Schwärmsporen kann 
man als Gameten bezeichnen. 

Das Schema auf Taf. I verdeutlicht leichter als viele Worte den Zeu- 
gungskreis von Tricfhosphaerium^ der sich durch den Wechsel von geschlecht- 
licher und ungeschlechtlicher Generation als echter Generationswechsel do- 
cumentirt. In den folgenden Capiteln soll zunächst der Weg, der zu diesem 
Resultate gefuhrt hat, eingehend geschildert werden, und hieran wird sich 
eine genaue Darstellung der feineren und feinsten Bauverhältnisse des TrU 
chosphaerium schliefsen. 

* Die ich einer anregenden Discussion mit Hrn. Geh. Rath F. E. Schulze verdanke. 



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Generationswechsel von Trichosphaeriurn sieboldi Sehn. 15 



Der Zeugungskreis von T/ichosphaermm. 

Die Schizonten. Die Form des Trichosphaermm , welche den meisten 
bisherigen Beobachtern allein bekannt war, ist das Schizontenstadium. Diefs 
ist nicht wunderbar, weil die anderen Stadien unseres Rhizopoden viel we- 
niger auffallend sind als dieses. Schon mit blofsem Auge kann man diese ver- 
bal tniismäfsig grofsen Formen (sie können einen Durchmesser von 2""" er 
reichen) auf Algen oder an der Glaswand des Aquariums erkennen. Bei 
durchfallendem Licht erscheinen sie sehr dunkel wegen des starken Licht- 
brechungsvermögens der Stäbchen, welche sich auf der Gallerthülle befin- 
den, und wegen der zahlreichen dunkeln Einschlüsse des Weichkörpers 
(Fig.i Taf.II). Nur die Pseudopodienöffnungen machen sich als helle Flecke 
bemerkbar. Bei auffallendem Licht reflectiren die krystallähnlichen Hüllen- 
stäbchen das Licht so stark , dafs die Thiere weifs erscheinen (Fig. 2 Taf. II) 
und nur die Pseudopodienöflfhungen als schwarze Löcher hervortreten. 

Die fadenförmigen Pseudopodien, die nach allen Seiten ausgestreckt 
werden können , fähren fortwährend drehende und tastende Bewegungen aus, 
niemals aber kann man beobachten, dafe dieselben irgend ein Nahrungsob- 
ject festhalten oder dasselbe umfliefsen, wie es bei den meisten Rhizopo- 
den der Fall ist. Vielmehr wenn sie einen Fremdkörper, eine Diatomee 
oder Fadenalge zufällig berühren , so ziehen sie sich sofort von demselben 
zurück und setzen ihre Drehbewegung nach anderer Richtung fort. 

Die Nahrungsaufnahme erfolgt in ähnlicher Weise wie bei den Amoe- 
ben durch Umfliefsen seitens des Weichkörpers. Wenn der Organismus auf 
seinen Wanderungen auf einen Fremdkörper stöfst, so bleibt der letztere 
zwischen den Stäbchen an der klebrigen Gallerte der Hüllschicht haften; 
langsam wälzt sich nun der Weichkörper weiter und drückt so, indem er 
wie eine zähe Teigkugel darüber fliefst, den Fremdkörper durch die Gallert- 
hülle hindurch in das Plasma hinein. Auf diese Weise kann das Thier selbst 
sehr grofse Objecte , wie lange Fadenalgen (vergl. Fig. i Taf. II), sich einver- 



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16 F. Sc H audinn: 

leib(*n. Die Pseudopodienöffnungen wären viel zu eng, um als Eingangs- 
pforte für die Fremdkörper zu dienen, welche man im Innern des Weich- 
körpers findet, wie schon Gruber richtig erkannt hat. Die hier geschil- 
derte Nahrungsaufnahme haben aber merkwürdiger Weise die Autoren noch 
nicht gesehen, obwohl sie in meinen Culturen sehr leicht zu beobachten 
war, weil sie aufserordentlich langsam erfolgt. Auf Siphoneenrasen findet 
man z.B. kaum ein Individuum, bei dem nicht ein oder zwei Algenfaden 
zur Hälfte aus dem Weichkörper noch herausragen; beobachtet man nun 
das Hineinziehen der Fäden , so kann man oft mehrere Stunden warten, bis 
sie ganz von der Aufsenwelt verschwunden sind. Um ein so kleines Stück- 
chen, wie es in Fig. i Taf II herausragt, ganz hineinzuziehen, braucht das 
Thier gut eine Stunde. Bei dieser Langsamkeit ist es erklärlich , dafs Tr^ 
chosphaerium meist nur Pflanzen oder festsitzende Thiere frifst. Bewegliche, 
wie Infusorien, Flagellaten, Copepoden u.s.w. , kann es nicht fangen. Doch 
verschmäht es dieselben nicht, wenn man sie ihm todt vorwirft; so habe ich 
zu bestimmten Zwecken (vergl. das Capitel über die Excretkörner) Tricho- 
sphaerien nur mit zerquetschten Copepoden ernährt, und sie gediehen sehr 
gut dabei. Trichosphaerium scheint demnach alles zu fressen, was ihm in 
den Weg kommt. 

Nachdem wir gesehen , dafs die Pseudopodien nicht bei der Nahrungs- 
aufnahme behülflich sind, wäre es noch möglich, dafs sie zur Locomotion 
dienen. Diefs ist aber ebenso wenig der Fall, wie man sich leicht durch 
die Beobachtung überzeugt. Bei der Bewegung drehen sich die sämmt- 
lichen Pseudopodien ungestört weiter, und sie documentirt sich nur durch 
langsame Gestaltveränderungen des Körpers. Sie erfolgt durch Vorwärts- 
fliefsen des Plasmas. Aber wenn die Nahrungsaufnahme schon langsam er- 
folgte, so kann man die Bewegung als Prototyp der Langsamkeit betrachten. 
Es ist daher schwer, sie mit dem Auge zu verfolgen ; leichter gelingt es mit 
Hülfe des Zeichenprismas , und habe ich nach vielen Messungen eine Durch- 
schnittsgeschwindigkeit von lo/i in der Minute ausgerechnet. Ich kenne 
keinen Rhizopoden, der ähnlich langsame Bewegungen ausfuhrt. Selbst die 
ungewöhnlich trägen Labyrinthuleen erreichen eine Durchschnittsgeschwin- 
digkeit von 20 fx in der Minute. 

Diese Trägheit des Trichosphaerium ist für das Studium der Lebensge- 
schichte aufserordentlich günstig, sie ermöglicht es, die verschiedenen Ent- 
wickelungsstadi(Mi gut im Auge zu behalten, erfordert aber auch gröfsere 



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Generationsweclisel von Trichospliaerium siehoMi Sehn. 17 

Geduld , als es bei anderen Organismen mit lebhafteren Lebensäufeerungen 
nothwendig ist. 

Die einzige bisher beobachtete Fortpflanzungsart unseres Organismus 
ist die Theilung. Schon Schneider (78) und später Gruber (83) haben 
eine Längsstreckung und DurchsclmOrung des Thieres beschrieben. Auch 
in meinen Culturen konnte ich diese Vermehrungsweise häufig beobachten. 
Die weiche Gallerthülle, die auch sonst allen Gestaltveränderungen des Weich- 
körpers folgt, wird bei der Theilung des letzteren einfach mit durchge- 
schnürt. Die beiden Theilstücke sind nicht immer gleich grofs, und lassen 
sich alle Übergänge bis zur Abschnürung einer winzigen Knospe auffinden. 
Aber nicht nur in zwei, sondern in drei, vier und mehr Theile kann der 
Organismus sich zerschnüren. Ein Blick auf die Figuren 2-5 der Tafel II 
zeigt, wie mann ichfaltige Theilungsstadien vorkommen. Da findet sich Durch- 
schnürung in zwei gleiche Theile (Fig. 3 a), zwei ungleiche (Fig. 3 a,), in drei 
(Fig. 2, 36, 36,), in vier (Fig. 3c), in fönf (Fig. 3^) und in zahlreiche (Fig. 36», 
4, 5) Stücke. 

Vor dem Zerfall in viele Theilstücke wird die Gestalt der Thiere ganz 
unregelmäfsig, lappig und buckelig (Fig. 4 Taf. II). Die einzehien Fortsätze 
strecken sich in die Länge und werden durch ringförmige Einschnürungen 
in eine Reihe von Segmenten zerlegt, die sich dann allmählich von ein- 
ander lösen (Fig. 5 Taf II). Der ganze Theilungsprocefs verläuft aufseror- 
dentlich langsam. Einige Beispiele können diefs erläutern. Die Figuren 4 
und 5 sind zwei auf einander folgende Stadien desselben Individuums. Die 
Figur 5 wurde erst am zehnten Tage nach Fig. 4 gezeichnet, und erst nach 
weiteren sechs Tagen war das Thier in die 26 schon in Fig. 5 erkennbaren 
Theilstücke zerfallen. Bisweilen geht es etwas schneller, so konnte ich an 
einem i°*"5 grofsen Exemplar den Zerfall in 35 Theilstücke innerhalb einer 
Woche verfolgen. Schon am vierten Tage, nachdem die Gestaltverände- 
rung begonnen hatte, markirten sich die einzelnen Segmente deutlich. Beim 
Zerfall der letzteren lösen sich nicht alle gleichzeitig von einander; an ein- 
zelnen Stellen lösen sich einzelne Theilstücke ab, während an anderen ganze 
Complexe abgeschnürt werden , die erst später zerfallen , wie diefs auch schon 
in Fig. 5 zu erkennen ist. Durch diese Art der Vermehrung finden die 
merkwürdigen Frafsstellen der Trichosphaerien ihre Erklärung. Schon NoU 
(92) hatte beobachtet, dafs diese Rhizopoden aus dem Algenfilz an der Glas- 
wand der Aquarien kreisförmige Löcher ausfressen , vermochte aber die Er- 
Bn/8. Abh, nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 3 



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18 F. Schaüdinn: 

scheinung nicht zu erklären. Bei CakUuba habe ich ganz Ähnliches (1895) 
beobachtet und nachgewiesen, dafs es durch den Zerfall eines grofsen, stern- 
förmigen Individuums in viele Tochterthiere, die in radiärer Richtung si(!h 
weiter theilen, bedingt ist. Ganz dieselbe Ursache hat die Erscheinung 
auch hier/ 

Fig. 6 Taf. II stellt zwei Frafsstellen des Trichosphaerium bei ganz ge- 
ringer Vergröfserung (etwa 2:1) dar. In einer kreisförmigen Stelle ist die 
Glaswand des Aquariums ganz von dem sie bedeckenden Filzwerk von brau- 
nen Algen und Diatomeen gesäubert. In der Mitte sitzen nur ganz verein- 
zelte Trichosphaerien , während sie am Rande dicht gehäuft sind. Ebenso 
wie bei CakUuba kann man die weitere Ausdehnung der Frafsstellen mit 
Hülfe des Horizontalmikroskops leicht beobachten ; auch die erste Entstehung 
ist nicht schwer zu eruiren. Wenn ein einzelnes Individuum auf eine un- 
versehrte Stelle des Diatomeen rasens gesetzt wird, so verzehrt es zuerst seine 
Unterlage; hierdurch entsteht ein kleines Loch im Algenfilz. In Folge der 
guten Ernährung nimmt das Thier Stern form an (wie in Fig. 5 oder links 
unten Fig. 6 Taf. II), um sich zur Vieltheilung anzuschicken. Schon hierbei 
wird die Lücke erweitert. Bei der Trennung der Tlieilstücke von einander 
finden sie natürlich gute Nahrung nur noch in radiärer Richtung. Sie theilen 
sich wieder und erweitern auf diese Weise immer mehr den Kreis. 

Die Zeit, in welcher ein Kreis, wie er in Fig. 6 Taf. II oben gezeichnet 
ist, entsteht, beträgt ungefähr zwei bis drei Monate. 

Nach dieser kleinen biologischen Abschweifung kehren wir zum Thei- 
lungsprocefs zurück. Die vegetativen Thätigkeiten werden bei dieser Art 
der Fortpflanzung nicht unterbrochen, der Organismus frifst und verdaut 
ruhig weiter. Auch bei der Untersuchung fixirter und gefärbter Theilungs- 
stadien ergibt sich, dafs im Innern keine Veränderungen gegenüber dem 
Ruhezustand eingetreten sind. Die Kerne, die stets in grofeer Anzahl vor- 
handen sind, befinden sich im Ruhezustande. Die Kern Vermehrung ist ganz 
unabhängig von der Vermehrung der Individuen durch Theilung, kurz, die 
Organismen befinden sich im vegetativen Zustande, weshalb ich diese Art 
der Schizontenvermehrung gegenüber der Schizogonie als vegetative bezeich- 
nen möchte. Bei längerem Leben in der Gefangenschaft scheint diese Art 
der Vermehrung die einzige Art der Fortpflanzung des Trichosp/iaerium zu 

* Vielleicht auch bei Trichoplar adhaererui. Wie Herr Geh. Rath Prof. Schulze mir 
mündlich mittheilte, bringt dieser Organismus ähnliche Frafsstellen hervor. 



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Generationswechsel von Tricfiosphaerium sieboldi Sehn. 19 

sein. In alten, mehrjährigen Culturen habe ich die Schizogonie und Sporo- 
gonie nicht beobachtet. Ob diefs eine Folge der langen Inzucht ist, läfst 
sich schwer sagen. Im freien Meere habe ich übrigens nur selten Stadien 
der einfachen vegetativen Vermehrung beobachtet, dort fanden sich meistens 
nur Stadien der Schizogonie und Sporogonie. Vielleicht ist die überaus 
häufige vegetative Theilung ein durch die reiche Ernährung in der Ge- 
fangenschaft veranlafster, nicht normaler Vorgang, den man als eine Art 
von Hyperthrophie bezeichnen kann (vergl. das Schema Taf I). 

Wie erwähnt, sind die Schizonten während ihres vegetativen Lebens 
stets vielkernig (Fig. i Taf. IV). Die Vermehrung der Kerne während des 
Wachsthums der Thiere erfolgt durch Mitose , die später eingehend geschil- 
dert, werden soll. Stets theilen sich alle Kerne gleichzeitig (Fig. 2 Taf IV), 
und wird hierdurch die Zahl derselben natürlich mit einem Male verdoppelt. 
Diefe Verhalten zeigen die Kerne in allen Entwickelungsstadien des Tricho- 
sphaerium (vergl. das Schema auf Taf. I) und ist die Art der Kerntheilung 
stets die gleiche. Genauere Angaben über die Kernverhältnisse werden an 
anderer Stelle gegeben werden. 

Bevor ich zur Besprechung der Schizogonie übergehe, will ich noch 
kurz erwähnen, dafs die Schizonten bei sehr ungünstigen Lebensbedingungen 
in den Cystenzustand übergehen können. Mit der Fortpflanzung ist dieser 
Vorgang nicht in Beziehung zu bringen. Ich habe ihn nur selten beobachtet, 
in Aquarien scheint er überhaupt nicht vorzukommen, nur im Meere fand 
ich einige Male die Cysten an Stellen, die bei der Ebbe trocken gelegt waren. 
Bei der Encystirung werden aus dem Weichkörper alle Fremdkörper heraus- 
befördert. Das Plasma contrahirt sich zu einem Klümpchen , das innerhalb 
der Gallerthülle sich mit einer dünnen Cystenhaut umgibt. Mit der Ver- 
dichtung des Weichkörpers geht das Auftreten zahlreicher, stark lichtbre- 
chender Körnchen im Plasma Hand in Hand. Bei der fertigen Cyste er- 
füllen sie das Plasma vollständig (Fig. 9 Taf. IV). Sie dürften als dotter- 
artige Reservestoflfe gedeutet werden, wie sie sich bei der Encystirung der 
Protozoen fast stets finden. Die Kerne sind ebenso wie das Plasma sehr 
compact und stark färbbar (Fig. 9, 10 Taf IV). Leider standen mir nur we- 
nige Cysten zur Verfiigung, und konnte ich daher keine ausgedehnteren Be- 
obachtungen über dieselben machen. Ich brachte zwei Cysten isolirt in 
eine Krystallisirschale mit reinem Meerwasser. Aus der einen hatte sich 
nach fünf Tagen ein gewöhnlicher, normaler Schizont entwickelt, der die 



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20 F. Schaüdinn: 

Gallertholle wieder vollständig ausffiUte. Statt der sonst reichlich vorhan- 
denen Inhaltsgebilde des Weichkörpers war derselbe mit grofsen Flüssig- 
keitsvacuolen durchsetzt. Die andere Cyste entwickelte sich nicht, sondern 
gieng scliliefslich zu Grunde. Meine Versuche , durch Verdunstenlassen des 
Meerwassers die Trichosphaerien in den Aquarien zur Encystirung zu zwin- 
gen, gelangen nicht. Die Thiere vertragen eine aufserordentliche Steige- 
rung des Salzgehaltes; selbst wenn bis zu einem Viertel die Flüssigkeit in 
den Culturgefäfsen verdunstet war, lebten die meisten Individuen noch, beim 
weiteren Verdunsten giengen aber schliefSslich stets alle zu Grunde, anstatt 
sich zu encystiren. 

2. Die Schizogonie. Gruber (83) beschreibt am Schlüsse seiner 
l'richosphaerium- Arbeit einen Rhizopoden, der in allen Punkten mit Tricho- 
sphaerium übereinstimmt; nur der Umstand, dafs die Stäbchen auf der Hülle 
fehlen, läfst ihn von diesem unterscheiden. Er fand diesen Organismus in 
seinen Aquarien mit den gewöhnlichen Trichosphaerien vermischt vor und 
sprach bereits die Vermuthung aus, dafs es nur ein anderer Zustand von 
Trichosphaeriurn wäre. 

Auch in meinen Culturgläsern fanden sich stets stäbchenlose Indivi- 
duen in beträchtlicher Anzahl neben den Stäbchenfuhrenden vor. Bald über- 
wog die eine, bald die andere Art an Zahl. Um nun den Zusammenhang 
der beiden Formen kennen zu lernen , fieng ich zuerst die stäbchenbesetzten 
Individuen in grofsen Mengen aus den Aquarien heraus und isolirte sie in 
einer an Nahrung reichen Glasschale ; schon nach zwei Wochen konnte ich 
die nackten Formen auftreten sehen. Um die Thiere unter den Augen zu 
behalten, isolirte ich wenige stäbchenfiihrende in einem gut mit Diatomeen 
besetzten Mikro- Aquarium und controlirte nun die an Zahl bekannten Indi- 
viduen täglich. Da fand ich eines Tages zu meiner grofsen Überraschung 
an der Stelle, wo Tags zuvor ein Individuum noch gesessen hatte, einen 
groilsen Haufen winziger, kugeliger Amoeben, die zum Theil schon Pseudo- 
podien ausstreckten, die vollständig den Charakter der Trichosphaeriurn' 
Scheinfafschen besafsen. Nach kurzer Zeit konnte man auch auf der Ober- 
fläche des Weichkörpers eine feine Hülle unterscheiden, kurz, es war klar, 
dafs es die jüngsten Stadien der stäbchenlosen Form waren. Lange Zeit 
habe ich mich aber vergeblich bemüht, die Schizogonie direct zu beob- 
achten, bis ich auf den Gedanken kam, die Thiere auch Nachts zu unter- 
suchen. Und in der That stellte es sich heraus, dafs diese Art der Fort- 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 21 

Pflanzung, wie die Vermehrung verschiedener anderer von mir untersuchter 
Protozoen, nur während der Nacht stattfindet. Seit dieser Entdeckung habe 
ich dann den ganzen Theilungsvorgang wiederliolt beobachten können. Kr 
begann gewöhnlich erst gegen Mitternacht, bisweilen nocJi später; voui 
Eintritt der Dunkellieit bis zu dieser Zeit finden die Vorbereitungen zur 
Theilung statt. Die letzteren bestehen in einer Reinigung des Plasmas von 
allen Fremdkörpern. Kern Veränderungen finden nicht statt; das Plasma 
selbst wird gröber vacuolisirt, als während des vegetativen Zustands. Das 
vielkernige Individuum zerfällt in so viele kugelige Theilstücke, als Kerne 
vorhanden sind; jedes Tochterthier ist also einkernig, wie man auf dem 
in Fig. 9 Taf.II gezeichneten Schnitt durch einen in Schizogonie begriffenen 
Schizonten erkennt. Der Vorgang erinnert sehr an die sogenannte Em- 
bryonenbildung, welche ich (1893 u. s. w.) bei Foraminiferen beobachtet 
habe, doch ist es schwierig, den Beginn der Theilung, die außerordent- 
lich langsam vor sich geht, zu beschreiben. Der Procefs spielt sich nicht 
etwa nach Art der P'urchung ab, indem der Weichkörper erst in zwei, 
dann in vier u. s. w. Theilstücke zerßlllt. Ganz unmerklich wird der Weich- 
körper unter der GallerthuUe buckelig und höckerig. Die letztere wird offen- 
bar am Ende des vegetativen Lebens zäher und folgt nicht mehr den Ge- 
staltveränderungen des Plasmas. Die einzelnen Plasmabuckel erheben sich 
immer mehr, und schliefslich löst sich bald hier, bald da einer von dem 
benachbarten als Kugel ab, bis der ganze Inhalt der Hülle in die kugeligen 
Sporogone aufgetheilt ist; ein Rest bleibt nicht übrig. Ebenso langsam, 
wie sich der Weichkör.per gespalten hat, trennen sich auch die jungen 
Sprößlinge von einander. Fig. 7 und 8 Taf. II stellen zwei ohne weiteres 
verständliche Stadien der Auswanderung der Sporogone dar. Die Gallerthülle 
der Mutter wird hierbei vollständig zerstört, weil sie nach allen Richtungen 
zugleich aus einander gehen ; die Stäbchen der Hülle werden , zu kleineren 
und größeren Packeten verklebt, überall hin verstreut. Die jungen Sporo- 
gone bilden gleich nach dem Auswandern die charakteristischen, tastenden 
Pseudopodien und scheiden nach kurzer Zeit eine zarte Gallerthülle ab, 
die von den Scheinfußchen anfangs einfach durchbrochen wird; erst später 
beim weiteren Wachsthum werden persistirende Öffnungen in der Hülle 
differencirt. Die mehrere Tage einkernigen Sporogone entwickeln sich so- 
mit zu Sporonten, indem sich der Kern erst in zwei, dann die beiden Tochter- 
keme gleichzeitig wieder in je zwei theilen u. s. w. Bei diesen jungen 



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22 F. Schaudinn: 

Sporonten kann man die Kerne recht gut im Leben erkennen , wie z. B. 
Fig. lo Taf. II (ein aclitkemiges Individuum) demonstriren kann. Fig. 1 1 
zeigt schon einen fertigen Sporonten mit dunkeln Inhaltsgebilden (Sterko- 
men). Stäbchenfuhrende Formen bilden also durch Schizogonie die stäbchen- 
losen, welche ich, solange sie noch einkernig sind, Sporogone, vom Mo- 
ment der Kernvermehrung ab Sporonten genannt habe. 

3. Die Sporonten. Bezüglich dieser Formen kann ich mich kurz 
fassen. In der Ernährung, Bewegung und den Kern Verhältnissen stimmen 
sie vollkommen mit den Schizonten überein. In derselben Weise kann auch 
hier während der vegetativen Periode durch Einschiebung der reproductiven 
Tliätigkeit die Zahl der Individuen vermehrt werden. Die Zwei- und Viel- 
theilung dieser vegetativen Vermehrung unterscheidet sich nicht von den 
vorher geschilderten Vorgängen bei der entsprechenden »Vervielfältigung« 
der Schizonten. Wie wir bei den Schizonten gesehen haben , können die- 
selben sich encystiren. Bei den Sporonten habe ich diefs nie geftmden. 
Dafür besitzen sie aber eine andere Fähigkeit, welche die Schizonten nicht 
aufweisen, sie können sich nämlich zu grofsen Verschmelzungsproducten 
plastogamisch vereinigen. Bis zu zehn Individuen habe ich so vereinigt ge- 
sehen, und können diese Syncytien eine Ausdehnung von y^ erreichen. 
Fig. 2 Taf. III zeigt eine solche Gruppe plastogamisch verbundener Indi- 
viduen; bei einigen derselben sind die trennenden Gallerthüllen noch er- 
halten, bei anderen communicirt schon das Plasma mit dem des benach- 
barten, nachdem die Gallerthülle an der Berührungsstelle gelöst ist; unten 
links macht sich zwischen zwei Thieren noch eine feine Grenzlinie bemerk- 
bar, während die Hülle bereits verschwunden ist. Das Plasma bleibt inner- 
halb der Syncytien individuell gesondert und wird nicht durch Strömungen 
in dem Verbände durch einander gerührt. Hiervon kann man sich leicht 
durch die Conservirung und Färbung der Thiere überzeugen. Man bemerkt 
dann, dafs die äufserlich nicht mehr zu sondernden Individuen durch ihre 
Kemverhältnisse scharf zu trennen sind. In einem Individuum sind stets 
alle Kerne im gleichen Stadium , und kann man durch Auffindung verschie- 
dener Stadien die Grenze zwischen zwei Individuen recht scharf ziehen, 
besonders leicht, wenn eines der verschmolzenen Thiere in Kern Vermehrung 
begriffen ist, während das benachbarte ruhende Kerne besitzt, wie Fig. 2 
Taf.V es ohne weiteres zeigt. In dem unteren Individuum sind alle Kerne 
im Stadium der Aequatorialplatte. 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 23 

4. Die Sporogonie. Die Beobachtung der Sporenbildung bot nach 
meinen Erfahrungen an Hyalopus und den Foraminiferen keine groilsen 
Schwierigkeiten, am leichtesten und häufigsten habe ich sie im Mikro-Aqua- 
rium beobachten können, sie findet in beliebiger Tages- oder Nachtzeit im 
Gegensatz zur Schizogonie statt. Die ersten Anzeichen, dafs ein Sporont 
sich zur Sporenbildung anschickt, äufsern sich in der Einziehung der Pseu- 
dopodien und in einer Reinigung des Plasmas von allen Fremdkörpern. 
Während dieses Processes wird der Weichkörper allmählich immer gröber 
vacuolisirt und treten in ihm kleine, stark lichtbrechende Körnchen in 
grofser Menge auf. Auf diesem Stadium befindet sich der in Fig. 3 Taf. III 
abgebildete Sporont. Durch Conservirung solcher Stadien überzeugt man 
sich, dafs eine lebhafte Vermehrung der Kerne stattfindet, die hierbei im- 
mer kleiner werden (Fig. 3 Taf. V) und schliefslich in ungemein grofser Zahl 
den Weichkörper erfüllen. Wie Fig. 4 Taf. V, welche ein Individuum im- 
mittelbar vor der Sporulation zeigt, lehrt, sind die Kerne in einschichti- 
ger Lage um die einzelnen Vacuolen radiär angeordnet, ein aufserordent- 
lich merkwürdiges Bild far ein Protozoon, es erinnert lebhaft an manche 
Metazoengewebe. Der ganze Weichkörper zerfallt nun in zahlreiche gröfsere 
Kugeln, die dann erst in die Sporen sich auflösen (Fig. 4 Taf. III), welche, 
mit zwei Geifseln versehen, lebhafte drehende und kugelnde, ziemlich un- 
geschickte Bewegungen ausführen und schliefslich nach Durchbruch der 
Gallerthülle ausschwärmen (Fig. 5 Taf III). Wie die genauere Untersuchung 
lehrt, sind die kugeligen Körper, in welclie der Weichkörper zunächst zer- 
föUt, blastulaähnliche Hohlkugeln (Fig. 5 Taf.V). Die Entstehung der Ku- 
geln aus dem in Fig. 4 Taf V gezeichneten Stadium ist ohne weiteres ver- 
ständlich. Die Geifseln der Sporen werden innerhalb der Hohlkugeln 
gebildet (Fig. 5 Taf. V) ; durch ihre lebhaften Bewegungen werden die ein- 
zelnen die Wand bildenden Sporogone schlieJfelich aus einander getrieben. 

Die fertigen Scliwärmsporen (Fig. 6 Taf. III und Taf.V) besitzen kugelige 
oder ovale Gestalt imd sind ziemlich grofs (bis 8/i Durchmesser). Das 
ziemlich stark lichtbrechende Plasma enthält den Kern, eine Anzahl glän- 
zender Körnchen und stets eine gröfsere Vacuole, an der aber keine Pul- 
sationen wahrzunehmen sind* An dem bei der Bewegung nach hinten ge- 
richteten Ende, das häufig in eine kleine Spitze ausgezogen ist, befinden sich 
zwei gleich lange Geil'seln. Die ganze Gestalt und auch der Bau der Spore 
(»rinnert sehr an die Schwärmer, welche ich bei Hyahpu^ beobachtet habe. 



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24 F. Schaudinn: 

Die Schwärmsporen verschiedener Sporonten zeigten niemals besondere 
Verschiedenheit in der Gröfse oder im Bau der Kerne, es werden bei Tric/u)' 
sphaerium nur Isosporen gebildet. Die Sporen , die nicht zur Copulation ge- 
langen, gehen bald zu Gininde, was meistens der Fall ist, weil niemals 
die aus demselben Individuum stammenden Sporen copuliren und man zwei 
gleichzeitig sporulirende Sporonten selten dicht neben einander findet. 

5. Die Copulation. Dafs die Schizonten aus den Sporen entstun- 
den, war mir schon am Anfang meiner hierauf bezüglichen Beobachtungen 
wahrscheinlich, weil ich junge Schizonten auf der Deckglas -Sporen falle, 
die ich früher (S.9) beschrieben habe, fand. Doch gelang es mir nur 
durch einen glücklichen Zufall, die zwischen diesen beiden Stadien sich ab- 
spielenden Vorgänge kennen zu lernen. 

In einem meiner CulturgeiUIse befanden sich zahlreiche grofse Sipho- 
neen. Mit Vorliebe frafsen sich die Trichosphaerien in da« Innere dieser 
Pflanzenschläuche hinein und vermehrten sich sehr lebhaft unter den gün- 
stigsten Lebensbedingungen, so dafs sie zu einer epidemischen Krankheit 
wurden, an der die Siphoneen schliefslich sämmtlich zu Grunde giengen. Für 
die Beobachtung waren diese mit Trichosphaerien erfallten Algenschläuche 
sehr günstige Objecte, gewissermafsen natürliche Mikro- Aquarien. 

Durch Zufall fanden sich nun in einem dieser Schläuche, gerade wäh- 
rend der Untersuchung, zwei dicht bei einander liegende Sporonten zu- 
gleich in den Vorbereitungsstadien zur Sporogonie, und konnte ich bei den- 
selben sehr leicht die Copulation der Schwärmer und die Weiterentwicke- 
lung der Copulae direct verfolgen. Diefs gelang mir auf ähnliche Weise 
noch öfters, und konnte icli aucli die einzelnen Stadien conserviren. Der 
ganze Procefs von dem Beginn der Verschmelzung bis zur vollendeten Ka- 
ryogamie dauert ungefähr sechs Stunden. Nach weiteren zwölf Stunden 
beginnt bereits die Ausbildung der Schizontenhülle. 

Fig. 7-12 Taf. III zeigt die Stadien der Copulation nach dem Leben, 
Fig. 7-9 Taf.V nach Praeparaten. 

Die Schwärmsporen versclimelzen mit den Vorderenden, wobei diesel- 
ben bei Annäherung der beiden Schwärmer häufig in Spitzen ausgezogen 
sind (Fig. 7 Taf. III und V). Interessant zu beobachten ist es häufig, dafs 
die Sporen vor dem Versclimelzen gewissermafsen mit einander zu spielen 
scheinen; sie näliern sicli, stofsen an einander, stofsen sich wieder ab. 
drehen sich melirmals um einander, um dann erst zusammenzukleben. In 



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Generationswechsel wn Trichosphaerhim sieboldi Sehn. 25 

anderen Fällen konnte ich allerdings auch beobachten, dafs zwei Sporen 
von entgegengesetzten Seiten mit beschleunigter (Tesehwindigkeit direct auf 
einander zu kugelten und sofort verklebt waren. Nachdem die vereinigten 
Sporen kurze Zeit ungeschickt umhergerollt sind, werden die schlängeln- 
den Bewegungen ihrer Geifseln langsamer, bis dieselben plötzlich abge- 
brochen werden ; fast gleichzeitig lösen sich alle vier Geifseln von der Co- 
pula, fahren noch einige Bewegungen aus imd zerfallen dann in eine 
Körnchenreihe. In der Copula sind die Kerne auch im Leben recht gut 
zu erkennen. Dieselben nähern sich beim weiteren Fortschreiten der Ver- 
schmelzung, legen sich schliefslich an einander und verschmelzen vollstän- 
dig (Fig. IO-I2 Taf. III, Fig. 8-9 Taf. V). Irgend eine Andeutung, dafs auf 
diesen Stadien eine Reduction des Ghromatins durch Ausstoßung von Re- 
ductionskörpern , wie bei den Heliozoen, stattfindet, konnte ich nicht be- 
merken. Da man die Kerne sehr deutlich auch am lebenden Thier sieht, 
kann nicht gut ein derartiger Vorgang der Beobaclitung entgangen sein. 
Obwohl ich selbst davon überzeugt bin, dafs auf irgend einem Stadium 
der Entwickelung eine Chromatin reduction stattfinden wird, konnte ich lei- 
der trotz sorgf&ltiger Untersuchung niemals auch nur irgend eine Kernver- 
änderung entdecken, welche eine Andeutung fär eine Reductionstheilung 
des Kerns bieten konnte. Der Durchmesser der Copula wird durch Auf- 
nahme von Flüssigkeit sehr vergröfsert (Fig. 9-12). 

Die Weiterentwickelung der Copula zum ausgebildeten Schizonten ist 
nun sehr einfach. Die Kernvermehrung findet in derselben Weise wie bei 
den jungen Sporonten statt (Fig. 10, 11 Taf.V). Die anfangs durchsichtige 
Gallerthülle wird schnell trübe und erscheint bei auffallendem Licht weifs- 
lich. Es treten in ihr zahlreiche glänzende Körnchen auf (Fig. 14 Taf III), 
die sich in radiären Reihen anordnen (Fig. 1 5 Taf III) und beim Dicker- 
werden der Gallerthülle zu den typischen HüUstäbchen der Schizonten ver- 
schmelzen. Hiermit sind wir beim Ausgangspunkt unserer Betrachtungen 
angelangt und ist der Zeugungskreis geschlossen. An Stelle einer Zusam- 
menfassung desselben in wenige Worte, kann ein Blick auf Tafel I densel- 
ben besser recapituliren, — Im Vorhergehenden sind die Organisations- 
eigenthümlichkeiten unseres Rhizopoden nur beiläufig erwähnt, soweit sie 
f&r die Entwickelung charakteristisch waren, im Folgenden sollen diesel- 
ben eingehender besprochen werden. 

Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 4 



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26 F. Schaudinn: 



Der feinere Bau von Tnchosphaeriuni. 
L Die HüUe. 

Wälirend des gröfsten Theiles seines Lebens ist Trichosphaerium , wie 
wir gesehen haben , mit einer Hülle allseitig umgeben. Die Verschieden- 
heiten, welche dieselbe in den einzelnen Entwickelungsstadien aufweist, 
sind bereits bei Schilderung des Zeugungskreises besprochen worden. Der 
auffallendste Unterschied zeigt« sich bei den Schizonten und Sporonten. Wäh- 
rend bei letzteren die Hülle eine einfache, doppeltconturirte Gallertschicht 
darstellt, sind bei ersteren der Oberfläche der Gallerte zahlreiche Stäbchen 
einer andersartigen Substanz eingepflanzt. Sieht man von den letzteren ab, 
so zeigen sich bezüglich der Natur der gallertigen Hüllschicht keine Unter- 
schiede bei den Sporonten und Schizonten ; sie kann daher hier för beide 
Stadien gemeinsam besprochen werden , während die Stäbchen in einem be- 
sonderen Abschnitt eingehend geschildert werden sollen. 

An unversehrten Thieren beobachtet man, dafs die Hülle überall dem 
Weichkörper dicht aufliegt und bei seinen Bewegungen folgt. Alle Buckel 
und Falten markiren sich auch an der Hülle; liieraus folgt, dafs dieselbe 
nicht fest sein kann, sondern weich und biegsam, was auch daraus her- 
vorgeht, dafs dieselbe bei der Theilung der Thiere mit durchgeschnürt wird 
und dafe bei der Nahrungsaufnahme die Nährsubstrate durch die Hülle hin- 
durchpassiren , ohne dafs sie an der betreffenden Stelle eine besondere prae- 
formirte Öffnung aufweist. Sie besitzt demnach gallertige Consistenz, wie 
diefs ja von den Hüllbildungen verschiedener Rhizopoden bereit« bekannt 
ist. So will ich nur erwähnen, dafs nach Greeff bei Amphizonella die Hülle 
von den austretenden Pseudopodien an beliebiger Stelle durchbrochen wird, 
was ich (93) auch bei der Foraminifere Myxotheca constatiren konnte. 

Dafs die Hüllschicht von Trichosphaerium nicht etwa blofs einen Theil 
des Plasmas darstellt, wie Gruber (83) anzunehmen scheint, sondern eine 
besondere Difierenzirung ist, kann man leicht nachweisen. Wenn man näm- 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 27 

lieh ein Trichosphaerium (Schizont oder Sporont) mit Säure (Salzsäure, Clirom- 
säure oder Essigsäure) behandelt, so quillt das Protoplasma stark. Die Sub- 
stanzen desselben, die coagulirt werden oder unverändert bleiben, rücken 
nach dem Centrum der Zelle, während die gelösten als breite FlOssigkeits- 
schicht sich im peripheren Theil derselben ansammeln. Die Hülle hingegen 
bleibt als deutlich doppeltconturirte Membran auf der Oberfläche erhalten 
und legt sich, wenn die Flüssigkeit aus der Zelle allmählich diffimdirt, 
in zahlreiche Falten. 

Im Leben erscheint die Hülle sehr schwach lichtbrechend, und ist es 
daher bisweilen nicht ganz leicht, ihre Conturen auf der Außenseite zu ver- 
folgen. Sehr deutlich tritt sie aber nach der Fixirung der Thiere hervor. 
Sie ist meist ganz farblos und wasserhell, und läfst sich eine feinere Struc- 
tur an ihr nicht nachweisen. Eine concentrische Schichtung, wie ich (93) 
sie bei der Gallerthülle der Myxotheca bisweilen beobachtete, konnte ich nie 
bei Trichosphaerium finden. — Die Dicke der Hülle ist sehr verschieden, 
doch ist sie im allgemeinen bei den Sporonten dünner als bei den Schi- 
zonten, obwohl es auch hiervon Ausnahmen gibt. — Wenn man bei den 
Schizonten an gehärteten Exemplaren die Stäbchen mit Säure entfernt, so 
bleibt die Gallerthülle als schwach lichtbrechende Membran zurück; wäh- 
rend ihre Conturen nach dem Weichkörper zu glatt sind, erscheint die 
äufsere Oberfläche wie mit Fransen besetzt. Diefs rührt daher, dafs die 
Stäbchen mit ihren Enden eine Strecke weit in die Gallerte eingesenkt sind; 
war nun die letztere gehärtet und wurden dann die Stä,bchen entfernt, so 
bleiben die dickeren Gallertmassen, die sich zwischen den Stäbchen befan- 
den , als Pfeiler oder regelmäfsige Fortsätze zurück , während die dünneren 
Partien bei der Auflösung der Stäbchen zu Grunde gehen (Fig. 2, 3 Taf IV). 
Davon, dafs die Stäbchen nicht der äufseren Oberfläche der Hülle aufsitzen, 
sondern in dieselbe eingesenkt sind, überzeugt man sich auch leicht an 
Schnitten. Doch zeigt es sich dann auch, wie auiiserordentlich variabel 
nicht nur die Dicke der Gallertschicht, sondern auch der Grad der Ein- 
senkung der Stäbchen ist. Im allgemeinen scheinen nach zahlreichen 
Messungen die Stäbchen bei dickeren Hüllen tiefer eingesenkt zu sein als 
bei dünnen. 

Die dickste Hülle, welche ich bei Schizonten beobachtet habe, mafs 
23/u, bei Sporonten nur i6/i; die dünnste bei Schizonten 4/i, bei Sporonten 
i--2/i. Zwischen diesen Extremen finden sich alle Übergänge. Natürlich 



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28 F. Schaudinn: 

handelt es sich hierbei immer nur um ausgebildete vegetative Stadien , nicht 
um Entwickelungszustände. 

Das Verhalten der Gallerthülle gegen Farbstoffe ist sehr verschieden. 
Am stärksten läfst sie sich mit Eosin tingiren. Bei Doppelfärbung mit 
Eosin -Haematoxylin erscheint sie meist lebhaft roth. Gegen Haematoxylin 
allein verhalten sich die Hüllen sehr verschieden, doch sind dieselben bei 
jüngeren Individuen leichter zu färben als bei alten. Aufserdem scheint 
auch ein Unterschied nach dem Grad der Dicke vorzuliegen; nämlich dickere 
Hüllen sind im allgemeinen leichter färbbar als dünne, was vielleicht ebenso 
wie bei den jungen Individuen durch einen gröfseren Gehalt an protoplas- 
matischen Stoffen bedingt ist. Frisch vom Plasma gebildete Hüllen sind 
noch succulenter und reicher an färbbaren Eiweüsstoffen als alte, und 
da die dickeren Hüllen im Alter dünner werden, wie bereits früher er- 
wähnt wurde, scheint sich hieraus die stärkere Färbbarkeit der ersteren 
zu erklären. 

Behandelt man die Thiere nach Vorfärbung mit Haematoxylin mit 
Pikrinsäure, so färbt sich die Hülle stark gelb, während das Plasma den 
blauen Ton beibehält; ebenso wird mit Pikrokarmin die Gallerte gelblich 
tingirt. 

Im Biondi 'sehen Gemisch wird die Hülle bläulichgrün (Methylgrün), 
während das Plasma roth gefärbt erscheint. 

Bei meiner Doppelfärbung (Methylenblau -Brasilin) wird das Plasma roth, 
die Hülle blau. 

Mit Orcein, einem in der pathologischen Histologie gebräuchlichen 
Farbstoff, der als Reagens für gallertige CoUoidsubstanzen angewandt wird, 
blieb die Hülle meist ganz farblos. 

Über die chemische Natur der Gallerthülle kann ich nur wenige Mit- 
theilungen machen, und zeigt sich hierbei auch eine gewisse Variabilität, 
die wahrscheinlich dadurch bedingt ist, dafs die Hülle in verschiedenen 
Stadien verschieden reich an protoplasmatischen Bestandtheilen ist. 

Im allgemeinen sind junge und eben abgeschiedene Hüllen noch leichter 
lösbar in Säuren und Alkalien als alte. Die nachfolgenden Angaben gelten 
daher nur für vollkommen ausgebildete Hüllen erwachsener Individuen. In 
schwacher oder concentrirter Essigsäure bemerkt man keine Veränderung 
der Hülle. (Nur die jungen Hüllen der Schizogone und Sporogone quellen 
stark und lösen sich dann auf.) 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 29 

In kalter, concentrirter H,SO^ löst sich die Hülle erst nach mehreren Stun- 
den, etwas schneller, wenn die Säure sich in Paraffinofenwärme befindet. 
Schnell erfolgt die Auflösung iu kochender Schwefel- sowie Salzsäure. 

Stark verdünnte Kalilauge macht keine merkbare Veränderung an der 
Hülle. Erst in stark concentrirter Kalilauge wurde dieselbe allmählich ge- 
löst, in der Wärme schneller. Durch die Löslichkeit in KHO unterscheidet 
sich die Gallerthülle von Trichosphaerium von der, welche ich (93) bei Myxo- 
theca beschrieben habe. Es scheint demnach nicht eine chitinähnliche, son- 
dern eine dem Hornstoff nahestehende Substanz zu sein, welche die gal- 
lertige Hüllschicht von Trichospfiaerium bildet. Und jedenfalls ist dieselbe 
reichlich mit EiweilsstoflFen durchtränkt, worauf aufser ihrer weichen Con- 
sistenz auch das Verhalten gegen Farbstoffe hinweist. 



a. Die Pseudopodienöffnungen der Hülle. 

Schneider (78) und Gruber (83) haben schon erkannt, dafs die Hüllen 
von Trichosphaerium persistente Öffnungen fiir den Durchtritt der Pseudo- 
podien besitzen, doch haben sie dieselben nicht eingehender untersucht. 
Die beste Schilderung derselben gibt von den bisherigen Beobachtern des 
Trichosphaerium Möbius (89). »Die Hautschicht .. (unsere Hülle) .. zeigt 
doppelte Begrenzung und sendet röhrenförmige Fortsätze nach aufsen, wel- 
che sich mitten in ihrer Länge so verengen, dafs sie sowohl innen wie aufsen 
trichterförmig erweitert erscheinen. Die Verengung erscheint als ein kleiner 
Porus in der Mitte des gröfseren , wenn man die Hülle von oben betrachtet. « 

Wenn man zahlreiche verschiedene Individuen von Trichosphaerium un- 
tersucht, überzeugt man sich bald, dafs die Pseudopodienöffnungen ebenso 
variable Bildungen sind, wie die Hülle selbst. 

Im einfachsten Fall sind es nur kreisrunde Durchbrechungen der Hülle 
ohne besondere Differenzirung. Bei ganz jungen Schizonten und Sporonten, 
deren Gallerthülle eben erst abgeschieden ist, konnte ich überhaupt keine 
persistirenden Öffnungen beobachten, vielmehr durchbrachen die Pseudopo- 
dien einfach die Hülle, die sich, wenn die ersteren zurückgezogen wurden, 
wieder schlofs. 

Beim weiteren Wachsthum werden dann besonders differenzirte Mün- 
dungen gebildet, indem sich der Rand der Poren verdickt. Die Substanz 
der Hülle nimmt hier eine andere Beschaffenheit an , indem sie stärker licht- 



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30 F. ScH audinn: 

brechend wird und meist etwas gelbliche Färbung erhält. Ein solcher Porus 
mit einfacher Ründverdickung ist in Fig. 4 Taf. IV abgebildet. Bei der Be- 
trachtung von oben erscheint er als stark lichtbrechender Ring(Fig.5 Taf. IV), 
der die ÖflFnung umschliefet. Eine weitere Diflferenzirung besteht darin, 
dafs die verdickten Ränder zitzenartig vorgezogen werden. Auf diesem Sta- 
dium bleiben die Mündungen fast stets bei den Sporonten (vergl die Figuren 
der Tafel II) , während sie bei den Schizonten häufig eine noch weitere Com- 
plication durch Ausstülpung des Mündungsrandes erreichen. Au&erdem 
weichen bei dieser Generation die Öffnungen dadurch ab , dafs ihre Ränder 
aus einer anderen Substanz gebildet sind, welche sich mit Haematoxylin 
stark färbt. Besser als eine lange Beschreibung kann ein Blick auf Fig. 6 
Taf. IV die Beschaffenheit dieser Poren erläutern. Dieselbe stellt einen Längs- 
schnitt durch eine Schizontenmündung dar. Die mit Haematoxylin farb- 
bare Substanz ist stets scharf gegen die ungefärbte abgesetzt. 

Häufig sind die verdickten, vorgestülpten Ränder auf ihrer äufseren 
Oberfläche mit regelmäfeigen Falten oder besser Einziehungen versehen , wie 
Fig. 7 Taf. IV es zeigt. Bei der Betrachtung von der Oberfläche erscheint 
eine solche Mündung von stark gefärbten concentrischen Ringen umgeben 
(Fig. 8). Wenn die Pseudopodien nicht ausgestreckt sind , liegen die Mün- 
dungsränder stets dicht an einander, und kann man beobachten, dafs, wenn 
die ausgestreckten Pseudopodien eingezogen werden, die vorher klaffende 
Mündung sich sofort schliefet. Diese Beobachtungen machen es wahrschein- 
lich, dafs die starke Verdickung und Differenzirung der Mündungsränder 
im wesentlichen dazu dient, einen elastischen, automatisch wirkenden Ver- 
schlufeapparat herzustellen , welcher die Mündung nach Rückflufs des Pseu- 
dopodienplasma« sofort verschliefst. — Einen ähnlichen Mündungsapparat 
habe ich bisher bei Rhizopoden noch nicht beschrieben gefunden. Eine 
besondere Differenzirung der Mündung hat aber Bütschli (92) auch bei Hya- 
lopus beobachtet, und kann ich seine Angaben vollkommen bestätigen. Er sagt : 
»Bei dieser Form nimmt die Mündungsregion eine etwas verschiedene Be- 
schaffenheit an, je nachdem das Plasma reichlich aus der Mündung her- 
vortritt oder sich ganz in die Schale zurückgezogen hat. Im ersteren Fall 
springt sie zitzenartig vor, im anderen hingegen, wo auch die Mündung 
gewöhnlich sehr verengt bis nahezu geschlossen erscheint, ist der zitzen- 
artige Vorsprung ganz niedrig und abgeflacht. Die ziemlich dicke Schalen- 
haut erscheint auf dem optischen Längsschnitt fein radiär gestreifl. Am 



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Generationswechsel von Trickosphcierium sieboldi Sehn. 31 

vorderen Pol, gegen die Mündung zu, wird sie allmählich starker, um an 
der Mündung selbst eine beträchtliche Dicke zu erreichen. Bis in eine ge- 
wisse Entfernung von der Mündung bewahrt die Schale die radiär gestreifte 
Beschaffenheit auf dem Durchschnitt. Der dickste Theil ihrer Mündungs- 
partie ist dagegen anders beschaffen; er erscheint auf dem Durchschnitt 
fein granulirt und setzt sich mit scharfer, meist etwas geschwungener Linie 
gegen den angrenzenden gestreiften Theil ab.« Diese Differenzirung ist 
mit der blau färbbaren Partie im Mündungsrand des Trichosphaerium zu 
vergleichen. In ähnlicher Weise wie hier, wird auch bei Hyalopus die Mün- 
dungszitze von dem granulirten Theil und dem anschliefsenden dicken, ge- 
streiften Theil der Schale gebildet, welche beim Andrängen des Plasmas 
und bei der Erweiterung der Mündung emporgehoben und aus einander ge- 
trieben werden. Diese besondere Beschaffenheit der Mündung scheint auch 
nach Bütschli (92) hauptsächlich zum selbstthätigen Verschlufs der Mün- 
dung nach dem Einziehen der Pseudopodien zu dienen. — Schon an an- 
derer Stelle habe ich erwähnt, dafs Nahrungsmittel nicht durch die Pseu- 
dopodienöffhungen , sondern durch die Hülle hindurch aufgenommen wer- 
den. Die besondere, hier geschilderte Beschaffenheit dieser Bildungen macht 
diels ohne weiteres verständlich. 



6. Die Stäbchen der Hülle bei den Schizonten. 

Das Hauptmerkmal der Schizonten ist der Besitz von kleinen Stäb- 
chen oder Borsten auf der Oberfläche der Gallerthülle. Sie verleihen den 
Thieren bei durchfallendem Licht ein sehr dunkles Aussehen, während bei 
auffallendem Licht die Organismen weifs erscheinen und daher auch mit 
blofsem Auge leicht von den Sporonten zu untei-scheiden sind. 

Dafs die Stäbchen nicht der Oberfläche des Plasmas direct eingepflanzt 
sind, sondern einer besonderen Hüllschicht, einer »Haut«, aufsitzen, hatte 
schon Schneider (78) erkannt, und alle bisherigen Beobachter haben diefe 
bestätigt.. In welcher Art sie aber dort befestigt sind, hat bisher Keiner 
eruirt. Schneider hielt sie, wenn ich seine Angaben richtig verstehe, 
wohl für directe Fortsätze der »Haut« und nannte sie Borsten. 

Dafs diese Bildungen nicht etwa vom Thier angesammelte und zu- 
sammengefiigte Fremdkörper, sondern vom Weichkörper producirt sind, 
haben alle Beobachter übereinstimmend angenommen. 



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32 F. Schaudinn: 

Bei unversehrten, vollständig ausgebildeten Individuen stehen die Stäb- 
chen dicht neben einander, ungefRhr senkrecht zur Oberfläche. Bei mittlerer 
Vergröfserung erscheinen sie alle gerade, annähernd gleich lang und dick. 
Verwendet man starke Vergröfserungen , so zeigt es sich aber, dafs sie etwas 
variabel sind. Nicht nur bei verschiedenen, sondern auch bei demselben 
Individuum ist ihre Länge und Dicke nicht constant, so dafe sich ein be- 
stimmtes Mafe für dieselben schwer angeben läfst. Die grö&ten, welche 
ich überhaupt beobachtet habe, besafsen bei einer Länge von etwa 20/LC 
eine Dicke von 3/u; die kleinsten waren etwa 6/lc lang und i/i dick. Ihre 
Oberfläche ist in den meisten Fällen glatt, und erscheinen ihre Conturen 
dann parallel; bisweilen sind sie aber auch mit kleinen Höckern und Aus- 
buchtungen versehen , und ihre Hauptaxe ist nicht immer gerade , sondern 
in einzelnen Fällen unregelmäfsig nach verschiedenen Richtungen gekrümmt ; 
selbst hakenförmig gebogene habe ich gefiuiden. An isolirteu Stäbchen be- 
merkt man, dafs die Enden oft abgerundet, bisweilen aber auch zugespitzt 
oder andererseits etwas knopfartig verdickt sind. Im Querschnitt erscheinen 
sie meistens drehrund, aber auch elliptische und ganz unregelmäfsig ge- 
staltete Durchschnitte kommen vor. Möbius (89) gibt bei seiner Form 
an, dafs die Stäbchen Nebenaxen von ungleicher Länge besitzen, es sind 
Prismen mit scharfen Kanten. Derartige Stäbchen habe ich in seltenen 
Fällen auch gefunden. Bei Anwendung stärkster Vergröfserungen erscheinen 
manche vollkommen structurlos, bei den meisten erkennt man aber eine 
deutliche Querstreifung und bisweilen sogar eine Gliederung in kleine, etwas 
abgerundete Segmente (Fig. 1 1 Taf. 4). 

Optisches Verhalten: Bei durchfallendem Licht erscheinen die Stäb- 
chen bei schwächerer Vergröfserung farblos, mit starken Systemen macht 
sich ein schwacher, grüngelblicher Schimmer bemerkbar. Sie sind sehr 
scharf und dunkel conturirt. Bei auffallendem Licht glänzen sie stark und 
sind opak. Ihr Lichtbrechungsvermögen ist sehr bedeutend ; in Canadabalsam 
sind sie deutlich erkennbar und scharf conturirt. Ihr Brechungsindex mufe 
demnach mehr als 1.535 betragen. Was sie besonders charakterisirt, ist 
der Umstand, dafs sie im polarisirten Licht deutlich doppeltbrechend er- 
scheinen. 

Chemische Natur. Die bisherigen Angaben über die chemische Natur 
der TVicÄOÄpAamwm- Stäbchen sind nur sehr unvollständig. Schneider(78) 
gibt an , dafs sie in Kalilauge unverändert bleiben , aber in Essigsäure 



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Generaäonsweclisel von Trichosphaerium sieboldi Sehn, 33 

und Salzsäure selbst bei starker Verdünnung ohne Gasentwiekelung löslich 
sind. Gruber (83) fiigt diesen Angaben hinzu, dafs sie auch in Chromsäure 
sich lösen, hingegen in Überosmiumsäure vollkommen unverändert bleiben. 
Möbius (89) gibt bei seiner Form an, dafs sich die Stäbchen mit Jod nicht 
färben, in Osmiumsäure aber bräunen; in 10 procentiger Essigsäure wur- 
den die Kanten derselben undeutlich , und es blieben blasse Fasern zurück. 
Hieraus und aus der Bräunung mittels Osmiumsäure schliefst dieser For- 
scher, dafs sie aus organischer Substanz bestehen. 

1. Verhalten bei Glühhitze, In der Glühhitze bleiben die Stäbchen von 7W- 
^hosphaerium unverändert. Zu Anfang setzte ich die Trichosphaerien, welche 
vorher mit absolutem Alkohol getödtet und getrocknet waren, auf einem Deck- 
glase der Glühhitze über einem Bunsenbrenner aus. Nach kurzer Zeit waren 
die Stäbchen in das Glas eingeschmolzen und lieferten so geeignete Prae- 
parate, konnten aber nicht bis zur Weifsgluth erhitzt werden. Um diefs zu 
erreichen, brachte ich sie auf ein Platinspatel und setzte sie so der Hitze 
aus, konnte aber l^eine Veränderung an ihnen wahrnehmen. Bei diesem 
Verfahren blieben nur die Stäbchen als sichtbarer Rest vom ganzen Orga- 
nismus übrig, alle organische Substanz war bis auf kleine Aschenreste ver- 
brannt. Rein organischer Natur, wie Möbius annimmt, konnten hiernach 
bei meiner Form die Stäbchen nicht sein. 

2. Verhalten zu Lösungsmitteln, Die nachfolgenden Ergebnisse wurden, 
wo es nicht besonders erwähnt ist, an ganzen Trichosphaerien erhalten, weil 
die isolirten Stäbchen wegen ihrer Kleinheit die Manipulationen sehr er- 
schweren. 

a. Destillirtes Wasser. Bringt man lebende Trichosphaerien in eine Uli r- 
schale mit ungekochtem destillirten Wasser, so lösen sich die Stäbchen zwar 
nicht sofort, aber doch in kurzer Zeit (etwa 20-30 Minuten) auf. In lau- 
warmem Wasser erfolgt die Auflösung noch etwas schneller. Wenn hin- 
gegen die lebenden Thiere in siedendes Wasser gebracht wurden, konnte 
ich nach einhalbstündiger Beobachtung noch keine Veränderung der Stäb- 
chen wahrnehmen; sie waren vielmehr erst nach etwa drei Stunden gelöst. 
Fixirt man die Trichosphaerien, bevor man sie in das destillirte Wasser 
bringt, mit absolutem Alkohol, so erfolgt die Lösung der Stäbchen erst 
nach etwa einer Stunde. Entfernt man aus dem Wasser die Kohlensäure 
durch Kochen, so werden bei lebend hineingebrachten Thieren die Stäb- 
chen in etwa zwei Stunden gelöst; bei Individuen, die vorher mit Alko- 
Phi/s, Ahh. nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899, L 5 



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34 F. Schaüdinn: 

hol absolutus getödtet waren , blieben sie aber fönf Stunden unverändert. 
Es sei erwähnt, dafs die Trichosphaerien in Uhrschalen mit Überschufs von 
Wasser behandelt wurden. 

Isolirte Stäbchen blieben in gekochtem destillirten Wasser unter dem 
Üeckglase mehrere Stunden unverändert. 

Aus diesen Versuchen folgt, dafs die Stäbchen in reinem destillirten 
Wasser unlöslich (im üblichen Sinne) sind; fast unlöslich, wenn der Weich- 
körper vorhanden, aber durch Alkohol oder Hitze coagulirt war, leichter 
löslich, wenn der Weichkörper erst im Wasser abstarb (wohl in Folge che- 
mischer Umsetzungen im letzteren) und noch leichter bei Anwesenheit von 
Kohlensäure. 

In Meerwasser sind die Stäbchen unlöslich, was daraus hervorgeht, 
dafs die Hüllen von abgestorbenen Individuen in einem Aquarium nach 
i^ Jahren noch ganz unverändert waren. 

b. Verhalten gegen Säuren. Schwefel-, Salpeter- und Salzsäure, con- 
centrirte wie verdünnte, lösen die Stäbchen schnell auf, und zwar, wie ich 
im Gegensatz zu den bisherigen Beobachtern angeben mufs, unter Gas- 
entwickelung. Bringt man ein mit absolutem Alkohol entwässertes Tri- 
chospJiaerium auf einen Objectträger und ftlgt, ohne es mit einem Deck- 
glase zu bedecken, einen Tropfen concentrirter Salzsäure (bez. Schwefel- 
oder Salpetersäure) hinzu, so sieht man schon mit blofsem Auge grofse 
Gasblasen von dem Thier zur Oberfläche des Tropfens aufsteigen, so dafs 
an dem Vorhandensein von Kohlensäure kein Zweifel sein kann. Indessen 
glaube ich auch die negativen Resultate der früheren Untersucher erklären 
zu können. Zu diesem Zweck habe ich die Einwirkung der Säuren auf 
die Stäbchen in verschiedenen Abstufungen der Concentration beobachtet. 
Bei minimal verdünnter Säure entwickehi sich noch grofse Gasblasen ,* doch 
bemerkt man deutlich , dafs dieselben beim Emporsteigen an die Oberfläche 
sich verkleinern. Bei etwas stärkerer Verdünnung werden zwar auch noch 
Gasblasen entwickelt, doch sind dieselben viel kleiner und zahlreicher und 
verschwinden schon beim Aufsteigen, bevor sie die Oberfläche erreichen. 
Verdünnt man die Säure Immer weiter, so bilden sich schlie&lich über^ 
haupt keine Gasblasen, sondern die Stäbchen werden, wie man bisheran- 
nahm , scheinbar ohne Gasentwickelung gelöst. Ich wiederhole, dafs diese 
Versuche auf dem offenen Objectträger oder der Uhrschale an entwässerten 
Trichosphaerien angestellt wurden. Hat man dagegen die Thiere in einen 



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Generationswechsel tx)n Trichosphaerium sieboldi Sehn. 35 

Wassertropfen gebracht und mit einem Deckglase bedeckt und setzt nun 
vom Rande einen Tropfen concentrirter Säure hinzu, so findet ebenso wenig 
eine sichtbare Gasentwickelung statt, wie bei Anwendung verdünnter Säure, 
denn bis die Säure unter dem Deckglas bis an das Object gelangt, ist sie 
ja bereits stark verdünnt. Hieraus erklären sich die negativen Resultate 
der Autoren, die ihre Reactionen unter dem Deckglas gemacht haben. Das 
verschiedene Verhalten der Stäbchen findet aber seine Erklärung dadurch, 
dafs die frei werdende Kohlensäure im Wasser gelöst wird. Man mufs hier- 
bei bedenken, dafs jedes Stäbchen von dem benachbarten durch eine Flüs- 
sigkeitsschicht getrennt ist; wenn nun diese Flüssigkeit wässerig ist, so 
wird das durch Auflösung des einzelnen Stäbchens frei werdende mini- 
male Kohlensäurequantum sofort von dem im Überschusse vorhandenen 
Wasser resorbirt. Bei Fehlen von Wasser hingegen, bei concentrirter 
Säure, haben die an den einzelnen Stäbchen entstehenden Gasbläschen 
Zeit, sich zu gröfseren Blasen zu vereinigen und so dem Auge sichtbar 
zu werden. 

Conoentrirte Essigsäure löst die Stäbchen schwer, verdünnte hin- 
gegen leicht und, wie nach den obigen Auseinandersetzungen erwartet wer- 
den konnte, ohne sichtbare Gasentwickelung. Wenn ich unter dem Deck- 
glase Trichosphaerien mit Wasser, dem eine Spur von Essigsäure zugesetzt 
war, behandelte, so gieng die Lösung der Stäbchen so langsam vor sich, 
dafs man sie mit starker Vergrößerung genauer verfolgen konnte. Die 
Stäbchen werden von aufsen her angegrilBfen , gleichsam abgeschraolzen, 
ohne dals sie ihr starkes Lichtbrechungsvermögen vor der vollständigen 
Auflösung einbüfsten; zuerst bekamen sie in ziemlich regelmäisigen Ab- 
ständen ringförmige Einschnürungen und zwar an den durch die früher 
erwähnten Querstreifen markirten Stellen; dieselben drangen allmählich 
tiefer vor, bis sie schliefslich durchschnitten, wodurch aus dem Stabchen 
eine Reihe runder oder unregelmäfsig gestalteter Körnchen gebildet war, 
die dann auch aufgelöst wurde, so dafs nichts übrig blieb. Auch bei vor- 
sichtigster Anwendung der Säuren konnte ich keinen organischen Rest mit 
Sicherheit nachweisen, obwohl das Vorhandensein einer feinen organischen 
Basis wegen der Analogie mit den Foraminiferen sehr wahrscheinlich und 
auch möglich ist. Die Art der Stäbchenauflösung ist besonders interessant, 
weil sie, wie wir früher gesehen haben, genau in umgekehrter Reihen- 
folge verläuft, wie ihre Bildung. 



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36 F. Schaüdinn: 

In Osmiumsäure sind die Stäbchen unlöslich. Eine Bräunung bei 
Behandlung mit diesem Reagens habe ich bei isolirten Stäbchen nicht be- 
obachtet. 

c. Alkalien. In Ammoniak sind die Stäbchen nicht löslich; hingegen 
löst Salmiaklösung dieselben schnell auf. In Kalilauge, concentrirter 
wie verdünnter, in kaltem wie in kochendem Zustand, sind sie unlöslich. — 
Alcohol absolutus und Aether haben keine Wirkung auf die Stäbchen, 
auch Farbstoffe werden nicht angenommen. 

Nachdem der Nachweis der Kohlensäure gelungen war, lag es nahe, 
zu prüfen, ob die Stäbchen aus kohlensaurem Kalk bestünden, weil ja 
diese Substanz bei den Rhizopoden als Hauptbestandtheil der Gehäuse sehr 
verbreitet ist. Es wurde daher die Probe auf Calcium gemacht. Bei den 
nachfolgenden Reactionen machte ich stets den Versuch zuerst mit Sub- 
stanzen von bekannter Zusammensetzung, um daran die Richtigkeit des 
Verfahrens zu prüfen. 

Als Probe zur Calciumreaction bediente ich mich eines kleinen Stück- 
chens einer Muschelschale, das kaum Stecknadelkopfgröfse erreichte. Das- 
selbe wurde in einigen Tropfen sehr verdünnter Essigsäure gelöst (in einer 
Uhrschale). Hierauf wurde in einem anderen Uhrschälchen eine Lösung von 
oxalsaurem Ammoniak in Wasser, dem eine Spur von Oxalsäure zugesetzt 
war, hergestellt. Brachte man nun in diese letztere Lösung einen Tropfen 
der ersteren , so trat sofort eine für das blofse Auge sichtbare milchige Trü- 
bung ein. Mit den TrichosphacTien wurde nun ebenso verfahren. Fünfzig 
grofse Individuen, deren Volumen das des Muschelstückchens weit über- 
traf, wurden mit absolutem Alkohol fixirt und wiederholt mit gekochtem 
destillirten Wasser abgespült, um möglichst Salze, die vom Meerwasser 
den Thieren noch anhaflen konnten, zu entfernen. Zur Lösung der Stäbchen 
benutzte ich einen Tropfen ganz schwacher Essigsäure und sog dieselbe 
dann mit einer Capillare von den zurückbleibenden Überresten der Weich- 
körper ab. Zu diesem Tropfen der Trichosphaerium'UbsxkTxg fSgte ich einen 
Tropfen oxalsaures Ammoniak mit Oxalsäure (dieselbe Lösung wie vorhin) 
liinzu. Die Flüssigkeit blieb bei mehrstündiger Beobachtung voUkommen 
klar, auch bei Zusatz von kohlensaurem Ammonium. Hieraus ergibt sich, 
dafs Calcium in nachweisbaren Quantitäten in den Stäbchen von 
Trichosphaerium nicht vorhanden ist. Ich habe die Reaction wie- 
derholt angestellt bei Tricliosphaerien aus den verschiedensten Culturen 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 37 

(aus dem Mittelmeer, Helgoland, Norwegen, Kiel), aber immer mit dem- 
selben Resultat. 

Dafe die Stäbchen nicht aus kohlensaurem Kalk bestunden, war mir 
auch durch eine biologische Beobachtung wahrscheinlich geworden, hi 
einem Glase, das nur grüne Algen, aber sonst keinen Bodensatz enthielt, 
hatte ich zwei Jahre hindurch zahlreiche Generationen von Cokituba, einer 
kalkschaligen Foraminifere , gezogen. Wenn die Galcituben fast alle Algen 
in dem Glase verzehrt und sich dabei so stark vermehrt hatten, dafs sie 
mehrere Millimeter hoch den Boden des Geföfses bedeckten, wurden alle 
bis auf wenige Exemplare herausgefangen ; hierauf vermehrten sieh wieder 
die Algen, die dann wieder von Nachkommen der zurückgebliebenen Fo- 
raminiferen bevölkert wurden; dieser Wechsel fand in den zwei Jahren 
neunmal statt. Da nun das Wasser nicht erneuert, sondern das verdunstete 
nur durch destillirtes ersetzt wurde, fanden die letzten Generationen der 
Galcituben nicht mehr genügend Kalk im Meerwasser, um daraus ihre Schale 
aufzubauen. Die Schalen wurden immer kalkärmer und waren schlieMich 
fast rein chitinös. 

In dieses Glas wurden nun einige Trichosphaerien gebracht, die sich 
in einem Vierteljahr so stark vermehrten, dafs die Glasw^ände wie mit einem 
dichten weilsen Filz überzogen waren , der nur aus Diatomeen , Algen und 
Trichosphaerien bestand; die letzteren besafsen alle prachtvoll entwickelte 
Stäbchenhüllen. Da die Organismen die Substanzen , aus denen sie ihren 
Körper aufl)auen , doch aus ihrer Umgebung nehmen , so konnte es in diesem 
Falle schwerlich kohlensaurer Kalk sein, der die Stäbchen bildete, weil 
nur minimale Quantitäten von Calcium im Wasser vorhanden sein konnten. 

Es war mir bekannt, dais Foraminiferen zum Bau ihrer Schale aufser 
Kalk auch Magnesium in Verbindung mit Kohlensäure benutzen; daher lag 
es nahe, die Stäbchen von Trichosphaerium auf das Vorhandensein von Ma- 
gnesium zu untersuchen. 

Bevor ich die Trichosphaerien prüfte , wurde eine Probe der Reaction 
mit Magnesiumoxyd gemacht. Ein stecknadelkopfgrofSses Körnchen von 
reinem Magnesiumoxyd wurde in einigen Tropfen Salmiaklösung unter Zu- 
satz einer Spur von Salzsäure gelöst. Hierauf wurden in einer Ulirschale 
einige Tropfen einer Lösung von phosphorsaurem Ammoniak mit einigen 
Tropfen Ammoniak gemischt und zu dieser Mischung die erste Lösung zu- 
gesetzt. Nach wenigen Minuten bedeckte sich der Boden der Uhrschale mit 



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88 F. Schaudinn: 

den charakteristischen, sargdeckelähnlichen Krystallen von phosphorsaurer 
Ammoniak -Magnesia. DieKrystalle wurden für den Vergleich aufbewahrt 
und dann dieselbe Reaction mit 50 grofsen Trichosphaerien vorgenommen. 
Dieselben wurden mit Alcohol absolutus fixirt und gründlich mit destillir- 
tem Wasser abgespült, im übrigen genau so wie das Magnesiumoxyd be- 
handelt. Wie dort traten auch hier nach etwa zehn Minuten die Krystalle 
auf, die sich beim Vergleich mit den aus Magnesiumoxyd gewonnenen als 
identisch erwiesen. Von den 50 Trichosphaerien war nach einer Stunde 
der ganze Boden der Uhrschale ziemlicli dicht mit Krystallen bedeckt. Diese 
grolse Menge derselben läfst den Schluls gerechtfertigt erscheinen, dafs 
kohlensaures Magnesium der Hauptbestandtheil der Trichosphae- 
rtttw-Stäbchen ist. 

Ob noch andere Substanzen in geringen Quantitäten in den Stabchen 
enthalten sind, vermag ich nicht zu entscheiden. — Bei Foraminiferen ist 
der kohlensaure Kalk bekanntlich einer organischen, chitinähnlichen Haut 
eingelagert, die nach Lösung des Kalkes als sogenannt« Schalenbasis zu- 
rückbleibt. Während Möbius (89) bei den Trichosphaerienstftbchen der 
Kieler Bucht eine solche Basis beobachtete, konnte ich aus den gelösten 
Stäbchen keinen wahrnehmbaren Überrest erhalten. Aber nicht nur hierin 
unterscheidet sich die von Möbius studirte Form von der meinigen, son- 
dern auch, wie bereits früher erwähnt, durch die Gestalt und chemische 
Beschaffenheit der Stäbchen, so dafs die Annahme Greeff 's (92), dafs Mö- 
bius eine etwas abweichende Varietät vor sieh gehabt hat, sehr wahrschein- 
liel) ist. Vielleicht sind die erwälinten Differenzen durch Anpassung an das 
Leben im Brackwasser entstanden, wie ja Ähnliches von F. E. Schulze (75) 
an zwei Foraminiferen des Brackwassers beobachtet wurde. Quinquelocu- 
linafusca verliert im Brackwasser ihren Kalkgehalt und nimmt statt dessen 
Sandkömchen zur Verfestigung ihrer Schale auf oder verdickt ihre chi- 
tinöse Schalenbasis stark. Ähnlich verhält sich SpirolocuUna hyalina. Wie 
Hr. Geh. Rath Prof Schulze mir mündlich mittheilte, konnte er im Brack- 
wasser bei Warnemünde und im Hafen von Edinburgh alle Übergänge von 
rein kalkigen durch kalkig sandige, rein sandige bis zu rein chitinösen For- 
men bei Quinquehculina ßxsca constatiren. Ähnlich könnte auch Trichosphae- 
rium seinen Magnesiumgehalt verloren haben. 

Mit def Verwendung der Magnesia fär den Skeletbau steht Trichosphae- 
rium nicht allein im Thierreieh da, wenn auch bisher nur selten Magne- 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboMi Sehn. 39 

siumverbindungen als Hauptbestandtheile von Thierskeleteii gefunden wor- 
den sind. Wie bereits erwähnt, findet sich in manchen Foraminiferen- 
schalen aufser kohlensaurem Kalk auch kohlensaures Magnesium in bedeu- 
tender Menge. Nach Walther (92) enthält z.B. die Schale von Orhitolües 
cornplanata 12.52 Procent, von Nvbecularia novorossica sogar 20 Procent Ma- 
gnesia. Aber auch in anderen Thiergruppen ist das Vorkommen von Ma- 
gnesia in bedeutender Menge constutirt. So fand Liebe* in Gorgonia 21 Pro- 
cent, in -FA£«/ra 21.3 Procent Dolomit. 



IL Der Weichkörper. 

Der von der Hülle umgebene Weichkörper ist sehr zähflüssig, worauf 
nicht nur die sehr trägen Bewegungen desselben , sondern auch sein starkes 
Lichtbrechungsvermögen hinweisen. Es gehört ein nicht geringer Druck 
dazu, um denselben unter dem Deckglase zu zerquetschen ; bei gelindem Druck 
wird er etwas abgeplattet, nimmt aber nacli Aufhören desselben sofort wie- 
der seine ursprüngliche Gestalt an. Er besitzt demnach im Gegensatz zu 
vielen anderen Rhizopoden eine bedeutende Elasticität. 

Am lebenden und unversehrten Thier vermag man im Weichkörper 
kein besonders differenzirtes Ektoplasma und Entoplasma zu unterscheiden. 
Vielmehr ist derselbe ziemlich gleichmäfsig mit zahlreichen Inhaltsgebilden 
durchsetzt. Die Schizonten zeigen hierin keine Unterschiede von den Spo- 
ronten. 

Schneider (78) gibt an, dafe der Weichkörper in ein hyalines Ekto- 
plasma und ein Vacuolen und sonstige Einschlüsse enthaltendes Entoplasma 
scharf geschieden sei, indessen glaube ich, dafs er den gallertigen Theil 
der Hülle mit Ektoplasma verwechselt hat, was um so leichter möglich ist, 
da er nur ganze und ungefärbte Thiere untersucht hat. Die übrigen Be- 
obachter haben auch nichts derartiges gesehen. 

Die Farbe des Weichkörpers ist gewöhnlich braun und rührt von den 
zahlreichen braunen Einschlüssen her, welche denselben ganz durchsetzen; 
wenn sie fehlen , ist derselbe farblos. Bei Betrachtung mit schwacher Ver- 
gröfserung erscheint der Weichkörper ziemlich grob granulirt und zwar gleich- 

* Zeitschrift der Deutsch. Geol. Gesellsch. 1857, S. 426. 



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40 F. Schaudinn: 

mäfsig bis zur Oberfläche, nur unter den Pseudopodienöffhungen machen sich 
kleine Insehi hyalinen und im Leben stärker lichtbrechenden Protoplasmas 
bemerkbar; aus denselben werden die hyalinen Pseudopodien gebildet, wie 
später bei Betrachtung dieser Gebilde genauer erläutert werden soll. Gru- 
t>^r (83) hat diese Inseln bereits richtig erkannt. Er sagt: »An der Stelle, 
wo Pseudopodien austreten, verräth das stärkere Lichtbrechungsvermögen 
eine Lage hyalinen Plasmas, aus welchem die Forts&tze hervorgehen, wäh- 
rend nach innen zu der Körper aus einer trüben , reichlich mit Körnchen 
und Vacuolen versehenen Sarkode besteht«. 

Bei Untersuchung des lebenden wie des conservirten Weichkörpers mit 
starken Vergröfeerungen erkennt man, dafs derselbe aus zahlreichen ver- 
schiedenartigen Inhaltsgebilden und einer dieselben umschliefsenden , gleich- 
mäfsig structurirten Grundsubstanz zusammengesetzt ist. Im folgenden sollen 
zuerst die Inhaltsgebilde und dann die Grundsubstanz oder das eigentliche 
Protoplasma besprochen werden ; die besonderen Differenzirungen desselben, 
die Pseudopodien und die Kerne werden in eigenen Capiteln abgehandelt 
werden. 

a. Die Inhaltsgebilde des Weichkörpers. 

Durch directe Beobachtung, durch mikrochemische Untersuchung und 
durch Vergleich mit bekannten Gebilden bei anderen Protozoen gelang es, 
folgende Inhaltsgebilde deutlich zu unterscheiden: Flüssigkeitsvacuolen, auf- 
genommene Nahrungskörper, besondere, aus nicht verdaubaren Nahrungs- 
resten hergestellte Faecalballen , die ich Sterkome nennen will, Excretkör^- 
ner, diverse andere Körnchen, wie Fettkörnchen und sonstige Stoffwechsel- 
producte und Reservestoffe, endlich commensale Algen. Alle diese Inhalts- 
gebilde sind nach Art einer Emulsion in der zähflüssigen Grundsubstanz sus- 
pendirt. Vollständig fehlen können sie aber auch; in gewissen Entwicke- 
lungsstadien , so bei Beginn der Sporogonie und der Schizogonie, reinigt 
sich der Weichkörper gewissermaisen, indem er alle fremden Einschlüsse 
ausstöfst. Auf diesen Stadien kann man natürlich den Bau des Plasmas 
am leichtesten studiren. Auch beim Verhungern der Trichosphaerien wer- 
den allmählich sämmtliche Inhaltsgebilde des Weichkörpers ausgestofeen, 
ebenso vor der Encystirung der Schizonten. Ganz allgemein kann man sagen, 
dafs der Weichkörper während der vegetativen Lebensperiode reich an In- 
haltsgebilden ist, während der reproductiven aber arm. 



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Generationswechsel von Trichosphaetium sieboldi Sehn. 41 

I. Die Vacuolen. Bei der Betrachtung fast jedes Weichkörpers fallen 
mehr oder weniger zahlreiche helle Blasen auf, die sich bei genauerer Un- 
tersuchung als einfache, mit wasserklarer Flüssigkeit erfüllte Vacuolen er- 
weisen. Ihre Conturen sind stets scharf und glatt; doch ist diefs Verhalten 
nicht auf das Vorhandensein einer eigenen, besonders differenzirten Wan- 
dung zurückzufiihren , vielmehr sind sie als dünnflüssige Tropfen in einer 
zähflüssigen Ma$se aufzufassen. Ihre Gestalt und Gröfse können sie lang- 
sam ändern, doch geht diefs so allmählich vor sich, dafs man es mit dem 
Auge gar nicht beobachten kann, wohl aber mit Hülfe des Zeichenprismas; 
wenn man eine Vacuole in ihrem gröfsten Umrifs gezeichnet hat, so kann 
man nach einiger Zeit beobachten, dafs die Conturen sich nicht mehr decken, 
sondern dafs die Vacuole gröfser oder kleiner geworden ist. 

Wie bei vielen marinen Rhizopoden, findet sich eine in rj^thmischen 
Intervallen pulsirende Vacuole nicht bei Trichosphaerium , vielleicht wird aber 
dasselbe Ziel, nämlich der Wässerwechsel im Protoplasma, durch die sehr 
langsamen Contractionen und Expansionen zahlreicher Flüssigkeitsvacuolen 
ebenso gut erreicht, wie durch die schnellen Pulsationen einer oder we- 
niger Vacuolen. Diese Ansicht wird noch plausibler, wenn man in Betracht 
zieht, dafs auch bei den Süfswasser-Rhizopoden nicht nur die Zahl der pul- 
sirenden Vacuolen, sondern auch die Frequenz ihrer Entleerung sehr ver- 
schieden ist. Bei manchen Formen pulsirt die Vacuole sehr langsam, bei 
anderen sehr schnell, und finden sich alle möglichen Übergänge. Nach 
Schwalbe (64) pulsiren die Vacuolen um so langsamer, je gröfser sie sind 
oder je zahlreicher sie werden; dieses Gesetz würde sich auch auf die ma- 
rinen Rhizopoden anwenden lassen, wenn man annimmt, dafs hier sehr 
zahlreiche Vacuolen nur äufserst langsame Contractionen auszuführen brau- 
chen, um den nöthigen Wasserwechsel zu erzeugen. 

Über die chemische Natur der Vacuolenflüssigkeit kann man nichts ge- 
naueres aussagen , weil uns hier die Methodik der Mikrochemie noch voll- 
ständig im Stiche läfst. Manche Vacuolen (die sogenannten Nahrungs- oder 
Verdauungsvacuolen) enthalten Säuren, wie durch Fütterung mit blauen 
Farbstoften , die in den Vacuolen roth werden , nachgewiesen werden kann 
(vergl. auch das Capitel über die Nahrungskörper). 

Aufser Flüssigkeitsvacuolen habe ich in einem einzigen Individuum im 
Weichkörper eine Gasvacuole beobachtet. Bei Süfswassertestaceen finden 
sich ja, wie bekannt, häufig Gasvacuolen , die dort als hydrostatischer Ap- 
Phys. Äbh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. L 6 



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42 F. Sc H AUDI NN: 

parat functioniren , mit dessen Hülfe die Thiere im Wasser auf- und nieder- 
steigen können, über die Herkunft und Bedeutung der nur einmal bei Tri- 
chosphaerium beobachteten Gasvacuole vermag ich keine Auskunft zu geben. 

2. Die Nahrungskörper. Den Haupttheil der Inhaltsgebilde des 
Weichkörpers von Trichosphaermm bildet die aufgenommene Nahnmg, die 
aus den verschiedensten verdaubaren wie unverdaulichen GegenstAnden be- 
steht. Unser Rhizopode scheint alles, was ihm im Wege liegt, durch Auf- 
nahme in seinen Körper wegzuräumen. Man findet im Plasma die ver- 
schiedensten pflanzlichen Gebilde, Algenfäden, Diatomeen, Bacillarineen, 
Cyanophyceen u. s. w. , ferner Überreste von Thieren , Copepodennauplien, 
Infusorien , Rhizopoden , daneben aber auch Sandkörnchen , Reste und Bruch- 
stucke von Thalamophorengehäusen und allen möglichen undefinirbaren De- 
tritus. Alle aufgenommenen Fremdkörper werden in Vacuolen des Plasmas 
eingeschlossen, und geht in denselben die Verdauung der Nährstoffe vor 
sich. Aufschnitten durch Schizonten und bei den Sporonten, ohne weiteres 
am lebenden Object, kann man leicht die Stadien der Verdauung con- 
statiren. Hier liegt noch eine unversehrte Alge mit glatter Cellulosemembran, 
gränem Chlorophyll und vacuolärem Plasma, daneben eine andere, schon 
halb verdaute; nur die Membran, der Kern und die Stärkekörner haben 
noch Widerstand geleistet. Schliefslich findet man in der grofsen Nahrungs- 
vacuole nur noch eine ganz zerknitterte Membran und ein Häufchen von 
Amylumkömem, die unverdaulichen Überreste der Algenzelle. 

Während häufig die Nahrungskörper einzeln in je einer Vacuole liegen, 
finden sie sich bisweilen in gröfseren Mengen in einer Verdauungsvacuole 
vereinigt. Bei den Schizonten konnte ich die Beobachtung machen, dafs 
sie nicht selten kleinere Individuen der eigenen Art verzehren ; bei den 
Sporonten , die ja die Fähigkeit der Plastogamie besitzen , fand ich diesen 
Kannibalismus nicht. Meines Wissens sind ähnliche Beobachtungen bei 
Rhizopoden noch nicht gemacht worden. 

Man findet auf Schnittserien im Innern der Schizonten häufig kleinere 
Individuen in verschiedenen Stadien der Verdauung. Auch habe ich häufig 
die Einverleibung direct beobachtet, aber anfangs fftr Plastogamie gehalten, 
bis ich die Trieb osphaerien , um etwaige Kemverschmelzungen zu consta- 
tiren, in verschiedenen Zeiten nach der Verschmelzung oder besser XJm- 
fliefsung abtödtete und auf Schnittserien untersuchte. Es schien mir von 
Interesse, einiges über die Verdaubarkeit der rncÄospAa^rfwm -Bestandtheile 



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Generationswechsel von Tricliosphaerium sieboldi Sehn. 43 

zu ermitteln. Sofort nach der Aufnahme in den Weich körper bildet sich 
um das gefressene Thier ein mit Flüssigkeit gefüllter Raum, d. h. es wird 
in eine grofse Vacuole eingeschlossen. Die Vacuolenüüssigkeit mufs ziemlich 
stark sauer sein, denn nach wenigen Minuten waren die Stäbchen der Hülle 
bereits gelöst. Bekanntlich konnte schon wiederholt bei Protozoen das Vor- 
handensein von Saure in den Nahrungsvacuolen nachgewiesen werden, so 
z. B. von Meifsner (88) durch das Rothwerden des Alkannafarbstoffes bei 
Fütterungsversuchen mit Öltropfen. Nach ungefähr 6-8 Stunden ist der 
Weichkörper so weit verdaut, dafs nur die in demselben enthaltenen un- 
verdaubaren Nahrungsreste und die Kerne übrig sind (Fig. i Taf. IV). Die 
letzteren leisten am längsten Widerstand, doch erleiden sie beim weiteren 
Fortschreiten der Verdauung eigenthümliche Structur Veränderungen , die in 
dem Capitel über die Kern Verhältnisse genauer geschildert werden sollen. 
Die Hülle scheint nach der Lösung der Stäbchen unverändert zu bleiben, 
was ja gut mit ihrer Resistenz gegen Säuren und Alkalien übereinstimmt. 

Die nicht verdaubaren Nahrungsreste werden von den Trichosphaerien 
allmählich zu gröfseren Klumpen zusammengeballt und dann ausgestofsen ; 
oft bleiben sie aber noch lange Zeit im Innern des Weichkörpers und werden 
durch eine vom Plasma abgeschiedene Kittsubstanz zu stark lichtbrechenden, 
kugeligen Körpern umgebildet, die ich, weil sie bei schlickbewohnenden 
Rhizopoden sehr verbreitet sind, mit einem besonderen Namen alsSterkome* 
bezeichnen will. 

3. Die Sterkome (Fig.14 Taf. IV). Dafe die Sterkome nur Ballen 
unverdaubarer Nahrungsreste darstellen soll weiter unten experimentell nach- 
gewiesen werden. Im ausgebildeten Zustand besitzen die mit diesem Namen 
belegten Gebilde die Gestalt einer Kugel oder häufiger noch die eines mehr 
oder minder gestreckten Rotationsellipsoids. Ihr Durchmesser wechselt 
zwischen 10-30 /i, nur ein einziges Mal habe ich ein Individuum mit Ster- 
komen von niu* etwa 6/i Durchmesser gefunden. Ihre Farbe ist sehr mannich- 
faltig und spielt in allen Tönen des Grau und Braun, selbst fast ganz 
schwarze Kugeln kann man beobachten. Ihre Conturen sind glatt und be- 
sitzen sie bedeutendes Lichtbrechungs vermögen. Sie verleihen, wenn in 
gröfserer Menge vorhanden, dem Weichkörper ein ganz dunkles und un- 
durchsichtiges Aussehen. Die Bestandtheile der Sterkome sind der ver- 



* Nach einem Vorschlag von Hrn. Geheimrath F. E. Schulze. 



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44 F. Schaüdinn: 

schiedensten Art, doch meist schwer zu deflniren, am leichtesten erkennbar 
sind Diatomeenreste, Spoiigiennadehi , Quarzstückchen und sonstige mine- 
ralische Einlagerungen. Von organischen Resten kann man nur Cellulose- 
merabranen und bisweilen Stärkekörner mit Sicherheit nachweisen. Die 
vom Weichkörper abgeschiedene Kittsubstanz, welche die verschiedeneii 
Fremdkörper des Sterkoms zusammenhält, besitzt weiche Consistenz, so 
dafe man die Sterkome unter dem Deckglase platt drücken kaim. Sie scheint 
der Substanz, aus welcher die Gallerthülle gebildet ist, nahe zu stehen, 
wenigstens stimmt sie mit ihr im Verhalten gegen Farbstoffe (vergl. das Ca- 
pitel über die Gallerthülle) überein. Die Sterkome sind resistent gegen kalte 
wie heifse Säuren und Alkalien, sie verwesen daher auch nicht, wenn der 
Weichkörper des Thieres zerfällt. Man findet sie häufig als einzigen In- 
halt in den Hüllen abgestorbener Individuen. Wenn dann im Laufe der 
Zeit auch die Hülle zerstört wird, bleibt nur ein Häufchen von Kugeln 
übrig, das bei oberflächlicher Betrachtung mit schwachen Vergröfserungen 
leicht Schizogone vortäuschen kann. 

Dafe in der That die älteren Forscher Sterkome und ähnliche Gebilde 
für Keimkörper und sonstige Fortpflanzungsstadien gehalten haben, hat 
Rhumbler (92) wahrscheinlich gemacht. Er wies nach, dafs die Keim- 
kugeln, die M. Schnitze (64) bei Foraminiferen beschreibt, theils Eisen- 
kiesablagerungen in verwesten Weichkörpern sind, theils aber Gebilde, welche 
den hier geschilderten Sterkomen sehr ähnlich sind. Auch die »propa- 
gative bodies« Carter's (76) sind nichts weiter als Sterkome. Carter fand 
diese Gebilde bekanntlich sogar in fossilen Foraminiferen, und ist bereits 
Bütschli (80) der Auffassung, dals es Fortpflanzungskörper seien, ent- 
gegengetreten. Er sagt S. 139: »Schon die allmähliche Bildung dieser Kugeln 
aus kleinen moleculären Körnchen , die , ohne von einer Hülle umschlossen 
zu sein, sich zu den erwähnten Kugeln zusammengruppiren , läCst die Be- 
deutung derselben als Fortpflanzungskörper sehr zweifelhaft ercheinen. Zu 
völliger Gewifsheit scheint jedoch dieser Zweifel erhoben , wenn wir ferner 
beachten, dafs diese Kugeln sich durch ihre Resistenz, selbst gegen die 
stärksten Mineralsäuren und kochende Alkalien, als Körper ausweisen, die 
unmöglich von lebendiger, thierischer Substanz gebildet sein können«. 

Bei anderen Rhizopoden sind die Sterkome zwar nicht fär Fortpflan- 
zungskörper, aber für wichtige Bestandtheile des Plasmas gehalten worden. 
So bei Uyalopus (Gromia) dujardini, Max Schnitze (54) schildert bei die- 



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Generationswecfisel von Trichosphaeriurn sieboldi Sehn, 45 

ser Form eingehend braune Körper, die den Hauptbestandtheil des Plas- 
mas bilden und sich bei keinem anderen Rhizopoden finden sollen. Die 
Resistenz gegen Säuren und Alkalien war ihm schon bekannt. Grub er 
(84) fand die braunen Kugeln vereint mit blassen Körpern vor und sagt 
von ihnen: »Es ist mir sehr wahrscheinlich, dais die Körner (braune und 
blasse Kugeln) hier die feinsten Nahrungsbestandtheile verarbeiten und ver- 
dauen , während das ungeformte Plasma (der Pseudopodien) auf Nahrungs- 
erwerb ausgeht«. Dieser Forscher hält also, ähnlich wie Schnitze, die 
braunen Kugeln fiir »geformtes Plasma«. Mir selbst (94a) gelang es dann, 
durch Kemfärbung unter Anwendung der Schnittmethode nachzuweisen, 
dals die blassen Kugeln Gruber 's die Kerne sind, doch vermochte ich über 
die Natur der braunen Kugeln auch nichts genaueres anzugeben. Dafs sie 
unwichtige Bestandtheile des Weichkörpers waren, schien daraus hervor- 
zugehen, dafs sie bei Ausschwärmen der Sporen mit den Nahrungsresten 
in der Schale zurückblieben. 

In demselben Jahre schilderte dann Rhumbler bei der Foraminifere 
Saccammina (94) Schlickkugeln und Faecalballen als Inhaltsgebilde des Weich- 
körpers und leerer Schalen und machte ihre Entstehung durch Zusam- 
menballen aufgenommener unverdaulicher Nahrungsreste plausibel. Diels 
brachte mich auf den Gedanken, die braunen Kugeln von Hyalopus und 
Trichosphaeriurn mit den Schlickkugeln von Saccammina zu vergleichen. Mein 
Aufenthalt an der norwegischen Küste bot mir reichliche Gelegenheit hierzu, 
und konnte ich mich von der grofsen Ähnlichkeit der Bildungen überzeugen. 
Überdiefs fand ich die braunen Kugeln bei fast allen schlammbewohnenden 
Rhizopoden in übereinstimmender Weise vor. Die Angaben Rhumbler' s 
(94) konnte ich vollkommen bestätigen. 

Um die auf diese Weise wahrscheinlich gewordene Entstehung der 
Sterkome aus Nahrungsresten experimentell zu beweisen, brachte ich Tri- 
chosphaerien (und Hyalopus) in Culturgeftfse, in welchen Farbstoflfe suspen- 
dirt waren, die allmählich alle Nährsubstrate bedeckten, von den Thieren 
mitgefressen wurden und nun deutlich die Umwandelung der Nahrungsreste 
in Sterkome demonstrirten. Ich verfuhr hierbei folgendermafsen : Chine- 
sische Tusche, Indigo oder Karmin (die beiden ersten Farbstoffe sind ge- 
eigneter, weil Karmin in geringen Quantitäten im Meerwasser gelöst wird) 
wurden fein in Seewasser verrieben und in nahrungsreichen CulturgefSTsen 
verrührt. Nach einigen Tagen waren mit den Nährsubstraten alle kleinen 



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46 F. Schaudinn: 

Farbstoffpartikel auf den Boden gesunken und bedeckten alle Körper mit 
einem dichten Überzug. Nun wurden die Gefaßse mit den Rliizopoden be- 
schickt und einige Tage in Ruhe gelassen. Nachdem ich mich an einzel- 
nen lierausgefangenen Trichosphaerien überzeugt hatte, dafs die Farbstoffe 
mit der Nahrung aufgenommen waren und dicht den Weichkörper durch- 
setzten , wurden die Versuchsthiere aus den Farbstoffgläsern herausgenom- 
men und in reines Meerwasser, das nur Diatomeen als Nahrung enthielt, 
gebracht, und dann taglich einige Individuen genau untersucht. Dabei 
zeigte es sich deutlich, dafs die an&ngs locker mit den Nahrungsstoffen 
durch den Weichkörper vertheilten Farbstoff'körnchen allmählich in einzel- 
nen Vacuolen concentrirt und immer dichter an einander gelagert wurden, 
bis schliefslich typische Sterkome gebildet waren, die mit Farbstoffköm- 
chen mehr oder weniger dicht durchsetzt waren. Der ganze Procefs dauerte 
ungefähr eine Woche. 

Häufig fand ich fertige, gefärbte Sterkome frei auf dem Boden der 
Culturgefäfse neben den Trichosphaerien, wodurch bewiesen ist, dafs sie 
aus dem Weichkörper ausgestofsen werden können. Andererseits lehrte aber 
die Thatsache, dafs ich noch zehn Wochen nach der Entfernung der Thiere 
aus den Farbstoffgef äfsen gefärbte Sterkome im Weichkörper vorfand , wie 
lange die letzteren zurückbehalten werden können. Besonders schienen hier- 
bei die mit Tusche schwarz gefärbten Sterkome bevorzugt zu werden. Eine 
mit diesem Verhalten vergleichbare Erscheinung konnte ich im Hafen des 
PuddeQords zu Bergen beobachten. Dort befinden sich von den zahlreichen 
verkehrenden Dampfern viele Kohlenstücke im Schlick. Die daselbst gefan- 
genen Trichosphaerien* besafsen nun stets Sterkome, die dicht mit Kohlen- 
partikeln erfüllt waren, und sie behielten dieselben über zwei Monate im 
Aquarium bei sich. Auch Grub er (84) fand im Hafen von Genua Gromien 
und Hyalopus dicht mit Kohlenstückchen erfallt. Die Aufnahme und das 
Zurückbehalten schwarzer Fremdkörper im Plasma ist vielleicht bei diesen 
Rhizopoden durch gröfseres Wärmebedürfnife bedingt; die mehr Wärme- 
strahlen absorbirenden Körper werden vielleicht deshalb vor anderen bevor- 
zugt. Die experimentelle Prüfung dieser Frage dürfte, wie es mir nach 
meinen biologischen Beobachtungen scheint, nicht ohne interessante Resul- 



' Ebenso llyakypus , Stortosphaera und einige Gromien, nicht hingegen Astrnrhiza^ Sac- 
vammina und verschiedene andere Foraminifei^n , obwohl sie auch Sterkome besafsen. 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 47 

täte sein, und würden bei einem vergleichenden Studium zahlreicher Pro- 
tozoen sich bedeutende Differenzen finden lassen (vergl. die Anmerkung). 

Dafs Protozoen, besonders RhiJ^opoden, Fremdkörper ohne Nährwerth 
lange Zeit mit sich herumschleppen, ist schon wiederholt beobachtet. Gruber 
(85), der manche Amoeben ganz mit Sand vollgestopft fand, vermuthet, dafs 
die Fremdkörper nicht ausgestofsen werden, weil durch sie das weiche 
Protoplasma eine gewisse Festigkeit erlangt. 

Einen anderen ganz plausibeln Grund fuhrt noch Meifsner (88) an, 
nämlich »dafs durch Anhäufung grofser und fester Partikel in der Mitte 
des Plasmas die Oberfläche des Rhizopodenkörpers , die dem Gasaustausche 
und der Ernährung durch Endosmose hauptsächlich dient, vergröfsert wird « . 
Endlich möchte ich noch hinzufügen, dafs es für schlammbewobuende 
Thiere vortheilhaft ist, wenn ihr Körper durch Aufnahme von Fremdkör- 
pern schwerer wird. Sie werden bei Strömungen nicht so leicht mit fort- 
gerissen und sinken, wenn es geschieht, schneller wieder in ihr Nahrungs- 
gebiet zurück. 

Wenn man die Trichosphaerien aus dem Schlick entfernt und sie in 
ganz andere Lebensbedingimgen bringt, ihnen z. B. nur Siphoneen als Nah- 
rung gibt, so verlieren sie allmählich die Sterkome ganz und können aus 
Materialmangel keine neuen bilden. Sie erhalten dadurch ein sehr viel rei- 
neres Plaisma und eignen sich besser für das genauere Studium der Fort- 
pflanzungsvorgänge und der Plasmastructur, weshalb ich hauptsächlich ster- 
komfreie Individuen fiir meine Studien benutzt habe. In grofsen Massen 
finden sich derartige Thiere an den Seiten wänden der Aquarien, die ja 
meistens mit einem dichten Filz von Algen bedeckt sind, in denen wenig 
unverdauliche Substanzen enthalten sind. Bei reiner Diatomeennahrung 
werden auch keine Sterkome gebildet, die Kieselpanzer dieser Organismen 
sind wohl zu grofs, um noch zu gröfseren Kugeln zusammengebacken zu 
werden.^ Eine ähnliche Beobachtung scheint Rhumbler (92) bei Trun- 
Catalina gemacht zu haben. Während er in allen aus Bodenproben stam- 
menden Thieren die Schlickkugeln vorfand, fehlten sie stets bei Individuen, 
welche von Bryozoen- und Hydrozoenstöcken abgesucht worden waren. 

Die eigen thümlichen gelben Körperchen, welche Rhumbler unter 
dem Namen » Xanthosomen « bei Saccammina beschreibt und die sich zwi- 

* Vergl. Fig. i und 2 Taf. IV und V. 



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48 F. Schaudinn: 

sehen den Sterkomen und in denselben eingelagert finden, habe ich bei 
Hyaloptis ebenfalls geftinden. Bei Trichosphaerium scheinen sie zu fehlen; 
hier werden sie durch die im nächsten Capitel zu schildernden Excretkörner 
ersetzt, die sich häufig in den Sterkomen eingebacken vorfinden. Rhumb- 
ler hat die Vermuthung ausgesprochen, dafs die Xanthosomen aus den 
Excretkörnern unter dem Einfluls der Sterkome entstehen , weil er vor der 
Bildung der Faecalballen nur Excretkörner vorfand, dann aber nur Xan- 
thosomen. Demgegenüber kann ich angeben, dafs bei jöyofopw« Excret- 
körner und Xanthosomen sich zugleich und in gleichen Mengen in den 
Sterkomen beobachten lassen. 

4. Excretkörner (Fig. 15, 16 Taf. IV). Die Inhaltsgebilde des Proto- 
plasmas, welche ich unter diesem Namen genauer schildern will, sind von 
allen andern durch aufserordentlich starkes Lichtbrechungsvermögen unter- 
schieden. Sie finden sich in gleicher Weise bei den Schizonten und Spo- 
ronten, treten aber in sehr wechselnder Menge auf. Man findet Individuen, 
die dicht damit erfüllt sind , während andere nur wenige kleine Kömchen 
enthalten. Es hat sich gezeigt, dafs dieser Unterschied von der Art der 
Nahrungsmittel abhängt. Die thierische Nahrung begünstigt die Entstehung 
der Gebilde, bei pflanzlicher sind sie selten. Weiter unten werde ich näher 
auf diese interessanten Verhältnisse eingehen. 

Wie die Menge, so variirt auch die Gröfse der Könier bedeutend 
(von i-i6/i). Sie treten in mannich faltiger Gestalt auf (Fig. 15); man findet 
kugelige, ellipsoidale , hantelfÖrmige , ganz unregelmäfsige , aber auch poly- 
edrische, krystallähnliche mit scharfen Kanten oder büschel- und garben- 
förmige, zusammengesetzte Bildungen, die aus zahlreichen Nadeln oder schief 
abgestutzten Prismen bestehen. Seltener finden sich einzelne Nadeln, und 
sind dieselben stets sehr klein. Drusen, aus Bündeln kleiner Nadeln be- 
stehend, habe ich nur wenige Male beobachtet. Manche Krystallconglo- 
merate besafsen abgerundete Ecken und waren theils von geraden, theils 
von krummen Flächen begrenzt. Bei sehr starker Vergröfserung konnte man 
bei allen noch eine feinere Structur erkennen (Fig. 16). Dieselbe machte 
sich als eine feine Streifung bemerkbar, wobei die Streifen entweder pa- 
rallel waren oder radiär von einem Punkte ausstrahlten. Der feinere Bau 
der Körner ist demnach auch krystallinisch , und zwar sind sie Aggregate 
kleinster nadeiförmiger Krystalle, wie die Art ihrer Auflösung in stark 
verdünnten Säuren lehrte. 



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Generationswechsel von Trichospliaerium sieboldi Sehn, 49 

Die Färbe der Körner ist bei durchfallendem Licht grüngelb bis grau- 
braun; bei ausfallendem Licht sind sie stark glänzend und opak. Beson- 
ders charakteristisch für sie ist, dals sie im polarisirten Licht deutlich 
doppeltbrechend erscheinen.^ 

Ähnliche Gebilde wie die hier beschriebenen sind schon lange bei 
zahlreichen Protozoen bekannt und wahrscheinlich überall verbreitet, nur 
können sie, wenn sie spärlich und klein vorkommen, leicht übersehen und 
mit anderen Einschlüssen zusammengeworfen werden. Eine recht vollstän- 
dige Zusammenstellung der Angaben über diese Gebilde findet sich in 
Schewiakoff's Arbeit über die Excretkörner bei Paramaedum (93). Über 
die chemische Natur der Körner wie über ihre Bedeutung liegen nur we- 
nige Angaben vor, und sind dieselben zum Theil sich widersprechend; 
aufserdem beziehen sie sich fast ausschliefslich auf Infusorien. 

Bei Rhizopoden ist nichts sicheres über dieselben bekannt.^ Rhumb- 
1er (94) und ich (95) haben sie zwar bei Foraminiferen beschrieben, aber 
keine chemische Untersuchung vorgenommen, so dafs unsere Deutung als 
Excretkörner nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt. 

Der Name »Excretkörner« rührf von Bütschli (78) her, der sie fär 
Endproducte des Stoflfwechsels erklärte und ohne chemische Untersuchung 
auf Grund ihrer krystallinischen Beschaffenheit die Vermuthung aussprach, 
dais sie aus oxalsaurem Kalk bestehen könnten. 

Von einer Anzahl Forscher wurden die Körner wegen ihrer Gestalt und 
Farbe und wegen des Verhaltens gegen Säuren mit Hamconcrementen ver- 
glichen, so von Wrzesniowski (70), Entz (79), der darin harnsaures Natron 
vermuthet (auf Grund von Vergleichen mit den Hamconcrementen in den 
Malpighi'schen Gefilfsen der Insecten), Maupas (83), der die Doppel- 
brechimg zuerst nachwies, und endlich Rhumbler (92), welcher durch die 
Murexidreaction Harnsäure nachgewiesen haben will. Rhumbler ist der 
Erste, welcher eine genauere chemische Untersuchung der Excretkörner (bei 
Siylonychiä) vorgenommen hat. Nach ihm hat Schewiakoff (93) in einer 

* Da die Stäbchen der SchizontenhOlle bei der Untersuchung dieser Inhaltsgebilde be- 
sonders störend sind, wurden für die Untersuchung der Excretkörner hauptsächlich Spo- 
ronten verwendet, dann aber die Resultate auf Schnitten durch Schizonten controlirt. Die 
Excretkörner beider Formen zeigten keinerlei Abweichungen. 

* Als Excretkörner mit Wahrscheinlichkeit zu deutende Gebilde wurden bei vielen 
Rhizopoden von Auerbach, Carter, Ray Lankester, F E.Schulze und Anderen be- 
obachtet, ohne dafs aber eine Deutung vereucht wurde. 

Phys, Ahh. nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899. I. 7 



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50 F. Schaudinn: 

sehr eingehenden Arbeit bei Paramaecium dieselben Kömer studirt, kommt 
aber zu einem ganz abweichenden Resultat; er findet nämlich, dafs sie 
aus phospliorsaurem Kalk bestehen, oder vielmehr, dafs die Excretkörner 
zum gröfsten Theil Calcium sowie Phosphorsäure enthalten. Die An- 
gaben Rhumbler's hält er für irrthumlich. In einer neueren Arbeit hält 
Rhumbler (95 , p.155) seine früheren Aussagen aufrecht und fttgt als Stütze 
seiner Ansicht hinzu, dafs auch Griffith^ in Inifiisorien durch die Murexid- 
probe Harnsäure nachgewiesen habe. 

Diese Ciontroverse schien es mir wunschenswerth zu machen, beide 
Reactionen (auf phosphorsauren Kalk und auf Harnsäure) bei den Excret- 
kömern von Trichosphaeriwn zu versuchen. 

Chemische Natur der Excretkörner. Ich will hier nicht die ein- 
zelnen Versuche über die Löslichkeit der Körner in verschiedenen Lösungs- 
mittehi anföhren. Das Resultat war, dafs sie sich genau so verhalten, wie 
die Excretkörner des Paramaecium nach Schewiakoff 's (93) Angaben. Das 
Verhalten läfst sich kurz dahin zusammenfassen , dafs die Körner leicht lös- 
lich sind in Mineralsäuren und Alkalien, schwer löslich in concentrirter Essig- 
säure und verdünntem Ammoniak, leichter in verdünnter Essigsäure und 
Ammoniak, unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff. 

a. Reaction auf phosphorsauren Kalk. Zu dieser und den nachfolgenden 
Reactionen wurden nur Sporonten verwendet, weil die Hüllenstäbchen der 
Schizonten ein wandsfreie Versuche bei dieser Form verhinderten. 

1. Nachweis von Calcium. Mehrere grofse Sporonten mit sehr grofsen 
Excretkömern wurden in absolutem Alkohol entwässert und hierauf in einen 
Tropfen funfprocentiger Essigsäure gebracht. Nachdem die Excretkörner gelöst 
waren, wurde auf dem Objectträger eine Spur von Ammoniumoxalat zugesetzt. 
In und in der Nähe <ler Sporonten traten bald darauf kleine Krystalle von oxal- 
saurem Kalk auf. Setzte ich an Stelle des Ammoniumoxalats Schwefelsäure 
hinzu, so traten die leicht erkennbaren Nadeln von schwefelsaurem Kalk auf. 

2. Nachweis von Phosphorsäure. Zu mehreren trockenen Sporonten 
wurde ein Tropfen einer Mischung von molybdänsaurem Ammoniak und Sal- 
petersäure zu gleichen Theilen hinzugefugt. Die Excretkörner wurden so- 
fort gelöst, und in und an den Sporonten wurden die grüngelblichen Krystalle 
von phosphorsaurem Ammoniummolybdat ausgeschieden. 



* In: Proc. R. Soc. Edinburgh, vol. XVI, p. 131— 135. 



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Generationsweclisel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 51 

Aus dieser Reaction ergibt sich, dafs die Excretkörner von Trichosphae- 
rium dieselbe chemische Zusammensetzung (soweit sich das bei unseren mi- 
krochemischen Reactionen überhaupt erkennen läfet) haben, wie bei Para- 
maecium nach Schewiakoff s Resultaten; sie entlialten zum gröfsten Theil 
Calcium und Phosphorsäure und bestehen wahrscheinlich aus phosphor- 
saurem oder saurem phosphorsauren Kalk [Ca3(P0J, oder CaaH,(PO^)J. 

b. Murexidreaction. Die Reaction, welche Rhumbler (92) ausführte, 
ist, wie bereits Bütschli und Schewiakoff eingewendet haben, gar keine 
Murexidprobe, weil er angibt, dafs die Excretkörner nach dem Verdampfen 
der Salpetersäure erhalten geblieben waren, während bei dieser Reaction 
die Harnsäure gelöst und in Purpursäure übergeführt wird. Rhumbler 
gibt diesen Irrthum zu, erklärt aber seine Auffassung dadurch, dafs er das 
Verdampfen der Salpetersäure nicht unter dem Mikroskop verfolgt habe und 
dafs möglicherweise die Purpursäureniederschläge an die Stelle der Excret- 
körner getreten seien und so das Vorhandensein der letzteren vorgetäuscht 
hätten. 

Um die Trichosphaerien auf Harnsäure zu untersuchen, brachte ich 
einen grofsen, durch Centrifugiren erhaltenen Klimipen derselben, nach- 
dem er getrocknet war, in Salpetersäure. Nach Verdampfen der Flüssig- 
keit war der Rückstand braunroth , nicht rein roth , wie es für reine Harn- 
säure charakteristisch ist; doch zeigten sich hierin bei öfters vorgenomme- 
nen Reactionen Verschiedenheiten, bald spielte die Farbe mehr in's Braun, 
bald mehr in's Roth. Jedenfalls traten aber in den meisten Fällen bei Zu- 
satz von Kalilauge mehr oder weniger zahlreiche, intensiv blau gefärbte Körn- 
chen auf; ebenso zeigten sich bei Ammoniakzusatz rothe Körper, so dafs 
Harnsäure ohne Zweifel in den Trichosphaerien vorhanden ist. 
Die Harnsäurekrystalle aber unter den Excretkörnern heraus zu erkennen, 
dürfte sehr schwierig sein. Hiernach halte ich es nicht fär ausgeschlossen, 
dals auch bei anderen Protozoen die imter dem Namen »Excretkörner« zu- 
sammengefalsten Gebilde verschiedene chemische Zusammensetzung, haben 
und wird man sich vor Verallgemeinerungen hüten müssen. 

Über die Bildung der Excretkörner hat Schewiakoff (93) angegeben, 
dafs sie zuerst in Nahrungsvacuolen auftreten und später in das Plasma 
übergehen. Auch ich fand die kleinsten Excretkörner häufig in Vacuolen, 
die halbverdaute Nahrung enthielten , konnte jedoch niemals frei im Plasma 
befindliche Körner entdecken, sondern bei den Trichosphaerien lagen sie 



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52 F. Schaüdinn: 

stets in Vacuolen eingeschlossen. Während Schewiakoff eine Ausstofsung 
der Excretkörner mit den Nahrungsresten nie beobachten konnte und wahr- 
scheinlich zu machen sucht, daCs dieselben wiederum im Plasma gelöst und 
im flüssigen Zustande durch die contractile Vacuole nach aufsen entleert 
werden, habe ich bei Trichosphaerium die Ausstoüsung direct beobachten 
können; äberdiefs enthalten die Sterkome häufig einige Excretkörner, wie 
bereits früher erwähnt wurde. Eine Hinausbeförderung in gelöstem Zustand 
durch eine pulsirende Vacuole kommt natürlich bei Trichosphaerium überhaupt 
nicht in Frage. 

Übrigens scheinen auch bei den Infusorien die Verhältnisse verschieden 
zu sein. Stein (82) z.B. hat bei Paramaecium bursaria die Ausstofsung der 
Excretkörner mit den Kothballen durch den After beobachtet. 

Bei Foraminiferen habe ich bereits früher (95) gezeigt, dafs bei thieri- 
scher Nahrung die Excretkörner zahlreicher und gröfser werden als bei 
pflanzlicher. Wenn PatelUna Copepoden oder Infusorien verzehrt, ist sie 
mit grofsen Krystallen dicht erfiillt, bei Diatomeennahrung verschwinden 
sie fast vollständig. Auch bei Trichosphaerium konnte ich diese Abhängig- 
keit der Excretkornbildimg von der Nahrung experimentell nachweisen. Cul- 
tivirt man die Thiere auf Diatomeenrasen , so bleiben sie fast ganz frei von 
den Kömern; wenn solche vorhanden sind, besitzen sie eine winzige Gröfse. 
Lebende Thiere vermögen die Trichosphaerien nicht zu fangen ; ich centri- 
fugirte daher eine Menge Copepoden und Infusorien aus dem Seewasser her- 
aus, zerquetschte sie und brachte den Brei auf die Deckglasculturen der 
Trichosphaerien; schon nach wenigen Tagen waren sie reich mit grofsen 
Excretkrystallen erfiillt, die bei Diatomeennahrung schnell wieder verschwan- 
den. Diese Beobachtungen erklären auch die Thatsache, dafe die an den 
Wänden der Aquarien lebenden Thiere viel spärlichere Excretkörner ent- 
halten als die im Schlamm auf dem Boden lebenden; hier befinden sich 
viele Thierleichen , die zu Boden gesunken sind , dort nur Pflanzen als Nah- 
rung. Dafi bei hungernden Trichosphaerien die Excretkörner verschwin- 
den, ist verständlich (vergl. das Capitel über das Verhungern). 

Auch Schewiakoff (93) erhielt bei Paramaecium gröfsere Excretkörner, 
wenn er in seiner Heu -Infusion ein Stück Fleisch abkochte. Er gibt auch 
eine plausibele Erklärung für diese Thatsache, die auf Trichosphaerium eben- 
falls angewendet werden kann. »Bekanntlich enthalten die Muskeln ge- 
lösten phosphorsauren Kalk (in der Fieischasche 3.19 Procent phosphorsaurer 



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Generationsvoechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 53 

Kalk) , welcher bei der Nahrungsaufiialiine in die Nahrungsvacuolen aufge- 
nommen wird und daselbst bei der Verdauung (Entziehung von Verdauungs- 
stoflFen) sich in Kry stallen ausscheidet«. 

5. Verschiedene Körnchen, Fett, Reservestoffe u. s. w. Von 
den zahlreichen körnerartigen Bildungen, die sich in der Grundsubstanz 
des Plasmas suspendirt befinden, läfst sich wenig sicheres aussagen, weil 
unsere Kenntnisse über die chemische Natur der feinsten Stoffwechselpro- 
ducte nur sehr geringe sind. Überdiefs läfst die mikrochemische Methodik 
uns bei den Eiweifsstoflfen fast ganz im Stiche. 

Am leichtesten erkennbar sind noch fettartige Stoffe durch die Os- 
miumreaction. Auch bei Trichosphaerium finden sich bisweilen im Plasma 
kleine kugelige Tröpfchen von 1-2/uGröfse und starkem Lichtbrechungs- 
vermögen, die bei Osmiumbehandlung schwarz werden und in Alkohol und 
Aether löslich sind. Doch finden sich solche Fetttröpfchen nur selten und 
spärlich bei diesem Rhizopoden, obwohl ich zahlreiche Individuen in ver- 
schiedenen Entwickelungsstadien daraufhin untersucht habe. Wenn sie vor- 
handen waren, kamen sie nur vereinzelt im Plasma zerstreut vor; grofse 
Öltropfen, wie man sie bei zahlreichen Schlickbewohnern vorfindet, habe 
ich bei Trichosphaerium nicht beobachtet. 

Den Fettkügelchen ähnliche Körnchen, die sich aber mit Osmiumsäure 
nicht schwärzen und in Alkohol und Aether erhalten bleiben, finden sich 
stets in reichlicher Menge im Plasma. Sie besitzen nicht so starkes Licht- 
brechungsvermögen wie die Fettkörner, sind kugelig oder oval, 1-2 /u grofs 
und bald in den Ecken zwischen den Plasma- Alveolen einzeln oder in klei- 
nen Häufchen gelagert, bald bilden sie ganze Inseln im vacuolären Plasma. 
Es scheinen plasmatische Bildungen zu sein, wenigstens spricht hierfür 
die Tliatsache, daJfe sie sich mit allen Farbstoffen stets ebenso wie die 
Substanz der Alveolen wände färbten. 

Rhumbler (94) beschreibt bei Saccammina ganz ähnliche Körperchen 
und macht den interessanten Versuch, sie aus der Wabenstructur des Plas- 
mas abzuleiten. Er bezeichnet sie als »Wabenkörperchen« und glaubt, 
daCs sie aus Confluenz der Wajidmasse geplatzter Vacuolen entstanden sind. 
Da Rhumbler nur conservirtes Material besafe, kann die Möglichkeit, 
dafs die Conservirung derartige Körnchen durch Zerstörung von Alveolen 
hervorgebracht hat, nicht von der Hand gewiesen werden. Er fafst diese 
Möglichkeit auch in's Auge, hat aber einen etwas anderen Gedankengang. 



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54 F. Schaudinn: 

Es ist ihm sehr wahrscheinlich, dafs man die Wabenkörperchen in der 
lebenden Sarkode nicht antreffen wird. Hier werden dieselben jedon falls 
sehr rasch sich mit der Wandmasse noch ungeplatzter Vacuolen vereini- 
gen, so dafs ihre Existenz sich vielleicht wegen der Schnelligkeit, mit 
der sie verschwinden, nicht beobachten läfst. So weit kann ich diesem 
Autor beistimmen ; wenn er aber meint, dais der Alkohol (und sein Ma- 
terial war nur in yoprocentigem Spiritus conservirt) die Verschmelzungs- 
erscheinungen festgehalten hätte, die im Leben ungemein schnell verlau- 
fen dürften, so mufs ich hiergegen anführen, dafs nach meiner Erfahrung 
Alkohol allein bei Saccammina ebenso wenig wie bei anderen Rhizopoden 
das Plasma gut fixirt, sondern stets bedeutende Seh rumpfungs -Erschei- 
nungen hervorruft. So denke ich mir auch bei Saccammina die Waben- 
körperchen durch Schrumpfung von Alveolen entstanden. — Für Tricho- 
spJiaeriwn trifft diese Erklärung nicht zu, weil die fraglichen Körperchen auch 
im lebenden Plasma vorhanden sind, und zwar nicht verschwinden und wieder 
auftauchen, sondern lange Zeit an derselben Stelle zu beobachten sind. Ich 
möchte diese Gebilde daher am ehesten ftr körnig structurirtes Plasma halten, 
obwohl auch die Ansicht, dafs es Stoffwechselproducte, etwa Reservestoffe, 
sind, nicht ganz von der Hand zu weisen ist, namentlich mit Rücksicht auf 
ähnliche körnige Gebilde im Plasma der Coccidien, die sogenannten karmino- 
philen Granula, die sich ebenfalls gegen Farbstoffe wie das Plasma verhalten. 

Mit mehr Sicherheit als Reservestoffc anzusprechen sind Gebilde, die 
sich nur bei bestimmten Entwickelungsstadien des Trichosphaerium finden. 
Bei der Encystirung der Schizonten und bei der Sporulation der Sporonten 
treten im Plasma zahlreiche stark lichtbrechende Körnchen auf, die dann 
bei der weiteren Entwickelung der Cysten und der Schwärmer wieder ver- 
schwinden, also wohl resorbirt werden. 

Über die chemische Natur dieser Körnchen habe ich verschiedene Re- 
actionen auf Eiweifsstoffe vorgenommen: 

1. in Jodlösung färben sie sich gelb bis braun, 

2. in Pikrinsäure färben sie sich gelb, 

3. in Mi Hon 's Reagens^ färben sie sich ziegelroth, 

4. in Haematoxylin -Eosin färben sie sich roth, 

5. in Flemming's Dreifarbengemisch ^ färben sie sich orange. 

' Quecksilber 10^, rauchende Salpetersäure lo«'«'", Wasser 20^*^"*. 
* Safraiiin — Gentianaviolett — Orangegelb. 



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Generationswechsel von Trichosphaerittm sieboldi Sehn. 55 

Sie sind leicht löslich in Ammoniak, Mineralsauren und Essigsäure; 
unlöslich in Wasser, Glycerin, Alkohol und Aether. Ihre chemische Zu- 
sammensetzung scheint demnach mit den Proteinkrystalloiden übereinzu- 
stimmen, die ja auch meistens als Reservestoffe functioniren. Trotz des 
gleichartigen Verhaltens gegen die hier aufgezählten Farbstoffe und Rea- 
gentien scheinen doch die Reservekörnchen der Schizonten und Sporonten 
nicht identisch zu sein, was daraus hervorgeht, dafs die letzteren bei Le- 
bendf&rbung mit Bismarckbraun tief braun gefUrbt werden, während die 
ersteren farblos bleiben. 

6. Commensale Algen (Zooxanthellen) (Fig. 12, 13 Taf. IV; 
Fig.52-57 Taf.VI). Labbe (95) gibt an, bei Trichosphaerien in Roseoff 
Zooxanthellen beobachtet zu haben. Aufser dieser Behauptung findet sich 
Näheres über diesen Gegenstand nicht in der Litteratur. 

In der That findet man nicht selten Trichosphaerien, die zahlreiche 
braune, kugelige oder ovale Zellen enthalten, die grofse Ähnlichkeit mit 
gewissen commensalen Algen besitzen, die man unter dem Sammelnamen 
»Zooxanthellen« bei zahlreichen Proto- und Metazoen beschrieben hat. Bei 
Trichosphaerium findet man diese Zellen jedoch durchaus nicht immer, son- 
dern es scheinen nur gelegentliche Mitbewohner des Weichkörpers dieses 
Rhizopoden zu sein. Ich habe sie nur in den vegetativen Stadien der 
Schizonten und Sporonten häufiger beobachtet. Beim Beginn der Fortpflan- 
zung scheinen sie, wie alle übrigen Fremdkörper, vom Weichkörper aus- 
gestofsen zu werden, während ich bei hungernden Thieren wiederholt be- 
obachtet habe, dafs die braunen Zellen im Schwärmerzustand den Wirth 
verlie&en, wie weiter unten genauer geschildert werden soll. Obwohl doch 
Tric/iosphaerium sonst alles mögliche frifst, habe ich nie eine Andeutung 
davon gesehen, dafs auch diese braunen Zellen verdaut werden; man fin- 
det sie stets unversehrt im Plasma, selbst bei hungernden Individuen. 

Obwohl auch bei Rhizopoden (s. str.) in zahlreichen Fällen Zooxan- 
thellen beobachtet sind, fehlen doch genauere Angaben über diese Gebilde 
in dieser Protozoengruppe vollständig. Meistens geben die Beobachter nur 
an, dafs sie braune oder gelbe Einschlüsse des Protoplasmas gesehen hät- 
ten, die man vielleicht als Zooxanthellen ansprechen könnte. Dafs es sich 
wirklich darum handelt, wurde bewiesen nur in ganz wenigen Fällen, 
meines Wissens nur in drei: von Brandt (83) bei Globigerina und von 
Bütschli (86) bei Orbitolües und Peneroptis. In allen drei Formen waren 



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56 F. Schau DIN n: 

aber die Gebilde sehr von einander verschieden, so dafs ich nicht glaube, 
daß; man sie in einer Algengattung unterbringen kann. Überhaupt sind 
die unter dem Namen y^Zooxanthella^ bekannten Gebilde sehr verschiede- 
ner Natur; daher war es noth wendig, die braunen Zellen von Triehosphaf- 
rium genauer zu untersuchen, um zu sehen, ob sie zu bekannten commen- 
salen Algen Beziehungen aufweisen. 

Die braunen Zellen von Trichosphaeriamy die regellos durch das ganze 
Plasma zerstreut sind, besitzen einen Durchmesser von 6-15/i und zeigen 
im Leben eine braune bis braunviolette Farbe. Dieselbe stimmt ziemlich 
genau mit der Farbe überein, die F. E. Schulze (78) bei den Zooxan- 
thellen von Hirdnia varidbilis beschrieben hatte, wie ich mich selbst an 
frischen Hircinien überzeugen konnte.^ Im Übrigen sind die Formen aber 
nicht identisch, wie aus der folgenden Beschreibung hervorgehen wird. 

Die Zellen besitzen eine starke, doppelt conturirte Membran, die bei 
kleineren farblos, bei grofsen leicht bräunlich gef&rbt erscheint. Die Mem- 
bran färbt sich mit Jod und Schwefelsäure blau. In Salzsäure quillt sie 
stark auf und nimmt bei darauf folgendem Zusatz von Jodjodkalium tief 
violette Färbung an. In concentrirter Schwefelsäure löst sie sich vollständig. 
Im polarisirten Licht erscheint sie deutlich doppelt brechend. Bei grofsen 
Zellen kann man bisweilen eine undeutliche concentrische Schichtung be- 
obachten. Aus diesen Angaben folgt, dafs die Membran aus Cellulose 
besteht. 

Der braune Farbstoff ist an zwei Chromatophoren gebunden, die dicht 
unter der Membran, fast die ganze Oberfläche der Zelle einnehmend, ge- 
lagert sind (Fig. 1 2). Sie haben die Gestalt von zwei Kugelcalotten und 
lassen nur einen schmalen Ring von farblosem Plasma zwischen sich auf 
dem Aequator der Zelle frei. Ihre Abgrenzung gegen das Zellinnere ist 
wegen des starken Lichtbrechungsvermögens des körnigen Plasmas nicht 
zu erkennen. Bei Behandlung mit Alkohol wird, wie bei den Zooxanthel- 
len der Actinien (nach Brandt [83]), zuerst ein rother Farbstoff ausge- 
zogen, während der zurückbleibende grüne Farbstoff länger der Lösung 
widersteht. 

Derartige Chromatophoren sind meines Wissens noch nicht bei Zooxan- 
thellen beobachtet, obwohl abgegrenzte Farbstoff körper bei den gelben 2^1- 

^ Eine goldgelbe Farbe, wie sie Brandt (a.a.O.) hier beschreibt, habe ich nicht be- 
obachten können. 



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Generationswechsel von Trichosphnerium sieboldi Sehn. 57 

len der Anthozoen nach Brandt vorkommen sollen; doch finde ich keine 
Angaben Ober Gestalt und Zahl der Platten, vermag daher nicht zu sagen, 
ob sie ähnlich denen von Trichosphaerien sind, auch aus den Abbildungen 
ist nichts hierüber zu entnehmen. 

Das Plasma der braunen Zellen enthält stets eine Anzahl stark licht- 
brechender Körner; ein Theil derselben förbt sich mit Jod blau, ist also 
Stärke. Diefs ist ein wichtiger Unterschied von den Zooxanthellen der Ac- 
tinien, mit denen die braunen Zellen von Trichosphaerium grofse Ähnlich- 
keit, besonders in Bezug auf den Farbstoff und die Gröüse besitzen. Dort 
kommt nämlich stets nur ein einziges grofses hohles Stärkekorn vor, das 
etwas andere chemische Zusammensetzung besitzt, auch nicht doppelt 
brechend wie echte Pflanzenstärke ist. Es färbt sich nämlich mit reinem 
Jod nicht blau, sondern gelb oder braun. Brandt hat die Ansicht, dafs 
es aus einer anderen Modification der Stärke besteht. 

Ein Theil der Körnchen bei den Trichosphaerium'ZooxB,nthel\eny die 
ebenso wie die Stärkekörnchen doppelt brechend sind, wird durch Jod- 
behandlung nicht verändert. Brandt, welcher feststellte, dafs derartige 
Körnchen bei fast allen Zooxanthellen vorkommen, hält sie far Assimila- 
tionsproducte , weil sie bei intensiver Belichtung der Organismen zahlreicher 
wurden. Bei Trichosphaerium besitzen sie grofse Ähnlichkeit mit den Excret- 
körnchen, mit denen sie auch im Verhalten gegen Säuren und Alkalien über- 
einstimmen, soweit sich diefs bei der Kleinheit dieser Bildungen ermitteln 
läfst; es dürfte daher nicht unmöglich sein, dafs es ähnliche Bildungen sind. 

Die braunen Zellen besitzen einen ziemlich grofsen kugeligen 2Jellkern, 
der fast stets im Centrum der Zelle liegt. Im Leben erscheint er als helle 
Blase mit einem deutlichen stärker lichtbrechenden Binnenkörper. Am con- 
servirten und gefärbten Object tritt ein deutliches chromatisches Netzwerk 
hervor, das ich für den optischen Ausdruck eines . Alveolenwerks halte. 

Die braunen Zellen vermehren sich durch Zweitheilung, wie diefs ja 
von vielen Zooxanthellen bekannt ist; daher will ich nicht näher hierauf 
eingehen. Über die vorausgehende Kerntheilung ist jedoch meines Wissens 
nichts Näheres bekannt geworden; daher dürften einige Angaben hierüber 
von Interesse sein. 

Der ruhende Kern besitzt Kugelgestalt. Eine Membran vermochte ich 
mit den stärksten Vergrößerungen nicht wahrzunehmen. Untersucht man 
den mit Haematoxylin gefärbten Kern mit sehr starken Vergrößerungen, 
Phi/s, Äbh, nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899. L 8 



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58 F. Schaudinn: 

so erscheint er vollständig und gleichmft&ig erftlllt von einem feinen , star- 
ker gefärbten Netzwerk, das ich fiir den optischen Durchschnitt eines Al- 
veolensystems halte; die Knotenpunkte des Netzwerks sind verdickt und am 
stärksten gefärbt; es macht den Eindruck, als ob hier noch besondere Körn- 
chen eingelagert wären, indessen mufs ich diefs, der grofsen Kleinheit dieser 
Structuren wegen, unentschieden lassen. An der Oberfläche bilden die 
Maschen einen mehr oder weniger deutlichen Alveolarsaum , ebenso läfst 
sich diefs um den stets in der Einzahl vorhandenen Binnenkörper beob- 
achten. Der letztere liegt nicht immer central, sondern bisweilen excen- 
trisch, ja sogar an der Peripherie. Er besitzt kugelige oder ovale Gestalt, 
zeigt bedeutendes Lichtbrechungsvermögen und ist besonders stark mit 
Eisenhaematoxylin färbbar. Er behält bei Extrahiren den Farbstoff länger 
als das chromatische Gerüstwerk (Fig. 5 5 Taf VI). 

Netzartige Kernstructuren sind bei Zooxanthellen bereits von Brandt 
beobachtet, sollen aber selten sein (nur bei den gelben Zellen von Corwo- 
lutä). Meist sind nach diesem Autor die Kerne homogen. Es ist mir wahr- 
scheinlich , dafs diese Homogenität entweder durch die Fixirung hervorge- 
bracht oder bei Anwendung zu schwacher Vergröfserungen vorgetäuscht ist; 
ich finde die netzige Structur bei den Zooxanthellen der Foraminiferen auch 
stets sehr deutlich. 

Die ersten Anzeichen fiir den Beginn der Kerntheilung sind eine Ab- 
plattung des kugeligen Kerns und die Verdoppelung des Binnenkörpers. 
Es ist mir wahrscheinlich geworden, dafs der letztere sich durch einfache 
Durchschnürung theilt, weil ich bisweilen hanteiförmig gestaltete Körper- 
chen sah. Gleichzeitig hat eine Umlagerung des Alveolenwerks stattge- 
funden; die vorher unregelmäfsig durch den Kernraum vertheilten Alveolen 
haben sich zu parallelen Maschenzügen angeordnet, die durch den ganzen 
Kern von dem einen abgeplatteten Pol zum anderen ziehen. Besondere Diffe- 
renzirungen an den Polen, wie Polplatten und Protoplasmakegel, sind nicht 
zu beobachten. Die Structur des Kerns erinnert auf diesem Stadium sehr 
an die Bilder, die Lauterborn (95) bei der Kerntheilung von Ceratmm be- 
obachtete. Er beschreibt auch, dafs der Kernraum von parallelen Cliro- 
matinfaden durchzogen wird, die zarte Verbindungsföden zwischen sich er- 
kennen lassen, und fafst die Structur ebenfalls als alveolär auf. 

Ein weiteres Stadium der Kerntheilung zeigt Fig. 56 Taf. VI; der Kern 
hat sich bereits bedeutend in der Richtung der Kerntheilungsaxe in die 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 59 

Länge gestreckt. Die Maschenzüge haben sich in der Aequatorialzone ge- 
theilt und bilden zwei durch eine ungefärbte Zone getrennte Abtheilungen; 
beim weiteren Auseinanderrücken derselben nimmt der Kern eine sanduhr- 
fbrmige Gestalt an. Die Nucleolen sind als stäbchenförmige Gebilde zwischen 
den Maschenzögen des Chromatins zu erkennen. Das am meisten vorge- 
schrittene Stadium der Kerntheilung, welches ich beobachten konnte, ist 
in Fig. 57 Taf. VI abgebildet; die chromatischen Theile haben sich schon be- 
deutend von einander entfernt. Im ungefärbten Abschnitt der Kernspindel 
ist genau in der Mitte zwischen den beiden Kernpolen eine intensiv färb- 
bare Platte aufgetreten, die auf der Theilungsaxe des Kerns senkrecht steht. 
Dieselbe dürfte ein ähnliches Gebilde sein wie die sogenannte »Zwischen- 
platte« Strafs burger 's. Sie bezeichnet die Ebene, in welcher die Tren- 
nung der beiden Tochterzellen erfolgt. Man kann sie noch deutlich nach- 
weisen, wenn die Scheidewand zwischen den beiden Zellen schon ausge- 
bildet ist; sie liegt als linsenförmiger Körper im Centrum derselben. Auf 
diesem Stadium haben die Tochterkeme bereits wieder die Structur des 
ruhenden Kerns angenommen (Fig. 54 Taf. VI). 

Die Art der Kerntheilung, welche hier nur in wenigen Stadien ge- 
schildert werden konnte, kann man wegen der charakteristischen fädigen 
ümlagerung des Chromatins nicht als directe ohne weiteres bezeichnen. 
Ebenso wenig ist es aber eine typische Mitose. Ich möchte sie, wie zahl- 
reiche Kerntheilungsmodi der Protozoen, die in den letzten Jahren bekannt 
geworden sind, als eine Zwischenstufe der mitotischen und amitotischen 
Kerntheilung auffassen und sie am ehesten mit der Kerntheilung von Cera- 
tium nach Lauterborn (95) vergleichen, möchte aber bezüglich des Binnen- 
körpers die Muthmafsung aussprechen, dais er eine ähnliche Rolle spielt 
wie das »Nucleolo- Centrosoma« bei verschiedenen Amoeben und Flagellaten. 
Bei anderer Gelegenheit werde ich eingehender auf diese Frage, die fär 
die Phylogenie der Kerntheilung von Wichtigkeit ist, zurückkommen. 

Bereits am Anfang dieses Capitels wurde erwähnt, dafs bei hungernden 
Trichosphaerien die Zooxanthellen die Thiere als Schwärmer zu verlassen 
im Stande sind. Ich habe viermal Gelegenheit gehabt, diesen Vorgang zu 
beobachten, und will ich etwas näher darauf eingehen, weil es für die Frage 
nach der Zugehörigkeit der Zooxanthellen von Wichtigkeit ist. 

Bei meinen Hungerculturen schlüpften die Zooxanthellen stets auf dem 
Stadium der Degeneration aus, in welchem fast alle Nahrungsreste ausge- 

8* 



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60 F. Schaudinn: 

stofeen waren und das Plasma anfieng, groh vacuolisirt zu werden (vergl. 
das Capitel über Verhungern). Die Kerne zeigten schon den Beginn der 
Zusammengruppirung in kleine Häufchen. Das erste Anzeichen, dafs eine 
Zooxanthelle bald ausschlüpfen wird, besteht in einer rotironden Bewegung 
des Plasmas innerl\alb der Zellulosehülle. Wenn diese ziemlich lebhafte Ro- 
tation eine kurze Zeit (etwa lo Minuten) angedauert hat, platzt plötzlich 
die Membran an einer Stelle, und aus dem mit zackigen Rändern versehe- 
nen Rifs drängt sich teigartig das Protoplasma heraus und kriecht nach 
Art einer Amoebe in Gestalt eines ovalen braunen Klumpchens aus dem 
Wirthsthier heraus (Fig. 1 3 Taf. IV). Das Kriechen hat grofse Ähnlichkeit 
mit der Bewegung von Amoeba Umax unter lebhaftem Vorwärtssprudeln des 
Protoplasmas. Nachdem der kleine Plasmaklumpen eine Weile umherge- 
krochen ist, tritt allmählich Ruhe in seinem Plasma ein; er nimmt ovale 
Gestalt an und bildet an einer Seite dicht unter dem Pole des Ovoids eine 
seichte Vertiefung. Ganz unmerklich erheben sich vom Grunde dieser Grube 
zwei hyaline Fortsätze, die sofort vom Beginn ihrer Erhebung an in leb- 
haft flirrender Bewegung sind, immer länger werden und schliefslich zwei 
gleich lange Geifseln darstellen, mit deren Hülfe die zum Schwärmer ge- 
wordene Zooxanthelle sich fortbewegt. Gleichzeitig mit der Erhebung des 
Plasmas und seiner Umbildung zu Geifseln bildet sich vom Grunde der 
Einsenkung eine schlundartige Röhre, die etwas gebogen eine kurze Strecke 
in das Plasma sich erstreckt. Bei der Beobachtung dieser Erscheinungen 
kam mir unwillkürlich die Idee, dafs die Geifselbildung und die Schlund- 
entstehung in ursächlichem Zusammenhang stehen, etwa derart, dafs beim 
Hervorwachsen der Geifseln das Material hierzu den Defect der Schlundröhre 
erzeugt. Eine Rolle bei der Ernährung spielt diese Röhre wohl ebenso 
wenig hier wie bei zahlreichen anderen holophy tisch lebenden Flagellaten. 

Die Chromatophorenplatten sind dorsal und ventral (ventral die Schlund- 
seite) dicht unter der Oberfläche gelagert. Sie zeigen genau dieselbe Ge- 
stalt und Anordnung wie die entsprechenden Gebilde bei den Angehörigen 
der F'lagellatengattung Cryptomonas , mit denen die Schwärmsporen auch in 
Bezug auf Gestalt, Schlund und Geifseln übereinstimmen, so dafs ich glaube 
mit grofser Wahrscheinlichkeit die Schwärmer in diese Gattung stellen zu 
können. 

Ich komme demnach zu dem Resultat, dafs die Zooxanthellen von Trir 
cfu)sphaerium nicht Algen, etwa Melanophyceen (nach Brandt) sind, son- 



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Generatiovswechsel von Trichosphaerivm siebolrli Sehn. 61 

(lern Ruhestadien von Flagellaten, die ich zur Gattung Cryptomonas stelle 
und provisorisch mit dem Speciesnamen Cr. brandti zu Ehren des Erfor- 
schers der Zooxanthellen belege. Provisorisch nenne ich den Namen darum, 
weil es nicht ausgeschlossen ist, dafs eine genaue Untersuchung des Zeu- 
gungskreises der Cryptomonadinen vielleicht eine Identificirung mit einer 
schon bekannten Species möglich macht; vor der Hand ist diefs aber bei 
unseren geringen Kenntnissen »von den Lebehsschicksalen der Flagellaten 
nicht möglich. Sehr gut mit meiner Auffassung stimmt die Kerntheilung 
überein. die, wie bereits früher erwähnt, außerordentlich an die Kernthei- 
lungen der frei lebenden Flagellaten erinnert. 

Ahnliche Umbildung der Zooxfinth eilen in Schwärmer, wie sie hier ge- 
schildert wurden, hat Brandt (83) bei den von den Tri /lOsphaeriurn-Com' 
mensalen sehr abweichenden gelben Zellen der koloniebildenden Radiolarieu 
constatirt. Er nannte diese Form zxievst Zooxanthella nutricula (1881), wies 
dann aber (1884) darauf hin, dafs das Schwärmerstadium großse Ähnlich- 
keit mit Exuviaello marina besitzt, einer Flagellate, die Cienkowski {81) 
im Weifsen Meere entdeckte. Klebs (84) zeigte dann, dafs Exuviaella wahr- 
scheinlich identisch ist mit Dinopyxis laevis Stein einem Dinoflagellaten , so 
dafs also Brandt zu dem Resultat kommt, dafs die gelben Zellen von 
Radiolarien nur Ruhezustände der Peridinee Dinopyxis mit grofser Wahr- 
scheinlichkeit sind. 

Für die gelben Zellen von Acanthometra suchte Brandt (83) Bezie- 
hungen zu ganz anderen Organismen wahrscheinlich zu machen, nämlich 
zu den räthselhaften Labyriuthulcen , die Cienkowski (67) entdeckt hatte. 
Besonders stützt er sich hierbei auf den Stärkegehalt, die gelbe Färbung 
und die spindelförmige oder ovale Gestalt der Zellen von Labyrinthula vi- 
tellina Cienk., die gewisse Ähnlichkeit mit den spindelförmigen Commen- 
salen von Acanthometra zweifellos besitzen. Sicher scheint mir diefs aber 
durchaus nicht zu sein, um so weniger, als ich bei der nahe verwandten 
Labyrinthula macrocystis Cienk. mich davon überzeugen konnte, dafs diese 
Form ein an und in Algen schmarotzender Rhizopode ist; der Stärkegehalt 
derselben rührt aus den verzehrten Algen her, wie ich in einer besonde- 
ren Arbeit, die Ober die Organisation dieses Wesens handeln wird, nach- 
weisen werde. 

Als allgemeines Resultat dieser Betrachtungen ergibt sich die That- 
sache, dafs man über die Natur und systematische Stellung der Zooxan- 



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62 F. Schaudinn: 

thellen erst aus ihrem freilebenden Stadium Aufklärung erlangen kann. 
Ferner lehren schon Brandt' s Untersuchung Ober die gelben Zellen der 
Radiolarien und meine hier vorliegende über die Commensalen von Tricho- 
sphaerium. dafs die unter dem Namen ^Zooxantheüa^ zusammengefafeten 
Gebilde sehr verschiedener Natur und Herkunft sind. Hier eröffnet sich 
noch ein weites Feld der Untersuchung sowohl für den Botaniker als den 
Zoologen. * 

b. Die Grundsubstanz des Weichkörpers. 

Während die älteren Protozoenforscher die Substanz, welche die ver- 
schiedenen geformten Inhaltsgebilde des Weichkörpers verbindet, fiir durch- 
aus gleichartig hielten und sie deshalb »homogene Grundsubstanz« der 
Sarkode nannten, haben die neueren Untersuchungen, die mit stärkeren 
Vergröfsenmgen und besseren technischen Hülfsmitteln arbeiteten, erkannt, 
dafs auch diese Substanz in vielen Fällen noch zusammengesetzter Art ist 
oder wie man auch sagte »eine feinere Structur besitzt«.^ Zunächst glaubte 
man, dafs diese Structur in einer sehr gleichmäfsigen Granulirung bestehe. 
In neuerer Zeit suchte man aber, offenbar unter dem anregenden Einflufs 
der Plasmatheorien von Fromman, Bütschli, Flemming und Anderen, 
eine complicirtere Structur nachzuweisen. Bei den Rhizoj^oden kommen die 
meisten neuesten Untersucher, von denen ich nur Bütschli, Erlanger, 
Lauterborn, Rhumbler, Schaudinn, Schewiakoff erwähne, über- 
einstimmend zu dem Resultat, dafs die feinste noch sichtbare Structur des 
Protoplasmas eine alveoläre im Sinne der Bütschli 'sehen Wabentheorie 
sei, was sogar von heftigen Gegnern dieser Theorie, wie z.B. Flemming, 
anerkannt wurde. 

Im Wesentlichen zeigt die Grundsubstanz des Weichkörpers von Tricho- 
sphaerium ähnlichen Bau, wie ich (95) ihn eingehend bei der Foraminifere 
Calcituba beschrieben habe. Die Auffassung von der Structur, welche ich 
mir dort gebildet habe, gilt auch ftir Trichosphaerium, Es ist folgende: die 
Grundsubstanz ist aus zwei optisch -differenten Bestandtheilen zusammen- 
gesetzt. Eine stärker lichtbrechende und eine hellere Substanz sind in Form 



* Nach meinem »Sprachgefühl eine etwas schiefe Ausdrucksweise, weil man bei Flüssig- 
keiten, deren das Protoplasma doch eine ist, nicht von Structur zu sprechen pflegt. Doch 
hat sich der Ausdruck zu sehr eingebürgert, um ihn mit Erfolg durch einen anderen, etwa 
"Zusammensetzung" oder »Aufbau«, zu ersetzen. 



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Generationswechsel von Trichosphaerium * sieboldi Sehn. 63 

einer Emulsion durch einander gemengt, doch in äufserst feiner und gleich- 
mäfsiger Weise. Die hellere Substanz erfüllt in Tröpfchenform die stärker 
lichtbrechende so vollständig, dafs die letztere optisch nur als das Faden- 
werk eines feinen Netzes erscheint, während die hellen Tropfen die Maschen- 
räume bilden. 

Dafs die stärker lichtbrechende Substanz nicht eine feste Structur be- 
sitzt und etwa ein spongiöses Gerüstwerk darstellt, beweist die Thatsache. 
dafs die hellen Tröpfchen ihre Gestalt und Anordnung, wenn auch äufserst 
langsam, ändern, was nur möglich ist, wenn sie in eine flössige Masse ein- 
gebettet sind. Das starke Lieh tbrechungs vermögen dieser Substanz deutet 
wohl eine zähflüssige Consistenz an. 

Am lebenden Thier überzeugt man sich am leichtesten von der Alveolar- 
structur des Protoplasmas bei den Sporonten; wenn dieselben sich flach 
auf dem Deckglas ausgebreitet haben, vermag man an den dünnen Rand- 
partien des Weichkörpers die Vacuolisirung ausgezeichnet zu studiren. 
Trichosphaerium ist för das Studium der feinsten Plasmastructuren beinahe 
ein noch günstigeres Object als die Foraminiferen , weil das Plasma hier 
nur äufserst langsam sich bewegt, während bei jenen, wie ich bei Calcituba 
nachgewiesen habe, sehr lebhafte Strömungen fortwährend das Bild ändern. 
Diesem Vortheil steht allerdings ein kleiner Nachtheil gegenüber. Bei den 
Foraminiferen ist nSmlich das Lichtbrechungsvermögen des Alveoleninhalts 
sehr viel geringer als das der Wandsubstanz , während bei Trichosphaerium 
dieser Unterschied etwas weniger stark ausgeprägt ist; daher erscheint das 
Net^bild bei letzterem Rhizopoden etwas blasser. Indessen kann man auch 
hier durch geeignetes Abblenden (was nicht ganz leicht ist) sehr scharfe 
und klare Bilder erhalten. Als Lichtquelle ist besonders Gasglühlicht oder 
noch besser Zirkonlicht zu verwenden, mit letzterem kann man noch bei 
300ofacher Vergrösserung gut arbeiten; Tageslicht ist fiir das Studium der- 
artiger Structuren nicht zu verwenden. 

Bei conservirten und gefärbten Thieren ist die alveoläre Structur der 
Grundsubstanz naturgemäfs leichter zu erkennen als beim lebenden Thier; 
dais bei Anwendung meiner Fixirungsmittel (Sublimatmischungen) die Struc- 
tur jemals verändert war, habe ich nicht beobachtet, vielmehr habe ich mich 
durch genaue Messungen überzeugt, dafs keinerlei Schrumpfung eintritt. 

Beim gefärbten Object treten besonders deutlich als stärker tingirte 
Punkte die Knoten des Maschenwerks hervor. Ob hier besondere Körnchen 



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64 F. ScH audinn: 

liegen oder nur die Alveolen wandsubstanz stärker angehäuft ist, läfst sich 
bei der Kleinheit der Bildungen schwer nachweisen. Dafs wirklich beson- 
dere körnige Bildungen, die sich ebenso wie die Wandsubstanz der Alveo- 
len färben, niclit nur in den Knotenpunkten der Maschen, sondern auch 
gehSuft als kleine Körnerinseln zwischen den Alveolen vorkommen, ist be- 
reits früher gesagt worden (vergl. das Capitel über Körnerbildungen). Doch 
sind die Bildungen von constanter, ziemlich bedeutender Gröfse ( i fj) und 
nicht mit den kleinen Knotenpunkten des Maschenwerks zu verwechseln. Die 
Frage, ob es besondere Structuren des Plasmas oder Stoffwechselproducte 
sind, ist auch in jenem Capitel discutirt worden, konnte aber nicht mit 
Sicherheit entschieden werden. 

Als schönste Färbung far die feinste Plasmastructur erwies sich die 
Eisenhaematoxylinfärbung nach Heiden hain; fast ebenso gute Bilder er- 
gab aber auch Fixirung mit Flemming's Chromosmiumessigsäure und Nach- 
behandlung der Schnitte mit Holzessig (nach von Mährenthal). 

Die Untersuchung der verschiedenen Entwickelungsstadien von Tricho- 
sphaerium ergab bezüglicl) der Alveolarstructur der Grundsubstanz keine 
Unterschiede, und ist daher eine besondere Besprechung derselben über- 
flüssig. Nur auf einige Unterschiede gegenüber den Foraminiferen will ich 
noch hinweisen. 

Die Gröfse der Alveolen ist] bei Trichosphaerium stets sehr gleichmäfsig 
(^-i/i), viel constanter als bei Calcituba und anderen Thalamophoren. Dort 
liefsen sich alle Übergänge von den kleinsten Alveolen {^(x und kleiner) 
bis zu grofsen (20/i und gröfser) Vacuolen nachweisen, und auch Zusam- 
meiifliefsen kleinerer zu gröfseren konnte beobachtet werden. Hier finden 
sich zwar auch gröfse Flüssigkeitsvacuolen , doch deutet schon ihr heller, 
viel schwächer lichtbrechender Inhalt darauf hin. dafs es andersartige Bil- 
dungen sind als die kleinen Plasma -Alveolen (vergl. das Capitel über die 
Vacuolen), und die Entstehung solcher Vacuolen durch Vereinigung der klei- 
nen Alveolen konnte ich niemals beo>)achten und auch keine Übergänge 
zwischen den beiden Bildungen auffinden. 

Dort war das ganze Protoplasma fortwährend in lebhafter Strömung 
begriffen, und wechselten die Alveolen jeden Augenblick ihre Lage zu ein- 
ander; hier kann man sich nur mit grofser Mühe, mit Hülfe des Zeichen- 
apparats, davon überzeugen, dafs überhaupt Verschiebungen im Protoplasma 
stattfinden. 



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Genercdionswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 65 

Über die Umordnung des Alveolenwerks zu faserig- maschigen Struc- 
turen und über die hyaline Grundsubstanz an den Pseudopodienöffiiungen 
wird das Capitel über die Pseudopodien nähere Angaben enthalten. 



c. Die Pseudopodien. 

Durch die Öffnungen der Hülle vermag Trichosphaerium lange, faden- 
förmige, drehrunde, hyaline Pseudopodien auszustrecken, und zwar tritt 
stetÄ nur ein einzelner Plasmafortsatz aus jeder ÖflEhung heraus. Derselbe 
ist von seiner Basis bis zum Ende gleichmälsig dick und endet halbkuge- 
lig abgerundet. Die Pseudopodien der Schizonten und Sporonten zeigen 
keine Unterschiede. Die Länge und Dicke derselben ist bei demselben In- 
dividuum fast gleich, bei verschiedenen Thieren aber variabel. Bei voll- 
kommen ausgebildeten Exemplaren können die Pseudopodien eine Breite 
von 8/i und eine Länge von 90 /i erreichen. 

Merkwürdigerweise herrscht über die äufsere Gestalt der Pseudopo- 
dien, die doch der Beobachtung keine grolsen Schwierigkeiten bereitet, 
wenig Übereinstimmung unter den Autoren. Schneider (78) schildert sie 
als kurz stäbchenförmig, »nur wenig länger als die Borsten« (die Stäbchen 
der Hülle). Diese Angabe ist nicht richtig; vielleicht hat Schneider die 
Pseudopodien nur beim Beginn des Ausstreckens gesehen. Greeff (69a) 
und Gruber geben eine richtige Darstellung. Gruber (83) will jedoch 
aufser den fadenförmigen noch eine zweite Art von Pseudopodien gesehen 
haben, nämlich breite, lappenförmige Fortsätze, jedoch nur, wenn das Thier 
sich stark abtlachte. Der letztere Umstand macht es wahrscheinlich, dafs 
diese Bildungen durch zu starken Deckglasdruck veranlaiste Kunstproducte 
sind, wenigstens habe ich in solchen Fällen bisweilen das Protoplasma in 
Lappenform aus der Hülle hervortreten sehen. Bei normalen Individuen 
finden sich derartige Plasmafortsätze nicht. Eine vollständig abweichende 
Darstellung gibt Möbius (89) von den Pseudopodien der Kieler Form. Aus 
den Poren der Hülle tritt das Protoplasma des Weichkörpers in der Form 
rundlicher lüppchen hervor. » Das austretende Plasma ist farblos ; es ent- 
hält feine Körnchen, oft auch Stäbchen. Die hervorkommenden Klümpchen 
bilden kleinere lappige einfache oder gröfsere verzweigte Massen. Diese 
eigenthümlichen Pseudopodien treten besonders an solchen Stellen aus den 
Poren der Hülle hervor, wo diese von anliegenden Pflänzchen berührt wird, 
Phys. Abh. nicht zur Akad, gehör. Gelehrter, 1899. I. 9 



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66 F. Schaüdinn: 

um welche sich dann die Pseudopodien herumlagem. « Derartige Gebilde 
hat auXser Möbius kein anderer Autor beschrieben; auch habe ich nie- 
mals Ähnliches gesehen. Grreeff (92) glaubt, dafe diese Plasmaklümpchen 
durch Deckglasdruck veranlafst seien, übersieht aber, dafs Möbius aus- 
drücklich angibt im hängenden Tropfen beobachtet zu haben und die Deck- 
gläser mit Wachsfüüschen unterstützte. Demnach ist diese Erklärung der 
Abweichung ausgeschlossen. Da Möbius die merkwürdigen Pseudopodien 
nicht nur beschreibt, sondern auch gut abbildet, kann man an ihrer Exi- 
stenz nicht zweifeln, und trete ich der Annahme Greeff's bei, dafs Möbius 
eine abweichende Form (andere Art oder Varietät, vergl. den systematischen 
Theil) vorgelegen hat, was auch durch den Bau der Stäbchen und die Fort- 
pflanzung, die ebenfalls von dem typischen Trichosphaerium abweichen, wahr- 
scheinlich wird. 

Gruber (83) machte schon die Beobachtung, daCs die Pseudopodien 
der Trichosphaerien sich langsam hin- und herbiegen ; diefs kann ich bestä- 
tigen. Wenn man die Thiere vollkommen ungestört im hängenden Tropfen 
oder Mikro -Aquarium beobachtet, bemerkt man an den Pseudopodien lang- 
sam nutirende Bewegungen, welche die gröfete Ähnlichkeit mit der Dreh- 
bewegung haben, welche ich (94) bei den Pseudopodien des Camptonema 
nvixms beschrieben habe. Wie dort, führen auch hier nicht alle Pseudo- 
podien zugleich die bezeichnete Bewegung aus, sondern nur einzelne. Sie 
beschreiben dabei einen bald sehr spitzen, bald stumpfen Kegelmantel, d. h. 
sie bleiben in ihrer ganzen Länge gerade gestreckt und biegen sich nur 
an ihrer Basis. In anderen Fällen kann sich die Biegung aber auch auf 
das ganze Pseudopodium erstrecken, oder in der Mitte und selbst in der 
Nähe der Spitze gelegen sein. Ähnliche Pseudopodien -Bewegungen sind 
selten bisher beobachtet. Bütschli (78) gibt an, dafs bei Amoeba (Dach/- 
losphaeriurn?) radiosa die fadenförmigen Pseudopodien bisweilen drehende 
Bewegungen ausführen oder mit ihren Spitzen leicht hin- und herpendeln. 
Sehr ähnliche Bewegungen hat Grub er (82) bei seiner Amoeba tentaculata 
beschrieben; doch ist diese Form, wie bereits früher erwähnt wurde, höchst 
wahrscheinlich identisch mit den Sporonten von Trichosphaerium und daher 
die Übereinstimmung der Pseudopodien nicht wunderbar. 

Während die Pseudopodien bezüglich der Nutationsbewegung mit denen 
von Camptonema vollkommen übereinstimmen , ist ihre Structur und Function 
eine andere. Sie besitzen keinen Axenfaden wie die von Camptonema, son- 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 67 

dern sind im l-^eben wie beim conservirten Thier vollkommen hyalin; keine 
Spur von Körnelung ist mit den stärksten Vergröfserungen daran wahrzu- 
nehmen (Taf. Ilf. 21, III, 3). Auch knicken sie nicht bei Berührung an der 
berührten Stelle plötzlich um, wie dort, sondern sie collabiren langsam, 
indem sie ihre glatten Conturen verlieren, und werden dann allmählich 
eingezogen. Ihre Oberfläche ist nicht kleberig, Fremdkörper bleiben nie 
daran haften. Daher vermitteln sie auch nicht die Nahrungsaufnahme, in- 
dem sie Nährobjecte herbeischaflfen. Ebenso wenig dienen sie zur Loco- 
motion, die durch Dahinfliefeen des Plasmas erfolgt, wie bereits früher 
ausführlich geschildert wurde. Sie scheinen vielmehr nur als Tastapparate 
zu functioniren , was Gruber (82) auch für seine Amoeba tentaculata als wahr- 
scheinlich annimmt. Er sagt z. B., dafe an dem vorantreibenden Theil des 
Körpers bei der Bewegung die Pseudopodien mit ihren Kegeln erhalten 
bleiben »und so gewissermaisen als Fühler wirken können«, eine Beobach- 
tung, die man bei Trichosphaerium ebenfalls leicht machen kann, und zwar 
sind hierbei die Pseudopodien alle nach vom gerichtet und fahren dabei 
ihre Drehbewegungen aus. 

Um etwas über den feineren Bau der Pseudopodien zu ermitteln, habe 
ich dieselben im Leben und conservirt mit den stärksten Vergrößerungen 
und nach Anwendung der verschiedensten Färbungsmethoden studirt, aber 
das ausgestreckte Pseudopodium stets völlig structurlos und glasartig hyalin 
gefunden. Es ist sehr stark lichtbrechend, was auf eine grofse Zähigkeit 
hinweist. Hierin stimmt der Charakter des Pseudopodienplasmas sehr mit 
dem von Hyalopus überein, welches von Bütschli sehr genau studirt> wurde 
und ihm die Umbildung von vacuolärem Plasma in hyalines bewies. Ich 
konnte die Beobachtungen Bütschli's(92) an Hyalopm bei Trichosphaerium 
in ganz entsprechender Weise machen und will sie daher nur ganz in Kürze 
anfiihren. Bütschli sagt: »Das Einzige von Structur, was man bisweilen 
an stärkeren Pseudopodien wahrnehmen konnte, ist ein ziemlich dicker, 
dunkler Grenzsaum, welcher pelliculaartig erscheint, und darunter ein heller 
Rand. Beides erinnert lebhaft an eine Alveolarschicht. Mit Rücksicht auf 
diese Beschaffenheit der Pseudopodien verdiente ihr Ursprung aus dem al- 
veolären Plasma des Weichkörpers besondere Beachtung«. Sowohl am leben- 
den wie am conservirten Object kann man sich leicht davon überzeugen, 
dafs die structurlose Plasmamasse der Pseudopodien direct aus der alveo- 
lären des Weichkörpers hervorgeht. Gegen die Basis des Scheinfafschens 



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68 F. Schau DIN n: 

zu werden die Alveolen des Plasmas immer mehr Iftngsgestreckt und blässer, 
so dafs sie optisch das Bild eines nach der Basis des Pseudopodiums zu con- 
vergirenden Faserbündels machen. Leichter als eine Beschreibung kann 
Fig. 3 Taf. IV diefe Verhalten illustriren. Die Streifung oder richtiger die 
radiäre Anordnung der Alveolenzüge dürfte durch Flüssigkeitsabgabe des 
Pseudopodienplasmas mit einiger Wahrscheinlichkeit erklärt werden , in ähn- 
licher Weise wie die radiäre Anordnung der Plasma -Alveolen um die con- 
tractile Vacuole bei ihren Pulsationen. 

Den klarsten Beweis für die Entstehung des hyalinen aus dem alveo- 
lären Plasma erhält man durch directe Beobachtung der Umbildung des 
hyalinen in alveoläres innerhalb der Pseudopodien. Wenn man das aus- 
gestreckte, vollkommen hyaline Scheinftifschen berührt, so coUabirt es, wird 
schla£f und nimmt eine unregelmäJ&ig wellige und buckelige Gestalt an , und 
sofort tritt in den Buckeln eine deutliche Alveolarstructur auf, während das 
Lichtbrechungsvermögen an der alveolären Stelle abnimmt (vergl. Fig. 22 
Taf. III), was man im Gegensatz zum Hyalin werden des Plasmas doch am 
besten durch Flüssigkeitsaufnahme erklärt. Beim Hyalin- und Zähwerden 
des Pseudopodienplasmas wurde Flüssigkeit abgegeben (die Flüssigkeits- 
tröpfchen oder Alveolen verschwanden gegen das Pseudopodium zu, immer 
kleiner werdend), beim Collabiren wurde das Plasma flüssiger durch Auf- 
nahme von Flüssigkeit und Abscheidung derselben in Tröpfchenform (Wie- 
derauftreten der Alveolarstructur). Bütschli postulirt auch för das hyaline 
Plasma eine alveoläre Structur, meint nur, dafs sie mit unseren optischen 
Hülfsmitteln noch nicht wahrnehmbar sei. Als Beweis hierfür sieht er die 
Fähigkeit des hyalinen Plasmas, sich in wabiges umzubilden, und das um- 
gekehrte Verhalten an. Für hyalines Plasma, das schwächer lichtbrechend 
oder, besser gesagt, flüssiger ist als das wabige, mag diefs vielleicht zu- 
gegeben werden können, aber för zähflüssigeres scheint mir meine Erklä- 
rung etwas weniger künstlich zu sein , wenn man überhaupt bei diesen 
Fragen von Beweisen und Erklärungen sprechen darf. Richtiger dürften 
wohl derartige hypothetische Erörterungen nur als Erläuterungen der Be- 
schreibung oder Umschreibungen der Beobachtungen aufgefafst werden. Eine 
mechanische Erklärung ist vor der Hand für derartige Lebenserscheinungen 
nicht möglich, und Hypothesen über dieselben haben nur einen gewissen 
heuristischen Werth. 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Schfi, 69 

d. Die Kerne. 

Bei den früheren Erforschern des Trichosphaerium finden sich keine be- 
stimmten Angaben über die Kernverhältnisse. Gruber (83) färbte die 
Thiere mit Karmin und sah bisweilen im Plasma kleine gef&rbte Partikel, 
die er aber nicht als 2Jellkerne anzusprechen wagte. Mob ins (89) hat bei 
seiner Kieler Form vielleicht schon die Kerne gesehen ; nach Safraninfärbung 
waren zahlreiche »runde Körperchen« roth gef&rbt, von denen dieser For- 
scher die Vermuthung ausspricht, dafs es kleine Kerne sein könnten. Nä- 
here Angaben finden sich nicht in der Litteratur, obwohl die Kerne nicht 
klein sind und leicht gefärbt werden können. 

Im allgemeinen sind die Kernverhältnisse von Trichosphaerium schon 
bei Schilderung des Zeugungskreises erörtert worden. Bei der Beschreibung 
der einzelnen Entwickelungsstadien finden sich stets Angaben über das Ver- 
halten der Kerne, über ihre Zahl, Gestalt, Grölse und Anordnung im Proto- 
plasma. In diesem Capitel erübrigt es daher nur noch, eine genauere 
Schilderung der feineren Structur der einzelnen Kerne und der Art der 
Kemtheilung zu geben, die, wie bereits früher erwähnt wurde, stets in 
gleicher Weise erfolgt. 

Der feinere Bau der ruhenden und sich theilenden Kerne ist bei den 
Schizonten und Sporonten vollkommen gleich; deshalb ist eine gesonderte 
Besprechung der Kernverhältnisse bei diesen beiden Generationen überflüssig. 

Wie wir gesehen haben, ist Trichosphaerium während des grölsten Theils 
seines Lebens vielkemig, nur die Sporogone und Schizogone besitzen einen 
Kern. Auch ist bereits erwähnt worden, dafs bei jeder Kernvermehrung 
alle Kerne sich gleichzeitig theilen, wodurch die Zahl der Kerne in einem 
Individuum mit einem Male verdoppelt wird. Es^ist nun von besonderem 
Interesse , dafs diese Übereinstimmung der Lebensäufserungen der Kerne sich 
auch bis auf die feinste Structur erstreckt. Innerhalb eines Individuums 
befinden sich alle Kerne in genau demselben Stadium und weisen die gleiche 
Structur auf; und zwar zeigt sich dieis Verhalten in allen Entwickelungs- 
stadien. Bei der Kemtheilung tritt diefs besonders frappant hervor; so 
kann man z. B. auf dem Stadium der Tochterplatten durch genaue Messung 
aller Kerne, die auf den Schnitten in gleicher Lage getroflfen sind, nach- 
weisen, dafs in denselben die Tochterplatten stets gleich weit von einander 
entfernt sind. 



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70 F. Schau D ihn: 

Meines Wissens ist bisher ein ähnliches Verhalten der Kerne einer Zelle 
nur in einem Falle beschrieben worden, und zwar bei der stets zweikemigen 
Amoeba hmudeata Gruber. Schon Gruber (84) hatte beobachtet, dafs die 
Grölse und Zahl der Chromatinbrocken in Kernen eines Individuums über- 
einstimmte, und schlofs hieraus »auf eine Congruenz in den Lebenserschei- 
nungen der beiden Nuclei«. Später konnte ich (95) dann nachweisen, daXs 
die beiden Kerne sich stets in demselben Entwickelungsstadium befanden, 
die gteiche Structur besitzen und sich auch gleichzeitig mitotisch theilen, 
so dafe die Amoebe vierkemig wird. Hierauf theilt sich dieselbe in zwei 
zweikernige Stücke, woraus folgt, dafs die Zelle stets zweikemig war und 
dafs die beiden Kerne wie einer functionirten. 

Bei Trkhosphaerifam wird das zweikernige Stadium, auf dem Arnoeba hinu- 
cleata stehen geblieben ist, auch durchlaufen, sowohl von den Schizonten als 
den Sporonten (die einkernigen Schizogone wie die Zygoten werden zweikernig, 
dann vierkernig, achtkernig u. s. w.), doch ist es hier nur von kurzer Dauer. — 
Eigene Beobachtungen an verschiedenen Rhizopoden haben es mir wahrschein- 
lich gemacht, dais mehrere vielkernige Protozoen eine ähnliche »Congruenz« 
der Kerne aufweisen, doch werde ich hierauf bei anderer Gelegenheit eingehen. 

Für das Studium der feineren Kernstructuren und der Kerntheilung von 
Trichosphaerium bietet die Übereinstimmung der Kerne eines Individuums 
einen Vorzug und einen Nachtheil gegenüber Objecten mit diffeventen Kernen. 
Der Vorzug besteht darin, dafs man auf Schnitten durch ein Individuum 
das betreffende Kemstadium sehr genau studiren kann, weil die zahlreichen 
Kerne in den verschiedensten Stellungen vom Messer getroffen werden. Ein 
Nachtheil ist es, dafe man sehr zahlreiche Thiere in Schnittserien zerlegen 
mufs, um alle Übergänge zwischen den einzelnen Kernstadien zu erhalten. 
Sehr erleichtert wiiti diese Arbeit, wie bereits bei Angaben über die Unter- 
suchungsmethoden erwähnt wurde^ durch die Centrifuge. Man kann mit 
Hülfe derselben unbegrenzte Mengen von Thieren zugleich behandeln und 
schneiden. Die Untersuchung der Serien und das Herausfinden bestimmter 
Stadien wird dann durch Zuhülfenahme eines verschiebbaren Objecttisches 
mit Nonius ermöglicht. Auf diese Weise habe ich im Laufe der Jahre gut 
einige Tausend Individuen auf ihre Kernstructuren untersucht, und icli 
glaube wohl kaum ^in Stadium übersehen zu haben. 

Über den lebenden Kern verniag man bei Trichosphaerium nicht viel 
auszusagen, weil die Kerne wegen der zahlreichen undurchsichtigen Inhalts- 



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Generationswechsel von Trichosphaerhim sieboldi Sehn. 71 

gebilde des Plasmas schwer zu erkennen sind. Die Schizonten sind wegen 
des starken Lichtbrechungsvermögens der Hüllenstäbchen för diese Unter- 
suchung ganz unbrauchbar. Bei den Sporonten vermag man auch nur bis- 
weilen in helleren Randpartien die Kerne zu erkennen. Am deutlichsten 
sind sie in den vorbereitenden Stadien der Sporogonie und in den jungen 
Schizonten und Schizogonen zu beobachten. Etwas weniger günstig sind 
wegen des starken Lichtbrechungsvermögens ihres sehr compacten Plasmas 
die Sporogone, doch tiitt der Kern hier ebenfalls sehr klar hervor, wenn 
sie nach der (Kopulation gröber vacuolisirt werden; ich vermochte daher, 
wie ja bereits frülier erwähnt wurde, die Kemverschmelzung ohne grofee 
Schwierigkeit im Leben zu beobachten. Bei schwächerer Vergröfserung er- 
scheint der lebende Kern als scharf begrenzter heller Fleck im Protoplasma; 
von Flüssigkeitsvacuolen ist er durch stärkeres Lichtbrechungsvermögen 
leicht zu unterscheiden. Bei Anwendung stärkster Vergröfserung und künst- 
lichen Lichtes (Gasglühlicht) bemerkt man, dafs derselbe eine deutlich doppelt 
conturirte dünne Membran besitzt, die sich von dem Inhalt und dem um- 
gebenden Plasma durch etwas stärkeres Lichtbrechungsvermögen abhebt. 

Im Innern des Kerns befindet sich ein zartes reticuläres Maschen werk, 
in dessen Knotenpunkten stärker lichtbrechende Kömchen eingelagert sind ; 
nicht selten sind auch die Fäden des Netzwerks mit Kömchen bedeckt, 
während bisweilen die Structur einen vacuolären Eindruck macht, indem 
kleine helle Tropfen durch eine homogene oder feinkörnige Masse vertheilt 
sind. In manchen Kernen tritt ein gröfserer stärker lichtbrechender Bin- 
nenkörper hervor, um den die anstofsenden Maschen gewöhnlich radiär 
angeordnet sind. Auch die an der Membran befindlichen Maschen sind 
häufig in Gestalt eines regelmäfsigen Alveolarsaumes angeordnet, was nach 
Bütschli für eine alveoläre Structur spricht. Bei* Zusatz von Essigsäure 
werden die erwähnten Structuren noch etwas deutlicher, doch nur vorüber- 
gehend, um sich dann aufzulösen. Für das Studium der Kern Veränderun- 
gen sind die lebenden Kerne nicht zu verwenden, weil sich diese Processe 
sehr langsam abspielen. Doch zeigen sie überzeugend, dafe die Structuren, 
die man an gefärbten Kernen bequem studiren kann, auch im Leben vor- 
handen sind und nicht etwa durch die Conservirung hervorgerufen oder 
verändert sind. 

Über die besten KemfSrbungen vergleiche das Capitel über die Unter- 
suchungsmethoden. An den gefÄrbten Kernen lassen sich auf allen Stadien 



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72 F. Schau DIN n: 

folgende Substanzen nachweisen: i. Chromatin, kenntlich an seiner star- 
ken Firbbarkeit mit Kemftrbemitteln ; 2. Kernsaft, nicht flrbbar, schwach 
lichtbrechend; 3. Linin, die Gerüstsubstanz, schwach firbbar, aber stärker 
lichtbrechend als der Kemsaft. Ob die Substanz, aus der die Membran 
besteht, nur Linin ist oder eine besondere andersartige Zusammensetzimg 
hat, wage ich nicht zu entscheiden. Für letztere Annahme spricht das 
Verhalten der Membran bei der Verdauung der Kerne, bei welcher das Li- 
nin zuerst, die Membran aber zuletzt gelöst wird, wie später aus einan- 
der gesetzt werden soll. Von manchen Forscliem wird die Membran nur 
für eine Verdichtung des Kemgerüsts gehalten , wofür der Umstand spricht, 
dafs sie sich bisweilen auch mit Kernfarbemitteln tingirt, also wohl Chro- 
matin enthält. Andere, besonders Botaniker, nehmen eine be,sondere Sub- 
stanz an, die man nach Zacharias (82) als Amphipy renin bezeichnet. 
In Wirklichkeit scheinen mir bei Protozoen alle Möglichkeiten realisirt zu 
sein. Man findet ganz membranlose Kerne, Kerne mit differenzirter Ober- 
flächenschicht, die bald vom Kemgerüst, bald vom Plasma oder auch von 
beiden zugleich geliefert wird, und schlielslich Membranen von zweifellos 
andersartiger chemischer Zusammensetzung. In meiner Rhizopoden -Mono- 
graphie werde ich näher auf dieses Object auf Grund vergleichender Stu- 
dien eingehen. 

Eine andere Substanz, die in den Kernen höherer Thiere niemals zu 
fehlen scheint, bei Protozoen aber nicht immer zu beobachten ist, bildet 
die sogenannten »echten Nucleolen«; man hat sie Paranuclein oder Py renin 
genannt. Auch Trichosphaerium besitzt nucleolenähnliche Binnenkörper in 
manchen Kemstadien, doch scheinen mir dieselben hier nur aus Chroma- 
tin und Linin zu bestehen. Sie färben sich intensiv mit sauren Farbstoflf- 
lösungen und quellen nicht in Essigsäure, sondern gerinnen, was nicht 
mit den Eigenschaften des Paranucleins übereinstimmt. Es sind daher so- 
genannte »falsche Nucleolen«. Ich will sie mit dem ganz indifferenten Na- 
men »Binnenkörper« (nach Rhumbler) bezeichnen. 

In der Zellenlehre pflegt man den Kern in dem Zustand, in welchem 
er sich zwischen zwei Theilungen befindet, als »ruhenden Kern« zu be- 
zeichnen. Bei den meisten Protozoen befindet sich aber der Kern während 
dieser Phase nicht in Ruhe , sondern ändert fortwährend seine Structur. 
Schon R. Hertwig (84) hat diefs bei den Kernen von Actmosphaerium richtig 
erkannt und in seiner classischen Monographie klar ausgesprochen. Er 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 73 

sagt: »Von einem ruhenden Kern kann man streng genommen nicht re- 
den, weil auch in den Zwischenräumen zwischen zwei Theilungen die Kerne 
beständigen Veränderungen unterliegen, nur dafis dieselben sich äuXserst 
langsam vollziehen. Man kann ihren Zusammenhang daher nicht durch 
directe Beobachtung feststellen, sondern mufe die neben einander auftre- 
tenden Zustände combiniren und daraus sich von der Umwandelung der 
Kernformen ein Bild entwerfen«. Diese Worte gelten auch für die Kerne 
von Trichosphaerium. 

Welcher Art sind nun diese Structurveränderungen ? Zunächst läfst 
sich nachweisen, dafs eine ganze Anzahl Stadien keinerlei Beziehungen zu 
der Kerntheilung aufweisen und daher nictt als Vorbereitung oder Folgen 
derselben aufzufassen sind. Die Veränderungen dieser Stadien bestehen 
I. in Umlagerungen der Kemsubstanzen , 2. in Zu- und Abnahme dersel- 
ben y also Vorgängen, die eher mit dem Stoffwechsel als mit der Vermeh- 
rung des Kerns zu thun haben. Ich möchte daher diese Stadien des so- 
genannten »ruhenden Kerns« als vegetative bezeichnen, im Gegensatz 
zu den »reproductiven«, welche Vorbereitungen zur Kerntheilung darstellen. 

I. Die vegetativen Kernveränderungen. Da man eine Anzahl 
recht differenter Kernformen immer wieder vorfindet, so wird man zu der 
Vermuthung geführt, dafs alle Kerne dieselben Stadien durchmachen, und 
diese Annahme findet sich durch das Vorkommen aller Übergänge zwischen 
den differenten Stadien bestätigt. Die Gröfee der Kerne ist als Kriterium 
bei der Combination der einzelnen Kernformen nicht zu verwenden, son- 
dern nur die feinere Structur. Während die Kerne eines einzelnen Indi- 
viduums recht constante Gröfse besitzen, zeigen sich bei verschiedenen 
Thieren und Entwickelungsstadien grofse Schwankungen hierin. Ich habe 
Kerne von 6/i bis 20/i Durchmesser beobachtet; die kleinsten bei Sporen, 
die gröfsten bei Sehizogonen und Schizonten. 

Die Gestalt der Kerne ist nicht so grofsen Schwankungen unterworfen, 
sie ist meist kugelig oder oval, selten unregelmäisig polygonal, und es 
läist sich in solchen Fällen stets nachweisen, dafs abweichende Form durch 
den Druck umliegender Fremdkörper (Nahrungskörper, Sterkome) hervor- 
gerufen ist. Die Kernmembran bleibt in allen Stadien erhalten und er- 
leidet keine sichtbaren Veränderungen. 

I. Stadium. Liniu in Gestalt eines gleichmaschigen feinen Ge- 
rüstwerks (Maschenweite i/i). Chromatin spärlich in Gestalt 
Bn/8. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 10 



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74 F. Schaüdinn: 

kleiner (-J—i//) Körnchen nur in den Knotenpunkten des Gerüsts. 
Ein chromatischer Binnenkörper vorlianden. (Fig. i.) 

Von der optisch als Netzwerk erscheinenden Structur des Linins läfet 
sich wegen der Kleinheit der Maschen nicht mit Sicherheit aussagen, ob 
sie ein Alveolenwerk oder ein f&diges Geröstwerk darstellt. Das erstere 
ist mir wegen der häufig zu beobachtenden Alveolarsäume wahrschein- 
licher. Der Binnenkörper hat sich ebenso wie das sehr feinkörnige Chro- 
matin gefilrbt. Derselbe liegt bald central, bald excentrisch, ist scharf 
conturirt und zeigt eine äufeerst feine Granulirung. Im Innern machen 
sich 1-2 kleine helle Vacuolen bemerkbar. 

n. Stadium. Linin in Gestalt eines gleichmaschigen groben 
Gerüstwerks (Maschenweite 3-4/i), Chromatin spärlich und dif- 
fus in den Knotenpunkten des Gerüsts. Binnenkörper fehlt. 
(Fig. 6.) ^ 

Die Übergänge vom I. zum 11. Stadium sind in den Figuren 2-5 dar- 
gestellt. Fig. 2. An einer Seite sind die Lininmaschen wahrscheinlich durch 
Flüssigkeitsaufhahme seitens des Kerns bereits vergröfsert; auch der Binnen- 
körper ist gröfser geworden, enthält aber mehr Vacuolen, so dafis er dif- 
fuser gefärbt erscheint. Fig. 3. Weiteres Fortschreiten der Maschenerwei- 
terung; Beginn der Auflösung des Binnenkörpers in Chromatinbrocken durch 
Knospenabgabe. Fig. 4. Diffuswerden des körnigen Chromatins (wahrschein- 
lich durch Auflösung in der Lininsubstanz) ; Binnenkörper sehr verkleinert. 
Fig. 5 leitet ohne weitere Erklärung zu Fig. 6 über. 

III. Stadium. Linin verdeckt, Chromatin stark vermehrt, er- 
füllt in feinkörnigem Zustande den ganzen Kern, nur einige 
gröfsere Kernsaftvacuolen (1-3/i) sind darin enthalten. (Fig. 14.) 

Diefs Stadium, das mit dem vorigen gar keine Ähnlichkeit besitzt, 
wird durch die in Fig. 7-13 abgebildeten Kernfonnen erreicht. Das dif- 
fuse Chromatin (Fig. 6) beginnt sich in den Knotenpunkten des Lininge- 
rüsts zu groben Körnern zu consolidiren , die sich dann durch Theilung 
vermehren , dabei kleiner werden (Fig. 8) und auf das Faden werk übertre- 
ten, bis sie es ganz erfüllen und damit das Linin verdecken (Fig. 9). Die 
Vermehrung des Chromatins schreitet fort, wobei es immer feinkörniger 
wird und den Kernsaft in Vacuolen zusammendrängt (Fig. 1 2), die allmäh- 
lich kleiner werden. Während der Vermehrung des Chromatins innerhalb 
des Gerüst Werks ist meist nur eine feine Granulirung desselben wahrzu- 



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Generaäonstjoechsel von TrkhosphcLeriuTn sieboldi Sehn. 75 

nehmen; auf manchen Stadien ordnen sich nher die Kömchen zu einer 
sehr feinen Netzstructur an (Fig. ii). 

Von dem chromatinreichen HI. Stadium wird das I. Stadium wiederum 
durch Auftreten vieler kleiner Kemsaftvacuolen erreicht. In Fig. 14 ist 
ihre Zahl noch mälsig, das Chromatin überwiegt; Fig. 15 zeigt, wie winzig 
kleine Tröpfchen auftreten und alhnählich das dichte Chromatin auflockern. 
In Fig. 16 ist schon der Kern gleichmäfsig vacuolisirt, und seine Structur 
erinnert bereits lebhaft an das gleichmäfsig feine Gerüst der Figur i . Die 
Chromatinkörnchen vereinigen sich schon in den Knotenpunkten des Maschen- 
werks. Durch dichtere Anhäufung derselben an einer Stelle Avird der Bin- 
nenkörper gebildet. Hiermit ist der Kreis vegetativer Kernveränderungen 
geschlossen; leider vermag man sich vorläufig noch nicht über die physio- 
logische Bedeutung derselben eine Vorstellung zu machen. Nur so viel dürfte 
plausibel sein, dafs es Stoflfwechselvorgänge sind, die sich zwischen Kern 
und Protoplasma abspielen, denn die Flüssigkeitszunahme kann man doch 
nur durch Aufnahme aus dem umgebenden Plasma erklären. Ähnlich re- 
gelmäfsig ablaufende Kernveränderungen sind meines Wissens bei den vege- 
tativen Zuständen von Zellkernen bisher noch nicht beschrieben worden, 
doch ist es mir nach Untersuchungen an anderen Objecten sehr wahrschein- 
lich geworden, dafs sie eine weite Verbreitung besitzen. Dafs andere Pro- 
tozoenforscher gelegentlich auch abweichende Stadien des ruhenden Kerns 
gesehen haben , geht aus der Litteratur hervor, doch haben sie meist aus 
Mangel an Material (denn es gehört ein sehr reiches Material hierzu) die- 
selben nicht zu einem einheitlichen Kreis combiniren können; zum Theil 
ist aber auch Schuld daran, dafs man sich bei Kemuntersuchungen mei- 
stens nur für die Kerntheilung interessirt und daher alle nicht hierzu in 
Beziehung stehenden Stadien vernachlässigt oder nur nebenher erwähnt. 

2.. Die reproductiven Kernveränderungen. Dieselben gehen 
von dem in Fig. i abgebildeten Stadium des »ruhenden Kerns« aus. Die 
erste Andeutung, dafs die Kerne sich zur Theilung anschicken, besteht in 
einem Zerfall des Binnenkörpers, der durch Theilung und Knospung all- 
mählich in kleine Chromatinpartikel aufgelöst wird (Fig. 17-20). Was diese 
Stadien aber scharf von den Übergangsstadien von der I. zur II. vegetati- 
ven Phase trotz des ähnlichen Verhaltens des Binnenkörpers unterscheiden 
läfst, ist der Umstand, dafs hier die Lininstructur feinmaschig bleibt, ja 
eher noch feiner und regelmä&iger wird, während sie dort gleichzeitig 

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76 F. Schaüdinn: 

mit der Auflösung des Binnenkörpers sehr grobmaschig wurde (vergl. die 
Figuren i-6 mit Fig. 17-21). 

Ein ganz ähnlicher Zerfall des Binnenkörpers vor Beginn der Kem- 
theilung wurde schon von R. Hertwig (82) >)ei den Kernen von Actmo- 
sphaerium beschrieben. Ich selbst (93) habe dann bei Amoeba binucleata 
auch eine feine Vertheilung der gro&en Chromatinbrocken beobachtet. Ab- 
weichend sind die Angaben, die Brauer (94) bei den Kernen der ency- 
stirten Actinosphaerien macht; er fand gar keinen gröfseren Binnenkörper 
vor, wie überhaupt nach Hertwig's neuesten Untersuchungen (97) be- 
deutende Unterschiede zwischen den Kerntheilungen des freilebenden und 
des encystirten AdinospJuierwni bemerkbar sind. 

Wenn bei Trichasphaerium die chromatische Substanz sich ganz gleich- 
mäfsig durch den ganzen Kernraum in Gestalt feinster Kömchen , die sich 
nur in den Knotenpunkten des Gerüsts befinden, vertheilt hat (Fig. 21), 
beginnen Umlagerungen der Lininmaschen , die zu dem in Fig. 2 2 abgebil- 
deten Stadium fuhren. 

Schon in Fig. 2 1 bemerkt man , dafs die Maschen oder, nach meiner 
Auffassung, Alveolen des Linins anfangen, sich in Reihen hinter einander 
anzuordnen; zunächst verlaufen sie noch in maeandrischen Windungen und 
erinnern entfernt an die Spiremstadien bei der Kemtheilung der höheren 
Thiere. Allmählich bildet sich aber eine Bipolarität des Kerns dadurch 
aus, dafe die Alveolenzüge sich in parallele Reihen anordnen, wie Fig. 22 
es zeigt. Bei offener Blende scheint der Kern, der schon eine schwache 
Andeutung beginnender Abplattung zeigt, von parallelen Reihen gefllrbter 
Körnchen durchzogen, die von einem Pol zum anderen verlaufen. Ei*st 
bei günstiger Abbiendung bemerkt man, dafs die Körnchen in regelmäfsi- 
gen Abständen in Lininfilden eingelagert sind, die an diesen Stellen feine 
Querverbindungen zu den benachbarten aufweisen, weshalb ich die Struc- 
tur für alveolär halte. 

Die Bildung der Aequatorialplaite, Nach Ablauf der vorbereitenden Sta- 
dien, die den Zweck zu haben scheinen, das Chromatin gleichmälsig zu 
zerkleinem und zu vertheilen, verschmelzen die einzelnen winzigen Chro- 
matinkömchen zu gröfseren stäbchenartigen Gebilden, die man im Vergleich 
mit der Kemtheilung der Gewebszellen als Chromosomen bezeichnen kann, 
wenn sie dort auch auf ganz andere Weise, nämlich durch Segmentirung 
eines langen Chromatinfadens gebildet zu werden scheinen. Der Chromatin- 



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Generaüonsweclisel von Trichosphaerium sieboldi Sc/m. 77 

faden selbst entsteht aber, wie bekannt, auch durch Verschmelzung klei- 
nerer Chromatinpartikel, so dals der Hauptunterschied zwischen der Chro- 
mosomenbildung der Metazoen und des Trichosphaerium eigentlich nur in 
der Einschiebung eines Knäuelstadiums bei ersteren besteht, welcher Um- 
weg bei letzterem noch nicht eingeschlagen wird, obwohl Andeutungen 
dieser Vorgänge schon in der Anordnung der Maschen in maeandrischen 
Windungen (Fig. 20) gefunden werden können. Übrigens scheinen ähnlich 
primitive Verhältnisse auch bei Metazoenkernen, obwohl selten, vorzukom- 
men, wie die interessante Art der Kemtheilung, welche von Erlanger (97) 
kürzlich beim Cephalopodenkeim beschrieben hat, beweist. Die Ausbildung 
der Aequatorialplatte geht bei TrichospJuxervum mit einer deutlichen Abplat- 
tung des Kerns Hand in Hand; gleichzeitig machen sich auch Verände- 
rungen des IJningerüsts an den Polen des Kerns bemerkbar, welche darin 
bestehen, dafs hier die streifig- alveoläre Anordnung verschwindet und das 
Kernplasma vollkommen hyalin wird. Diese structurlosen , hyalinen und 
etwas stärker lichtbrechenden Polkappen sind gegen dajs Plasma scharf ab- 
gegrenzt, gegen das Innere des Kerns aber nicht, sondern es ist der Über- 
gang in die streifige Structur ein ganz allmählicher. Hierdurch ist ein 
Unterschied gegenüber den Poldiflferenzirungen bei Actinosphaerium^ Adino- 
phrys, Amoeba binucleata u. s. w. gegeben, denn in diesen Fällen sind die 
als »Polplatten« bezeichneten Gebilde auch gegen das Kerninnere scharf 
abgesetzt. Ich vermuthe, dals bei Trichosphaerimn die Lininstructur an den 
Polen durch Flüssigkeitsabgabe hyalin wird , und stelle mir diefs ähnlich vor, 
wie das Hyalin werden des Weichkörperplasmas bei der Pseudopodienbildung 
(vergl. das Capitel über die Pseudopodien). Jedenfalls lassen sich tinctoriell 
auf keinem Kernstadium irgend welche andersartige polare Differenzirungen, 
wie Polplatten, Plasmakegel, Kernkappen, Centrosomen u. s.w. nachweisen. 
Ein Mittelstadium zwischen dem in Fig. 22 abgebildeten Kern, mit 
gleichmäfsig vertheiltem Chromatin und dem mit fertiger Aequatorialplatte 
(Fig. 24) stellt Fig. 23 dar. Man sieht daran, dafs die Chromatinkömchen 
mit dem Hyalinwerden der Pole aus der polaren Region sich üach der 
Aequatorialebene versammeln, dichter an einander gelagert werden und so 
Körnchenreihen bilden, welche der Zahl der Lininalveolenzüge entsprechen. 
AuXserdem vereinigen sich dabei die kleineren Kömchen durch Verschmel- 
zung zu größeren,' bis schlie&Iich aus j<»der Kömchenreihe ein einziges 
Stäbchen, das fertige Chromosom gebildet ist. 



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78 F. Schaudinn: 

Eine ähnliche Schilderung hat R. Hertwig von der Bildung der 
»Kemplatte« von Actinosphaeriu/m gegeben. »Die Entwickelung der Kern- 
platte ist dadurch bedingt, daCs sich Körnchen in der Gegend des Aequa- 
tors anhäufen. Aufserdem scheinen auch die einzelnen Körnchen unter 
einander zu verschmelzen, so dals aus Vereinigung mehrerer kleinerer ein 
gröfseres Element entsteht.« Brauer (95) hat beim encystirten Actino- 
sphaerium schon auf viel früheren Kernstadien deutlich zweitheilige Chro- 
mosomen gefunden und bezweifelt daher die Angaben Hertwig's über 
die Chromosomenbildung. Doch scheint mir, als ob Brauer etwas zu stark 
die Übereinstimmung der Protozoenkerntheilung mit der bei Metazoen be- 
tont und bei seiner Arbeit, vielleicht unbewufst, bemüht gewesen ist, diese 
Übereinstimmung in allen Punkten aufzufinden. Meine Beobachtungen an 
Trichosphaerium bestätigen fSr dieses Object die Anschauungen Hertwig's 
vollkommen, und dieser Forscher hält auf Grund einer Neuuntersuchung der 
ilc<mo5pAamMm-Kerntheilung gegenüber Brauer an seinen alten Angaben fest. 

Dafs bei Trichosphaerium die Chromosomen einheitliche Elemente dar- 
stellen und nicht schon von Anfang an in zwei Theile diflferenzirt sind, 
wie diefs sich bei vielen Metazoenzellen und auch schon bei einigen Pro- 
tozoen {Amoeba binucleata, Radiolarien) findet, geht deutlicher als aus ihrer 
Bildung noch aus der Art ihrer Theilung hervor. 

Die ErUstehung der Tochterplatten. In der fertigen Aequatorialplatte 
sind die einzelnen Chromosomen einheitliche, kurze stäbchenförmige Ge- 
bilde, die mit den stärksten Vergröfserungen keinerlei feinere Structur er- 
kennen lassen; sie sind alle parallel in der Aequatorialebene gelagert und 
lassen zwischen sich kleine farblose Spalträume frei, die mit Kernsaft ge- 
füllt zu sein scheinen. Besser als die Seitenansicht belehrt uns hierüber die 
Polansicht der Aequatorialplatte, wie sie in Fig. 26 gezeichnet ist. Hier 
sieht man, dafs es eine kreisrunde Scheibe ist, die in allen ihren Theilen 
gleichmäfsig von den nun als Körnchen erscheinenden Chromosomen er- 
füllt ist. Die letzteren liegen in den Knotenpunkten eines feinen Linin- 
netz Werks, ein Beweis, dafs die Lininalveolen auch die Aequatorialplatte 
durchsetzen; die Lininzüge gehen also von Pol zu Pol als continuirliche 
Maschenreihen. Fig. 27 zeigt den Querschnitt der Kernspindel über der 
Aequatorialplatte imd erklärt sich danach von selbst. 

Die Tochterplatten werden aus der Aequatorialplatte durch Spaltung 
in zwei gleiche Hälften gebildet. Hierbei streckt sich jedes einzelne Chro- 



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Generationswechsel von Tricfiosphaerhim sieboldi Sehn. 79 

mosom in die Länge und schnürt sieh unter Bildung einer hanteiförmigen 
Figur durch. Fig. 25 und 28 zeigen das Anfangs- und Endstadium dieses 
Processes. Der auf Fig. 25 abgebildete Kern ist noch ziemlich platt, ob- 
wohl sich schon gegenüber Fig. 24 eine geringe Längsstreckung in der 
Richtung der Spindelaxe bemerkbar macht. Die meisten Chromosomen 
sind hanteiförmig, einzelne noch unverändert oder schon durchgeschnürt. 
In Fig. 28 hat der Kern bereits Tonnenform angenonmien und die Mehr- 
zahl der Chromosomen ist in zwei zerfallen, nur wenige sind noch durch 
ein dünnes Verbindungsstück vereinigt. 

Nachdem die Tochterplatten sich vollständig getrennt haben, treten 
zwischen ihnen Längszüge von Alveolen auf, die sich im optischen Durch- 
schnitt als maschige Faserzüge oder als Fäden mit Querverbindungen be- 
merkbar machen. Bei weiterem Auseinanderrücken der Chromatinplatten 
streckt sich der Kern immer mehr in die Länge (Fig. 29). Im weiteren 
Verlaufe dieses Processes krümmen sich die Tochterplatten schüsseiförmig 
und zwar so, dafe die Concavität gegen den Pol gerichtet ist, also gerade 
umgekehrt, wie auf dem entsprechenden Stadiiun der AcHnosphaerium-Kerne, 
[vergl. R. Hertwig (82)]. Die Chromosomen sind innerhalb der Chroma- 
tinplatten nur noch schwer zu erkennen, weil sie dichter an einander 
gelagert werden und auch bereits theilweise mit einander verschmelzen, 
worüber uns am besten eine Polansicht des Kerns auf diesem Stadium be- 
lehrt (Fig. 33). Bei der weiteren Entfernung der Tochterplatten wird der 
Kern mehr und mehr in die Länge gezogen , dann nimmt er Sanduhrform 
an (Fig. 32), indem er sich in der Mitte einschnürt, worauf bald die völ- 
lige Trennung der beiden Kemhälften erfolgt. Nicht selten kann man be- 
obachten, dafs die mittlere Partie des Zwischenstückes, welches die bei- 
den Tochterplatten verbindet, spindelförmig angeschwollen ist (Fig. 31) oder 
auch etwas geschlängelte Formen (Fig. 39) annimmt. Ähnliche Erscheinun- 
gen hat R. Hertwig (95) bei den Spindeln der Infusorien-Nebenkerne be- 
obachtet und dieselben gegen die Contractionstheorie Heidenhain's ver- 
werthet. Er erklärt dieselben dadurch , dafs die wachsenden Spindelfasem 
einen Druck auf die Kempole ausüben, dabei aber Widerstand erfahren, 
<len sie nicht in gleichem Mafse, als sie sich ausdehnen, überwinden. 
Diese Auffassung scheint mir auch für Trichosphaermm zutreffend zu sein, 
doch möchte ich derartige Spindeln nicht für normale Bildungen halten. 
Erstens, weil sie nicht immer vorkommen, und zweitens, weil häufig auch 



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80 F. Schaüdinn: 

das Chromatin deutliche Anzeichen pathologischer Veränderung aufweist; 
so ist es z.B. in Fig. 39 nicht in Platten angeordnet, sondern in unregel- 
mäfsigen Körnern durch die Poltheile des Kerns zerstreut. 

In Übereinstimmung mit den Angaben Hertwig's (82) und Brauer's 
(95) l>ßi Actinosphaerium glaube ich für Triehosphaerium mit Sicherheit be- 
haupten zu können, daJfe die Kernmembran auf die Tochterkeme übergeht. 
Auf keinem Stadium findet eine Auflösung oder LOckenbildung statt, son- 
dern das umgebende Plasma bildet stets einen deutlichen Alveolarsaum um 
den scharf conturirten Kern. Nach der Trennung der beiden Tochterkeme 
wird der Zipfel, in welchen sie nach der Mitte zu kurz nach der Durch- 
schnürung auslaufen, allmählich eingezogen. Die neuen Kerne runden sich 
ab, die Chromatinplatten lösen sich in Kömchen auf, die sich wieder durch 
den ganzen Kernraum vertheilen , und die Lininstructur wird unregelmäJ&ig 
maschig* (Fig. 35-37). Durch Zusammenhäufen von Chromatinkörnchen an 
einer Stelle (Fig. 37) und Verschmelzung derselben zu einem kugeligen Kör- 
per (Fig. 38) entsteht ein Binnenkörper, und das Stadium des ruhenden 
Kerns, von dem wir beim Beginn der Kerntheilung ausgiengen, ist wieder 
erreicht (Fig. 38). Die hier geschilderte Art der Kerntheilung documentirt 
sich als Mitose durch die Umlagerungen , welche die chromatische Sub- 
stanz während derselben erleidet. Doch ist dieselbe gegenüber den com- 
plicirten Vorgängen, welche sich bei der karyokinetischen Kerntheilung 
der Metazoen und einzelner Protozoen (Heliozoen) abspielen, sehr primitiver 
Art. Sie stinmit bezüglich des chromatischen Theils vollständig mit der 
Mitose der AcHnosp/iaerium 'Kerne (nach Hertwig [82] und Brauer [94]) 
überein, während der achromatische auf noch niederer Stufe steht. Es 
fehlen die dort vorkommenden Poldifferenzirungen (Polplatten und Proto- 
plasmakegel) noch vollständig. Hierin schliefst sich Triehosphaerium an die 
Kerntheilung des Makronucleus der Infusorien oder noch besser an die von 
Lauterborn (95) bei Ceratium beobachtete an. Eine Mittelstellung zwi- 
schen diesen Formen und Actinosphaerium nimmt Amoeba binucleata ein, wo 
nach meinen (94) Untersuchungen die betreffenden Poldifferenzirangen nur 
sehr schwach entwickelt sind. 

Der Schilderung der normalen Kernverhältnisse des Triehosphaerium 
möchte ich noch einige Beobachtungen über pathologische Degeneration und 
über den Untergang der Kerne hinzufügen, weil hierüber bei Protozoen 
meines Wissens noch gar nichts Sicheres bekannt geworden ist. 



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Generationswechsel von Trichosphaeriurn siebolcU Sehn. 81 

3. Die Verä^xlerungen, welche die Trichosphaerium-Kerne 
während ihrer Verdauung erleiden. In einem früheren Capitel wurde 
bereits erwähnt, dafs die Trichosphaerien nicht selten ihre eigenen Artge- 
nossen verzehren, und es wurden dort schon Angaben über die Verdauung 
der verschiedenen Substanzen des Weichkörpers gemacht. Hier sollen noch 
die Kerne besonders berücksichtigt werden, weil das Verhalten der ver- 
schiedenen Kemsubstanzen gegen die verdauende Flüssigkeit von einigem 
Interesse ist. 

Wie in allen normalen Verhältnissen, zeigen auch in diesen patho- 
logischen die Kerne eines Individuums vollkommene Übereinstimmung, sie 
befinden sich stets in demselben Stadium der Degeneration. — Die Kerne 
leisten der Verdauung viel länger Widerstand als das übrige Plasma des 
Weich körpers, und innerhalb derselben sind es wieder bestimmte Sub- 
stanzen, welche länger Widerstand leisten als <lie änderen. Nach 6 bis 
8 Stunden , nachdem das Thier gefressen und der Weichkörper schon voll- 
ständig aufgelöst war, zeigten die Kerne noch die Structur, welche in 
Fig. 40 abgebildet ist. Dieselbe ist gegenüber normalen Kernen noch wenig 
verändert; man kann noch ein Liningerüst unterscheiden, wenn auch das 
Chromatin schon etwas diffuser vertheilt ist. Beim w^eiteren Fortschreiten 
der Verdauung zeigten die Kerne Veränderungen, welche in den Figuren 41 
bis 45 abgebildet sind. Die Reihe ist nach Schnitten combinirt, und ich 
vermag nicht zu sagen , in wie langer Zeit der Kern von dem auf Fig. 40 
bis zu dem auf Fig. 45 abgebildeten Stadium gelangt. 

Zuerst wird das linin gelöst, das Chromatin sinkt hierbei auf eine Seite 
des Kerns, und zwar der Schwerkraft folgend, wie ich auf den Schnitten 
daraus ersah, dafs die Chromatincalotten alle in derselben Richtung lagen. 
In einem Falle konnte ich bei einem auf einer Ulve sitzenden Individuum 
auch nachweisen, dafs diese Richtung senkrecht zur Horizontalebene ist. 
Das Chromatin wird nun auch allmählich gelöst, und nimmt hierbei meist 
Kugelgestalt an (Fig. 43-45). Es schien mir, als ob hierbei seine Färb- 
barkeit zunimmt, was vielleicht darauf beruht, dafs bei der Verdauung ein 
nicht färbbarer Theil seiner Substanz früher gelöst wird, während die f&rb- 
baren Theilchen dichter zusammengedrängt werden und daher in ihrer Ge- 
sammtheit dunkler gefärbt erscheinen. 

Schliefslich bleibt nur die Membran übrig, die während des ganzen 
Processes keine Veränderung zu erleiden scheint, was mich schon früher 
Phf/s, Abh, nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 1 1 



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82 F. Schau DIN n: 

(vergl. S. 72) zu der Annahme veranla&te, dafe sie aus einer besonderen Sub- 
stanz bestehe und nicht blols eine Verdichtung des Liningerüsts darstellt. 
Dafs sie nach längerer Zeit auch zu Grunde geht, darf man daraus schlielsen, 
dafs man später nur noch unverdaubare Nahrungsreste in der Verdauungs- 
vacuole vorfindet. 

e. Die Plasma- und Kernveränderungen während des Verhungerns 

der Trichosphaerien. 

In nahrungsarmen Culturen von Trichosphaerien waren mir schon zu 
Beginn meiner Untersuchungen sehr eigenthämliche Individuen aufgefallen. 
Das Plasma war sehr rein, frei von Fremdkörpern, stark vacuolisirt, und 
schien bei oberflächlicher Betrachtung nur einen einzigen grofsen Kern zu 
besitzen, der sich intensiv ftrben liefe. Bei genauerem Zusehen erkannte 
man aber, dafe der grofse Kern nur eine dichte Zusammenhäufung zahl- 
reicher winziger Kerne von normaler Structur war. Da ich derartige In- 
dividuen häufig fapd, hielt ich sie anfangs för merkwürdige, räthselhafte 
Vorbereitungsstadien zu irgend einer noch unbekannten Art der Fortpflan- 
zung. Erst später fiel mir auf, dafs solche Individuen sich nur in nahrungs- 
armen Culturen vorfanden, und kam ich auf die Idee, dafs es Hungerzustände 
sein könnten, was ich durch das Experiment bestätigen konnte. 

Ich brachte zahlreiche gut genährte Individuen, von deren normaler 
Beschaffenheit ich mich überzeugt hatte, auf Deckgläsern in reines Meer- 
wasser und fixirte nun von Tag zu Tag ein Deckglas mit den darauf sitzen- 
den Thieren. Auf diese Weise konnte ich innerhalb 3 Wochen die in den 
Figuren 46-51 abgebildeten Veränderungen in Folge des Hungers con- 
statiren. 

Die erste Veränderung gegenüber normalen Thieren besteht darin, dafs 
am zweiten oder dritten Tage alle Pseudopodien eingezogen und nicht 
wieder ausgestreckt werden. Nachdem die im Weichkörper vorhandenen 
Nahrungskörper vollständig verdaut sind, werden die unverdaubaren Nah- 
rungsreste allmählich ausgestofsen , bis das Plasma vollkommen von Fremd- 
körpern befreit ist. Zugleich mit diesen Vorgängen beginnen die Zellkerne 
sich an einzelnen Stellen zu kleinen Gruppen zusammenzulagern. Die 
ersten Andeutungen dieser Vorgänge zeigt Fig. 46, welche ein Individuum 
nach stägigem Hungern darstellt. Nachdem das Plasma ganz rein ge- 
worden ist. wird dasselbe grob vacuolisirt, und zwar scheint diese Va- 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 83 

cuolisirung von der Peripherie gegen das Centrum vorzuschreiten. Fig. 47 
zeigt ein Thier nach 8 tagigem Hungern. Die Kerne sind zu kleinen 
Gruppen vereinigt. Im Centrum ist das Plasma um diese Zeit stets noch 
fein granulirt, während die peripheren Theile schon vacuolisirt erscheinen. 
Im weiteren Verlauf vereinigen sich die einzelnen Kerngruppen zu einer 
einzigen grofsen Gruppe, und die Zelle rundet sich kugelig ab (Fig. 48). Die 
Vacuolisirung nimmt immer mehr zu, und zwar werden jetzt umgekehrt wie 
zu Anfang die centralen Vacuolen immer gröfser. Die Kemanhäufung liegt 
gewöhnlich im Centrum der Zelle von den grölsten Vacuolen imigeben, 
wie Fig. 49, w^elche ein Individuum nach I4tägigem Hungern darstellt, 
es zeigt. 

Schliefslich (nach ungefähr 3 Wochen) zerfallt das Plasma in eigen- 
thümlicher Weise, indem es sich n&mlich zunächst in wenige grofse Kugeln 
zertheilt, die wieder in kleinere sich auflösen, welche dann ganz ver- 
schwinden. Fig. 50 stellt ein Stadium dieses Processes dar. Der Kem- 
haufen bleibt schliefslich allein in der zusammengefalteten GallerthOlle übrig 
und leistet noch lange Widerstand, wenn er nicht durch Bakterien oder 
andere Organismen zerstört wird. Nach etwa 5 Wochen fallen aber auch 
die Kerne aus einander; sie werden immer schwächer lichtbrechend, nehmen 
keinen Farbstoff mehr an und verschwinden schliefslich spurlos. Fig. 5 1 
stellt einen Kernhaufen nach 4 wöchigem Hungern dar, gerade im Be- 
ginn des Auseinanderfallens. Auf diesem Stadium zeigen die einzelnen 
Kerne noch alle für den normalen Kern charakteristischen Kemsubstanzen. 
Fig. 51 er, welche einige der Kerne bei stärkster Vergrößerung zeigt, beweist, 
dafs auch die Anordnung der Kernsubstanzen noch im wesentlichen die- 
selbe ist wie bei normalen Kernen. Nur die Gröfse der ganzen Kerne 
ist stark reducirt, aber keiner der drei Kernbestandtheile ist gegenüber 
den anderen besonders stark verringert. 

Aus diesen Beobachtungen folgt, dafs die Kerne die widerstandsflLhig- 
sten Theile der Trichosphaerien sind, und dieses Resultat steht in Über- 
einstimmung mit dem Verhalten der Kerne bei der Verdauung der Zelle, 
welches vorher geschildert wurde. 



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84 F. Schaüdinn: 



Die systematische Stellung von Trickosphaerium. 

Der erste Beobachter des Trichosphaermm , Greeff (69), stellte diesen 
Organismus zu den Forami niferen, auf Grund der Annahme, dafe die auf 
der Hülle sitzenden Stäbchen aus kohlensaurem Kalk beständen und daher 
die Hülle gewissermafsen eine Vorstufe der Thalamophorenschale sei. 
Ohne diese Ansicht Greeff 's zu kennen, hat auch Schneider (78) dem 
Rhizopoden einen Platz bei den Foraminiferen angewiesen und sah 
ihn als Übergangsform von der Lieberkühnia zu den echten kalkschaligen 
Foraminiferen an. 

Gruber (83) betonte richtig, dafe die ganz andersartigen Pseudopodien 
es unmöglich machten, Trickosphaerium zu den Foraminiferen zu stellen, und 
ich kann ihm hierin nur beipflichten. Der Hauptcharakter der recht ge- 
schlossenen Gruppe der Foraminiferen ist nicht die -Beschaffenheit der 
Schale, sondern, wie besonders F.K.Schulze immer betont hat, der Bau 
der Pseudopodien. Die Schale ist variabel, sowolil der Form, wie dem 
Material nach. Es gibt nackte Foraminiferen, solche mit gallertartiger oder 
chitinöser Hülle, ferner Sand-, Kiesel-, Kalkschalen u.s. w. Aber die Pseudo- 
podien sind stets reticulär. Nach meiner Überzeugung ist daher der 
Name ^Reticulosa^, den F. E. Schulze vertheidigt hat, allen anderen vor- 
zuziehen. Jedenfalls gehört aber Trictiosphaerium nicht zu dieser Rhizo- 
podengruppe. — Gruber spricht die Ansicht aus, dafs die geringe Con- 
sistenz der Hülle, die Gestalt der Pseudopodien, sowie der ganze Bau des 
Protoplasmaleibes das Trichosphaermm zu den amoebenartigen Rhizopoden 
verweise. 

In der neuesten Zusammenstellung der Protozoen von Yves Delage (96) 
ist TrkJiospIiaerium in der Ordnung der Gymnamoebida untergebracht, meines 
Erachtens mit wenig Glück , weil es ja keine nackte Amoebe ist. Im System 
dieses Forschers, das natürlich bei dem heutigen Stand unseres Wissens 
auch nur ein ganz künstliches sein kann, würde unsere Form vielleicht eher 
in der zweiten Ordnung der Amoebaea^ den Thecamoebida , einen Platz finden. 



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GeneraäonswecJisel von Trichospltaerium sieboldi Sehn. 85 

Trichosphaerifum innerhalb der amoebenartigen Rhizopoden eine genauere 
Stellung zuzuweisen, ist vor der Hand deshalb unmöglich, weil man es 
keiner schon bekannten Form anreihen kann. Die Pseudopodien haben 
am meisten Ähnlichkeit mit denen der OrbtUinella, die Entz* beschrieben 
hat. Doch ist von dieser räthselhaften Form, aufser der allgemeinen Gestalt 
und den Pseudopodien, eigentlich nichts Sicheres bekannt. Man weife nicht 
einmal, ob die Schale aus Kieselsäure oder Kalk besteht. Die systematische 
Stellung dieses Organismus ist natürlich vollständig unsicher, und daher ist 
diese Form für unsere Frage gar nicht zu verwerthen. Für die Stäbchen- 
hülle hat man kein Analogon. Gruber fiel die Ähnlichkeit auf, welche 
dieselbe mit dem Besatz von feinen Fortsätzen hat, die Archer^ bei seinem 
Diaphorodon mobile abbildet. Doch sollen die kleinen Strahlen, welche sich 
auf der Oberfläche dieses Rhizopoden befinden, Pseudopodien und keine 
starren Stabchen sein. 

Die Fortpflanzungsverhältnisse werden vielleicht später einmal für die 
systematische Stellung zu verwerthen sein. Vorläufig sind sie es deshalb 
nicht, weil man bei den meisten Rhizopoden nichts davon weife; besonders 
die Gruppe der Amoebaea, die offenbar sehr zusammengewürfelt ist, dürfte 
zuv Zeit morphologisch und entwickelungsgeschichtlich zu wenig erforscht 
sein, um schon einigermafeen natürlich systematisirt zu werden. 

Aus diesen Gründen ist es vorläufig unmöglich, Trkhosphaerhmi eine 
Stellung im System anzuweisen, ohne rein willkürlich zu handeln; Möbius 
(89), der seine Form auch nirgends unterbringen konnte, hat für sein TricJuh 
spJmeriwn eine eigene provisorische Gruppe *Trichosa^ aufgestellt, die er 
den Amoebaea coordinirt. 

Er sagt von derselben, dafe sie unter den Testaceen eine der niedrig- 
sten Rangstufen in der Nähe der Amoebaeen einnehme, wo sie als ein 
Verbindungsglied zwischen diesen und den Perforaten anzusprechen wäre. 
Die Definition, die Möbius auf Grund seiner Kieler Form gab, müfete nach 
meinen Untersuchungen erweitert werden ; die Stäbchen, die das Hauptmerk- 
mal dieser Gruppe bilden, sind ja nur einem Zustand des Thieres eigen- 
thümlich. Es dürfte sich daher nicht sehr empfehlen, gerade den Namen 
der Gruppe y^Trichosa^ nach diesem Merkmal zu wählen, wie überhaupt die 
Aufstellung einer besonderen, wenn auch nur provisorischen Abtheilung för 

* Naturhist. Hefte d. ungar. Nat.-Mus. 1 (mir nicht zugänglich, vergl. Bütschli [80]). 
" Quart, joiirn. Micr. soc. N. S. IX, vergl. Bütschli (80) Taf. IV Fig.i. 



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86 F. Schaüdinn: 

eine einzige Species mir deswegen überflüssig erscheint, weil unser zur Zeit 
durchaus künstliches Rhizopoden- System durch derartige Gruppenbildung 
nur noch künstlicher wird. — Ich schlage vor, wie bereits oben erwähnt, un- 
seren Organismus in der von Delage geschaffenen Gruppe der Thecamod)ida^ 
obwohl sie auf dem rein äußerlichen Merkmal der Hüllbildung basirt, vor- 
läufig unterzubringen, bis wir mehr von den Verwandtschaftsbeziehungen 
der Rhizopoden wissen. Hier würde Trichosphaerium vielleicht am Anfang, 
noch vor dem ebenfalls weich gehüllten, aber bereits monaxonen CochUo- 
podium^ am besten seine Stellung finden. Die von Möbius (89) unter- 
suchte Form der Kieler Bucht weicht, wie in der vorstehenden Unter- 
suchung nachgewiesen wiu^ie, so wesentlich von meiner ab, dafe es viel- 
leicht möglich wäre, sie als besondere Art abzutrennen; doch wird es sich 
wohl empfehlen, erst eine weitere Untersuchung und Bestätigung der von 
Möbius in Kiel beobachteten Charaktere abzuwarten. Wie in dem Abschnitt 
über die Hülle des Trichosphaerium angedeutet wurde, könnte man sich viel- 
leicht die abweichenden Eigenschaften der Kieler Form durch die Anpassimg 
an das Leben im Brackwasser entstanden denken, und würde dann dieses 
Trichosphaerium nur als aberrante Localvarietät anzusehen sein. 



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Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sehn. 87 



Benutzte Litteratur/ 

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p. 46 flg. Taf. II. 
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Idem (84). Die Protozoen des Hafens von Genua. Halle 1884. p. 21. 

^ Die auf Trichoaphafrium bezflglichen Abliandluugen sind mit einem Sternchen (*) versehen. 



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88 F. Schaudinn: 

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Generationswechsel von Trichosphaerium siebohU Sehn. 89 

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wiss. Zool. V0I.57. 1893. p.32 — 56. Taf. in. 
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Zmcharias, W. (82). Über den Zellkern. Botanische Zeitung. 1882. p.639. 

Die Litteratur ist so weit berflcksichtigt worden» als sie bis Januar 1898 erschienen war, da zu 
diesem Zeitpunkt die vorstehende Arbeit abgeschlossen wurde. 



Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. I. 12 



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90 F. Schaudinn: 



Tafelerkläru ng. 



Alle Figuren dnd mit HQlfe des Winkel'schen 2^eicheiutpparats entworfen, mit Aus- 
nahme von Ti^el I, die ein Schema darstellt, und beziehen sich auf Trichoaphaenum sieboUU Sehn. 

Leider gibt die ungenügende lithographische Reproduction nicht alle Feinheiten der 
2^chnungen wieder. 

Tafel I. 
Schematische Darstellung des Zeugungskreises von Trichogphaeriufn sieboldi Sehn. 

Tafel II. 
Fig. I. Ausgebildeter Schizont bei durchfallendem Licht. 

• 3. Derselbe bei auffallendem Licht 

• 3. Verschiedene Theilungsstadien von Schizonten. a. Zweitheilung; b. Drdtheilung ; 

c. d, Viertlieilung; e. Mehrtheilung. 

• 4^5. Zwei Theilungsstadien der Schizonten. 

• 6. Frafsstellen von Trichosphaerium auf einem Algenfilzwerk , zur Demonstration der 

Art der Ausbreitung dieser Organismen in ihrem Nahrungsgebiet. 

• 7. Schizogonie. 

• 8. Auskriechen der Sporogone. 

• 9. Theil eines Schnittes durch ein in Schizogonie begriffenes Individuum. Sublimat- 

Alkohol - Haematoxylin. 

• lo. Junger Sporont mit 8 Kernen, im Begriff eine Diatomee zu verzehren. 

• II. Etwas älterer Sporont, ein^ Alge fressend, schon mit Sterkomen gefüllt. 

Mit Ausnahme von Fig. 9 sind alle Figuren nach dem Leben gezeichnet. 

Tafel IH. 
Fig. I. Ausgebildeter Sporont. 
- 2. Plastogamie der Sporonten; an 3 Stellen ist die Hülle, welche die einzelnen Indi- 
viduen trennt, noch erhalten. 
» 3. Sporont, in Vorbereitung zur Sporogonie begriffen. 
» 4. Sporogonie. 

» 5. Ausschwärmen der fertigen Sporen. 
» 6. Zwei Schwannsporen. 

• 7—12. Copulation der Schwärmsporen. Fig. 7. Erstes Stadium (Plastogamie). Fig. 8. 

Abwerfen der Geifseln. Fig. 9. Abrundung der Zygote. Fig. 10. Vacuolisirung der- 
selben. Fig. II. Beginn der Kemverschmelzung. Fig. 12. Dieselbe vollendet. 

• 13. Junger Schizont mit 4 Kernen. 

• 14—15. Zwei Stadien der Ausbildung der Hüllschicht bei den Schizonten. Fig. 14. Auf- 

treten von Kömchen in der Gallerte. Fig. 15. Anordnung derselben zu radiären 

Stäbchen. 
» 16—20. Verschiedene Kemstadien und feinere Structur des Plasmas nach dem Leben. 
»21. Die Enden zweier Pseudopodien. 

• 22. Pseudopodium nach Erschütterung. 

Alle Figuren dieser Tafel sind nach dem Leben gezeichnet. 



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Generationswechsel von Trichosphaerifjtm sieboldi Sehn. 91 

Tafel IV. 

Fig. I. Schnitt durch einen Schizonteu, welcher einen anderen Schizonten gefressen hat 
Der Inhalt des letzteren ist bis auf die Hülle, die Kerne und die unverdaulichen 
Nahrungsreste bereits verdaut. Sublimat -Alkohol, Haematoxylin (dOnne Lösimg 
ohne Nachbehandhmg mit Salzsäure, daher die Stäbchen der HQlle erhalten). 

• 3. Schizontenschnitt. Alle Kerne in Theilung begriffen, und zwar befinden sie sich 

sämmtlich auf dem Stadium der Aequatorialplatte. Letztere sind in allen möglichen 
Stellungen vom Messer getroffen. Sublimat -Alkohol -Elisessig (daher Stäbchen gelöst), 
Haematoxylin, Salzsäure-Alkohol-Ammoniak. Diefs wie das vorige Individuimi stammt 
aus reinen Diatom eenculturen, daher ist das Plasma sehr rein, besonders frei von 
Sterkomen. 

» 3. Dünner Schnitt durch die Randpartie und Pseupodienbasis eines Schizonten. Chrom- 
osmiumessigsäure, Holzessig (von MährenthaPs Methode). 
» 4. Pseudopodienöffnung im optischen Längsschnitt, nach dem Leben. 
» 5. Dieselbe von oben gesehen. 

• 6—7. Zwei Längsschnitte durch Pseudopodienöffnungen. Sublimat, Haematoxylin. 

• 8. Eine der Fig. 7 ähnliche Pseudopodienöffnung, von oben betrachtet. Sublimat, Hae- 

matoxylin. 
» 9. Schnitt durch einen encystirten Schizonten. Sublimat -Alkohol, Alaunkarmin. 
» IG. Ein Kern mit umgebenden ReservestoffTiömem aus demselben Schnitt bei stärkerer 

Vei-grölserung (etwa ***°**/i). 

• II. Hüllenstäbchen von Schizonten in Längsansicht und (links oben) iujL Querschnitt. 

• 12. Commensalen von Trichosphaerkim: a. im ruhenden, b. im frei schwärmenden Zustand. 

chrom ss Chromatophorenplatten, n =r Kern, A =s Amylum, ph =s Schlundeinsenkung. 

Nach dem Leben. 
»13. Austreten des Commensalen aus der Cellulosehülle, nach dem Leben. 
»14. Sterkome in drei verschiedenen Formen. 
»15. Verschiedene Formen der Excretkömer. 
»16. Feinere Structur eines Excretkoms. Vergröfserung **>*>®/,. 
»17. Sterkom mit Excretköraern erfüllt. 

Tafel V. 
Fig. I. Sporont auf Diatomeenrasen gezogen. Sublimat -Alkohol, Haematoxylin. 

• 2. Partie an der Grenze zwischen zwei plastogamisch verschmolzenen Individuen. Die 

Weichkörper der verschmolzenen Thiere haben sich nicht vermischt, was daraus her- 
vorgeht, dafs in dem einen alle Kerne im Ruhezustand sind (oben), während im ande- 
ren dieselben sich im Stadium der Aequatorialplatte befinden. Äufserlich und auch 
im Plasma markirt sich keine Grenzlinie zwischen den beiden Individuen. Sublimat- 
Alkohol - Eisessig , Haematoxylin. 

• 3. Kern theilung des Sporonten kurz vor der Sporogonie, das Plasma ist schon rein von 

Fremdkörpern und stark vacuolisirt. Alle Kerne im Dyasterstadium. Sublimat-Al- 
kohol, Haematoxylin. Schnitt. 
-■ 4. Schnitt durch einen Sporonten, unmittelbar vor der Sporogonie. Sublimat -Alkohol, 
Haematoxylin. 

• 4a. Kleine Partie aus demselben Schnitt bei starker Vergiöfsenmg (**^/i). 

» 5. Schnitt durch einen in Sporogonie begriffenen Sporonten. Sublimat -Alkohol, Hae- 
matoxylin. 

» 6. Zwei Sporen bei starker Vergröfserung (etwa **°/i). Osmiumsäure, Heidenhain'sche 
Färbung. 



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92 



F. Schaudinn: 



Fig. 7— 9. Drei Copulationsstadien der Gameten. Sublimat -Alkohol -Eisessig, Heidenhain- 
sche Färbung. 

» 10. Junger Schizont, zweikernig, beide Kerne in Theilung begriffen. Sublimat, Alaon- 
karmin. 

- II. Junger achtkerniger Schizont. Sublimat -Alkohol, Alaunkarmin. 

Tafel VI. 
Fig. 1 — 16. Die vegetativen Kern Veränderungen der Trichosphaerium' Kerne (vergl. Text). 

• 17—39. ^*® reproductiven Kemveränderungen und die Kerntheilung von Trichosphaerium, 

• 40—45. Die Kern Veränderung bei der Verdauung der gefressenen Trichosphaerien. 

Alle diese Figiu*en sind nach Schnitten gezeichnet. Conservirung: Sublimat - Alkohol- 
Eisessig. Färbung: Grenacher 's Haematoxylin oder Ueidenhain's Eisenhaematoxylin- 
färbung. 
Fig. 46— 51. Die Veränderungen und der Zerfall der Trichosphaerien beim Verhungern. 
Nach Totalpraeparaten. Sublimat -Alkohol, Haematoxylin. 

• 52—57 beziehen sich auf die Kern- und Zelltheilung der Commensalen von Trichosphae- 

rwm, Fig. 52 ruhender Commensale; Fig. 53 Kerntheilung; Fig. 54 2^lltheilung; 
Fig. 55 ruhender Zellkern bei stärkster Vergröfserung (»*5o^i); Fig. 56 — 57 zwei Kern- 
theilungsstadien bei stärkster Vergröfeerung (»»so/^). Nach Schnitten. Sublimat -Al- 
kohol - Eisessig , Haematoxylin. 



Bei der Anfertigung dei* Zeichnungen wurden folgende Oculare und Objective von 
Seibert verwendet: 

Ocular I, 4, 6, 8, 18; 

Objective 16, 8, 4, 2. 
Die Vergrolserungen sind den einzelnen Figui*en beigefügt. 



c = Commensalen. 
ehr SS Cbromatin. 
d = Diatomeen. 
e ^ Excretkomer. 
n «« Kern. 



Buehstabenerkläning. 

ncl = Binnenkörper. 
m ssz Kernmembran. 

/ SS Linin. 
N SS Nahrungskorper. 

p BS Pseudopodium. 



po SS Pseudopodienöffnung. 
st ^ Sterkom. 
ih « Halle. 

V CS FlQssigkeitsvacuole. 
vd SS Verdauungsvacuole. 



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Qenerationsweclisel von Trichosphaerium siebokU Sehn. 93 



Inhaltsübersicht. 



6«itf 

Einleitung 3 

Litteratur über Trichosphaerium 5 

Material und Untersuchungsmethoden 7 

Kurze Übersicht der Organisation und des Zeugungskreises von Tricho- 
sphaerium sieholdi 13 

Der Zeugungskreis von Trichosphaerium 15 

Der feinere Bau 26 

I. Die Hülle 26 

a) Die Pseudopodienöffnungen 29 

b) Die Stabchen der Hülle 31 

n. Der Weichkörper 39 

a) Die Inhaltsgebilde 40 

1. Vacjiolen ... 1 41 

2. Nahnmgskörper 42 

3. Sterkome 43 

4. Excretkörner 48 

5. Verschiedene Kömchen, Fett, Reservestoffe u. s. w 53 

6. Commensalen 55 

h) Die Grundsubstanz 62 

c) Die Pseudopodien 65 

d) Die Kerne 69 

1. Die vegetativen Kern Veränderungen 73 

2. Die reproductiven Kern Veränderungen 75 

3. Die Kernveränderungen während der Verdauung der Tricho- 
sphaerien . . « . 81 

e) Die Plasma- und Kernveränderungen während des Verhungems der 
Trichosphaerien 82 

Die systematische Stellung 84 

Benutzte Litteratur 87 

Tafelerklärung 90 



Phys. Abh. nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899. L 13 



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KPreiiss. iVlcad d.Wisseusch 



i\n]idn^7.a.Al)h 1809. 




Scluuuliim Trichosphaei'ium sieboldi ^^"l'ii^rgitizedbyGoOQle 

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Die Verbreitung der Cactaceae im Verhältnifs zu 
ihrer systematischen GUederung. 



Von 
Prof. Dr. K. SCHUMANN. 



i%«. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 



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Vorgelegt in der Sitzung der phys.-math. Classe vom 15. Deceinber 1898 

[Sitzungsberichte St. LH. 8.807], 

Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 23. Februar 1899. 



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Einleitung. 

iVlir ist keine Familie in dem Bereiche der Siphonogamen bekannt, welche 
einer systematischen Bearbeitung solche erhebliche Schwierigkeiten in den 
Weg stellten, wie die Kakteen. Die Schwierigkeiten liegen in drei Ver- 
hältnissen: erstens in dem ungeheuren Schwalle von Formen, welche haupt- 
sächlich durch die Händler benannt worden und zum gro&en Theile ganz 
ungenügend oder überhaupt nicht diagnosticirt worden sind; zweitens in 
der keineswegs genügenden und gleichmäfsigen wissenschaftlichen Durch- 
arbeitung der ganzen Familie, d. h. in dem Mangel einer Vertrauens werthen 
Litteratur; drittens in dem ungenügenden getrockneten Typenmateriale. 

Seit mehr als 70 Jahren sind die Kakteen, wenn auch nicht immer 
mit derselben Leidenschaft, sondern in gewissen Zeitläufen mehr, in anderen 
weniger der Gegenstand einer eifrigen Pflege von Zimmercultivateuren ge- 
wesen. Diese betrieben die Pflege aus Liebhaberei: ihnen kam es mehr 
auf den Besitz der Objecte als auf die kritische Durchforschung der Arten 
an. Erst in neuerer Zeit ist hauptsächlich unter dem Einflufs der Deutschen 
Kakteen -Gesellschaft nach dieser Richtung hin eine Änderung eingetreten; 
viele der Zimmercultivateure haben ein hohes wissenschaftliches Streben 
und bemühen sich nicht blofs darum, die Formen kreise gründlich zu stu- 
diren , sondern auch die Entwickelung der Arten von der Keimpflanze bis 
zur erwachsenen genau kennen zu lernen. 

Es lag nun naturgemäfs im Interesse des Geschäftes, dafs die Kakteen- 
händler die Kauflust reizten und anspornten. Der Händler erreicht dieses 
Ziel, wenn er in jeder Saison mit Neuheiten auf dem Markte erscheint, 
denn diese sind für den Sammler in erster Linie begehrenswerth ; der 
letztere wird immer darauf bedacht sein, die Sammlung zum mindesten 
in einigen Gattungen zu vervollständigen. Neue Arten können bei der 
Erschließung bisher nicht ausgebeuteter Districte in einem reichlichen Mafse 



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4 K. Schumann: 

zufliefsen; sind aber unberührte Gebiete nicht zugänglich, so wird der 
Wunsch nach Neuheiten in dem kaufkräftigen Publicum doch immer leb- 
haft bleiben. Das Auge des Händlers schärft sich dann bis zu einer er- 
staunlichen Feinheit in der Unterscheidung der Formen; was Wunders also, 
wenn in einer so aufserordentlich formenreichen Pflanzenreihe auch minder 
scharf umschriebene und unbedeutendere Abwandlungen zu besonderen Arten 
erhoben werden ! Staunenswerth und für einen Botaniker fast unbegreiflich 
ist das Unterscheidungsvermögen des Specialisten in dem Bereiche der 
Gärtnerei. Mit spielender Leichtigkeit vermag der Azaleenzüchter mehrere 
hundert Formen, die aus einer einzigen Art entstanden sind, in sterilem 
Zustande, also nur nach der Tracht von einander zu sondern. Ich habe 
keineswegs den Eindruck, dafe der Kakteenhändler die von ihm als spe- 
cifisch verschieden verkauften Gestalten nicht meist zu trennen vermag, 
auch ich konnte, auf die Differenzen hingewiesen, später manche Ver- 
schiedenheiten wahrnehmen , die sich früher meiner Beobachtung entzogen 
hatten. Wie aber der Botaniker unmöglich alle vielleicht gärtnerisch werth- 
vollen Formen in den Bereich der systematischen Gliederung ziehen kann, 
so vermag er auch nicht bei den Kakteen jene oft nur durch minutiöse 
Details abweichenden Gestalten als eigene Arten anzuerkennen. 

Das Interesse, neu entdeckte Formen wissenschaftlich zu fixiren, liegt 
bei dem Händler nicht vor; aufserdem fehlt ihm auch häufig das Ver- 
mögen, eine Diagnose zu entwerfen. Aus dem letzterwähnten Umstände 
soll ihm nicht etwa ein Vorwurf erwachsen; die Beschreibung einer Pflanze 
abzufassen , ist ja gar nicht seine Sache. Nun könnte man glauben , dafs 
ihm der Botaniker hülfreich beispringen könnte. Bei uns in Deutschland 
wurden von Seiten der Händler wenigstens öeit der Mitte dieses Jahr- 
hunderts die meisten Arten benannt; niemals aber sind diese von einem 
Fachmanne geprüft und beurtheilt worden. 

Dem Händler genügt es vollkommen, wenn er fiir eine Pflanze, die 
ihm der Import zugeftihrt hat, in seinem Kataloge einen Namen fuhrt und 
wenn jene Pflanze gekauft wird. Unter Umständen wird es ihm sogar nur 
erwünscht sein, wenn dieser Name wieder einmal verschwindet; denn dann 
kann nach einiger Zeit die in Vergessenheit gerathene Art wieder als Neu- 
heit eingeführt werden, und Neuheiten zu bringen, ist die Aufgabe jedes 
rührigen Händlers. Ich will an zwei Beispielen aus der neueren Zeit mir 
genügen lassen, Mac Do well in Mexico führte vor wenigen Jahren aus 



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Die Verbreä. der Cactaceae im Verhälin. z, ihrer systemcU. Gliederung. 5 

dem Staate Guanaxuato zwei wolileharakterisirte Mamillarien ein, die unter 
dem Namen M. Heeseana Mac Dow. und M, Mac Dowellli Heese einen um- 
fangreichen Absatz fanden. Sie wurden in Deutschland hauptsächlich durch 
den Kaufmann Heese verbreitet, der natürlich gute Preise erzielte, weil 
die Arten eben Neuheiten waren. Die Firma Hildmann in Birken werder 
bei Berlin erhob aber Protest gegen- die Neuheitserklärung, indem sie be- 
hauptete, in der M, Heeseana Mac Dow. liege nur die von ihr früher ein- 
geführte M. Petersonii Hildm. vor und die M. Mac Dowellii Heese stimme 
völlig überein mit der M. gigantea Hildm. , die wieder identisch ist mit der 
M, guanxixiuitensis Runge. Wenn von diesen Arten Beschreibungen vorlägen, 
so würde die Behauptung wenigstens einigermafsen zu controliren sein; 
da diese aber fehlen und da die Typen jener Arten längst sämmtlich zu 
Grunde gegangen sind, ohne Spuren zu hinterlassen, so ist eine Prüfiing 
auf die Richtigkeit der Annahme völlig ausgeschlossen. 

Der Umstand, dafs die von Händlern aufgestellten und benannten Arten 
in einer unendlichen Zahl nomina nuda sind und dafs die früheren ver- 
gessen und immer wieder neue geschaffen wurden, erzeugte jene unendliche 
Menge von Arten, welche wie ein unerträglicher Ballast jede wissenschaft- 
liche Bearbeitung in so hohem Mafse erschwerte. Ich schätze die 2^hl der 
Artnamen, welche in der Litteratur vorliegen und fiir die meistens, wenn 
auch ofl nur ganz unzureichende Beschreibungen gegeben wurden, auf 
3000, so viel sind im Kew- Index erwähnt; dazu kommen noch mehrere 
hundert Arten, die von Händlern aufgestellt sind. In meiner Gesammt- 
beschreibung habe ich noch nicht 670 Arten beschrieben, von denen 
vielleicht noch manche Mamillaria und manche Opuntia fallen könnte. Aus 
diesen Zahlen geht hervor, dafs noch lange nicht ein Viertel der benann- 
ten Arten der kritischen Betrachtung eines Botanikers Stand zu halten ver- 
mochten. 

Wenn ein Botaniker unternimmt, die Monographie öiner Pflanzenfa- 
milie zu schreiben, so verschafft er sich zunächst das getrocknete Material 
derselben aus den verschiedenen Herbarien , wobei er vor allem darauf Be- 
dacht nimmt, die Originalexemplare zu erlangen, welche die Grundlage fiir 
die Aufstellung der Arten ausmachten. Diese unterwirft er einer möglichst 
eingehenden Untersuchung, womöglich in chronologischer Folge ihrer Auf- 
stellung, und versucht auf diese Weise, in die historische Entwickelung über 
die Erkenntnifs der Familie einzudringen. 



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6 K. Schümann: 

Dieser allein gangbare Weg der Arbeit ist bei den Kakteen einfach 
unmöglich, weil die sicheren Originalien nirgends mehr existiren. Bis vor 
kurzem gab es nur eine umfangreiche Sammlung getrockneter Kakteen, die- 
jenige nftmlich, welche Engelmann in St. Louis angelegt hat und die von 
dort nicht erhältlich ist. Mir wurde zwar berichtet, da& der Fürst Salm - 
Dyck, ohne Zweifel eine der allerersten Autoritäten auf dem Gebiete der 
Kakteenkunde , auf seinem Schlosse Dyck eine sehr umfangreiche Sammlung 
getrockneter Körper angelegt hatte. Hr. Gartendirector Hermes aber theilte 
inir mit, da& nach dem Ableben des Fürsten diese Skelette körbe weise auf 
den Composthaufen gewandert wären. Um nun fiir die Zukunft diesen 
Mangel zu beheben, habe ich neben der bedeutenden Erweiterung des Her- 
barmaterials eine sehr umfangreiche Sammlung von todten und getrockneten 
Kakteenkörpern angelegt, welche in dem Königlichen Botanischen Museum 
zu Berlin aufbewahrt wird. Auf diese Weise ist die Möglichkeit gegeben, 
dafs — wenigstens nach meiner Auffassung — die Typen in der Gesammt- 
beschreibung för alle Zeiten festgelegt worden sind. 

Wiederum ganz eigenartig für die Bearbeitung der Kakteen ist nun 
die Thatsache, dafs die in den Culturen vorhandenen lebenden Pflanzen 
einen Ersatz fiir die Herbaroriginale bieten. Die Zahl der gegenwärtig 
cultivirten Kakteenarten ist sehr grofs ; wir können getrost annehmen , dafs 
vielleicht drei Viertel aller, vielleicht aber noch mehr, in den verschie- 
denen Sammlungen vorliegen. Da war nun zunächst die Frage zu stellen: 
Entsprechen die unter bestimmten Namen cultivirten Pflanzen wirklich noch 
den ursprünglichen Typen? Ich habe mich sehr ernstlich bemüht, diese 
Frage zu beantworten, und war in der That im höchsten Mafse erstaunt 
über die Zuverlässigkeit der Bestimmung. Die Ursache dieser überraschen- 
den Erscheinung kann nur in der Continuität gesucht werden , deren sich 
die Kakteenpflege von ihrem Beginn bis heute erfreut hat. 

Ich kann nicht unterlassen, auf einen Umstand hinzuweisen, welcher 
leicht eine unheilvolle Verwirrung hätte erzeugen können. Zu der Zeit, als 
die erste Blütheperiode der Kakteenpflege sich entwickelte, deren Anfang 
mit dem Jahre 1838 zusammenfällt (dem Datum des Erscheinens von Pfeif- 
fer 's Enumeratio diagnostica und deren deutscher Übersetzung), belebte sich 
auch in Frankreich das Interesse für die Kakteen. Wir müssen dasselbe 
in erster Linie auf den Eifer von zwei Männern zurückfahren, von Le- 
maire und dessen hochherzigem Maecen, den Hm. de Monville, einem 



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Die Verbreü. der Cactaceae im VerhäÜn. z, ihrer systemat. Gliederung. 7 

reichen Fabrikbesitzer bei Rouen. Ein fiirchtbares Naturereignifs zerstörte 
die grofsen Fabriken de Monville's und bedingte den Zusammenbruch 
seines Vermögens. Später hat dann Schlumberger seine Stelle Lemaire 
gegenüber eingenommen. 

Zahlreiche Einfuhrungen von Kakteen aus Nord- und Süd -America 
in Deutschland und Frankreich spornten nun die Kakteenkenner in beiden 
Ländern zu einem wahren Wetteifer in der Beschreibung neuer Arten an. 
Bis zum Jahre 1838 standen die Deutschen zweifellos an der Spitze der 
Kakteenkunde, da die Thätigkeit des bedeutenden Haworth in England 
schon früher ihren Abschlufs gefunden hatte und da sich P. deCandolle 
nach dem Erscheinen seiner Revue und der Memoires sur les Cactees nicht 
weiter mit der Familie befafste. Zunächst trat der Fürst Salm-Dyck als 
Autor schärfer hervor (Hortus Dyckensis, Bonn 1834), Link und Otto, 
endlich Pfeiffer folgten ihm und beschrieben zusammen mehrere hundert 
Arten. In Frankreich gab Lemaire zwei Werke heraus, in denen eben- 
falls zahlreiche Arten beschrieben wurden (Cacteae aliquot novae 1838, 
Cactearum genera nova speciesque novae, mit dem Katalog der de Mon- 
ville'schen Sammlung 1839). 

Bei dieser Fruchtbarkeit in der Beschreibung neuer Arten konnte nicht 
fehlen, dafs in beiden Ländern manche Art doppelt beschrieben wurde; 
die Identificirung derselben mufste bei dem geringen Austausch der damals 
nur möglich war, grofse Schwierigkeiten bereiten. Wer nun weÜ3s, in 
welchem Malse oft die verschiedenen Alterszustände der Arten im äufseren 
Aussehen von einander abweichefi , ich erinnere z. B. an den Echinocadtis 
mgens Zucc, der wird verstehen, dafs bis auf den heutigen Tag die Arbeit 
noch nicht vollkommen abgeschlossen ist. 

Wenn wir aber im grofsen und ganzen doch dazu gekommen sind, 
diese Reinigung in der Systematik der Kakteen zu vollziehen, so haben 
besondere günstige Umstände mitgewirkt. 

Nachdem die erste Hochfluth der Kakteenpflege verlaufen war, trat in 
Deutschland um den Anfang der fönfziger Jahre ein bemerkenswerther Um- 
schlag ein. Noch in den vierziger Jahren bildet die Kakteenlitteratur einen 
nicht unwichtigen Abschnitt in den gärtnerischen und botanischen Zeit- 
schriften. Der Abschluös dieser Litteratur über die Kakteen wird gewisser- 
mafsen durch das letzte Verzeichnifs des Fürsten Salm-Dyck (Cactaceae 
in horto Dyckensi cultae, Bonn 1850) gebildet. Als Schriftsteller sind dann 



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8 K. Schumann: 

nur wenige Epigonen thätig gewesen, ich nenne Meinshausen und den Ber- 
liner Tischlermeister A. Linke, welcher seine lateinischen Diagnosen wie 
ein fachmännisch gebildeter Botaniker schrieb. Dafür blieb aber Lemaire 
in Frankreich bis in die sechziger Jahre schriflstellerisch thätig und ver- 
öffentlichte in belgischen und französischen Zeitungen noch recht werth- 
volle Beiträge zur Keiuitnifs der Kakteenkunde. 

Botaniker von Fjich traten mit der Pflanzenfamilie bei uns in Deutsch- 
land überhaupt nicht mehr in Berährung. Das Interesse daran fand sich 
vielmehr nur noch in den Kreisen der Privatleute verschiedensten Berufes. 
Von diesen machte sieh noch einer während einer kurzen Zeit öffentlich 
bemerkbar. In Berlin besafs eine sehr grofse imd artenreiche Sammlung 
Poselger, der in dem Jahre 1854. eine Reise nach Mexico unternahm, mit 
der ausgesprochenen Absicht die Kakteen zu studiren. Als eine Frucht 
dieser Reisen erschienen 1856 zwei Aufsätze in der Allgemeinen Garten- 
zeitung, die von Otto und Dietrich begründet wurde. 

Diesem Manne und einer Anzahl Händlern , welche das kakteenkaufende 
Publicum mit Material versahen, ist es nun zu danken, dafs von der Blüthe- 
zeit her die alten Arten erhalten blieben. Ich nenne von den letzteren 
die Firmen Friedrich Adolph Haage jun., wohl die älteste Kakteen- 
firma in Deutschland, die noch heute in den Händen des Enkels des Be- 
gründers, Ferd. Haage jun., liegt, Haage und Schmidt, beide in Erfurt, imd 
Sencke in Leipzig. Von der hervorragendsten Bedeutung ist ferner für 
die Erhaltung der Kenntnifs der Arten über eine wissenschaftlich sterile 
Zeit hinweg der Königliche Botanische Garten zu Berlin gewesen. In ihm 
hat man mit grofsem Verständnifs immer einen Werth auf die einst so 
hochberühmte Sammlung der Kakteen gelegt, die er früher beherbergte, 
hat sie zu erhalten gewufst und durch Neuanschaffungen bereichert. Kein 
Ort in Deutschland war also mehr geeignet, fiir die gründliche Durchar- 
beitung dieser so schwierigen Familie als Berlin. Nachdem ich begonnen 
hatte, mich mit den Kakteen zu beschäftigen, wurde Sorge getragen, dafe 
diese Sammlung auf die Höhe der Gegenwart gebracht wurde. Ich kann 
dem Director des Gartens, Hrn. Geheimrath Engler nicht genug danken, 
dafs er in voller Anerkennung der Wichtigkeit der Sache mir die Mittel 
gewährte, dieselbe so auszugestalten, dals sie jetzt zweifellos eine der ersten 
Stellen einnimmt, was Vollständigkeit der Arten anbetrifft. Mehrere Um- 
stände wirkten dabei helfend mit: in erster Linie die thatkräftige Unter- 



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Die Verbreit, der Cacfaceae im VerhäÜn, z, ihrei' systemai, Gliederung. 9 

Stützung der Mitglieder der DeutvSchen Kakteen -Gesellschaft, die dem Garten 
viele interessante, seltene und kostbare Arten überliefsen. Sehr wichtig 
war auch die Unterstützung von Männern, welche mir werth volle Pflanzen 
aus der Heimat einsandten, ich nenne Hrn. Director Söhrens und Prof. 
Dr. Reiche in Santiago de Chile, die Firma G. H. L. F. Blohm in Hamburg, 
durch die' ich die in neuerer Zeit niemals mehr importirten Kakteen aus 
Venezuela erhielt, Hrn. Grosse und vor allem Prof. Anisits aus Paraguay. 
Endlich lernten wir durch die ausgezeichneten Erfolge der Zimmercultiva- 
teure die Pflege der Kakteen so vortrefflich kennen, dafs durch geschickte 
Gehülfen im Botanischen Garten auch ein vollendeter Wandel im Aussehen 
dieser Pflanzen geschaffen wurde und ich gesunde und kräftige Vorbilder 
als Unterlage fiir meine Beschreibungen erhielt. 

Nachdem Lemaire mehr und mehr seine littei'arische Thätigkeit ein- 
gestellt hatte, wurde auch in Frankreich die Kenntnifs der Kakteen latent 
und verblieb in dem Kreise der privaten Zimmercultivateure. Hier wirkte 
nun ein Mann aufserord entlich günstig für die Erhaltung der Kenntnisse 
der Arten, Pfersdorff in Paris. Er war aus Mainz eingewandert, und 
sein ganzes Leben ging in den Kakteen auf. Als Händler entwickelte er 
eine emsige Thätigkeit. Von besonderer Bedeutung ist diesem Manne gegen- 
über der Umstand , dafs er die Arten , die man in Frankreich beschrieben 
hatte, mit denen vergleichen konnte, welche von deutschen Autoren auf- 
gestellt worden waren. Durch diese glückliche Vereinigung halte ich seine 
Wirksamkeit fiir äufserst wichtig und bedeutsam. Bei ihm war lange Zeit 
ein Mann thätig, der später in Deutschland die erste Stelle als Händler 
einnehmen sollte: Hildmann brachte, als er durch die Kriegs wirren im 
Jahre 1870 Frankreich verlassen mufste, die gründlichste Kenntnils der 
Formen mit nach Deutschland und hat durch den Vertrieb gut bestimmter 
Pflanzen sehr viel dazu beigetragen, dafs sich in den Sammlungen eine 
richtige Nomenclatur erhielt. 

In der ganzen Welt fast wird gegenwärtig die Kakteenpflege mit 
grofsem Eifer, vielfach von kleinen Leuten in wenig umfangreichen Samm- 
lungen betrieben. Die Mitglieder der Deutschen Kakteen -Gesellschaft be- 
wohnen die verschiedensten Länder von Europa und America; sehr deut- 
lich spricht fiir die grofse Zahl Interessenten der Absatz kleiner Cultur- 
anweisungen, welche im Laufe eines Jahres in mehr als 700 Exemplaren 
verkauft wurden. In Frankreich allein hat die Pflege gegen früher ganz 
Phys. Ahh. nicht zur Äkad. gehör. Gelehrter. 1899. IL 2 



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10 K. Schumann: 

erheblich abgenommen; dafiir lebt aber dort ein Mann, der Generalarzt z. D. 
Dr. Weber, welcher zweifellos der beste der jetzt lebenden Kakteenkenner 
ist. Eine sehr grolse Sammlung besitzt Hr. Roland-Gosselin-in CoUine 
de la Paix bei Nizza, dem das günstige Klima erlaubt, fast alle Kakteen 
im Freien zu cultiviren. Die Unterstützung von Dr. Weber vervollständigt 
seine Sammlung mehr und mehr und bedingt die Zuverlässigkeit in der 
Bestimmung. 

Auf diesem Wege ist es gekommen, dafs wir, trotz des Verschwindens 
der alten Originale, doch mit Sicherheit über die früheren Arten urtheilen 
können und dafs die heute cultivirten Pflanzen in vielen Fällen den Werth 
besitzen, welchen sonst die typischen Exemplare allein beanspruchen dürfen. 

Ich komme nun zu dem letzten von mir angeregten Punkte, zu der 
Besprechung der Kakteenlitteratur. Diese lag nun bis vor Kurzem derart 
im Argen, dafs, wenn wir nicht die Arten in der Cultur besä&en, eine 
wirkliche Monographie ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Die älteren Ar- 
beiten sind im grofsen und ganzen von demselben Werthe wie die gleich- 
zeitigen über andere Pflanzengruppen. Haworth, der Fürst Salm-Dyck, 
P. de Candolle haben die Kakteen mit Sachkenntnifs nach vorliegenden 
Exemplaren beschrieben. Wenn auch Pfeiffer die Diagnosen der vor ihm 
beschriebenen Arten aus den Arbeiten der Autoren excerpirte , so fögte er 
doch so viele auf Autopsie gegründete Bemerkungen hinzu , dafs seine Enu- 
meratio diagnostica immer ein sehr werthvoUes Buch bleibt. Schon mit 
Förster aber begann eine bemerkenswerthe Veränderung, indem an die 
Stelle einer sorgfältigen eigenen Beobachtung die Compilation trat. Seine 
Diagnosen sind wörtliche Übersetzungen aus Pfeiffer's Enumeratio. Daflir 
ist aber der allgemeine Theil, besonders soweit er von der Cultur der 
Kakteen handelt, werth voll, und auch manche den Arten angehängte Be- 
merkung verdient Berücksichtigung. Die zweite Auflage, welche von Rümp- 
1er besorgt wurde, ist eine sehr fleifsige Arbeit. Er hat die grö&te Mühe 
darauf verwandt, möglichst vollständig alle vorhandenen Beschreibungen 
abzudrucken bez. zu übersetzen. Wenn er die Vollständigkeit nicht erreicht 
hat, so liegt diesem Mangel der üble Umstand zu Grunde, dafis einzelne 
Arbeiten äufserst schwer zu erreichen sind. Die Kritik ist dagegen nicht 
seine Sache! Bisweilen hat er, selbst gegen die ausdrückliche Ansicht der 
Autoren, Arten wieder aus einander gezogen, die identisch sind, ganz da- 
von zu schweigen, dafs er sich ein Urtheil über dieselben nicht bilden 



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Die Verbreif, der Caciaceae im VerhäÜn. z. i/irer systernai, Gliederung. 1 1 

konnte, weil sie nicht mehr existirten. Ich habe nach einer sehr genauen 
Benutzung des Buches nicht den Eindruck gewinnen können, dafs er seinen 
Gegenstand genügend kannte und ausreichend beherrschte. Will man einen 
Beweis für diese Behauptung, so studire man seine Bearbeitung von Pilo- 
cereus, in der er mangels einer ihm bekannten Gliederung (dieselbe lag 
allerdings von Lemaire entworfen vor) die Arten alphabetisch aufzählte. 
Über die bekannten gegebenen Gruppirungen in den Gattungen ist er niemals 
herausgegangen; die bis dahin nicht bekannten Arten hat er in die alten 
Abtheilungen einzugliedern versucht. Er verfuhr dabei nicht immer mit 
Glück, wie z. B., wenn er 0. kptocaulis P.DC. zwischen 0. arborescem Eng. und 
0. acanthocarpa Eng. bei den Cristatae, O.rarmdifera S.-D. am Schlufs dieser 
Abtheilung, 0. Kleiniae P.DC. bei den Monacanthae^ O.Wrightii Eng., 0. gra- 
cilis Hort, und O.frutescens Eng. bei den Svbfrutescentes unterbrachte, obgleich 
doch 0. kptocaulis und 0. ramuUfera sicher identisch sind und 0. Wrightii mit 
0. Kleiniae zusammenföllt, alle aber in die Gruppe Monacanihae gehören. 

Über Labouret, Monographie des Cactees, ein Wort zu verlieren, ist 
eigentlich Zeit- und Raumvergeudung. Mir ist in der gesammten bota- 
nischen Litteratur nicht ein Buch bekannt, welches so klar und deutlich 
beweist, dafs der Autor selbst den geringstiCn Anforderungen, die man an 
ihn zu stellen berechtigt ist, auch nur im mindesten entspricht. Die Mo- 
nographie ist die flüchtigste Compilation, ohne Kritik und Sachkenntnifs. 
Ich bezweifle selbst, dafs der Verfasser die lateinische Sprache kannte, denn 
wenn er sie beherrschte, hätten nicht so viele Druckfehler in den Namen 
stehen bleiben können. Die Litteraturnachweise wufste er in ihren Ab- 
kürzungen nicht zu deuten; in seinen Synonymenverzeichnissen kann man 
die wunderbarste Blumenlese von Mifsverständnissen und den unglaublichsten 
Irrthümern finden (vergl. die Litteratur von Melocactus communis Lk. et 0.). 

Von den zuletzt erwähnten Arbeiten heben sich aber diejenigen zweier 
neuer Autoren auf das Vortheilhafteste ab. Zunächst mufs ich Engelmann 
erwähnen. Neben einigen anderen schwierigen Pflanzengruppen der nord- 
americanischen Flora wandte er die Aufmerksamkeit den in seinem neuen 
Vaterlande vorkommenden Kakteen zu. Er behandelte dieselben mit solcher 
Sachkenntnifs, dafs seine durch die schönsten Kupferstiche gezierten Schriften 
geradezu classisch genannt werden dürfen. Wenn die Beschreibungen der 
Kakteen, welche von botanischen Sammlern (Wislizenus, Fendler, Lind- 
heimer) oder von den Führern der staatlicherseits unternommenen Er- 



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12 K. Schümann: 

forschungsexpeditionen (Emory, Whipple, King, Ives, Wheeler u.s.w.) 
mitgebracht wurden, durch ihre peinliche Genauigkeit und Vollständigkeit 
gerühmt werden können , so ist die Synopsis durch die Kürze der Phrasen 
und durch die Schärfe der Gliederung der allerhöchsten Beachtung werth. 
Engelmann hat die Kakteen seines Gebietes als durchaus selbständig unter- 
suchender und denkender Botaniker studirt und den schwierigen Gegenstand 
vollkommen sachgemäfs zu meistern verstanden. 

Noch eines zweiten Mannes habe ich hier rühmend zu gedenken, dem 
gegenüber ich mit Dank hervorheben kann, dafs mir sein Rath und Bei- 
stand bei dem so schwierigen Unternehmen einer Monographie von dem 
gröfsten Nutzen gewesen ist. Herr Generalarzt z. D. Weber in Paris gieng 
mit der französischen Expedition nach Mexico, das er aufzahlreichen Streif- 
Zügen in vielen Theilen genau kennen lernte. Dabei schenkte er den Kak- 
teen eine besondere Beachtung und erwarb sich eine eingehende Kenntnifs 
derselben. Er trat in Verbindimg mit Engelmann; es entwickelte sich 
zwischen beiden Männern ein lebhafter Briefwechsel, in w^elchem Weber 
seine zahlreichen Erfahrungen selbstlos niederlegte. Engel mann hatte 
zweifellos die Absicht, noch einmal in seinen späteren Jahren auf die Kakteen 
zurückzukommen, und sammelte alle Notizen für eine Bearbeitung derselben. 
Als Coulter seine Preliminary revision of the North -American species heraus- 
gab, hat er auch die Arten, die Weber fiir neu hielt und deren Beschrei- 
bungen von ihm an Engelmanh eingeschickt warep, veröffentlicht. Leider 
hat er Weber von seinem Vorhaben nicht in Kenntnifs gesetzt, und auf 
diese Weise sind einige Mifslichkeiten entstanden, da sich doch immerhin 
im Laufe von mehr als 30 Jahren, so lange hatten die Manuscripte geruht, 
mancherlei Veränderungen vollzogen haben. 

Weber hat neben einzelnen kleineren VeröfTentlichungen die Summe 
seiner Erfahrungen in dem Dictionnaire d'horticulture von D. Bois nieder- 
gelegt; die Bearbeitung der Kakteengattungen in diesem Buche ist sein 
Werk. Er hat nicht die Absicht gehabt, eine Monographie zu schreiben, 
sondern wollte nur mit schärfster Kritik als ein wahrer Gelehrter diejenigen 
Erfahi-ungen mittheilen, die er im Laufe seines langen Lebens gesammelt 
hatte. Er stand nicht blofs in früher Jugend schon mit Pfersdorff in Ver- 
bindung, sondern spannte seine Beziehungen auch später noch über alle 
Gebiete der Kakteen aus. Auf diese Weise trug er namentlich dazu bei, 
unsere Kenntnisse über diese Familie in der Argentinischen Republik, Bo- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäUn. z. ihrer si/siemat Gliederung. 1 3 

livien und Patagonieii zu vermehren. Er wurde darin von Schickendantz 
in Tucuman, Spegazzini in La Plata und von Düsen in Stockholm unter- 
stützt. Auch die Sammlungen von Malme und Lindman sind von ihm 
bearbeitet worden. Ich stehe nicht an zu erklären, dafs der Name Weber 
neben dem des Fürsten Salm-Dyck und Engelmann's in erster Linie unter 
den Botanikern zu nennen ist, die sich mit Kakteen befafst haben. 



I. Das natürliche System der Kakteen. 

Die geringe Berücksichtigung, welche die Kakteen unter den Botanikern 
fanden, erklärt die befremdliche Erscheinung, dafs bis in unsere Tage das 
System derselben in den grofsen Gruppen nicht reformirt wurde , dafs man 
vielmehr mit einer zähen Beharrlichkeit an dem von dem Fürsten Salm- 
Dyck und Pfeiffer begründeten System festhielt, obschon die Mängel des- 
selben für Jeden , der mit der Familie nur einigermafsen vertraut war, offen- 
kundig zu Tage lagen. Ich habe zuerst im Jahre 1890 bei der Bearbeitung 
der Familie für die Flora Brasiliensis einen Versuch gemacht, das System 
nach neuen Eintheilungsprincipien , welche aus dem Studium der morpho- 
logischen Verhältnisse erwuchsen, umzugestalten. Wesentliche Einsprüche 
sind gegen dasselbe nicht erhoben worden ; denn die in einem gegen mich 
gerichteten Flugblatte gemachten Einwürfe können, da sie von kenntnUfe- 
losen Laien ausgiengen, nicht als der Widerlegung würdig erachtet werden. 

Ich habe die historische Entwickelung des natürlichen Systems der 
Kakteen in einer umfangreichen Arbeit zu schildern versucht^ und kann 
auf diese verweisen. Dagegen mufs ich wenigstens kurz auf diejenigen 
Punkte in dem Pfeiffer-Salm-Dyck'schen Systeme eingehen, welche seine 
gegenw^ärtige Unzulänglichkeit bedingen. 

A. Kritik des Pfeiffer-Salm-Dyck'schen Systems. 

Das System entstand durch die gemeinschaftliche Arbeit des Fürsten 

Salm-Dyck und Pfeiffer, indem der erstore die Hauptgrundzüge bereits 

in der Kritik einer Eintheilung von P. de CandoUe^ niedergelegt hatte, die 

dann Pfeiffer zum formalen Ausbau des Systems l^enutzte.'^ Einige Ab- 



' K. Schumann in Monatsschr. f. Kakteenk. VII, loff. 
* Salm-Dyck in Allg. Gartenz. IV, 145. 
' Pfeiffer, Eniim. diagnost. 4. 



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14 K. Sch'ümann: 

änderungen brachte dann der Fürst Salm-Dyck an, als er sein letztes 
VerzeichniXs publicirte/ Dieses soll der folgenden Besprechung zu Grunde 
gelegt werden. 

Die Haupteintheilung in TvJbulosae und Rotatae mufs insofern unzu- 
länglich genannt werden, als durch dieselbe die Tribus V, die Rhipsalideae 
umfassend , aus ihrer offenbaren nächsten Verwandtschaft hin weggenommen 
und zu den Opuntieae und Peireskieae gebracht wird, mit denen sie un- 
bedingt keinerlei innere« verwandtschaftliche Beziehungen hat. Überdiefs 
ist die Bezeichnung Tubulosae schief, da die BlüthenhtiUe der Kakteen so 
gut wie niemals röhrenförmig genannt werden kann. Diese letzte Gruppe 
umfafst einzig die AphylUxe, während die Rotatae in zwei Untergruppen, 
Squamatae {SvJbaphyllae Pfeiff.) und Foliosae, zerfallen. 

Diese Gliederung ist weder in sich logisch , noch ist sie wissenschaft- 
lich richtig. Wir wissen heute, dafs alle Kakteen Blätter erzeugen, wenn 
sie auch häufig sehr klein, bisweilen nur mikroskopisch nachweisbar sind; 
die Bezeichnung Aphyllae ist somit, wenn sie auch einem alten botanischen 
Sprachgebrauch nicht fremd ist, unbedingt zu verwerfen. Wenn nun zwar 
Pfeiffer sowohl wie dem Fürsten Salm-Dyck unbekannt war, dafs in 
der Gattung Cereus, Mamillaria u. s.w. Blätter vorhanden sind, so mufsten 
Beide doch wissen, dafs die Blätter der Rhipsalideae (squarnae) m jeder Be- 
ziehung mit denselben Organen bei den Phyllocacleae übereinstimmen, wa- 
ren die einen aphyllae, so waren es die anderen gleichfalls. 

Gegen die weitere Gliederung der Aphyllae in diejenigen Formen , welche 
ein »Germen inclusum laeve« und diejenigen, welche ein »Germen exsertum 
squamosum raro laeve« haben, will ich nur die Bemerkung einwerfen, dafs 
bei Discocactus und Malacocarpus stets, bei Echinocacttts und Pilocereas in 
einzelnen Fällen der Fruchtknoten nicht deutlich exsert uncl nicht immer 
beschuppt ist: diese Ausnahmen könnten indefs noch durch das beigefügte 
»raro« gedeckt werden. 

Dagegen ist falsch, wenn der Fürst Salm-Dyck die Sqiujmatae durch 
ein Germen exsertum, perigonio marcescente coronatum charakterisirt; denn 
bei Rhipsalis kommen eingesenkte Fruchtknoten nicht selten vor, und die 
Beere ist sogar gewöhnlich nicht von dem abgetrockneten Perigon ge- 
krönt. 

' Salm-Dyck, Tac/. hört. Dyck. 8011111850. p. 111. 



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Die Verbreit der Caciaceae im Verhäitn. z. ihrer systemcU. G&edenmg. 1 5 

.Die GattunjB^eii der Tvhulosae germine incluso laevi, welche die Tribus I 
Melocxxdeae^ bilden, zerfallen wieder in solche, bei denen die Blüthen aus 
den Axillen der Höcker hervortreten, und in solche, deren Blüthen aus 
einem Cephalium entspringen. Diese Eintheilung ist unlogisch; denn die 
beiden Gruppen sind nicht nach dem Satze des Widerspruchs gebildet. 
Sie mufste sich auf das Vorhandensem oder das Fehlen eines Cephaliums 
gränden. Über das Wesen des Cephaliums war der Fürst Salm-Dyck 
nicht genügend unterrichtet, obschon dasselbe bereits vorher von de Mon- 
ville richtig analysirt worden war. In Wirklichkeit treten die Blüthen hier 
aus den Areolen; aber es wäre sehr wohl möglich gewesen, dafs sie auch 
im Cephalium aus den Axillen hätten entspringen können. 

Die zweite Abtheilung der Aphyllae germine exserto squamoso raro 
laevi zerlegt er in diejenigen Gattungen, bei welchen die Blüthen aus 
areolentragenden , meist in Rippen zusammenflielsenden Höckern hervor- 
treten, und in diejenigen, bei welchen die Blüthen aus seitlichen Kerben 
oder aus der Spitze der Glieder eines blattartigen Stengels erscheinen. In 
beiden Fällen kommen sie aus den Areolen, die noch dazu bei Cereus häufig 
eine völlig identische BeschaflFenheit mit denen der Phyllocacteae haben. 
Überdiefs gibt es wieder Formen, welche ein Cephalium bilden, von der 
nämlichen Beschaffenheit wie das von Melocactus, die also in dieser Ab- 
theilung keinen Platz finden können. 

Sonst ist noch als mangelhaft an dem System zu erklären, dafs es 
die Gattung Leuchtenhergia von Echinocadus ^ mit der sie allein verwandt- 
schaftlich in Beziehung gesetzt werden kann, entfernt und sie zu den 
Cereastreae bringt. Sie hat weder die »flores laterales«, noch den »tubus 
perigonii plerumque elongatus« der Cere-astreae. Die Blüthen sind vielmehr 
ganz in dem Sinne scheitelständig, wie er für Echinocactas genommen werden 
kann, und die Form der Blüthe schliesst sich an die der grossblüthigen 
Echinocacten mit beschuppter, aber nicht behaarter Röhre an. 

Diese Ausstellungen an dem System von Pfeiffer- Salm-Dyck werden 
zur Genüge darthun, dass es reformbedürftig war; nach der einen Seite 

' In der unglückseligen Vereinigung der Gattungen Melocactus und Mamillaria zu einer 
Tribus mufs man die Nachwirkung einer irrtliümlichen Vorstellung von P. de Candolle er- 
kennen. Dieser meinte nämlich in seiner Revue des Cactees, ein bliihender, mit Schopf ver- 
sehener Mdocactus sei als ein Eehinocact^ts aufzufassen , der am oberen Ende eine MamiUaria 
aufgesetzt trijge. 



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16 K. Schumann: 

hin hat die fortschreitende Erkonntnife über die Kakteen wesentliche* Er- 
weiterungen gebracht, nach der anderen Seite hin hat der Fürst Salm- 
Dyck die schon zu seiner Zeit vorliegenden Kenntnisse nicht richtig ver- 
werthet. 

B. Die Begründung des von mir entworfenen Kakteensystemes. 

Ein System der Kakteen mufs, wenn es der doppelten Anforderung, 
die man an ein solches zu stellen berechtigt ist, Genüge leisten will, be- 
sondere Verhältnisse in Rücksicht ziehen. Einmal wird es die Fülle von 
Formen in einer übersichtlichen Gliederung zusammenstellen, welche die 
Blutsverwandtschaft soweit wie möglich zum Ausdruck bringt; auCserdem 
wird es derart beschaffen sein müssen, dafs eine vorliegende unbekannte 
Form in dasselbe hineingegliedert werden kann, es soll also zur Bestimmung 
derselben geeignet sein. In den wenigsten Fällen befindet sich der zu be- 
urtheilende Körper in dem Zustande botanischer Vollständigkeit; von vielen 
Arten der Kakteen kennen wir Blüthen und Früchte wie Samen nur man- 
gelhaft, oder sie sind überhaupt noch nicht gesehen worden. Diesen Um- 
stand hat der Botaniker, welcher es unternimmt , ein System der Kakteen 
aufzustellen, sehr zu beherzigen. Mir lag also in erster Linie daran, aus 
den groben exomoi-phen Merkmalen der Körper einen möglichst weitgehenden 
Nutzen für die Eintheilung zu ziehen. Schon hierin liegt ein ungewöhn- 
liches Verhältnifs vor, da fast in allen Familien der Pflanzen die Eintheilung 
auf die floralen Charaktere gegründet ist. 

Zum Glück bieten die Kakteen Merkmale, welche es gestatten, die 
Hauptgliederungen nach leicht wahrnehmbaren Charakteren zu vollziehen. 
Von besonderer Wichtigkeit ist das Vorhandensein von Widerhakenstacheln 
oder Glochiden. Sie finden sich ausschliefslich bei den Gattungen der 
Gruppe, die ich als Unterfamilie Opuntioideae zusammengefaßt habe. Die 
Natürlichkeit dieser Absonderung wird gewährleistet durch ein äußserst 
wichtiges, constant wiederkehrendes Merkmal an den Samenanlagen. Näm- 
lich nur bei den Opuntioideae wird die eigenthümliche Thatsache wahr- 
genommen, dafs die Samenanlage von einer eigenartigen Hülle, die von 
dem Nabelstrang ausgeht, eingeschlossen wird. Die Hülle erzeugt in ihrer 
weiteren Entwickelung dickwandige sklerotische Elemente und bleibt immer 
blals, sie ist entweder gelblich oder hellbräunlich, so dafs man die Samen 
aller Opuntioideae als hart- und hellschalig bezeichnen kann. Berücksichtigt 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerJiäUn, z. ihrer systemat. Gliederung, 17 

luan nun iiodi, dafs die Opuntioideae zum mindesten am Neutrieb immer 
gröfsere und deutliche, zuweilen sehr grolse und auch später oft bleibende 
Blätter haben , so wird man zugeben , dafs diese Unterfemilie immer leicht 
zu erkennen und dafs sie auch natürlich gut begründet ist. 

Grofse und deutliche Blätter kommen auch der Unterfamilie Peireskioideae 
zu; da ihnen aber, selbst wenn sie opuntioide Tracht besitzen, stets der 
Glochiden entbehren, so wird man sie in bequemer Weise zu erkennen 
vermögen. Allen Formen der Peireskioideae sind die glänzenden, dünnen, 
schwarzen Samenschalen der übrigen Kakteen eigen , und diesem Umstände 
entsprechend ist die Samenanlage nicht besonders umhüllt. 

Als dritte Unterfamilie bleibt diejenige der Cereoideae zurück, welche 
durch kleine, häufig nur in jugendlichem Zustande mit Hülfe des Mikro- 
skopes nachweisbare Blätter ausgezeichnet ist, niemals aber Glochiden be- 
sitzt. Die Samenanlagen sind nicht von einer besonderen Hülle umgeben, 
die Samenschale ist dünn und brüchig, dabei dunkelgelb, braun oder schwarz 
gefärbt, selten sind die Samen heller gelb. 

Nachdem ich die Gesammtbeschreibung der Kakteen vollendet habe, 
bin ich zu einer anderen Ansicht über die Anreihung dieser Unterfamilien 
gekommen. Ich halte jetzt die Peireskioideae für diejenige Gruppe, welche 
den Ausgangspunkt der merkwürdigen Diflferenzirungen zu den Körpern der 
Kakteen darstellt. Durch das Vorhandensein von breitspreitigen Blättern 
und bisweilen von wahren Blüthenständen lehnen sie sich am nächsten an 
die normalen Dicotyledoneen an. Auf sie folgen die Opuntioideae , welche 
mit den Peireskioideae durch die Gattung Maihuenia Phil, verbunden werden ; 
dabei ist die letztere aber nach ihren wichtigen Charakteren in der Beschaffen- 
heit der Samen und wegen des Fehlens der Glochiden in die letzt erwähnte 
Unterfamilie zu stellen. 

Die Cereoideae zerlege ich in 2 Tribus , in die Echvnocadeae und Mamülarir 
eae, welche sich dadurch von einander unterscheiden, dafs bei jenen der 
Neubildungsherd in der Achsel der Blätter einheitlich, bei diesen aber getheilt 
ist, mit anderen Worten die Echinocacteae erzeugen Knospen und Blüthen aus 
den Areolen, die Mamillarieae aber aus den Axillen. Die Rhipsalideae , welche 
ich noch in der Gesammtbeschreibung als dritte Tribus festhielt, kommt 
jetzt zu den Echinocacteae, Ich habe schon oben gesagt, dafs ich der rad- 
förmigen BlüthenhüUe keine so grofse Bedeutung zuschreiben kann; jetzt, 
da wir die kleine , radtbrmige Blüthe von Cereus geometrizans Mart. so genau 
Phys. Abh, nicht zur AJcad. gehör. Gelehrter, 1899, IL 3 



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18 K. Schumann: 

kennen gelernt haben, fällt die Möglichkeit einer derartigen Sonderung über- 
haupt weg. Ihrer ganzen Morphologie nach ist die Tribus der Rhipsalideae 
mit den c^^^t^^artigen Gestalten verwandtschaftlich eng verbunden, und zu 
ihnen müssen sie wieder gebracht werden. Die Gliederung der Mamillari- 
eae ist klar und durchsichtig; ich habe nicht nöthig, sie hier zu wieder- 
holen, da ich keine Abänderung gegen die Eintheilung in der Gesammt- 
beschreibung vorzunehmen gedenke. 

Die Vielgestaltigkeit des Körpers in der Gattung Rhipsalis, die ich nicht 
weiter in Gattungen zerlegen möchte, zwingt mich nun, von der Beschaffen- 
heit der BlüthenhüUe fiir die Gliederung Gebrauch zu machen; ich mufs 
die Eehinocdcteae nach dem Vorhandensein einer kleinen , radförmigen oder 
einer gröfseren, meist trichterförmigen BlüthenhüUe zerlegen. Dabei will 
ich aber beide Gruppen wegen der engen Beziehungen zu einander nicht 
mit besonderen Namen hervorheben. Auch die weitere Scheidung lasse ich 
in' der Form bestehen, welche man in der Gesammtbeschreibung findet, nur 
rücke ich Leuchtenberffia noch näher an Echinomctus heran und stelle Meh- 
cactus hinter diese Gattung, so dafs ihr derselbe Ort zukommt, der Cepltalo- 
cereus hinter Cereus und Pilocereus angewiesen ist. 

Mein System hat also jetzt folgende äufsere Gestalt: 
I. Unterfamilie Peireskiouleae K. Seh. (Peire.skia L., Maihtienia Phil.). 
II. Unterfamilie C^niirtowteae K. Seh. (Opww^iaMilL, Nopalea S,'D,\ Ptero- 

cactus K. Seh.). 
III. Unterfemilie Cereoideae K. Seh. 

I. Tvihxxs EchinocacteaeK.Sdh. 

A. Stamm verlängert, kantig oder gerippt, Blüthen ansehnlich, trichter- 
förmig {Cereus Mill. , Pilocereus Lem. , Cephalocereus K. Seh.). 

B. Stamm verlängert, blattförmig, Blüthen ansehnlich {Phyllocactus 
Lk., Epiphyllum Pfeiflf.). 

C. Stamm verlängert, fadenförmig, kantig oder blattartig, Blüthen 
klein, radförmig [Pfeiffera S.-D., Hariota P. DC, Rhipsalis a'ATtn,). 

D. Stamm verkürzt, Blüthen ansehnlich trichterförmig. 

a. Ein Cephalium nicht vorhanden. 

Ä. Körper gerippt oder in kurze Höcker aufgelöst. 



* Ich bin doch sehr zweifelhaft geworden, oh diese Gattung fernerhin anzuerkennen 
ist; besser wäre es wohl, sie wieder nach Opuntiu zurückzubringen. 



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Die Verbreü. der Cactaceae im Verhältn, z. ihrer systemat QUedertmg. 19 

I. BlüthenhüUe verlängert, trichterförmig (Echinopsis 

Zucc). 
IL BlüthenhüUe meist verkürzt. 

1 . Körper kurz cylindrisch , sehr weich , Blüthen seiten- 
ständig, Fruchtknoten bestachelt, Narbe grün (J?cA/- 
iiocerem Eng.). 

2. Körper kugelförmig, selten cylindrisch, derb und 
prall, Blüthen meist endständig, Fruchtknoten nicht 
bestachelt (Echinocactus Lk. et 0.). 

/3. Körper mit prismatischen langen Warzen bedeckt (Lezcch- 
tenbergia Hook, et Fisch.). 
b. Ein Cephalium entwickelt sich, wenn die Pflanze blühfähig 
wird {Melocactus Lk. et 0.). 
2. Tribus Mamillarieae {Mnmillaria Haw. , Pelecyphora Ehrbg. , Ariocar- 
pus Scheidw.). 



Wenn ich mein System mit denjenigen vergleiche, welche in den gegen- 
wärtig gebrauchten grofsen systematischen Handbüchern, in Bentham- 
Hooker, Genera plantarum, und in Baillon, Histoire des plantes, ange- 
nommen sind, so macht sich zunächst ein Unterschied in der Zahl der an- 
erkannten Gattungen bemerkbar. Beide genannte Autoren haben nur 1 3 Gat- 
tungen in der Familie der Kakteen angenommen, während ich deren früher 
20, jetzt 21 anerkannt habe. Sehe ich von' der erst durch mich auf eine 
neuerdings gefimdene Pflanze gegründete Gattung Pterocactas ab, so habe 
ich immerhin noch um die Hälfte mehr als jene. Allgemeine Grundsätze 
über die Aufstellung von Gattungen im Pflanzenreich festzusetzen, ist längst 
als ein Ding der Unmöglichkeit erkannt worden; die einzelneji Familien 
müssen nach dieser Richtung hin einzeln für sich betrachtet und noth- 
gedrungen verschieden behandelt werden. Aber auch in einer einzelnen 
solchen Gruppe wird man nicht dahin gelangen, allgemein gültige Prin- 
cipien niederzulegen, die von allen Botanikern gleichmäfsig angenommen 
werden müssen. Die Aufstellung der Gattungen ist durchaus abhängig 
von der höheren oder geringeren Bewerthung der Merkmale, die immer 
subjectiv bleibt. Wenn ich also in dem weichen Körper der Arten von 
Echinocereus, in dem stets bestachelten Fruchtknoten und der grünen Narbe 



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20 K. Schümann: 

vortreffliche Charaktere zur Abgliederung der Gattung erkenne, so wird 
man mir vielleicht in dieser Anschauung nicht beitreten, wie denn diese 
Gattung nicht blofs von ihrem Schöpfer Engelmann selbst wieder ein- 
gezogen, sondern auch später mit Ausnahme von Lemaire durch keinen 
Botaniker mehr angenommen worden ist. Ich habe CepJuilocereus wieder 
hergestellt bez. aus Pilocerevs selbständig abgesondert und auch Ariocarpus 
und Hariota und Maihuenia 'angenommen , alles Vornahmen , denen gegen- 
über sich Bentham-Hooker und Baillon ablehnend verhalten haben. 

Wie in meinen früheren Arbeiten, stehe ich auf dem Standpunkte, 
dafs man in dem System eine weitgehende Zerlegung in Gattungen befür- 
worten soll, während ich andererseits die Ansicht vertrete, daüs man die 
Arten möglichst straflf zusammenziehen soll. Ich möchte im Folgenden 
diesen Standpunkt etwas näher begründen. Bis in die neuere Zeit hinein 
hat die alte, von Linne vertretene Ansicht fast allgemein Geltung gehabt, 
dafs alle Formen oder auch Abstractionen, wie Arten, Gattungen u. s. w., 
dann in eine Classe oder Abtheilung zusammengefafst werden müJ&ten , so- 
bald sich zwischen den Formen bez. den Merkmalen, die zur Aufstellung 
jener Abstractionen dienten, Übergänge finden. Diesen Standpunkt kön- 
nen wir heute nicht mehr festhalten, nachdem sich die Zahl der Formen 
so außerordentlich vermehrt hat; denn jede neue zeigt nach irgend einer 
Beziehung hin Verbindungen mit anderen Arten oder den Gattungen unter 
einander. Für uns sind gegenwärtig die Gattungen nicht mehr die durch 
schroflfe, scharflinige Grenzen abgeschiedenen Kreise oder Bezirke, sondern 
Kerne, von denen aus Strahlen nach den verschiedensten Richtungen hin 
ausgehen. Es ist einleuchtend, dafs sich diese Strahlen mit denen der 
benachbarten Kerne nicht selten berühren werden , weil ja die Differentia- 
tionen der gemeinschaftlichen Charaktere einer Gruppe allein die Ver- 
schiedenheiten der Formen bedingen. 

Wenn wir bei den Kakteen aus den Übergängen stets die Verbindung der 
Gruppen erschlössen, so mü&te das System vollkommen zusammenbrechen. 
Es gibt Übergänge zwischen den alten Gruppen der Tvbuhsae und den 
RotataCy zwischen den Aphyllae, Squamatae und Foliosae^ zwischen Germen 
indumm laeoe und Germen e^xsertum squamosum u. s. w. ; denn alle diese 
Charaktere sind nur gradweise Unterschiede in den gewissen Kakteen zu- 
kommenden und gemeinsamen Merkmalen. Die Gattungen zumal in der 
Unterfamilie der Cereoideae sind zum größten Theil so beschaffen, dafs der- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhälln. z. ihrer sj/stemat. Gliederung. 21 

jenige, welcher sieh darauf verlegt, diese Übergänge besonders hervor- 
zuheben, schliefslich alle in eine Gattung zusammenziehen kann. Ich werde 
unten Gelegenheit nehmen, auf die gleitenden Arten, welche die Gat- 
tungen verbinden könnten, besonders aufmerksam zu machen. 

Von ganz besonderer Bedeutung wird aber die Zerlegung der grofsen 
Gattungen in minder umfangreiche für die Pllanzengeographie. Bei dem Fest- 
halten an jenen gehen die feineren Details in der Verbreitung der Arten 
vollkommen verloren, das geographische Feld erscÜeint wie ein massiges 
ungegliedertes Ganze, während unter Berücksichtigung der kleineren For- 
menkreise dieses Besetzungsgebiet in eine gröfsere Zahl gegliederter Di- 
stricte zerfallt, welche für die Erkenntnifs der Entwickelung einer Familie 
oft von der erheblichsten Bedeutung sind. 



n. Die systematische Grliederung der einzelnen Grattungen und die 
geographische Verbreitung derselben. 

A. Die Gattungen Peireskia Linn. und Maihuenia Phil. 

Während in so vielen Gattungen der Kakteen, durch eine erweiterte 
Kenntnifs oder durch veränderte Anscliauung veranlafst, Umstellungen der 
Arten aus der einen in eine andere geschehen mufsten, erschien die Gattung 
Peireskia die vor den anderen besonders fest gefugte zu sein. In allen 
Handbüchern, von demjenigen Pfeiffer's an bis auf Rümpler's, ist der 
Bestand der Gattung recht wenig verändert. Ein Kern von 1 1 Arten ist 
diesen beiden, um 48 Jahre in ihrem Erscheinen aus einander liegenden 
Büchern gemeinsam. Wenn Rümpler 2 Arten, die Pfeiffer aufgenommen 
hatte, wegliels, so erhielt er die gleiche Zahl dadurch, dafs er 2 neue hin- 
zufügte, von denen die eine erst später beschrieben war (Peir. subulata 
Mühlpf.), die andere hatte der Fürst Salm-Dyck schon 1849 ^^^ Opuntia 
herübergenommen (P. Poeppigii [Pfeiff.] S.-D.). In der That schien diese 
Gattung Peireskia auch ganz besonders gut durch die grofsen, meist breit- 
spreitigen, lange bleibenden Blätter charakterisirt. 

Und doch war schon zur Zeit Rümpler's, ohne dafs er darüber eine 
Kenntnifs hatte, in dieses Gebäude durch Engelmann eine Bresche ge- 
legt; Rümpler war nicht davon unterrichtet, dafs Engelmann bereits 
1853 die Peireskia sicbulata Mühlpf. wegen des Vorliandenseins der Glochi- 



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22 K. Schümann: 

den und wegen der knochenharten hellschaligen Samen in Opuntia aufge- 
nommen hatte; Rümpler that des neuen Namens nicht einmal in der Syno- 
nymie Erwähnimg. Meines Erachtens nach mufete jeder einigermafsen bo- 
tanisch geschulte Autor den Schritt Engelmann 'i^ billigen, denn in jeder 
Hinsicht weisen die Charaktere dieser Art auf die Verwandtschaft mit 0. 
ct/lindrica (Juss.) P. DC. und den übrigen Teretes hin. In den Andeutungen, 
welche Engelmann gegeben, ruht nun die vollkommene Zertrümmerung 
der Gattung Peireskia und ihre Wiederaufrichtung, die von mir schon früher 
angedeutet, hauptsächlich von Weber in Paris vollzogen wurde. Ich war 
durch meine Untersuchungen zu einem ganz ähnlichen Resultate gekom- 
men, das ich aber, als Weber 's Arbeit erschien, noch nicht veröffentlicht 
hatte. Die Wiedereinsetzung der Gattung Maihuenia Phil. , welche ich erst 
vor Kurzem im Typ kennen lernte, ist Web er 's eigenes Werk; ihm ge- 
bührt also in der Reformation der Gattungsumgrenzung von Peireskia, Mai- 
huenia und Opuntia anstandslos die Priorität. 

Indem Weber die Arten der Gattung Peireskia sichtete, kam er zu 
dem Ergebnifs, dafs wegen des Vorhandenseins von Glochiden und hart- 
und hellschaligen Samen die Peir. spathulata Web. und Peir. pititache Karw., 
trotz der breitspreitigen Blätter aus Peireskia zu entfernen und in die Gat- 
tung Opuntia zu versetzen wären. Mit der eigenthümlichen 0. rotundifolia 
T. S. Brand, (nicht Peireskia rotundifolia P. DC.) verband er sie zu einer 
besonderen Section oder Untergattung Peireskiopuntia. Als Anmerkung fagt 
er bei der Behandlung der Gattung Peireskia noch hinzu , dafs auch P. ro- 
tundifolia P. DC. und P, opuntiißora P. DC. , zwei nur nach den Abbildun- 
gen, welche MoQino und Sesse gegeben haben, bekannte Arten, wahr- 
scheinlich ebenfalls hierher gehören. Da ich von der Richtigkeit der An- 
nahme Weber 's überzeugt bin, so habe ich die beiden Arten nach Pei- 
reskiopuntia hinübergenommen; die 0. rotundifolia T. S. Brand, musste durch 
diese Veränderung einen neuen Namen erhalten : ich nannte sie 0. Bran- 
degeei. Da fiir meine Empfindung 0. opuntiißora (P. DC.) eine unmögliche 
Combination ist, so habe ich diesen Namen in 0. Golziana abgeändert. 

Die Gattung Maihuenia wurde zuerst durch Philippi in Vorschlag 
gebracht. Er gab eine gute, von einer Abbildung begleitete Beschreibung 
der Opuntia Poeppigii Otto {Peireskia Poeppigii S.-D., Peireskia Maihuen Remy) 
und meinte, man könnte fär die Pflanze wohl mit Recht eine neue Gat- 
tung aufstellen, die er indefs nicht scharf und genügend charakterisirte. 



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Die Verbrät, der Cactaceae im VerhäUn. z. ihrer sj/stemal. Gliederung. 23 

Weber hat die Pflanze mit einer zweiten Art Peireskia Philippü (F. Hge.) 
Web. in der Untergattung Maihuenia noch bei Peireskia belassen, aber eben- 
falls betont, dafs sie besser ein besonderes Geschlecht ausmachen würden; 
er fiigte dabei die Namen Maihuenia Poeppigii Web. und M. PhiUppü Web. 
in der Synonymie gleich bei. 

Durch die Güte des Hrn. Director Soehrens in Santiago de Chile er- 
hielt ich sehr schönes Material der Pflanze mit Früchten und konnte mich 
überzeugen, dafs in der That der Mangel an Glochiden und die Natur 
der Samen die nahe Verwandtschaft von Maihuenia mit Peireskia offenbart. 
Die opuntioide Tracht indessen in Verbindung mit den pfrie'mlichen , stiel- 
runden Blättern trennt sie in genügendem Mafee von dieser Gattung. 

Es ist übrigens leicht möglich, dafs eine spätere Erweiterung unserer 
Kenntnisse über die Früchte und Samen noch manche Überraschung in 
dieser Verwandtschaftsreihe bringen kann. Ich will nur darauf hinweisen, 
dais ich zugleich mit jener Pflanze die Frucht von O.ovata Pfeiff. erhielt. 
Ich war nicht wenig erstaunt, als ich bei der Untersuchung in derselben 
neben den typischen hartschaligen Samen zugleich solche mit einer glän- 
zenden, braunen, dünnen Schale' vorfand. Das Praeparat der Frucht ist 
wegen seiner Wichtigkeit in dem Königlichen Botanischen Museum von 
Berlin aufbewahrt. Die Gattung Peireskia ist von mir in 2 Untergattungen 
zerlegt worden, von denen Eupeireskia K. Schum., P. aculeata Linn., Aho- 
plocarp\i8 K. Seh. die übrigen Arten umfafst. Weber, welcher der Gattung 
eine sehr dankenswerthe Aufmerksamkeit schenkte, hat dieselbe um viele 
Arten bereichert, so dafs wir jetzt 1 1 Arten kennen. Wie diese Pflanzen 
im äufseren, häufig auch in zusammengesetzten Blüthenständen den normalen 
Dicotyledoneae mit breitspreitigen Blättern am nächsten kommen, so haben 
auch ihre Wohnplätze nichts mit denen der typischen Kakteen gemein: 
sie meiden die Orte höchster Trockenheit und bevorzugen waldige und 
schattige , feuchte Plätze fast ausschliefslich in der heifsen Zone. Die letztere 
wird nur, wie wir diefs von vielen brasilianischen Typen kennen, in Ar- 
gentinien und Paraguay überschritten , denn P. amapola Web. und P. acu- 
leata Linn. gehen noch über den 25. Grad bei Asuncion heraus, was auch von 
0. sacha rosa Gris. gelten dürfte , die im Staate Salta gedeiht. Die Pflanze, 
welche jetzt allgemein als P. bleo (H. B. K.) P. DC. cultivirt wird , wächst sicher 
in Brasilien bei Rio de Janeiro und im Staate Espiritu Santo. Die Zweifel 
aber, welche Weber bezüglich der Identität mit der von Kunth beschrie- 



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24 K. Schumann: 

Lenen Pflanze aus dem Thal des Magdalenenstroms äufsert, sclieinen mir 
sehr beherzigenswerth. Bei Jaen de Bracamoros fand Humboldt die P. 
horrida (H.B. K.) P. DC. ; ich habe eine neue Art P.Weberiana aus Bolivien 
beschrieben. Aus Venezuela kam die einzige gelbblühende Art, P. Gua- 
7nacho, an Weber, der auch eine P.panamensis vom Isthmus von Panama 
aufstellte. Auf den Antillen verbreitet ist die P. aculeata L. , welche den 
gröfsten Verbreitungskreis besitzt, da sie bis Brasilien nach Süden herab- 
steigt; vielleicht hat an dieser Ausdehnung die Benutzung der Früchte als 
Obst (Groseilles de Barbados) ihren Antheil; in West-Indien ist auch 
die schon von Plumier beschriebene P, portulacifolia (L.) P. DC. zu Hause. 

Nun bleiben noch 2 Arten übrig, welche wir nur nach den Skizzen 
von MoQino und Sesse kennen und die schon von P. de Candolle in der 
Revue veröffentlicht sind : P. zinnüflora P. DC. und die wegen ihrer gefransten 
Blüthenhüllblätter sehr merkwürdige P. lychnidiflora P.DC, beide wahrschein- 
lich aus den heifseren Districten Mexicos. Mit jener kann vielleicht We- 
ber's P. tampicana übereinstimmen. 

Wie viele Kakteen, werden auch einige Peireskia- Arten in den Tropen- 
ländern beider Hemisphaeren cultivirt. Am Cap wird nach Schlechter 
eine Art, die er mir als P.bleo (H. B. K.) P. DC. bezeichnete, nicht selten 
als niedrige Heckenpflanze gezogen; sie kommt dort auch bisweilen ver- 
wildert vor; vielleicht ist die von 0. Kuntze als P. aculeata Mill. bestimmte 
Pflanze der Bluffs in der Nähe von Durban (Natal) dieselbe Art. 

Die Gattung Maihuenia ist ein durchaus andines Geschlecht. Der Typus 
ist auf der Cordillere von Chillan auf sandigen hochgelegenen Weiden ver- 
breitet, wo er grofse, gerundete Büsche .bildet. M, Philippü Weh, findet 
sich auf der nicht weit davon entfernten Cordillera de Linares, auf welcher 
sie bis in die Nähe der Schneegrenze aufsteigt. Eine dritte Art M, brachy- 
delphys habe ich aus der K untze'schen Sammlung beschrieben ; sie wurde am 
Paso Cruz, dem Übergange von Argentinien nach Santiago, aufgenommen. 

B. Die Gattungen Opuntia, Nopalea und Pterocactus. 
Auf die wesentlichsten Momente, welche eine neue Ordnung des Systems 
in den Gattungen Opuntia und Peireskia bedingt haben, w^urde schon bei 
Peireskia hingewiesen. Weber nahm, nachdem bereits Engelmann mit 
P. subulata Mühlpf. vorausgegangen war, die Arten mit hreitspreitigen 
Blättern, welche mit Glochiden versehen waren, aus der Gattung heraus 



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Die Verbreü. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemcU, Gliederung. 25 

und stellte sie zu Opuntia, wo sie jetzt eine eigene Untergattung Peire- 
skiopuntia bilden. Derselbe vorzügiiche Kenner dieser Gruppen reformirte 
das System insofern noch, als er zu den beiden Engelmann'schen Unter- 
gattungen Cylindropuntia und Platt/opuntia^ die alte Lemaire'sche Gattung 
Tephrocachf^ j allerdings viel besser charakterisirt, als Untergattung hinzu- 
fögte. Ich habe dann noch die Untergattung Brasiliopuntia gegründet, 
welche durch eine bemerkenswerthe Dimorphie der Glieder gekennzeichnet 
ist, indem die einzige Art derselben 0. brasiliensis (W.) Haw. dünne, layb- 
artige Brachyblasten an cylindrischen Langtrieben erzeugt. 

Die beiden anderen Gattungen, welche Lemaire geschaffen hatte, Can- 
solea und Cactus, habe ich dagegen ebenso wenig wie Weber angenommen. 
Jene ist nur auf das Vorhandensein einer verengten Kammer am Grunde 
des Fruchtknotens gegründet, diese ist eine Mischung so verschiedener 
Elemente, dafs die Diagnose Lemaire 's keineswegs auf die Gesammtheit 
pafst. Ein Theil der Arten, wie Cactus Pentlandii, C. boUvianus, C, corrugatus, 
sind zu Tephrocactus gehörig, andere sind Platyopuntien. Weder C, curassa- 
vicus, noch C. Salmianics, noch C, auranttacus können in Lemaire's Gattung 
eigentlich Aufnahme finden, da sie keineswegs »des especes naines, cou- 
chees ou a peine ascendentes« sind. Aufserdem ist die erneute Benennung 
einer Gattung Cactus die unheilvollste, die man sich denken kann, denn 
mit Lemaire hat sie nun die sechste Variation ihres Inhaltes erfahren.^ 

Die Untergattung Peireskiopuntia Web. umfafst gegenwärtig 5 Arten, 
welche jedenfalls sämmtlich dem wärmeren Mexico eigenthümlich sind; 
mit Sicherheit wissen wir, dafs die Heimat von 0. spathuhia (Lk. et 0.) 
K. Seh. am Pic von Colima, die von 0. pititache (Karw.) Web. bei Tehuacan, 
die von 0. Brandegeei K. Seh. auf der Südspitze der Halbinsel Califomien 
gelegen ist, welche im Gegensatz zum Norden durch viele tropische Formen 
ausgezeichnet ist. 

Die Untergattung Brasiliopuntia gehört, wie der Name sagt., Brasilien 
an; 0. brasiliensis (W.) Haw. bildet in der Umgebung von Rio de Janeiro 

* Ich halte diesen Namen für besser als Hatopuntia, s. u. S. 28. 

^ Cactus L. 1737 =s Cactaceae Lindl. excl. Peire^kia. Caetu.s L. 1753 ^ Cactaceae Lindl. 
incl. Pptreskia. (Jactits Haw. = Echinocacttis -^ Melocactus Lk. et O. Cachis Miq. = MamUlaria 
Haw. -H Melocacius Lk. et O. Cactus OKtze. =c MamUlaria Haw. Cactus Lein. = Opuntia Mill. 
ex p. Dabei habe icli von Cactus Neck, noch abgesehen, weil diese Gattung schwer und 
unsicher zu definiren ist. 

i%*. Abh, nicht zur Akad gehör. Gelehrter. 1899, IL 4 



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26 K. Schumann: 

Holzgewächse, welclie, voji Ferne betrachtet, Birnbäumen gleichen sollen; 
sie kommt auch noch in Argentinien vor. 

Die JJ liier gattung .Ct/lindropuntia^ welche ich in 9 Reihen zerlegt habe, 
ist sowohl dem nördlichen wie dem südlichen Theile des americanischen Con- 
tinentes zugehörig, bei weitem die gröfste Menge der Arten ist aber dem 
mexicanisch-texanischen Gebiete eigen. Besonders bemerkenswert!! ist hier 
das Vorkommen von Arten, deren Stacheln mit einer lockeren, seidigen 
Scheide überzogen sind; man kann diese nach meinem Vorschlage Hosen- 
stacheln nennen. Von diesen Arten gedeihen die meisten in den Vereinig- 
ten Staaten und auf der pflanzengeographisch durch Arizona mit ihnen ver- 
bundenen Halbinsel Californien, nur 0. Kleiniae P. DC, 0. stapeliae P. DC, 
0. Thurberi Eng., 0. imbricata P. DC, 0. tunicata (Lehm.) Lk. et 0. sind mexi- 
eanisch; aber auch einige von diesen dringen noch in die Vereinigten Staa- 
ten ein, denen im Ganzen 17 Arten eigen 3ind. 

Unter allen will auf 0. tunicata nochmals aufmerksam machen, welche 
ich neuerdings von Cuba und Ecuador in getrockneten Exemplaren gesehen 
habe. Ob es sich bei diesen Vorkommen um wirklich wild wachsende Pflan- 
zen handelt, oder ob wir es bei ihnen mit cultivirten Exemplaren zu thun 
haben, ist vorläufig nicht zu entscheiden, so viel steht aber sicher fest, 
dass die Pflanze unter dem Namen tentscholote in Mexico häufig auf 
Mauern gepflanzt wird, um dieselben un übersteigbar zu machen. Die furcht- 
baren Waffen der Pflanze machen sie zu diesem Zwecke sehr geschickt. 

Von der Reihe Clavatae Eng. ist eine Art deswegen hervorzuheben, 
weil sie eine allerdings unbegründete Aufmerksamkeit als Repraesentant 
einer Zwischengattung von Cereus imd Opuntia erregte. Für sie wurde 
die Gattung Grusonia geschaffen. Äufserlich ist die Gr. c^reiformis F. Reichb. 
allerdings einem Cereus nicht unähnlich; die kräftigen Stämme sind gerippt, 
und wenn sie auch deutlieh gegliedert sind, so kommt diese Eigenthüm- 
lichkeit, welche bei den Cylindropuntien allgemein verbreitet ist, doch 
auch bei Cereus vor (C Ghiesbreghtü K. Seh.). Wie weit die Ähnlichkeit 
geht, kann schon daraus geschlossen werden, dafs Coulter die Pflanze 
als Cereus Bradtianics beschrieb. Nachdem die Anw-esenheit der Glochiden 
namentlich in den Areolen des Fruchtknotens und das Vorhandensein von 
etwa i***" langen, leicht abfalligen Blättern von mir zuerst nachgewiesen 
worden ist, kann ein Zweifel über die Zugehörigkeit des 0. cereifonnis 
(F. Reichb.) Web. zu dieser Gattung nicht mehr bestehen. 



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Die VerbreiL der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer sj/stemat Gliederung. 27 

In Süd-America sind 4 Reihen der Cylindropuntien vorhanden. 
Zu derjenigen, welche ich Teretes genannt habe, gehört die Art, welche 
zuerst aus der Gattung Peireskia zu Opuntia herübergenommen wurde, 0. 
mbulata (Mühlenpf.) Eng. Sie ist in Bohvien auch auf den höheren Ge- 
birgen verbreitet und wegen der längsten Blätter in der Gattung allgemein 
bekannt; die Ausmessungen der letzteren betragen bis 12*''". Ihre Samen 
sind sehr grofs und dickschalig, so dafs Engelmann auf diese Art eine 
besondere Gruppe Pachysperniae gründete. Da die Samen so vieler sOd- 
americanischer Opuntien noch gar nicht bekannt sind , so ist Ober Umfang 
und natürliche Zusammengehörigkeit der Componenten dieser Gruppe kein 
Urtheil möglich. 0. Salmiana Parm., welche bei uns niemals, in der Hei- 
mat wahrscheinlich ebenso wenig Früchte mit Samen bringt, verhält sich 
in allen Einzelheiten <loch zu verschieden, als dafs ich Engelmann 's 
Vermuthung der Zugehörigkeit zu den Pachysperrnae Beifall zollen könnte. 

Die Arten aus der Reihe Teretes ebenso wie aus den beiden folgenden 
AiLstro-Tvberculatae K. Seh. und Etvberculatae S.-D. gehören dem andinen 
Gebiete an, während die Reihe Frutescentes östlichere Arten umfafst: 0. 
Salmiana Parm. ist in Brasilien heimisch , 0, Schickendantzü Web. wächst im 
Staate Tucuman, imd dort gedeiht auch 0. Spegazzinii Web. 

Die IV. Untergattung Tephrocactus Web. ist. fast ausschliefslich dem 
andinen Gebiete eigen, wobei allerdings mehrere schon von Gillies ein- 
gefiihrte Arten auf der argentinischen Seite, in der Umgebung von Men- 
doza wachsen (0. aoracantha Lem., 0. diademnta Lem., 0. phtyacantha S.-D., 
0. andicola Pfeiff., 0. ovata Pfeiff.). Zwei andere wohnen entfernter von 
<liesem Hauptgebiete, nämlich 0. australis Web. und 0. Darwinii Hensl., 
welche in Patagonien heimisch sind. Die typischen Formen von Tephro- 
cactus sind jene kurzgliedrigen, bald aschgrau gefärbten Kakteen, von 
denen 0. diademata Lem. allgemein bekannt ist. Diese Art wie noch mehrere 
andere besitzen jene eigenthümlich verbreiterten und dabei relativ dünnen 
»Papierstacheln«, die allmählich durch solche von festerer, cartonartiger 
Beschaffenheit (0, platt/acantha S.-D.) in sehr robuste Gestalten übergehen 
(0. tarapacana Phil., 0. pyrrhacaniha K. Seh.). Bei einigen Arten nehmen 
die Glieder die Gröfse von Hühnereiern und darüber an, so dafs sie in 
<ler grauen bis bräunlichen Farbe lebhaft an Kartoffelknollen erinnern. 
Alle Arten wachsen in grofsen gesellschaftlichen Verbänden und bilden 
entweder rasenförmige Aggregate (0. corrugata S.-D.) oder gerundete Hauf- 

4* 



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28 K. Schümann: 

werke (0. tuberiformis Phil., 0, ovata PfeiflF., 0. aoracantha Lern.); die letztere 
ist mit fiirchtbaren, bis lo*"" langen Waffen bewehrt. 

Sehr interessant und bemerkenswerth sind die Beobachtungen, welche 
Weber über eine nicht unerhebliche Anzahl von Samen der Untergattung 
Tephrocactus mitgetheilt hat. Diese sind zwar ebenfalls hell gefärbt, aber 
von stäbchenförmiger Gestalt; ihre Samenschale ist nicht mehr so auffallend 
dick und dabei fein gerunzelt. 

In die bisher behandelten 4 Untergattungen gehört die Hälfte aller 
Arten der Gattung (65); die andere Hälfte (66 Arten) wird ausschliefslich 
bin der Untergattung V. Platt/opuntia imtergebracht. Nach dem Vorgange 
von Engelmann schreibt man heute allgemein Platopuntia; entsprechend 
fiheT platyaeanthay ferner den echt griechischen Wörtern platyamphodos, pla- 
tyophthalmos , plaiyurus mufs wohl meine Rechtschreibung vorgezogen werden. 
Ich habe die Untergattung in 18 Reihen zerlegt, welche sicli wenigstens 
gröfst^ntheils auf leicht zu beobachtende Merkmale der Glieder oder Stacheln 
gründen. Ein Anspruch darauf, dafs nun die Reihen eine vollkommen na- 
türliche Gliederung dieser sehr schwierigen Untergattung darstellten, kann 
leider nicht erhoben werden; die Zukunft wird uns erst in dieser Hinsicht 
eine weitere Vertiefung bringen müssen. 

Wiederum ist ein Theil der Reihen von Platt/opuntia in Nord-, ein 
anderer in Süd -America heimisch. Sehr eigeuthümlich ist die I. Reihe 
Cruciatae deswegen, weil die Hauptaxe unbegrenzt und ungegliedert fort- 
wächst, während die Seitenzweige gegenständig befestigt sind. Die einzige 
mir bekannte Art 0, spinosissima Mill. ist in West- Indien zu Hause; ihre 
äufserst spitzen und zaJilreichen Stacheln sind im Neutrieb am Grunde 
karminroth. 

Die n. Reihe Pubescentes S.-D,^ gekennzeichnet durch eine weiche, kurze 
Sammetbekleidung der Glieder, enthält als Typ die allgemein bekannte, 
stachellose, auf den Gliedern aber mit vielen Bündeln goldener Glochiden 
bestreute 0. microdast/s Lehm. Sie wächst in Coahuila und Chihuahua, geht 
aber nicht wie die 0. basilaris Eng. et Big. in die Vereinigten Staaten über. 
Die anderen Arten sind echt mexicanisch. 

Die durch gelockte, weifse, feine Haare, welche aus den Areolen her- 
vortreten , gekennzeichnete HI. Reihe Criniferae PfeiflF. , von der die bekann- 
teste 0. crmifera Pfeiff. ist, kommt allein dem mexicanischen Gebiete zu. 
Die schon seit Decennien in den Sammlungen vorhandene 0. Scheeri Web. 



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Die Verbreä. der Cactaceae im VerJiäitn. z. ihrer systemat Gliederung. 29 

wurde erst neuerdings bescli rieben ; so lange kann sich eine alte Cultur- 
pflanze einer genauen Beschreibung entziehen. 

Mit längeren steifen, geraden oder gebogenen Borsten versehen ist 
die IV. Reihe Chaetophorae K. Scli. Eine Art 0, leucotricha P. DC. ist eine 
uralte Einfiihrung aus Mexico, während die zweite unter dem Namen Opuntia 
Grizzly Bear aus den Paramintbergen , Staat Californien, Vereinigte Staaten, 
vor wenigen Jahren eingefiihrt wurde. Weber hat sie erst vor Kurzem 
mit dem Namen 0. ursina belegt. 

Die V. Reihe i)/t?arÄJata^ S.-D. hat auffallend gespreizte, etwas ange- 
schwollene Glieder, die sich bisweilen fast in die cylindrische Form abändern. 
0, curassavica Mill. ist schon vor Linne aus West-Indien bekannt gewesen; 
sie löst aufserordentlich leicht ihre Endglieder ab, die nur wie durch 
einen dünnen Faden mit den Zweigen in Verbindung stehen und durch 
die Verstärkung des Wollfilzes aus der erzeugenden Areole abgedrückt zu 
werden scheinen. Auf den französischen Inseln heifst sie wegen der leicht 
beweglichen Sprofsglieder Chardon volant. 

Wenn die Heimat der 0. foliosa S.-D. , einer früher bei uns in blühen- 
den Exemplaren vorhandenen Art, nicht bekannt ist, so können wir aus 
dem Vorkommen der nahe verwandten 0. pes corvi Lee. auf Florida schliefsen, 
dafs sie wohl ein westindisches Heimatsrecht besitzt. 

Die VI. Reihe Microcarpeae Eng. enthält eine texanische Art 0. strigiüs 
Eng. (falschlich 0, strigil genannt) , die stark bestachelt ist. Eine andere 
neue Art aus Haiti, O.microcarpa K. Seh., hat grofse, fast silberschinmiernde, 
stachellose Glieder; wahrscheinlich lag sie in einer Pflanze vor, die 1897 
in der Deutschen Kakteen -Gesellschaft aus Haiti gezeigt wurde. Ich habe 
sie nach trockenem Material aus dem Herbar Krug und Urban beschrieben. 

Von der VII. Reihe Vulgares Eng. gehört 0. vulgaris Mill. den atlanti- 
schen Küstenländern der Vereinigten Staaten , während die bisweilen schwer 
von ihr zu sondernde 0. Rafinesquei Eng. sie auf der westlichen Seite des 
Mississippi vertritt. Die Reihe ist im ganzen durch eine geringe Bestache- 
lung und durch rothe, keulenförmige Beeren charakterisirt. Beide Arten 
gehören zu denen, die auch in Mittel- Europa im Freien gedeihen, wenn 
schon die reichlichen Niederschläge, nicht der Frost, die 0. vulgaris in Nord- 
deutsehland nicht mehr recht aufkommen lassen. Sie ist aber in dem weite- 
ren Bereich der deutschen Flora eingebürgert und findet sich bei Bozen an 
mehreren Stellen massenhaft verwildert; auch in dem westlichen Capgebiet 



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30 K. Schumann: 

kommt dieselbe oder eine verwandte niederliegende Art als ein unbequemes 
Unkraut vor. Ein besonderes Interesse nimmt die 0. inermis P. DC. in An- 
spruch, ein meterhoher Strauch , welcher in Süd -Frankreich, Catalonien und 
auf den Balearen in Masse verwildert ist. Von hier wurde sie zuerst ge- 
nauer bekannt und erhielt den Namen Opuntia vulgaris balearica Web. ; ich 
sah sie in schönen Exemplaren frei wachsend im Garten des Hrn. Ro- 
land-Gosselin zu Colline de la Paix bei Villeneuve. Weber ermittelte 
später, dals diese Pflanze identisch mit dem Cactus opuntia inermis P. DC. 
ist. Über die eigentliche Heimat war man nicht unterrichtet, bis ich die 
Pflanze in getrockneten Stucken aus West- Indien sah und bis ich fand, dafs 
Tussac als Vaterland Haiti genannt und sie sehr kenntlich von dort ab- 
gebildet hat; auf dieser Insel wächst sie zwischen Gonaives und Artibonite. 
0. lanceolata Haw. habe ich zwar noch als Art beibehalten,; ich möchte 
aber fast glauben, dafs diese nur eine Varietät von jener mit schmaleren 
Gliedern ist. 

In der VIII. Reihe Subinermes'Eng, habe ich nur 2 Arten belassen: die 
dickgliederige 0. crassa Haw. und O.fcus Indica Mill. , welche durch ihre 
Beeren in America, besonders aber auch in Süd -Europa ein wichtiges Volks- 
nahrungsmittel geworden ist. Die sehr geringe Bestachelung und der stark 
gehöckerte, nur mit Glochiden bewehrte Fruchtknoten, sowie der bläuliche 
Wachsduft der laubgrünen Glieder lassen die Pflanze leicht erkennen. Ich 
mache ausdrücklich darauf aufmerksam , dafs in den deutschen Gärten sehr 
häufig die schon durch die gelbgrüne Farbe auffällig verschiedene 0. iner- 
mis P. DC. unter jenem Namen irrthümlich gezüchtet wird. 

Die IX. Reihe Setispinae Eng. umfafst 3 Arten von geringer Ausdehnung 
der Glieder, die mit dünneren Stacheln bewehrt sind; sie finden sich in 
Texas am Rio Grande und gehen bis Chihuahua. 

Die X. Reihe Tunae K. Seh. begreift jene grofsgliederigen Arten mit kräf- 
tiger Bewehrung, die aus gelben Stacheln besteht. Die wichtigste der hier- 
her gehörigen 7 Arten ist die 0. to/wzMill. , welche in West- Indien viel- 
leicht die gemeinste Opuntia ist. Sie wird vielfach cultivirt und findet 
sich z. B. um die alten verlassenen Missionsstationen auf der Halbinsel Ca- 
lifomien oft massenhaft verwildert; aus dem Namalande in Südwest-Africa 
habe ich sie ebenfalls nach guten Photographien erkannt. Mir ist fast sicher, 
dafs einige bmunstachelige Formen , besonders die 0. nigricans Haw., obschon 
sie in eine andere Reihe (XII., Fulvispinosae) versetzt sind, mit dieser vielge- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäUn. z. ihrer systernaL GUedertmg. " 3 1 

staltigen Art verwandtschaftlich verbunden sind. In dieser Zone des Sy- 
stemes sind noch manche Lücken auszufüllen und manche Verbesserungen 
anzubringen. O.polyantha Haw. ist eine schön goldgelb bestachelte Art, 
die zweifelsohne West-Indien ihre Heimat nennt; sie ist schon seit mehr 
als loo Jahren in Cultur und durch ihre Blüh Willigkeit ausgezeichnet. 

Die XI. Reihe Procurnbentes Eng. umfafst 3 niederliegende Arten, die 
fast sämmtlich in dem texanisch-californischen Gebiete zu Hause sind; nur 
die 0. rvbrifolia Eng. ist von Palm er im Staate Utah gefunden worden. 

Aufser der oben erwähnten 0. nigricans Haw., die bei uns in zum 
Theil gigantischen Exemplaren gezüchtet wird, gehören noch 6, Arten zu 
der XII. Reihe Fulvispinosae S.-D. ; einige sind wohl nur Mexicaner, andere 
aber kommen auch im texanischen Gebiete vor. Zu diesen gehört vor- 
nehmlich O/carnanchim Eng. und Bigel., welche zu den bei uns während 
des Winters im Freien aushajitenden Opuntia zählt. 

Die XIII. Reihe Xerocarpeae Eng. umschliefst ausschließlich nördlichere 
Arten aus dem Gebiete der Vereinigten Staaten. Zunächst erwähne ich 
die formenreiche, gelb blühende 0. missouriensis P. DC, die von Texas aus 
in die Gebirge von Colorado bis zu 2000"* und darüber aufsteigt. Sie 
geht dann weiter durch die nördlichen Staaten bis Canada und kann bei 
uns auch im Freien^ cultivirt werden, wo sie noch lange nicht die un- 
günstigsten Bedingungen findet, denn auf ihrer Nordgrenze am Peace River 
in Canada ist sie bei 56** n. Br. keineswegs selten einer Wintertempe- 
ratur von — 40** R. ausgesetzt. 0. rJiodantha K. Seh. und 0. ocantliostemma K. 
Seh., durch prachtvolle rothe Blüthen ausgezeichnet, stehen ihr nahe und 
stammen aus den Gebirgsgegenden mit gleichen Erhebungen in Colorado. 
Auch sie vertragen unsere Winterkälte und sind wahre Zierden unserer 
im Freien befindlichen Kakteengärten. 

Die XIV. Reihe Tumidae K. Seh. lehnt sich unmittelbar an die Xero- 
carpeae an, mit denen sie die trockenen Früchte theilt; die Glieder sind 
aber stets mehr angeschwollen und werden häufig wurstförmig, so dafs 
sie beinahe an die CyUndropuntia in der Gestalt erinnern. Die bekannteste 
der 3 Arten ist O.fragilis (Nutt.) Haw., die in der Var. brachyarthra (Eng.) 
Coult. recht häufig bei uns cultivirt wird und auch im Freien aushält. 

Die Arten der XV. Reihe Albispinosae S.-D. sind im Gegensatz zu den 
zuletzt besprochenen Reihen ausschliefslich wärmeren Gegenden eigen. Eine 
ist westindisch (0. iriacaniha (W.) P. DC), die übrigen sind alle mexicanisch. 



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B2 K. Schümann : 

Von ihnen sind 0. hyptiacantfia Web. und 0. streptacantfui Leni. machtige 
Bäume; die letztere wird als Tuna Cardona der wohlschmeckenden Früchte 
halber cultivirt. Keine aber gibt ein angenehmeres Obst als die in Mexico 
unter dem Namen Camuessa gebaute* Form der 0. robusta Wendl. mit ihren 
enormen blaugrünen Gliedern, welche schon längst, allerdings oft unter 
anderen Namen, in den wiederkehrenden Bestand jeder Opuntien- Samm- 
lung in Europa eingetreten ist. Eine recht eigenthümliche Art ist 0. glau- 
cescens S.-D. , welche mit der Engelmann'schen 0. stenopetala von dem 
Schlachtfelde bei Buena Vista in ('oahuila, Mexico, identisch ist. Sie hat 
in der ganzen Gruppe der nordamericanischen Platyopuntien bei weitem 
die kleinsten Blüthen, deren feuerfarbige Blätter so schmal sind, dafs sie 
nur als lanzettlich bezeichnet werden dürfen. 

Wir kommen nunmehr zu den sOdamericanischen Reihen. Die XVI. 
Reihe Inarmatae K.^oh, umfafst nur 2 brasilianische Ai-ten; davon ist die 
eine 0. inamoena K.Sch. eine unansehnliche, niederliegende, mit Wollhaaren 
besetzte Art, während 0, mbescens S.-D. eine aufrechte, paarig verzweigte 
Form mit oft fortgesetzten (nicht gegliederten), meist röthlichbraun über- 
laufenen Zweigen darstellt. 

Die XVn. Reihe Armatae K. Seh. umfafst zunächst 0. microdisca Web. 
eine neuere, biisher nicht ausfiihrlich beschriebene Art aus dem argentinisch- 
andinen Gebiet bei Catamarca. Sie st^ht auch der 0. rorrugata S.-D., die 
aus derselben Gegend, vielleicht auch aus Hoch-Bolivia stammt, nahe und 
stellt offenbar eine gleitende Form nach Tephroeactus hin dar. Die 0. auran- 
tiaca Gill. ist eine sehr sparrig verzweigte Art mit schmalen Gliedern, wäh- 
rend sich O.mlphurea Gill. in der ganzen Tracht am nächsten an die klei- 
neren nordamericanischen Opuntien anlehnt; beide sind Argentinien eigen- 
thümlich. Aus demselben Staatenbunde, und zwar von la Banda in der Pro- 
vinz Santiago, brachte 0. Kuntze eine neue Art mit, welche sich durch riesige, 
bis so*"" lange Glieder und furchtbare, bis 14*""* lange Stacheln auszeichnet; ich 
habe sie nach dem einheimischen Namen 0. qidmilo genannt.Die verbreitet«te 
aller Arten aber, in der Tracht an die Opuntia tuna Mill. erinnernd, ist 
O.monacantha Haw., die in Brasilien häufig wächst und bis nach Argentinien 
geht; sie ist in den alten Stämmen, welche sich aus der flachen Form zuletzt 
in eine drehrunde umwandeln, oft ganz aufserordentlich stark bestachelt. 

Der letzten, XVlIl. Reihe habe ich den Namen Parvlßorae gegeben: 
«He Blüthen derselben sind verhältnifsmäfsig sehr klein, sie halten kaum 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhaUn. z. ihrer systemat. Gliederung. 33 

a"*"' im Durchmesser. Eine derselben, O.galapageia Hensl. , wurde zuerst 
durch Darwin von den Galapagos- Inseln nach England gebracht; sie ist 
ein baumartiges Gewächs, von dessen Gliedern sich alle auf der Insel leben- 
den pflanzenfressenden Thiere, besonders die Schildkröten, ernähren. Die 
Glieder sind zuerst wenig bestac-helt, später treten so viele WaflFen hinzu, 
die sich erheblich vergi-ö&ern , dafs die Glieder wie mit Büscheln von 
Schweinsborsten bedeckt sind. Nach der Beschreibung möchte ich fast 
glauben , dafs 0. myriacantha Web. von ihr nicht verschieden ist. Die 
zweite Art der Reihe, 0. quitensis Web. , ist auf den Anden von Ecuador 
heimisch; nach Weber 's Aussage ist mit ihr der Cactus BonplaruUi H. B. K. 
aus derselben Gegend verwandt. 

Wenn wir die gewonnenen Thatsachen vergleichend zusammenstellen, 
so ergiebt sich, dafs die Gattung Opuntia bei weitem das grö&te geogra- 
phische Feld aller Gattungen besiedelt hat. Sie ist oflfenbar diejenige Gat- 
tung, welche in jeder Hinsicht die gröfste Anpassungsfähigkeit besitzt. 
Zunächst sind es gewisse Opuntien fast allein, welche unter den Kakteen 
eine geringere Anforderung in Bezug auf die Winterwärme stellen. Wenn 
auch noch einige andere »winterharte« Kakteen bei uns zur Noth aushalten, 
so wird doch die grofee Masse derselben von diesen Opuntien ausgemacht. 
Wenn sie auf der einen Seite durch keinen bei uns eintretenden Frost 
geschädigt werden, so ist för sie die Nässe ein um so gröfserer Feind, 
vor der sie während des Winters unbedingt geschützt werden müssen. 

Überlegen wir uns nun , ob den Opuntien nicht andere Eigenthümlich- 
keiten zukommen, welche zu ihrer weiten Verbreitung beitragen dürften, 
so wird unsere Aufmerksamkeit zunächst auf diejenigen morphologischen 
Charaktere gelenkt werden , die sie vor anderen Gruppen der Kakteen aus- 
zeichnen : auf das Vorkommen von Glochiden und die hartschaligen Samen. 
Wer je mit diesen Pflanzen zu thun gehabt hat, wird wissen, dafs in jenen 
mit Widerhaken besetzten Organen eine entsetzliche Waffe liegt, welche 
die Pflanzen in einem eroberten Terrain vor vielen Feinden zu schützen 
vermag. Die harten Schalen der Samen müssen aber nothwendig ein 
Schutzmittel far ihre Verbreitung sein, zumal die schwarzen oder braunen 
glänzenden Samen der übrigen Kakteen selbst bei einem ganz geringen 
Druck rettungslos der Vernichtung anheimfallen. 

Ich glaube wohl, dais diese beiden Momente dazu beigetragen haben 
mögen, die weite Verbreitung der Opuntien zu befördern. Arten aus die- 
Phys. Abh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. IL 5 



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34 K. Schümann: 

ser Gattung sind denn auch in gewissen Gegenden aufserliall) der ursprüng- 
lichen Heimat dergestalt massenhaft aufgetreten, dafs sie als liöchst un- 
bequeme Gäste erscheinen und dafs selbst ein so ausgezeichneter Phyllo- 
loge wie Kern er an dem ursprünglichen Indigenat von 0, vulgaris Mill. 
um Bozen und sonst in Süd -Europa sowie an dem von der 0. vulgaris Mill. 
var. WömzVis. in Dalmatien festhalten zu müssen glaubte. In Süd -Europa 
sind aufser diesen beiden Formen noch bestimmt 0, inermis P. DG. und 0. kp- 
tocaulis P. DC. oft in Menge verwildert; auf der Insel Sumbawa gibt es undurch- 
dringliche Opuntienfelder, und auch aus Süd-Africa und besonders ^us Neu 
Süd -Wales sind mir Mittheilungen darüber zugegangen, dafs sie sich höchst 
unliebsam wie die Disteln verbreiten. Sehr bezeichnender Weise werden 
auch die kleineren Opuntien in den Gebieten mit spanisch sprechender Be- 
völkerung Obrollos, d. h. Disteln, genannt. 

Die Grenzen der Opuntien liegen bezüglich ihrer ursprunglichen Heimat 
in nordsüdlicher Richtung zwischen dem 56. Grad n. Br. in Canada und dem 
50.-5 1. Grad s. Br. in Patagonien. Sie sind durchgehends Pflanzen der freien 
und offenen Gebiete und besiedeln in Süd- America alle geeigneten Landereien 
bis in eine Höhe von mehr als 5000". Wir kennen sie also nicht aus 
den Wäldern des Amazonenstromes und ebenso wenig aus den chilenischen 
Urwaldgebieten. 

In Nord -America nehmen sie ein grofses Areal ein im Westen des 
Continentes; Texas, Neu -Mexico, Arizona und Californien stallen ein Ent- 
wickelungscentrum dar, das sehr reich an besonderen Formen ist. Die Halb- 
insel Californien ist ein anderes gesondertes, kleines Gebiet mit eigenartigen 
Gestalten, die im Süden Berührungspunkte mit dem so reichen mexicani- 
schen Felde bieten (z. B. 0. Brandegeei K.Sch.) Von diesem westlichen, zu- 
sammenhängenden Territorium, welches erst in Canada allmählich ausläuft, 
geschieden liegt ein kleines Gebiet an der Ostseite der AUeghanies, welches 
durch die Halbinsel Florida mit West-Indien zusammenhängt, so dafs also 
die geographische Area der Opuntiae in Nord-America eine nach Norden ge- 
öffnete Gabel darstellt, deren beide Zinken sich im Süden vereinigen. Auf 
diese Weise geschieht es, daJs sich das Gebiet der Opuntien in Nord-America 
nach westöstlicher Ausdehnung auf der Höhe des 40. Breitengrades mit 
sehr kurzer Unterbrechung über den ganzen Continent ausdehnt, während 
in Süd -America auf seiner gröfsten Breite nur die Ränder des Continente^s 
Opuntien beherbergen ; eine compactere Verbreitung besitzen in dieser Hälfte 



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Die Ver breit der Cactaceae im VerhäÜn, ^. Vir er systemai. GUedening. 35 

des Contineiites einerseits nur die nördlichen Staaten Columbien , Venezuela 
auf ihren Ebenen und Gebirgen, sowie die offenen Landschaften des süd- 
lichen Theiles: Argentinien, Paraguay, Süd -Brasilien, Uruguay und Pata- 
gonien bis zu den Grenzgebirgen nach Chile. 

Über die Gattung Nopaka habe ich mich schon in der Einleitung dahin 
ausgesprochen, dafs sie am besten mit Opuntia wieder verbunden würde. 
Ihrer Verbreitung nach schliefst sie sich den Opuntien eng an ; fast alle Arten 
gedeihen in West-Indien; meines Erachtens nach sind nur N, coccinelUfera 
(L.) S.-D. und N. Karwinskiana S.-D. in Mexico heimisch. 

Was endlich die von mir aufgestellte Gattung Pterocactus anbetrifft, 
die sich durch echt terminale Blüthen, aufspringende Kapselfrüchte und 
geflügelte Samen in hohem Mafse auszeichnet, so gehört dieselbe ausschliefs- 
lich dem andinen Gebiet auf argentinischer Seite an. 0. Kuntze nahm den 
Typ Pt. Kuntzei K. Seh. von dem Paso Cruz auf; vielleicht einen zweiten 
Vertreter der Gattung erhielt ich von F. Kurtz aus Tucuman. Ob wir es 
in dieser letzten Pflanze mit einer eigenen Art oder grösseren Form der vori- 
gen zu thun haben, bedarf weiterer Aufklärung; namentlich gilt es, zunächst 
noch die Früchte zu kennen, um ein endgültiges Urtheil abzugeben. 



C. Die Gattung Cereus. 

Wennschon wir in der Erkenntnifs dieser Gattung ganz erhebliche 
Fortschritte gemacht haben, so ist sie doch bei vielen Arten bezüglich der 
Blüthen, Früchte und Samen noch recht mangelhaft. Deshalb ist es heute 
noch nicht angezeigt, diese Gattung in natürliche Untergruppen zu zerlegen, 
und wir müssen uns damit begnügen, Reihen zu bilden, welche auf Grund 
der leicht wahrnehmbaren Merkmale des Körpers aufgestellt werden können. 
Wenn wir einmal später von allen Arten Blüthen, Früchte und Samen 
kennen gelernt haben werden, dann wird sich das System in dieser Gat- 
tung vertiefen und wissenschaftlich weiter ausgliedern lassen. Ich habe 
schon in den »Natürlichen Pflanzenfamilien« in dieser Hinsicht auf die Zu- 
kunft vertröstet. Deshalb kann ich mich auch heute noch nicht entschliefsen, 
den Weg zu betreten, den Lemaire vorher gegangen ist und den Console 
auf meinen Wink hin eingeschlagen hat. Ich habe Lemaire's Gattung 
Aporomchcs, gegründet auf Cerem flagelliformis Mill., ebenso wenig ange- 
nommen wie Cleistoeactus , deren Typ in Cereus Bamnannii Lem. vorliegt; 

5* 



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36 K. Schumann: 

denn ich weifs nicht, ob nicht vielleicht in den noch unbekannten Blflthen 
änderet Arten dieselben Charaktere wiederkehren. Wenn Console meinen 
Hinweis, dafe bei einer Auftheilung der Gattung Cerevs nach den Merk- 
malen der generativen Sphaere auch Cer, geometrizans Mart. zu einer eigenen 
Gattung erhoben werden dürfte, aufgegriflEen hat, um die Gattung Myr- 
tälocachis zu bilden, so hat mich der oben entwickelte Gedanke bestimmt, 
ihm auch darin nicht zu folgen. 

In der Gruppe, welche durch Cereits, PUocereus und Cephalocereus zu- 
sammengesetzt wird, sind alle Kakteen vereinigt, die sich durch einen ge- 
streckten, kantigen oder gerippten Köi-per auszeichnen. Die DiflFerenzirung 
ist eine von Cereus nach Cephalocereus hin fortschreitende, indem sich l)ei 
PUocereus auf den Areolen mehr oder minder reichliche Haarbekleidung 
einstellt, die sich schlielslich bei Cephalocereus in dem von mir vorge- 
schlagenen Sinne zu einem echten Cephalium ausgestaltet. Während Über- 
gänge zwischen der letzterwähnten Gattung und PUocereus nicht bekannt 
sind, liegen in PUocereus perUaedrophorus (Lab.) Gons. und Cereus Pringlei 
Wats. gleitende Formen zwischen Cereus und PUocereus vor. Rein äufser- 
lich kann man schon das Schwanken in der Zugehörigkeit daran erkennen, 
dafe Weber jenen in der Gattung Cereus belassen, diesen aber zu PUo- 
cereus gestellt hat. Ich bin zu meiner Auffassung durch die Erwägung 
gekommen, dafs Piloc, peutaedrophorus , wenn er auch keine wollige Beklei- 
dung der Areolen besitzt, doch in seiner Bhlthenbildung durchaus mit PUoc, 
exserens (Lk.) K. Seh. übereinstimmt. Cereus Pringlei ist durch die Eigen- 
thümlichkeit höchst bemerkenswerth , dafs der Filz der Areolen in späterer 
Zeit auf den Rippen zusammenflieist. Nun kann ich freilich an dem spärlichen 
Herbarmaterial nicht sehen, wie sich dieses Verhältnifs am Scheitel äufsert, 
noch kann ich beobachten, ob, wie bei einem Cephalium, trotz der engen 
Berührung die Selbständigkeit der genäherten Areolenbezirke gewahrt wird. 
Jedenfalls stimmt der Charakter, soweit er zur Beurtheilung vorliegt, mit 
demjenigen von PUocereus^ der reichen Bekleidung nämlich mit Wollhaaren, 
nicht überein. 

Gleitende Formen zwischen Cereus und Echinopsis werden geboten durch 
die gurkenförmigen Arten, welche in Argentinien vorkommen. Ich erkenne 
solche in dem Cer, lomprochlorus Lem. und Cer, c/jndicans Gill. Ihr Blüthen- 
bau stimmt so weit mit dem der Gattung Echinopsis überein, dafs noch 
neuerdings ein guter Kenner der Kakteen, der verstorbene Mathsson, 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer stjstemal. Gliederung. 37 

den C. lamprochhrus zu Echinopsis^ brachte, eine Umstellung, die später 
auch Weber^ vornahm, ohne dafs ihm das Urtheil Mathsson's bekannt 
war. Der Cereus candicans ist aber von Salm-Dyck geradezu zum zweiten 
Male als Echinopsis aurata beschrieben worden. Wenn der Cereus Pasacana 
Web. schon früher unter dem Namen Echinopsis fonnosissima Lab. be- 
schrieben wurde, so beruht dieser Irrthum auf einer mangelnden Kennt- 
nife der Thatsachen; diese Art ist der Riese unter den argentinischen Kak- 
teen und kann sch,on deshalb als Übergangsform nicht gedeutet werden. 
Die Anknüpfungspunkte zwischen Cereus und Echinocadus sind zahl- 
reich. Da haben wir zunächst Arten, welche mit dem schlanken Körper 
der echten Cereen die kleinen Blüthen von Trichterform verbinden, welche 
Echinocadus zukommen. Solche Gestalten finden sich nur in Süd -America: 
Cer, aureus (Mey.) K.Sch. von Tacna, der Cer. hi/pogaeus Weh. von Chile; 
auch der neuerdings beschriebene Cer. patagonicus Web.^ dürfte hierher ge- 
l^ören. Umgekehrt fehlen auch unter den Arten der Gattung Echinocactus 
keineswegs die längeren säulenförmigen Gestalten, welche normal den 3 
oben erwähnten Gattungen eigen sind. Hauptsächlich kommen hier wegen 
ihrer schlankeren Formen südamericanische Arten in Betracht, wenn auch 
einige Mexicauer in ihrer späteren Entwickelung übermannshohe, dabei aber 
sehr dicke Säulen erzeugen; wurde doch die heute so bekannte Bischoffs- 
mutze (Echinocactus myriostigma S.-D.) von Galeotti als ein Cereus angesehen 
und Cer. callicoche genannt. Von den Brasilianern und den Bewohnern Para- 
guays kennen wir 3 schlankere, säulenförmige Formen: Echinocactus scopa Lk. 
et 0. , E. Leninghausii (Hge. jun.) K. Seh. und E. Schumannianus Nie. Die 
beiden letzten, offenbar unter einander nahe verwandt, nehmen noch ein 
wenig unsere Aufinerksamkeit in Anspruch. Jener wird noch jetzt allge- 
mein als eine Art von Pilocereus in den Händlerkatalogen geführt; auch 
Weber hat ihn in dieser Gattung behalten, meint aber, dafs er besser bei 
Cerefus untergebracht würde. Die eigenthümliche Schiefe des Scheitels, welche 
selbst junge Pflanzen so häufig zeigen, weist darauf hin, dafs diese Art 
genau ebenso wie E. Schumannianus^ der dieselbe Besonderheit zeigt, später 
auf dem Boden hinkrieclit oder an Felsen herabhängt; die Art der Be- 
stachelung, die Form der Stacheln u. s. w. zeigt entschieden übereinstimmende 



^ Mathsso u in Monatsschr. f. Kakteenk. I, 89. 

* Weber in Bois, Dictionn. 471. 

^ Weber bei Spegazzini in Revista facult. agi'on. La Plata. III, 604. 



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38 K. Schumann : 

Merkmale, so dafs ich nun, nachdem die Blüthen und Früchte der letzt- 
erwähnten Art schon mehrfach gesehen worden sind ' und ihre Zugeliörig- 
keit zu Echinocactus überhaupt nicht mehr angezweifelt werden kann , über 
die systematische Stellung des E. Leninghausii überhaupt nicht mehr schwan- 
kend bin. 

Eine sehr bemerkenswerthe Art der Gattung Cereus liegt in dem C. 
obiusamjulus (G. A. Lindb.) K. Seh. vor, fiir den ich eine besondere Reihe, 
Anomali, gegründet habe.^ DerBlüthe nach nähert sich diese Art der Gattung 
Epiphyllum Pfeiff. ; ihr Körper stimmt aber durchaus im Bau mit dem dünne- 
rer CW'^i^-Arten überein, die Kürze der Glieder wiederum, sowie die Schwäche 
der Stacheln weist auf die Rhipsalideae hin. 

Darüber kann ein Zweifel nicht bestehen, dafs die Gattung Cereus zu 
Phyllocactus und namentlich zu den Rhipsalideae offenbare Beziehung aufweist. 
Alle Phyllocactus- Arten sehen im jugendlichen Zustand den Cereen annähernd 
ähnlich, erst später gehen aus den kantigen, bestachelten Keimptlanzeu 
die blattartigen Zweige hervor. Cereiforme Glieder sind bei den Rhipsa- 
lideae ebenfalls in der Jugend normal zu finden, treten aber auch sonst 
bisweilen auf Diejenigen von Rh. dissi?nilis (G. AAAndh,) K. Seh. erreichen 
dabei die Dicke eines kleinen Fingers, so dafs sie auch in den Dimensio- 
nen die Cereen schwächeren Körpers erreichen. In welchem Mafse manche 
RhipsaUs- Arten denen von Cereus ähneln, sehen wir daraus, dafs RJi. sqamu- 
losa (S.-D.) K. Seh. und Rh. myosurus (S.-D.) K. Scli. noch bei Cereus standen, 
als schon längst die Gattung Rhipsalis gegründet worden war. 

Wir sehen also, die directen Berührungspunkte von Cereus mit den 
anderen Gattungen der Kakteen sind äufserst zahlreich. Ihnen entsprechend 
ist auch die geographische Verbreitung eine sehr ausgedehnte. 

Wenn ich von den Arten unsicherer Stellung absehe, so sind in der 
Gattung etwa loo Arten genügend genau gekannt. Die Grenze in nördlicher 
Richtung bildet bei etwa 34®n. Br. am Bill William Fork der bekannte Cer. 
giganteus Eng. ; diejenigen Arten, welche ihm in der Verbreitung am nächsten 
kommen, sind der niederliegende Cer. E/noryi'Eng. und der aufrechte, schlanke 
und dünne Cer. GreggiiYÄig., die den 32. Grad n. B. nicht überschreiten. Jener 
wird noch bei Guaymas , einer Hafenstadt am Meerbusen von Californien im 
Staate Sonora, Mexico, gefunden, wo er sich mit anderen Arten vermischt. 

* K. Schumann in Monatsschr. f. Kakteenk. Vll, 54 (A})b.). 
'•* K. Scliuniann, GesaniuUheschr. 128, Fig. 30. 



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Die Verbreit der Cactaceae im VerhäUn. z. ihi-er systemat. Gliederung. 39 

Die Gattung bricht also plötzlicli mit einer der riesigsten Fomien, die sie 
überhaupt hervorgebracht liat, nach Norden hin unvermittelt ab und wird 
dann weiter nördlich durch die stets kleinen und niedrigen Arten von Eehi- 
nocereus vertreten. 

Im Süden hat die Grenze der Gattung Ceretcs diese Breite' erheblich 
überschritten. Die häufigste der chilenischen Cereen ist der Quisco der 
Eingeborenen, von dem wir heute wissen, dals er dem C. chilensis Colla 
entspri(;ht. Wir kennen ihn nur als kleinere Pflanze; er wird mit einer Höhe 
von 30-40**'" bei uns eingeführt und kommt dann schon bisweilen zur Blüthe, 
ein Zeichen dafür, dafs er überhaupt nicht zu den Riesen seines Geschlechtes 
gehören kann. Man findet die Angabe, dais er auf der Jnsel Chiloe gedeihen 
soll, wie er denn von P. de CandoUe C. chiloensis genannt wurde. In 
Johow's musterhafter Darstellung der Vegetation dieser Insel ist er aber 
nicht erwähnt; dagegen nennt ihn Poeppig als einen Bürger des Chonos- 
Archipels unter 45® s. B. Auf der Ostseite hat in neuester Zeit Weber^ 
einen Cer. patagonicus aus der Umgebung des Flusses Chubut beschrieben, 
so dafs also hier dieselbe Breite oder eine etwas nördlichere Linie der Gat- 
tung ein Ziel setzt. 

Innerhalb dieses Rahmens können wir nach den dichteren Ansamm- 
lungen von Arten folgende Gebiete unterscheiden: Die Halbinsel Californien 
mit dem gegenüberliegenden Theiie von Sonora (über den benachbarten Staat 
Sinaloa sind wir leider gar nicht unteri'ichtet) bietet viele Meilen ausgedehnte, 
zusammenhängende Wälder von riesengrofsen Cereen, welche in meine Reihe 
der Grigantei gehören. Namentlich werden die dort Cardonales genannten 
Wälder, die jeden Unterholzes entbehren, zusammengesetzt von C Thur- 
ftm Eng., C.PringleiEng., C.pecten aboriginumEng. Zu den beiden letzteren 
gehören auch C. calvus Eng. und C, titan Eng., welche beide erst durch 
Coulter nach den äufserst kümmerlichen Schnipseln von Gabb beschrieben 
worden sind. Die von mir schon in der Gesammtbeschreibung geäufserte 
Meinung ist neuerdings durch Mi*s. Brandegee nach Einsicht der Originale 
bestätigt worden. In Sonora kommen alle drei vor und (7. giganteas Eng. 
gesellt sich häufig zu ihnen. Die nordsüdlich streichende Sierra Madre dürfte 
aber für diese Cardones die Grenze bilden, ich finde nur Cpecten abori- 
ginum Eng. noch aus Chihuahua von der Hacienda S. Miquel erwähnt. 



^ Weber bei Spegazzini in Revista facult. agron. III, 604. 



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40 K. Schumann: 

Auf der Halbinsel Californien finden sich aber nocli einige sehr charak- 
teristische Arten ; zunächst sei der Cer. gumrnosus Eng. (auch Or, yuminosus 
oder C, gum7natus in den Handelskatalogen) genannt, welcher sowohl aus der 
Mitte der Halbinsel bei 2 7®n.Br. als vom Süden, von den Inseln S.Pablo und 
Sa. Magdalena, ferner von dem an der Südspitze gelegenen Orte S. Jose del 
Cabo bekannt ist. Er ist identisch mit C. CumengeiWeh, und mit C.flexuosus 
Eng. ; er gehört zu den niederliegenden Formen, deren Stämme an der Vorder- 
seite aufsteigen. Die Angabe, dafs die zerquetschten Glieder zum Betäuben 
der Fische Verwendung finden, weist auf die nun schon mehrfach nach- 
gewiesene Giftigkeit der Kakteen hin; das sehr schleimreiche Fleisch erhärtet 
beim Eintrocknen zm einer gummiartigen Masse, daher der Name der Art. 
Ähnlich verhält sich auch der noch stärker bestachelte C. Eruca Brand., der 
in den sandigen Ebenen um die Magdalena -Bai truppweise wächst, wobei 
eine Pflanze den Raum von vielen Quadratmetern einnimmt. Gabb verglich 
diese Massen mit Haufen planlos durch einander geworfenen Feuerholzes, 
während Brand egee die niederliegenden, nur am Vorderende aufgebogenen 
Axen riesigen kriechenden Raupen ähnlich fand. Beide Arten sind mit furcht- 
baren Waffen versehen und sind seit etwa 3 Jahren zu uns in den Handel 
gebracht worden. C. striatus Brand., welcher von Mrs. Brandegee — ob mit 
Recht, weifs ich nicht — mit C. DigitetiiWeb. gleich gesetzt wird, ist mir nicht 
bekannt geworden. Zugleich mit Cereus gummosus Eng. imd (7. Eruca Brand, 
wurde noch eine dritte Art eingeführt unter dem Namen C. Cocfial Orc. Der 
Autor hatte sie häufig von de^ Todos San tos- Bai bis Rosario unter dem 
30. Grad n. Br. gefunden. Jene ersterwähnte Örtlichkeit ist nicht zu ver- 
wechseln mit Todos Santos im Süden der Halbinsel; sie liegt unfern der 
Grenze mit den Vereinigten Staaten. Ich erklärte beim ersten Anblick der 
Originalpflanzen die Art sogleich für identisch mit C. geometrizans Mart., eine 
Vermuthung, die bestätigt wurde , als die abgeschlagenen oberen Aststücke 
in Berlin bei C. Li ebner Blüthen hervorbrachten. 

Auf der Halbinsel Californien sind jetzt also 9 Arten bekannt, von 
denen 3 endemisch sind (C striatus Brand., C. gummostis Eng., C, Eruca 
Brand.); 2 gehen bis in die Vereinigten Staaten (C. Ernoryi Eng., C, Thur- 
beri Eng.); 3 sind auf der gegenüberliegenden Seite von Sonora verbreitet 
(C. Pringlei Eng., C, Thurberi Eng., C.pecten ahoriginum Eng.) ; ein einziger aber, 
C. geometrizans Mart., tritt weit entfernt davon erst wieder in den Staaten 
San Luis, Potosi, Hidalgo, Guanaxuato, also auf dem Centralplateau von 



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Die VerbreU. der Cactaceae im Verhäitn. z. ihrer systemat Gtiederung. 41 

Mexico , auf, doch dürfte in dem Staate Sinaloa später die Verbindung jener 
östliclien Vorkommen mit dem westlichen auf der Halbinsel Califomien zu 
erwarten sein. 

Andere Arten der Gattung aus dem Staate Sonora sind mir nicht be- 
kannt. Coulter gibt zwar bei Cer. grandiflonis (L.) Mill. an, dafs er von 
Schott zweimal, 1859 und 1865, dort gesammelt worden wäre. An ein 
Indigenat in diesem Staate möchte ich aber doch nicht glauben; einmal hat 
Engel mann der Funde Schott' s nicht gedacht und, wenn der Letztere die 
Exemplare gesehen hat, so dürfte er sie wohl für Gulturpflanzen gehalten 
haben, die sie zweifellos sind. Soll das Vaterland des C. grandiflorus (L.) 
Mill. überhaupt in Mexico zu suchen sein, so kann nur eine tropische Ge- 
gend in Betracht kommen. Von C, serpentinus (Lag.) P. DC. aber wissen 
wir ganz genau , dafs er in Sonora cultivirt wird , ebenso wie auf der Halb- 
insel Califomien. 

Merkwürdig spärlich sind unsere Kenntnisse über das Vorkommen von 
echten Cereus- Arten in dem von Sonora durch die Sierra Madre geschie- 
denen Staate Chihuahua; aufser dem schon oben angeftlhrten Cer. pecten 
dboriginum Eng. ist nur noch Cer. Greggü Eng., jene dünne, dreikantige 
Form mit sehr kurzen Stacheln und den oft aufserordentlich umfangreichen, 
unterirdischen Knollen zu erwähnen , die von hier ziemlich weit nach Texas 
hineinreicht. Höchst auftallend ist wieder Coulter's Nachricht von dem 
Vorkommen des Cer.ßagelliformis (L.) Mill. in diesem Staate , welches er 
auf Exemplare , die Wislizenus unter Nr. 227 und 248 gesammelt hatte, 
zurückföhrt. Auch über diese Funde hat Engelmann geschwiegen, zweifel- 
los mit gutem Grunde; denn es kann sich bei dieser Art, wie bei C. grandi- 
florus (L.) Mill., unbefugt nur um aufgenommene Gulturpflanzen handeln. 
C.ßagelUformis ist ein Epiphyt, imd wir haben gar keine Mittheilungen dar- 
über, dafs in Chihuahua Wälder vorhanden sind, welche mit solchen ge- 
schmückt sind. Es ist oft unglaublich , welchen Meinungen über die Ver- 
breitung von Kakteen wir begegnen ; so z. B. hat sich lange die Mittheilung 
erhalten, dafs derselbe C.ßagelUformis in Arabien vorkomme; Förster* dis- 
cutirt selbst die Möglichkeit, dafs der in »Süd -America« (sie!) verbreitete 
C. flageUiformis durch eine der zufälligen Ursachen (heftige Stürme, Zug- 
vögel) , namentlich aber durch die heftige Strömung des Atlantischen Oceans 



* Förster, Handbuch 13. 
Fhys. Ahh. nicht zur Akad. gehör. Gdekrter. 1899. IL 



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42 K. Schümann: 

irgendwo (d. b. in den arabischen Wüsten) angesiedelt und eingebürgert 
worden sein dürfte. Man kann in der Beurtheiiung solcher Vorkommen nicht 
vorsichtig genug sein, weil durch die Aufiiahme irrthümlicher Ansichten 
die Verbreitungsgebiete eine ganz falsche Gestalt erhalten. 

Aus dem südöstlich von Chihuahua gelegenen Staate Coahuila sind mir 
specielle Vorkommnisse von Arten der Gattung Cereus nicht bekannt ge- 
worden; wahrscheinlich fehlen sie jedoch nicht, denn mir wurde die Nachricht 
zu Theil, dafe auf mehrere Stunden Entfernung von der Hauptstadt Saltillo 
hohe Säulenkakteen, welche in Mexico häufig den Namen Organos oder 
Orgelpfeifen fähren, gesehen worden sind. Auch aus den benachbarten 
Staaten Nuevo Leon , deren Hauptstadt Monterey als ein wichtiger Fundort 
von Kakteen bekannt ist, kann ich keine Art von Cereus namhaft machen. 

Dagegen werden uns aus der Umgebung von S. Luis Potosi im Staate 
gleichen Namens C. geometrizans Mart. und C ebumetis S.-D.(em. Web.) genannt. 
Beide Pflanzen liefern geschätztes Obst, und von dem letzerwähnten ist es 
sicher, dafe er in den südlicheren Gebieten als Culturpflanze zu Hecken Ver- 
wendung findet; er hat auch wegen seiner grofsen, schmackhaft;en Früchte 
den Namen C. edulis erhalten. 

Unfern der Hauptstadt Mexico liegt der durch die verschiedensten 
Sammler besuchte und wegen der Menge der dort gedeihenden Kakteen 
berühmteste Staat Hidalgo mit den bekannten Orten Pachuca, Ixmiquilpan, 
Real del Monte u. a. Hier gedeihen nicht blofs die Organos C. marffinatus 
P. DC. und C ^m^M5 S.-D., sondern bmcIi C. geometrizans J/laTt.j ein reich- 
lich verzweigter höherer oder niedrigerer Baum , gehört zu den weit ver- 
breiteten Arten. Säulenförmige Arten sind femer C. steUatus Pf. und C. 
farinosus Ehrenberg. Von den aufeteigenden Arten finden sich in diesem 
Staate der C. serpentirms Lug., und in den Wäldern hängen C.flagelliformis 
(L.) Mill. und C. Martiarms Zucc. als epiphytische Gewächse von den Bäu- 
men herab. Ebenso verhalten sich C. speciosus (Cav.) K.Sch. und C. Ame^ 
caensis Heese; die eine oder die andere dieser Arten wechselt auch gele- 
gentlich ihren Standort, indem sie von den Bäumen auf sterile Felsen 
übersiedelt. 

Südlich und westlich von dem Plateau von Anahuac senkt sich all- 
mählich das Land und nimmt dabei immer mehr einen tropischen Charakter 
an. Im Staate Michoacan, der durch seine hohen Temperaturen sehr be- 
rüchtigt ist, finden sich C. queretaroensis Web., der zuerst bei dem höher 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäMn. z. ihrer systemat. Gliederung. 43 

gelegenen QueretÄro t)eobachtet wurde; bei Taeambaro fand Mathsson den 
Cer. Ocamponis S.-D. und Ckr. triangularis (L.) Haw., dem man auch bei Orizaba 
wieder begegnet. C. Kerheri K. Seh. stammt von dem Pic von Colima. Vor 
allem berühmt ist aber Tehuacan im Staate Puebla, südöst^lich von der Haupt- 
stadt deswegen, weil Weber die Umgebung durchstreifte imd hier viele 
neue Arten auffand, wie den Cer.havosusYfeh.y C. candelabrumWeh. Von 
Oajaea hat derselbe ferner den C CMottUa beschrieben, jene zierliche Form, 
dessen Blüthen mit denen der Immortellen verglichen werden und dessen 
Früchte efsbar sind. Nach Westen hin fallt das Plateau sehr steil gegen 
die Küste ab , so daJfe von Vera Cruz aus Mexico in 1 4 Stunden Eisen- 
bahnfahrt zu erreichen ist. An dem Anstiege derselben, aber noch in der 
Tierra caliente gelegen , befinden sich weit ausgedehnte sterile Schotterfelder 
von Lavagesteinen, die mit Cerem grand^orus (L.) Mill. und Cngcticahis 
Lk. et 0. bedeckt sind. Ob der erstere hier sein Indigenat besitzt, ist nicht 
sicher, aber durchaus nicht unwahrscheinlich ; der zweite soll an dem Gre- 
stade des mexicanischen Golfes nicht selten sein. 

An der Küste endlich tritt wieder der C. ebumeus S.-D. (emend. Weber) 
auf, während C.hamatus Scheidw., welcher auch bei Orizaba vorkommt, die 
Strandgebüsche von Tampico im Staate Tamaulipas bis Vera Cruz mit C. 
baxaniensis Karw. durchwuchert. 

Die grofse Überzahl der in Mexico wirklich heimischen G^^mä -Arten 
sind -hier auch endemisch. Nur von 3 Arten wissen wir, dafs sie das 
Grebiet überschreiten: Cereus baxaniensis Karw. ist oflfenbar eine Strandpflanze 
imd findet sich als solche auch an der Küste der westindischen Inseln. 
Cer, ebumeus S.-D. (emend. Web.) ist ebenfalls über Central -America und Ve- 
nezuela verbreitet, dankt aber diese weite geographische Area wahrschein- 
lich nur der Cultur. Cer. triangularis (L.) Haw. findet sieh nicht bloCs auf 
vielen westindischen Inseln, sondern auch in Brasilien, wohin er zweifellos 
gerade so gut wie nach der alten Welt als schOnblühende Grartenpflanze 
gekommen ist, die überdiefe noch ein sehr wohlschmeckendes Obst in ihren 
Beeren geben soll. Im ganzen wird Mexico von etwa 27 Arten bewohnt 
und weist mit dieser Zahl den gröfsten Procentsatz aller Gebiete auf. 

Mittel-America ist sehr arm an Cereen wie an Kakteen überhaupt. Wir 
haben nur 2 Arten von hier kennen gelernt: C. Hirschtianus K. Seh., welchen 
Wright aus Nicaragua mitgebracht hat, aufserdem den C. Mac Donaldiae 
Hook., von dem der Autor angibt, daßs er aus Honduras eingefiihrt worden 



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44 K. Schumann: 

sei. Zweifellos ist aber mit diesen beiden die Zahl nicht erschöpft; ich 
sah in Magdeburg in der Gruson'schen Sammlung einen sehr kräftigen 
Ceretis, der noch nicht beschrieben ist, und außerdem besitzen wir von 
Rüst in Hannover einen kletternden, sehr reich behaarten Cereus aus 
Honduras, dessen Blüthen ich abwarten will, ehe ich ihn beschreibe. Neuer- 
dings hat mir übrigens Sapper mitgetheilt, dafe in den trockenen Strichen 
von Guatemala bei Salama greise Säulen -Cereen gedeihen, die der Art nach 
leider nicht bekannt sind. 

Reichlicher ist die Flora der westindischen Inseln mit den Arten der 
Gattung ausgestattet. Von der Küste Mexicos herkommend, geht Cer. baxa- 
niensis Karw., eine jener durch Anlehnen an Gesträuche, Bäume und Stützen 
überhaupt aufsteigenden Arten , welche in ihrem dunkelen, saftigen Grün des 
kräftigen, wohl bis lo"" im Durchmesser haltenden, meist drei-, aber auch 
mehrkantigen Körpers, zu den schönsten Formen gehört, bis nach Cuba 
und wahrscheinlich nach Porto Rico. Eine der häufigsten Arten ist C. pe- 
ruvianus (L.) Mill. , von dem mir mitgetheUt wurde , dafe er auch in Mexico 
wild wüchse ; durchaus verbürgt erscheint mir aber jetzt diese Angabe nicht 
mehr, und ich habe ihn deswegen dort übergangen. In Peru ist er sicher 
nicht heimisch; zur Zeit als Tabernaemontanus diese Pflanze zuerst er- 
hielt und benannte, wurde aber das Gebiet von Peru "weit über seine gegen- 
wärtigen Grenzen ausgedehnt. Zu den Säulenkakteen gehört noch der 
mächtige C. lepidotus S.-D., der in seinen wenig verzweigten, unten ftircht- 
bar bewaflfheten, oben bisweilen fast unbewehrten Stämmen 15"* im Durch- 
messer halten kann. Pere Duss, dem die Botanik so grofsen Dank wegen 
der Erforschung der Flora von West -Indien, namentlich der Inseln Gua- 
deloupe, Martinique imd Haiti, schuldet, bestimmte diese Pflanze als C. mo- 
nodonos P. DC. Ich vermag nicht zu entscheiden, ob diese Identification 
mit einer Plumier'schen Art richtig ist; wenn so, dann fällt vielleicht 
der auf Florida vorkommende C, monoclonos P. DC. mit C. lepidotus S.-D. zu- 
sammen. Wahrscheinlicher allerdings dünkt mir, dais der offenbar dort 
wild gedeihende Cereus mit dem gemeinen C. peruviarms (L.) Mill. identisch 
ist. In C, repandus (L.) Haw. haben wir eine der schwächeren , schon bei 
50-60*^ Höhe blühenden, strauchartig wachsenden Arten vor uns. Er ist 
wohl ein Dutzend mal immer von neuem beschrieben worden, obschon er 
wegen der sich nach der Spitze zu verjüngenden Axen und der niedrigen, 
stumpf gesägten Rippen so leicht zu erkennen ist. Eine sehr charakte- 



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Die Verbt^eiL der Cactaceae im VerhäÜn. z. Uirer systetnat. Gliederung. 45 

ristische, durch flügelartige, zusammengedrückte Rippen ausgezeichnete auf- 
rechte Form ist C. quadricpstatus Bello von Porto Rico. Sonst sind die bisher 
bekannten Arten von West -Indien sämmtlich durch Anlehnen aufsteigende 
oder mit Wurzebi kletternde, den tropischen Wäldern angehOrige Formen, 
wie der kräftige, dreikantige C, Dusm K.Sch. von Guadeloupe, C. asmrgens 
Gris. , C. Boeckmannü Otto von Cuba, Cer. Lemairei Hook, von Antigua, C. 
extenms S.-D. von Trinidad. Endlich wurde uns neuerdings durch den 
Kaufinann Heese mitgetheilt, dafs Cereus grandifloras (L.) Mill. und C. nj/cH- 
caktöHi., bekannt unter den Namen Königin und Prinzessin der Nacht, 
auf Haiti in den Mangrovegebüschen nahe der Hauptstadt Port au Prince 
in grö&ter Menge die Bäume überwuchern. Wir wissen aber durch Baron 
von Eggers, dafs beide Pflanzen auch auf St Thomas massenhaft ver- 
wildert vorkommen, so dafs jene Angabe über das Indigenat derselben noch 
nicht gesichert erscheint. 

Die Zahl der Arten der Gattung Cereus von West- Indien ist mit 13-15 
schon ziemlich ansehnlich; wir können aber mit Sicherheit erwarten, dafs 
sie durch weitere Erforschungen noch vergröisert werden wird. Schon die 
Zeichnungen Plumier's geben uns die Gewähr, dais die Insel Haiti oder 
St. Domingo noch manche Art bringen wird , wenn das Land wieder einmal 
zum Gegenstande der botanischen Erforschung gemacht werden sollte. Neben 
C. grandiflorus, C. ngcticalus und C. triangularis wird jedenfalls auch Cßa- 
geUiformis (L.) Haw. , der von Cuba als wild wachsend angegeben wird, 
cidtivirt, und nach solchen Exemplaren ist das indigene Vorkommen dieser 
Pflanzen in vielleicht meist irrthümlicher Weise bis hierher ausgedehnt 
worden. 

Diejenigen Arten, welche über die Grenzen des westindischen Gebietes 
herausgehen , sind zum Theil schon bei den mexicanischen genannt worden ; 
auiser ihnen finden sich C. lepidotus S.-D. und C. peruvianus (L.) Mill. auf 
dem Festlande won Süd -America; dieser ist von Venezuela bekannt, jener 
geht über Guiana bis Brasilien. 

Über die Cereen der nördlichen Gebiete von Süd -America sind wir 
im ganzen noch nicht genügend unterrichtet, die Zahl der Arten ist spär- 
lich , die Fundorte sind häufig nicht genau bekannt. Von gröfeeren Formen 
erwähne ich neben C. eburneus S.-D. (em.Web.) und den obigen Arten C. Ja- 
macaru DC, eine sehr charakteristische Art, welche unter den Namen C. 
lioidus Pfeiff. oder C. Perrottetn Lern, bekannter ist. Von hier wurde auch 



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46 K.Schumann: 

der C. Pitahaya (Jacq.) P. DC. zuerst beschrieben, eine Pflanze, die sicher 
auch aus dem südlichen Brasilien eingefiihrt wurde. Ob die Jacquin'sche 
Pflanze wirklich mit der heute gleich benannten übereinstimmte, wird sich 
schwer festsetzen lassen. Cer.pterogonus Lern., eine weithin mit den unteren 
Ästen auf dem Boden kriechende und wurzelnde, später aufsteigende Art 
soll aus Garthagena in Neu -Granada stammen. Durch Murillo erhielt ich 
eine Photographie dieser, wie der Name sehr gut ausdrückt, mit fiinffläge- 
ligen Axen versehenen Pflanze aus Mexico ; ich 'möchte aber glauben , dafs 
diese Photographie einer cultivirten Pflanze entnommen wurde. Wie zu er- 
warten ist, fehlen die epiphytischen und kletternden Cereen keineswegs 
in diesem Gebiete. Der C. inennis Otto von Venezuela ist eine solche , gegen- 
wärtig nur selten noch in den Sammlungen vorkommende Art , die ich neuer- 
dings von Puerto Cabello erhielt; auch C. Karstenii S.-D. wurde von Kar- 
sten aus (Kolumbien geschickt. Nach Weber wurde wahrscheinlich auch 
Cer, polyrJUzus Web. mit Orchidacme aus Columbien eingeführt. Aus Guiana 
soll Rob. Schomburgk eine in die gleiche Verwandtschaft gehörige Pflanze 
eingesandt haben, welche Fürst Salm-Dyck Cer.scandens nannte; die Pflanze, 
welche in Berlin unter dem Namen Cer, Schombur^kü cultivirt wird und auch 
aus Guiana importirt wurde, ist von Cer. peruvianus (L.) Mill. nicht ver- 
schieden. 

Im ganzen sind aus dem Gebiet des nördlichen Süd- America, von den 
Columbischen Freistaaten bis nach Guiana, etwa lO Arten bekannt, von denen 
die Hälfte jene Gebiete überschreitet; die aufrechten sind gröfsere und kräf- 
tigere Formen, mit Ausnahme des Cer. PUahaya (Jacq.) P. DC, der schmäch- 
tiger bleibt. Die schlanken, kletternden Arten sind sämmtlich endemisch. 

Das brasilianische Gebiet will ich an dieser Stelle über die politischen 
Grenzen erweitem, indem ich Paraguay und Argentinien bis zum Parana 
und Uruguay hinzufiige. Die Republik Paraguay geht ganz allmählich in 
botanischer Hinsicht in den Staat Matto Grosso über, so dafs dort eine 
Scheide ebenso wenig möglich ist wie zwischen Uruguay und Süd -Bra- 
silien. Aus den nördlicheren Staaten am Ufer des Atlantischen Oceans wird 
C. Jamacaru P. DC. genannt; auch C. plafygonus Otto dürfte im Staate Bahia 
heimisch sein. Weiter nach Süden zu gedeihen im Staate Rio de Janeiro C. 
tetragonus (Willd.) Haw., welcher mit C. peruvianus (L.) Mill. grofse Dickichte 
in der Restingaformation des Strandes bildet, sowie der C. Hüdmannianus 
K. Seh., der mit C. lepidotus S.-D. verwandt ist, und auf dem Boden kriecht 



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Die Verbreit, der Cactaceae intVerhättn. z. ihrer systemai. GUedertmg. 47 

über Steine C. setaceus S.-D. Wahrscheinlich stammen auch aus jener Gegend 
C, euchhrus Web. und C. euphorbiaides Haw., Beides aufrechte Formen, wäh- 
rend C. melanurus K. Seh., C. Glaziovü K. Seh., Gestalten, welche sich an 
den schlankeren C. Baumannii Lern, aus Paraguay, vielleicht auch aus Uru- 
guay, anlehnen, in dem Innern, muthmafslich in Minas Gera6s gesammelt 
worden sind. Die epiphytischen Formen sind viel seltener; sicher bekannt 
sind nur der höchst merkwürdige, oben besprochene C o6<M5awgfw/«5 (G. A. 
Lindb.)K. Seh., welcher einen Leib etwa von der Gestalt des C.flagelliformis 
(L.) Mill. mit Blüthen verbindet, die an jEpt]pÄy/Ä/w erinnern, und der zier- 
liche C. DonkelaeriiS.'D.; aus Paraguay beschrieb Weber den C. Lindmanü. 

Als Bewohner der südlicheren Gebiete , Paraguay, Argentinien und Uru- 
guay, werden uns nur schlankere Formen genannt: C. Püafiaya DC, C. cae- 
siu8 S.-D. und C.azureusVMm. können sich noch aufrechterhalten, aber 
C. Bonplandü Parm., C. iortiu)sus Forb. und C. Jusbertü Reb., C. saxicola 
Morong, C. Martinii Lab. kriechen über Felsen und Steine hin und steigen 
durch Anlehnen auf; einen Theil der letzteren erhielt neulich der König- 
liche Botanische Garten von Berlin in Originalexemplaren, die von Para- 
guay eingefiihrt waren. 

Von diesen i6 Arten sind alle südlichen und centralbrasilianischen 
Formen endemisch; über C PÄaAaya( Jacq.) P.DC. und CJarwöcarw P.DC, die 
einzigen mit C. peruvianus (L.) Mill. über das Gebiet herausgehenden Arten, 
habe ich schon oben das Nöthige gesagt. 

Die Arten von Cereus aus Ecuador sind, obschon sie bereits von Hum- 
boldt und Bonpland gesammelt und durch Kunth beschrieben worden 
sind, so gut wie unbekannt; nur von C. sepium (H. B. Kth.) P.DC. halte 
ich es nun für ausgemacht, dafs er mit den jetzt in den Sammlungen bis- 
weilen begegnenden C. Roezlü Hge. jun. identisch ist. Wahrscheinlich ist mir 
auch, dafe C. icosagonus (H. B. Kth.) P. DC. mit C. muUangularis Haw. über- 
einstimmt. Aus den südlicheren Theilen des andinen Gebietes haben wir 
aber eine grofse Zahl noch heute wohl bekannter Arten erhalten. So wissen 
wir bestimmt, dafis der merkwürdige graue, aus tonnenförmigen Gliedern auf- 
gebaute C. Ghiesbreyhtii K. Seh. in Bolivien bei 4-5000™ Höhe mit C. Mon- 
villeanus Web. zusammen wächst. Den C, tephracanthus Lab. erhielt ich von 
O. Kuntze aus Chuquisaca, während er in einer Varietät Weber durch 
Dr. Sacc aus Cochabamba zugieng. Desgleichen bekam ich durch Kuntze 
C. areolatus Muehlenpf., C. laniceps K. Seh. und C. parviflorus K. Seh. aus Bo- 



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48 K. Schumann: 

livien, der erstere war dabei schon in sehr alten Pflanzen im Königlichen 
Botanischen Garten unter dem Namen C. Dumesnilianus vorhanden. Cer. aureus 
(Pfeiff.) K. Seh. ist eine der kleinblüthigen , kriechenden Arten, die schon 
von Meyen mit C. fascicularis (Mey.) K. Seh. bei Tacna gesammelt wurde, 
während neuerdings Rusby den von Bang bei la Paz gesammelten C. me- 
lanotrichus K. Seh. an mich schickte. 

Von den folgenden Arten ist uns nur bekannt, dafs sie mit grofeer 
Wahrscheinlichkeit aus dem andinen Gebiet stammen: C. rigidispinus Monv., 
C. Funkü K. Seh., C. Hankeanus Web., C.macrogonus S.-D., C. MaUetianus 
Geis, C. isogonus K. Seh. Da aber genauere Angaben fehlen, so wissen wir 
nicht, ob sie dem nördlichen Theil oder ob sie Chile oder Argentinien 
angehören. 

Aus den von den Anden durchzogenen oder von den Seitenketten durch- 
setzten westlichen argentinischen Gebieten mit den Staaten Tucuman , Salta, 
Bioja U.S.W, wissen wir, dafs sie verhBltnilsmäXsig reich an Cereus-krtexi 
sind. Ich nenne zuerst jene Riesenform, die sich mit Recht dem C, gigarUeus 
Eng. an die Seite stellen läfst, den C. Pasacana Web., welcher mit Echinopsis 
formösissima Lab. aus Bolivien übereinstimmt. Weber beschrieb ihn nach 
den schriftlichen Nachrichten, Abbildungen und, ich glaube, getrockneten 
Bläthen, welche ihm durch S ch ick end an tz aus Catamarca zugegangen waren ; 
er ist jetzt, aus Samen gezogen, eine häufige Erscheinimg in den Sammlungen. 
Er bewohnt dort und im Staate Salta die Hochthäler der Cordilleren und 
erreicht eine Höhe bis zu 15°*, bei 40*^ im Durchmesser. Solche Riesen- 
formen sind auch in dem benachbarten Bolivien vorhanden; über sie haben 
mir die HH. George Erman und 0. Kuntze noch gröfsere Dimensionen 
(i"90'''" Durchmesser) mitgetheilt. An den Rändern der Salinas der Rioja 
sind, wie mir Hieronymus freundlichst berichtete, ebenfalls kolossale 
Säulen von Cereen zerstreut, die einzigen schattenspendenden Gewächse in 
jenen trostlosen , pflanzenarmen Gebieten ; leider sind sie uns der Art nach 
nicht bekannt. Im übrigen erzeugen die nördlichen Staaten Argentiniens 
noch eine ziemliche Anzahl von Formen; von hier beschrieb Weber 2 säulen- 
förmige Arten: den C. Huascha und C andalgalensis mit minder hohem Körper 
und den schlanken, höhere Säulen erzeugenden, durch Auflösung der Rippen 
in gesonderte Warzen ausgezeichneten C. thelogonics. Von 0. Kuntze er- 
hielt ich aus dem Staate Jiguy den schlankeren, im Äufseren etwas an 
C.Baumannii Lern, erinnernden C.hyalacantkuSj aufserdem brachte dieser den 



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Die Verbreä. der Cactaceae im VerhaUn. z. ihrer systemat. Gliederung. 49 

C. lamprochlorus Lern, aus dem nördlichen Argentinien mit. C. Forbesü Otto 
und C. Coryne Otto sind in den Staaten Tucuman und Catamarca heimisch, 
werden baumförmig und bilden kleine Wälder; etwas südlicher dürften 
C.chalybaeus Otto und Ccoerviescens S.-D. vorkonmien, von denen der erstere 
rein baumförmig sich entwickelt, während der letztere in seinen schlankeren 
Zweigen die Neigung verräth, durch Anlehnen an Sträuchern und Bäumen 
aufzusteigen. Zu den noch schlafferen Arten, die entweder über Boden 
und Gesteine kriechen oder von vom herein der Stützen bedürfen, gehört 
C. pomanensis Web. , welcher dem C, Bonplandü Parm. verwandt ist. 

In dem durch die Erforschungen von Gillies und Philippi so be- 
rühmten Gebiete von Mendoza bei etwa 33® s. Br. wurden folgende Arten 
gefunden: C.candicans Gill., eine kleinere Art, die zu Echinopsis hinüberfahrt, 
t7. strigosus S.-D. und C. Spachianus Lern. , beide zwar schlankere, aber doch 
noch kräftige Formen , die durch Anlehnen aufsteigen , und C. coenUescens 
S.-D. in 2 Varietäten, welche vom Typus etwas abweichen. Aus noch süd- 
licherer Breite erwähnte Spegazzini dieselbe Art von der Sierra de la Ven- 
tana bei etwa 38® s. Br., sowie den niedrigen C. patagonicusWeh,, der noch 
bei 45® s. Br. gedeiht. Für das chilenische Andengebiet bleiben uns nun 
noch etwa 5 Arten übrig : der nördlichste Vertreter der Gattung ist C. coquim- 
banus (Mol.) K. Seh. mit seinen aufserordentlich langen, früher als Strick- 
nadeln dienenden Stacheln und der, wenn auch kleinere, so doch ftirchtbar 
bewaffiiete Quisco, C. cMknsis Colla. Zu diesen beiden würde sich noch 
der C.stohnifer Weh. oder C.hgpogaetis Weh. ^ eine kleinere Form, gesellen, 
dessen genauere Heimat mir nicht bekannt ist. C. Phüippü Web. machte 
mir nach der allerdings nicht gerade sehr schönen Abbildung den Eindruck, 
als ob er ein Echinocactus sein könnte. Über die anderen Arten habe ich 
nichts Genaueres erfahren können. 

D. Die Gattungen Cephalocereus Pfeiff und Pilocereus Lem. 

Im Jahre 1837 wurde Lemaire von dem Inspector des Jardin des 
plantes in Paris, Naumann, ein Körper vorgelegt, der, aus Mexico einge- 
föhrt,* mehr einem Thiervliefs als einer Pflanze glich. Bei genauerer Be- 
trachtung erkannte Lemaire in dem unterhalb des VlieJfees gelegenen Theil 
des Stammes den Cereus senilis Haw. Dieser brachte also in der blühbaren 
Zone eine üppige Wucherung von Wollhaaren und Borsten hervor, d. h. er 
erzeugte wie Melocadus ein »Cephalium verum«. Aus ihm konnte Le- 
Phy8. Ahh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 7 



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50 K. Schuhann: 

maire auch noch die verborgenen Blüthen hervorholen und beschreiben. 
Das Vorhandensein des Cephaliums erschien Lemaire* doch zu eigenartig, 
als dafs er nicht för diesen Cereus eine eigene Gruppe bilden mulste. Er 
nannte sie Cerei cephalophori und nahm noch den Cereus columna Trajard Karw. 
in dieselbe auf. 

Bei der Besprechung, welche Pfeiffer^ der Lemaire'schen Schrift 
widmete, wies dieser darauf hin, dafs das Vorhandensein jenes Cephaliums 
vollkommen zur Begründung einer eigenen Gattung genügend sei, die er 
Cephälocereus nannte. An dieser Gattung mu£s also för das Greisenhaupt 
unbedingt festgehalten werden. Die Botaniker pflegten damals auf ihre 
Genossen nicht eben gro&e Rücksicht zu nehmen, und so ist es fSr uns 
keineswegs überraschend, dafs Lemaire* ein Jahr später, ohne Pfeiffer's 
mit einer Silbe Erwähnung zu thun, dieselbe Gründung noch einmal voll- 
zog und die neue Gattung in dem Umfang seiner Reihe Cerei cephalophori mit 
dem Namen PHocereus belegte. Viel befremdlicher aber ist fUr uns Deut- 
sche, dals wir den Namen Pfeiffer's aufgegeben und Piloceretts angenom- 
men haben. Diese Hintansetzung geschah unter der Autorität des Fürsten 
Salm-Dyck und erhielt sich, bis ich* für den Namen Cephälocereus aus Prio- 
ritätsrücksichten eintrat. 

Allerdings erforderte die durch eine ziemliche Anzahl von Arten er- 
weiterte Gattung eine Emendation. In ihr war nämlich eine ganze Reihe 
von Arten eingeschlossen worden, welche den Charakter eines »Cepha- 
liiun verum« nicht besafeen. Zu diesen gehörten alle diejenigen, welche 
der Fürst Salm-Dyck in die Gattung gestellt hatte. Diese zeigten nur 
eine mehr oder minder reichliche Bekleidung der Areolen mit Haaren oder 
Borsten. Die Areolen aber rückten unter Auflösung der Rippen keineswegs 
so dicht an einander, dafe sie eine in spiraligen Zeilen verlaufende Anord- 
nung, den wesentlichen Charakter eines Cephalium verum, erfiihren. Nach 
und nach wurden mm von den Händlern alle diejenigen Cereen, welche 
durch eine Bekleidung mit längeren Haaren auffielen, zu PHocereus herüber 
genommen; alle bekannten Arten wurden dann durch Le maire in einer 
Übersicht zusammengestellt. 



^ Le maire, Cact. aliq. nov. 

' Pfeiffer in Allg. Gartenz. VI, 142. 

■ Lemaire, Gen. nov. et spec. 6. 

* K.Schumann, Gesammtbeschreibung S. 197. 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäUn. z. ihrer systemat. Gäedernng. 51 

In Würdigung dieser Verhältnisse habe ich dann alle Arten von Pilo- 
cereuSy welche ein Cephalium verum unseres Wissens besitzen, zusammen- 
gefafst und, wie diefs unter Berücksichtigung der Priorität geschehen mufste, 
in die Gattung Cephalocereus PfeiflF. gestellt, während ich filr alle übrigen 
den Gattungsnamen Pilocereus Lem. mit meiner Emendation belieJfe. Dieser 
Auffassung zufolge verbleiben dort nur noch 5 Arten, von denen Ceph. se- 
nifi8(iis.w,) PfeiflF., C.columna Trajani (Karw.y K.Sch., C. chrysomaUiis (Lem.) 
K.Sch., C.Mehmctus (SfeVi.) K.Sch. schon länger bekannt sind, während 
C. macrocephalus Web. erst in meiner Gesammtbeschreibung aufgestellt wor- 
den ist. 

Die Gattung Pilocereus dagegen ist jetzt bis auf 25 Arten angeschwol- 
len, zu denen noch vielleicht einige nur ungenügend bekannte, namentlich 
von Plumier aus Haiti beschriebene Arten treten. Eine Sonderung in 
Untergattungen oder auch nur Sectionen habe ich in dieser Gattung nicht 
vorgenommen, weil derselbe Übelstand, und vielleicht in noch höherem 
Grade, vorliegt, der bereits bei Cereus so empfindlich hinderlich war: von 
zu vielen Arten sind uns die Blüthen und Früchte ganz und gar nicht be- 
kannt. Die meisten Arten werden zwar in den Sammlungen angetroflfen; 
mit wenigen Ausnahmen aber blühen sie offenbar erst in hohem Alt«r und 
nachdem sie eine beträchtliche Gröfse erreicht haben. Nur Püoc. exerens (Lk.) 
K.Sch., P.pentaedropfhorus Cons. und P. HouUetü Lem. machen von dieser 
Regel eine Ausnahme, da sie bei uns nicht allzu selten ihre Blüthen ent- 
wickeln. Von einigen anderen Arten {P.Iiot/emi{L.) RümpL, P.stridus (Willd.) 
Rümpl.) sind uns die Blüthen ebenfalls bekannt, und aus diesen Beispielen 
erfahren wir, dafs dieselben von denen der Cfer^t^-Arten recht verschieden 
sind. Die Röhre ist nämlich sehr viel kürzer und breiter, so dafs sich 
die Blüthen der Glockenform nähern. Die inneren BlüthenhüUblätter sind 
ebenfalls kurz und verhältnilsmäXsig sehr breit, von meist grünlichbrauner 
Farbe. Die Blüthen hauchen einen unangenehmen, fast zwiebelartigen Ge- 
ruch aus. Die Früchte sind niedergedrückt und springen, wenigstens zu- 
weilen, auf. 

Der Charakter der Areolenbehaarung wechselt; zuweilen sind die Woll- 
haare sehr lang, zuweilen sind sie kürzer, ja sie können sogar ganz 
fehlen, wie bei P. pentaedrophorus Cons., den ich aber wegen seiner Blü- 
then von P. exerens (Lk.) K.Sch., einem typischen Pilocereus, nicht trennen 

möchte. Eine sehr eigenthümliche Dimorphie weist P. Schottii (Eng.) Lem. 

7. 



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52 K. Schümann: 

auf. Während des sterilen Zustandes trafen die Areolen nur wenige, kurze, 
meist kaum 5"°* lange, derbe, kegelförmige Stacheln. Wenn er sich aber 
zum Blähen anschickt, dann wird die Zahl derselben ins Vielfache ver- 
mehrt; sie wachsen aufserordentlich heran und erlangen die Consistenz von 
derben Pferdehaaren, aus deren Mitte die Blüthen hervorbre<;hen. Diese 
eigenthümliche Bildung erinnert offenbar schon an die Entwickelung eines 
Gephaliums. Dieselbe Erscheinung, dafe die Stacheln Iftnger und dünner 
werden, tritt auch bei P.scoparius Pos. und P.fuhiceps Web. auf. P.Hojh 
penstedtü Web. bringt sogar auf der Nordseite des Stammes dichte Woll- 
polster hervor, die sehr regelmäfsig längs gereiht sind. 

Ich habe in der (rattung Pilocereus 25 besser gekannte Arten beschrie- 
ben, welche in ihrer Gresammtverbreitung fast genau mit derjenigen der 
Gattung Cereus übereinstimmen ; freilich ist die Dichtigkeit der Arten durch- 
gehends, der geringeren Zahl der letzteren überhaupt entsprechend, eine 
viel geringere. Die Art, welche den nördlichsten Ausläufer darstellt, ist 
P. Schottn hem., der in dem Gebiete der Papayole- Indianer, ferner auf der 
Grenze von Arizona und Sonora auf der Sierra de Sonoyita sehr weit ver- 
breitet ist. Mit ihm. erreicht hier die Gattung 31^® n. Br. ; auf der Halb- 
insel Califomien findet er sich südlich bis S. Gregorio und Comondu, die 
auf dem südlichsten Drittel liegen, auch auf der Insel Cedros ist er beob- 
achtet worden; von hier brachte ihn Orcutt unter dem Namen C. Sargen- 
tianus Orc. in den Handel. Bei S. Luis Potosi will ihn Dr. Eschanzier 
gesammelt haben, weitere Angaben liegen über diese Örtlichkeit aber nicht 
vor. Aus demselben Staate soll auch der P. cometes (Scheidw.) Mittl. ein- 
gefahrt worden sein. Die eigentliche Hochfläche in der Nähe der Haupt- 
stadt bietet nur i Art, nämlich den mächtige Organos bildenden P.po- 
lylophus S.-D. im Staate Hidalgo. Alle übrigen Arten Mexicos finden sich 
in den heifseren Gebieten der Gebirgsabhänge oder in den ebeneren Theilen 
der Sierra Caliente. Eine überraschend grolse Menge ergab sich aus der 
Umgebung von Tehuacan, wo Weber zunächst bei Zapotitlan auf der Grenze 
der Staaten Puebla und Oaxaca 1 864 seinen P. Hoppenstedtii entdeckte. An 
derselben Localität wuchsen aber noch 3 andere höchst charakteristische 
Arten, die er zuerst in meiner Gesammtbeschreibung veröffentlicht hat, 
nämlich P.Tetetzo Web., P,fulvkeps Web. und P. chrysacanthus Web. 

Unter ähnlichen Bedingungen gedeiht in den heifsen, tiefen Thälem 
und Schluchten, dem Mal pays bei Naulingo zwischen Vera Cruz und Ja- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäÜn. z. ihrer sysiemat, Gliederung. 53 

lapa diejenige schön blaugrüne und reichlich weifswoUige Art, welche zu 
den häufigsten Erscheinungen in unseren Sammlungen gehört, der P.Houl- 
letii Lem., während der P. scoparius Pos. von dem Autor bei Soledad in 
der Umgebung von Vera Cruz gesammelt wurde. Wenn Rümpler das 
Soledad Poselger's auf der Halbinsel Californien sucht, so ist er im Irr- 
thum, denn Poselger ist niemals auf jener Halbinsel gewesen. 

Auf den Antillen gedeihen 4 von den genauer bekannten Arten: der 
in den Sammlungen sehr häufige P. stricttcs (Willd.) RümpL, eine mehr als 
dutzendfach beschriebene Art, die durch ihren im Alter sehr dunklen , bis- 
weilen fast schwarzen Körper ausgezeichnet ist und gewöhnlich unter den 
Namen P. Curtisü S.-D. oder P. Haworthü Cons. begegnet; der schön dunkel- 
blaue P. Royemi (L.) Rümpl. ist von S. Thomas und S. Croix bekannt, wo 
auch P. hnuginosus (Mill.) Rumpl. gedeihen dürfte; ich sah diesen auch von 
Porto Rico. Den P. C7r6aniaww5 K. Seh. erhielt ich durch die Güte Urban's 
aus einer Sammlung, welche Pere Duss in Guadeloupe gemacht hatte. 
Schon oben sagte ich, dafs unter den Plumier 'sehen Arten von Haiti 
wohl noch die eine oder die andere Art zu Pilocereus gehören dürfte, na- 
mentlich wird diese Meinung von dem P.ßmbriatm Lem. gelten. Wir wissen 
durch Weber, dafs P. Hermentianus Lem. und P. Schlwnbergeri Web. aus 
Haiti stammen , letzterer wurde aus der Umgebung von Gonaives eingefölirt. 
Vielleicht steckt in diesen eine jener Arten. 

Von der Nordküste Süd-Americas stammen mit Bestimmtheit P. Mo- 
ritzianus (Otto) Lem. et Cons., sowie P.Russellianus (Otto) Rümpl., jener ist 
in den europäischen Sammlungen verbreitet, dieser gehört zu den selte- 
neren Culturpflanzen. Auch von P. albispirms (S.-D.) Rümpl. geht die Mei- 
nung, dafs er aus Süd -America zu uns gekommen sei; doch kann ich ftlr 
die Richtigkeit, dafs diese schöne, seltene Art aus Curacao stamme, keine 
Bürgschaft übernehmen. 

Brasilien beherbergt 3 Arten der Gattung, von denen mir P. GouneUei 
Web. aus den Certäos von Pernambuco nicht bekannt ist. P.pentaedro- 
phorus (Lab.) Cons. wurde durch Morrel von dem Morro Queimado, wahr- 
scheinlich im Staate Bahia, eingeföhrt; in seiner Blüthe nähert er sich durch- 
aus der dritten Art, dem P.exserens (Lk.) K. Seh. aus Bahia und Pernam- 
buco, der wahrscheinlich aber auch im Staate Rio de Janeiro vorhanden ist. 

Von Huancabamba in Ecuador wurde durch Roezl um das Jahr 1870 
der prachtvolle, von dichter, weÜser, spinnewebiger Wolle rings umsponnene 



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54 K. Schumann: 

P. Dautwitzii Ferd. Hge. sen. eingeführt. Schon Humboldt fiuid bei der- 
selben Ortschaft einen hochsäulenförmigen Caches, den Kunth wegen seiner 
reichlichen Wollenbekleidung mit dem Namen Cactus lanatus belegte. Ich 
möchte fast mit Bestimmtheit glauben, dafs beide Pflanzen identisch sind; 
freilich wird diese Vermuthung erst durch eine genauere Erforschung dieser 
gegenwärtig leider recht vernachlässigten oder unzugänglichen Gegend fester 
zu begründen sein. Sonst ist aus Bolivien nur noch der P. Cekianus Lem., 
eine der vielgestaltigsten Arten der Gattung, zu uns durch Bridges ge- 
bracht worden , der heute noch in fast allen, selbst kleineren Sammlungen 
gern in mannigfachen Spielarten gezogen wird. 

Mit P. erythrocephalus K. Seh. von dem Ostabhang der argentinischen 
Cordillere, aus der Nähe des Paso Cruz 34® s. Br., mufs ich den Beschluß; 
der Gattung machen. Poeppig erzählte uns die bis in die Neuzeit be- 
fremdliche Thatsache, dals in der Nähe dieser Locali tat ein MelocacttLS mit 
wolligen Schöpfen gediehe. Ich habe gar keinen Zweifel, dafs es uns ge- 
lungen ist, in der obenerwähnten Pflanze diesen Körper wieder aufzufinden ; 
denn im Gegensatz zu allen anderen Arten der Gattung ist diese eine 
niedrigere Form, die nur etwa 1^5 hoch wird und 30"^ im Durchmesser 
hält. Wenn mm Poeppig solchen Pflanzen begegnet ist, so konnte er wohl 
bei der offenbaren Unzulänglichkeit seiner Kenntniis der Kakteen zu der 
Meinung gefilhrt werden, dals hier ein Melocactus vorläge, gerade so wie 
wahrscheinlich der P. Celsianus Lem. die Veranlassung zu der irrthümlichen 
Meinung wurde, dals der Cereus senilis Haw. in Bolivien vorkäme. 

Aus den ßoeben niedergelegten Thatsachen erhärtet, dafs die Verbreitung 
der Gattung PHocereus mit deijenigen von Cereus in einer eigenthümlichen 
Weise parallel läuft. Beide sind in Nord- und Süd -America einheimisch 
und finden sich in allen gröiseren Gebieten vereint wieder. Relativ die 
meisten Arten weist Mexico auf, das , die Halbinsel Californien einbegriffen , 
8 Arten, d. h. 30 Procent der Gesammtzahl, beherbergt; auch die west- 
indischen Inseln sind ziemlich reich an Arten (6 Arten, d.h. 20 Procent); 
auffällig arm ist Brasilien (mit 3 Arten), wenn man die grofse Zahl von 
Cl^^t^- Arten erwägt, welche hier gefunden worden sind. Sehr bemerkens- 
werth ist ferner, dafe die Nordgrenze nahezu vollkommen mit der von O- 
reus zusammenfallt und dafs aber die Südgrenze beträchtlich nördlicher liegt 
als die von Cereus, Was die Verbreitungsgebiete der Arten anbetrifft, so 
ist dieselbe nach der heutigen Kenntnifs äufserst beschränkt. Nur von 



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Die Verbfeit, der Cactaceae im VerhäÜn. z. ihrer systemat. GUederung. 55 

einer Art wissen wir, dafs sie ein geographisches Feld von etwa 7 Grad 
Ausdehnung besiedelt hat, von P. iScAo/ftV (Eng.) Lern., wobei ich die An- 
gabe seines Vorkommens bei S. Luis Potosi , weil sie mir zu unsicher ist, 
übergangen habe; sonst sind die Verbreitungsgebiete derartig eng, daCs 
bicht eine einzige Art aus dem einen der von mir gewählten Bezirke in 
einen anderen übergeht. 

Aus der Gattung CepMlocereus habe ich 5 Arten beschrieben, ich 
glaube auch nicht, dafs deren mehr vorläufig bekannt sind. Allerdings ist 
die Scheidung von Cereus bez. Pilocereus und Cephahcereus erst mit Sicher- 
heit festzusetzen, wenn die Blüthen erscheinen; da nun aber einige Arten 
beider ersterwähnten Gattungen noch niemals blühend gesehen worden sind, 
so ist die Möglichkeit, dafe sich in Zukunft die Artenzahl durch Über- 
föhrung der einen oder der anderen Art aus jenen nach Cephalocereics noch 
erhöhen kann. Die grofse Mehrzahl der Arten gedeiht wiederum in Mexico; 
diefs gilt zunächst von dem Typ der Gattung von C. senilis (Haw.) PfeiflF., 
welcher an den Abhängen der heiJfeen Schluchten im Staate Hidalgo gefun- 
den wurde; die Abbildung, welche nach einer gütigst von Mathsson mir 
überlassenen Photographie hergestellt in die »Natürlichen Pflanzenfamilien« 
aufgenommen wurde, gibt eine Vorstellung der Vegetationsverhältnisse, unter 
denen er bei Venados nördlich von Pachuca gedeiht. Das Greisenhaupt 
wird häufig von hier in Originalpflanzen eingeföhrt; die gröfsten Stücke, 
welche ich sah, waren zwischen Atotonilco und Meztitlan in demselben 
Staate gesammelt und auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1 890 aus- 
gestellt worden. Allerdings in halbtodtem Zustande wurden sie 2 Jahre 
später in Berlin gezeigt; an ihnen war eine Art durch eine riesige Verbän- 
derung ausgezeichnet. Ein besonders schönes Aussehen gewähren die Lm- 
IK)rten nicht; die Pflanzen, welche bei uns aus Samen sehr leicht erzogen 
werden können, sind bei weitem schöner. Nach Mathsson findet sich 
Ceph. senilis (Haw.) Pfeiff. auch auf der Grenze zwischen Guanajuato imd 
Morelia. Die 3 anderen Arten sind ebenfalls Bewohner der heifsen Districte 
von Mexico. C columna Trajani (Karw.) K. Seh. wurde von dem Baron von 
Karwinski im Staate Puebla bei S. Sebastian entdeckt ; Mathsson nannte 
mir ihn auch von Tehuacan, der classischen Fundstelle so vieler ausge- 
zeichneter Arten der Gattung Pilocereus. Vor vielen Jahren wurden die 
wie ein reichwolliges Löwenfell aussehenden Cephalien enden in den Handel 
gebracht; das Königliche Botanische Museum in Berlin besitzt noch ein 



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56 K. Schümann: 

solches kostbares Stück; in den letzten lo Jahren sind sie nicht mehr zu 
uns gekommen. 

Unter den Arten von Pilocereus, die Weber in einem Cactuawalde bei 
Tehuacan versammelt fand, war auch ein echter Cephalocerem in wenigen 
Exemplaren eingestreut, der ein mächtiges, bis 2" hohes, endständiges, 
cylindrisches Cephalium entwickelte , das in gleichmä&iger Fortsetzung mit 
der Dicke des Stammes (15-25*"°*) ganz von der Beschaffenheit eines if^to- 
cocft^Ä-Cephaliums war. Die dichte Wolle desselben ist bei Ceph. macro- 
cephalus Web. gelblich und wird von schmutzig weifsen oder gelblichen 
Borsten durchstofsen. Am Südabhange des Pics von Colima im Districte 
Huetamo , Staat Michoacan , gedeiht die vierte Art der Gattung Ceph. chryso- 
maUus (Lem.) K. Seh., der einen bald vollkommen endständigen, bald unten 
mehr oder weniger seitenständigen Wollschopf bildet; die isabellfarbige 
Wolle wird von zahllosen braunen, pferdehaarähnlichen Borsten durchsetzt, 
auf diese Weise entsteht ein Körper, der mit einer BärcAmütze verglichen 
werden kann, weiter unten aber an den früheren bayerischen Raupenhelm 
erinnert ; die Pflanze wird deshalb von den Eingeborenen Gorro de Grana- 
deiro oder Grenadierhelm genannt. 

Die letzte Art der Gattung findet sich in Brasilien; sie war schon 
Vellozo bekannt, der sie kenntlich abgebildet hat. Sie ist mehrfach von 
Glazion nach Europa geschickt worden und hat Goebel so wie mir haupt- 
sächlich zum Studium der in der Gattung obwaltenden Verhältnisse gedient. 
Der in der Bestachelung einigermafsen an C. euphorbioides Haw. erinnernde 
Stamm erzeugt einen einseitigen Schopf, welcher wie eine grosse, zusammen- 
gezogene Raupe auf der einen Seite desselben und nahe am Scheitel sitzt. 
Nach dem in der Sammlung des Königlichen Botanischen Museums befind- 
lichen Stücke hat es fast den Anschein, als könnte die Bildung des Cepha- 
liums aussetzen und der Stamm zeitweise in steriler Form weiter wachsen, 
denn an ihm ist der Scheitel oberhalb des Schopfes vollkommen frei von 
der Cephaliumbildung. 

Das geographische Verbreitungsgebiet der Gattung Cephalocereus liegt 
also zwischen dem 20. Grad n. Br. und dem Wendekreis des Steinbocks, 
dem 2 2-}-. Grad s. Br., wobei aber nur zwei engere Gebiete vorhanden sind, 
das an der Nordgrenze mit der Hauptmasse der Arten und das an der 
Südgrenze mit einer Art; zwischen beiden ist keine Spur der Gattung 
nachweisbar. 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhaitn. z. ihrer systemai. Gliederung. 57 

E. Die Gattung Echinopsis Zucc. 

Die typischen Gestalten der Gattung sind diejenigen , welche sich an 
EcMnopsis Eyriesii(l!\a^.) Zucc. anlehnen; zuerst von etwas gedrückter Kugel- 
gestalt, können sie später, wie jener Typus selbst, mehr in die Cylinder- 
form übergehen. Hierher gehören die mit Eps. Eyriesü so nahe verwandten 
Arten: Eps. gemmata (Otto) K. Seh., E. multiplex (Otto) Zucc, E. oxygona 
(Pfeiff.) Zucc, E. tubißora (Hook.) Zucc, heute oft schwer von einander zu 
scheiden, weil dem Verlangen, die Arten unter den Kakteen zu verbastem, 
nirgends mehr Folge gegeben wurde als hier. Sehr kräftige Gestalten, 
die sich aber in der Jugend zum mindesten der Kugelform nähern, sind 
die prachtvolle, starrend bestachelte E. formosa (Pkitl.) 3slc, mit der ver- 
wandten E, catamarcensis Web. und die echte E. leucantha (Gill.) Walp., wäh- 
rend E. Huottd (Gels.) Lab., E.SalmianaWeh., E. SchickendantziiWeh.y E. valida 
Monv. und E. mmpylacantha R.Mey. schon von An&ing an durch den minder 
kräftigen Körper eine schlankere Säulenform andeuten, die allerdings in 
der Höhe wenigstens nach unserem heutigen Wissen nur geringe Ausmessun- 
gen erlangt. Durch diese Gestalten wird dann mit Hülfe des Cereus lampro- 
chlorus Lern, eine Verbindung mit dieser Gattung hergestellt. Alle diese 
Formen haben jene so charakteristischen langtrichterförmigen, weilsen oder 
rothen Blüthen, welche, wenn sie nicht so willig erschienen, wenn sie sich 
also »seltener machten«, zweifellos die Echinopsen zu sehr geschätzten Cultur- 
objecten machen würden. 

Ganz anders sind die Blüthen von 2 Arten beschaffen, von E. cinna- 
barina (Hook.) Lab. und E. Pentlandii (SLook.) S.-D. : diese Blüthen sind echte 
jEV?Ämocaß/W5- Blüthen. Beide Arten zeigen auch in der Bildimg ihrer Rippen 
einen eigenartigen, gemeinschaftlichen Charakter, indem dieselben gewisser- 
maisen durch tiefe, schräge Kerben in keilförmige Höcker zerlegt sind; 
auch diese Besonderheit zeigt sich annähernd in der Gattung EcMnocactus. 
Ich würde gar keinen Anstand genommen haben, diese beiden Arten wieder 
nach dieser Gattung zurückzuversetzen, wenn nicht E, obrepanda (S.-D.) K. 
Seh. mit ähnlich zerklüfteten Rippen wieder echte Echinopsis -Blüthen ver- 
bände. Um nun in dem System einigermafsen Beständigkeit zu schaffen, 
habe ich also diese 3 Arten bei der Gattung Echinopsis belassen , wobei ich 
allerdings nicht verkenne , dafs Eps. cinnabarina und E. Pentlandii zwei glei- 
tende Formen sind. 

PAy«. Abh, nicht zur Akad, gehör. Gelehrter. 1899. IL 8 



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58 K. Schumann: 

Die geographische Verbreitung betreffend, so ist der Hauptkem der 
Gattung, der die um Eps. Eyriesii gruppirten Arten umfaJ&t, im südlichen 
Brasilien, Paraguay und Uruguay, vielleicht auch in Argentinien heimisch. 
Genauere Mittheilungen über das Vaterland der Arten haben wir leider 
nicht. Da sie sich durch Sprossung überreichlich bei uns vermehren, so 
haben sie einen äufserst niedrigen Marktpreis und werden deshalb kaum 
importirt. Ich habe neulich ganz zuföllig E. tvbiflora aus Paraguay erhalten. 

Die säulenförmigen Arten sind in den westlicheren Gegenden Süd- 
Americas zu Hause: Eps. Hiwttü und E. Salmiana stammen aus Bolivien, 
E. leucantha, E. campylacantha, E. formosa und E. catamarcensis, E. Schicken- 
dantzii gedeihen in Argentinien am Ostabhange der Cordilleren. Hier wächst 
auch die sehr schön bestachelte, durch kugelförmigen Körper ausgezeich- 
nete E. rhodacantha S.-D.; E. valida Monv. ist die einzige mehr säulenförmige 
Art aus Paraguay, während die beiden kurzblüthigen oben erwähnten Arten 
E. cinnabarina und E. Pentlandü nur aus Bolivien bekannt geworden sind. 
Woher die jetzt ganz verschwundene E, ditcis PavU Forst, zu uns gekommen 
ist, wissen wir nicht. 

Die Verbreitung der Gattung liegt also zwischen dem 1 6.- 1 8. Grad s. Br. 
und dem 32.-33. Grad s.Br. Sie umfafst ein ziemlich zusammenhängendes 
Gebiet, welches wahrscheinlich hufeisenförmig den Gran Chaco umzieht 
und eine Enclave nach Bolivien vorschickt. Am dichtesten ist die Arten- 
zahl in Süd-Brasilien und Paraguay, sowie in Nord- und West- Argentinien 
entwickelt; bei Mendoza scheint die Gattung plötzlich abzubrechen, der 
Hochkamm der Cordilleren wird von ihr nicht überschritten. Keine Art 
beherrscht ein nur einigermafsen ausgedehntes Areal. 

F. Die Gattung Echinocereus Eng. 
Wislizenus brachte von seiner Reise nach Mexico nicht weniger als 
8 Arten kleinerer Cereen mit, auf welche Engelmann im Jahre 1848 die 
Gattung Echinocereus gründete. Doch schon im folgenden hob er sie wieder 
auf, indem er meinte: »after a careful revision of the characters which 
distinguish my genus Echinocereus from Cereus proper, 1 think it most na- 
tural to unite the two«. In diesen wenigen Worten liegt die Begründung 
der Vereinigung zweier Geschlechter, die meiner Meinung nach von ein- 
ander getrennt bleiben sollten. Die botanisch geschulten Autoren, nament- 
lich der Fürst Salm-Dyck imd Weber, sind jenem darin gefolgt; die 



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Die VerbreU. der Cadaeede im VerhäUn. z. ihrer systemat. Gliederung. 59 

Händler aber und Zimmercultivateure haben diese Verbindung nicht an- 
genommen, auch Lemaire hat in seinem kleinen Büchelchen »les Cactees« 
die Gattung aufrecht erhalten. Ich stehe auf dieser Seite und meine, dafe 
die Gattung mit zu den bestumschriebenen gehört, wenn sie in dem Sinne 
der Gesammtbeschreibung^ gefafst wird; gleitende Formen sind mir in ilir 
nicht bekannt. Der eigenthümlich weiche Körper, der es gestattet, dafs man 
einen Echinocereus durch das Tastgeföhl zweifellos im Finstem erkennt, 
der bestachelte Fruchtl^noten , die meist kurztrichterförmige Blüthe und die 
ausnahmslos smaragdgrüne Narbe sind untrügliche Charaktere. Die erst- 
erwähnte Eigenthümlichkeit lafst die Körper nicht blofs wie Gurken schnei- 
den , sondern bedingt auch , dafs die verlängerten Körper z. B. von Ecer. 
Poselgerianiis AAAe. nicht selten von selbst zu Bruche kommen, wenn sie 
über den Rand der Töpfe hinwegwachsen und der Unterstützung entbehren. 

Von den durch mich aufgestellten Reihen können einige den Werth 
wohlcharakterisirter Untergattungen in Anspruch nehmen. Zunächst ist die 
Reihe Graciks mit E.itiberosus (Pos.) Rumpier eine ganz ausgezeichnete Gruppe, 
die durch die dünnen Glieder und die stets echt terminalen Blüthen sehr 
wohl charakterisirt ist. Die Zweige gehen am Ende unmittelbar in den 
Fruchtknoten über, die Blüthen treten also nicht aus Areolen hervor. Da 
jeder blühende Zweig somit einen vollkommenen Abschlufs erfährt, mufs 
unterhalb der Blüthe eine Verästelung einsetzen, die aus den Areolen einer 
niedrigen Zone in gedrängter Folge stattfindet und einen falschen Wirtel 
erzeugt. Die Pflanze ist schwächlich und kann sich nur durch Anlehnen 
an Gebüsch aufrecht erhalten. 

Gut umgrenzt und durch die geringe Bestachelung, sowie durch ver- 
hältniismäfsig kurzen und kräftigen, aufrechten Körper ausgezeichnet ist 
auch die zweite Reihe Svbinermes. Die MelanocJdori sind durch eine ver- 
längerte Blüthe charakterisirt, welche in der Gattimg seltene Farbentöne, 
nämlich Mohrrübengelb (Ecer. Salm-Dyckianus Scheer) oder Rosakarmin (Ecer, 
ScJieeri S.-D.) aufweist. Nicht minder gut umschrieben sind die Nigricantes^ 
welche sich um den Ecer. Poselgerianus A. Lke. schaaren. Auch die Pen- 
talophi, Leacacanthi imd Pectinati sehe ich fiir natürliche Gruppen an. Bei 
den Decalophi könnte man vielleicht die mit purpurvioletten Blüthen schärfer 
von denen trennen, die durch scharlachrothe Blüthen ausgezeichnet sind. 

* Ecer, hypogaevs (Web.) Rüinpl. ist aus der Gattung auszuscheiden ; er ist ein echter Cereus, 

8* 



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60 K. Schumann: 

Bezüglich der geographischen Verbreitung stellt die Gattung Echino- 
cereus gewissermaisen ein Gegenbild von Echinopsis dar; während diese in 
den südlicheren Gebieten von Süd -America entwickelt ist, liegt die Ver- 
breitung jener in entsprechend nördlicherer Lage in Nord -America. Ihre 
Verbreitung erstreckt sich von den Laramie plains im südlichen Wyoming 
bei 42® n. Br. bis in den Staat Hidalgo auf dem Plateau von Anahuac 
unter 19-20® n. Br., wobei die gröfste Dichtigkeit der Arten bei etwa 32® 
an den Ufern des Rio Grande del Norte, bei el Paso, zu suchen ist. Hier 
concentrirt sich zunächst das Maximum der Pectinati^ von deren 7 Arten 
hier 5 gedeihen. Sie strahlen aus bis zur Nordgrenze der Gattung einer- 
seits, denn Ecer. viridifloras Eng. erreicht den nördlichsten Punkt des Vor- 
kommens, andererseits dringt der J?. Äo^/feri (Eng.) Rümpl. tief nach dem 
Staate Coahuila in Mexico ein. Zwei der Arten, Ecer. c;Aibran/At/^(Eng.)Rümpl. 
und E, dasyacanthusEng., sind ftir die Vereinigten Staaten vorbehalten. Der 
schöne Ecer. pecHnatus (Scheid w.) Eng., dessen Typ in den Staaten Coahuila, 
Chihuahua und Nuevo Leon gedeiht, tritt in seiner Varietät caespUosa (Eng.) 
K. Seh. nach Texas über und bildet in der Indianer- Reservation am Cana- 
dian- und Arkansas -River bei 95®w. L. die Ostgrenze der Gattung und 
der Cereoideae in Nord -America überhaupt. 

Von den 7 Arten der Decalophi ßnden sich 3 wiederum bei el Paso; 
die eine von ihnen, Ecer. stramineus Eng., hat eine sehr ausgesprochene Ex- 
pansionstendenz, denn wenn die Bestimmungen irgend vertrauenswerth sind, 
so geht sie bis Saltillo und Monterey in Mexico. Ecer. conglomeratus Forst, 
und Ecer. Merckeri Hildm. sind auTserhalb der Grenzen Mexicos nicht ge- 
funden worden, jener wächst im Staate Nuevo Leon, dieser im Staate 
Durango und im Süden von Coahuila. Eine sehr auffallende Art ist der 
stark und bunt bestachelte Ecer. Engelmannii Fsttj; sie ist zwischen dem 
Rio Gila und Sonora in jener sterilen Wüste gern ein Begleiter des Cereus 
giganieus Eng., von hier dringt sie in die Halbinsel Californien ein und 
geht andererseits so weit nach Norden , dafe sie mit C. viridißortis Eng. in 
der Polhöhe wetteifert. 

Ecer. phoeniceus (Eng.) Lem. ist gleichfalls ein treuer Begleiter des Cer. 
giganieus Eng. ; er dringt aber nach Norden ebenfalls viel weiter vor und 
findet sich in Delta Co. Col. noch in 2000" ü. M., so daCs er sich in einem 
rauhen Klima als winterhart erweist; in seiner Gesellschaft wird gewöhn- 
lich Ecer. paucispinus (Eng.) Rümpl. angetroflfen , auch Ecer. polyacarUhus Eng., 



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Die Verbreit. der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemaL Gliederung. 61 

derselben Verwandtschaft angehörig, gesellt sich häufig zu beiden. Als 
einzige Mexico eigenthümliche Art dieser Gruppe ist Ecer. acifer (Otto) Lern, 
zu nennen, der in Durango und Coahuila gefunden wurde. 

Der Staat Tamaulipas und das Mündungsgebiet des Rio Grande del 
Norte beherbergen zunächst Ecer. ft/Ä^05t^(Pos.) RümpL, den einzigen Ver- 
treter 'der Gracües, ferner die Nigricardes und wahrscheinlich die beiden 
Arten der Pentalophi; von dem gelbblühenden Ecer. papillosus A. Lke. ist mir 
die Heimath nicht bekannt geworden. Alle folgenden Reihen dagegen sind 
fast ausschlielslich mexicanisch, nur der Ecer. enneacarUhus Eng. aus der 
Reihe Lmcacanthi schwärmt über die Grenzen dieses Staatenbundes hinaus 
und gelangt bis el Paso. Die übrigen Vertreter dieser Reihen sind nur 
Bürger des Plateaus von Anahuac; das Gleiche gilt von der einzigen Art 
der Oleosi, dem Ecer. glydmorphiis Yörst. 

Die kleine Gruppe der Svbinermes zeigt eine zersprengte Verbreitung, 
denn Ecer. subinermis S.-D. wurde von Chihuahua nach Europa geschickt, 
während Ecer. pulchellus (Mart.) K. Seh. aus dem Staate Hidalgo zu uns kam. 
Von Ecer. Knippeliamcs Liebn. wissen wir nicht genau , welches Gebiet seine 
Heimath ist. Nach den Arten aber, die um dieselbe Zeit zu uns gelangten, 
wäre die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daCs er einer zwischen beiden 
Staaten gelegenen Örtlichkeiten entnommen wurde. Aus Chihuahua stam- 
men auch die beiden Arten der Melanochlori. 

Betrachten wir noch einmal kurz die gewonnenen Thatisachen, so er- 
giebt sich, dafs die gröfste Entfaltung der Arten längs des Rio Grande del 
Norte liegt; an ihm sind von el Paso bis zur Mündung nicht weniger als 
i6 Arten gefunden worden. Das südliche Verbreitungsgebiet in Tamaulipas 
zeigt keine erhebliche Expansionstendenz ; die meisten Arten aber der nörd- 
lichen Zone bei el Paso schwärmen mehr oder minder weit aus, so dafs 
mehrere tief nach Chihuahua und Coahuila, zwei sogar bis Nuevo Leon 
vordringen. Auch die nördlichsten und östlichsten Vorkommen hängen mit 
diesem Gebiet zusammen. Nach Sonora gehen 3 Arten, von denen 2 auch 
die Halbinsel Californien erreichen; zu diesen gesellen sich hier noch 4 
andere Arten, E. Brandegeei (Coult.) K. Seh., E. mamillatus (Eng.) K. Seh., 
E. pacißcus (Coult.) K. Seh., E. maritimus (Jones) K. Seh., die ich nur den Be- 
schreibungen nach kenne, so dafs in diesem eigenthümlichen Eakteenlande 
6 zum gi'öfsten Theile endemische Arten vorkonmien. Chihuahua besitzt 
3 oder 4 endemische Arten, Coahuila nur eine, wird aber von dem Rio 



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62 , K. Schumann: 

Grande her mit weiteren 6 Arten versorgt. Nach Süden läuft die Gattung 
dann aus, indem Nuevo Leon 4 Arten mit einer endemischen aufweist und 
in den Staaten Hidalgo und Mexico zusammen 3 endemisclie Arten gefun- 
den worden sind. 

G. Die Gattung Echinocactus. 

Über die Verbindung der Gattung mit Cereus und Echinopsis habe ich oben 
schon das Nöthige gesagt, mir bleiben nur noch einige Bemerkungen übrig, 
die ich ilber den Zusammenhang mit Melocactus zu machen habe. Im Äulseren 
zeigen die Melokakteen während des Jugendzustandes " eine solche Überein- 
stimmung mit den Körpern von Echinocactus y dass Niemand im Stande ist, 
sie von einander zu unterscheiden, es sei denn, daJfe man sich durch eine 
genaue Beobachtung der Keimpflanzen die Tracht jeder Art von Melocactus 
eingeprägt hat. Der besondere Charakter der letzterwähnten Gattung tritt 
eben erst hervor, wenn die Pflanze blühfUhig wird und das Cephalium er- 
zeugt. Das letztere hat eine so eigenthümliche morphologische Ausbildimg, 
dafs gleitende Formen zwischen beiden Gattungen nicht existiren. 

Ein reichlicher Wollbelag der Areolen kommt auch echten Kehino- 
kakteen zu (E. ingens Zucc. u. a.); ein Verkennen der Besonderheiten des 
Cephaliums hat bei früheren Reisenden die Meinung hervorgebracht, dafs 
die Gattung Melocactus einerseits auf dem mexicanischen Hochland, anderer- 
seits im sudlichen Cordillerengebiet vertreten sei. Spätere Beobachter haben 
uns darüber aufgeklärt, dafs man irrthümlicherweise jene mit Wollscheiteln 
versehene Echinokakteen von Mexico fär Vertreter der Gattung gehalten 
hat, und ich habe oben nachgewiesen, dafe mit der höchsten Wahrschein- 
lichkeit hinter dem Pihcereus erythrocephalus K. Seh. der von Poeppig ge- 
sehene argentinische Mehcadus steckt. 

Das bisher geltende System der Kakteen zerlegte die Gattung in eine grö- 
ßere Anzahl zum Theil schlecht umschriebener Reihen. Ich habe diese soweit 
wie möglich von den nicht hinein gehörenden Arten gereinigt und bin endlich 
dahin gelangt, dafs sie föglich als Untergattungen mit bestimmt umschriebe- 
nen geographischen Gebieten betrachtet werden können. Die erste derselben 
Discocactus, besitzt jenen reichlichen Scheitelfilz; in Correlation damit tritt hier 
wie sonst sehr häufig ein vollkommen schuppenloser Fruchtknoten hinzu; 
die BlüthenhüUe ist langtrichterförmig. In dieser Untergattung sind nur 
2 Arten bekannt, von denen die eine noch neuerdings bei Cuyaba, der 



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Die Verbreit, der Cactaceae m VerhäUn. z. ihrer systemai. Gliederung. 63 

Hauptstadt des Staates Matto Grosso in Brasilien , gesammelt wurde (E. alte- 
olens (Lern.) K. Seli.), während die zweite jedenfalls in der Nähe von Rio 
de Janeiro wachsen mufs, da ich einmal unter einem grofsen Trupp des 
Melocadus violaceiis PfeiflF., der am Strande dieses Staates gesammelt wurde, 
ein Exemplar desselben fand. 

Die II. Untergattimg Malacocarpufi , lange Zeit als Gattung betrachtet, 
aber schon von Weber wieder mit Echinocaetvui verbunden, umschlieJfet 
einige sehr wenig von einander verschiedene Arten, welche ebenfalls einen 
wolligen Scheitel besitzen ; die gelben BlOthen aber haben einen wollig be- 
haarten und borstigen Fruchtknoten. Die früher lebhaft betonte, sehr weiche 
Beschaffenheit der Beeren ist bei der grofsen Mannigfaltigkeit der Früchte in 
der Gattung Echinocactus von keiner ausschlaggebenden Bedeutung. Über das 
Vorkommen der Untergattung wissen wir nur, dafs die Arten aus dem Süden 
Brasiliens oder aus Uruguay zuerst von Sei low nach Berlin eingeführt 
wurden. Die Örtlichkeiten sind aber wohl neuerdings nicht wieder be- 
rührt worden, denn unter den allerdings gegenwärtig recht spärlichen Ein- 
führungen aus Brasilien kamen sie niemals mehr vor. 

Sehr nahe verwandt ist die III. Untergattung Cepfudocachis , welche nur 
durch die meist rothe Farbe der Blüthen und durch nicht zerfliefsende Beeren 
gekennzeichnet wird. Sie ist die einzige Untergattung, welche sowohl nord- 
wie südamericanische Arten umschliefst. Zu den ersteren gehört jene Riesen- 
form unter den Kakteen, der Ects. ingens Zucc, welche unter dem Namen Vis- 
naga, d.h. Zahnstocher, oderV. de algodon auf dem Plateau von Anahuac 
in Mexico sehr allgemein verbreitet ist. Alle Echinocacteen mit starken 
Stacheln werden dort Visuagas genannt; dieser führt den specifischen Namen 
algodon (Baumwolle), weil seine Scheitel wolle so massig entwickelt ist, dafs 
man mit ihr Kissen stopft. Er wird bis 4" hoch und hat bisweilen mehr als 
i?3 im Durchmesser. Im Alter wird er durch den Druck der Masse seitlich 
ganz runzelig, hängt dann über und fällt endlich um; trotz der gigantischen 
Masse — es sind Exemplare nach Europa gekommen , die 20 Centner wogen — 
hinterläfst er nach der Verwitterung nur eine ganz geringe Menge orga- 
nischer Substanz. Ihm steht der prachtvolle E. Grusanü Hildm. mit seiner 
starken und eleganten hellgelben Bestacheluug am nächsten , der aber stets 
niedrig bleibt; er wächst wohl auch im Staate Hidalgo, besonders in einer 
Barranca del Infierno. Noch recht kräftige Gestalten sind der Ects. pilostuf 
Gal., der in kälteren Lagen, wie bei Carneros, gedeiht, und E. haematacanlhus 



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64 K. Schumann: 

Monv., der zwischen Puebla und Tehuacan gefunden wurde. In den nörd- 
licheren Staaten wachsen die kleineren Arten E. hkolor Gal. , E. horizonkh 
halomus Lern, und E. heterochromus Web. 

Einen Stellvertreter des E. ingens Zucc. möchte ich den Ects. ceratites 
Otto von den chilenischen Anden nennen , der unter dem Namen E. san- 
dUhn Remy bekannter ist. Er gedeiht noch in so hohen Lagen , dais die 
bisweilen i" im Durchmesser haltenden Kugeln im Winter vollkommen 
verschneit sind ; mehr säulenförmig entwickeln sich die chilenischen E. mar- 
gmatus S.-D. und E. ambiguus Hildm. 

Die IV. Untergattimg Lophopharay ausgezeichnet durch unbestachelten 
Körper, nackten Fruchtknoten und wolligen Scheitel , umfafst nur die neuer- 
dings so vielfach besprochenen E.Wüliamsü Lem. und E. Lewmü (Henn.) 
K. Seh. Sie sind chemische Formen einer und derselben Art, dadurch von 
einander verschieden, dafe jener das medicinisch werth volle Pellotin, dieser 
Anhalonin enthält. Morphologisch sind bei einer gro&en Formenmannig- 
faltigkeit des Körpers beide Formen absolut nicht zu trennen. Neuerdings 
kommt nur die Form Lewinü auf den Markt, die andere ist ganz verschwun- 
den, ein für die Fabrik, welche es unternommen hatte, Pellotin in den 
Handel zu bringen, höchst fataler Umstand. Da natürlich der Lemaire- 
sche Typ s. Z. auf die chemischen Besonderheiten nicht untersucht worden 
ist, so kann nicht einmal mit Sicherheit geschlossen werden, ob nicht 
die gegenwärtig Lewinü genannte Form, die viel häufiger zu sein scheint, 
der eigentliche Tjrp der Art, war. Die Untergattung hat ihre Heimath in 
Hidalgo, Coahuila, nach Frau Nickels auch in Texas. 

Die V. Untergattung Astrophyium weist wie die folgenden keinen WoU- 
schopf mehr auf; die Kanten der Rippen sind sehr scharf, die Flanken der 
letzteren mit kleinen Sternschöppchen weife bepudert; die Blüthen haben einen 
beschuppten und wollig behaarten Fruchtknoten. Die 4 hierhergehörigen Ar- 
ten sind ausschlielslich mexicanisch, 2 davon wachsen in nördlicheren Staaten : 
E.myriostigma (Lem.) S.-D., die bekannte Bischofsmütze in S.Luis Potosi, 
E. capricornus Pos. in Coahuila. Dagegen dürfte wohl E. asterias Zucc, eine 
wenig gekannte Art, aus südlicheren Gegenden stammen, da der Baron von 
Karwinsky, der sie einführte, so viel mir bekannt ist, nicht in die nörd- 
licheren Staaten kam. Der schöne E. omatus P. DC. gedeiht im Staate Hidalgo. 

Die VI. Untergattung Euechinocactas wird hauptsächlich durch ihre kräf- 
tigen, häufig kugelförmigen oder kurzsäulenförmigen Kakteenkörper cha- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhättn. z. ihrer systemat. GUedertmg. 65 

rakterisirt; der Fruchtknoten ist stets beschuppt, aber* nicht wollig. Der 
gröfste Theil der Arten gehört dem Staate Hidalgo oder noch südlicheren 
imd wärmeren Gebieten an, einzig und allein der mächtige E. Pottsü S.-D. 
wurde aus Chihuahua zu uns gebracht. 

Die VII. Untergattung Andsttacanthus ist vor allen Dingen du^rch ge- 
krümmte, oft angelhakige Stacheln ausgezeichnet; sie ist also sehr leicht 
zu erkennen, dabei ist allerdings zu beachten, dafs E, unffuispimis Eng. 
imd E. microspermtis Web. auch gekrümmte Stacheln besitzen ; jener ist aber 
an den in Höcker zerklüfteten Rippen, die dem Körper ein an MamiUaria 
erinnerndes Aussehen gewähren, leicht zu erkennen; dieser ist ein Bürger 
Süd-Americas und gehört zu den mit kleinen, runden Höckern versehenen 
Arten der Untergattimg Notocactus. 

Alle Arten mit Angelhakenstacheln (Reihe Hamati) wachsen in den 
Vereinigten Staaten und schicken von hier aus nur kurze Zweige der Ver- 
breitung bis in die nördlicheren Staaten Mexicos (E. longihamatus 6al. , E. un- 
dnatus Gal., E. setispirms Eng.). Dagegen ist nur ein geringer Theil der Arten 
mit homförmigen Stacheln (Reihe Comigeri) ausschliefslich auf die Ver- 
einigten Staaten beschränkt, von 13 Arten 3. Einige, die hier vorkommen 
(E. Ernoryi Eng. , E. cylindracem Eng. und E. WisUzeni Eng.), gehen durch So- 
nora auf die Halbinsel Califomien, wo sich ihnen 2-3 endemische Formen 
zugesellen. Eine Art, E, texensis Hopff., dringt vom südlichen Texas in 
das benachbarte Mexico bis Tamaulipas und Nuevo Leon vor, während die 
übrigen 4 Arten Central -Mexico, bewohnen. Der bemerkenswertheste ist der 
mit mächtigen , aufserordentlich breiten , quer gerippten Stacheln versehene 
E. comiger P. DC. , von dem ich nach neueren Untersuchungen fast glauben 
möchte , dafs er mit Cactus latispmus Haw. übereinstinunt. 

Die Vin. Untergattung Stenocactus umgreift jene merkwürdigen Formen, 
welche mit einer Ausnahme (E. coptonogonus Lem.) äufserst dünne, oft carton- 
ai-tige, gewellte, meist ungewöhnlich zahlreiche , stets über 30, manchmal 
bis 100 Rippen besitzen. Im Jugendzustand sind die Körper mit Warzen 
bedeckt, so dafs sie von MamiUaria nicht getrennt werden können; auch 
in der Form der Blüthe erinnern sie an jene Grattung; ihr Fruchtknoten 
ist beschuppt und kahl. Ich habe die ungeheure Menge der beschriebenen 
Arten auf 18 reducirt, eine Zahl, die vielleicht noch zu hoch ist. Weber 
ist geneigt, die ganze Fülle mit Ausnahme des E. coptonogonus Lem. in eine 
zusammenzuziehen. Die geographische Area der Untergattung ist beschränkt, 
i%«. Äbh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. IL 9 



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66 K. Schumann: 

keine Art überschreitet die Grenzen Mexicos , die Hauptmasse ist in dem 
Staate Hidalgo zusammengedrängt. Nur E. muUicostaius Hildm. tritt ganz 
versprengt bei Saltillo im Staate Coahuila auf. 

Während in all den bis jetzt behandelten Untergattungen die Rippen 
in vollkommenem Zusammenhange bleiben , tritt in der EK. Untergattung 
Notocactus eine tiefer und tiefer gehende ^rliederung auf, die schliefslich 
fast einen Zerfall in Höcker bedingt. Der Fruchtknoten bei diesen, meist 
sclmialrippigen Gestalten ist stets beschuppt und wollig behaart, häufig 
auch borstig, nur E. mmusculus Weh. hat einen bloüis beschuppten Frucht- 
knoten. Alle Arten sind ausschlieüslich sädamericanisch, imd zwar ist der 
gröbste Theil den östlicheren Gebieten von Süd -Brasilien und Paraguay, 
sowie Uruguay eigenthümlich ; einige wenige, durch ihre winzige Grösse 
auffallende Arten sind chilenisch (E. senilis Phil. , E. occuUus Phil. , E. humihs 
Phil. , E. napinus Phil. , E, mitis Phil.). Aus Paraguay stammt der häufig 
cultivirte, niedergedrückte, kugelförmige, kleine E. pumilus Lern, und der 
mehr säulenförmige E. gracUlimus Lem. , aus deren engerer Verwandtschaft 
wir neulich noch den E. Schäinzki/anus F. Hge.jun. und den noch nicht be- 
schriebenen E.GrahliaTms¥.Jige.j\in. erhalten haben. Eine andere kleine 
Form ist der durch seine prachtvollen , zahllosen , rothen Blüthen auflßlllige 
E. minusculus Web. , welcher aus Tucuman in Argentinien zu uns kam ; auch 
der etwas stärkere , gelbblüthige , mit Angelhakenstacheln versehene E. mi- 
crospemms Web. stammt von dort. Er ist fast die einzige südamericanische 
Kaktee, welche mit dieser Art von Waifen ausgestattet ist, nur der sehr 
ungenügend bekannte Cereus Berürdi l'Herincq besitzt dieselben auch. 

Grölsere kugelförmige Körper weisen zunächst der E. Ottonis Lk. et 
Otto, eine der ältesten südamericanischen Arten, E.HaseJbergüF.Hge.sen. 
und E. concinnus Monv. auf. Jene beiden sind sicher brasilianisch. Wahr- 
scheinlich haben die endlich mehr kurzsäulenförmig wachsenden E. m/urU 
catus Otto, E. submammuhsus Lem., E. mamrnulosus Lem. und E. tahalaris Geis, 
dieselbe Heimath. Von den schlanker säulenförmigen Arten sind der E. scopa 
Lk. und 0. und E. Leninghaitsü{F. Hge. sen.) K. Seh., von dem ich schon früher 
sagte, dafSs er beharrlich bei Püocereus untergebracht wird, in Brasilien 
heimisch, während E. Schumannianus ^\q. aus Paraguay eingeföhrt wurde. 

Auch die X. Untergattung Hybocactas ist ausschliefslich südamerica- 
niscb. Die Rippen sind bei den hierhergehörigen Pflanzen noch weiter in 
Höcker zerlegt, die am Grunde mehr oder weniger kinnförmig vorge- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäÜn. z. ihrer st/stemal Gtiederung. 67 

zogen sind. Meist ist der Fruchtknoten beschuppt, aber völlig kahl, nur 
E. curvispinus CoUa zeigen Wollhaare in den Achseln der Schuppen. 

Auch in dieser Untergattung haben wir zunächst einige mehr östliche 
Arten, obschon innerhalb Brasiliens wohl keine vorkommt. In Paraguay 
aber wachsen der E, Monvillei Lern, y E. denudatus 0. mit zahlreichen For- 
men, E. muUiflorus Hook. (0. OurseUanus Lem.) und E. hyptiacanthus Lem. {E. 
muUiflorus Hook.). Besonders hervorzuheben ist E. gibbosus QlKYf ,) P. DC, 
der gewöhnlich als in Jamäica oder Guatemala oder Mexico heimisch ge- 
nannt wird. In Wirklichkeit findet er sich, wie Weber zuerst bekannt 
gemacht hat, in zahlreichen Formen zwischen dem 43. und 45.Grad s. Br. 
in Patagonien. Wieder andere Arten gedeihen im nördlicheren Argentinien , 
wie E. Schickendantzü Web. und E. Saglionis Geis aus Tucuman. E. cerUe- 
terius Lem. ist wahrscheinlich aus den Argentinischen Anden bei Mendoza 
eingeführt worden, kommt aber nicht, wie ich früher glaubte, in Brasilien 
vor. Die übrigen 18 Arten gehören der Westseite Süd-Americas, grölsten- 
theils wohl Ghile an. 

Die XI. und letzte Untergattung Thelocadus ist wieder ausschliefslich 
nordamericanisch, und zwar zum allergröfsten Theile mexicanisch. Sie ist 
dadurch gekennzeichnet, dafe die Rippen durch Querfurchen ebenfalls mehr 
oder weniger, bisweilen vollkommen in Höcker zerlegt, aber am Grunde 
nicht kinnfönnig vorgezogen sind. Bei der weitgehendsten Gliederung sind 
sie ähnlich den Warzen der Mamillarien in Systemen von Schrägzeilen nach 
den Fibonaccischien Zahlen angereiht. In den Vereinigten Staaten finden 
sich nur Ects. Sileri Eng. , E. intertextus Eng. , E. Krausei Hildm. , E. Johnsonii 
Parry, E. Simpsonü Eng. und der sehr seltene E. papyracanihus Eng. , die von 
dem Staate Utah bis Texas reichen , sämmtlich aber die mexicanische Grenze 
nicht zu überschreiten scheinen. - Während bei den übrigen Untergattungen 
der Staat Hidalgo eine besondere Bevorzugung in der Dichtigkeit der Arten 
nicht verkennen liefs, tritt er bei Thehcactus in dieser Hinsicht etwas zu- 
rück: von den 14 Arten, die Mexico im ganzen zukommen, werden in Hi- 
dalgo nur 5 gefunden (E. hUensis Pos. , E. leucacanthus Zucc. , E. Ehrehbergii 
Pfeiff. , E. horripUus Lem. und E. turbiniformis Pfeiff.). Ebenso viele gedeihen 
im Staate Chihuahua {E. lophothele S.-D., E. Saitssieri Web., E.MacDoweUii 
Reb. , E. unguispinus Eng. {E. TroUietii Reb.] , E. Beguinü Web.). Von diesen 
zeigen die letzterwähnten die nächsten Beziehimgen zu Mamillaria. In den 
mittleren Staaten Nuevo I^eon, S. Luis Potosi und Durango sind 4 Arten 

9* 



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68 K. Schumann: 

bekannt, die aber durch weitere Erforschungen des letztgenannten Gebietes 
wohl vermehrt werden dürften {E. rincanadensis Pos. , E. hexaedrophorus Lern., 
j&. £»mi/A£i' Muehlenpf. und j^. (/t^ra/i^^/)^ Runge). 

Ziehe ich die Summe aus diesen Thatsachen, so ergibt sich, daiä die 
Gattung Echmooactus mit etwa 140 Arten ein allerdings nicht lückenloses, 
in der Mitte unterbrochenes Gebiet zwischen dem 46.-48. Grad n.Br. und 
dem 43.-45. Grad s. Br. bewohnt. Im Norden bildet jetzt nicht mehr wie 
früher die Societät der Arten E. polyandstrus EAg., E.Whipplei Eng. u.s.w., 
welche von Colorado durch Utah bis Nevada vordringen, die Grenze, nach- 
dem Brandegee und Tweed y den ^. Simpson»» Eng. , eine ebenfalls nach 
MamiUaria hinüberschillemde Art, in den Gebirgen des Staates Washington 
unter der oben angeführten Breite gesehen haben. Die sudliche Grenze 
aber wird von Ects. gibbosus (Haw.) P. DC. gebildet. 

H. Die Gattung Leuchtenbergia Hook, et Fisch. 
Die Leuchtenbergia prmcyf>is Fisch, et Hook, ist eine so eigenthümliche 
Pflanze bei der ersten Betrachtung, dafe man selbst Ober ihre Familien- 
zugehörigkeit so lange im Zweifel blieb, bis sie ihre Blüthen hervorbrachte. 
Dann wurde allerdings ihre Zugehörigkeit zu den Kakteen klar. Bei ge- 
nauerer Betrachtung kann aber ein Zweifel darüber nicht obwalten, dafe 
sie in die unmittelbare Verwandtschaft von Echmocaehts gehört ; ihre Blüthe 
stimmt z. B. mit der von E. longihamatus Gal. in allen wesentlichen Charak- 
teren überein. Die Form der schlanken , pyramidenförmigen Warzen, welche, 
wie bei der Untergattung Thelocactus, in Systemen von sinnfälligen Schrig- 
zeilen angereiht sind, ist ebenso wie die strohähnliche Beschaffenheit der 
Stacheln ein so vorzügliches, Merkmal, dafs die Gattung zu den bestfundir- 
ten der Familie gehört. Die Pflanze wurde nach Taylor zuerst bei Real 
del Monte gefunden; ob das Vorkonnnen in diesem Gebiete wirklich be- 
glaubigt ist, wage ich nicht zu entscheiden; sichere Fundorte liegen süd- 
östlich von S. Luis Potosi imd südöstlich von Parras bei Pata Galena; der 
erste wird durch Weber, der zweite durch F. Reichenbach verbürgt. 

J. Die Gattung Melocactus Lk. et 0. 
Die Gattung Melocactus steht nur mit Echinocactus in Verbindung, von 
der sie sich, wie bemerkt, durch die Entwickelung eines echten Cephaliums 
gerade so unterscheidet wie Cephaloceretcs von Cereus, nur ist dasselbe stets 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäUn. z. ihrer systemat GUedertmg. 69 

end-, niemals, es sei denn zufällig bei Verletzung des Pflanzenscheitels, 
seitenständig. Durch die Differenzirung desselben ^teX[t Mehcadus mit Cephah- 
cereus die höchste Entwickelung der Echinocacteae nach einer bestimmten 
Richtung dar. Wir müssen in dem Cephalium eine Schutzvorrichtung fÄr 
die Entwickelung der Früchte zur vollen Reife erkennen, denn diese voll- 
zieht sich innerhalb des Wollfilzes. Ist dieselbe geschehen, dann löst sich 
die Frucht an der Basis von der Areole ab und wird durch den Druck 
der umgebenden Wollmassen herausgequetscht. Man kann diesen Vorgang 
leicht beobachten und bemerkt deutlich , wie die glatte , nach unten prisma- 
tisch zugespitzte Beere den Wollschopf durchdringt. Der Procefe währt oft 
nur kurze Zeit, dann steht die karminrothe bis rosenfarbige Beere senkrecht 
auf dem Schöpfe, kippt hber und fällt herunter, wenn sie nicht zwischen 
den bisweilen wie ein Gehege den Schopf umstehenden, oberen Stacheln 
Jiängen bleibt und dort verwittert; die Samen kommen dann an dieser Stelle 
zum Keimen. Mir ist mehrfach die Mittheilung gemacht worden, dafe von 
solchen Exemplaren, die bei uns im Freien gezüchtet werden, die Vögel, 
namentlich die Sperlinge, begierig die auffallenden Beeren geholt haben; 
zweifellos werden in der Heimath die Samen auf diesem Wege verbreitet. 
In der Litteratur begegnet die Angabe, daCs die Beeren durch den 
Druck bisweilen weit fortgeschleudert würden. Diese Thatsache habe ich 
an imseren Pflanzen, obschon sich dieselben in sehr gutem Zustande be- 
fanden, nicht bestätigen können; sie rollen zwar bisweilen ein Stück weit 
von der Pflanze nach dem Herabgleiten fort, so dafe vielleicht auf diese 
Weise die Erscheinung vorgetäuscht wird, aber ein eigentliches Heraus- 
schnellen habe ich nicht wahrgenommen. Ebenso wenig konnte ich die 
ebenfalls behauptete Wahrnehmung machen, dafs Beeren, die einmal her- 
vorgetreten sind, wieder in den Schopf hineingesogen würden. Nach der 
ganzen Bildung des Schopfes ist auch ein solcher Vorgang ganz undenkbar, 
denn, wenn die Beeren durch eine tangential wirkende Kraft herausge- 
stofsen werden , so kann sie nur eine vertical wirkende Kraft wieder hin- 
eintreiben. Wo soll dieselbe aber herkommen? Wahrscheinlich ist die auch 
von mir beobachtete Thatsache , dafs fast aus jedem Schöpfe eines Melocaetus 
eingetrocknete Beeren herausgelesen werden können, der Grund zur An- 
nahme der Meinung gewesen , daCs sie sich wieder in den Schopf zurück- 
gezogen hätten. Ich habe aber die Beobachtung gemacht, dafs manche 
Beeren aus dem Schöpfe überhaupt nicht heraustreten, trotzdem sie, wie 



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70 K. Schuhann: 

ich mich später nach Herausnahme derselben überzeugte, ihre volle Reife 
erlangt hatten. Die Ursache der dauernden Einschlie&ung liegt darin, dafe 
die Lösung der Beere von der Areole nicht statthatte; ich mulste immer 
einen ziemlich starken Zug ausüben, um sie unten abzulösen. Bleiben diese 
Beeren eingeschlossen, so trocknen sie zu dünnhäutigen, schmalen Schläuchen 
zusammen, welche dauernd im Schöpfe eingeschlossen bleiben und später 
oft für den Händler zu der erwünschten Quelle gut erhaltener Samen werden. 

Diese Gattung ist vielleicht die erste der Kakteen, über deren Hei- 
math wir genauere Berichte erhalten haben. Die merkwürdige Bildung der 
Schöpfe, welche noch heute unter dem Volksnamen Englishman's liead 
oder Bonnet turk auf den westindischen Inseln bekannt sind, veranlalsten 
die Seefahrer frühzeitig, sie als Curiositäten mit in die Heimath zu nehmen. 
Schon die Väter der Botanik, Lobelius, Besler, Clusius U.A., nennen uns 
mit deutlichen Bildern die EchinomelocacH als Erzeugnisse der Neuen Welt.. 
Dieselbe Insel Divae Margaritae, von welcher jener erste Echinomelocactus 
stammte, welchen ein englischer Matrose dem Apotheker Morgan in Lon- 
don verkaufte, finden wir heute noch in dem Gebiete, welches eine ganz 
besondere Formenmannich£a,ltigkeit der Gattung erzeugt hat; denn nament- 
lich die »Inseln unter dem Winde« an der Nordküste des südamericani- 
schen Gontinents gaben Suringar das Material zur Aufstellung von nahezu 
hundert Arten der Gattung, Arten, von denen er allerdings selbst meint, 
dafs sie etwa mit dem Mafsstabe des Rubuskenners gemessen werden 
müssen. Von den Inseln Aruba und Bonaire, sowie von Gura^ao wird 
erzählt, dais diese gern in der Nähe des Strandes wachsenden Kakteen 
den felsigen Küstenrand f&rmlich pflasterten. 

Ich habe in meiner Gesanmitbeschreibung nur 14 Arten der Gattung 
aufgenommen; die Arbeit Suringar's hat ihren Abschlufs noch nicht ge- 
funden, die mit prachtvollen Tafeln ausgestattete Monographie der Gattimg 
Melocactus hat vielmehr eben erst zu erscheinen begonnen. Ohne gute Ab- 
bildungen oder Originalexemplare kann ich über solche anerkannte »Klein- 
arten« ein Urtheil nicht gewinnen. 

Die geographische Verbreitung der Gattung Melocojdus liegt in zwei 
von einander weit gesonderten Districten: der eine umfafst die Inseln und 
den Küstensaum des mexicanischen Golfes, der zweite befindet sich am 
Ostrand von Brasilien. Eine gro&e Zahl der westindischen Inseln werden 
uns als Heimath dieser Kakteen genannt. In Sonderheit sind sie von St. Tho- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhäläu z. ilirer systemoL GUedertmg. 71 

mas zu wiederholten Malen eingeführt worden. Ich habe von verschiedenen 
Seiten die Nachricht erhalten, dafs Schiffsoffiziere diese auffälligen Gebilde 
nach Hamburg gebracht haben ; sie wurden dann gelegentlich dort im Bo- 
tanischen Garten gepflegt. Auch in Berlin waren vor mehreren Jahren 
einige schöne Exemplare in Cultur, die überraschend lange gediehen; meist 
dauert die Erhaltung nur eine kurze Frist, dann werden sie, die nur sehr 
selten aus dem Rande der gro&en basalen Wundfläche Wurzeln machen, 
durch innere Fäulnifs hingerafft. Gegenwärtig werden bei uns wieder 3 
Exemplare seit mehr als 2 Jahren mit gutem Erfolge gezogen, die einer 
ebenfalls aus St. Thomas gekommenen Einführung entnommen sind. 

Von Jamaica wurde der vor mehr als 50 Jahren in Berlin cultivirte 
E. meonacarUhus Lk. eingeführt, von Cuba kamen Formen des M. communis 
Lk. et 0., die besondere Namen erhielten, wie M. rubens Pfeiff., M. havan- 
nensis (Pfeiff.) Miq. , von S. Domingo wurde M. macracanthtts S.-D. zu uns 
gebracht; auch Puerto Rico beherbergt eine Art, die Suringar zu einer 
besonderen Art erhob und M. portoricensis nannte. Ich habe einen erheb- 
lichen Theil dieser Arten von M. communis (L.) Lk. et 0. nicht fiir ver- 
schieden gehalten. Weber hat nicht blofs denselben Standpunkt vertreten, 
sondern ist noch über meine Ansicht hinausgegangen. 

Von der Küste des Staates Honduras hat Rüst in Hannover einen 
Melocactus erhalten , den ich als eine besondere Art angesehen habe (M. Rüstü 
K. Seh.). Auch Mexico wird in den Büchern über Kakteenkunde als Vater- 
land der Gattung genannt. Dieser Angabe gegenüber habe ich immer eine 
gewisse Zurückhaltung gezeigt; man hat nämlich früher geglaubt, dafs die 
mit grofsen Wollkappen versehenen Echinocactys- Arten ^ wie z. B. E. ingens 
Zucc. in diese Gattung gehörten, und ich meinte, dafs dieser Irrthum die 
Veranlassung gewesen wäre, das Vaterland der Melokakteen bis nach Mexico 
zu verlegen. Neuerdings hat mir zwar Luis Murillo die Richtigkeit der 
Angabe auf das Bestimmteste verbürgt; er hat mir geschrieben, dafs in 
der That eine Art , die er M. Salvador nannte , in der Umgebung von Vera 
Cruz vorkommt; ich bin aber, durch gewisse andere Erfahrungen gewarnt, 
nicht durchaus von der Zuverlässigkeit dieser Angabe überzeugt. 

Von dem südlichen Gestade des Mexicanischen Golfs wurden schon durch 
Otto Arten der Gattung bei La Guaira genannt; die Einfahrung des Mel. caesius 
Wendl. nach Herrenhausen ist eine Bestätigung dieser Angabe. Eine ähnliche, 
vielleicht dieselbe Art erhielt ich jüngst aus Puerto Cabello in schönen Exem- 



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72 E. Schumann: 

plaren. Otto sah die Arten auch, entgegen der sonst allgemeinen Vorliebe 
för die Nähe des Meeres, auf der Silla de Caracas in die Höhe steigen, und 
mit dieser Wahrnehmung würde auch die Mittheilung stimmen, dafe der in 
der Grattung durch die Gröfee der Blüthen auffällige M. obtusypetahts Lern. 
in dem Innern von (Kolumbien gedeihen soll. 

Das brasilianische Gebiet erstreckt sich von der Gegend um Pemam- 
buco und Bahia bis Rio de Janeiro. Nur verhältnüsmSisig kleinere Arten 
kommen hier vor ; in der ersterwähnten örtlichkeit wächst der M. depressus 
Hook., zu dem Weber auch den M. goniacanthus Lern, zieht. In den Restin- 
gas bei Rio de Janeiro gedeiht auf dem sterilen Sandstrande der wenig mehr 
als lo"^ im Durchmesser haltende M. violaceus Pfeiff. 

Aus diesen Angaben geht hervor, dafs die nach meiner Auffassung an 
Arten nicht sehr reiche, aber mit einer grofsen Variabilität in der einen 
Species begabten Gattung ein Gebiet besiedelt hat, welches in seinen äußer- 
sten Grenzen von den beiden Wendekreisen eingeschlossen wird: Havana 
berührt beinahe den Wendekreis des Krebses, während Rio de Janeiro unfern 
des Wendekreises des Steinbocks gelegen ist. 

K. Die Gattungen Phyllocactus und Epiphyllum. 
Beide Gattungen sind durch laubartige Flachsprosse ausgezeichnet. Sie 
unterscheiden sich dadurch von einander, dafs die Blüthen der letzterwähnten 
Gattung in aufiallendem Mafse zygomorph, bei der ersten aber aktinomorph 
sind. Aufserdem stehen die Staubgefäfse in der Gattung Epiphyllum in 2 
scharf gesonderten Gruppen: ein innerer Kreis ist unmittelbar auf dem 
Blüthenboden befestigt, seine Fäden sind am Grunde kurzröhrenförmig 
verbunden, und von der Röhre hängt eine Saftdecke in der Gestalt eines 
gezähnelten Ringes nach innen herab. Indem ich die Gattung Epiphyllum 
durch diese Merkmale emendirte , mufste ich die zwei Arten E. Gärtnen 
(Reg.) K. Seh. und E. Russellianum Gardn. in die Gattung Phyllocactus über- 
fiihren, trotzdem sie sich beide in Bezug auf ihre vegetativen Merkmale 
Epiphyllum nähern. Über die sehr verwickelte Nomenclatur der Gattung 
Epiphyllum habe ich mich schon früher ausföhrlich ausgesprochen. Wenn 
man streng die Regeln der Priorität befolgt, dann mußs die Gattung Phyllo- 
cactus Lk. den Namen Epiphyllum Haw. erhalten, und für Epiphyllum Pfeiff. 
mufs der Name Zygocactus K. Seh. eingesetzt werden. Ich habe mich aber 
hinlänglich überzeugt, dafs durch diese Abänderung eine heillose Verwir- 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhäitn. z. ihrer systemat. Gliederung. 73 

mag bei allen denen angerichtet würde, welche Kakteen kennen, und habe 
aus diesem Grunde den alten Gebrauch wiederhergestellt. 

Ich bin einmal wegen dieser Überführung und wegen der Aufgabe 
der Tribus Phyllocacteae heftig angegriffen worden \ habe aber, weil die vor- 
gebrachten Momente botanisch einer Widerlegung nicht bedürfen , keine Ver- 
anlassung, auf diese Laienkundgebungen nSlier einzugehen. Dass die Phyllo- 
kakteen sich eng an Cerevs und somit an meine Echmooacteae anschliefsen, 
geht schon daraus hervor, dafs z.B. 60 e bei Ar eine Verbindung von 
Phyllocaclus und Cereus in eine Gattung eingetreten ist. 

Die Gliederung der Gattung PhyUocactus habe ich eingehend aus ein- 
ander gesetzt, ich habe also nicht nöthig, auf sie hier näher zurückzu- 
. kommen. EpiphyUum umfafst gegenwärtig nur eine Art, vielleicht sind die 
sonst noch erwähnten Arten Bastarde (namentlich E. Rückeri Paxt.), viel- 
leicht haben wir es mit eigenen Arten zu thun. 

Was die Verbreitung der beiden Gattungen anbetrifft, so will ich .^pz- 
phyUwn vorweg nehmen ; die einzige Art E. trunoatvm Pfeiff. wächst in den 
gebirgigen Gegenden um Rio de Janeiro; ich erhielt sie von Glaziou und 
Peckolt von dort, Ule sammelte sie in der Sierra dos Orgäos, wo sie in 
den niederen Lagen eine häufige epiphytische Pflanze zu sein scheint. Ganz 
ähnlich im Vorkommen verhalten sich die Arten von PhyUooactuSy welche 
früher bei der Gattung EpiphyUum untergebracht waren und jetzt meine 
Section Pseudepiphyllum ausmachen. Sie sind wie alle übrigen Arten der 
Gattung Epiphyten ; Ph. Russeüianus (Hook.) S.-D. ist in den höheren Lagen 
der Sierra dos Orgäos verbreitet; Ph. Gärtneri (Reg.) K. Seh., der in wunder- 
licher Verkennung von Regel ftir eine Varietät von jenem betrachtet wurde, 
ist im Staate Sa. Catharina zu Hause. 

Aus Brasilien sind mir nur noch 2 Arten der Gattung PhyUocactus be- 
kannt, welche in die Section EuphyUocactus K. Seh. gehören, nämlich Ph. oüUr 
minatus K. Seh. , den ich durch Glaziou aus der Umgebung von Rio de 
Janeiro erhielt, und Ph. Phyllanthus (L.) hk. , eine durch ihre lange, oft ge- 
wundene Blüthe mit kleiner gelblicher Krone ausgezeichnete Art, welche 
ich von Sellow, wahrscheinlich in Süd -Brasilien, gesammelt sah. Diese 
Kaktee zählt zu den wenigen, die sich einer weiteren Verbreitung erfreuen, 
denn sie wächst in einigen Varietäten in Paraguay, in Bolivien und Colum- 

^ Rüst und Capelle in Monatsschr. f. Kakteenk. Vll, 99; Heese und Genossen, Die 
Kakteenneubenennungen. 

i%«. Mh. nicht zur AJcad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 10 



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74 K. Schumann: 

bien, ja, sie wird sogar von den Antillen genannt, eine Angabe, die bei dem 
so völlig ungenügenden Wissen der Botaniker über Kakteen so lange mit 
zweifelhaften Augen angesehen werden mufs, bis Belagexemplare zu uns 
kommen. Aufeer diesen wird Ph, Hookeri(Lk,) S.-D. gewohnheitsgemäfs als 
Bürger Brasiliens und Guianas betrachtet; bis zu welchem Malse die erstere 
Angabe zutreffend ist, wird schwer auszumachen sein , dort gesammelte Stücke 
sah ich nicht. Auf den Westindischen Inseln werden Vertreter der Grattung 
gefunden, wie sterile Zweige, die im Herbar Krug und Urban des Kö- 
niglichen Botanischen Museums aufbewahrt werden, beweisen; bei der weiten 
Verbreitung dieser Pflanzen als schönblühende Culturge wachse ist es aber 
immer mÜslich, auf ein wirkliches Indigenat aus diesen Bruchstücken zu 
schliefisen. Lemaire sagte aber direct, dafe der von ihm zuerst beschrie- 
bene Ph. stridus aus Cuba importirt worden wäre ; vielleicht stammt auch 
der außerordentlich breitgliedrige Ph. Thomasianus K. Seh. mit seinen riesig 
großen, rothen Blüthen, die durch gelbe Staubftden gekennzeichnet sind, 
von derselben Insel. 

Ein vollkommen gesichertes Wohngebiet für die Gattung Phyllocactus ist 
Honduras : hier gedeihen sieher Ph. crenatus (Lindl.) Lem. und Ph. btforrnis 
(Lindl.) Lab. , der erstere zu JSt/pAy//ocöcfMÄ K. Seh., der letztere als einziger 
Vertreter zur Untergattung Di^iisooadtAs K. Seh. gehörig. Auch Ph. grandis Lem. 
wird von dieser LocalitSt genannt; wenn Brongniart von ihm glaubte, dafs 
er auch in Guiana, Lemaire, dafs er auch in Cuba gediehe, so sehe ich in 
diesen Mittheilungen nur ein Zeichen von den ungewissen Nachrichten über 
die Heimath dieser Gewächse; einen zweifellos zu dieser Art gehörenden 
Zweig mit Blüthe erhielt ich neuerdings von Puerto Cabello. Weber giebt 
als Vaterland Orizaba in Mexico an. 

Nun bleibt noch das mexicanische Gebiet übrig, welches die meisten 
Arten gewährt hat; diese gehören entweder in die Untergattung Euphyüa- 
cactus mit langröhriger oder in die Untergattung Ackermannia K. Seh. mit 
kurzröhriger Blüthenhülle. In jene sind zu stellen: der auflGstUende Ph. an- 
guliger Lem. mit seinen schrotsägezähnigen , dicken Gliedern , der am Vulcan 
von Golima im Staate Jalisco und bei Matanego ganz im Süden von Mexico 
gesammelt wurde, sowie Aev Ph. stenopetalus S.-D., der wahrscheinlich mit 
Ph. latifronsZxxcc. übereinstinmit und vom Baron von Karwinski zwischen 
Vera Cruz und Cordoba aufgenommen wurde. Ph.Ackermannü (Otto) S.-D. y 
sowie Ph. phyllanthoides (P. DC.) Lk. setzen die zweite Section zusammen , die 



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Die Verbreä. der Cactaceae m Verhältn. z. ihrer systemaL QUedertmg. 75 

beide bis jetzt nur in Wäldern des Staates Orizaba in wildem Zustande 
gesehen wurden.^ Sie waren firüher sehr häufig in Cultur, jetzt haben aber 
den ersteren die feurigblühenden Bastarde von ihm und Cereus speciosus (Cav.) 
R. Seh., welche bei ähnlicher Bildung der Blüthen sogleich an dem bestachel- 
ten Fruchtknoten erkannt werden, verdrängt; der zweite ist wenigstens in 
Deutschland wegen seiner weniger ansehnlichen Blüthen mehr in den Hinter- 
grund gedrängt; in Frankreich sah ich ihn öfter in hübschen Exemplaren. 
Sämmtliche Arten der beiden Gattungen Pht/llocactus und EpipkyUum sind 
Epiphyten; wenn auch die eine oder die andere Art gelegentlich auf Felsen 
wächst, so überschreitet sie doch niemals die Formation der Urwälder, wel- 
che als erste Bedingung fär das Gedeihen der Gewächse erachtet werden 
mufs. Durch sie ist das Gebiet in der Ausdehnung nach Norden beschränkt, 
denn sobald dieselben auf den Hochflächen von Mexico verschwinden, ist 
auch ihnen ein Ziel gesetzt. Das Vorkommen der Gattung Phylhcactus wird 
also bei etwa 20® n. Br. begrenzt sein. Von hier aus erstreckt sich die Ver- 
breitung, wenn auch durch die klimatischen und allgemeinen Verbreitungs- 
bedingungen vielerorts durchbrochen, über Mittel -America und Cuba, durch 
Guiana und Cblumbien bis Bolivien und auf der anderen Seite durch Bra- 
silien bis in den Staat Sa. Catharina zwischen dem 26. und 27. Grad s. Br. 

L. Die Gattungen Pfeiffera S.-D., Hariota P. DC. und 

Rhipsalis Gaertn. 
Als epiphy tische Gewächse schliefsen sich diese Gattungen in ihren 
biologischen Verhältnissen am engsten an die beiden vorigen an ; aber auch 
verwandtschaftlich dürften sie mit ihnen in einer näheren Verbindung stehen. 
Diese Ansicht gilt allerdings in minderem Mafse von Pfeiffera^ welche zwei- 
felsohne ein Verbindungsglied nach Cereus hin darstellt, wie denn die ein- 
zige Art der Gattung Pf. ianthothele (Monv.) Web. zuerst als zur Gattung Ce- 
reus gehörig beschrieben wurde. Ihre kantigen Zweige, welche mit Stacheln 
besetzt sind, machen auch durchaus den Eindruck, als ob man einen Ce- 
reus aus der Reihe der kletternden Formen vor sich hätte; erst die kleine 
Blüthe verweist sie in den näheren Verband mit Rhipsalis. Lange Zeit war 



* Humboldt gab an, dafs ev Ph. phyüanthoides {Jij.)lj\L. beiTurbaco nahe der Stadt Car- 
thagena in Columbien gesehen habe. Ich habe in der Gesammtbeschreibung diesen Fundort 
registrirt, mufs aber, da keine Exemplare vorliegen, dahingestellt sein lassen, ob die Bestim- 
mung richtig war. 

10* 



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76 K. Schumann: 

man im Unklaren darüber, wo das Vaterland der Pflanze zu suchen wäre; 
ich habe schon früher* meine Zweifel darüber ausgesprochen, dafe sie, wie 
allgemein geglaubt wurde, in Mexico heimisch sei, und nach Süd- America 
hingewiesen; aber erst ganz neulidi hat Weber mitgetheilt, daCs sie in den 
Staaten Salta, Tucuman und Catamarca Argentiniens gedeiht. 

Die Gattung Rhipsalis Gaertn. ist, so ähnlich sich auch der Blüthen- 
bau in allen Arten erweist, in den Körperformen äufserst variabel. Ich 
habe dieselben einer Gliederung in Untergattungen zu Grunde gelegt, welche 
schon früher* veröffentlicht wurde. Als der Typ wurde früher allgemein 
jene Art betrachtet, die in bindfadendicken Strängen oft mächtige Aggre- 
gate bildet, die Rh. casst/tha Gaertn. Ich erkenne in ihr eine abgeleitete 
Form, da mir die Arten mit kantigen, dann mit blattartigen Gliedern die 
primären zu sein scheinen. Während der bei weitem grö&te Theil der 
Arten aller Untergattungen von Süd-Brasilien bis an die nördlichen argen- 
tinischen Cordilleren entwickelt ist, hat die Rh, cassyiha ihr Gebiet weit über 
diese Grenzen ausgedehnt. Sie ist nicht blofs über das ganze atlantische 
Küstengebiet von Brasilien , West-Indien und das südliche Mexico verbreitet, 
sondern findet sich auch in West- und Central -Africa und auf den Masca- 
renen, ja tritt auf der Insel Ceylon durchaus als indigene Pflanze auf. 
Die neuere Zeit hat uns auch noch mit anderen Arten aus Africa bekannt 
gemacht, die, wenn sie auch alle zu Eurhipsalis gehören , nicht in Brasilien 
vorkommen, so dafe die frühere Meinung, die Kakteen seien eine ausschliefs- 
lich americanische Familie, bei weitem nicht mehr zu Recht besteht. 

Aufser der weit umherschwärmenden Rh. casst/tha Gaertn. kommen 
auiserhalb Brasiliens in America keine Arten von Eurhipsolis vor, während 
dort noch 12 weitere bekannt sind. Dagegen gibt es auf den westindi- 
schen Inseln, sowie in Central -America noch mindestens 2, nach Weber 
aber noch mehr Arten von Rhipsalis mit blattförmigen Zweigen ; ich kenne 
nur Rh. data (Sw.) K. Seh. und Rh. ramuhsa Pfeiff. Die Meinung inde£s, 
dafe auch Rh. pachyptera Pfeiff. von den Antillen stamme, ist irrthümlich ; 
sie wie 7 andere Arten der Untergattung Phyllorhipsalis sind Bürger des 
südlicheren Brasiliens. An Eurhipsalis lehnt sich die Untergattung Ophuh 
rhipsalis mit 2 Arten, die in Argentinien und Uruguay zu Hause sind ; sie 
bildet ein Verbindungsglied mit den mehrkantigen Cereen, an welche die 

^ K. Schumann in »NatQrl. Pflanzenfamilien* III (6*). 196. 
' K. Schumann a. a. O. 197. 



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Die VerbreU. der Caciaceae im Verhaitn. z. ihrefi' systemcU. Gliederung. 77 

Untergattung Goniorhipsalis noch näher herantritt. Zwei Arten derselben 
sind brasilianisch, eine (Rh. micrantha [H. B. K.] P. DC.)^ wurde aus Ecuador 
beschrieben. Die Untergattung Acanthorhipsalis unterscheidet sich von Phyl- 
lorhipsalis habituell nur dadurch, dafs sie mit wirklichen, stechenden Wehr- 
stacheln versehen ist, die bei Kakteen mit blattartigen Gliedern sonst nie- 
mals vorkommen. Rh, monacaniha Gris. wächst im Staate Oran des Argen- 
tinischen Staatenbundes. 

Alle bisher besprochenen Untergattungen sind durch »exserten« Frucht- 
knoten ausgezeichnet, ein Charakter, den ich systematisch för bedeutungs- 
voll ansehe, der aber die Tracht der Pflanzen nicht bestimmen kann. In 
den folgenden Gruppen mit eingeschlossenem Fruchtknoten wiederholen sich 
nun alle die schon erwähnten Gestalten. Der Untergattung Eurhipsalis ent- 
spricht Calamorhipsdlis , welche Formen mit fadenförmigen, allerdings stets 
etwas stärkeren Gliedern umfaist. Sie sind sämmtlich brasilianisch , nur Rh. 
tucumanensis Weh. stammt, wie dersName sagt, aus dem nordwestlichen Ar- 
gentinien. In der Untergattung Lepismium begegnen uns Gestalten mit kan- 
tigen und blattartigen Zweigen; sie sind sämmtlich aus dem Süden Bra- 
siliens zu uns gebracht worden. Eine sehr eigenartige Bildung weist Rh. 
dissimilis {ß. k.lAiiAh.) K. Seh. auf, indem sie zuerst bis kleinfingerdicke, auf- 
rechte Glieder erzeugt, die, mehrkantig und reichlich mit Borsten versehen, 
vollkommen einem schwächeren Cereus gleichen ; später entwickeln sie nact 
einem Ubergangsstadium von bleistiftstarken, stielrunden Zweigen dreikan- 
tige Glieder, an denea die Blüthen erscheinen. Diese Glieder sind zum Ver- 
wechseln denen der ÄÄ. trigona Pfeiflf. ähnlich; ich bin noch keineswegs sicher, 
ob nicht manche der unter diesem Namen cultivirten Pflanzen jene blöhbaren 
Triebe von Rh. dissirnilis sind. »Cereiforme« Glieder finden sich bei allen 
RhipsaliS' Arten im Keimzustande und weisen auf die nahe Verwandtschaft 
mit Cereus ebenso hin wie die Jugendzustände der Phyllokakteen , die 
gleichfalls einer Keimpflanze von Cereus zum Verwechseln ähnlich sehen. 

Die Untergattung Epallagogonium enthält nur eine Art Rh. paradoxa 
(Pfeifil) S.-D., welche, wie schon der Name andeutet, ganz aus dem Rah- 



^ Seit mehr als 50 Jahren wird in den botanischen Gärten eine mehrkantige Rhipsalis 
unter diesem Namen cultivirt. Vor Kurzem hat Weber das Original des Cacius micranthus 
H. B. K. in Paris verglichen und gefunden , dafs dieser dreikantige Glieder hat und deshalb 
mit unserer Rh. micrantha nicht übereinstimmt. Die letztere hat er deswegen Rh. sulcata ge- 
nannt. Ihre Heimath ist uns nicht bekannt. 



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78 K. Schumann: 

men der Gattung heraustritt. Kurze, dreikantige Glieder sind so angereiht, 
da& die Kanten des vorhergehenden über die Rippen des folgenden fallen. 
Auf diese Weise werden Stränge gebildet, welche in gabel- oder wirbel- 
f&rmigen Verbindungen zusammentreten. Die Art wächst im Staate S. Paulo 
von Brasilien. 

Die Gattung Hariota stellt mit ihren flaschenförmigen Gliedern ein 
Extrem in der Entwickelung von Rhipsalis dar, mit der sie zur Noth ver- 
einigt werden könnte. Die beiden hierhergehörigen Arten sind dem Haupt- 
entwickelungsgebiet von KhipsaÜs, dem südlichen Brasilien, eigen. 

Erst vor wenigen Tagen wurde ich durch die Güte des Hm. Ule mit 
einer Kaktee bekannt, welche durch ihre schwachen cylindrischen Glieder 
entschieden an die Grattung Rhipsalis erinnert; sie starrt aber von gelben, 
glasartigen Stacheln. Leider ist die ziemlich ansehnliche Blüthe bereits 
verblüht, so daßs ich vorläufig die Pflanze nicht recht zu beurtheilen ver- 
mag. Sie stammt von der an eigenartigen Pflanzen so reichen Sierra de 
Itatiaya im Staate Rio de Janeiro und wächst dort auf den hohen Fels- 
kegeln, welche das Gebirgsplateau krönen, auf Steinen. 

Nach diesen Daten liegt also das Gebiet der 3 Gattungen in America 
wiedenmi etwa zwischen den Wendekreisen, während es aber im Norden 
den des Krebses kaum erreicht, geht es im Süden ein wenig über den 
des Steinbocks hinaus. In Afirica verhält sich die Verbreitung etwas anders : 
indem sie hier kaum den Aequator im Norden überschreitet , findet sie sich 
noch unter dem 30. Grad s. Br. im Pondolande , von wo ich eine zur Be- 
stimmung nicht ganz genügende, aber zweifellos zu Rhipsalis gehörige Pflanze, 
von Beyrich gesammelt, sah. Da die tropischen Urwälder an der Ost- 
küste von Süd-Africa weit nach Süden vordringen, so hat diese Thatsache 
nichts zu sehr Befremdliches. In ostwestlicher Richtung wird die Verbrei- 
tung von keiner spontan vorkommenden Kakteengattung erreicht, da sie 
sich von 100® w. Gr. bis So^östl. Gr. erstreckt. 

M. Die Gattungen Mamillaria Haw., Pelecyphora Ehrenb. und 

Ariocarpus Scheidw. 
Die Gattung Mamillaria^ bisher in 2 Untergattungen, Eumamiüaria und 
Coryphantha, getheilt, habe ich in eine gröfsere Anzahl zu zerlegen ver- 
sucht, die sich im gro&en und ganzen bereits vorhandenen Gruppen an- 
schliefsen; nur Dolichotfiele, welche der früheren Reihe Lcmgimnmmae entspricht. 



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Die Verbreit, der Cactaceaeim VerhäÜn. z. ihrer systemat. Gliederung. 79 

habe ich neu hinzugefugt fiir eine offenbar äufserlich recht eigenthümliche 
Reihe von Formen. Die Untergattung Cochemiea wurde erst neuerdings von 
Mrs. Kath. Brandegee auf eine in der That sehr merkwürdige Gruppe 
von Arten gegründet, die fast ausschlieiSslich die Halbinsel Californien be- 
wohnt. Ob nicht vielleicht die von Weber wieder ans Licht gezogene 
Gattung Mamillopsis Morren (nur unsere Mam. senilis Lodd. umfassend) mit 
der letzten Untergattung zusammenföUt, kann ich nicht entscheiden, weil 
ich Morren 's Diagnose nicht aufzufinden vermochte. Von mir rührt auch 
die Sonderung der Untergattung Eumamillaria in 2 Sectionen: Hydrochylus 
und Galactochyhts y her, wobei allerdings die letzte Gruppe, wenn auch refor- 
mitt, die alte Reihe Lactescentes Zucc. umfafst. 

So scharf auch die Gattung Mamillaria (nebst Pekcyphora und Arto- 
earpus) im gröfsten Theile der Arten von allen übrigen Gattungen der Kak- 
teen durch die Duplicität des achselständigen Neubildimgsherdes geschieden 
ist, stellt doch die Untergattung Coryphantha eine vollkommene Verbindung 
mit Echinocactus dar. So ist z. B. Mam. Scheeri Muehlenpf. eine der gleiten- 
den Arten, wie schon aus der Thatsache klar hervorgeht, dafs sich die- 
selbe in der neueren Zeit nur unter dem Namen Eds. Poselgerianus Dietr. 
in deil Sammlungen befand. Man kann sich auch in der That keine bessere 
Verbindung zwischen zwei Gattungen vorstellen, als sie gewisse Coryphan- 
then darbieten. Die Blüthen sind nicht mehr tiefseitenstandig am Körper, 
sondern wie bei den meisten Echinokakteen an den Scheitel gerückt; sie 
sind erheblich gröfser als bei Mamillaria gewöhnlich und erscheinen auch 
nicht mehr direct aus der Axilla , sondern sitzen von ihr mehr oder weniger 
entfernt in einer Furche , welche von der Areola ausgeht. Trotz dieser Ver- 
hältnisse beförworte ich doch keineswegs eine Vereinigung mit Echinocactus; 
auch dem Beispiele Lemaire's möchte ich nicht folgen und aus der Unter- 
gattung Coryphantha eine eigene Gattung machen , denn nach unseren jetzigen 
Kenntnissen müfste dann auch die Untergattung Thelocactus von Echinocactus 
abgesondert und mit CorypharUha vereinigt werden. 

Wie schwankend die Begrenzimgen zwischen den beiden Gattungen 
sind, erfährt man auch daraus, dafs Echinocactus horripilus Lem., E.Be- 
guinii Web. und auch E. MacDowellii schon sehr in der Tracht an Mamil- 
larien erinnern. Zudem haben die beiden ersten auch den nackten Frucht- 
knoten der Gattung und sind überdiefs schon geradezu als Mamillarien be- 
nannt oder beschrieben worden. In unseren Tagen hat femer Marcus E. 



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80 ^ K. Schumann: 

Jones den Ects. Simpsonü Eng. direct nach MamiUaria herübergenommen. 
Um nmi nicht eine zu weitgehende Veränderung in der Nomenclatur her- 
vorzurufen , die sich vielleicht durch neuere Funde in kurzem als einer Zu- 
rückrevision bedürftig erweist, habe ich mich soweit wie möglich an die 
jetzt vorliegenden Verhältnisse angeschlossen. 

Was die Verbreitung der etwa loo genauer gekannte Arten umfassenden 
Gattung MamiUaria anbelangt, so ist sie fast ausschliefslich nordamericanisch ; 
sichere Kunde haben wir nur von 3-4 Arten, welche auf den westindischen 
Inseln gedeihen. Von ihnen kommt eine im unteren Flufsgebiet des Rio 
Grande del Norte {M.pusilla [MilL] P. DC.) vor, eine ist nur aus Plumier's 
Abbildungen bekannt. Die von dem Südgestade des mexicanischen Golfes 
aus der Gegend von Caracas früher eingeführte M. caracasana S.-D. habe ich 
nicht kennen gelernt; sie soll aber der von St. Thomas und den benach- 
barten Inseln stammenden M. nivosa Lk. nahestehen. 

Die Untergattung Coryphantha Eng. ist von allen Gruppen diejenige, wel- 
che am weitesten nach Norden vordringt. Diese Thatsache ist deswegen 
bemerkenswerth , weil in Coryphantha die Verbindung zwischen MamiUaria und 
Echinocaetus vorliegt, so dals also der älteste Zweig der Gattung die be- 
trächtlichste Polhöhe erreicht hat. Nach Macoun's Verzeichnifs der cana- 
dischen Pflanzen überschreitet Mam. vivipara Haw. die Grenzen der Vereinig- 
ten Staaten und tritt in den Prairien der südwestlichen Theile des Domi- 
nion ofCanadaauf. Notestein beobachtete eine zweite Art, die M.mis- 
souriensis Sw. im Staate Montana, sie geht mit jener südlich über Nebraska 
und Süd -Dakota bis Oklahoma im Indianer -Territorium, wo sie zugleich ftir 
Nord -America die Ostgrenze der Mamillarien in denselben Gegenden erreicht, 
die wir auch als die Ostgrenze der Cereoideae kennen gelernt haben. Bis 
zu diesen Örtlichkeiten dringen noch zwei andere Arten vor, nämlich M. 
WissmannüHiXdLm. (M.simüis Eng. var. rohustior Eng.), eine durch die langen 
Warzen auffällige Art und die sehr weit verbreitete M, radians Eng. Mit 
diesen vier Arten sind die nördlicheren der Untergattung Coryphantha er- 
schöpft; die übrigen Arten der Vereinigten Staaten zeigen entschieden ein 
südlicheres Verbreitungsgebiet, welches sich von den Staaten Texas und 
Neu -Mexico nach den Mexicanischen Freistaaten hinein erstreckt; diese Ver- 
breitung haben : M. strobiliformis Scheer, M.dasyacantha Eng., M.macromeris 
Eng., die durch die grofsen, fingerförmigen Warzen gekennzeichnete M. 
Scheeri Muehlenpf. und die ihr sehr nahestehende M. robustispina Eng. (die 



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Die Verbreä. der Cactaceae im VerbäJin. z. ihrer systemat. Gliederung. 81 

neuerdings wieder als M. Gokiana Ferd. Hge. jun. eingefiihrt wurde), die 
sehr eigenthümliche , durch anliegende Stacheln ausgezeichnete M. recur- 
vata Eng. (gegenwärtig unter dem Namen M. nogalensis Runge bekannt). 
Einige wenige sind ausschliefslich mexicanisch, z. B. M.durangensis Rge., M. 
radians P. DC. 

Alle diese Arten zählen zu meiner I. Reihe AuJacothelae; die II. Reihe 
der Untergattung Coryphantha, die GlaruMiferae S.-D., welche durch die Ent- 
wickelung von extranuptialen Nectarien in den Axillen und vor den Areolen 
in der Furche eine höhere Entwickelungsstufe darstellen , sind ausschliefs- 
lich mexicanisch. Von ihnen gedeihen M. Ottonis Pfeiflf., M. cUwa Pfeiff., HL. 
macroihele Mart., M. erecia Lem. auf dem Plateau von Anahuac im Staate 
Hidalgo; nur M. raphidacantha Lem. tritt nördlicher im Staate S. Luis Po- 
tosi auf. 

Die IL Untergattung Dolichothele K. Seh. , durch auiserordentlich lange 
Warzen ausgezeichnet, welche einer kurzen Axe ansitzen, ist in der einen 
Art (M. lonffimamma P. DC.) ausschliefslich centralmexicanisch. Die zweite 
Art aber, M. sphaerica Dietr., wächst in Texas; sie wurde von Corpus Christi 
an der Küste des Mexicanischen Golfes eingefiihrt und soll auch bei Eagle 
Pass am Rio Grande in Texas gefunden worden sein. 

Die III. Untergattung Cochemiea ist gekennzeichnet dadurch , dafs zwar 
die Warzen noch vergröfsert. sind , dafs aber jene Furche auf der Oberseite, 
wie bei Dolichothele^ fehlt; die grofsen, rothen Blüthen zeigen stets exserte 
Staubgefäfse , eine Eigenthfimlichkeit, die sonst in der Gattung nicht mehr 
auftritt. Die Halbinsel Californien beherbergt fast allein diese Untergattung; 
nur eine Art, welche ich hierher zählen zu dürfen glaube, M. senilis Lodd., 
findet sich auf dem Festlande , und zwar auf den höheren Bergen der Staaten 
Chihuahua und Durango. In der eigenthümlichen Entwickelung der Unter- 
gattung erweist sich die Halbinsel Californien wieder als ein abgesondertes 
Vegetationsgebiet mit besonderen Kakteenformen; zweifellos befindet sich 
die langgestreckte, im Norden durch äufserst vegetationsarme Districte ab- 
geschlossene Halbinsel fast in der Lage einer isolirten Insel, die specifische 
Besonderheiten zu entwickeln im Stande war. 

Die IV. und letzte Untergattung Eumamillaria Eng. habe ich in zwei 

Sectionen, Hydrochylus und Gahctochylus , zerlegt, je nachdem nämlich in den 

Körpern Milchsafbschläuche fehlen oder vorhanden sind. Indem ich in der 

Differentiation der Gewebe zu diesen Gebilden einen Fortschritt zu erkennen 

Phys. Ahh. nicht zw Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 11 



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82 E. Schumann: 

geneigt bin , stellt die letzte Gruppe die höchste Entfaltung der Gattung ifa- 
mülaria dar. 

Die eingehendere Untersuchung über die Verbreitung derselben ver- 
danken wir Lauterbach, der, wie er mir selbst mittheilte , endlich dahin 
kam , dafs er ohne mikroskopische Prüfung nach dem Äufseren der Pflanze 
sagen konnte , ob eine Art Milchsaftschläuche enthält oder nicht. Der ana- 
tomische Charakter verbindet sich also mit einer Besonderheit der Tracht, 
welche sich dahin analysiren läfet, dals die meist kräftigen Formen mit derben, 
oft kantigen Warzen allgemein durch eine eigenartige, bläulich -grau -grüne 
Färbung ausgezeichnet sind. Jedem , der einmal darauf auftnerksam gemacht 
wurde, werden die Verwandten der »Centricirrhen«, der in der Cultur am 
weitesten verbreiteten MamiUarien, durch diese Merkmale allgemein auftallen. 
Werden die Warzen durch einen Nadelstich verletzt, so quillt ein Tropfen 
Milch, wie bei den Euphorbien, hervor, so daß? man ein bequemes Mittel 
hat, irgend eine Mamiüaria auf ihre Zugehörigkeit zur Gruppe Galadochylus 
zu prüfen. Bei meiner Reihe Elegantes versagt dieses Experiment; hier dringen 
nämlich die im Körper vorhandenen Milchsafbschläuche nicht bis in die War- 
zen vor, sondern verbleiben im Körper. Zum Glück ist diese Reihe von 
Eumamillaria aber an den zahllosen hyalinen, den Körper dicht umspinnenden, 
glasartigen , später weifsen Randstacheln zu erkennen , gegen die sich anders 
gefärbte, kräftigere Mittelstacheln wirksam abheben. 

Die Section Hydrochylus ist hauptsächlich auf dem Plateau von Ana^ 
huac entwickelt, von wo aus aber eine keineswegs geringe Zahl nach Nor- 
den ausstrahlt und noch die Staaten Galifomien und Colorado erreicht. 

Die V. Reihe, Leptodadodae Lem. , besser gekannt unter dem jüngeren 
Namen Stelligerae S.-D.^ umfaTst in meinem Sinne nur eine einzige Art, die 
formenreiche M. elongata P. DC. , welche ausschliefslich auf den Staat Hidalgo 
beschränkt ist. Sie ist in eine Unzahl von Arten zerklüftet worden , von denen 
nicht einmal alle einen Anspruch auf die Anerkennung als Varietäten er- 
heben können. 

Die VI. Reihe der ganzen Gattung, Candidae K. Seh. , ausgezeichnet durch 
die anliegende, dichte, weifse Bestachelung und die rothen Blüthen, um- 
schlieist dagegen Arten , welche in nördlicheren Gegenden vorkommen. Die 
kleine, oft nur haselnulsgrolse und dann schon blühfähige 0. lasiacanthaEug. 
findet sich mit der ähnlichen M. micromeris Eng, hauptsächlich in Texas; beide 
gehen aber in die angrenzenden Staaten Mexicos, Chihuahua, Coahuila und 



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IXe Verbreit, der Cactaceae im VerhäÜn. z. ihrer syslemat. Gtiedenmg. 83 

Nuevo LeoD, über. In dem letzteren und in_ San Luis Potosi sind M. Leona 
Pos. und die sehr zierliche M. Candida Scheidw. gefunden worden. Da ich 
iu der M. Hvmboldtii Ehrenb. aus dem Staate Hidalgo nur eine Varietät 
der M. Candida erblicke, so kommt die Reihe auch auf dem Plateau von 
Anahuac vor. 

Die Vn. Reihe Stt/hthelae Lern. {Crinitae S.-D.) zeigt sehr häufig rauhe 
Stacheln, zwischen denen sich auf schlanken Warzen nicht selten längere 
Haare einfinden. Fast keine einzige Art der Reihe überschreitet die Grenzen 
der Mexicanischen Freistaaten , der gröfsere Theil hält sich auf dem Plateau 
von Anahuac ; nur M, plumosa Web. , eine aufserordentlich schöne , weife be- 
stachelte Art, ist bei Monterey und Saltillo, auf der Grenze zwischen Coa- 
huila und Nuevo Leon, gefunden worden. Die wenig ansehnliche M. vetula 
Mart. gehört zu den Arten, welche im Staate Hidalgo die höheren Gebirge 
besteigen : bei S. Jose del Oro findet sie sich noch bei über 3000"; mit M. 
elegans P. DC. hat sie an diesen Örtlichkeiten einen strengen , schneereichen 
Winter zu ertragen. 

Die einzige Art, welche weiter über die Grenzen Mexicos hinaus- 
schweift, ist die in allen Kakteensammlungen häufig begegnende, in meh- 
reren Formen auftretende M. pusilla P. DC. , die unter den Namen M. nrnUi- 
ceps S.-D. und M. caespititia Hort, non P. DC. bekannter ist. Von dem Staate 
Nuevo Leon steigt sie in das breite Flufethal des Rio Grande herab und 
verfolgt diesen bis zum Unterlaufe, wahrscheinlich bis zur Seeküste; sie 
überschreitet dann den Golf von Mexico und erscheint wieder auf der Insel 
Cuba, von wo ich sie in der Wright'schen CoUection sah, so daCs die uralte 
Angabe, dafs sie in West -Indien vorkäme, durch Exemplare wohl belegt 
ist. Die kleine, unansehnliche Art gehört zu denjenigen MamiUarien und 
Kakteen überhaupt, welche die grölste geographische Area besitzen. 

Die VIII. Reihe Polyacanthae S.-D. begreift nur eine einzige Art in sich, 
die M. spinosissima Lem. Diese Meinung, die auch von dem vorzüglichsten 
Kenner der Familie, von Generalarzt Dr. Weber, getheilt wird, wurde früher 
nicht allgemein anerkannt. Die Art ist bezüglich der Farbe der Bestache- 
lung äufserst veränderlich, bald sind die Stacheln vom reinsten Weife {M, 
spinosissima im engeren Sinne, Jlif.jpr^/w>5ö Ehrenb.), bald sind sie gelblich, 
gelb, roth, braun, fast schwarz; es wechseln sogar hakenförmig gekrümmte 
Stacheln mit geraden. Diese Merkmale wurden zur Abscheidung von Arten 
benutzt, so dafs die Synonymie der M, spinosissima über 60 specifische Be- 
ll* 



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84 K. Schumann: 

nennungen umfa&t. Hauptsächlich war es Karl Ehrenberg, welcher die 
Zahl der Arten unendlich multiplicirte, und doch ist es eine allgemeine Er- 
fahrung, dafe die Farbe der Stacheln an den Sämlingen aus einer Beere 
variabel ist. Die Art findet sich nur auf dem Plateau von Anahuac, die 
weifs und roth bestachelten Formen im Staate Hidalgo ; die gelb bestachelten 
bedecken oft in ungeheuren Mengen steile Felswände bei den Dörfern Toto- 
lapam und Tleyacapa im Staate Morelos. 

Die IX. Reihe Ancisiracanthae K. Seh. begreift Arten mit Hakenstacheln; 
diese kommen zwar auch manchen Arten aus der Reihe Sfyhthelae zu, aber 
sie verbinden sich hier mit derben und glatten Randstacheln. Die M. zepht/r- 
arUhoides Scheidw. ist, da ich das Vaterland der M. Carretü Reb. nicht kenne, 
die einzige Art, deren Vorkommen auf dem Plateau von Anahuac sicher 
verbürgt ist; sie findet sich bei Oajaca. Vier andere Arten gehören dem 
Staate Texas an und gehen zum Theil weiter nördlich, selbst bis Colorado 
hinein. Die echte M. Goodridgei Scheer aber, sowie die neuerdings mit 
Recht von Mrs. Katherine Brandegee abgesonderte M.dioica sind Bürger 
der Halbinsel Califomien; die letzterwähnte dringt auch noch ein wenig 
in den Staat Califomien ein. Diese Reihe läfst sich auffallend in Parallele 
stellen mit denjenigen Arten der Untergattung Andstrocactus , welche ich 
als Haniati wegen ihrer drehrunden Angelhakenstacheln zusanmiengefafst 
habe. Die Verbreitung beider Gruppen zeigt viel Gemeinsames, beide sind 
dem texanischen Gebiet viel mehr eigen als dem mexicanischen. 

Die X. Reihe Heterochlorae S.-D. ist wieder zum allergröfsten Theile auf 
dem Plateau von Anahuac entwickelt. Auch sie umschlieCst eine unend- 
lich formenreiche Art, die M. rhodantha Lk. et 0. , die nach leisen Farben- 
abwandlungen und der etwas veränderlichen Stärke der Stacheln in mehr 
als 30 Arten zerklüflet wurde. Dabei möchte ich noch nicht mit Sicher- 
heit behaupten, dafs bei einer genaueren Untersuchung Übergänge nach 
M. amoena Hopff. und M.polytheleTAart. vermifst werden würden ; nicht minder 
sind die Grenzen zwischen M. dolichothele Lem. und M. polythele Mart. bis- 
weilen recht schwer festzusetzen. Eine andere sehr veränderliche Art ist 
M. coronariaÜB^^.y in der nach den Farbennuancen der Stacheln bei den 
Händlern viele Arten unterschieden werden. Alle die genannten Formen 
sind durchaus charakteristisch ftLr das Plateau von Analmac. 

Die höhere Temperaturen aushaltende M. eriacantha Lk. et Otto, welche 
durch ihre stark behaarten Stacheln bemerkenswerth ist, wächst in dem Mal- 



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Die Verbreif, der Caciaceae im VerhöMn. z. ffirer systemai. Gtiederung. 85 

pais von Naulingo bei Jalapa, und M, discolor Haw. ist in dem ebenfsdls 
wärmeren Staate Puebla zu Hause. 

Ist auch die Zahl der Arten aus der Section Hydrochyhts y welche auiser- 
halb Mexicos vorkommen , nicht sehr grols , so ist sie doch besonders bei 
den Ancistracanthae immer noch die Überzahl. In der zweiten Section der 
Untergattung EumamUlaria, in Galactochybis , treten sie aber noch mehr 
zurück. 

Die XL Reihe Elegantes K. Seh. , die XII. Leucocephalae Lern. , die 
XIV. Reihe Tetragonae S.-D. und die XV. und letzte Reihe Polyedrae Pfeiff. 
gehören durchaus den Mexicanischen Freistaaten, zum allergrößten Theile 
dem Staate Hidalgo an. Die letzte enthält sogar nur Arten, die entweder 
allein in den wärmeren Gebieten von Oajaca und Jalapa gefunden werden 
{M. Karwinskiana Mart., M. Prö^%' Muehlenpf., M. pyrrhocephala Scheidw.) oder 
von Hidalgo bis dorthin vordringen (M.polyedra Mart., M. mutabüis Scheidw.). 

Nur in der XIII. Reihe Macrothelae S.-D. gibt es einige Arten, die über 
die Grenzen von Mexico hinausgehen , wie M. Heyderi Muehlenpf. Sie ge- 
deiht in einer südlicheren Form, var. ß, Jiemisphaerica Eng., in den Staaten 
Tamaulipas und Nuevo Leon, während die nördlichere in Texas vorkommt 
imd im Süden von Neu -Mexico gemein ist. Wenn M.Gabbü Coult. wirk- 
lich, wie mir scheint, mit ihr übereinstimmt, so dringt sie auch in die 
Halbinsel Californien ein. Zwei andere Arten , M, simplex Haw. und M. ni- 
vosa Lk., gehören zu den vier Arten, welche au&erhalb des nordamerica- 
nischen Continentes gedeihen. Jene findet sich auf Cuba, diese auf der 
Insel St. Thomas und auf Tortola. Die auf dem Festlande von Süd -America 
bei Caracas vorkommende Art M. caracasana Otto habe ich nicht gesehen, 
sie soll aber, wie oben bemerkt, mit M. nivosa Lk. übereinstimmen. Aufter 
den genannten mufs auf Haiti noch eine vierte westindische Art gedeihen, 
die wir nur nach Plumier's Abbildungen kennen, die aber oflfenbar sehr 
charakteristisch ist; sie wurde nach jener Tafel von P. de CandoUe dia- 
gnosticirt und M. glomerata genannt. 

Die Hauptmasse jener XIII. Reihe ist aber wiederum ausschliefslich 
mexicanisch und von diesen gehört die Überzahl dem Staate Hidalgo an. 
Zu ihnen gehört die Crux der Cactophilen, die schreckenerregend verän- 
derliche M.centricirrhaJ^em., die mehr als 60 mal benannt wurde und die 
ihr verwandte M. angularis Lk. et Otto , welche unter dem Namen M. cirrhi- 
fera Mart. in den Sammlungen geführt wird. Ich habe in der Gesammt* 



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86 K, Schümann: 

beschreibung ausföhrlicii dargethan, dafs sie diesen letzten Namen mit Un- 
recht trägt und dafs er mit Fug und Recht nur der 4f. mutabiUs Schddw. 
zukommen kann. In der Reihe finden sich einige Formen, welche die 
kräftigsten Körper erzeugen. Ich habe selbst Stücke der Jf. ceniricirrha 
cultivirt, welche 25*" im Durchmesser besafsen. Noch umfangreicher wird 
Weber zufolge die M.valida Web. von Nuevo Leon, und der Name der 
M.gigantea Hildm. aus Guanaxuato besagt, dafs man es in dieser Reihe 
mit den stärksten Grestalten der ganzen Gattung zu thun hat. 

Wenn wir nun versuchen, ein Gesammtresultat aus diesen Einzelheiten 
der Verbreitung der Gattung Ma/ndllaria zu ziehen, so ist zunächst darauf 
hinzuweisen , dafs offenbar das Hauptgebiet des Vorkommens auf dem Pla- 
teau von Anahuac liegt, ein District, welcher die Gröfse der Schweiz nicht 
sehr erheblich überschreitet. Als Kern derselben ist wieder der Staat 
Hidalgo anzusehen, in welchem die Dichtigkeit der Arten das Höclistmafs 
erreicht. Hier liegen die Orte, welche jedem Kakteenkenner durch die Fülle 
der Formen bekannt sind: Real oder Mineral del Monte, das von Ehren- 
berg so ausgiebig erforscht wurde, Pachuca, welches von dem Baron von 
Karwinski, von Mathsson, von dem älteren Coulter, dem P. de Can- 
doUe so viele Arten verdankte, besucht wurde, Ixmiquilpan, Meztitlan, 
Zuacualtepan, die von all den genannten und von Dr. Weber so oft er- 
wähnt werden. Auch die benachbarten Staaten Mexico, Queretaro und 
Guanaxuato gehören zu demselben Gebiete, das sich im Süden bis Puebla 
erstreckt. Eine geringe Zahl von diesen Formen gleitet an den Abhängen 
des Plateaus herab, um sich in den wärmeren Gebieten von Jalapa, Osgaca, 
Michoacan und Tehuacan mit einigen dort eigenthümlichen Arten zu mischen. 
Es ist kein Zweifel, dafs in Central -America noch Mamillaria' Arten gedeihen: 
ich sah von Tehuantepec eine eigenthümliche neue Form, zu der Reihe 
Polyedrae gehörig, die fast nur für wärmere Gegenden charakteristische 
Arten umschliefst; in den Chaparales von Guatemala gedeihen nach Sapper 
und nach Sei er 's mündlicher Mittheilung ebenfalls noch Vertreter der Gat- 
tung; offenbar nehmen sie aber mehr und mehr ab, so dafs der Mamülaria 
schon weit vor der Landenge von Panama ein Ziel gesetzt ist. 

Wenn wir nun sehen , dafe das Plateau von Anahuac mit Ausnahme 
der Reihe IV Exsertae (Untergattung Cochemiea) in einem so eng umschrie- 
benen Gebiete alle anderen Reihen beherbergt imd dafs sich die Zahl der 
Arten in rapidem Abfall von hier aus nach allen Seiten vermindert, so 



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Die Verbreit der Cactaceae im Verhättn. z. ihrer systemal. Gliederung. 87 

kann wohl die Meinung, dafs an dieser Örtlichkeit das Hauptentwickelungs- 
centrum liegt, nicht gut angefochten werden. Die grofse Zahl der Arten 
von Thelocactus macht es mir auch in hohem Malse wahrscheinlich, dafs 
in diesem Gebiete die Wurzeln der ganzen Gattung Mamillaria gesucht wer- 
den dürfen. Die Abzweigung der Untergattung Cochemiea mufs dagegen 
entweder nach der Halbinsel Califomien verlegt werden oder sie ist in 
den heute noch so unbekannten Gebieten auf dem Festlande gegenüber 
dieser Halbinsel geschehen. Vielleicht geben uns die weiteren Untersuchun- 
gen der Staaten Jalisco und Sinaloa später einmal eine Aufklärung über 
diesen Punkt. Jedenfalls ist sehr beachtenswerth , dafe eine Art der Unter- 
gattung M. senilis hodd. sich in derjenigen Gegend findet, wo die tiefete 
Einsenkung der Sierra Madre gelegen ist, dem Scheidegebirge zwischen 
Sinaloa und Sonora einerseits und Durango und Chihuahua andererseits. 

Der Strom der Arten von Mamillaria ergiefst sich von Central -Mexico 
bis in die nördlichsten der Vereinigten Staaten und überschreitet noch die 
Grenze von Canada; hier gelangt er mit 3 Arten, M, missouriensisV. DG. , 
M. vioipara Haw. und M. radiosa Eng., zum Stillstande; bezeichnenderweise 
gehören alle drei zu der Untergattung CorypJumta^ welche ich, als Echino- 
cachts am nächsten stehend, für den ältesten Zweig der Gattung ansehe. 
Die hochmexicanischen Arten dringen nur in zweien bis zum Rio Grande 
del Norte vor (M. radians P. DC. imd M, conoidea P. DC.^), sonst schalten sich 
durchgehends nach Norden hin neue Arten ein. Die Untergattung Eumü' 
mUlaria bleibt mit M. phellosperma Eng. und M. Grahamü Eng. schon in Utah 
und Nevada zurück. Beide gehören in die ältere Section Hydrochylus, wäh- 
rend die höher differenzirte Section Galactochyhis mit M. Heyderi Muehlenpf. 
und M. meiaeantha Eng. nur Arizona und Neu -Mexico erreicht. Die Ver- 
breitungsausdehnung nach Norden hin filllt also mit dem aus morpholo- 
gischen Verhältnissen erschlossenen relativen Alter der Gattungsgruppen 
zusammen, indem die ältesten am weitesten, die jüngsten am wenigsten 
nach Norden vorgedrungen sind. 

Die Gattung Pelecyphora Ehrenb. steht offenbar Mamillaria so nahe, 
dafs man sie mit ihr nöthigenfalls vereinigen könnte, namentlich ist die 
zweite Art derselben, P. pectinata K. Seh., eine gleitende Form. Sie geht 
wegen der in ihr enthaltenen Milchsaftschläuche nahe an Eumamülaria Sect. 



* Diese habe ich Qbrigens von hier nicht gesehen; die Angabe stammt von Mathsson. 



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88 K. Schumann: 

Gralaclochylus heran. Da indefs bei allen beiden Arten , bei der erwähnten 
und dem Typ P. asettiformis Ehrenb., die eigen thümlichen , mehr hammer- 
als eigentlich beilförmigen Warzen mit den eigenartigen, kurzen, parallel 
stehenden, am Grunde verschmelzenden Stachelchen wiederkehren, die in 
Mamülaria nie auch nur in annähernder Form auftreten, so habe ich die 
Gattung aufrecht erhalten. 

Diese Warzen werden an der Stirnseite von einer seichten Furche 
durchlaufen, welche, da sie nicht nach der Axille hinstrebt, auch nicht 
mit der Furche der Coryphanten homolog gesetzt werden darf; sie ist viel- 
mehr eine in der Verwandtschaft im HöchstmaCs auftretende Verlängerung 
der Areole. Diese Auffassung wird schon durch die an den Rändern fest- 
sitzenden Stacheln gewährleistet. 

Beide Arten der Gattung sind ausschlieislich mexicanisch. P. aseüifor- 
mis findet sich im Staate Nuevo Leon, in der Nähe der Hauptstadt S. Luis 
Potosi; Weber fand sie im Valle del Maiz; sie wird auch jetzt noch häufig 
eingeftlhrt. P, pectmata K. Seh. , die von den Händlern bis in die neuere 
Zeit als Varietät von jener angesehen wird , ist eine durchaus verschiedene 
selbständige Art. Weber hat sie zuerst aus dem Staate Oajaca eingeführt. 

In der Gattung Ariocarpus sehe ich die höchste Entwickelung der. 
Mamülarieae, welche sich im Mause der Differentiation etwa mit Leuchten^ 
bergia bei den Echinocacteae vergleichen läfst. Die Warzen sind entweder 
für sich dick, blattartig, wie bei A. retusus Scheidw. und A. trigonus (Web.) 
K. Seh., oder die Scheitel derselben gleichen dreiseitigen Blättern, die auf 
einem dicken Fufse sitzen. Der Name für die ersterwähnte Art ist des- 
wegeil gewählt worden, weil die Warzen in der That eine gewisse Ähnlich- 
keit mit den Blättern von Aloe retusa Haw. bieten. Diese Art und A. tri- 
gonus haben eine äufserst winzige, später leicht zu übersehende Areole. Auch 
Lemaire wurde in dieser Hinsicht getäuscht; er meinte, die Areole fehle 
vollkommen , und belegte deshalb die Gattung mit dem Namen AnMloniumy 
womit er sagen wollte, es fehle das Halonion, die kleine Tenne oder die 
Areole. Diese ist im jugendlichen Zustande nicht blois vorhanden, son- 
dern trägt auch ein wenig Wollfilz und kleine Stachelchen, die aber an 
der jungen Pflanze bald verschwinden. Wenn Pelecyphora auf der einen 
Seite das Höchstmafe in der Areolenbildung bei den Mamillarieae besitzt, 
weist die verwandtschaftlich benachbarte Gattung Ariocarpus ein Mindest- 
mafs darin auf. Bei den Arten, welche die Untergattungen Aegopodothele 



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Die Ver breit, der Cactaceäe im Verhältn. z. ihrer st/stemai. Gliederung. 89 

und CMsrnatothele ausmachen, hei A, Kotschvbeyambs (Lern.) K. Seh. und A. 
fismratus (Eng.) K. Seh. ist eine Furche vorhanden, welche den dreiseiti- 
gen Warzenscheitel gewissermafsen durch eine Höhenlinie halbirt. Da diese 
Furche von der Areole nach der Axille zustrebt, so mufs sie mit derjeni- 
gen von CoryphantJia homolog gesetzt werden. 

Ich halte unbedingt an dieser Umgrenzung der Gattung fest, weil nur 
diese 4 Arten die Eigenheit der blattförmigen Warzen zeigen. Werden an- 
dere Formen hineingezogen, wie EchinocacimWilliamsü Lem. oder -Ecfe. ft^r- 
biniformis Pfeiff. oder Pelecyphora asellifarmis Ehrenb. , so wird der Inhalt 
der so klaren Gattung unrein ; ich bin übrigens dann bei der Heterogeni- 
tat def Zusammensetzungsstucke überhaupt nicht im Stande, eine Diagnose 
der Gattung zu entwerfen. 

Bezüglich ihrer Verbreitung, so sind 3 Arten nur in Mexico gefunden 
worden, während die vierte, A. fismratus Eng., nur in Texas gedeiht. Die 
ersteren finden sich sämmtlich in den Staaten Coahuila und Nuevo Leon, 
weiter nach Süden dringt keine Art vor. Dagegen ist wohl möglich, dafs 
die Gattung in noch nördlicheren Gegenden gedeiht. 



m. Die geographische Area der Eakteenarten. 

Im allgemeinen kann man sagen , dafs die specifische Area der Kakteen 
eine recht beschränkte ist. Es gibt nur wenige Arten , welche ursprüng- 
lich , d. h. ohne Beihülfe des Menschen , ein gröfseres Feld ihrer Verbreitung 
erlangt haben. Obenan steht zweifellos, und diese P^rscheirmng ist höchst 
eigenthümlich und befremdlich, ein Epiphyt, Rhipsalis Cassytha Gaertn., wel- 
cher niclit allein in America zweifellos die gröfste Expansionsfaliigkeit ge* 
zeigt hat, sondern auch in der Alten Welt, von der Westküste Africas bis 
nach Ceylon, gefunden wird. Als Zwischenstationen müssen die Mascare- 
nischen Inseln und die Seychellen erwähnt werden, wobei allerdings darauf 
hinzuweisen ist, dafs Weber in allerneuester Zeit die auf Bourbon gedeihende 
Art mit seiner Rh. madagascariensis gleich gesetzt hat, in der er übrigens 
den alten Cactus fasciculatus Willd., also die Rh.fasciculataHaw., wieder zu 
erkennen glaubt. Von Rh. sansibarica Weh. meint der Autor selbst, dafs 
sie eine africanische , kräftigere Form der Rh. cassytha Gaertn. zu sein scheine. 
RJi. comoremisYfeh. vermisse ich in der letzten Aufzählung der Arten, die 
Phys. Abh. nicht zur Akarf. gehör. Gelehrter. 1899. IL 12 



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90 K. Schümann: 

Weber gegeben hat; auch sie ist vielleicht nicht allzu sehr von dieser Art 
verschieden. 

Keine andere Art der Kakteen hat auch nur annähernd die gleiche Ver- 
breitung aufzuweisen. Nach allgemeiner Anschauung sind nur noch folgende 
Arten in Betracht zu ziehen, welche beiden Hälften des americanischen Con- 
tinentes eigenthümlich sein sollen. Ccreus eburneus S.-D. (eni. Web.) ist in 
Venezuela heimisch und findet sich auch in Mexico, hier allerdings unter 
Verhältnissen, welche die Einwirkung des Menschen nicht ausschliefsen , da 
das Gewächs Früchte liefert, welche als Obst sehr geschätzt sind. Eine 
ausgedehntere Area, welche sich von Süd -Brasilien über Paraguay bis Bo- 
livien , Columbien , andererseits nach Guiana und vielleicht bis auf die West- 
indischen Liseln erstreckt, weist Phyllocactn.s phylhnthiu^ (L,) Lk, Siuf, Auch 
er ist ein vollkommener Epiphyt; in Guatemala wird er durch P. Pittieri Weh., 
von demselben Typ, aber mit kurzer BlüthenhüUröhre , vertreten. Noch ist 
Cereus peruviami.s Mill, zu erwähnen, welcher von Süd -Brasilien über Guiana 
und die Westindischen Inseln bis nach Mexico verbreitet sein soll; die An- 
gabe über das letzterwähnte Vorkommen ist mir aber aus nicht durchaus 
zuverlässiger Quelle zugeflossen und deshalb einer genaueren ControUe immer- 
hin noch bedürftig. Wenn ich Cereiis trianguhris (Linn.) Haw. unter ande- 
rem aus Rio de Janeiro in blühenden und fruchtenden Exemplaren erhalten 
habe, so ist daraufhinzuweisen, dafs diese Art iimerhalb der Tropen wegen 
ihfer geschätzten wohlschmeckenden Beeren und vor allem wegen ihrer 
prachtvollen Blüthen, gerade wie Cereus grandißorits(L.)IlsLW. und CereusnyctU 
ca/tA5 Lk. et Otto, so vielfach cultivirt wird, dafs ich diesen Stücken keine 
Beweiskraft fiir die Indigenitat am genannten Orte beimessen kann. Sie 
können ebenso gut von cultivirten wie von Pflanzen herstamnlen, welche 
der Cultur entschlüpft sind. 

Nach meinen jüngsten Erfahrungen mufs ich noch auf eine Opuntia hin- 
weisen, welche nach den vorliegenden Herbarmaterialien ebenfalls in die 
Reihe der Arten gehören könnte, die sowohl in Nord- wie in Süd -America 
gedeilien. Ich habe auf die Verbreitung der 0. tunicata (Lehm.) Lk. etO. schon 
oben aufmerksam gemaclit, sie ist im nördlicheren Mexico gemein und liegt 
nun in Zweigstücken von Cuba und Ecuador vor. Die Möglichkeit einer 
Verbreitung durch die Mithülfe des Menschen ist aber nicht durchaus von 
der Hand zu weisen , da sie in Mexico bestimmt zur Bepflanzung von Mauern 
cultivirt wird. Manche andere Art der Gattung ist vielerorts, nicht zum 



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Die Verbreit, der Cactaceae im Verhättn. z. ilirer systemat Gliederimg. 91 

wenigsten auch in den wärmeren Gegenden der Alten Welt, angebaut worden 
und hat auf diesem Wege eine viel umfangreichere geographische Area er- 
halten, als ihr ursprünglich eigen war. Opuntien finden sich jetzt häufig 
unter solchen Umständen verwildert, dafs selbst so kenntnifsreiche und kri- 
tische Botaniker wie Kern er zu der Meinung verfiihrt werden konnten, 
dafs ihnen ein altweltliches Heimathsrecht zustände. 

In den jetzt gebräuchlichen Handbüchern über die Kakteen werden noch 
einige Arten genannt, denen ein gemeinschaflliches Vorkommen in Nord- 
und Süd -America zugeschrieben wird. Bezüglich des Echinocactics Ottonis Lk. 
und des Cephalöcereus senilis (Haw.) K. Seh. steht mir zweifellos fest, dafs hier 
ein Irrthum vorliegt, der von Lehmann in Hamburg herrührt, indem er 
zuerst das Vaterland jener Art in Mexico, dasjenige der letzteren aber in 
Brasilien suchte. Durch ein Versehen hat er die Heimath beider verwechselt. 
Indem dann in späterer Zeit E, Ottonis sicher aus Brasilien, C. senilis bestimmt 
aus Mexico nach Europa gebracht wurde, hat man beiden das gemeinsame 
Vorkommen zugeschrieben. Ein weiteres Areal wird dem Cephalöcereus senilis 
auch noch durch Rümpler zugesagt, indem er ihn von Guatemala nennt 
und nach Meyen (Rümpler schrieb Mayer) auf den Cordilleren des 
südlichen Peru wachsen läfst. Dafs hier die ungenügende Kenntnifs der 
Kakteen eine falsche Bestimmung der peruvianischen Pflanze bedingte ^ , ist 
mir ganz gewifs. Nicht minder unrichtig ist Rümpler's Mittheilung, die 
ebenfalls früheren Autoren entnommen ist, dsiCs Ec/iinocactus gä)bosus (Hslw.) 
P. DC. in Mexico, Guatemala und auf der Insel Jamaica vorkommen soll. 
Diese Art ist ausschliefslich patagonischen Ursprunges , und alle gegen thei- 
ligen Meinungen sind die Ausflüsse einer reinen Phantasie. 

Innerhalb ihres engeren Verbreitungsgebietes in Nord -America haben 
aber einzelne Arten ein ziemlich umfangreiches Areal inne, eine Erschei- 
nung, die von den südamericanischen Formen nicht in dem Mafse bekannt 
ist. Dabei ist allerdings der Umstand in Erwägung zu ziehen , dafs unsere 
Kenntnisse über das Vorkommen der Kakteen in Nord-Americ^, nament- 
lich in den Vereinigten Staaten um vielfach ausgedehntere und mehr ge- 
sicherte sind. Zunächst gehören alle an den extremsten Punkten im Norden 
gedeihenden Arten zu den weit verbreiteten. 0. missouriensis P. DC. gedeiht 
von Neu -Mexico unter 35® n. Br. bis zum Peace River imter 56® n. Br. 

* Vielleicht la^ eine Verwechselang mit dem auf den Anden von Bolivien verbreiteten 
Püocereus Celsiwius Lein. vor. 

12* 



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92 K. Schümann: 

0. vulgaris Mill. findet sich auf der atlantischen Seite der Vereinigten Staaten 
von Georgia und angeblich von Florida, also südlich vom 30. Grad n. Br. 
bis Massachusetts unter 42® n. Br. Auch Echinocereus viridiflorus Eng. be- 
herrscht eine ziemlich ausgedehnte nordsüdliche Zone, da er von Texas 
bis nach den Larainie - Bergen in Wyoming angetroffen worden ist. In 
ostwestlicher Richtung kann 0. Rafinesquü Eng. als die Art mit der wei- 
testen Verbreitung betrachtet werden, da sie von 112® w. Greenw. in Ari- 
zona bis Point Pelee im Erie-See bei 87® w. Greenw. bekannt ist. Eine ge- 
ringere, aber immerhin bemerkenswerthe Ausdehnung besitzt M. ptisüla 
P.DC, denn ihr östliches Vorkommen liegt auf Guba bei etwa 80® w. Greenw., 
ihr westlichstes unter nahezu derselben Breite in dem weiteren Flufsgebiete 
des Rio Grande in der Nähe von Monterey bei 100® w. Greenw. 

Die meisten Kakteenarten haben aber keine sehr umfangreichen Areale ; 
sehr viele sind vielmehr auf engbegrenzte Locali täten beschränkt, nicht 
wenige sind bisher von einem einzigen Standorte bekannt und werden nur 
nach längeren Zeiträumen , wenn die Sammler wieder einmal jene Orte be- 
rühren , bei uns eingeführt. Diefs gilt namentlich von gewissen chilenischen 
Arten, die zum Theil überhaupt nur ein einziges Mal nach Europa ge- 
kommen sind ; aber auch gewisse Mexicaner und Bewohner der Vereinigten 
Staaten können zuweilen för den Handel Jahre lang nicht beschafft werden, 
bis sie plötzlich wieder erscheinen. Diefs gilt, soweit meine Erfahrung 
reicht, von Echinocactm ungiiispinns Eng. {E. TroUietü Reb.), E. Johnsonn 
Eng., E, papyracanthus Eng., E. durangensis Rge., E, Sileri'Eng,, E. Krausei 
Hildm., von den Pilocereus -Arten von Tehuacan, Opuntia cereiformis (F. 
Reichb.) Web. u. a. Die M, zephyranthoides Scheid w. habe ich niemals, 
trotz aller Anstrengungen, zu sehen bekommen. M, Haageana Pfeiff. ist 
ebenfalls eine grofse Seltenheit, da sie notorisch nur an den Cofre de 
Perote gefunden wurde. In noch höherem Mafse gilt diese Wahrnehmung, 
wenn man geneigt ist, die petites espeees der Gärtner zu berücksichtigen, 
welche von dem Plateau von Anahuac zu uns gekommen sind. An dieser 
Stelle sind mehr oder minder von einander abweichende Formen der Mam. 
centricirrha Lem., M, rhodantha L. etO. und M, spinosissirna Lem. so zahlreich, 
dafs uns aus diesen drei zusammen über 200 Arten beschrieben oder we- 
nigstens benannt wurden. Diese Wandelbarkeit ist ein Beweis dafor, dals 
die Arten noch im Flusse sind und dafs sich feste Kerne noch nicht her- 
ausgebildet haben. 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerMltn. z. ihrer systemat. Gliederung. 93 

Ganz die gleiche Erfahrung haben wir für die Gattung Echinocereus 
in den Staaten Texas, Arizona, Neu-Mexico gemacht. Über den Umfang 
der Arten aus der Verwandtschaft von Ecer. paucispinus Eng. in^ weiteren 
Sinne sind die Autoren heute noch sehr verschiedener Ansicht, und selbst 
der Autor, welcher dieselbe aufstellte, Engelmann, ist immer schwankend 
geblieben, durch welche Linien sie zu umschreiben sind. Auch in dieser 
Gattung ist die scharfe Ausgliederung der Arten noch nicht vollendet. Wenn 
nun der Umstand, dafs ein solcher Flufs der Formen als ein Zeichen für 
ehie relativ junge Familie angesehen werden soll, nicht auf allgemeine 
Zustimmung rechnen darf — denn wir kennen auch notorisch ältere Familien, 
die ,in Irgend einem Formenkreise wieder neu aufleben und einen Anlauf 
zu erneuter Artenbildung nehmen : ich erinnere nur an die Compositen und 
Rosaceae — , so spricht doch hier die Thatsache, dafs diese Gattungen in einem 
Gebiet sich entfaltet haben, welches erst nach der Glazialzeit für die Kak- 
teen bewohnbar wurde, dafiir, dafs sich diese Kakteenformen in Nord- 
America erst während einer relativ sehr jungen Periode ausgegliedert haben. 



IV. Die Kakteengebiete. 

In der Verbeitung der Kakteen können wir folgende Gebiete unter- 
scheiden. 

I. Das boreale Gebiet. Es beginnt an der Nordgrenze der Kakteen, 
am Peace River in Canada, tmd reicht bis an die Südgrenze der Staaten 
Oregon, Idaho, Wyoming, Nebraska, Iowa, Wisconsin, bis zum Erie-See. 
Es ist ausgezeichnet durch die geringe Zahl der Arten, nur 2-3 aus den 
Gattungen Opuntia, MamUlaria, sowie Echinocactas Simpsonii werden vom 
Norden angegeben. 

II. Das Gebiet der westlichen Vereinigten Staaten. Es wird 
im Süden ungefiihr begrenzt durch die politische Scheidung zwischen den 
Vereinigten Staaten und Mexico und durch den Mexicanischen Golf, östlich 
vom Rio Grande del Norte. Die Grenze nach Osten hin ist durch die Ver- 
breitung der Kakteen von selbst gegeben : sie verläuft durch das Indianer- 
Territorium, greift nur an wenigen Stellen über den Mississippi hinweg 
und erreicht am Erie-See und an den Südgrenzen der obengenannten nörd- 
lichen Staaten die Südgrenze des borealen Gebietes. Ich habe dasselbe in 
zwei Untergebiete zerlegt, nämlich in einen südlichen Theil, die texanisch- 



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94 K. Schumann: 

californische Zone, welche aufser den genannten beiden Staaten noch Neu- 
Mexico und Arizona begreift, und in einen nördlicheren Theil, der Nevada, 
Utah und Colorado umfafst. Während dieses Untergebiet nur 35 Arten mit 
6 endemischen bietet, finden sich in jenem melir als doppelt so viel, nämlich 
94, von den 28 Arten endemisch sind. Wie in anderen Familien, greift 
die südlichere Zone tief nach Mexico hinein , d. h. eine gröfsere Zahl der 
Arten , namentlich von denen , welche um el Paso wohnen , geht nach den 
Staaten Chihuahua und Coahuila über. 

Charakteristisch für das Gebiet ist die reiche Entfaltung von Arten in 
den Gattungen Echinocereu^ und Opuntia ; von der ersten kommen 1 8 Arten mit 
6 endemischen hier vor; von Opuntia sind fast 50 Arten, darunter beinahe 
die Hälfte endemische, vorhanden. Echinocactus und Manüllaria sind auch — 
letztere in der Untergattung Corypfiantha — noch reichlich und in eigenthüm- 
lichen Arten entwickelt; aber bei weitem nicht in der Fülle wie im folgenden 
Gebiete. Von der Gattung Cerens gehört zunächst in dieses Gebiet der verhält- 
nifsmäfsig kleine, aufrechte 6\ GregyüKng,^ der ebenfalls nach Mexico hinüber- 
greift; der schwächliche, niedergestreckte Cereus Emoryi Eng. berührt von 
der Halbinsel Californien her den südlicheren Theil des Gebietes bei S.Diego 
in Californien. Auf die merkwürdige Erscheinung, dafs gerade eine der 
Riesengestalten, C.giganieusKng.y zu dem nördlichsten Vertreter der ganzen 
Gattung wird, habe ich schon oben hingewiesen. In Arizona tritt auch 
der nördlichste Vertreter der Gattung Pilocereus auf (P. Schottii [Eng.]) Lem.) 
Im ganzen finden sich in diesem zweiten Gebiete über 100 Arten mit 
34 endemischen. 

III. Das mexicanische Gebiet. Es liegt südlich und westlich von 
der soeben festgesetzten Westgrenze des vorigen Gebietes, reicht bis nach 
Central- America hinein und umfafst auch die Halbinsel Californien; aus- 
geschlossen jedoch ist der Rand am Golf von Mexico. Es ist ausgezeich- 
net durch die aufserordentlich reiche Entfaltung der Gattung Mamälaria in 
fast allen Reihen, durch zahlreiche grofse Arten der Gattungen Cereus, Pilo- 
cereus , durch viele Echinocactus- und OpunHa-Krtew^ sowie durch die Mono- 
typen Leuchtenbergia^ PeUcyplwra^ Ariocarpus, Auch die Gattungen Phylto- 
cactus, Rhipsalis und Peireskia weisen noch einige Vertreter auf. Von Opuntia 
gehören die Arten der Section Peireskioptmtia Web. alle hierher. 

Ein eigen thümlich es Untergebiet stellt die Halbinsel Californien dar. 
Wie sich auch in anderen Familien nachweisen läfst, geschah die Besiede- 



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THe Verbreit der Cactaceae im Verhältn. z. Uirer stjstemat GUedertmg. 95 

lung dieses Landes , wenigstens im südliehen Knde , vom Süden her. Das 
Vorkommen der Mangroveformation ist ein klarer Beweis dafür; auch an- 
dere tropische Formen fehlen nicht. Die Arten des Plateaus von Anahuac, 
die sich in ihrer Ausbreitung nach Norden bis nach Texas hin und weiter 
verfolgen lassen, haben aber nach Californien keinen Eingang gefunden. 
Die Ursache dieses Ausschlusses liegt offenbar in dem Umstände, dafs sich 
das Scheidegebirge zwischen Coahuila, Chihuahua, Durango einerseits und 
Sonora und Sinaloa andererseits lückenlos bis zu dem Plateau fortsetzt und 
fär jene eine unüberschreitbare Grenze bildet. Leider kennen wir die Kak- 
teen des pacifischen Theiles der Staaten Jalisco und Sinaloa noch zu wenig, 
um ' das Urtheil genügend begründen zu können , dafs die Kakteen des süd- 
licheren Theils der Halbinsel von dort herstammen. Dieser Ursprung der- 
selben ist mir aber nicht unwahrscheinlich und wird wenigstens durch die 
Anwesenheit einer Peireskiopuntia (0. BrandegeeiK. Seh.) im Süden der Halb- 
insel bestätigt. Auch die riesigen Cerezts- Arten, welche die Cardonales 
der Halbinsel, ausgedehnte Wälder ohne Unterholz, zusammensetzen (Cer. 
Pringlei Eng., Cer.pecten aboriginum Eng., C. Thurberi Eng.), gehören fast 
alle der Ktalbinsel Californien und dem Staate Sonora westlich der Sierra 
Madre an; C, pecten aboriginum Eng. allein ist noch einmal auf der Ost- 
seite jenes Scheidegebirges beobachtet worden. Auf einen Zusammenhang 
mit diesen Gestalten weist das Vorkommen von (7. gi^anleus Eng. in Arizona 
hin ; somit ist dieses Auftreten dieser grofsen Säulencereen ganz unvermittelt, 
da die Organos, d. h. die hohen Säulenkakteen, nach allen Reiseberichten 
östlich von der Sierra Madre, erst viel weiter südlich, erscheinen. Mon- 
terey, in dessen Nähe sie erwähnt werden, liegt mindestens lo Breiten- 
grade näher am Aequator. 

Die Section Cochemiea aus der Gattung Mamillaria ist fär die Halb- 
insel Californien fast endemisch zu nennen, denn nur eine Art, M. senilis Lodd., 
findet sich aufserhalb dieses Untergebietes; sehr bezeichnenderweise liegen 
ihre Fundorte auf Bergspitzen der Sierra Madre in Chihuahua und Durango, 
und in diesen Vorkommen möchte ich einen Fingerzeig dafür erkennen, 
dafs wir vielleicht noch Vertreter der Untergattung im südlicheren Sonora 
und Sinaloa erwarten dürfen, welche als Bindeglieder beider extremer Ört- 
lichkeiten dienen könnten. 

Wenn nun auf der einen Seite eine Beeinflussung des texanisch-cali- 
fornischen Untergebietes durch die Kakt^enflora der Halbinsel Californien 



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96' K. Schumann: 

nicht von der Hand zu weisen ist, so sind umgekehrt die Einflüsse jenes 
Gebietes auf die Halbinsel ebenfalls nachweisbar. Dieselben documentiren 
sich durch das reichlichere Vorkommen von Echinocereus- Arten, die aller 
Wahrscheinlichkeit nach ihren Ursprung von dort herleiten; auch einige 
Opuntien steigen vom Norden her in die Halbinsel herab. Ich zähle auf 
ihr 37 Arten, von denen 20 endemisch sind; diese Relation ist sehr hoch und 
erreicht beinahe den Quotienten, welchen Mexico aufweist {37:22). 

IV. Das Golfgebiet stellt ein Zwischengebiet dar, das zwischen den 
nordamericanischen und den folgenden südamericanischen Gebieten einge- 
schaltet ist. Es schneidet aus dem mexicanischen den Küstenstrich von 
Tamaulipas bis Vera Cruz und Honduras heraus, das sich durch das massen- 
hafte Vorkommen von kletternden Cereen (C rostratus Scheid w., C. haxa- 
niensis Karw. ; auch C. nydkalus Lk. et 0. und C. grandiflorus (L.) Haw. sollen 
hier noch wachsen) auszeichnet. Noch viel reicher an diesen ist aber der 
Westindische Archipel und das südliche Ufer des Gebietes. Von aufrechten 
Fonnen ist C. ebumeus S.-D. (em. Weber) überall verbreitet. Eine beson- 
dere Leitgattung erkenne ich aber in Melocacfus^ welche dem ganzen Ge- 
biet, und ihm fast ausschliefslich eigen ist. Neuerdings wurde sogar von 
Murillo in Jalapa das Vorkommen einer Art aus der Gegend von Vera 
Cruz behauptet, nachdem die Gattung schon früher von hier erwähnt worden 
war; mir ist indefs diese Angabe doch nicht vertrauenswertli genug; in 
Honduras dagegen hat man die Gattung mit M, Rüstii K. Seh. beobachtet. 
Rhipsalis ist in mehreren Arten bekannt; auch Phyllocactus hat aus Cuba 
und dem Küstengebiet von Honduras mehrere Arten geliefert. Opuntia 
weist zahlreiche eigene Arten auf. Nopalea ist hier fast ausschliefelich hei- 
misch. Ein ausgezeichnetes negatives Merkmal ist die völlige Abwesenlieit 
der Gattung Echinocactus und die aufserordentlich geringe Zahl der Arten 
von Mamillaria. Die letzteren sind höchst wahrscheinlich aus dem mexi- 
canischen Gebiete eingedrungen; fiir die M, ptcsilla P. DC. ist diese Annahme 
zweifellos richtig. 

Zu dem Golfgebiet gehört auch ein zweiter District in den Vereinigten 
Staaten, nämlich die Halbinsel Florida, welche ja auch nach anderen Pflanzen- 
familien einen Anhang der westindischen Flora darstellt. Die dort vorkom- 
menden tropischen Gewächse sind sämmtlich über Cuba eingedrungen, von 
den wenigen Kakteen läfst sich dieser Ursprung zweifellos nachweisen. Nur 
eine Art ist für die Halbinsel endemisch, nämlich 0, pes cor vi Lei;. Von 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäÜn. z, ihrer systemat. Gliederimg. 97 

dieser hat aber neuerdings Weber nachgewiesen, dafs sie mit 0, foliosa 
(Willd.) S.-D. sehr, vielleicht zu nahe verwandt ist. Die Heimath der letzt- 
erwähnten A^rt ist uns bis jetzt unbekannt geblieben ; durch die Beziehung 
mit O.pes corvi Lee. wird uns ein Fingerzeig gegeben, dafs wir wahrschein- 
lich auch sie fiir einen Bewohner des Golfgebietes halten dürfen. Nördlich 
von Florida tritt noch eine Opuntia hinzu, welche nur den atlantischen 
Staaten eigenthümllch ist , nämlich 0. vulgaris Mill. Sie fuhrt das Gebiet 
der Kakteen auf der Seite östlich von dem AUeghany- Gebirge weit nach 
Norden, bis nach Massachusetts unter 42^ n.Br., so dafs im Osten wie im 
Westen der Vereinigten Staaten dieselbe Gattung die Fähigkeit zeigt, sich 
mit einem geringeren Wärmequantum abzufinden und weit über den Haupt- 
stock der Familie hinaus einen Vorposten in relativ kalte Gegenden zu 
entsenden. 

V. Das brasilianische Gebiet. Dieses umfafst nicht blofs den 
Brasilianischen Staatenbund , sondern auch Guiana und das Innere von Vene- 
zuela. Hier mufs ich allerdings bemerken, dafs eine erweiterte Kenntnifs 
der Kakteen der Venezolanischen Freistaaten V möglicher Weise eine Abän- 
derung in der Begrenzung bringen kann. Im Süden greift das Gebiet eben- 
falls über die staatlichen Grenzen Brasiliens hinaus und umfafst noch die 
lilnder zwischen den Flüssen Parana und Uruguay, sowie die Republik Uru- 
guay. Als Leitgattung scheint mir für dieses Gebiet die Gattung Rhipsalis 
von Bedeutung zu sein. Zu ihr gesellen sich die Monotypeu Epiphyllum 
truncatum Pfeiff. und die zwei Arten umfassende Gattung Hariota. In den 
wärmeren ITieilen erlangt die Gattung Cereus eine lunfangreiche specifische 
Gliederung mit fast ausschliefslich endemischen Species; auch Pilocereus und 
Cephalocereus treten — die erste mit wenigen Arten , die zweite mit einer Art 
— auf. Von dem Golfgebiet läfst sich die Gattung Melocactus in einer Art 
bis Bahia, in einer anderen bis Rio de Janeiro verfolgen. Die Zahl der 
Opuntien ist nicht grofs, sie gehören fast alle zu Platyopuntia ^ nur 0. Salr 
miana Pfeiflf. hat stielrunde Zweige; unter jenen nimmt 0. brasiliensis (Willd.) 
Haw. wegen der sehr dünnen , blattartigen Glieder, die an stielrunden Lang- 
trieben befestigt sind, eine eigenartige Stellung ein. Im Süden und auf 
dem Centralplateau Brasiliens erlangen die kugelförmigen oder kurzsäulen- 



* Um klarer hervortreten zu lassen, wie aufserordentlich unvollständig die Kakteen 
aus Guiana, Venezuela und Coluinbien bekannt sind, habe ich diese Länder in der Tabelle 
für sich behandelt. 

Phys. Ahh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. II. 13 



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98 K. Schumann: 

förmigen Gestalten eine erhöhte Bedeutung. Die Gattung Echinocactus lie- 
fert in den Untergattungen Notocactus, Malacomrpus und Hybocactu^ zahlreiche 
Arten. Die Untergattung Discococtus ist für Brasilien endemisch. Auch die 
typischen Arten der Gattung Ethinopsis aus der Verwandtschaft von Eps. 
^yrÄf'.s// (Turp.) Zucc. sind recht elgentlidi charakteristisch für das Gebiet. 
DiePeireskien, welche im brasilianischen Gebiete vorkommen, sind ihm nicht 
eigenthümlich , sondern haben eine weitere Verbreitung. 

Wie in Mexico, liegt offenbar in diesem Theile des südamericanischen 
Festlan<les ein besonderes Entwickelungscentrum. Die Zahl der Gattungen 
ist far beide fast gleich (i i und i 2), von diesen sind dort 3 (AriocnrpuLS^ Pele- 
(njphora, Leuchtnibergia) endemisch, hier finden sich 2 (Epiphyllum , Harlota); 
an Zahl der Arten ist allerdings, so viel wir heute wissen, Mexico Brasilien 
um mehrals das Doppelte überlegen (267 : 108). Allerdings mufs dabei be- 
rücksichtigt werden, dafs uns das Hochland, von Brasilien bezüglich seiner 
Kakteenflora fast noch unbekannt ist; so viel steht aber fest, dafs dieses 
ungeheuere Gebiet weit ausgedehnte Cactusbestände besitzt, deren genaue 
Kenntnifs einst das Verhältnifs sehr zu Gunsten der Artenzahl von Brasilien 
verschieben wird. 

Als eine Enclave des brasilianischen Gebietes ist auch das Areal zu 
betrachten, welches die Kakteen mit der Gattung Rhipsalis in Africa be- 
siedelt haben und das sich über Madagascar, die Mascarenen und Seychellen 
bis Ceylon erstreckt. Ich kann es nur als einen Anhang betrachten, weil 
die Gemeinsamkeit des Vorkommens von RhipsaVis cassytlia den Zusammen- 
hang verbürgt. Dieser selbe Umstand garantirt auch die Überfahrung der 
Gattung von Brasilien nach Africa, welche sich wohl ohne Zweifel durch 
die Vermittelung wandernder Vögel vollzogen hat. Nachdem neuere Unter- 
suchungen über die aufserordentliche Geschwindigkeit des Vogelfluges Auf- 
klärung gebracht haben, dürfte die Übertragung der klebrigen, mistel- 
beerenähnlichen Rhipsalis -^rnchtQ nichts Befremdliches mehr haben. Ähn- 
liche Beziehungen in der Verbreitung lassen sich bei einer gröfseren Zahl 
Pflanzengattungen feststellen.^ Aber auch in der Zoologie fehlen Beispiele 
för entsprechende Verhältnisse keineswegs. Von vorzüglicher Bedeutung 
sind zunächst die Verbreitungen einiger Vögelgeschlechter, da ich die Flieger 
fiir die Verbreitung von Rhipsalis cassytha angesprochen habe. Ich verdanke 



* Engler, Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt II, 178. 



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Die Verbreit der Cactaceae im YerhäUn, z, ihrer systemaL Gliederung. 99 

die folgenden Angaben den liebenswürdigen Mittheilungen der HH. Mat- 
schie und Reichenow, besonders aber des Hrn. von Martens, die meine 
Fragen in freundlichster und bereitwilligster Weise beantworteten. Zunächst 
ist die Verbreitung zweier Baumenten [Dendrocyyna viduata [L.] und D.fulva 
[Gm.]) hervorzuheben, welche in Peru, Brasilien und Cuba vorkommen und 
durch das gesammte geographische Feld der Rhipsalis in Africa verbreitet sind. 
Auch die Papageiengattung Poeocephalus von gleicher Verbreitung steht dem 
americanischen Geschlechte Pionias sehr nahe. Nicht minder theilt die Gat- 
tung Rhynchops (Scheerenschnabel) dieselbe Verbreitung, geht aber über die- 
jenige von Rhipsalis in Ceylon hinaus und tritt noch in Hinter- Indien auf. 

Von solchen Thieren, welche wie Rhipsalis durch die Früchte, so von 
Vögeln durch die Eier verbreitet werden können, nenne ich 2 Arten der 
Auriculiden aus der Gruppe der luftathmenden Schnecken: Melampus pusillus 
und M. coffea sind an den Gestaden der Westindischen Inseln und der Ost- 
küste von Süd-America gemein. Beide treten wieder auf an der Küste von 
West-Africa, namentlich auf der Isla do Principe. Ferner sind die südost- 
africanische Landschnecke Cyclophorus Wahlbergi und die Süfswasserschnecke 
Neritina natalensis den in Venezuela und Guiana vorkommenden C, translvr 
cidus und Ner. zebra so ähnlich, dais sie noch Kraufs für identisch hielt. 

Auch Insecten können auf die gleiche Weise verbreitet werden ; unter 
den Pseudophylliden , zu den Heuschrecken gehörig, sind folgende 3 Gattun- 
gen beachtenswerth. Von Pleininia gibt es 6 Arten, die in Bolivien und 
in Brasilien von dem Staate Alto Amazonas bis Sa. Catharina verbreitet 
sind; eine aber findet sich in Sierra Leone. Das Geschlecht Dasysceltis 
weist in Columbien, Brasilien und Argentinien 5 Arten auf; eine derselben 
D. demigratus Brunn, lebt in Brasilien und in Gabun. 

VI. Das argentinische Gebiet ist nicht sehr scharf umgrenzt, weil 
es allmählich in die Nachbarschaft, auf der einen Seite nach Brasilien, auf 
der anderen nach dem folgenden andinen Gebiet übergreift; im Norden sind 
die Staaten Oran, Jujuy, Salta, Tucuman und Catamarca reich an Kakteen, 
wie uns neben älteren Arten namentlich die von Weber aus dieser Gegend 
beschriebenen Formen bewiesen haben; auch ich konnte noch einige der- 
selben aus der kostbaren Sammlung von Otto Kuntze hinzufugen. Der 
Gran Chaco mit seinen Fortsetzungen nach Paraguay und Bolivien hat uns 
bis jetzt so gut wie gar keine Kakteen gewährt, obgleich sie hier, den 
Sammlungen um das benachbarte Asuncion und privaten Mittheilungen zu- 

13» 



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100 K. Schümann: 

folge, keineswegs fehlen.* In dem Gebiete der Saunas finden sieh, wie mir 
Hieronymus freundlichst mittheilte, riesige Cereen, aber auch sie sind noch 
nicht bekannt; nicht minder treten um Cordoba einige Arten auf. Weiter 
nach Süden vorschreitend, treten wir dann in die altbekannten Kakteen- 
gebiete der Umgebung von Mendoza ein, welche schon Gillies und nach 
ihm Philippi so reiche Ausbeute gewährten, die aber besser zu dem an- 
dinen Gebiete gerechnet werden. In der Serra de la Ventana, nördlich von 
der Bahia Bianca, hat Spegazzini einige Arten gesammelt; noch weiter 
nach Süden sind die Kakteen bekannt bis zum Flusse Sa. Cruz unter dem 
50. Grad s. Br. und noch um 1-2^ südlicher, wo sich die Südgrenze der 
Kakteen mit einer Art von Opuntia findet. Die Zahl der Arten dürfte hier, 
wie aus den Sammlungen von Spegazzini und Düsen hervorgeht, keines- 
wegs geringfiigig sein. - 

Von den in diesem Gebiete vorkommenden Gattungen tritt Rhipsalis, 
aus Brasilien herüberstrahlend, noch mit einigen wenigen, zum Theil aller- 
dings sehr auffalligen Arten, in dem nördlicheren, mehr tropischen Theile 
auf, wie die mit Stacheln versehene, in den Beeren äufserst wenigsamige 
Rh, monacantlwL Gris., die stielrunde, sehr kräftige Rh, tucumanensis Web. u. a. 
Sehr formenreich ist Echinocactas mit den südamericanischen Sectionen Noto- 
cactus und Hybocactics; die letztere läfst sich bis zum 45. Grad s.Br. ver- 
folgen. Noch weiter nach Süden schreitet die Gattung Opuntia Sect. CyliiV' 
dropuntia vor, indem sie <lie Arten der äufsersten Grenzen der Kakteen 
liefert. Die Arten der Sect. Platyopuntia sind minder zahlreich ; im Norden 
geht Sect. Tephrocactus aus Bolivien in das Gebiet hinein. Auch Cereu^ 
ist in zahlreichen , theils aufrechten , theils niederliegenden und durch An- 
lehnen aufsteigenden, in der Erde wurzelnden Arten vertreten, während die 
echten Epiphyten nicht mehr vorkommen. Von der Gattung Echinopsis ge- 
deihen 3 endemische Arten in dem Gebiete; die eine Peireskia (P. sacha rosa 
Gris.) ist zwar P. 6feo (H. B. K.) P. DC. verwandt, aber von ihr verschieden. 
Endemisch ist nur eine Gattung, nämlich Pfeiffera mit P. ianthothele (Monv.) 
Web., über deren genaueres Heimathland uns erst Weber die längst er- 
wünschte Aufklärung gebracht hat. 

Vn. Das andine Gebiet nimmt alle diejenigen Örtlichkeiten ein, 
welche von dem Kakteenareal noch übrig bleiben ; es umfafst also die öst- 

* Ich habe erst vor Kurzem eine Sammlung durch die Güte des Hrn. Prof. Anisits 
erhalten, welche 63 Nummern enthält und noch der Bearbeitung harrt. 



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Die Verbreit der Cactaceae im VerhäUn. z. Vir er systemai. Gliederu7ig. 101 

liehen und westlichen Abhänge der Anden bis in die Breite des südlichen 
chilenischen Waldgebietes, aus dem wir bis jetzt keine Kakteen kennen ge- 
lernt haben. In diesem weitgestreckten Räume ist die Zahl der Arten recht 
beträchtlich (99); zweifellos wird sie aber noch aufserordentlich zunehmen, 
wenn erst die höheren Gebirge namentlich genauer erforscht sein werden. 
Die trockeneren Abhänge der Cordilleren nach Brasilien hin scheinen sehr 
reich an besonderen Arten, zum Theil von riesigen Dimensionen, zu sein. 
Die Gattungen Opuntia, und zwar aus den Untergattungen Cylindropuntia 
und Tephrocactus , ferner Cereus und Echinocactus haben die meisten Arten 
geliefert, die alle endemisch sind (24, 21, 34); von Echinopsls gedeihen dort 
8 Arten , Pilocereus lieferte 3 Arten , von denen die eine auf argentinischer 
Seite, am Paso Cruz, wächst und der Tracht nach an Echinopsls herangeht. 
Von den ganzen 99 Arten überhaupt sind 97 endemisch; aufserhalb dieses 
Gebietes finden sich nur 2 Arten; die eine ist Phyllocactus phyllanthus (L.)Lk., 
ein weit 'über Süd- America herumschweifender Epiphyt, und die andere, 
iZÄ. a&zto (Sw.) K. Seh., aus Peru, von der noch nicht einmal sicher ist, ob 
die peruvianische Pflanze nicht eine eigene Art darstellt. 

Bei diesem weitgehendsten Endemismus der Arten ist es auffallend, 
dafs nur eine endemische Gattung auf dem andinen Gebiete vorkommt , die 
noch dazu auf dem Ostabhange der Cordilleren, am Paso Cruz gedeihende Gat- 
tung PterocactiLS, Dieser Endemismus wird wahrscheinlich sogar in Weg- 
fall kommen, weil eine von Fr. Kurtz in Tucuman gesammelte Pflanze aller 
Muthmafsung nach zu Pterocactu^ gehört. 

V. Über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Kakteen. 

Den ersten Versuch , die Kakteen nach ihrer natärlichen Verwandtschaft 
in ein System der Pflanzen einzugliedern, finden wir bei Adanson.^ Durch 
die Bestrebungen von 0. Kuntze ist dieser Gelehrte im ganzen unverdienter 
Weise zu einer erhöhten Bedeutung gekommen; einen gewissen natürlichen 
Takt in der sicheren Auffassung der natürlichen Verwandtschaft mufs man 
ihm indefs zuerkennen. Eben dieser Takt ist auch darin zu erkennen, 
wenn er die Kakteen in der XXXII. Familie seines Systems , Portulacae oder 
Pourpiers, unterbringt. Sie stehen hier in folgender Reihe: Mesembrianthe- 



* Adanson, Familles des plantes II, 243. 



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102 K. Schumann: 

mum, Gasoul, Vossia, Hariota^ Opuntia, Cereus, Moscatellina, Die Gattungen 
Gasoul und Vossia sind heutzutage keinem Botaniker mehr geläufig; sie sind 
in ganz ungenügender Weise auf einige Mesnnbrianthefnuyn- Arten nach Ab- 
bildungen aus Dillenius, Hortus Elthamensis, gegründet. Somit werden 
die Kakteen, repraesentirt durch 3 Gattungen, Hariota^ Opuntia und Cereus^ 
unmittelbar an Mesetnhrianthemum angereiht, eine Vornahme, die fiir mich, 
wie ich unten zeigen werde, sehr beachtenswerth ist. Wenn freilich dann 
Moscatellina, unsere Adoxa, m diese Gesellschaft hineingeräth, so stehen wir 
wieder vor einer von den vielen Unbegreiflich keiten und Überraschungen, 
an denen das Werk von Adanson nicht eben arm ist. 

Jussieu* hat eine Ordnung^ Cacti in der XIV. Classe, Polypetalie-Peri- 
gynie. Sie nimmt die III. Ordnung ein und enthält 2 Gattungen, neben 
Caches im Sinne Linne's vom Jahre 1753 die Gattung ÄÄ^^. In dem Werke 
Jussieu's liegt die Wurzel der lange in Geltung gewesenen Vorstellung 
einer Verknüpfung der Kakteen mit den Stachelbeeren. Jussieu unternahm 
es auch , diese Copulation zu begründen , indem er auf das Vorkommen von 
Stacheln in beiden Gattungen aufmerksam machte und indem er darauf hin- 
wies, dafs die Beeren der Peireskia acukata Wilh in Westindien GroseUles ge- 
nannt würden!? 

Wenn auch nicht in derselben Familie, so brachte doch Pyr. DeCan- 
dolle^ die Stachelbeeren und Kakteen unmittelbar hintereinander in 2 ge- 
sonderten Gruppen. Er wählte für die erste Familie den Namen Cacteaey 
indem er die älteren , schon vorliegenden Cactoideae Vent. , Nopaleae P. DC. 
(olim), Opuntiaceae Juss. übergieng. Diese Bezeichnung hat sich mit ent- 
schiedener Zähigkeit bis in unsere Tage erhalten. 

Bartling* stellte in seinem so wichtigen Werke die Nopaleae hinter 
den Ribesioideae in die Ordnung der Peponiferae , eine Ansicht, die später 
nicht ohne Beachtung blieb. Lindley^ gründete dagegen eine eigene Ord- 
nung CactaleSy welche aufser den Cadaceae, wie er zuerst die Familie nannte, 
merkwürdiger Weise die Homaliaceae und Loasaceae umschlofs. Baillon® 



Jussieu, Genres (übers, von Usteri). 

Jussieu nannte bekanntlich die Familien Ordnungen. 

F. De Candolle, Prodr. III. 

Bartling, Ordines 276. 

Lindley, Veget. Kingd. III, ed. 741. 

Baillon, Hist. pl. IX, 37. 



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Die Ver breit, der Cactaceae im Verhältn. z. ihrer systemat GUederting, 103 

wies zuerst die Verwandtschaft der Cactaceae mit den RS)esioideae ausdrück- 
lieh ab, stellte diese zu den Saxifragaceae und wollte Beziehungen der erste- 
ren mit den Cucurbitaceae , Aristolochiaceae , Mesembriantheniaceae und Portula- 
cac-eae erkennen. 

In den Natürlichen Pflanzenfamilien ^ und dem darauf gegründeten Syl- 
labus von A. Engler finden die Opuntlales mit der einzigen Familie Caeta^ 
ceae einen Platz zwischen den Parietales und Thymelaealfs, Beziehungen zu den 
letzteren kann ich nicht erkennen. In der ersteren Ordnung könnten allein 
die Loasaceae zum Vergleich herangezogen werden; auf diese Weise würde 
eine gewisse Annäherung an den Standpunkt Lindley's gewonnen werden. 

Ich habe in den Natürlichen Pflanzenfamilien die Familie bearbeitet. 
Über die natürliche Verwandtschaft habe ich ein ürtheil nicht abgegeben, 
weil ich die Frage in der damaligen Zeit noch mcht für spruchreif ansah. 
Jetzt, nachdem ich die ganze Familie monographisch durchgearbeitet habe, 
glaube ich eher meine Meinung aussprechen zu dürfen, weil ich sie tiefer 
zu begründen im Stande bin. Ich stimme zunächst unbedingt Baillon zu, 
dafs die Ribesioideae mit den Cactaceae gar keine Beziehungen haben. Ebenso 
wenig halte ich die Einschliefsung der Familie in die Ordnung Peponiferae 
für richtig. Namentlich der Blüthenbau ist in beiden Gruppen so völlig 
verschieden, dafs eine weitere Begründung völlig erübrigt. Wenn Lindley 
die Kakteen zwischen die Homaliaceae und Loasaceae stellt, so fehlt mir 
fär diese Anordnung ebenso jedes Verständnifs wie fär Baillon 's Ansicht, 
dafs die Aristolochiac^ae und Cucurbitaceae zum verwandtschaftlichen Vergleich 
herangezogen werden sollen. 

Dagegen erscheint mir Adanson's Meinung, dafs die Kakteen mit 
Mesembrianthemum und Portulaca bez. mit den Gruppen, deren Typen beide 
sind, in engerer blutsverwandtschaftlicher Beziehung stehen, äufserst be- 
herzigenswerth. Verweilen wir zunächst bei den vegetativen Merkmalen, 
so ist eine Neigung zur Succulenz in allen 3 Familien nicht zu verkennen. 
Allerdings äufsert sich dieselbe bei den Kakteen zumeist in der Form der 
Stammsucculenz mit hochgradiger Reduction der Blätter, während die beiden 
anderen Familien zumeist Blattsucculenten aufweisen. Wir dürfen aber nicht 
vergessen, dafs in der Gattung PeiresJda und auch bei Opuntia ausgezeich- 
nete Blattsucculenten gefunden werden. 



Engler, Natürl. Pflanzenfamilien III (6). 



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104 K. Schümann : 

Ein recht wichtiges Moment für die verwandtschaftlich genäherte Stel- 
lung der 3 Gruppen erscheint mir, dafs der so vorzügliche Charakter der 
Kakteen, die Areolenbildung, in den beiden anderen Familien wiederkehrt, 
sonst aber in dem ganzen Gewächsreiche nicht mehr auftritt. 
Die eigenthümliche Erzeugung von Haarbüscheln — oder Polstern — in 
der Achsel der Blätter ist ein auffallendes Merkmal vieler oder sämmtlicher 
Arten von Talinopau^y Gra/iamut, Portulaca und Amiccnnpseros. Man hat diese 
Gebilde in beiden Familien mit Neberiblattgebilden homolog gesetzt, weil 
die den Mesembrianthcmeen und Portulacaceen eigenthümlichen Nebenblätter 
fehlen, sobald die Acliselwolle auftritt. Ich kann dieser Auffassung nicht 
beipflichten. Die Haarbüschel treten, wie die Entwickelungsgeschichte 
lehrt, ganz deutlich als Trichome aus dem Blattachselgrunde hervor; sie 
können also durchaus nicht als aufserordentlich zerschlitzte Nebenblätter, 
die hier stets laterale Stellung neben dem Blattstiele haben, angesehen wer- 
den. Wenn nun die Haarbüschel die Function, welche sonst den Neben- 
blättern zukommt, n&iiilich als Schutz der Neubildungsherde und ihrer Pro- 
ducte zu dienen, viel besser übernehmen als die Stipeln, so wird uns ein- 
leuchten , dafs die letzteren als überflüssige Organe in Wegfall kommen dür- 
fen, wenn die Haarbüschel vorhanden sind. 

Mit den Areolen zu vergleichen sind ferner die eigenthümlichen Stachel- 
felder, welche sich an den Blattspitzen gewisser Mesejubrianthemum-ATten 
finden. Als Vergleichsobject mit den Kakteen eignen sich vorzüglich jene 
Kelchblätter von M,harhatum L., M.denmm Haw. und anderen Arten, welche 
unterhalb der Spitze eine kreisförmig umschriebene Area, mit strahlenden 
Stacheln besetzt, aufweisen; die letzteren mit ihren zwiebelig verdickten 
Basen erinnern recht auffallig an die gleichen Organe bei den dünnstache- 
ligen Mamillarien. Denselben Ort der Anheftung kenne ich von den äufseren 
Hüllblättern einiger Arten von Echinocadus (E. Ottonis) und Echinocereus (Ecer. 
pectinatus), an denen ich die normal achselständigen Borsten oder Stachel- 
bündel bisweilen ebenfalls bis zur Spitze heraufgehoben fand. Bei der 
ersten Betrachtung scheinen die Verhältnisse der Meseftiibrmnihemum- und 
Mamilktria-ATieii grundverschieden; erwägt man aber die von mir zuerst 
bekannt gemachten Funde an Echinocachcs und Ejchinocereus , so wird man 
vielleicht einen Fingerzeig dafür finden, wie jene sonst so räthselhaften 
Gebilde bei Mesenihrianthnnum schliefslich auf die Spitze der ellipsoidischen 
Blätter gekommen sind. Die Mittel, durch welche succulente Mesembriartr 



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Die Verbreit der Cactaceae im VerhäUn, z. ihrer systemal, Gliederung. 105 

themeae und Portuhcaceae vor der zu hohen Wasserabgabe durch Transpi- 
ration geschützt sind, erweisen sich als identisch mit den Vorrichtungen, 
welche sich bei den Kakteen finden. Das wichtigste von allen ist der 
reiche *6ehalt an Schleim, der wahrscheinlich allein schon genügt, um einer 
zu starken Verdunstung zu begegnen. 

Was die florale Region anbetriflft, so ist vor allen Dingen hervorzu- 
heben , dafs sich bezüglich der Samenanlagen und der Samen die Kakteen 
vollkommen an die Centrospermen und in Sonderheit an die beiden Gruppen 
der MesembriantJiemeae und Portulacaceae anschliefsen. Die Kakteen zeigen 
ganz allgemein wegen der Krümmung des Knospenkems eine starke Nei- 
gung zur Campylotropie , welche für die ganze Ordnung so charakteristisch 
ist. Die lockere Auflage des äufseren Integumentes , welches von Portulaca 
her bekannt ist, habe ich an der Samenanlage \on Peireskia bleo (lA.H.l^,) 
P. DC. nachweisen können. Höchst merkwürdig ist bekanntlich die That- 
sache, dafs bei Opuntia die Samenanlage noch von einem Sack, der seinen 
Ursprung vom Samenstrang her nimmt, umhüllt wird. Der erste Anfang 
dieser Bildung ist in* der ganzen Familie der Kakteen keineswegs selten. 
Sehr viele Arten zeigen am Samenstrang, dort wo er der Samenanlage 
ansitzt, eine Falte, in welche sich die Mikropyle mit der Spitze einschiebt. 

Jener merkwürdigen Hülle der Samenanlagen von Opuntia begegnet man, 
soweit meine Kenntnisse reichen, in dem ganzen Pflanzenreiche nur noch 
in einer Gattung der Aizoaceae, bei Trianthetna; sie entsteht bei Tr.mo- 
nogyna L. als eine doppelseitige Wucherung, die vom Samenstrang aus- 
geht, zu beiden Seiten an der Samenanlage heraufwächst und schliefslich 
an dem Scheitel und der Stirnseite zum lückenlosen Verschlufs kommt. 
Eine solche morphologische Besonderheit an einem tief in der Höhlung 
des Fruchtknotens eingeschlossenen Organe scheint mir für die Festsetzung 
, der verwandtschafllichen Beziehungen von nicht geringem Werthe zu sein. 

Die Samen der Kakteen sind bei allen denjenigen Formen, welche 
gröfsere Keimblätter besitzen , durchaus von der Natur der Centrospermen. 
Der Keimling ist nämlich dann stets hakenförmig gebogen oder vollkommen 
kreisförmig zusammengekrümmt. In dieser Hinsicht bieten wieder Opuntia 
imd Peireskitty welche in ihrer Entwickelung die geringste Abweichung von 
den normalen Dicotyledoneae zeigen, die klarsten Bilder. Die Keimlinge 
vieler Arten würden frei praeparirt von denen der Aizoaceae und Portu- 
lacaceae nicht zu untersch<uden sein. Bei den Opuntien zeigt sogar das 
Phys. Abh, nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. IL 14 



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106 K. Schumann: 

Endosperm, welches vom Keimling eingeschlossen wird, die gleiche mehlige 
Beschaffenheit wie bei den Centrospermen , ein Charakter, dem ich eine 
hohe Bedeutung beimessen möchte. Allerdings verändert sich die Beschaffen- 
heit des Keimlings mit der weiter vorschreitenden Differentiation des Kör- 
pers, so dafs die Cereoideae oft blofs einen mehr oder weniger kurzhakigen 
Keimling darbieten , bis derselbe bei den Mamillarioideae völlig gerade ist und 
nach dem ersten Anblick ungegliedert zu sein scheint. Wenn man den- 
selben aber von der Scheitelseite bei stärkerer Vergrösserung betrachtet, 
wird die feine Grenzlinie, die zwischen den beiden viertelellipsoidischen 
Keimblättern liegt, bald sichtbar; diese können dann mit der Nadel aus 
einander gelegt werden. 

Die äufsere Beschaffenheit der Samenschale ist bei den Kakteen sehr 
mannichfaltig. Wenn ich von der knochenharten Schale der Opuntien ab- 
sehe, so zeigen die Samen entweder eine umgekehrt eiförmige, von der 
Seite zusammengedrückte Gestalt (Marrtillaria), oder sie sind Scheiben- oder 
linsenförmig (Peireskia) oder sie haben die Form der sogenannten Ballon- 
mützen {Melocacius und Echinocactus sp.), die durch Verkürzung in das 
Botförmige übergeht. Eine Sculptur in der Form von grubigen, stich- 
förmigen Punkten oder feinen Wärzchen ist weit verbreitet; bisweilen aber 
fehlt sie vollkommen, die Peireskia -^^men sehen aus wie auf Hochglanz 
polirte, schwarze, linsenförmige Scheibchen. Alle diese Verhältnisse treten 
bei den Portulacaceae und Mesemhrianthemeae wieder auf. Die Samen von 
Tetragonia haben eine grofse Übereinstimmung mit denen der Mamillarien; 
die von Claytonia zeigen die wesentlichsten Charaktere der Peiresk'uzSvLmen. 
Die gekörnte Structur tritt bei MesemhriontJieinum auf und wiederholt sich 
bei Talinum und Montia. 

Doch nicht blofs hinsichtlich der Samenanlagen und Samen kann man 
zwischen den Kakteen und den Portulacaceoe und Mesemhrianthemeae gemein-, 
schaftliche Merkmale nachweisen, die auf eine nahe Verwandtschaft schliefsen 
lassen, sondern auch die Blüthen zeigen noch manche interessante Beziehun- 
gen zwischen den drei Gruppen. In der allgemeinen Plastik ist zwar ein 
durchgreifender Unterschied insofern vorhanden, als bei den Mesembrianr 
ihemeae und Portulacaceae stets eine reine Scheidung von Kelch und Krone 
vorhanden ist, während die Kakteen ausnahmslos spiral angereihte Blüthen- 
hüUblätter besitzen, an denen jene Sonderung nicht vollzogen ist. Allein 
der Umstand, dafs die Gattung Mesembrianthemum in den Phyllomen der Blu- 



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Die Verbreii. der Caciaceae im VerhäUn. z. Virer syslemat, Gliederung. 107 

menkrone keine constanten Zalilenverhältnisse aufweist, bedingt schon eine 
Annäherung an die bei den Kakteen obwaltenden Verhältnisse. 

Sehr beherzigenswerth ist wieder eine bei den Aizoaceae und Cactaceae 
auftretende Besonderheit. Der unterständige Fruchtknoten der letzteren ist 
in vielen Gattungen mit Blättern bedeckt; in ihren Achseln befinden sich 
Neubildungsherde, aus denen Wollfilz, Haare und Stacheln hervorgehen 
können. Nicht wenige Arten von Opuntia und auch Peireskia Ueo sind da- 
durch ausgezeichnet, dafe jene Neubildungsherde Blüthen hervorbringen 
können, eine Erscheinung, die bei manchen Opuntien völlig normal wird, 
so dafs an Stelle einzelner Blüthen an den Gliedern ganze Klumpen sitzen, 
die durch ihr Eigengewicht wie Troddeln herabhängen (0. Whipplei Eng., 
0. proUfera Eng. u. s. w.). Auch bei den brasilianische« und argentinischen 
Arten {O.manacantha [W.] Haw., O.Sahniana Parm., 0, Schiekendantzii Weh.) 
und anderen Formen kommt dieselbe Erscheinung normal vor; die Früchte 
sind dann sehr häufig steril, sie fallen ab und dienen zur vegetativen Pro- 
pagation. 

Ich kenne ähnliche Verhältnisse von Sprossungen aus dem Fruchtknoten 
nur noch bei drei Gattungen: bei der Umbellifere Petagnia saniculifolia P. DG., 
der Valerianaceengattung Phyllactis. und endlich der mit Mesembrianthemum 
allein näher verwandten Gattung Tetragonia. Jede der merkwürdigen, sel- 
ten vorkommenden Besonderheiten, die ich für die Kakteen und die bei- 
den anderen Gruppen der Centrof^perinae als gemeinsam erwähnt habe, mag 
vielleicht für sich betrachtet als recht belanglos beurtheilt werden; wenn 
sie sich aber in vielfacher Weise häufen, so wächst ihre Bedeutung offen- 
bar in sehr hohem Mafse, und ich möchte in ihnen wichtige Indicatoren 
für die verwandtschaftlichen Beziehungen unter einander erkennen. 

Von vorn herein will ich bemerken, dafs ich keineswegs gesonnen bin, 
die Kakteen mit einer der Gruppen , mit den Meseml)riantliemeae oder mit den 
Pjortulaceae zu vereinigen ; ich meine aber, dafs sie in der Nähe dieser Grup- 
pen untergebracht werden müssen. Ich würde selbst keinen Anstand neh- 
men, sie als eigene Familie der Ordnung Centrospermae einzuverleiben; An- 
dere würden vielleicht als besser erachten, dafs auf Grund der spiralig an- 
gereihten BlüthenhüUblätter die eigene Ordnung Cactales erhalten bliebe. 
Unbedingt geboten erscheint mir auch diese Rücksicht nicht, da cyklische 
und Spirale Blüthen ja nicht so selten in einer Ordnung, ja in einer Fa- 
milie vorkommen. Aufsor jenem Charakter ist mir kein wesentliches Kenn- 

14* 



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108 K. Schümann: 

zeichen der Kakteen bekannt, das nicht auch in der Ordnung der Centro-, 
spermae nachweisbar wäre. 

Zum Schlufs sei es mir noch gestattet, einige Gedanken über die phylo- 
genetische Ableitung der Kakteengattungen und über die Wege zu äufsem, 
welche sie wohl bei ihrer Ausbreitung über einen so ungeheuren Raum, der 

109 Breitengrade umfafst, eingeschlagen haben mögen. Wenn ich versucht 
habe, die engen blutsverwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Cacta- 
ceae und den Mesetnbrianthetneae und Portulacaceae darzuthun, so meine ich 
auch, gemäfs unseren heutigen Anschauungen über den phylogenetischen 
Zusammenhang der Gewächse, dafs die genannten Gruppen einer gemein- 
samen Wurzel entsprungen sind. Ich will mich in dieser Hinsicht mit aller 
Zurückhaltung und Vorsicht ausdrücken und nicht etwa versuchen , eine ge- 
naue Ableitung der Gruppen aus einander in irgend einer Richtung zu geben. 
Wenn wir nun die geographische Verbreitung der Mesembr'mrdhemeae und 
Portvlamceae nach ihren Gattungen betrachten, so ergibt sich für die ersteren 
mit aller nur wünschenswerthen Sicherheit, dafs sie zu denjenigen Gewäch- 
sen gehört, welche wir altoceanisch nennen. Der gröfste Theil der Arten 
von Mesemhrianthemum gehört dem Cap und zwar vornehmlich jenem süd- 
westlichen Theile an , der durch die höchst eigenartige Flora ausgezeichnet 
ist. Alle Arten, welche aufeerhalb des Caplandes vorkommen, sind mit 
Ausnahme von M. dhnorphumYf^lyf. und M, dactylinumWelw., die Angola 
angehören, und einigen seh wachen südeuropäischen Formen als Arten an- 
zusehen , die sicher, vielleicht meist mit Hülfe des Menschen, vom Cap aus- 
geschwärmt sind. Diese Arten sind M.nodißorurn'Ij. und M.crystallinumlj.y 
welche bis zu den Canarischen Inseln und dem Mittelmeergebiete, auf der 
anderen Seite bis Australien und Californien gehen; das erstere erscheint 
auch noch im arabischen Wüstengebiete. Wer je die dichten Behänge 
von M.edukL. an den Felsen der Riviera gesehen hat, wird keinen Zweifel 
über die ungewöhnliche Verbreitungsfähigkeit dieser Arten hegen. Die in 
Australien endemische Art M. amtrale Sol. ist von M, crassifolium L. des Cap- 
landes sicher nicht verschieden. 

Ganz analog ist die Verbreitung der Gattung Teiragonia, nur daCs die 
vagirenden Formen nicht so weit umherschweifen. Der Grundstock ist süd- 
africanisch; wieder treten dann 2 Arten in Angola au{ {T.reduplicataWelw. 
und T. macroptera Frx); T, implexlcoma Hook, ist ein Bürger Australiens; 
T. ej^ansa MuTi\ aber findet sich im extratropischen Süd -America, in Austra- 



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Die Verbreä. der Cactaceae im Verhältn. z. Hirer systemai. Gliederung. 109 

lien, auf .Neu -Seeland und geht bis Polynesien und Japan. Diese Verbrei- 
tung ist ganz diejenige eines altoceanischen Geschlechtes. 

Weniger in die Augen springend, aber doch immerhin noch klar genug, 
erweist sich die Verbreitung der Portuhcaceae^ als derjenigen einer altoceani- 
schen Gruppe entsprechend. Namentlich sind endemische Arten von Porta- 
lacGy Calandrinia und Clai/tonia in den Ländern des sudlichen Indischen 
Oceans verstreut. Hectorella ist eine endemische neuseeländische Gattung, 
TaUnella gehört Madagascar an, Anacampseros und Portulacaria gedeihen am 
Cap. Grahamiüy Monocosynla und Silcaea gehören dem südlichen Anden- 
gebiete und dem extratropischen Süd-America an. Alle diese Vorkommen 
lehnen sicli an solche von Gewächsen altoceanischen Ursprungs an. Nur 
Spraguea, Calj/ptridium , Talinopsis und Lewisia sind Producte eines beson- 
deren Entwickelungscentrums , das sicli von dem Staate Californien bis zur 
Halbinsel Californien erstreckt. 

Für die Kakteen ist nun die Frage über d«n Ort ihrer Herkunft keines- 
wegs einfach zu beantworten. Sie sind so gut wie ausschliefslich ameri- 
canisch, denn die Vorkommnisse in Africa lassen sich meines Ermessens 
befriedigend als Anhängsel der americanischen Verbreitung erklären. Die 
Dichtigkeit der Arten nimmt von Canada her zuerst sehr allmählich zu, steigt 
dann in den südlichen und westlichen Vereinigten Staaten und Nord -Mexico 
etwas schneller an und erreiclit auf dem Plateau von Anahuac mit rapider 
Zunahme ein erstes Höchstmafs. Nach den Mittelamericanischen Freistaaten 
zu fallt die Zahl der Arten dann schnell ab , auch in Westindien vermindert 
sie sich erheblich, um im mittleren Andengebiet und in Brasilien ein 
zweites niedrigeres Maximum zu gewinnen; von Bolivien aus fällt die Zahl 
nach Chile zu viel schneller als auf der Ostseite, wo die Dichtigkeit all- 
mählich, und zwar erst nördlich der Magelhaensstrafse , auf o sinkt. 

Das ungemein grofse geographische Feld, welches gegenwärtig die 
Kakteen besetzt halten, können sie auf keinem anderen Wege als den der 
Wanderung errungen haben. Von einem gewissen Theile können wir diese 
Wanderung leicht beweisen. 

Bei der Besprechung der geographischen Verbreitung der Gattung Echi- 
nocereus^ Echinocactus ^ Mamillaria und Opuntla konnte ich zeigen, dafs Arten 
derselben bis weit nach Norden vorgedixmgen sind und Gegenden bewohnen, 
die während der Glacialzeit entweder vollkommen von einer Eiskappe be- 
deckt waren oder sich unter Bedingungen befanden, welche wogen der Nähe 



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110 K. Schümann: 

der Eisfelder keinesfalls zu ihrer Existenz geeignet waren. Ich will zur 
genaueren Beleuchtung dieser Thatsache eine kurze Darstellung von der Be- 
grenzung des Inlandeises in Nord -America geben. Die Südgrenze verläuft, 
von dem Atlantischen Ocean beginnend, durch den Staat New York bei etwa 
41® n. Br. , durchkreuzt, nördlich aufsteigend, Pensylvania und erreicht bei- 
nahe den Erie-See. Dann wendet sie sich in Krümmungen südwestlich und 
überschreitet nördlich von der Gabel des Ohio und Mississippi diesen Flufs 
und dann den Missouri. In dieser Gabel liegt der südlichste Punkt der 
Eisbedeckungen bei etwa 38® n. Br. Die Grenze durchläuft nun den Staat 
Kansas in einiger Entfernung vom Missouri und geht ziemlich pai'allel mit 
diesem Flufe und westlich von ihm durch Nebraska, Süd- und Nord -Da- 
kota. Sie steigt jetzt in nordwestlicher Richtung auf, um sich dann west- 
lich zu wenden und sich auf eine weite Strecke etwa dem 47. Breitengrade 
parallel hinzuziehen. Den Hochgebirgen entsprechend, welchen sie in Idaho 
und Oregon begegnet, macht sie zahlreiche, zum Theil tief nach Süden (in 
Oregon bis zum 43. Grad n. Br.) eindringende Krümmungen und Schleifen. 

Die Anzeichen der Eisbedeckungen sind in den Vereinigten Staaten die 
gleichen, welche wir in der Alten Welt kennen: Blocklehm mit mächtigen, 
eingebetteten Geschieben nördlicher Herkunft, geritzte Felsen und Rund- 
höcker kennzeichnen mit Gletschermühlen die Böden, über welchen sich 
die Eiskappe ausbreitete. Nur sind alle Pa-scheinungen bei weitem grofe- 
artiger und gewaltiger als bei uns. Die äufsere Endmoräne ist fast auf der 
ganzen Länge durch die Vereinigten Staaten im Zusammenhange nachge- 
wiesen worden. Eine Vorstellung von der Mächtigkeit der Bedeckung kann 
man erhalten, wenn man die Angaben von Hitchcock liest, welcher die 
Höhe der Eiskappe bis 6500 Fufs berechnete und welcher die Mächtigkeit 
des Eises auf der canadischen Wasserscheide zu 4—5000 Fufs schätzte. Dem- 
entsprechend ist die Breite der Endmoräne von 15-18^'" kein überraschen- 
des Mafs. 

Sehr eigenthümlich und höchst beachtenswerth ist die von Dawson 
festgestellte Thatsache , dafs eine westliche Grenze der Eisbedeckung existirt, 
so dafs der Südwesten von Britisch -Columbien eisfrei war. Die neuesten 
Untersuchungen dieses Gelehrten, welche dem Golddistrict von Klondyke 
gewidmet waren, haben aber ergeben, dafs seine Meinung über eine noch 
weiter nach Norden gehende, eisfreie Zone nicht richtig war; denn die Eis- 
ströme der Gebirge am Yukon, welche sich nach allen Richtungen in die 



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Die Verbreü. der Caclaceae im VerMÜn. z. ihrer systemat, GUedemng. 111 

tieferen Örtliehkeiten ergossen , haben in dem Scheerengürtel von Britisch- 
Columbien das Meer erreicht und vielleicht zur Bildung desselben beigetragen. 

Im Zusammenhange mit dieser Vereisung des nördlichen Nord -America 
standen ausgedehnte Vergletscherungen der Rocky Mountains, desCascaden- 
Gebirges und der Sierra Nevada. Die Gegend um den heutigen National 
Park war ein nahezu quadratisches Gletscherfeld von etwa 500 geographi- 
schen Quadratmeilen Oberfläche. Von mindestens derselben Gröfee waren die 
Eisflächen auf der Sierra Nevada und den Gebirgen Colorados. Die letzteren 
erstreckten sich bis in den Staat Neu-Mexico; ihnen gesellten sich noch klei- 
nere Felder in Nord-Californien, Utah, Wyoming und Süd- Colorado hinzu. 

In Canada wächst heute Opuntia missouriensis P. DC. am Peace River, 
wo die Eisbedeckung über 1000" Mächtigkeit gehabt haben mufs; auch itfa- 
millaria niissouriens^is Sw, und M.vivipara (Ftb,z,) Haw. gedeihen an Orten, die 
nördlich von der südlichen Grenzlinie des Eises liegen. . Auf den Moränen 
des Mesas von Colorado wurde Echinoa/ctus SimpsonüV,ng., nach des Autors 
eigener Angabe auf altem Moränenschutt, gefunden, und Opuntia missou- 
riensis Sw., 0. xanthostemma K. Seh. und 0. rhodantha K, Seh. , Mamillaria mis- 
souriensis (Nutt.) Sw. , Kchinocactus glaucus K. Seh. , Echinocereus phoenioeus Eng. 
gedeihen nach den Beobachtungen von Purpus in über 2000" ü.M. Höhe, 
an Orten, die von den Gletschern bedeckt gewesen sind. 

Wenn nun auch die ebeneren Gebiete der südwestlichen Vereinigten 
Staaten und die Gebirge von Neu-Mexico und Arizona keine Gletscherspuren 
zeigen, so mufs doch die Einwirkung der niederen Temperaturen Bedingun- 
gen geschaffen haben, dafs, wenn dort Kakteen überhaupt, so doch be- 
stimmt nicht die heute vorkommenden, empfindlicheren Arten wachsen konn- 
ten. Zudem ist zu erwägen, dafs noch in der auf die Glacialepoche fol- 
genden Champlainperiode durch das Abschmelzen des Gletschereises aus- 
gedehnte Seen in den Kakteengebieten von Utah und Nevada gebildet wur- 
den ,, von denen der grofse Salzsee und die zerstreuten Wasserbecken in Ne- 
vada noch als die übrig gebliebenen Reste zu betrachten sind. Diese post- 
glacialen Seen haben von den americanischen Gelehrten die Namen Lake 
Bonneville und Lake Lahonton erhalten. 

In diesen für die Kakteen früher unwirthlichen oder durch Wasser 
und Eisbedeckung unzugänglichen Gebieten wachsen jetzt diese Pflanzen in 
grolser Zahl. Auf einem anderen Wege als auf dem der Wanderung können 
sie nicht in diese Districte gekommen sein. Der Umstand aber, dafs ein 



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112 K. Schümann: 

grofser Theil dieser Kakteen eigen thümliche, nur auf sehr enge Wohn- 
orte beschränkte Arten sind, gibt einen Beweis dafiir, dafs dieses durch 
kUmatische Veränderungen geschaffene neue Siedelland em günstiger Boden 
für eine eigenartige specifische Differenzirung gewesen ist. 

Die Halbinsel Californien ist zum Theil im späteren Tertiär, zum Theil 
erst im Postpliocän gehoben worden. Auch dieses Gebiet ist heute mit 
Kakteen reichlich bestanden, die ebenfalls nur durch Wanderung in das- 
selbe eingedrungen sein können, so dafs also die Thatsache der Wanderung 
an sich vollkommen genügend begründet ist. 

Über diese Erfahrung dürfen wir aber vorläufig nicht hinausgehen, 
wenn wir den sicheren Boden unter den Füfsen behalten wollen. Die recht 
gute Kenntnifs über die geologischen Verhältnisse der Vereinigten Staaten 
erlaubt vielleicht, wie ich mich durch ein genaueres Studium der einschlä- 
gigen Litteratur überzeugt habe, wohl noch einige fernere Schlüsse; dafür 
herrscht aber unter den Geologen, welche die Tectonik von Süd -America 
untersuchten, noch eine so vollkommene Verschiedenheit der Auffassung, 
dafs ich gegenwärtig auf eine eingehende Darstellung Verzicht leisten muCs. 
Somit kann zur Zeit eine auch nur in bescheidenem Mafse gefestigte Mei- 
nung darüber nicht gegeben werden, in welcher Richtung sich der Strom 
der Kakteen ergossen hat, ob er sich von Süden nach Norden oder in 
umgekehrter Richtung bewegt hat. Als beachtenswerthe Momente für 
die erster« lassen sich zwei in Erwägung ziehen: erstens die Verwandt- 
schaft mit den Mesembrianthemeae und Portulacaceae altoceanischen Ursprungs 
und jener Umstand, auf den ich bei der Besprechung über die Verbreitung 
von Opuntia hingewiesen habe. Diese bildet in Nord -America eine nach 
oben hin offene Gabel , deren einer Arm östlich von den Alleghanies liegt, 
der andere aber über Mexico nach Norden geht. Wenn die beiden Zinken 
im Süden zusammenlaufen, so ist eine Besiedelung von hieraus wahrscheinlich. 

Als Ausgangsglied der Entwickelung der ganzen Familie betrachte ich 
Peireskia; in ihren breitspreitigen Blättern steht sie wahrscheinlich den Ur- 
formen der Kakteen am nächsten ; sie hat die Tracht normal entwickelter 
Dkotyledoneae wahrscheinlich deswegen am längsten bewahrt, weil sie nicht 
in xerophytische Gebiete eindrang und stets Bodenpflanze blieb. Für ihr 
hohes Alter spricht auch die sehr zersprengte Verbreitung. Maihtienia 
leitet von ihr zu Opuntia über; mit jener hat sie die dünnschaligen Samen 
und den Mangel an Glochiden gemein; in der Tracht lehnt sie sich an 



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Die Verbreit, der Cactaceae im VerhäÜn. z. Vir er systemat Gliederung. 113 

die letzterwähnte Gattung an. In Op. ovata Pfeiff. fand ich insofern ein 
vortrejBfliches Bindeglied zwischen dieser Gattung und ^Maihuenia^ als sich 
hartschalige weifse und dünnschalige braune Samen in einer und derselben 
Frucht fanden. Fterocactus ist w^ohl so gut wie sicher von Cylindropuntia 
ausgegangen. Glochiden und Hartschaligkeit der Samen sind zweifellos 
secundär erworbene Charaktere der Opuntien. Da sie sich nirgends mehr 
bei den Kakteen finden, so halte ich diesen Zweig der Familie für einen, 
der nahe der Basis den Stamm verläfst und blind endet.^ 

Zwischen Peireskia und den Cereoideae thut sich für mich ein nicht 
zu überbrückender Spalt auf. Nehmen wir aber irgend eine der gerippten 
Kakteenformen als erneuten Ausgangspunkt der Entwickelung, so steht das 
ganze System der Kakteen in einem so lückenlosen Zusammenhang, dafs 
die Abtrennung der meisten Gattungen conventioneil wird. Cereus, EcMno- 
cadvs, Echinopsis hängen in mehrfachen Linien mit einander eng zusammen. 
Von Cereus fuhrt über Pilocereus nach Cephalocereus eine R^ihe, welche mit 
einer anderen von Echinocactus zu Melocactus parallel läuft ^ und mit einer ganz 
eigenartigen, in beiden Endgliedern aber identischen, morpliologischen Dif- 
ferentiation (dem Cephalium) schliefst. Von Cereus gelangen wir dann nach 
Phyllocactus und Epiphyllum, über Pfeifera aber nach Rhipsalis. Die Glie- 
derung der zuerst gleichförmig verlaufenden Rippen von Echinocactus bringt 
die Buchtung derselben hervor, die endlich den Zerfall in Höcker bedingt. 
Bei lückenlosem Contact derselben erfolgt dann die spiralige Anreihung 
nach den Fibohacci 'sehen Zahlen. Den ganzen Procefs können wir in 
allmählichem Werdegange bei Echinocactus verfolgen. In Süd -America haben 
sich die Gattungen Nothocactus und Hybocactus ausgegliedert, in Nord- 
America aber Thelocactus. Aus diesen Gruppen ist zweifelsohne die Unter- 
gattung Coryphanta-Mamillaria hervorgegangen, welche durch Verschlufs der 
scheitelständigen Furche an den Warzen Eumamillaria erzeugt hat. Die ex- 
tremsten DijBferentiationen der Kakteen, Pelecyphora und Ariocarptcs, lehnen sich 
ohne Umstände an Mamillaria, die Gattung Leuchtenbergia an Echinocactus an. 



* Crrtssonia cereiformis F. Reichb. ist uoter allen Umstanden eine echte Opuntia und 
kann keinesfalls als Zwischenform angesehen werden, die Opuntia und Cereus verbindet. 

* In jüngster Zeit erhielt ich aus Paraguay eine niedrige Form der Kakteen, welche 
hochkegelformige , sehr kraftige Warzen aufweist und am Scheitel das Cephalium typisch 
ausgebildet trägt; diese zu Echinocactus^ Untergattung Discocactus gehörigen Körper geben 
eine neue, bisher vergeblich erwartete Combination der Charaktere. 

Fhys. Ahh nicht zur AJcad. geUtr, Gelehrter, 189D. TT. 15 



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114 K. Schumann: Die Verbreitung der Caclaceae tu s.w. 



Tafel zur Übersicht der Verbreitung der Kakteen nach der Zahl der Arten. 

(Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen bezeichnen die endemischen Arten.) 



Nr. 


Gattung 


Zahl 

der 

Arten 


Bra- 
silien 


Argen- 
tinien 


Anden- 
Gebirge 


Venez. 
u.Nord- 
Columb. 


Guiana 


West- 
Indien 


Central- 
America 


Mexico 


Texas. Andere 
CaHfom.lwc8tl.Ver. 
Gebirge j Staaten 


Besondere 

Vor- 
kommen 


I. 


Cereus 


106 


23 («9) 


16(16) 


21 (21) 


9(3) 


I 


«3(9) 


2(2) 


27 (20) 


4 





Halbinsel 
C*lit9U) 


2. 


Pilocereus 


' 25 


3(3) 





i(«) 


2(2) 





4(4) 





9(9) 








onbekannti 

Halbinsel 

CaliCi 


3. 


Cephahcerms 


5 


1(0 




















4(4) 








— 


4. 


Phyüocctctus . 


1 '5 


5(3) 





I 


2 


1 


2(1) 


4(4) 


5(4) 








unb«luiant i 


5- 


Epiphyttum . . 


I 


»(') 














^ 














— 


6. 


EchinopHs . . . 


1 "8 


6(6) 


3(3) 


8(8) 























anbrkannti 


7. 


Eckmocereus , 


i" 




















° 


30 (19) 


18(6) 


5 


unbfkanoti 
Halbinsel 
C*liti(0 


8. 


Echinocactus . 


140 


23 (23) 


8(8) 


34 (34) 











2 


61 (57) 


«6(2) 


5(2) 


Halbinsel 
Calit5(») 


9. 


MelocactuA . . 


! 14 


3(3) 








2(2) 





8(8) 














— 


10. 


Leuchtenbergia 


! I 























1(1) 








— 


II. 


MamiUairia . . 


100 











I 











83 (74) 


18(3) 


5 


Halbiniel 

Calif.8(6) 


12. 


Pelecyphara . . 


2 























2(2) 








— 


13. 


Ariocarpwt , . 


! 4 























4(4) 








— 


14. 


Pfeif era .... 


1 ' 





'(«) 


























— 


15. 


Hariota 


2 


2(») 





























— 


16. 


RMpaaliM .... 


47 


35 (34) 


4(3) 


2(1) 


I 


2(1) 


2 


3 


I 








_ 


'7- 


Opuntia 


130 


5(3) 


9(7) 


GaUp.i(i) 
24 (24) 


? 


? 


7(7) 


? 


35 (20) 


39 (17) 


20(4) 

FloridA3(i) 

ÖBÜ. StULt. I 


Halbinsel 
CaUf.ia{7) 


18. 


Nopalea 


5 

















3(3) 





2(2) 








— 


19. 


Pterocacius . . 


t ' 








'(') 























— 


20. 


Maihaenia . . . 


3 








3(3) 




















^ 


— 


21. 


Peireskia 


II 


3(1) 


1(1) 


3(3) 


'(0 





2(1) 


1(1) 


3(3) 








— 






669 


110(99) 


42 (39) 


99 (97) 


18(8) 


4(1) 


41 (33) 


12(7) 


267 (219) 


95 (28) 


35 (6) lUJbiDsel 
Florida 3 (f),C«Uf. 36 H 
ö«tl. StMt. X 1 nnbekaiiDt 4 



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KPtruss.Mad.d.WissenscfL. f ertriljtU;(!tj| 9j?F W86T9C@8i@, AnÄang x.€L Abk. 1839 

(bei AusscWiiss der Grenzlinie in der allen Welt auch die von Opuntia.) 




Ijlho^iui.i)ru4:k.der ^o^rophwchen Verlags handhmg Dietrich Reimer Ernst Yolisen 

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JCI^'euss.jikacL d^ Wissenscfi. 

Gebiete der Caxrtaceae. 



AjiTumff z. (L Abh. 7SSS. 



Echinocactus. 




Peireskia irad Maihueiiia (M). 




Melocactus und Ceplialocereiis(C.) 







]itliogiiiiJ)ru<:k'der |eograptlii9chefn Veria^shandhiDg IKetrioh Reimer EnutTolweiü BerÜD . 



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Untersuchungeil über den Bau des Centralnerven- 

systems der Aflfen. 



Von 



Dr. RUDOLF KRAUSE, 

Privatdocent und Prosector am anatomisch -biologischen Institut der Universität Berlin. 



Phys, Abh, nicht zur Akad. gehör. Gelehrter, 1899, 111, 



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Vorgelegt in der Gesammtsitzung am 7. December 1899 

[Sitzungsberichte St. L. S.893]. 

Zum Druck eingereicht am gleiclien Tage, ausgegeben am 19. Februar 1900. 



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Aufser der Monographie von Walde y er* über das Rückenmark vom Go- 
rilla besitzen wir kaum eine eingehende Untersuchung, welche sich mit 
dem feinern Bau des Centralnervensystems der Affen beschäftigt. Nur hier 
und da finden sich gelegentliche kurze Notizen oder kleine Mittheilungen 
über diesen Gegenstand zerstreut. Und doch braucht nicht weiter aus- 
gefiihrt zu werden, welche grofse Bedeutung ihm zukommt. 

Es schien mir deshalb, d«r ich mich schon seit Jahren mit der Unter- 
suchung des centralen Nervensystems und besonders eingehend mit der 
Technik der vitalen Methylenblaufärbung beschäftigt hatte, ein lohnendes 
Beginnen, mich dem Studium des Centralnervensystems der Affen zuzu- 
wenden. 

Ermöglicht wurde mir das hauptsächlich durch eine Unterstützung, 
welche mir die Königliche Akademie der Wissenschaften im verflossenen 
Jahre bewilligte und für welche ich an dieser Stelle meinen ergebensten 
Dank abstatte. Auch verschiedenen Herren, welche mir bei der Erlangung 
des theilweise sehr kostbaren Materials behülflich waren, möchte ich hier 
meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Hr. Director Heck stellte mir 
bereitwilligst das grofsartige Material des hiesigen Zoologischen Gartens zur 
Verfügung. Vor allem aber schulde ich Hrn. Collegen Dr. Heinroth vie- 
len Dank, dessen nimmer rastender Fürsorge ich die schönsten Stücke mei- 
ner Sammlung verdanke. 

Aus äufseren Gründen soll die Reihe meiner Untersuchungen eröffnen 
eine Darstellung der Neuroglia des Affenrückenmarks; ihr soll dann in näch- 
ster Zeit folgen die Beschreibung des Centralnervensystems des Orang Utan, 



' W. Waldeyer, Das Gorillarnckenmark. Abhandlungen der Königlich Preufsischen 
Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1888. Berlin 1889. 

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4 R. Krause: 

und scliliefslich sollen dann die Resultate mitgetheilt werden, welche mit- 
tels der vitalen MethylenMaufärbung am Centralnervensystem von Inutis cy- 
nornolgus erzielt wurden. 



Die Neuroglia des Affenrackenmarks. 

Material und Methode. 

Es stand mir für meine Untersuchungen eine gröfsere Anzahl von 
Affen zur Verfügung, welche sich über alle drei Unterordnungen der Pi- 
theci erstreckten. Von den Catarrhini erhielt ich Pithecus satyruSy Simia tro- 
ylodytes in zwei Exemplaren, Cercopitfiecus alhiyularis^ collaris, CavvpbeUi und 
IvdiOy ^nuus cynomolgus^ sinicus und iieitiestrinus^ CynocepJuilus Jiamadryas und 
olivaceus; von den Pkityrhini gelang es mir nur Pithecia monachm, von den 
Arctopüheci Hapale sciurea zu erlangen. 

Von allen diesen verschiedenen Thieren möchte ich für die Beschrei- 
bung des Neurogliagerüsts drei, gewissermafsen als typische Vertreter, aus- 
wählen, nämlich Pit/ierrus satyrics, Inuus oynoinolgus und Ateles niger. Über 
die beiden letzten Thiere ist nichts Besonderes zu bemerken ; nur das erste * 
erheischt einige einleitende Worte, da es wohl das erste Mal ist, daCs das 
Nervensystem des Orang in Bezug auf seine Neuroglia genauer mikrosko- 
pisch untersucht wird. 

Das betreffende Thier, allen Besuchern des hiesigen Zoologischen Gar- 
tens wohl in Erinnerung, starb am 7. April 1899 an einer Lungenaffection, 
und zwar an einer Pneumonie, wie die durch Hrn. Prof. Hansemann aus- 
geführte Section ergab. Das Thier war seit dem Jahre 1895 im Zoologi- 
schen Garten und dürfte nach Schätzung von sachkundiger Seite ungefalir 
ein Alter von 8-10 Jahren erreicht haben. Die ganze Länge betrug vom 
Scheitel bis zur Sohle bei mäfsig gestreckten Unterextremitäten lOS*"", die 
Länge des Rückenmarks, vom Filum terminale bis zur Pyramidenkreuzung 
45**™. Die beiden von Fick^ kürzlich beschriebenen Orangs waren be- 

' Auf die Arbeit von Cunninujliam werde ich in dem nächsten Theil eingehen. Cun- 
ningham, Sections througli the spinal cord and the entire extent of brain of the Orang and 
Chimpanzee. Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XXXI. 1896. 

^ F'ick, K., Vergleichendanatoniische Studien an einem erwachsenen Orang-Utang. 
Archiv fiir Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Jahrgang 1895. 



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Untersuchungen über den Bau des Centrahervensystems der Affen, 5 

deutend älter. Leider ist dort, über die Länge des Ruckenniarks nichts 
gesagt. . * 

Das Rückenmark wurde, um möglichst allseitig durchgearbeitet zu 
werden, in kleinere Stücke zerlegt; dieselben wurden in verschiedener Weise 
conservirt: in Alkohol, Sublimat, MO Her 'scher Flüssigkeit und Formalin. 

Was nun die von mir befolgte Technik der Weigert 'sehen Neuroglia- 
methode anbetrifft, so habe ich mich im allgemeinen eng an die Vor- 
schriften von Weigert' gehalten. Die einzelnen Phasen des Processes 
mufsten nur geringfügig modificirt werden, was wohl durch die Ver- 
schiedenheit des Materials bedingt war. Zunäclist kamen die nicht über 
i*""" dicken Stücke aus den verschiedenen Höhen des Rückenmarks in das 
Fixations-Beizungsgemiscli, welches bekanntlich besteht aus einer Lösung 
von 2?^5 Chromalaun, 5^ essigsaurem Kupfer und 5^' Essigsäure in 100'**'"' 
Wasser mit Zusatz von lo""*""* Formalin. In dieser Lösung verweilten die 
Stücke 14 Tage im Brutschrank, wurden dann kurz gewässert und durch 
die Alkoholreihe hindurch in bekannter Weise in Celloidin eingebettet. 

Als Schnittdicke habe ich ein für alle Mal 25 /i gewählt. Wurden 
die Schnitte dünner angefertigt, so kam es nicht selten vor, dafs sie bei 
den folgenden doch ziemlich eingreifenden Manipulationen verdorben wur- 
den. Andererseits ermöglichen es auch Schnitte von solcher Dicke, die 
Gliafasern auf längere Strecken hin zu verfolgen , ohne die Übersichtlich- 
keit oder Durchsichtigkeit der Praeparate irgendwie zu beeinträchtigen. 

Die Schnitte werden zunächst aus dem Schneidealkohol in Wasser 
und dann für 15 Minuten in eine 0.3 procentige Lösung von Kaliumper- 
manganat gebracht. Nachdem sie mit Wasser abgespült sind, gelangen 
sie dann in die aus 2.5 Procent Chromogen, 2.5 Procent Ameisensäure 
und I Procent Natriumsulfit bestehende Reductionsflüssigkeit, welche nach 
2-4 Stunden durch eine 5 procentige Chromogenlösung ersetzt wird. Dabei 
scheint es mir sehr wichtig zu sein, dafs man sich die Chromogenlösung 
immer frisch bereitet. Dieselbe ist anfangs ganz hell und klar, nach 
mehrtägigem Stehen wird sie dunkler und trübe. Mit solcher alten Lösung 
erhielt ich nie gute Resultate, In dieser sprocentigen Chromogenlösung 
verweilen die Schnitte 24 Stunden. 



* r. Weigert, Beiträge zur Kenntnils der normalen menschlichen Neuroglia. Fest- 
schrift zum 50jährigen Jubiläum des ärztlichen Vereins zu Frankfurt a. M. 



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6 R. Krause: 

Was die eigentliche Ffirbung anlangt, so liefs ich nach längerm 
Probiren die Schnitte immer über Nacht in der Methylviolettlösung; es 
erwies sich das för mein Material viel vortheilhafter, als die nur kurz- 
dauernde Färbung; dafs dieselbe dann nicht auf dem Objectträger, sondern 
in der Schale vorgenommen wurde, brauche ich wohl kaum zu bemerken. 
Die mit physiologischer Kochsalzlösung kurz abgespülten Schnitte kommen 
nun in die Jodjodkaliumlösung, und zwar för nur ganz kurze Zeit, höchstens 
eine Minute. Anfangs, als ich die Schnitte nach Weigert's Vorschrift 
zehn Minuten in dem Jodjodkalium verweilen liefs, bekam ich nie ein gutes 
Praeparat; später, als ich diesen Fehler erkannte und vermied, ist mir 
nie mehr ein Praeparat mifslungen. Das Abtrocknen des Schnittes nehme 
ich entweder auf dem Objectträger oder, noch besser, zwischen zwei Lagen 
Fliefspapier vor. Bei letzterm Verfahren wird der Schnitt beiderseits völlig 
getrocknet, und man vermeidet das leichteiu tretende Trüb werden. Die Ent- 
färbung im Anilin -Xylolgemisch wird so lange fortgesetzt, als noch Farbe 
abgegeben wird. Dann wird in Xylol ausgewaschen und in Xylolbalsam 
montirt. 

Über die Haltbarkeit der Praeparate besitze ich wenig Erfahrung. 
Schnitte vom CercopUheous -RnckenmeLTk haben sich jetzt annäliemd zwei 
Jahre ganz unverändert gehalten. 

Was die Frische des Materials anlangt, so braucht man damit nicht 
allzu ängstlich zu sein. Ich habe noch bei Material, welches 24 Stunden 
post mortem fixirt wurde, ausgezeichnete Resultate erhalten. Von einem 
Zerfall der Gliafasem war dabei nicht das Mindeste zu bemerken. 

Hinsichtlich des Erfolges möchte ich noch Folgendes bemerken. Wei- 
gert bemerkt zum Schlüsse seiner Abhandlung, dafs die Methode fiir 
Thiermaterial noch nicht zu empfehlen sei, und es scheint diese Bemer- 
kung auch auf viele Untersucher abschreckend gewirkt zu haben. Mir 
ist die Methode bis jetzt noch in keinem Falle ganz mifslungen. Man 
mufs allerdings erst durch einige Übung die Methode beherrschen lernen, 
dann wird man wohl bei jeder Thiergattung mit kleinen Änderungen zum 
Ziel kommen. Leider habe ich bis jetzt noch kein geeignetes menschliches 
Material zum Vergleich zur Verfiigung; wenn ich aber die Weigert'schen 
Abbildungen mit meinen Praeparaten vergleiche, so will mir scheinen, als 
ob in den letzteren der Reich thum an Glia- Elementen eher noch gröCser 
wäre als in den ersteren. 



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Untersuchungen übe?* den Bau des Centralnervenst/stems der Äfften. 7 

Was schliefslich das Resultat der Färbung im einzelnen anlangt, so 
habe ich einige Abweichungen von Weigert zu verzeichnen. In meinen Prae- 
paraten färbten sich gar nicht selten bei Inuits und Ateles die Protoplasma- 
leiber der Neurogliazellen und zwar schwach blau, so dais man das Ver- 
hältnifs zwischen Zelle und Faser recht gut beurtheilen konnte. Die in- 
tensiv gelbe Farbe der weifeen Substanz in meinen Praeparateu rührt davon 
her, daXs die Markscheiden gelb gefärbt sind, die Axency linder dagegen 
sind leicht blau gefärbt, wie man das besonders schön in den peripheren 
Theilen des Schnittes sehen kann. Hier liegt im Rückenmarksquerschnitt 
in jedem gelben Ring ein blauer Kreis. Geht man weiter nach dem In- 
nern vor, so werden die Axency linder immer weniger gefärbt und sind 
nur noch bei starkem Abblenden zu erkennen. Auch die gelben Streifen 
innerhalb der grauen Substanz rühren nicht von Axencylinder-, sondern 
von Markscheidenfärbung her. Blau, und zwar im Tone des Preufsisch- 
Blau, sind aufser den Gliafasem nur noch überall das Chromatin der Kerne 
und vor allem die Nucleolen sowohl in den Ganglienzellkernen, als in den 
Neurogliakernen gefärbt. Aufserdem findet man in den Leib der grofsen 
Nervenzellen eingelagert zahlreiche feinste Körnchen, von denen weiter un- 
ten gehandelt werden soll. Blau, viel schwacher und mehr im Cobaltton 
sind das Bindegewebe und die Muskeln der Gefäfswand geförbt. Die rothen 
Blutkörperchen erscheinen bei dem einen Thier tief blau gefärbt, bei dem 
andern sind sie ungefärbt oder nur leicht gelblich. Gelb praesentirten 
sich die Markscheiden, der Körper der Ependymzellen und der grolsen 
Nervenzellen. Wird die Entfärbung zu früh abgebrochen, so erscheinen in 
den letzteren sehr schön die blaugefärbten Nisslkörper auf gelbem Grund. 
Dauert die Anilin -Xylolbehandlung länger, so entfärben sich die Schollen 
und es bleiben als Residuen nur noch in deren Innerm jene erwähnten 
blauen Kömchen. 

Intensiv blau gefärbt praesentiren sich dann noch an vielen Stellen, 
das sei hier schon vorweg genommen, die Ausläufer der Ependymzellen. 

Allgemeine Beschreibung der Gliazellen und -fasern. 
Über die verschiedenen Auf&ssungen in Bezug auf den Bau der Glia- 
zellen und das Verhalten der Fasern zu den Zellen kann ich hier still- 
schweigend hinweggehen, denn das ist in geradezu mustergültiger Weise 
von Weigert in seiner classischen Arbeit abgehandelt. Er formulirt seine 



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8 R. Krause: 

Anschauungen am Schlüsse des diese Fragen behandelnden Capitels in fol- 
genden drei Hauptsätzen: 

» I. Die Neurogliafasern, die man bisher als Fortsätze der Deiters'schen 
Zellen aufgefa&t hat, sind nicht mit dem Protoplasma chemisch identische 
Gebilde, sondern sind von diesem stofflich durchaus verschieden. 

2. Die chemische Verschiedenheit tritt nicht etwa allmählich in mehr 
oder weniger weiter Entfernung vom Zellleib an den »Fortsätzen« auf, son- 
dern die Differenzirung besteht von Anfang an schon in immittelbarer Nähe 
des Zellkerns. 

3. Die meisten der sogenannten Fortsätze der Zellen sind überhaupt 
schon aus dem Grund keine Fortsätze, weil bei ihnen je zwei anschei- 
nende Ausläufer einen an der Zelle vorbeilaufenden gemeinschaftlichen 
Faden bilden. Dieser wird durch den Zellleib in keiner Weise unterbro- 
chen, wie das doch bei »Ausläufern« der Fall sein müXste, die ja jeder ein- 
zeln vom Zelleib ihren Ursprung nehmen würden. Mit einem Worte: es 
handelt sich hier gar nicht um Fortsätze oder Ausläufer von Zellen, son- 
dern um Fasern, die vom Protoplasma vollkommen differenzirt sind.« 

Jeder, der nach der Weigert 'sehen Methode erfolgreich selbst gear- 
beitet oder gute Weigert'sche Praeparate sorgfältig studirt hat, wird diese 
Sätze unterschreiben können, und ich kann deshalb in Bezug auf diese 
Cardinalfrage ganz auf Weigert verweisen. Meine Aufgabe soll es sein, 
in diesem Capitel näher darzuthun , wie sich die Gliafasern und -zellen in 
meinen Praeparaten darbieten. 

Das, was man für gewöhnlich in einem Weigert -Praeparat von der 
Glia sieht, sind bekanntlich nur Kerne und Fasern. Ich will deshalb zu- 
nächst die ersteren , dann die letzteren besprechen und schliefslich das Ver- 
hältnifs der letzteren zu den ersteren. 

Von den Kernen der Gliazellen gilt zunächst ganz allgemein die That- 
sache , dafs sich ganz allgemein , in allen Praeparaten , in allen Höhen des 
Rückenmarks und in allen Theilen des Querschnitts, die überhaupt Neu- 
roglia enthalten, zwei Arten von Kernen finden: kleine, sehr chromatin- 
reiche und grofse, chromatinärmere Kerne. 

Die kleinen Kerne sind meistens ganz oder annähernd rund, sie finden 
sich ziemlich gleichmäfsig in allen Theilen des Querschnittes vertheilt, 
vielleicht in der wei&en Substanz etwas zahlreicher als in der grauen, und 
erscheinen tiefblau gefärbt. Der Durchmesser beträgt im Mittel 2-4/1. 



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UfUermchungen über den Bctu des Centralnervenstjstems der Affen. 9 

Nur bei ganz intensiver Beleuchtung und Anwendung stärkster Systeme 
kann man noch Spuren von achromatischer Substanz erkennen. Sie ma- 
chen bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck von Leukocyten; doch 
zeigt das Verhalten zu den Fasern und die Art ihrer Lagerung, dafs es 
sich hier um echte Gliakerne handelt. 

Die grofsen , chromatinärmeren Kerne schwanken in ihrer Grö&e ziem- 
lich stark, sind aber jedenfalls immer doppelt so grofs als die vorher 
erwähnten. Sie sind im ganzen Querschnittsbild zahlreicher vertreten als 
die kleinen Kerne , und in der grauen Substanz etwas zahlreicher zu finden 
als in der weifsen Substanz. Ausgezeichnet sind diese Kerne einmal durch 
ihre relative Armuth an Ohromatin und zweitens durch die grolse Vielge- 
gestaltigkeit. 

Der geringe Gehalt an Chromatin ist, wie schon angedeutet, nur ein 
relativer. Es macht wenigstens den Eindruck, ziffernmäfsig wird sich das 
wohl kaum nachweisen lassen , dafs die beiden Kemarten die gleiche Menge 
Chromatin enthalten. Das eine Mal ist dieselbe auf einen kleinen Raum 
zusanmiengedrängt, das andere Mal auf einen drei oder vier Mal gröfsem 
Raum aus einander gezogen. Es erinnern diese Verhältnisse an die der Leber- 
zellen bei Säugethieren , besonders bei Hund und Kaninchen. Auch hier 
finden sich, und es ist das fast typisch für die Leberzelle, in jeder Zelle 
zwei, seltener drei Kerne. Dieselben können entweder gleichen Reichthum 
an Chromatin aufweisen und ^ind dann annähernd gleich grofs, oder der 
eine der beiden Kerne ist kleiner als der andere, und erscheint dann viel 
dunkler gefärbt. Es handelt sich hier bei der durch den Secretionsprocess 
fortwährend in Thätigkeit befindlichen Leberzelle sicherlich um Degene- 
rationsprocesse , und zwar stellen die kleineren, dunkleren Kerne Degene- 
rationsstadien der grö&eren, helleren Kerne dar. Hier kann man dann 
auch den definitiven Zerfall der Kerne beobachten, die Auflösung in ein- 
zelne Chromatinbrocken. 

Ob es sich hier bei den Gliakemen um ähnliche Verhältnisse han- 
delt, erscheint mir höchst wahrscheinlich, läfst sich aber mit Sicherheit 
nicht beweisen, da ich das Endstadium des Processes , den definitiven Zerfall 
der Kerne, nicht beobachten konnte. 

Der zweite und wichtigere Punkt betrifft den Polymorphismus der 
gro&en, hellen Kerne (Fig. i— 6). Man findet nur selten ganz runde Kerne 
vor, sehr häufig sind sie länglich und oft ganz unregelmäfsig. Sie zeigen 
1%«. Ahh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 2 



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10 R. Krause: 

dabei eine Mannigfaltigkeit der Formen, welche an jene Kerne erinnert, 
die man in der lymphatischen Randzone der Amphibienleber findet; nur 
eigentliche Lochkeme scheinen zu fehlen. Der Kern besitzt Fortsätze, die 
vom Körper ausgehen, und es kommt auch zur Trennung solcher Stücke 
vom Mutterkem, zur Kernfragmentirung. 

Damit aber komme ich zum letzten und wichtigsten Punkt in dem 
Verhalten der Kerne zu sprechen. Es ist nSmlich geradezu typisch für 
Gliakerne in der grauen Substanz des OrangrOckenmarks , dafs sie nie allein 
liegen, sondern immer zu mehreren. In dieser Beziehung scheinen sich 
die Gliazellen des Orangs wesentlich von denen des Menschen zu unter- 
scheiden, denn hier kommt ein solches Verhalten, wie aus der Beschrei- 
bung Weigert's hervorgeht, nicht vor. Die Kerne liegen meist zu drei 
oder vier oder noch mehr zusammen, und zwar mit den Langseiten an 
einander. Sie formiren so nicht selten ein kurzes Rohr, durch welches 
die Gliafasern durchziehen (Fig. 6). Häufig findet man auch zwei Kerne, 
ähnlich wie zwei Semmeln dicht an einander gelagert; die Fasern ziehen 
auch hier zwischen den beiden Kernen durch (Fig. 4). Damit soll nun nicht 
gesagt sein, dafe man nicht auch einzelne Kerne findet; doch könnte es sich 
immer hier noch fragen, ob nicht durch den Schnitt die übrigen weg- 
gefallen sind. Jedenfalls ist das erstere Verhalten immer das typische und 
macht die grofse Mehrzahl der Fälle aus. Es ist dabei nicht immer mit 
Sicherheit zu entscheiden , ob es sich wirklich um mehrere Kerne handelt 
oder ob es nur Theile eines einzigen Kernes sind , deren gemeinsame Ver- 
bindungsbrücken durch den Schnitt abgetrennt sind. 

Was die Zusammensetzung dieser Kernconglomerate anlangt, so ist 
sie eine sehr variable. Entweder finden sich in einem solchen nur grofse, 
helle Kerne; das ist meist dann der Fall, wenn nur wenige, zwei oder 
drei, beisammen liegen. Oder sie bestehen nur aus kleinen, dunklen Ker- 
nen, nSmlich dann, wenn viele, acht bis zehn oder gar noch mehr, sich 
zusammenschlielsen. Endlich kann ein solcher Kernhaufen aus hellen und 
dunklen Kernen bestehen. Am häufigsten dürfte wohl das erste Verhalten 
zu finden sein, am seltensten das zweite. 

Es tritt nun die gewifs nicht unwichtige Frage an uns heran: ge- 
hört jeder dieser zusammenliegenden Kerne zu einer Gliazelle, bildet das 
Ganze also einen Zellhaufen oder handelt es sich um eine einzige viel- 
kernige Gliazelle? Die Weigert'schen Praeparate geben auf diese Frage 



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Untersiichu7ige7i über den Bau des C^ntralnervensi/stems der Affen. 1 1 

keine stricte Antwort, da sie ja den Protoplasmaleib der Gliazellen nicht 
ffirberiscli darstellen, wenigstens nicht beim Orang. Auch Controlprae- 
paratc, welche mit karminsaurem Natron, mit Eisenhaematoxylin nach 
Heidenhain und nach anderen Methoden gefllrbt waren, liefsen mich 
ebenfalls im Stich, so dafs mit absoluter Sicherheit die Frage sich nicht 
entscheiden läfst. Mit grofser Wahrscheinlichkeit aber kann man sagen, 
es handelt sich um vielkernige Zellen. Daför spricht einmal das ganze 
Verhalten der Kerne, deren Form man es häufig ansieht, dals sie sich zu 
mehreren dem Raum in einer Zelle anpassen müssen. Auch das Ver- 
halten der Gliafasern, die immer mitten zwischen den Kernen durch und 
viel seltener aufsen an ihnen vorbei laufen, durfte mehr för die Anwesen- 
heit einer vielkernigen als vieler einkernigen 2^11en sprechen. 

Wahrscheinlich entstehen diese mehrkernigen Zellen durch mehrfache 
amitotische Theilung des Kerns. Man sieht gar nicht selten Bilder, welche 
diese Annahme stützen. Kerne, bei welchen die einzelnen Stücke nur noch 
durch ganz dünne Brücken mit einander in Verbindung stehen. 

Wie schon angedeutet, finden sich diese vielkernigen Gliazellen nicht 
gleichmäfsig über den ganzen Rückenmarksquerschnitt verbreitet. Die Haupt- 
stelle ihres Vorkommens ist die graue Substanz. Sie liegen einmal überall 
zerstreut in ihr, dann sind es aber vor allem die Gliakörbe um die grolaen 
motorischen Vorderhornzellen , welche aus solchen vielkernigen Zellen be- 
stehen. Auch jene grofsen Astrocyten, welche sich an der Grenze zwi- 
schen grauer und weüser Substanz, besonders im Hinterhorn ausbreiten, 
gehören hierher. Dagegen dürfte die centrale Gliamasse ziemlich frei von 
ihnen sein. Hier finden sich fast ausschliefslich grofse helle ovale Kerne, 
welche mit Rücksicht auf die starke Anhäufung der gliösen Elemente 
manchmal ziemlich dicht zusammenliegen. Aber niemals zeigen sie ein 
solches Verhalten, dafs man zu der Vorstellung kommen könnte, es han- 
dele sich hier um mehrkernige Zellen. In der weilsen Substanz finden sicli 
mehrkemige Zellen sehr viel seltener als in der grauen, und ganz zu feh- 
len scheinen sie in der peripheren GliahüUe. 

Die bis jetzt mitgetheilten Daten galten ausschließlich für den Orang. 
Bei den niederen Affen treffen wir auf einige, wenn auch unwesentliche 
Unterschiede. Auch bei Imms finden sich zwei Arten von Kernen; nur 
ist die Form etwas verändert. Die grofsen, hellen Kerne sind wo möglich 
noch gröfser als beim Orang. Sie liegen in der grauen Substanz eben- 

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12 R. Krause: 

falls fast immer zu mehreren zusammen und enthalten, ähnlich wie die 
Kerne der Ganglienzellen, nur relativ wenig Chromatin. Sie unterschei- 
den sich von den Kernen der kleinen Nervenzellen, mit denen sie even- 
tuell verwechselt werden könnten, dadurch, dafs sie immer mehrere kleine 
Nucleolen besitzen, während jene nur einen gröfeern Nucleolus enthalten. 
Die kleinen dunklen Kerne sind nicht so typisch wie beim Orang. Sel- 
tener sind sie rund, meist länglich, hantelförmig oder gar im rechten 
Winkel abgebogen. Bei sehr oberflächlichem Zusehen kann man, beson- 
ders dann, wenn die Praeparate sehr stark differenzirt sind, die groCsen 
Nucleolen der Vorderhornzellen far kleine runde dunkle Kerne halten. 
Dieselben erreichen nämlich eine Gröfse von 3-7 /i. Die kleinen Kerne 
finden sich in der grauen Substanz nur recht spärlich, zahlreicher sind 
sie in der weifsen Substanz zu treffen; doch sind die Unterschiede zwi- 
schen den beiden Kernarten stark verwischt, da hier die Kerne im all- 
gemeinen mehr Chromatin enthalten. 

Bei Ateles endlich hat die Zahl der dunklen Kerne sehr stark abge- 
nommen; nur wenige kleine verkümmerte, eckige Kerne trifft man Ober 
das ganze Querschnittsbild zerstreut. Hier sieht man fast ausschliefslich 
gröfisere, chromatinarme , meist polymorphe Kerne, die sehr häufig zu 
mehreren zusammengelagert sind. 

Ich wende mich nun zur Besprechung des zweiten und wichtigsten 
Bestandtheils der Neuroglia der Gliafasern. Diese Gliafasern sind beim Orang 
im allgemeinen ziemlich dünn und erreichen in der Mehrzahl kaum die 
Dicke von o. 1-0.2 /i, häufig bleiben sie sogar noch beträchtlich dahinter 
zurück. Daneben finden sich jedoch auch dickere Fasern, aber, wie ge- 
sagt, wesentlich spärlicher. Einmal setzt sich das Septum posterius zum 
guten Theil aus solchen stärkeren Fasern zusammen, die einen Durchmes- 
ser von 0.3-0.5/i aufweisen. Auch in der Umgebung des Centralkanals 
trifft man solche dickere Fasern, darunter solche von ifi (Fig. 10). Charak- 
teristisch für diese letzteren Fasern ist es, dafs sie fast immer direct auf 
den Centralkanal zustreben, manchmal allerdings in vielen und starken 
Windungen. Die weifse Substanz des Rückenmarks ist an solchen starken 
Fasern reicher als die graue, und hier sind es wieder die sogenannten Stamm- 
fortsätze da, wo sie sich aus der Gliahülle erheben, welche die stärksten Fa- 
sern fuhren. Wahre Monstra von Fasern, über 1.5/i dick, sah ich auch in 
der Eintrittsstelle der hinteren Wurzel, besonders im Bereiche des Halsmarks. 



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Untermchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 13 

Auch Weigert erwähnt, dafs er solche » Monstrefasern « beim Men- 
schen ganz an derselben Stelle gesehen hat, und es findet sich also in dieser 
Beziehung eine gute Übereinstimmung. Nur kommen solche dicke Fasern 
beim Orang aufserordentlich viel häufiger vor als beim Menschen, wenig- 
stens nach den Weigert'schen Abbildungen zu schliefsen, ohne dafs man 
deshalb hier an pathologische Verhältnisse zu denken braucht. Am weit- 
aus schönsten praesentieren sich diese Gebilde auf Längsschnitten (Fig. 21). 
Da sieht man sie senkrecht aus der GliahüUe herauskommend in die weifse 
Substanz einstrahlen. Dabei weichen sie in ihrem Verhalten von den fei- 
neren Fasern auch darin ab, dafs sie nicht wie jene in mehr oder weni- 
ger gleichmäfsigen Schlangen Windungen hinziehen, sondern eine Strecke 
weit ganz gerade verlaufen, um dann plötzlich unter stumpfem oder rech- 
tem Winkel abzubiegen. Sie bieten so in ihrem ganzen Verhalten etwas 
Bizarres dar. 

Weigert beschreibt, dafs solche Fasern von Centren ausstrahlen, die 
er als »Monstrezellen« bezeichnet. In dieser Beziehung weicht mein Ob- 
ject von dem seinigen ab. Ich konnte solche Fasern in meinen relativ 
dicken Schnitten sehr oft auf weite Strecken, von der Peripherie bis in 
die Nähe der grauen Substanz verfolgen , ohne dafs es mir gelungen wäre, 
einen Kern zu beobachten, von dem ich mit Bestimmtheit hätte sagen 
können , dieser Kern gehört zu dieser Faser. Bei den feineren Fasern wird 
man, wenn man sie nur genügend weit verfolgen kann, in dieser Bezie- 
hung nie in Verlegenheit kommen. 

Solche Monstrefasern dringen nicht selten durch die ganze weifse 
Substanz durch und treten noch in die graue ein. Dabei nehmen sie jedoch 
fortwährend an Dicke ab. Bis in die Nähe des Centralkanals konnte ich 
sie nie verfolgen, sie scheinen in den peripheren Theilen der grauen 
Substanz zu enden. 

Man mufs sich übrigens bei der Beschreibung dieser Monstrefasern 
hüten vor der Verwechselung mit Faserbündeln, wie sie sich beim Orang 
sehr häufig finden , und zwar sowohl in der grauen als auch in der weifsen 
Substanz (Fig. 10). Da sieht man dann, wie von einem Kern aus eine 
ganze Anzahl feiner Fasern ausgehen , den Kern zwischen sich schliefsen, 
um sich nach ganz kurzem Verlauf so eng zusammenzuschlie&en , daJs sie 
eine Monstrefaser sehr wohl vortauschen können. Das Bündel kann sich 
entweder nach längerm Verlauf wieder in seine Componenten auflösen 



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14 R. Krause: 

oder sich geschlossen verlieren. Auch die echte Monstrefaser kann hier 
und da eine ganz feine Längsstreifung aufweisen, so daüs der Verdacht 
nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dafs auch sie nur ein FaserbOndel 
darstellt. Aber dieses Faserbändel, wenn es sich wirklich um ein solches 
handelt, löst sich niemals auf, seine Elemente weichen niemals aus einander, 
um einen Kern zwischen sich zu schliefsen. 

Für alle Gliafasern, die dünnsten wie die dicksten, gilt als allge- 
meine Regel, dafs sie niemals Varicositäteu aufweisen, sondern entweder 
ganz gleichmäfsig dick sind oder sich an einem oder beiden Enden ver- 
jüngen. Niemals konnte ich, ebenso wenig wie Weigert, Knöpfchen am 
Ende der Gliafasern beobachten, da, wo sie an die Gefaßse herantreten, 
so wie sie uns die Golgi- Methode so häufig zeigt. (Über das Verhalten 
der Gliafasern zu den Gefafsen wird ein besonderes Capitel handeln.) Nie- 
mals konnte ich auch jene fufsförmigen Anschwellungen am peripheren 
Ende der Fasern finden, wie sie uns die Golgi-Praeparate an der äufseren 
Circumferenz des Rückenmarks zeigen. Durch das Aneinanderreihen und 
Zusammenschliefsen jener fufsförmigen Anschwellungen soll bekanntlich die 
Grenzmembran, die Membrana limitans meningea zu Stande kommen. 

Auf dem Querschnitt erscheinen die Gliafasern meist rund, punkt- 
förmig; nur die Monstrefasern machen hiervon eine Ausnahme, sie sind 
nämlich meist strichförmig auf dem Querschnitt, stellen also keine Balken, 
sondern breite Bänder dar. 

Die Frage , ob die Neurogliafasern hohl oder solid sind , ist schon von 
Weigert in letzterm Sinne entschieden worden, und auch ich habe in 
meinen Praeparaten niemals eine Beobachtung gemacht, welche im andern 
Sinne zu deuten wäre. 

Ähnlich verhält es sich auch in Bezug auf die Frage nach der Ver- 
ästelung der Neurogliafasern. Man kann sich sehr wohl vorstellen, dafs 
jede stärkere Gliafaser sich aus Primitivfasern aufbaut, und eine solche 
Annahme läfst sich, wie wir früher gesehen haben, durchaus nicht so 
ohne weiteres von der Hand weisen. Es könnten dann aus jeder stärkeren 
Fa^er Primitivfasern abbiegen. Wenn wir diese Annahme von der Zu- 
sammensetzung der Fasern machen, dann müssen wir nur dabei bemerken, 
dafs ein sehr grofser Theil der freien Fasern anscheinend Primitivfasern sind 
und dafs es andererseits zahlreiche zusammengesetzte Fasern gibt, deren 
Elemente sich während des ganzen Verlaufs nicht von einander trennen. 



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Untermchtingen über den Bau des CentrcUnervensjjstems der Affen, 15 

Mit der vorigen Frage ist dann eine andere nahe verwandt. Gibt 
es Anastomosen zwischen den Gliafasem? Wie Weigert sehr treffend be- 
merkt, ist die Bedeutung dieser Frage aufserordentlich überscliätzt worden. 
An manchen Orten, vor allem in den Gliasepten der weifsen Substanz, ist 
die Durchflechtung der Gliafasern eine aufserordentlich enge und dichte, 
aber wirkliche Anastomosen habe ich nie finden kOnnen. Ebenso ver- 
geblich wird man nach solchen in der centralen Gliamasse suchen. Es 
dürfte allerdings sehr schwer sein, bei dem Ungeheuern Fasergewirr in 
dieser Beziehung eine absolut sichere Behauptung aufzustellen. 

Wenn wir uns nun zur Betrachtung der Gliafasern bei Inuus wenden, 
so finden wir hier nicht unwesentliche Unterschiede. Wenn uns beim 
Orang eine gewisse Mannigfaltigkeit in Bezug auf Dicke, Krümmung und 
Verlaufrichtung der Fasern auffiel, so ist das hier gerade umgekehrt. Das 
Bild, welches die Neurogliafasern in der grauen Substanz des Inv/ua- 
Rückenmarks liefern, ist ein sehr einförmiges (Fig. 19). Eine Faser sieht 
fast genau aus wie die andere. Alle Fasern sind mit den gleich zu er- 
wähnenden Ausnahmen gleich dick, ungefShr 0.3 /i. Was aber noch mehr 
aufföllt, ist der Umstand, dafs alle Fasern fast dieselben Wellenlinien 
zeigen bei sonst ganz gerader Verlaufsrichtung. Es macht den Eindruck, 
als ob das ganze Fasermeer, in Bewegung befindlich, plötzlich erstarrt 
wäre, so dafs jeder Theil noch dieselbe Phase der Bewegung zeigt. Nur 
in der Gegend des Centralkanals wird das Bild etwas mannigfaltiger. Hier 
ftUt einmal ein starker Zug dickerer, wenig geschlängelter Fasern auf, die 
in das Septum posterius eintreten und ohne Zweifel Ependymfasern darstellen. 
Ferner sieht man, aber ungleich seltener, auch in den seitlichen Partien hier 
und da noch eine dickere, auf den Centralkanal lossteuernde Faser. 

Etwas beträchtlicher als in der grauen Substanz sind die Dickenun- 
terschiede in der weifsen Substanz, aber bei weitem nicht so wie beim 
Orang. Monstrefasem findet man jedenfalls nie. Man kann im allgemei- 
nen sagen, dafs die der Peripherie näher gelegenen Fasern etwas dicker 
sind als die mehr central gelegenen. 

Bei Ateks differiren die Fasern etwas mehr als bei Inuus. Auf- 
feilend war hier der Umstand, dais die stärksten Fasern, abgesehen von 
den mächtigen Ependymfasern, immer in der Nähe der gröberen Gefäfse 
verliefen und hier oft recht bizarre Formen annalimen. Überhaupt war 
das ganze Bild lebhafter, abwechselungsreicher als bei Inuus, 



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16 R. Krause: 

Nachdem so die beiden unter >?e\völnilichen Verliältnissen sichtbaren 
Bestandtheiie der Neuroglia in den Weigert-Praeparaten, Kerne und Fa- 
sern, abgehandelt worden sind, wäre noch Einiges über die Beziehungen 
beider zu einander anzuführen. Die Gliazellen der untersuchten Affen sind, 
wie früher ausftkhrlich auseinandergesetzt, aller Wahrscheinlichkeit nach 
zum grofsen Theil mehrkernig, und die Fasern verlaufen dann zwischen 
den einzelnen Kernen hindurch. Sehr häufig ist der Fall, dafe zwei Kerne 
mit den Breitseiten eng an einander liegen, wie das Fig. 4 und 7, Taf. I 
zeigen. Es wird so das Faserbüschel zwischen den beiden Kernen stark 
zusammengeprefst, um dann jenseits der Umschnürungsstelle wieder aus 
einander zu strahlen. Es erinnern diese Bilder dann aufserordentlich an 
diejenigen, welche Golgi-Praeparate zeigen. Man braucht sich nur die Kern- 
stelle durch einen Silbemiederschlag verdeckt zu denken , und man hat eine 
der bekannten Gliazellen mit polarer Anordnung der Ausläufer. 

In den Weigert'schen Abbildungen der Taf. I von einzelnen Glia- 
zellen sieht man aufeerordentlich zahlreiche bogenförmige Fasern, welche 
nicht den Zellkörper der ganzen Länge nach durchsetzen. Solche Bilder 
sah ich beim Orang ziemlich selten ; hier verlaufen die Fasern immer zwi- 
schen den Kernen oder, wenn nur einer vorhanden ist, gerade an ihm 
vorbei. Dagegen trifft man gerade solche Fasern sehr zahlreich in der 
grauen Substanz von Ateles. 

Wie ich schon eingangs der Arbeit erwähnte, gelingt es bei diesem 
Thier sehr leicht, neben Kern und Fasern auch das Protoplasma der Glia- 
zellen zu förben, und zwar hauptsächlich an denjenigen Gliazellen, welche 
in der Nachbarschaft der Gefäfee liegen. Es ist dieses Verhalten natürlich 
sehr interessant, da es uns gestattet, das Verhältniss der Gliafasern zu dem 
Zellkörper näher zu studiren (Fig. 8). Die Kerne, meistens handelt es 
sich nur um einen einzigen, erscheinen in solchen Zellen tief dunkelblau 
gefärbt. Der Kern liegt in einer lichter blau gefärbten Masse, die ohne 
Zweifel den Protoplasmaleib der Gliazelle darstellt. Derselbe umgibt den 
Kern als ein mehr oder weniger schmaler Saum. Die Gliafasern selbst sind, 
wie immer, tief blau gefärbt und heben sich sehr scharf und praegnant 
von dem hellen Zellkörper ab. Man sieht nun, dafs die Fasern in der 
äufsersten Schicht des Protoplasmas verlaufen. Sehr häufig biegen sie in 
der Nähe des Kerns spitz oder stumpfwinkelig um, ebenso häufig aber zie- 
hen sie auch gerade durch den Zellkörper hindurch. Die Fasern sind meist 



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Untersuchungen über den Bau des Centrcdnertensystems der Affen. 17 

• 

ziemlieh stark und lassen sich oft auf sehr weite Strecken hin verfolgen. 
Immer reicht der Protoplasmasaum noch ein kleines Stückchen vom Zell- 
leib an der Faser entlang, ihr dicht anliegend und spitz auslaufend. . Es 
ist also hier der eigentliche Zellköi-per selbst auch sternförmig. DaXs die 
60 lg i- Methode hier nur Zellen mit langen Ausläufern hervorbringen kann, 
ist selbstverständlich. Ja, die Täuschung kann selbst bei der Weigert- 
Methode eintreten. Ist die Differenzirung, d. h. die Behandlung mit Anilin- 
Xylol, nicht lange genug fortgesetzt, so können Bilder entstehen ganz so, 
wie sie uns Golgi-Praeparate bieten. Man kann dann aus der total blau 
gefärbten Zellmasse nur noch den Kern heraus erkennen , aber eine Unter- 
scheidung von Zellkörper und Faser ist nicht mehr möglich. 

Bevor ich diesen allgemeinen Theil verlasse , möchte ich noch auf einen 
Punkt eingehen, welcher die Ependymfasern betrifft. Bekanntlich färben 
sich diese Fasern, wie Weigert berichtet, beim Menschen mit seiner Me- 
thode nicht. In meinen Praeparaten verhielt sich die Sache anders. Ich 
habe sie beim Orang wahrscheinlich in vielen, bei Inuus und Ateles sicher 
in fast allen Praeparaten gesehen. Doch ist ihr Verhalten bei den einzel- 
nen untersuchten Thieren etwas verschieden. 

Beim Orang findet man in zahlreichen Praeparaten auffallend starke 
Fasern, die in starken Biegungen entweder die centrale Gliamasse durch- 
setzen und bis an die J)pendymzellen herantreten oder sich schon in er- 
sterer verlieren (Fig. 10). Immer aber streben sie gerade auf den Central- 
kanal los. Sehr häufig ziehen die Fasern von der dorsalen Ecke des 
Kanalquerschnitts durch die hintere Commissur durch, um in das Septum 
posterius einzutreten. Es liefs sich aber niemals genau eruiren, wie das 
Verhältnifs dieser Fasern zu den Ependymzellen war. Aber der Befimd 
bei den beiden anderen Thieren machte es sehr wahrscheinlich, dafSs es sich 
hier um Ependymfasern handelte. 

Hier finden sich nämlich solche Fasern in grofser Anzahl in jedem 
Pi*aeparat und sind meist gerade so stark oder noch stärker als beim Orang 
(Fig. 1 5 und 1 6), Hier erkennt man nun ihren Verlauf auf das schönste 
und deutlichste, und man kann in vielen mit absoluter Sicherheit und 
Schärfe constatiren, dafs die Fasern zwischen die Kerne der Ependym- 
zellen hineindringen und mit ihrem etwas zugespitzten Ende in der Höhe 
des Kanallumens endigen. Es verhalten sich also diese Fasern ganz ähn- 
lich wie die übrigen Gliafasern. Auch ihre Substanz ist chemisch und 
Phys, Ahh. nicht zur AJcad. gehör. Gelehrter, 1899. III. 3 



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18 R. Krause: 

morphologisch von dem Körper der Kpendymzellen diflterenzirt. Fig. 8, 
Taf. I stellt Praeparate vom Ateks 'Uiickenmsirk dar, welche eine ganz ähn- 
liche Anordnung der Ependymfasern des Septum posterius zeigen , wie sie 
von Leuhossek und Anderen beim menschlichen Embryo beschrieben wor- 
den sind. Beim Menschen sollen diese Fasern sehr bald zu Grunde gehen, 
beim Affen bleiben sie jedenfalls sehr lange erhalten. Der junge Orang war 
ja allerdings noch ein verhältnifsmäfsig junges Thier, bei Inmis und Aieles 
aber handelte es sich um vollkommen erwachsene Thiere. 

Ein gewichtiger Unterschied scheint allerdings zwischen höheren und 
niederen Affen zu bestehen. Beim Orang ist es mir, trotzdem ich speciell 
zu diesem Zwecke sehr zahlreiche Praeparate durchsucht habe, niemals 
gelungen, eine der verdächtigen Ependymfasern bis zwischen die Kerne 
der Ependymzellen zu verfolgen. Bei Inuus gelang mir das recht oft, und 
bei Ateles fanden sich solche Stellen fast in jedem Praeparat (Fig. 15 und 16). 
Danach könnte es so scheinen , als ob die Ependymfasern mit höherer Or- 
ganisation des Thieres eine gröfeere Selbständigkeit erlangen und sich von 
ihrer zugehörigen Zelle mehr und mehr emancipiren. Auf jeden Fall er- 
scheint mir die Beobachtung interessant, dafs die Ependymfasern da, wo 
sie noch in ihrer ursprünglichen Ausdehnung erhalten sind, dasselbe Ver- 
halten zeigen, wie die ihnen gleich werthigen Gliafasern. 

Damit schliefse ich den allgemeinen Theil meiner Arbeit und wende 
mich zur speciellen Besprechung der Gliaverhältnisse in den einzelnen 
Theilen des Rückenmarks. Ich werde dabei so vorgehen, dafs ich zu- 
nächst die graue Substanz des Rückenmarks in den verschiedenen Höhen 
und bei den verschiedenen Thieren und dann die weifse Substanz in gleicher 
Weise bespreche. Den Schlufs soll dann bilden eine Schilderung des Ver- 
haltens der Neuroglia zu den Gefafsen und eine Betrachtung über den phy- 
siologischen Werth der Neuroglia. 

Die Neuroglia der grauen Substanz. 
Wie schon Weigert in seiner classischen Arbeit KöUiker gegen- 
über betont hat, sind die Neurogliaverhältnisse der grauen Substanz durch- 
aus nicht so einfach, wie gewöhnlich angenommen wird; vor allem aber 
breitet sich die Neuroglia keineswegs gleichmäfsig über die graue Sub- 
stanz aus oder ist gar in ihr spärlicher vorhanden als in der weifsen Sub- 
stanz. Es ist deshalb, wie Weigert sehr treffend bemerkt, nicht mög- 



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Untersuchungen über den Bau des Centrabiervensystems der Affen, 1 9 

lieh, die Gliaverhältnisse der grauen Substanz so über Bausch und Bögen 
abzumachen, sondern die einzelnen Theile verlangen eine gesonderte Be- 
sprechung. Dazu kommt noch ein weiterer Umstand, der mir aber von 
Weigert nicht stark genug hervorgehoben scheint: es sind die Gliaver- 
hältnisse beim Affen , und beim Menschen wird es wohl ähnlich sein , der 
grauen Substanz auch in den einzelnen Höhen des Rückenmarks recht ver- 
schieden; so sieht z. B. die hintere Commissur im Halsmark total anders 
aus als im Lendenmark. Diefs gilt allerdings hauptsächlich für die um 
den Centralkanal herum gelegenen Theile mit ihrer so enorm entwickelten 
Neuroglia. In den übrigen Theilen der grauen Substanz sind die Unter- 
schiede keine so frappanten. Ich will mich zunächst zur Besprechung der 
centralen Gliamasse wenden, der für uns weitaus interessanteste Theil der 
grauen Substanz. Den Namen Substantia gelatinosa centralis möchte ich 
vermeiden, da er ungefähr das Gegentheil von dem besagt, was in der 
Substanz wirklich vorhanden ist. 

Die centrale Gliamasse. 

Schon makroskopisch kann man an einem gut gelungenen W ei gert- 
Praeparat diese centrale Gliamasse als deutlichen blauen Fleck erkennen, und 
ebenso leicht kann man dann constatiren, dafs dieser blaue Fleck in den 
verschiedenen Höhen des Rückenmarks eine verschiedene Form hat. Fer- 
ner ist leicht wahrzunehmen, dafs die Gröfse dieser blauen Masse nicht ab- 
hängig ist von der Gröfse des Rückenmarksquerschnitts, d. h. nicht mit 
demselben grölser oder kleiner wird. 

Im Bereiche des Halsmarks umgibt die centrale Gliamasse den Cen- 
tralkanal, der hier auf dem Querschnitt einen dorso- ventral gerichteten Spalt 
darstellt in Form eines unregelmäfsigen dreieckigen Ringes, der eine gröfste 
Breite von 350 ju, eine gröfste Länge von 520 fi aufweist. Ventral läufl 
er ziemlich spitz zu und verliert sich in der vorderen Commissur, dorsal 
sitzt er mit breiter Basis der hinteren Commissur auf. Die beiden dorsalen 
Ecken des Dreiecks sind in zwei lange Spitzen ausgezogen, welche die 
hintere Conmiissur durchsetzen und in ihrem weitern Verlauf die Grenze 
zwischen Hinterhorn und Hinterstrang bilden. Es resultirt daraus die um- 
stehende Figur (Fig. i ). Innerhalb derselben, die an manchen Stellen mit 
einem kopflosen menschlichen Rumpf eine flüchtige Ähnlichkeit besitzt, liegt 
immer eine gröfsere Arterie und Vene dicht neben einan<ler am dorsalen 



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20 



R. Krause: 



Ende des Centralkanals. Aufserdem ist ihr auf der einen Seite in der Höhe 
des ventralen Endes des Centralkanals eine mächtige Vene dicht angela- 
gert. Auf jeder Seite finden sich in der Nähe noch eine oder zwei klei- 
nere Arterien. In der Längsachse der Figur verläuft, wie schon gesagt, 
der Centralkanal, und um ihn herum, nach aufsen von den Ependymker- 
nen, findet sich eine schmale helle Zone mit nur spärlichem Fasergehalt. 
Sonst wird die bei schwacher Vergrölserung gleichmäfsig blaue Masse nur 
durch kleine Gefafslumina unterbrochen. 



Vorderfitringe. 



Fiff.2. 

Vorderstrftnge. 





yO> 



Clarkc- 
schc 
SAulf. 



Mß 




Clarke. 
sehe 
Siule. 





Hinterstringe. 

Schema der Ausdehnung der eentralen Olia- 

masse (panktirt) im Halsmark des Orang. Ge- 

fllfse schraffirt Entworfen mit Z e i f s C. Oc. a 

Projection auf den Arbeitstiseh. 



Hinterstringe. 

Schema der Ausdehnung der centralen Glianiasse im 

Dorsalmark. Entworfen mit Zeifs C. Oc. a. Projection 

auf den Arbeitstisch. 



Je tiefer wir im Halsmark heruntergehen , um so mehr verkürzt sich die 
Längsachse und wächst der quere Durchmesser der Figur, so dals wir, in 
der Höhe des ersten Dorsalnerven angekommen , nun die centrale Gliamasse 
in Form eines etwas unregelmäfsigen Vierecks erblicken (Fig. 2). Diese Än- 
derung rührt wohl einmal und hauptsächlich her von einer Änderung des 
Querschnittsbildes des Centralkanals, welcher viel breiter geworden ist und 
ebenfalls eine unregelmäDsig viereckige Form angenommen hat. Dann hat 
sich aber auch das Querschnittsbild der grauen Substanz wesentlich ver- 
ändert, hauptsächlich durch das Auftreten der Seitenhörner, die, nach den 



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Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Äfften. 21 

Wald ey er 'sehen Abbildungen zu schlieläen, beim Orang noch starker ent- 
wickelt sind als beim Gorilla und lange, weit in die weifee Substanz vor- 
springende und dicht mit Nervenzellen durchsetzte Zipfel darstellen. .Ein 
weiterer Grund für das Breitenwachsthum der centralen Gliamasse bildet 
dann das Verhalten der Clarke 'sehen Säulen, die, wie später aus einander 
gesetzt werden soll, gleichsam in die centrale Gliamasse hineinräcken. Längs- 
und Querdurchmesser des Vierecks sind ungefilhr gleich grofs , etwa 450 /i. 
Die vordere Spitze verliert sich in der ventralen Commissur, die hintere 
steht weit von dem Septum posterius ab, so dafs eine sehr breite hintere 
Commissur resultirt. Die seitliehen Spitzen ragen ziemlich weit in die 
graue Substanz hinein und umfassen dorsalwärts die Clarke 'sehen Säulen. 
Grössere G^föCse finden sich innerhalb der centralen Gliamasse hier fast 
gar nicht; nur an die seitlichen Zipfel grenzt eine starke Arterie. Die 
Form der centralen Gliamasse ist im ganzen Dorsalmark einigen Schwan- 
kungen unterworfen, die sieh wesentlich auf die Ausbildung der seitlichen 
Zipfel beziehen und abhängig sind von der Ausdehnung des Seitenhorns. 
Je weiter man nämlich im Dorsalmark heruntersteigt, um so kleiner wird 
das Seitenhorn, bis es im untern Dorsalmark völlig eingezogen erscheint. 

So bildet nun im Lumbaimark die centrale Gliamasse ein langes Vier- 
eck (Fig. 3 S. 22). Der Centralkanal ist wieder ein langer, dorso- ventral ver- 
laufender Spalt geworden und ist umsäumt von der jetzt ziemlieh schmalen 
Gliamasse. Das Viereck mifst in der Breite etwa 280 /i, in der Länge 
etwa 700 fx. Während sich im Hals- und Brustmark die centrale Glia- 
masse ziemlich scharf gegen die graue Substanz absetzt, geht sie hier 
allmählich in dieselbe über, und es sind deshalb genaue Breitenmafse nicht 
zu geben. Dorsal läfst sie sich auch nicht gegen die hintere Commissur 
abgrenzen, da dieselbe von mächtigen Bündeln von Gliafasern durchsetzt 
wird, welche in das Septum posterius einstrahlen. Ventral reichen die 
dichten Fasermassen fast bis auf den Boden der vorderen Fissur. Die 
ganze centrale Gliamasse ist umsäumt von starken Arterien und Venen, 
von denen eine besonders mächtige etwas seitlich von dem ventralen Ende 
des Centralkanals liegt. 

Über das Sacralmark des Orang kann ich leider hier nichts berichten, 
da es anderweitig verwendet wurde. 

Ganz anders als beim Orang liegen die Verhältnisse bei Inuus und 
Ateles (Fig. 14, 15, 16). Eine so scharf abgesetzte, makroskopisch schon 



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22 



R. Kbause: 



Fig. 3. 

Vonlrratr&iige. 




leicht wahrnehmbare centrale Gliamasse ist hier überhaupt nicht vorhan- 
den. Bei Inuus ist ja die Gegend um den Centralkanal auch schon bei 
schwacher Vergröfserung deutlich stärker blau geßlrbt als die übrige graue 
Substanz, aber sie ist so wenig scharf abgesetzt, dafs eine makroskopische 
Beschreibung nicht lohnt. Bei Ateles endlich dürfte die KöUiker'sche 
Behauptung zutreffen , AvSs die Vertheilung der Gliazellen in der grauen 

Substanz eine annähernd gleichmäfsige ist und daCs 
die etwas stärkere Färbung um den Centralkanal 
nur von mitgefSrbten Ependymfasern herrührt. Ich 
wende mich nun der Schilderung der centralen Glia- 
masse beim Orang zu, wie sie sich uns bei Anwen- 
dung von homogener Immersion darbietet. 
^M Im Halsmark (Fig. lo, ii) sind die Fasern der 

centralen Gliamasse fast alle von gleicher Dicke; nur 
hier und da gewahrt man später noch besonders zu 
erwähnende, erheblich dickere Fasern. Auf dem 
Rückenmarksquerschnitt erscheint die grofse Masse 
der Fasern quer geschnitten und bildet einen dichten 
Ring um den Centralkanal. Auf die Kpendymkerne 
folgt zunächst nach aufsen eine schmale helle Zone, 
in welcher die Gliafasern schräg oder der Länge nach 
getroffen sind. Entweder verlaufen die Fasern ring- 
förmig um den Kanal oder sie strahlen direct radiär 
nach ihm zu. Das erstere ist besonders in den seit- 
lichen Partien, das letztere an dem ventralen und 
dorsalen Ende des Kanals der Fall. Doch behalten 
diese Fasern nie för gröfsere Strecken dieselbe Ver- 
laufsrichtung bei, sondern biegen bald in die Längs- 
richtung um. Nur am ventralen und dorsalen Ende kann man Fasern auf 
längere Strecken verfolgen , wie sie der vorderen Fissur bez. dem Septum 
posterius zustreben. 

Es folgt nun nach aufsen eine den ganzen Centralkanal in verschie- 
dener Dicke umgebende Schiclit quer getroffener, also im Rückenmark längs 
verlaufender Fasern. Diese Schicht ist in den seitlichen Partien aufser- 
ordentlich mächtig und dicht. Hier liegt Faserquerschnitt dicht neben 
Faserquerschnitt, und es erscheint das Einerlei dieser mächtigen Faser- 




HintcratrlDge. 

Schema der Ausdehnung der cen- 
tralen GHamasse im Larobaknark. 
tiefXrse schraffirt , Gliamaasc punk- 
tut. Entworfen mit Z e i fs 0. Oc. 2. 
Projection auf den Arbeitstisch. 



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Ihitersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 23 

masse nur unterbrochen durch zahlreiche Querschnitte kleiner Gefafse und 
Capillaren. Die sich hier findenden Kerne sind wenig zahlreich, klein 
und cliromatinreicli ; dabei muls man allerdings bedenken, dafs ja mancher 
Kern in dieser dichten Fasermasse der Beobachtung entgehen kann. 

Dorsalwärts lichtet sich nach der hinteren Commissur zu die Faser- 
masse etwas auf. Wie schon früher erwähnt, ist die Basis der Dreiecks- 
figur, welche die centrale Gliämasse im Halsmark darstellt, an ihren beiden 
Enden in je einen langen Zipfel ausgezogen, der ungef&hr entlang der 
Grenze zwischen Hint^rhom und Hinterstrang läuft. In diesem Zipfel ist 
nun zunächst die Fasermasse noch recht dicht, lichtet sich jedoch da, 
wo er von den Nervenfasern der hinteren Commissur durchsetzt ist, mehr 
und mehr auf. Während in der Nähe des Centralkanals alle Fasern quer 
getroffen sind, ändert sich das, je mehr wir in dem Zipfel uns dem 
Hinterhorn nähern. Zunächst erscheinen die Fasern schräg, später längs 
geschnitten und laufen in einen Faserzug aus, welcher an der Grenze 
zwischen Hinterhorn und Hinterstrang entlang läuft, um sich dann zwi- 
schen den Fasern des Burdach 'sehen Stranges zu verlieren. 

Diejenigen Fasermassen, welche zwischen den beiden Zipfeln liegen, 
also die Basis des Dreiecks bilden, bieten eine sehr interessante Configu- 
ration. Auch hier erscheint die grofse Masse der Fasern quer getroffen; 
aber sie werden durch dünne, längs verlaufende Bündel, welche vom 
Centralkanal kommen und der hinteren Commissur zustreben, in zahlreiche 
schwächere und stärkere Bündel gesondert. Wir haben also in der zwi- 
schen hinterer Commissur und Centralkanal gelegenen Partie der centralen 
Gliamasse im Halsmark stark längs verlaufende Bündel von Gliafiasern, 
welche durch schwächere Horizontalbündel gesondert und durchflochten 
werden. 

Je mehr wir uns der hinteren Commissur nähern, um so mehr findet 
eine Auflockerung der dichten Gliamasse statt; es mufs ja selbstverständ- 
lich Raum geschaffen werden fSr die durchtretenden nervösen Elemente, 
Nervenfasern und Dendriten. Auch in der Commissur selbst trifft man 
noch zahlreiche quer getroffene Gliafasern zu kleineren Bündeln zusammen- 
geschlossen. Man kann dabei an dickeren Schnitten sehr schön beob- 
achten, wie diese Fasermassen aus dem Septum posterius stammen und, 
in der Commissur angelangt, rechtwinkelig umbiegen. Das heifst, rich- 
tiger gesagt wird sich die Sache wohl so verhalten, dafis die ganzt^ hintere 



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24 R. Krause: 

Commissur im Halsmark von Längshündeln von Gliafasern durchzogen ist, 
welche von Strecke zu Strecke rechtwinkelig umbiegen, um in das Septum 
posterius einzubiegen. 

Aufserdem aber finden sich in der hinteren Commissur aucli noch 
Fasern , welche quer verlaufen , Horizontalfasem , und aus jenem oben be- 
schriebenen Strang stammen , welcher Hinterhorn und Hinterstrang trennt. 
Auch in der hinteren Ck)mmissur finden sich relativ wenig Kerne, aber 
verhältnifsmäfsig doch mehr als in der eigentlichen centralen Gliamasse, 
die uns aufs deutlichste die Richtigkeit des Weigert 'sehen Satzes de- 
monstrirt, da(s die Zahl der Gliakerue, d. h. Gliazellen, in durchaus keinem 
Constanten Verhältnifs zur Zahl der vorhandenen Gliafasern steht. Die 
centrale Gliamasse ist beim Orang so reich an Fasern, besonders in den 
seitlichen Partien, dafe das Auge sich schwer darin zurechtfindet. Und 
trotzdem die wenigen Kerne. Ja, wenn selbst eine ganze Anzahl über- 
sehen würde, so w&ren es immer noch verschwindend wenig im Ver- 
gleich zu der enormen Fasermasse. 

Am ventralen Ende des Centralkanals findet ebenfalls eine Auflocke- 
rung der centralen Gliamasse statt, doch in ganz anderer Weise als am 
dorsalen Ende. Die quer getroffenen Fasern liegen hier einzeln und wer- 
den durch zahlreiche längs verlaufende, stark geschlängelte Fasern von 
einander getrennt. Die Richtung der letzteren ist zum gröfst^n Theil die 
dorso -ventrale, sie streben der vorderen Fissur zu; daneben kommen auch 
quer verlaufende Fasern, doch bei weitem nicht so viele, dafs man von 
einer besonderen Ringcommissur sprechen könnte. 

Je mehr wir uns nun der weifsen Commissur nahem, um so mehr 
lichtet sich die Gliamasse. Die erstere wird durchsetzt von zwei ziem- 
lich starken Faserbündeln, welche, vom Boden der vorderen Fissur herun- 
terkommend, in spitzem Winkel aus einander weichen und in die graue 
Substanz einstrahlen. 

Die vordere Commissur ist, obwohl an Gliafasern ärmer als die hin- 
tere, an Kernen doch reicher als sie. Es finden sich sehr zahlreiche 
grofse helle Kerne. 

Die Bilder, welche uns lüngsschnitte des Halsmarks geben, sind in 
mancher Beziehung noch instructiver als die Querschnittsbilder, indem sie 
uns nämlich noch eindringlicher den enormen Reichthum der centralen 
Gliamasse an Fasern vor Augen fähren. Der Centralkanal wird rechts 



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Untersuchu7)gen über den Bau des Ceiitrnlnervensystems der Affen. 25 

und links von einer mächtigen Säule längs verlaufender Fasern flankirt, 
deren dichter Filz nur von den mehr oder weniger längs getroffenen Ge- 
fafsen unterbrochen wird. Auch hier setzt sich die centrale Gliamasse 
ziemlich gut und scharf gegen die graue Substanz ab. 

Sowohl in den Querschnitten, als in den Längsschnitten fallen auch 
schon bei flüchtiger Durchmusterung starke Fasern auf, welche in den 
Querschnitten immer radiär auf dem Centralkanal hinziehen , in den lAngs- 
schnitten aber auch manchmal schräg getroffen erscheinen. Entweder ver- 
lieren sie sich in den dichten Fasermassen der Umgebung des Gentral- 
kanals oder sie lassen sich bis dicht an das Ependym heran verfolgen. 
Sie reichen meist weit in die graue Substanz herein und verlaufen bald 
mehr geradlinig, bald stark geschlängelt. Dafs es sich hier um Ependym- 
fasem handelt, läfst sich nicht direct nach weisen , da ein Eindringen zwi- 
schen die Ependymzellenkeme niemals constatirt werden konnte. 

Etwas andere Verhältnisse bietet uns das mikroskopische Bild der 
centralen Gliamasse im Brustmark dar. Wenn sich hier auch noch starke 
Längsfaserzüge zu beiden Seiten des Centralkanals finden, so treten doch 
auch schon die Querfaserzüge stark in den Vordergrund. Im Querschnitt 
erscheint neben den zahlreichen Faserquerschnitten eine grofse Anzahl 
schräg geschnittener Faserbündel. Die Erklärung fiir diesem Verhalten 
bietet uns der Längsschnitt des Dorsalmarks. Hier sieht man zu beiden 
Seiten des Centralkanals einmal ganz gerade verlaufende Längsbündel; da- 
neben und dazwischen aber finden sich Bündel, welche stark wellig ver- 
laufen, oft geradezu abgeknickt sind. Solche Fasern müssen auf dem 
Rückenmarksquerschnitt natürlich schräg oder gar längs getroffen er- 
scheinen. 

Auch im Dorsalmark sind die Fasermassen seitlich vom Centralkanal 
aufserordentlich dicht, so dafs im Längsschnitt Faser dicht bei Faser liegt. 
Dazwischen treten nun aber auch zahlreiche Querfasem auf, oder, richtiger 
gesagt, ein grofser Theil der seitlich vom Centralkanal gelegenen Längs- 
fasem biegt rechtwinkelig nach aufsen um und tritt in den Fortsatz ein, 
welchen die centrale Gliamasse nach dem in dieser Gegend ja mächtig 
entwickelten Seitenhorn hinschickt, so dafs dieser Fortsatz fast ausschliefs- 
lich aus Querfasern besteht. Dieser Seitenzipfel setzt sich gegen die graue 
Substanz weniger scharf ab, weil die ihn constituirenden Fasern sich all- 
mählich in jener verlieren. 

Fhys. Ahh. nicht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. IIL 4 



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26 R. Krause: 

Noch starker verändert hat sieh das Bild, welches uns die dorsale 
Partie der centralen Gliamasse darbietet. Die exquisite Sonderung in com- 
pacte Faserbündel, die so charakteristisch für das Halsmark ist, vermissen 
wir hier vollständig. Die grofse Masse der Fasern sind hier sehr dicht 
gelegene Längsfasern, von zahlreichen GefiUsen durchsetzt. Nur ein ein- 
ziges starkes Bündel grenzt sich noch einigermafsen deutlich ab. Von 
diesen Längsfasern biegen nun wieder stark Querfaserzüge rechtwinkelig 
dorsal wärts ab, um in das Septum posterius einzustrahlen. Hauptsächlich 
sind es drei Bündel, welche sich hier sehr gut markiren. Ein mächtiger 
Faserzug kommt am weitesten ventralwärts her, fast vom hintern Ende 
des Centralkanals, verläuft ziemlich genau in der Mittellinie, durchsetzt 
die hintere Commissur und strahlt in das Septum posterius ein. Rechts 
und links von diesem Hauptbündel liegt noch je ein kleineres Bündel, 
welches ebenfalls dorso -ventral, ungefähr parallel mit dem vorigen und 
zuletzt convergirend in das Septum eindringt. Diese kleineren Bündel 
reichen aber nicht so weit ventralwärts, als das Hauptbündel. 

Die hintere Commissur wird dann ferner noch von zahlreichen längs 
und quer verlaufenden Fasern durchsetzt, welche aber keine charakteri- 
stische Anordnung aufweisen. Längsfasern finden sich in gröfiserer Menge 
an der Grenze zwischen hinterer Commissur und Hinterstmng, und vor 
allem in jenem spitzen Winkel, welchen die ventralen Enden der beiden 
Hinterstränge mit einander bilden. 

Der ventrale Abschnitt der centralen Gliamasse ist hier ziemlich breit 
und reich an Fasern. Er setzt sich auch schärfer als im Halsmark von 
der vorderen Commissur ab. Im Rückenmarksquerschnitt erscheinen die 
Fasern zum gröfsem Thcil schräg, zum kleinern quer getroffen. Von einer 
Ringcommissur kann hier noch weniger als im Halsmark die Rede sein. 

In der vorderen Commissur fallen kleine und sehr zerstreut liegende 
Bündelchen von Längsfasem auf. Sie wird femer durchsetzt von den ziem- 
lich beträchtlichen Fasermassen, welche vom Grunde der vorderen Fissur 
kommen und schräg nach au&en und dorsal verlaufend in die graue Sub- 
stanz einstrahlen. 

Ganz anders das Bild im Lendenmark (Fig. 12). Es wird charakterisirt 
durch das allmähliche Verschwinden jener Längsfaserzüge , welche im Hais- 
und Brustniark vor allem zu beiden Seiten des Centralkanals so mächtige 
Fasermassen bildeten. Die Folge davon ist die schon früher erörterte 



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Unterstwhungen über den Bau des Cenirabiervensystems der Affen, 27 

Breitenabnahme der centralen Gliamasse im Lendenmark. Es macht den 
Eindruck, als ob sie, vom Halsmark zum Lendenmark herabsteigend, sich 
allmählich an Längsfasern ausgibt. Dadurch aber, dafs diese mächtigen 
Fasermassen, welche vorher das Bild völlig beherrschten, nach und nach 
verschwinden , lichtet sich die centrale Gliamasse immer mehr und mehr auf. 
Wie sich das erklärt und in welchem Zusammenhang es mit der Bildung 
des Septum posterius steht, soll in dem nächsten Capitel erörtert werden. 

Je tiefer wir im Lumbaimark herabsteigen, um so schmaler wird jene 
früher so mächtige Schicht von Längsfasern, welche den Centralkanal zu 
beiden Seiten begleitet. Schon im Beginn der Lendenanschwellung ist sie 
höchstens noch 70 /i breit. Man sieht auf das deutlichste, wie die Längs- 
fasern umbiegen und sidi in schrägem Verlauf hauptsächlich dorsalwärts 
wenden. Deshalb trifft man auf dem Rückenmarksquerschnitt zwischen den 
Faserquerschnitten auch sehr zahlreiche Schrägschnitte. Aufserdem strahlen 
auch die Fasern seitlieh in die graue Substanz, und es erscheint deshalb 
die centmle Gliamasse nicht mehr gegen jene abgesetzt, sondern geht all- 
mählich in jene über. 

Das dorsale Ende des Centralkanals ist von einem schleifenförmigen 
Faserbündel umzogen, so dafs man hier von einer Ringcommissur sprechen 
könnte. Auf dieses Schleifenbündel folgt in einiger Entfernung nach der 
hinteren Commissur zu fortschreitend ein zweites und in der hinteren Com- 
missur selbst noch ein drittes und manchmal auch noch ein viertes dicht 
vor dem Hinterstrang. Es wird so der ganze Raum zwischen Centralkanal 
und Beginn des Septum posterius der Breite nach von drei bis vier Fa- 
serbündeln durchzogen , welche in den einzelnen Schnitten mehr oder we- 
niger scharf von einander getrennt sind. Sie füllen die hintere Commissur 
vollständig aus, die im Lendenmark so reich an Gliafasern ist, wie in 
keiner anderen Höhe des Rückenmarks, aufeerordentlich viel reicher, als 
die übrige graue Substanz. Diese Commissurenbündel, wie ich sie einmal 
kurz bezeichnen will, ziehen von einer Rückenmarkshälfte zur anderen. 
Sie sammeln sich einmal aus Fasern des Hinterhorns, und zwar hauptsäch- 
lich aus denjenigen Fasern, welche an der Grenze zwischen Hinterhom 
und Hinterstrang entlang ziehen. Ferner treten hinzu Fasern , welche aus 
den mittleren Partien der grauen Substanz stammen; den Löwenantheil 
aber liefern wiederum die aus der Längs- in die Querrichtung umbiegen- 
den Fasern der centi*alen Gliamasse. 

4* 



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28 



R. Krause; 



Fig. 4, 





^f?3^ 



Diese Comniissurenbündel nun werden gekreuzt von zwei, drei, auch 
vier Bündeln von Gliafasern, die aus den Seiten theilen der centralen Glia- 
masse herabkommen und sammt und sonders in das Septum posterius 
einstrahlen. Diese transversalen Bündel haben einen eigenartigen Verlauf; 
sie steigen nämlich treppenförmig, terrassenförmig vom Centralkanal zum 
Septum posterius herab, wie das nebenstehende Schema das andeuten soll. 
Man erhält so auf einem dünnen Rückenmarksquerschnitt zwischen Central- 
kanal und Septum posterius hinter einan- 
der liegend zwei bis drei getrennte Bündel- 
abschnitte, die aber nicht zu einem Bün- 
del, sondern zu ebensoviel verschiedenen 
Längsbündeln gehören. 

Zwischen diesen beiden sich gegen- 
seitig durchflechtenden Bündelsystemen 
verlaufen dann, aufser ganz regellos an- 
geordneten Fasern, auch noch kleinere 
und grö&ere, aber im allgemeinen doch 
spärliche, reine Längsbündel , so z. B. eins 
gerade am Anfang des Septum posterius, 
da, wo die Kuppen der Hinterstränge 
gerade aus einander weichen. Es läfst 
sich jedoch nicht sehr weit verfolgen und 
scheint schliefslich auch in das Septum 
posterius einzubiegen. 

Es bietet so die hintere Commissur des 
Lendenmarks mit ihren verschiedenen sich 
durchflechtenden Faserzügen ein aufser- 
ordentlich interessantes Bild. Man ist 
beim Anblick dieser zierlichen, ja sogar oft wirklich schönen Bilder er- 
staunt über den Reichthum an gliösen Elementen in dieser (Kommissur, 
den man gar nicht geahnt hat. Weigert hat auch schon diesen Glia- 
reichthum betont; eine meinen Praeparaten etwa entsprechende Abbil- 
dung habe ich aber in seiner Arbeit nicht gefunden. Es läfst sich auch 
schwer ein, doch wohl interessanter Vergleich ziehen zwischen Menschen- 
und Afifen- Rückenmark in dieser Hinsicht, da Weigert leider gar nicht 
angegeben hat, aus welcher Höhe des Rückenmarks seine Praeparate 





Schema der Bildung des Septum posterius durch 
vom CentndkanAl trcppenf5rroig herabsteigende Fa- 
sern der eentralen Gliamasse. 



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Untersmhmgen über den Bau des Centralnet^emystems der Affen. 29 

stammen und es doch wohl anzunehmen ist, dafe sich auch heim Menschen 
Unterschiede hier finden. 

Bevor ich die hintere Commissur verlasse, mufe noch eine Frage kurz 
erörtert werden, nämlich ob es sich bei vielen dieser transversalen Fasern 
nicht um echte Ependymfasern handelt. Wie schon früher angedeutet 
wurde, läfst sich diese Frage auch hier nicht mit Sicherheit entscheiden. 
Manche Fasern machen allerdings mit ihrem eigenthümlich bogenförmigen 
Verlauf den Eindruck von Ependymfasern, doch lassen sich irgend welche 
Beziehungen zu den Ependymzellen selbst nicht nachweisen. Jedenfalls 
aber stellt die gro&e Mehrzahl dieser transversalen Fasern keine Ependym- 
fasern dar. 

Während sich so starke Veränderungen in den dorsalen Partien der 
centralen Gliamasse abspielen, haben die ventralen Partien ihr Aussehen 
nur ganz wenig geändert. Es tritt zwar auch hier ein Faserzug auf, 
welcher die rechte und linke Hälfte mit einander verbindet, doch ist er 
nur wenig ausgeprägt. Die vordere Commissur ist ganz im Gegensatz zu 
der hinteren scharf von der Gliamasse abgesetzt und wird durchzogen 
von Fasern, die, schon mehrfach erwähnt, vom Grunde der vorderen 
Fissur zum ventralen Ende des CentralkanaLs und den mittleren Partien 
der grauen Substanz fächerförmig ausstrahlen. 

Ich hätte mich nun zu der Besprechung der centralen Gliamasse bei 
den niederen Affen zu wenden. Dabei kann ich mich kurz fassen , da die 
Verhältnisse hier sehr einfach liegen. Eine gut ausgebildete und einiger- 
maßen gegen die umgebende graue Substanz abgesetzte centrale Gliamasse 
kommt bei Inuus nur im Halsmark vor (Fig. 14). Vom Epithel des Central- 
kanals wird dieselbe getrennt durch eine ziemlich breite faserfreie Zone. 
In den Seitenpartien der Gliamasse verlaufen die Fasern schräg und biegen 
in die graue Substanz ab. Das dorsale Ende des Centralkanals , der hier 
ein im dorso -ventralen Durchmesser stark in die Länge gezogenes Vier- 
eck darstellt, ist umzogen von zahlreichen bogenförmigen Commissuren- 
fasern, die in grofsen Zügen aus der einen Rückenmarkshälfte in die andere 
einstrahlen. Ein grofser Theil dieser Fasern, vor allem Grenzfaserbändel 
des Hinterhorns, umzieht das letztere bogenförmig und strahlt in das 
Septum posterius ein. 

Die Commissurenfasern werden an vielen Stellen innerhalb der Com- 
missur gekreuzt von Fasern, die vom Epithel des Centralkanals herab- 



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30 R. Krause: 

kommen und in das Septum posterius einstrahlen. Dafe es sich hier um 
echte Kpendymfasern handelt, ist aufser Zweifel, denn man kann sie in 
in vielen Fällen bis zwischen die Kerne der Ependymzellen verfolgen. 
Solche echte Ependymfasern finden sieh auch in den Seitenpartien der 
centralen Gliamasse, in den ventralen Partien und der vorderen Ck)mmissur, 
welche im übrigen keine bemerkenswerthen Eigenthümlichkeiten aufweist. 

Im Dorsalmark erscheint die centrale Gliamasse schon bedeutend re- 
ducirt, ohne in der Anordnung ilirer Elemente wesentliche Änderung er- 
fahren zu haben, und im Lumbaimark kann man von einer solchen cen- 
tralen Gliamasse gar nicht mehr reden. Man könnte ja dagegen einwenden, 
da& hier die angewandte Methode versagt habe, doch kann man leicht 
nachweisen, dafs das nicht der Fall ist. Man sieht nämlich die Stelle der 
früheren Gliamasse eingenommen von nervösen Elementen, Nervenzellen 
und -fasern, die dicht am Centralkanal vorbeilaufen. Spärliche Faserquer- 
schnitte zwischen beiden stellen die Reste der ehemaligen Gliamasse dar. 

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Ateles^ doch ist hier die centrale 
Gliamasse etwas stärker ausgebildet als bei Inuibs und auch noch im I^n- 
denmark deutlich zu erkennen, aber sie setzt nirgends schärfer gegen ihre 
Umgebung ab. Vor allem stark entwickelt ist hier die Partie zwischen 
Centralkanal und vorderer Commissur, und hier treten auch zwischen den 
sonst fest ausschliefslicli herrschenden Horizontalfasern wenige Bündel von 
Längsfasern auf. Die Anordnung der Horizontalfasern ist dabei so, dafs 
sie sowohl vom Boden der vorderen Fissur als auch aus dem Septum poste- 
rius nach dem Centralkanal hinstrahlen , hier aus einander weichen und ihn 
so einhüllen. Zwischen dem Ependym und der centralen Gliamasse findet 
sich nur ein sehr schmaler Zwischenraum. 

Das Septum posterius. 

Ich möchte an die Besprechung der centralen Gliamasse gleich die 
des Septum posterius anreihen, weil die Elemente, welche dasselbe zu- 
sammensetzen, zum grofsen Theil aus jener stammen und der Schwund 
der centralen Gliamasse mit der stärkeren Ausbildung des Septum Hand 
in Hand geht. 

Was zunächst die mehr makroskopischen Verhältnisse des Septum 
posterius beim Orang anlangt, so stellt dasselbe im Halsmark einen aufser- 
ordentlich feinen Streifen dar. Die Entfernung der hinteren Commissur 



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Untersuchungen über den Bau des Ceniralfiervenst/stems der Affen. 31 

von der hinteren Peripherie des Rückenmarks betragt in der Cervical- 
ansch wellung durchschnittlich 3""°. Die Grenze zwischen den beiden Hinter- 
strängen, das sogenannte Septum posterius, wird hier durch einen sehr 
feinen Streifen gebildet, der an seiner stärksten Stelle, d. h. kurz hinter 
der hinteren Commissur, ungeföhr 6-9 /i breit ist. Dieses Maßs sinkt sehr 
bald auf 1-3 /i, ja an vielen Stellen ist ein Septum überhaupt nicht mehr 
nachweisbar. 

In das Septum strahlen Fasern ein, welche an der Grenze zwischen 
Hinterhorn und Hinterstrang verlaufen und das ventrale Ende des letz- 
tern bogenförmig umziehen (Fig. 11). Aufserdem wird das Septum ver- 
sorgt von Fasern, welche aus der centralen Gliamasse und den Längs- 
faserbündeln der hinteren Ck)mmissur rechtwinkelig umbiegen. 

Im dem Septum finden sich nicht gerade zahlreiche Gliakeme (Fig. 1 7). 
Aufserdem enthält es zahlreiche Gefafse und wenigstens in der Nähe der 
Peripherie Spuren von Bindegewebe, die wohl mit den GefSisen einge- 
drungen sein dürften. 

Innerhalb des Dorsalmarks erscheint das Septum beträchtlich starker 
als im Halsmark, und diese Verstärkung kommt im wesentlichen auf 
Rechnung der Fasern, welche aus der centralen Gliamasse in das Sep- 
tum einbiegen. Die Zahl der Gliakerne, also der Gliazellen, welche 
sich im Septum finden, ist durchaus nicht gröfser, eher kleiner als im 
Halsmark. 

Die Entfernung der hinteren Commissur vom hintern Pol des Rücken- 
marks beträgt im Brustmark durchschnittlich 1T3 bis 1T5. Das Septum 
posterius ist nun nicht etwa auf dieser ganzen Strecke geschlossen, son- 
dern es tritt auch schon im obern Dorsalmark eine Spaltbildung ^uf. 
Der Spalt ist schmal , gewinnt aber, je tiefer wir im Brustmark herunter- 
steigen, immer mehr an Tiefe bis zu o"™6, nimmt also über ein Drittel 
der ganzen Septumlänge ein. 

In diesen Spalt dringt immer ein sehr deutliches Blatt der Pia 
mater ein, das sich von dem der vorderen Fissur durch nichts 
unterscheidet (Fig. 13). Man kann somit beim Orang im gröfsten Theil 
des Rückenmarks sehr wohl von einer Fissura posterior reden. Dieser 
Pialfortsatz spaltet das Septum posterius, dessen Fasern nun theils den 
linken, theils den rechten Goll'schen Strang auf seiner medialen Fläche 
bekleiden. 



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32 R. Krause: 

Den höchsten Grad seiner Ausbildung erreicht das Septum posterius 
im Lendenmark, wo es an vielen Stellen über lo fi dick ist. Auch die 
hintere Fissur gewinnt an Tiefe im Lumbaimark, so dafs sie die Hälfte 
der Hinterstrangslänge überragt und auch in Bezug auf Weite der vorderen 
Fissur kaum nachsteht. Was die das Septum zusammensetzendem Fasern 
betrifft, so stammen sie aus den schon so oft erwähnten Zügen der cen- 
tralen Gliamasse und der hinteren Commissur. 

Wir haben also gesehen, dafs zwischen dem Septum posterius und 
der centralen Gliamasse eine sehr innige Wechselbeziehung besteht. Die 
letztere setzt sich im ganzen Rückenmark, wenigstens der Hauptsache 
nach, zusammen aus längs verlaufenden GliafaserzOgen und ist im Hals- 
mark am stärksten entwickelt. Aus ihnen gehen nun fortwährend Faser- 
züge unter rechtem Winkel ab und treten in das Septum ein. Dadurch 
verarmt die centrale Gliamasse an Fasern, während das Septum, je weiter 
wir im Rückenmark herabsteigen , immer mehr an Stärke zunimmt. Neben 
diesen eingedrungenen Fasern enthält nun das Septum noch ihm eigen- 
thümliche, autochthone Zellen, deren Zahl aber in den einzelnen Höhen 
des Rückenmarks keinen gröfseren Schwankungen unterliegt. Ob die Epen- 
dymfasern bei der Zusammensetzung des Septum posterius im Orangrücken- 
mark eine grö&ere Rolle spielen, ist mit Sicherheit nicht zu eruiren, aber 
unwahrscheinlich . 

Ganz anders die Verhältnisse bei Inutts und Aieles. Hier ist ja, wie 
früher aus einander gesetzt wurde, die centrale Gliamasse nur recht spär- 
lich entwickelt, und die Ependymfasern spielen bei der Zusammensetzung 
des Septum posterius eine nicht unwesentliche Rolle. Man sieht sie, vom 
Ependym herabkommend, meist in starkem, nach aufsen convexem Bogen, 
die hintere Commissur durchsetzen und in das Septum eintreten. Die 
Hauptfasern aber, welche die Ependymfasern an Menge weit übertreffen, 
stammen aus jenen Faserbündeln, welche ich an einer früheren Stelle ein- 
mal als Grenzfasern bezeichnet, weil sie an der Grenze zwischen Hinter- 
horn und Hinterstrang verlaufen. Sie biegen in grofsen Zügen um den 
Kopf des Hinterstrangs herum und treten in das Septum ein. Autoch- 
thone Fasern scheint das Septum bei Inutis xmd Ateles noch weniger zu 
besitzen als beim Orang. Eine Spaltbildung im Septum posterius ist bei 
Inwus und Ateles in den unteren Theilen des Rückenmarks nur sehr wenig 
ausgeprägt. 



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Untersuchungen über den Bau des Centrabiervensystems der Äffen. 33 

Vorderhorn und vordere Wurzeln. 

In Bezug auf Anordnung, Zahl und BeschaJBfenheit der Fasern finden 
sich im Vorderhorn in den verschiedenen Höhen des Rückenmarks nur 
so geringe Unterschiede, dafs sie keiner speciellen Besprechung bedürfen. 

Das Vorderhorn ist reich an Gliafasern, aber keineswegs, wie beim 
Menschen , reicher als die weifse Substanz. Nur an seinem medialen Rande 
ist das Vorderhorn einigermafsen gegen die weifee Substanz abgesetzt. 
Hier finden sich nämlich , oft in einer Reihe an der Grenze entlang liegend, 
Gliazellen, deren Fasern hauptsächlich mehr oder weniger dorso- ventral 
oder kranio-caudal verlaufen. Es entsteht so eine Platte von Gliafasern, 
welche auf der Grenze zwischen Vorderhorn und Vorderstrang liegt: vor- 
dere Grenzfasern. 

Geht man weiter ventralwärts um den Kopf des Vorderhorns herum, 
so fehlt hier eine solche Abgrenzung gänzlich. Die Fäserbüiidel, welche 
die austretenden vorderen Wurzeln begleiten, strahlen fächerförmig in die 
graue Substanz ein. In den dazwischen gelegenen Partien gehen die Glia- 
fasern überall aus der weifsen Substanz in die graue Ober, und die Grenze 
zwischen beiden markirt sich durch nichts in der Anordnung der Glia- 
elemente. 

In der grauen Substanz des Vorderhorns kann man von einer gesetz- 
mäfsigen Anordnung nicht reden. Die fast sämmtlich vielkernigen Glia- 
zellen liegen nicht gerade sehr dicht. Es finden sich hier viele Zellen, 
deren Fasern verhältnifsmäfsig kurz sind, Kurzstrahler, aber auch sehr 
viele Zellen mit sehr langen Fasern, Langstrahler. Von einem deutlichen 
Überwiegen oder gar ausschliefslichen Vorkommen der ersteren kann nicht 
die Rede sein. Man kann in dickeren Schnitten zahlreiche Fasern durch 
die ganze Breite des Horns verfolgen. 

Die Fasern kreuzen sich nach allen Richtungen, so dafs, wie das 
auch Weigert für den Menschen angibt, Querschnitte des Rückenmarks 
fast dieselben Bilder geben wie Längsschnitte. 

Was nun die um die grofsen motorischen Nervenzellen herumliegen- 
den Faserkörbe anbetriflPb, so sind sie nicht allzu dicht (Fig. i8). Die zu- 
gehörigen Zellkörper liegen ebenfalls in nächster Nähe der Nervenzellen, 
also umgekehrt, wie bei den GefSfsen, wo die Fasern oft von weither' 
kommen, um das Gefäfs umscheiden zu helfen. 

Pkys. Ahh, nicht zur AkacL gehör. Gelehrter. 1899. III. 5 



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34 R. Krause: 

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse hei Inuus und Ateles (Fig. 19); 
für ersteren dürfte vielleicht die Behauptung zutreffen, dafs die graue 
Substanz reicher an Gliafasern ist, als die weifse. Die Fasern stellen hier 
besonders im Voi'derhorn von Inuus lange , starre Fäden dar, welche , einer 
genau wie der andere, in kurzen Schlangenwindungen verlaufen. 

Das Seitenhorn. 
Da, wo das Seitenhorn gut entwickelt ist, also hauptsächlich im 
Dorsalmark des Orange stellt es einen langen, weit in die weifse Substanz 
hineinragenden Fortsatz dar, der zahlreiche längliche, mittelgrolse Nerven- 
zellen enthält. Die Glianetze, welche diese Zellen umgeben, sind ent- 
schieden viel dichter, als die der motorischen Vorderhomzellen. Die Fasern 
verlaufen in der Basis des Seitenhorns hauptsächlich in der Längsrich- 
tung und biegen dann in die quere Richtung ein, um durch die Spitze 
des Seitenhorns hindurch in die weifse Substanz einzutreten. 

Das Hinterhorn. 

Das Hinterhorn ist im grofsen und ganzen an Gliafasern ärmer als 
das Vorderhorn, dagegen ist es schärfer von der wei&en Substanz durch 
Horizontalfasern abgesetzt. 

Wie früher aus einander gesetzt wunle, strahlt aus der centralen 
Gliamasse nach hinten und aufsen ein Faserzug aus, welcher an der Grenze 
zwischen Hinterhorn und Hinterstrang verläuft und eine recht scharfe AIh 
grenzung des einen gegen den andern bewirkt; Dieser Grenzfaserstrang 
ist in allen Höhen des Rückenmarks zu finden. Die ihn constituirenden 
Fasern sind fast ausschliefslich Horizontalfasem, die in leichter Schlänge- 
lung an der medialen Grenze des Hinterhoms entlang laufen. Sehr zahl- 
reich treffen wir in diesem Strang Zellen mit zwei oder drei Kernen. Die 
Fasern laufen zwischen den Kernen hindurch, und das Ganze ähnelt so 
einem in der Mitte durch einen Ring zusammengehaltenen Ruthenbündel. 

Noch markanter ist die äufsere Grenze des Hinterhorns, also da, wo 
dasselbe an den Seitenstrang angrenzt. Hier wird die Grenze gebildet durch 
mächtige Fasermassen, ebenfalls Horizontalfasern, welche zahlreiche Bündel 
in die weilse Substanz schicken. Am stärksten sind diese lateralen hinteren 
Grenzfasern im Dorsalmark entwickelt. Sie strahlen ventral in das Seiten- 
horn ein, dorsal in die die hinteren Wurzelfasem umgebenden Bündel. 



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Untersuchungen Über den Bau des Centrainervenst/stems der Aßen. 35 

Was nun die einzelnen Theile des Hinterhoms anlangt, so sind Basis 
und Cervix verhältnifsmäfsig am reichsten mit Gliafasern ausgestattet. Die- 
selben verlaufen zum ' gröfsten Theil wie im Vorderhorn regellos; daneben 
treten aber, besonders im Halsmark, kleine, aber recht zahlreiche Längs- 
bündel auf. Sie setzen sich, wie man besonders schön an I^ngsschnitten 
durch das Halsmark erkennen kann, aus zahlreichen hinter oder, besser 
gesagt, Ober einander gelegenen mehrkernigen Gliazellen zusammen, die 
in ihrem Aussehen jenen Zellen gleichen, welche die medialen Grenzfaser- 
bündel bilden. 

Die Clarke'sche Säule hat beim Orang eine ganz ähnliche Lage wie 
beim Gorilla. Ihre Zellen finden sich im Halsmark dicht an der medialen 
Grenze des Cervix cornu posterioris. Nach innen von ihnen liegen die 
medialen Grenzbündel, welche in starken Zügen aus der centralen Glia- 
masse kommen. Nach aufsen zu ist die Clarke'sche Säule hier durch 
Gliafasern nicht gegen das übrige Hinterhorn abgesetzt. Je mehr wir uns 
dem Dorsalmark nähern, um so mehr dringt die Clarke'sche Säule ventral 
vor und bildet schliefslich im Dorsal];nark selbst einen runden Strang, 
welcher jederseits zwischen hinterer Commissur und Centralkanal etwas 
nach aufsen von der Mittellinie gelegen ist. Er drängt sich gleichsam in 
die centrale Gliamasse hinein und wird auch ventral und medial von ihr 
umfafst. Mehr dorsal und lateral wird er durch die medialen Grenzfasern 
von der hinteren Commissur getrennt; aus jenen treten zahlreiche Faser- 
bündel aus, welche den Strang umkreisen und vollständig gegen die Basis 
des Hinterhoms abgrenzen. Es hebt sich so die Clarke'sche Säule im 
Dorsalmark aufserord entlich scharf und praecis auch an Neuroglia-Praepa- 
raten aus dem Querschnittsbilde hervor. Im untern Brustmark wird die 
Clarke'sche Säule immer kleiner und läfst sich ai\ unseren Praeparaten im 
Lumbaimark nicht mehr nachweisen. 

Die Substanz der Clarke 'sehen Säule ist mit Gliafasern nicht sehr 
reichlich versehen; sie enthält jedenfalls weniger als die ventralen Partien 
des Hinterhoms. Die Fasern liegen regellos und zeigen keine typische 
Anordnung. 

In den übrigen Theilen des Hinterhoms bieten die Gliaverhältnisse 
wenig Bemerkenswerthes. Das Caput cornu posterioris enthält nicht ge- 
rade spärliche, aber auch keineswegs zahlreiche Fasern. In der Substantia 
Rolandi dagegen sind die Gliafasern nur aufserordentlich spärlicli, die in 



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36 R. Krause: 

(lieser Beziehung an allerletzter Stelle steht. Die Fasern sind radiär ver- 
laufende Horizontalfasem, zeigen also ein ganz ähnliches Verhalten, wie 
es von Weigert für das menschliche Rückenmark beschrieben worden 
ist. Die Substantia Rolandi hebt sich an den Gliapraeparaten sehr gut 
hervor, da sie fast ganz ungefärbt ist, abgesehen natürlich von den zahl- 
reichen Kernen. Sehr reich an Gliafasern ist dann wieder das Stratum 
zonale; hier finden sich neben radiär verlaufenden Horizontalfasern auch 
zahlreiche Längsfasern, die aber nicht zu Bündeln angeordnet sind. 

Mächtige Horizontalfaserbündel grenzen diesen ganzen hintern Theil 
des Hinterhorns gegen die weifse Substanz ab. Dazu kommen auch noch 
ansehnliche Mengen von Längsfasern. Besonders da, wo der Hinterhom- 
winkel gut ausgeprägt ist, finden sich solche I^ngsfasern in gro&er Menge. 
So ist z. B. im Lendenmark der ganze Hinterhomwinkel von solchen Längs- 
fasern ausgefüllt. Durch die aus dem Hinterstrang in die graue Substanz 
des Hinterhorns einstrahlenden Nervenfasern wird diese starke mediale 
Grenzschicht an vielen Stellen durchbrochen. Mit den Nervenfasern drin- 
gen die sie umgebenden Gliafasern auch durch die Grenzschicht hindurch, 
enden aber sehr bald, nachdem sie im Hinterhom angelangt sind. 

Der Apex des Hinterhorns, der ganz ebenso, wie das Waldeyer vom 
Gorilla beschrieben hat, niemals bis zur Peripherie des Rückenmarks reicht, 
zeigt in Bezug auf seinen Gliagehalt das gleiche Verhalteij wie das Stratum 
zonale. Solche Bilder, wie sie Weigert vom Menschen beschrieben hat, 
habe ich beim Orang niemals erhalten. 

Ich möchte an die Besprechung des Hinterhorns gleich die der Hint^r- 
wurzeln anschliefsen. Dieselben sind aufserordentlich reich an Gliafasern 
und können in dieser Beziehung beinahe mit der centralen Gliamasse wett- 
eifern. Die Nervenfasern werden hier so allseitig und vollständig von 
Gliafasern umhüllt, dafs in den Praeparaten die hintere Wurzel fast ganz 
blau erscheint und schon makroskopisch zu erkennen ist. Man kann die 
Gliafasern ziemlich weit peripher in der hinteren Wurzel aufserhalb des 
Rückenmarks verfolgen. Sie bilden in diesem extramedullären Theil der 
Wurzel ein sehr dichtes Geflecht von groben und derben Fasern, welches 
dem der GliahüUe ähnelt. Auch hier sind die Fasern häufig rechtwinkelig 
al;>geknickt. Beim Eintritt der Wurzel in das Rückenmark ändert sich 
das, die Fasern ordnen sich zu Längsreihen an, welche die Nervenfasern 
eng umscheiden und in das Rückenmark hinein begleiten. Rundum ist 



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Untersfichungefi über den Bau des Centralnervensjjstems der Affen. 37 

im HaJsmark die weifse Suhstanz ein Stück weit gegen die hintere Wurzel 
durch einen Fortsatz der Gliahülle abgesetzt. 

Die Gliaverhältnisse im Hinterhorn von Inuus bieten wenig Bemer- 
kenswerthes dar. Die Substantia Rolandi ist gut entwickelt und durch 
ihre Armuth an Gliafasern deutlich von dem Caput cornu posterioris zu 
unterscheiden. Das Hinterhorn ist sowohl durch die medialen als die late- 
ralen Grenzfasern selir gut von der umgebenden weifsen Substanz abgesetzt 
Im allgemeinen bieten sich uns ähnliche Verhältnisse wie beim Orang. 

Ganz anders bei Ateles^ wo man eine Substantia Rolandi in den Neu- 
roglia-Praeparaten nicht mehr erkennen kann. Im Hals- und Brustmark 
ist das Hinterhorn an Fasern nicht eben reich. Die hintere Wurzel tritt 
hier in einen sehr tiefen Sulcus lateralis posterior ein. In denselben er- 
streckt sich ein Fortsatz der Pia hinein , und seine Wandungen sind aus- 
gekleidet von einer auffallend starken Gliahülle. Natürlich kommt es sehr 
häufig vor, dafs die hintere Wurzel gerade nicht in den Schnitt f&Ut; dann 
bietet sich ein auf den ersten Blick höchst fremdartiges Bild. Man erhält 
dann auf jeder Seite des Septum posterius, das hier nur ganz geringe Spalt- 
bildung aufweist, einen recht weiten, tief klaffenden Spalt, der bis zum 
Kopf des Hinterhorns hinaufreicht (Fig. 22). Es erreicht dieser Sulcus la- 
teralis posterior fast die Tiefe der vorderen Fissur, seine Glia -Auskleidung 
ist aber wesentlich stärker als dort. Das Hinterhorn zeichnet sich bei 
Ateles im Lumbaimark durch seinen Gehalt an grofsen Nervenzellen aus, 
die oft ganz den Typus der Vorderhornzellen in Bezug auf Gröfse, Multi- 
polarität und Anordnung der Nisslkörper besitzen. Diese Zellen liegen 
zerstreut durch das ganze Hinterhorn; sie reichen sehr weit dorsal bis in 
die Nähe der hinteren Peripherie des Rückenmarks. Zwischen Hinterhorn 
und Peripherie schiebt sich noch eine Markbrücke ein , welche aufserordent- 
lich reich an Gliafasern ist, viel reicher als jede andere Stelle des Ateles- 
Rückenmarks. Medial geht sie über in die recht stark entwickelte Gliahülle, 
lateral grenzen an sie die einstrahlenden hinteren Wurzeln, welche ebenfalls 
sehr reich an Gliafasern sind. Die Fasern der Mark brücke sind theils radiär 
verlaufende Horizontalfasern, theils Längsfasern; sie vereinigen sich mit den 
Fasern der hinteren Wurzeln und bilden um den Kopf des Hinterhorns und 
um die zahlreichen, hier gelegenen Nervenzellen ein sehr dichtes Geflecht, 
welches einigermafsen an das von Weigert beim Menschen beobachtete 
erinnert. Nur sind die Fasern alle viel dicker und starrer als dort. 



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38 R. Krause: 

Die weifse Substanz. 

Die weifse Substanz des menschlichen Rückenmarks wird bekanntlich 
von einer an den verschiedenen Stellen verschieden dicken Schicht über- 
zogen , die aus Neuroglia besteht und welche als Rindenschicht oder Glia- 
hüUe oder Peridym bezeichnet wor<len ist. Auch beim Orang findet sich 
eine solche GliahüUe an den verschiedenen Stellen verschieden stark ent- 
wickelt. Zunächst soll die Ausdehimng dieser Schicht in den verschie- 
denen Höhen des Orangrückenmarks geschildert werden. 

Im Halsmark wird die vordere Fissur ausgekleidet von einer Glia- 
schicht, welche in dem gröfsten Theil der Fissur keine zusammenhängende 
ist. Im Grunde der Fissur erreicht sie jedoch eine Dicke von 2-4 /i; 
die Fasern schliefsen sich dann am Boden der Fissur zu einem 9-12 /i 
starken Bündel zusammen , das sehr bald in der vorderen Commissur sich 
in drei bis vier Strähnen spaltet und der centralen Gliamasse zustrebt. 
Im obersten Theil der Fissur bilden die Gliafasern wiederum eine zu- 
sammenhängende, aber sehr dünne, minimale Schicht, welche sich dann 
auch auf den ventralen Rand des Vorderstranges überschlägt. Im Bereiche 
des Vorderseitenstranges weist die GliahüUe immer nur eine ^ehr geringe 
Dicke auf; häufig ist sie unterbrochen und streckenweise gar nicht vor- 
handen. Erst in der Nähe der hinteren Wurzel zeigen sich constantere 
Verhältnisse. Hier besitzt die GliahüUe eine Dicke von höchstens 2 /i, 
tritt dann mit der hinteren Wurzel in die wei&e Substanz hinein, um auf 
eine lange Strecke den Seitenstrang gegen die Hinterwurzel scharf abzu- 
grenzen. Nachdem sie so ungefähr o"*/"6 weit vorgedrungen ist, strahlen 
ihre Fasern in die weifse Substanz ein. Im Gebiet der Hinterstränge ist 
die GliahüUe immer deutlich zu erkennen, erreicht aber nie eine stärkere 
Entwickelung , abgesehen von den Stellen, wo sie sich in den Sulcus me- 
dianus posterior und den Sulcus intermedius posterior einsenkt. Der letz- 
tere ist im Halsmark immer gut entwickelt und enthält auch stets ein 
kurzes Piaseptum. 

Im Dorsalmark ist die GliahüUe nur ausserordentUcli schwach ent- 
wickelt (Fig. 20). Von einer zusammenhängenden Schicht kann man hier 
nur an wenigen Stellen reden, das sind der Sulcus medianus posterior 
und die mediale Fläche des Seitenstrangs als Abgrenzung gegen die hin- 
tere Wur/el. In der vorderen Fissur sieht man die GliahüUe fast gar 



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Untersuchungen über den Bau des Ceniralnervenst/slems der Affen. 39 

nicht entwickelt, und der Boden der Fissur enthält nie so viel Fasern als 
im Halsmark. 

Unstreitig die stärkste Entwickelung erreicht die GliahuUe im Lenden- 
mark; man kann sagen, dafe hier die ganze Oberfläche von Gliafasern 
ziemlich continuirlich und dicht überzogen ist (Fig. 13). Nur im Bereich 
des Vorderseitenstrangs findet man hier und da Stellen, denen dieser Über- 
zug fehlt. Am stärksten wird die GliahüUe in den hinteren Pallien des 
Seiten Strangs, im Hinterstrang und dem Sulcus medianus posterior; hier 
sind Dicken von 6-8 // nichts Seltenes. 

Was den feinern Bau der GliahüUe anlangt, so läfst sich derselbe 
am besten an guten Längsschnitten des Rückenmarks erkennen. Wählen 
wir zunächst eine Stelle, wo die Hülle sehr stark entwickelt ist, also z. B. 
einen frontalen Längsschnitt, welcher die hintere Gommissur oder das erste 
Drittel des Septum posterius getroffen hat (Fig. 1 3). Nach aufsen liegt an 
den meisten Stellen die Pia mater mit ihren langen spindligen Kernen 
dem Rückenmark glatt an, ohne dafs der geringste Spaltraum zwischen 
beiden existirt. An anderen Stellen, wo man einen solchen mit Celloidin 
gefönten Spaltraum erblickt, da handelt es sich ohne Zweifel um eine arti- 
ficielle Ablösung. Aus der GliahüUe strahlen überall dickere oder dünnere 
Bündel von Gliafasern in die Pia ein, von welchen bald die Rede sein soll. 
Die äufserste Schicht der GliahüUe, welche gewöhnlich ganz frei von Ker- 
nen ist, besteht aus mehr oder weniger schräg getroffenen Fasern; dann 
folgt eine Schicht längsverlaufender Fasern, wenigstens hat man zunächst 
diesen Eindruck. Verfolgt man jedoch die Fasern genau, so gewahrt man, 
dals jede Faser nach kürzerm oder längerm Verlauf recht- oder stumpf- 
winkeUg in die quere Richtung umbiegt und in die weifse Substanz eintritt. 

Man kann von diesen queren Fasern der GliahüUe, und es sind schliefs- 
lich alle Fasern Querfasern, drei Arten unterscheiden, nämlich Fasern, welche 
rechtwinkelig umbiegen, um circulär um das Rückenmark herumzulaufen, 
Circulärfasem ; dann solche, die ebenfalls rechtwinkelig umbiegen, aber in 
kranio-caudaler Richtung weiterziehen, I-Ängsfasern , und endlich solche, 
die überhaupt nicht umbiegen, sondern durch die GliahüUe durch und in 
die Pia eintreten, perforirende Fasern. 

Meistens dringen die circulären Fasern weiter nach auisen vor als 
die Längsfasem, doch trifft man an anderen Stellen wieder das umge- 
kehrte Verhalten, so dafe sich eine Norm nicht aufstellen lä&t. An vielen 



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40 R. Krause: 

Stellen kommen aussehliefslich Längs-, an anderen ausschliefslieli Circular- 
fasem vor. Es können auch die Circulärfasern aufsen und innen begrenzt 
werden von Ungsfasem. 

Was die perforirenden Fasern anlangt, so treten sie bündelweise 
zwischen die BindegewebsbOndel der Pia raater ein und enden hier frei, 
häufig mit einer kleinen, hackenfBrmigen Umbiegung. Es kommen solche 
perforirenden Fasern überall an der Circumferenz des Rückenmarks vor, 
wo auch eine GliahüUe entwickelt ist, und es scheint sich hier um Haft- 
organe zu handeln, welche die Pia mater an dem Rückenmark befestigen. 

Das Vorkommen der einzelnen Faserarten an der Circumferenz des 
Rückenmarks anlangend , so trifft man z. B. in der hinteren Fissur aus- 
sehliefslich Circulärfasern, d. h. also Fasern, die im Rückenmarksquerschnitt 
in der Fissur längs verlaufen. Erst in der Nähe des dorsalen Endes der 
Fissur treten mehr und melir Längsfasem auf, deren Zahl an der me<lialen 
Ecke des Hinterstrangs eine recht beträchtliche wird. Überall da, wo ein 
Gliaseptum in die weifse Substanz einstrahlt, zeigt sich auch die Zahl der 
Längsfasern bedeutend vermehrt. Sie sind hier überall zwischen die Cir- 
culärfasern eingestreut. In der vorderen Fissur finden sich neben den Cir- 
culärfasern, welche die grofse Masse bilden, auch noch Längsfasern. 

An Kernen ist die GliahüUe nicht eben reich. Nur da, wo die Glia- 
septen abgehen, trifft man zahlreiche grofse helle Kerne, während sich an 
den übrigen Stellen mehr kleine, dunkle, spärliche Kerne finden. 

Nach der Ansicht vieler Autoren soll das Rückenmark aufsen von einer 
besonders feinen Membran umgeben sein , welche es vollständig gegen die 
Pia mater hin abschliefet. Man findet dieses Gebilde unter dem Namen 
der Grenzschicht Endothelmembran oder als Membrana limitans meningea 
beschrieben. Entweder wird die Grenzschicht als endothel- oder cuticula- 
artige Bildung aufgefafst. Die Golgi-Bilder zeigen die Ausläufer der die 
GliahüUe zusammensetzenden Zellen an ihrem Ende mit je einem Knötchen 
besetzt, und nach Leuhossek soll die Grenzschicht so zu Stande kommen, 
dafe sich Knötchen dicht an Knötchen lagert und so eine die GliahüUe 
nach aufeen ganz dicht abschUefsende Cuticularmembran entsteht. 

Die Weigert-BUder zeigen nun von solchen Knötchenbildungen am 
Ende der Gliafasem nicht die Spur; ja, es lä&t sich sogar mit dieser Methode 
auf das allerbes timmteste nachweisen, dafe sehr zahlreiche Gliafasem ein 
ganzes Stück weit sich in die Pia mater hinein ei'strecken. In tadellosen 



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Unterstichungen über den Baii des Cenlralnervensjjstems der Affen. 41 

Weigert-Praeparaten liegt die Pia mater der GliahüUe dicht an. Üie Fasern 
der letzteren zeigen absolut keinen Absclilufs gegen die erstere. Weder ein 
Endothel noch eine Cuticularmembran ist zu finden. Da, wo circuläre 
Fasern zu äufserst liegen , ist ein wenigstens scheinbarer dichter Abschlufs 
vorhanden; liegen aber, wie an vielen Stellen, Längsfasern am weitesten 
nach aufsen, so kann von einem solchen gar nicht die Rede sein. Es finden 
sich dann die Faserquerschnitte mehr oder weniger dicht bei einander liegend, 
hier locker in die Pia vorgeschoben, dort dichter zusammengeschlossen. 

Wenn wir uns fragen, wie sich diese Unterschiede zwischen Golgi- 
und Weigert-Bildern erklären lassen, so müssen wir zunächst bedenken, 
dafe die letzteren uns einen ganz anderen Verlauf der Gliafasern darbieten 
als erstere. Wie schon erwähnt biegen die Fasern in den Weigert-Prae- 
paraten alle um, mit Ausnahme der perforirenden Fasern. Alle Fasern der 
GliahüUe sind von Hause aus mehr oder weniger radiär verlaufend. Das 
letztere Verhalten zeigt ja auch die Golgi- Methode, aber sie läfst die Faser 
dann, wenn sie die Peripherie erreicht hat, mit einem Knopf enden ; über die 
Umbiegungsstelle kommt sie nicht hinaus. Aufserdem zeigt sie ja auch 
nur einen ganz geringen Procentsatz der wirklich vorhandenen Fasern. Es 
scheint also, wie das ja auch Weigert andeutet, dafs an der Umbiegungs- 
stelle ein Niederschlag im Golgi-Praeparat in Form eines Knötchens ent- 
steht. Für die Artefactnatur dieses Knötchens spricht wohl auch die aufser- 
ordentlich variable Form und Grö&e des Gebildes. Etwas ganz Ähnliches 
findet sich an den Gefafsen, wo die Gliafasern ein ganz ähnliches Verhalten 
zeigen, d.h. winkelig umbiegen, wie in der GliahüUe. 

Auffallend ist der Reichthum der GliahüUe an sehr starken Fasern und 
Faserbündeln. Man kann dieselben oft auf weit« Strecken verfolgen ; bei 
ihrer Endigung in der GHahüUe spitzen sich die Fasern zu. Die Faser- 
bündel zerfallen meist, nachdem sie in der GliahüUe umgebogen sind. 

Über den Bau der GHahüUe bei Inuus und Ateles ist dem oben Gesagten 
wenig zuzufügen (Fig. 22). Bei beiden ist eine GliahüUe deutlich nach- 
weisbar und im Lendenmark wieder stärker entwickelt als im Hals- und 
Brustmark. Hier im Lendenmark ist sie sogar bei beiden verhältnifsmäfsig 
noch stärker entwickelt als beim Orang. Perforirende Fasern bez. Bündel 
finden sich bei Macacus noch recht häufig, bei Ateles dagegen sind sie kaum 
mehr zu erkennen. Hier sind die Fasern alle sehr fein, sehr dicht gelagert 
und geben sehr zierliche Bilder. 

Ph/ys. Ähh. rdcht zur Akad. gehör. Gelehrter. 1899. III. 6 



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42 R. Krause: 

Aus der Gliahülle treten nun die bekannten üliasept^'n in i-adiärer 
Richtung in die wei&e Substanz ein, liauptsächlich im Anschlufs an die 
gröberen Geflifse. Sie sind gewöhnlieh am schwächsten im Dorsalmark, 
stärker im Halsmark und am mächtigsten im Lendenmark. Hier finden 
sich Septen, welche dem Septum posterius an Stärke wenig nachgeben. 
Sie entspringen mit breiter, kegelförmiger Basis von der Peripherie , laufen 
dann, allmählich dünner werdend, mehr oder weniger geradlinig auf die 
graue Substanz zu, um sich, noch bevor sie dieselbe erreicht haben, in 
ihre Elemente aufzulösen. 

Auf Querschnitten durch das Rückenmark erkennt man, dafs diese 
Gliasepten hauptsächlich bestehen aus Horizontalfasem mittlem und stär- 
kern Kalibers. Zwischen ihnen sieht man auch eingestreut die Quer- 
schnitte von iJlngsfasern , doch in nicht allzu grofser Anzahl. Nur in der 
Basis der Septen, vor allem im Lendenmark, kommen starke Bündel von 
Längsfasem vor. Sehr häufig begegnet man natürlich in den Septen quer, 
schräg oder längs geschnittenen Blutgeföfeen. Aus der Gliahülle biegen 
in die Septen zahlreiche Fasern ein, bez. umgekehrt, und zwar sowohl 
Circulär- als auch Längsfasern. Nachdem sich das Septum endlich stark 
verdünnt hat, stieben seine Fasern wie die Haare eines Pinsels aus einander, 
um zwischen den einzelnen Nervenfasern weiter zu laufen. Wenn wir dann 
noch erwähnen, dafe im Septum zahlreiche, sowohl helle groCse, als auch 
dunkle kleine Kerne zu sehen sind, so ist damit so ziemlich Alles gesagt, 
was das Querschnittsbild uns darbietet. 

Viel instructivere Bilder liefern uns auch hier wieder iJingsschnitte durch 
das Rückenmark, welche gerade ein Septum der Länge nach getroffen ha- 
ben (Fig. 20). Hier bietet sich unserm Auge dann ein ganz überraschender 
Reichthum an Gliafasern dar. Zu äufserst folgt auf die Pia je nach der 
Stelle, aus der der Schnitt stammt, eine verschieden stark entwickelte Glia- 
hülle. Aus ihr erheben sich starke Bündel, welche dem Innern des Mar- 
kes zustreben , und zwar derart, dafs immer mehrere Bündel nach einem 
gemeinsamen Treffpunkt convergiren, in dem ein grofser Kern liegt. Die 
einzelnen Treffcentren sind wieder durch Längsfasern mit einander ver- 
bunden. Dazwischen finden sich nun zahlreiche Bündel, welche einen 
mehr oder weniger diagonalen Verlauf nehmen. Wenn wir das ganze 
Fasersystem von der Gliahülle bis zu den Treffpunkten als eine Etage 
bezeichnen, so können dann entweder von ihr aus die Fasern regellos 



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ünterstichungen über den Bau des Centrahiervensystems der Affen. 43 

aus einander fahren , oder aber es folgen zunächst erst noch auf diese erste 
Etage eine oder mehrere weitere Etagen. 

Es erinnnern diese aus der Gliahülle als Fundament gleichsam auf- 
strebenden und von Strecke zu Strecke durch L&ngsbündel zusammenge- 
haltenen Fasersysteme an manche Eisenconstructionen unserer Ingenieure 
im Brücken- oder Viaductbau. 

Auffallend sind in diesen Längsschnittbildern die sehr grofsen präch- 
tigen Kerne, welche die Treffpunkte der Faserzüge bilden. Offenbar han- 
delt es sich hier um Gliazellen mit besonders grofsen Kernen, welche 
Fasern von gro&er Zahl und auch beträchtlicher Länge besitzen, die in 
charakteristischer Weise zu Bündeln zusammengeschlossen sind. 

Aus den Gliasepten oder Stamm fortsätzen treten zahlreiche dqnne 
Faserbündel heraus, welche Gruppen von Nervenfasern gegen einander 
abgrenzen, und aus ihnen dann wieder Fasern, welche die einzelnen Ner- 
venfasern von einander trennen. Wenn auch zwischen allen Nervenfasern 
der weifsen Substanz Gliafasern, und zwar sowohl I^ngs- als Horizontal- 
fasern verlaufen , so ist diese trennende Schicht doch durchaus nicht überall 
so vollständig entwickelt, dals nicht die einzelnen Markscheiden noch sehr 
häußg sich gegenseitig berührten. Während die iJlngsfasern mehr gerad- 
linig verlaufen, müssen sich die Horizontalfasern in starken Schlangenwin- 
dungen zwischen den Nervenfasern durchwinden. 

Was nun im speciellen den Verlauf der Gliafasern in der weifsen 
Substanz anlangt, so ergeben sich für die einzelnen Stränge einige Unter- 
schiede. Beim Orang sind dieselben im Halsmark am deutlichsten aus- 
geprägt. Der Vorderseitenstrang ist an Gliafasern entschieden reicher 
als der Hinterstrang. Vom Rande der vorderen Fissur sieht man kräftige, 
stark geschlängelte Fasern schräg dorsal und nach aufsen hervorstrahlen. 
Auch von der ganzen Peripherie des Vorder- Seitenstrangs ziehen solche 
Fasermassen radiär nach innen. Sie zeichnen sich einmal durch die Stärke 
ihrer Fasern aus und dann dadurch, dafe sie meist isolirt verlaufen oder 
doch nur zu wenig zusammengelagert sind. Ihre stärkste Entwickelung 
erreichen diese Fasern im Seitenstrang in der Nähe des Eintritts der hin- 
teren Wurzel und in dieser selbst. Wo die Fasern ihr Centrum, d. h. den 
zugehörigen Kern und Zellkörper, haben, ist mit Sicherheit gar nicht zu 
eruiren. Es ist ein Leichtes, eine solche Faser im Seitenstrang von der 
Peripherie aus bis in die Nähe der grauen Substanz zu verfolgen, woraus 

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44 R. Krause: 

hervorgelit, dafs sie fast in einer und derselben HorizontÄlebene verlaufen. 
Man findet dabei der Faser hier und da einen Kern anliegen, ohne dafe 
mau entscheiden kann, ob er zur Faser gehört oder nicht. Neben diesen 
Radiärfasern kommen auch zahlreiche iJingsfasern vor; sie sind im allge- 
meinen in der Peripherie spärlicher und nehmen nach der grauen Substanz 
hin an Zahl zu. Sie treten dann mehr in den Vordergrund, beherrschen 
das Bild, weil hier auch die Radiärfasern mehr verschwinden. 

In den Hintersträngen treten im Halsmark die Horizontalfasern stark 
in den Hintergrund gegenüber den Längsfasern, und der Burdacirsche 
Strang ist an letzteren wieder durchschnittlich reicher als der GolTsche. 
Einen grö&eren Reich thum an Horizontalfasern zeigt der Burdach'sche 
Strang in den Partien, welche direct an das Hinterhorn stofsen. 

Im Lendenmark herrschen im allgemeinen dieselben Verhältnisse wie 
im Halsmark, im Dorsalmark dagegen sind die Unterschiede stark verwischt. 
Vor allem fehlen oder sind doch stark reducirt jene kräftigen Horizontal- 
fasern, welche vom Rande der vorderen Fissur und von der ganzen Peri- 
pherie des Vorderseitenstranges ausstrahlen. Horizontalfasern in gröfeeren 
Massen finden sich hier nur in der Nähe der hinteren Wui'zeln. 

üanz ähnliche Verhältnisse finden wir bei Inuus und Ateles in Bezug 
auf Verlauf und Vertheilung der Gliafasern in der weifsen Substanz. Die 
grofse Masse der Fasern in den Vorderseitensträngen sind stark wellig ver- 
laufende Horizontalfasern. Dazu gesellen sich noch Längsfasern, welche 
hauptsächlich in den Hintersträngen und den der grauen Substanz benach- 
barten Partien des Vorderseitenstrangs vorherrschen. 

Das Verhalten der Gliafasern zu den Gefäfsen. 
Wenn man auch von dem Affenrückenmark schlechthin sagen kann, 
dafs jedes Geföfs von einer aus Gliafasern zusammengesetzten Hülle um- 
geben ist, so scheint mir doch, wenn ich meine Praeparate mit den Ab- 
bildungen vergleiche, welche andere Autoren vom menschlichen Rückenmark 
gegeben haben, dafs diese GefafshüUen bei den Affen recht spärlich ent- 
wickelt sind. Der gröfsere oder geringere Gliareichthum um ein Gef&Is 
hängt hier ganz ab von dem Ort, an welchem es liegt. Wenn wir z. B. 
ein kleines Gef^Us in der centralen Gliamasse ins Auge fassen, so finden 
wir um dasselbe heinim eine enorme Masse von Gliafasern, von denen ein 
Theil sich nicht selten von der übrigen Masse etwas absetzt, so dafs man 



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Ihüersnchnngen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 45 

von einer selbständigen Gliascheide sprechen kann. Aber schon in ge- 
ringer Entfernung davon praesentirt sich uns in der grauen Substanz ein 
vielleicht doppelt so grofses Gefafs mit ganz minimaler Gliabekleidung , so 
geringfügig, dals die Hülle an vielen Stellen ganz unvollständig ist. Und 
wenden wir uns scliliefslich in die Substantia Rolandi, so sehen wir hier 
die Gefafse völlig einer Hülle entbehren. Es erleidet also der Satz, dass 
die Gefafse innerhalb des Centralnervensystems immer von einer Gliahülle 
umgeben sind, hier eine gewisse Einschränkung. 

In der weifsen Substanz pflegen die Gliascheiden um die Gefafse ganz 
allgemein constanter und auch im Durchschnitt stärker zu sein als in der 
grauen Substanz. Das liegt aber in der Natur der Sache, denn hier ver- 
laufen die gröberen Gefafse ja in den Gliasepten, die von Hause aus sehr 
reich an ' Gliafasern sind, auch da, wo keine Gefafse in ihnen liegen. Es 
ordnen sich dabei die den Gef&fsen zunächst liegenden Fasern zu einer 
Scheide an. Diese entsteht aber jedenfalls erst durch das Einwachsen des 
Gefiifses, wofiir auch der Faserverlauf spricht. 

Die Fasern verlaufen nämlich wesentlich in der Längsrichtung des Ge- 
fiifses und beschreiben dabei Spiraltouren um dasselbe. Sind diese Spiralen 
sehr hoch oder lang gestreckt, so werden auf dem GefSfsquerschnitt die 
Fasern als Pünktchen erscheinen; sind die Spiralen eng gewunden, niedrig, 
so wird man die Fasern schräg geschnitten erhalten. Beide Verlaufsarten 
finden sich neben einander. 

In der weifsen Substanz sind die Gefafse ausschliefslich von solchen 
Spiralfasern umgeben , in der grauen Substanz gesellen sich zu ihnen aber 
noch Fasern, welche oft aus weiter Entfernung herkommen, Horizontal- 
fasern, welche direct auf die Geföfswand zulaufen und, an ihr angelangt, 
umbiegen, um sich den Spiralfasern zuzugesellen. Diese extrinsic fibres, 
wie sie Lloyd Andriezen genannt hat, sind vor allem bei Inuus und Ateks 
sehr zahlreich vertreten. Sie unterscheiden sich hier auch durch ihr Ca- 
liber von den meist sehr spärlich entwickelten Spiralfasern. Sie sind näm- 
lich immer stärker als jene und stammen von den eigenartigen und auf- 
fallenden Zellen ab, die schon früher erwähnt wurden, weil sich bei ihnen 
meist der Protoplasmaleib mitf&rbt. 

Was den feinern Bau der Gliascheiden anlangt, so verdient vor allem 
hervorgehoben zu werden, dafs die Fasern niemals mit solchem Knötchen 
enden, wie sie uns die Golgi-Praeparate zeigen. In guten nicht geschrumpft<*n 



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46 R. Krause: 

Praeparaten liegen die Gliafasern der Gefafswand an, niemals ist ein 
Spaltraum zwischen beiden vorlianden. Ein solcher ist auch gar nicht 
von Nöthen , denn er wird ja gerade erst durch die Anwesenheit der Glia- 
fasern geschaffen. Damit kommen wir aber schon auf die Function der 
Neuroglia zu sprechen, die im folgenden Capitel im Zusammenhang be- 
sprochen werden soll. 

Die physiologische Rolle der Neuroglia. 
Diejenigen Forscher, welche sich mit diesem Thema beschäftigt haben, 
gehen in ihren Anschauungen in drei Richtungen aus einander. Ich will 
dieselben hier nur kurz anfahren, da sich Weigert schon ausfiihrlich 
damit befafst hat. Nach Golgi kommen der Neuroglia nutritive Functionen 
zu, es sollen die Ausläufer der Gliazellen mit den Dendriten der Nerven- 
zellen in Verbindung treten und dadurch ihnen Nährmaterial zufahren. 
Die Weigert 'sehe Methode zeigt uns, dafs die Voraussetzungen, aufwei- 
chen diese Theorie basirt, keineswegs zutreffen. Erstens handelt es sich 
nicht um eigentliche Zellausläufer, sondern um von dem Köri)er der Glia- 
zellen dtfferente Fasern, und zweitens treten diese Fasern nirgends in Ver- 
bindung mit den Dendriten der Nervenzellen. In anderer Richtung be- 
wegt sich die Theorie von Ramön y Cajal; nach ihr kommt der Neu- 
roglia die Aufgabe zu, ein Isolationsmaterial zu bilden. Wäre das der 
Fall, so würde die Neuroglia ihre Aufgabe doch nur höchst unvollkommen 
erföUen, denn an vielen Stellen fehlen zwischen den Nervenfasern Glia- 
fasern vollständig, und aufserdem bilden die Gliafasern da, wo sie ül^er- 
haupt isolirend wirken könnten, meist nur so lockere Geflecht«, dafs von 
ihnen eine isolirende Wirkung gar nicht zu erwarten ist. Am einfachsten 
und natärlichsten ist die Auffassung von Weigert, nämlich daXs die Haupt- 
bedeutung der Neuroglia in der Raumausfiillung liegt. Überall da, wo 
die nervösen Bestandtheile Raum lassen , da schiebt sich die Neuroglia als 
Füllmaterial ein. So plausibel nun diese Anschauung ist, so erklärt sie, 
wie Weigert sich selbst sagt, doch verschiedene Thatsachen nicht, und 
das ist vor allem die starke Anhäufung von Gliafasern an der Oberfläche 
des Rückenmarks und um den Centralkanal herum. Ich glaube kaum, 
daJfe, wie Weigert meint, bei der Anordnung der Gliafasern irgend welche 
statische oder mechanische Ursachen eine Rolle spielen, denn diese setzen 
entweder Druck oder Zug voraus, und vor solchen mechanischen Momenten 



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Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. 47 

mufe das Rückenmark , wenn es ungestört functioniren soll, geschützt sein 
und ist auch durch seine Lage im Wirbelkanal innerhalb seiner mit Flüs- 
sigkeit gefönten Hüllen auf das beste geschützt. 

Ich glaube , man mufs die Bedeutung der Neuroglia in einer anderen 
Richtung suchen. 

Das Rückenmark ermangelt, das scheint aus allen Untersuchungen 
mit Sicherheit hervorzugehen, der Lymphgefäfse. Würden sich die ner- 
vösen Elemente, Zellen und Fasern, ohne Zwischensubstanz an einander 
lagern, so würde eine Circulation der Lymphe sehr erschwert oder gar 
unmöglich sein. Hier springen nun die Gliafasem ein. Indem sich diese 
mehr oder weniger doch starren Fasern zwischen die nervösen Elemente 
einlagern, werden zwischen ihnen Spalträume geschaffen, in welchen die 
Lymphe circuliren kann. Wir wollen nun sehen, wie mit diesen theo- 
retischen Anschauungen die Thatsachen in Einklang zu bringen sind. 

Wir sehen einmal, dafs da, wo gröfserer Stoffverbrauch ist, auch 
för ausgiebige Spalträume durch stärkere Glia-Anhäufung gesorgt ist, so 
z. B. um die grofsen Nervenzellen herum. Hier werden die Gliakörbe eine 
ausgiebige Umspülung mit Lymphe ermöglichen. Im Gegentheil braucht 
dann auch da, wo kein Stoffverbrauch ist, keine oder doch nur wenige 
Glia zu sein. So erklärt sich z. B. der geringe Gehalt der Substantia Ro- 
landi an Gliafasem. Hier ist der Stoffverbrauch auf ein Minimum ge- 
sunken, denn ein grofser Theil der 3ie früher zusammensetzenden Zellen 
ist einer regressiven Metamorphose anheimgefallen, wie mir das nach den 
Ausfuhrungen Leuhossek's sehr wahrscheinlich ist. Die GliahüUen der 
Gefäfse erklären sich leicht; hier ersetzen dieselben die Lymphscheiden. 

Die wichtigste Frage ist aber nun, ob sich mit dieser Annahme auch 
die Existenz der äufseren GliahüUe und vor allem der centralen Gliamasse 
erklären läfst. Hier müssen wir uns zunächst nach den Abfuhrwegen der 
Lymphe umsehen. Dieselben werden hauptsächlich gebildet durch die 
subarachnoidealen Räume, die ihrerseits wieder mit dem Ventrikelsystem 
des Gehirns bez. dem Centralkanal des Rückenmarks in offener Verbin- 
dung stehen. Wir können also den Centralkanal ebenfalls als einen Ab- 
fiihrweg för die Lymphe ansehen. Von diesem Standpunkt ausgehend, 
erklärt sich aber die Anwesenheit der centralen Gliamasse mit Leichtigkeit. 
Es stellt dieselbe mit ihrem aufserordentlich engen Maschen werk von Glia- 
fasem einen Schwamm gleichsam dar, welcher sich in dem Malse von 



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K, Preufs» Akad, d, Wissensch. 




Bg.l. 




Anhang z. d. Abh. 1899. Phys.-maih, CL 




Ftff.4. 




flg. 9. 



Fig. 2. 




Fig. 6. 




Fig. 3. 




Krause: Untersuchungen über den Bau des Gentralnervensystems der Affen. OoOqIc 



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% K. Preufs» Akad. d, Wisseruch. 



Anhang z. d. Äbh. 1899. Phys. - math. CL 



Fig. 12. 



a.p. c /^^ T 

Krause: ünterstichiiiigen über den Bau des Centralneirensystems^der SJflfe^S-^^^Ö 



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K. Preu/s. Akad, d, Wissensch. 



Anhang z, d. Ahh. 1899. Phys.-math. Cl 



Fig. 20. 



Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Äflfen/^QQQJp 

Tafel m. L^iyiu^t^u uy ^ 



y. 



J^'ßx\2^ toy 
/7 >yf 



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32101 064062712 ,. 



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